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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 16. Januar 2018(1)

Rechtssache C483/16

Zsolt Sziber

gegen

ERSTE Bank Hungary Zrt

(Vorabentscheidungsersuchen des Fővárosi Törvényszék [Hauptstädtisches Gericht, Ungarn])

„Verbraucherschutz – Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen – Auf eine Fremdwährung lautende Kreditverträge – Nationale Rechtsvorschriften, die zusätzliche prozessuale Anforderungen an die Geltendmachung der Missbräuchlichkeit von Klauseln in Verbraucherverträgen vorsehen“






1.        Die vorliegende Rechtssache ist ein weiteres Verfahren vor dem Hintergrund der zahlreichen auf eine Fremdwährung lautenden Verbraucherkreditverträge, die in den letzten Jahren in einigen Mitgliedstaaten, darunter Ungarn, abgeschlossen wurden.

2.        Die Rechtssache schließt im Wesentlichen an das Urteil des Gerichtshofs vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (im Folgenden: Urteil Kásler)(2), an. Das vorlegende Gericht möchte vom Gerichtshof insbesondere wissen, ob die innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die die ungarischen Stellen im Anschluss an das Urteil Kásler erlassen haben, mit der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen(3) vereinbar sind.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

3.        Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

B.      Ungarisches Recht

1.      Gesetz Nr. IV von 1959 über das Bürgerliche Gesetzbuch

4.        Der bis zum 14. März 2014 geltende § 239/A Abs. 1 des A Polgári Törvénykönyvről szóló 1959. évi IV. törvény (Gesetz Nr. IV von 1959 über das Bürgerliche Gesetzbuch) lautete wie folgt:

„Eine Partei kann bei Gericht die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags oder einzelner seiner Bestimmungen (teilweise Unwirksamkeit) beantragen, ohne gleichzeitig die Anwendung der Folgen der Unwirksamkeit zu beantragen.“

2.      Gesetz Nr. V von 2013 über das Bürgerliche Gesetzbuch

5.        Der seit dem 15. März 2014 geltende § 6:108 des A Polgári Törvénykönyvről szóló 2013. évi V. törvény (Gesetz Nr. V von 2013 über das Bürgerliche Gesetzbuch) bestimmt:

„(1)      Aus einem unwirksamen Vertrag kann weder ein Recht abgeleitet werden, noch kann Vertragserfüllung verlangt werden. Das Gericht bestimmt auf Antrag einer der Parteien die weiteren Rechtsfolgen der Unwirksamkeit unter Berücksichtigung der Verjährungs- und Ersitzungsbestimmungen.

(2)      Eine Partei kann bei Gericht die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags beantragen, ohne gleichzeitig die Anwendung der Folgen der Unwirksamkeit zu beantragen.

(3)      Das Gericht kann über die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit entscheiden und dabei auch von den Anträgen der Parteien abweichen, es kann aber keine Lösung zur Anwendung bringen, der sich beide Parteien entgegenstellen.“

3.      Gesetz DH 1

6.        § 1 Abs. 1 des A Kúriának a pénzügyi intézmények fogyasztói kölcsönszerződéseire vonatkozó jogegységi határozatával kapcsolatos egyes kérdések rendezéséről szóló 2014. évi XXXVIII. törvény (Gesetz Nr. XXXVIII von 2014 zur Regelung einzelner Fragen im Zusammenhang mit dem Beschluss der Kúria (Oberster Gerichtshof) zur Wahrung der Rechtseinheit im Bereich von Verbraucherkreditverträgen der Finanzinstitute; im Folgenden: Gesetz DH 1) bestimmt:

„Dieses Gesetz findet auf Verbraucherkreditverträge Anwendung, die zwischen dem 1. Mai 2004 und dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes geschlossen wurden. Im Rahmen der Anwendung dieses Gesetzes bezeichnet der Begriff ‚Verbraucherdarlehensvertrag‘ jeden auf einer Fremdwährung basierenden (mit einer Fremdwährung verbundenen oder auf sie lautenden und in Forint rückzahlbaren) oder auf Forint basierenden Kredit-, Darlehens- oder Finanzierungsleasingvertrag zwischen einem Finanzinstitut und einem Verbraucher, wenn er Standardvertragsklauseln oder eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel einbezieht, die eine der in § 3 Abs. 1 oder § 4 Abs. 1 genannten Bestimmungen enthält.“

7.        § 3 dieses Gesetzes bestimmt:

„(1)      In Verbraucherkreditverträgen sind Klauseln – mit Ausnahme von individuell ausgehandelten Vertragsklauseln – nichtig, wonach das Kreditinstitut zur Auszahlung des für den Erwerb des Darlehens- oder Leasingobjekts eingeräumten Finanzierungsbetrags die Anwendung des Ankaufskurses bestimmt und zur Rückzahlung der Schuld die des Verkaufskurses oder eines von dem bei der Auszahlung festgelegten abweichenden Wechselkurses.

(2)      Anstelle der nichtigen Klausel, auf die sich Abs. 1 bezieht, findet … sowohl für die Auszahlung als auch für die Rückzahlung (einschließlich der Zahlung der Raten und sämtlicher in einer Fremdwährung festgelegter Kosten, Gebühren und Provisionen) der von der ungarischen Nationalbank für die entsprechende Fremdwährung festgelegte offizielle Wechselkurs Anwendung.“

8.        § 4 des Gesetzes DH 1 bestimmt:

„(1)      Bei Verbraucherkreditverträgen, die das Recht zu einer einseitigen Vertragsänderung einschließen, wird vermutet, dass die Klauseln dieses Vertrags – mit Ausnahme der individuell ausgehandelten –, die eine einseitige Erhöhung des Zinssatzes oder eine einseitige Erhöhung der Kosten und Provisionen zulassen, missbräuchlich sind. …

(2)      Die Vertragsklausel, auf die sich Abs. 1 bezieht, ist nichtig, wenn das Kreditinstitut nicht innerhalb der in § 8 Abs. 1 bestimmten Frist einen Zivilprozess eingeleitet hat oder wenn das Gericht die Klage abgewiesen oder das Verfahren eingestellt hat, es sei denn, dass im Fall der Vertragsklausel das Verfahren des § 6 Abs. 2 eingeleitet werden kann, aber nicht eingeleitet wurde, oder dass, wenn das Verfahren eingeleitet wurde, das Gericht nicht die Nichtigkeit der Vertragsklausel gemäß Abs. 2a festgestellt hat.

(2a)      Eine Vertragsklausel, auf die sich Abs. 1 bezieht, ist nichtig, wenn ein Gericht ihre Nichtigkeit gemäß dem Sondergesetz zur Abrechnung in einem von der Aufsichtsbehörde im öffentlichen Interesse eingeleiteten Verfahren festgestellt hat.

(3)      Das Kreditinstitut führt in den Fällen, auf die sich die Abs. 2 und 2a beziehen, eine Abrechnung mit dem Verbraucher nach den Bestimmungen des Sondergesetzes durch.“

4.      Gesetz DH 2

9.        § 37 des A [Kúriának a] pénzügyi intézmények fogyasztói kölcsönszerződéseire vonatkozó jogegységi határozatával kapcsolatos egyes kérdések rendezéséről szóló 2014. évi XXXVIII. törvényben rögzített elszámolás szabályairól és egyes egyéb rendelkezésekről szóló 2014. évi XL. törvény (Gesetz Nr. XL von 2014 über Vorschriften zur Abrechnung, auf die sich das Gesetz XXXVIII von 2014 zur Regelung einzelner Fragen im Zusammenhang mit dem Beschluss der Kúria [Oberster Gerichtshof] zur Wahrung der Rechtseinheit im Bereich von Verbraucherkreditverträgen der Finanzinstitute bezieht, und über weitere Vorschriften; im Folgenden: Gesetz DH 2) bestimmt:

„(1)      Eine Partei kann im Zusammenhang mit den Verträgen, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, beim Gericht die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags oder bestimmter Vertragsklauseln (im Folgenden: Teilunwirksamkeit) nur beantragen – unabhängig von den Gründen für diese Unwirksamkeit –, wenn sie auch die Anwendung der Rechtsfolgen der Unwirksamkeit (nämlich die Feststellung der Wirksamkeit des Vertrags oder des Fortbestehens seiner Wirkungen bis zum Erlass der Entscheidung) beantragt. In Ermangelung dessen ist die Klage bzw. der Antrag – nachdem eine Aufforderung zur Behebung des Mangels folgenlos geblieben ist – unzulässig, und es darf nicht in der Sache entschieden werden. Wenn die Partei beantragt, die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit oder Teilunwirksamkeit anzuwenden, muss sie auch angeben, welche Rechtsfolge das Gericht anwenden soll. In Bezug auf die anzuwendende Rechtsfolge muss die Partei einen bestimmten Antrag stellen, in dem der genaue Betrag angegeben ist und der die Abrechnung zwischen den Parteien einschließt.

(2)      Unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Abs. 1 in Bezug auf die in den Geltungsbereich dieses Gesetzes fallenden Verträge ist nach § 239/A Abs. 1 des [Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1959] bzw. § 6:108 Abs. 2 des [Bürgerlichen Gesetzbuchs von 2013] – wenn die in diesem Gesetz festgelegten Voraussetzungen vorliegen – eine anhängige Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit oder Teilunwirksamkeit des Vertrags ohne Ladung als unzulässig abzuweisen oder das Verfahren einzustellen. Dies gilt nicht, wenn die Partei neben dem Klageantrag auf Feststellung der Unwirksamkeit oder Teilunwirksamkeit des Vertrags einen weiteren Klageantrag stellt; in diesem Fall gilt der Feststellungsantrag als nicht aufrechterhalten. Ebenso ist in Verfahren vorzugehen, die nach ihrer Aussetzung wieder aufgenommen werden.

(3)      Wenn in einem anhängigen Verfahren keine Abweisung der Klage als unzulässig ohne Ladung erfolgt, ist das Verfahren einzustellen, sofern die Partei nicht binnen 30 Tagen ab Zustellung der Aufforderung des Gerichts, den entsprechenden Mangel zu beheben, mit ihrer Klage (Widerklage) beantragt, die Rechtsfolgen aus der Unwirksamkeit oder Teilunwirksamkeit des Vertrags anzuwenden, und angibt, welche Rechtsfolge angewandt werden soll. Eine Verfahrenseinstellung erfolgt nicht, wenn die Partei neben dem Klageantrag auf Feststellung der Unwirksamkeit oder Teilunwirksamkeit des Vertrags einen weiteren Klageantrag stellt; in diesem Fall gilt der Feststellungsantrag als nicht aufrechterhalten.“

10.      Nach § 37/A dieses Gesetzes „[legt d]as Gericht … bei der Bestimmung der Rechtsfolgen der Unwirksamkeit unter Anwendung der Vorschriften zur Abrechnung nach diesem Gesetz – auf der Grundlage der Daten der nach § 38 Abs. 6 geprüften Abrechnung – die Zahlungsverpflichtungen der Parteien fest“.

11.      Nach § 38 Abs. 6 des Gesetzes DH 2 gilt die Abrechnung als überprüfte Abrechnung, wenn

„a)      der Verbraucher nicht binnen der in diesem Gesetz festgelegten Frist beim Finanzinstitut Beschwerde gegen die Abrechnung oder dagegen einlegt, dass das Finanzinstitut ihm gegenüber nicht abgerechnet habe,

b)      der Verbraucher nicht binnen der in diesem Gesetz festgelegten Frist ein Verfahren bei der Pénzügyi Békéltető Testület (Schlichtungsstelle in Finanzangelegenheiten) eingeleitet hat,

c)      der Verbraucher oder das Finanzinstitut nicht binnen der in diesem Gesetz festgelegten Frist das nichtstreitige Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 oder das streitige Verfahren gemäß § 23 Abs. 2 eingeleitet hat,

d)      die Entscheidung, mit der das vom Verbraucher oder dem Finanzinstitut eingeleitete nichtstreitige Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 bzw. streitige Verfahren gemäß § 23 Abs. 2 abgeschlossen wird, in Rechtskraft erwächst“.

5.      Gesetz DH 3

12.      Nach § 3 Abs. 1 des Az egyes fogyasztói kölcsönszerződések devizanemének módosulásával és a kamatszabályokkal kapcsolatos kérdések rendezéséről szóló 2014. évi LXXVII. törvény (Gesetz Nr. LXXVII von 2014 zur Regelung von Fragen im Zusammenhang mit der Änderung der Währung von Verbraucherkreditverträgen und der Zinsregelung; im Folgenden: Gesetz DH 3) „[wird e]in Verbraucherkreditvertrag … kraft dieses Gesetzes und gemäß seinen Bestimmungen geändert“.

13.      § 10 dieses Gesetzes bestimmt:

„Das Kreditinstitut, das aus einem auf eine Fremdwährung lautenden oder auf einer Fremdwährung basierenden Hypothekendarlehensvertrag mit einem Verbraucher berechtigt ist, ist binnen der Frist zur Erfüllung der Abrechnungspflicht nach dem [Gesetz DH 2] verpflichtet, die aufgrund des Hypothekendarlehensvertrags mit dem Verbraucher bestehende oder sich daraus ergebende Verbindlichkeit, wie sie aufgrund der Abrechnung nach dem [Gesetz DH 2] festgestellt worden ist – einschließlich der in der Fremdwährung abgerechneten Zinsen, Gebühren, Provisionen und Kosten – zum Stichtag unter Zugrundelegung eines Umrechnungskurses für die betreffende Fremdwährung, der

a)      entweder dem Durchschnitt des von der ungarischen Nationalbank zwischen dem 16. Juni 2014 und dem 7. November 2014 amtlich festgelegten Devisenkurses oder

b)      dem von der ungarischen Nationalbank am 7. November 2014 amtlich festgelegten Devisenkurs

entspricht, je nachdem, welcher der beiden Werte für den Verbraucher günstiger ist, in ein auf Forint lautendes Darlehen umzuwandeln.“

14.      § 15/A dieses Gesetzes bestimmt:

„(1)      In anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen es um die Feststellung der Unwirksamkeit (Teilunwirksamkeit) eines Verbraucherkreditvertrags bzw. die Anwendung der Rechtsfolgen der Unwirksamkeit geht, sind die Vorschriften dieses Gesetzes über die Umwandlung in Forint auf den Betrag der Verbindlichkeit des Verbrauchers aus dem auf eine Fremdwährung lautenden Darlehensvertrag oder dem auf einer Fremdwährung basierenden Darlehensvertrag, wie sie aufgrund der Abrechnung nach dem [Gesetz DH 2] festgestellt worden ist, ebenfalls anzuwenden.

(2)      Der Betrag der vom Verbraucher bis zum Datum des Erlasses der Entscheidung geleisteten Rückzahlungen mindert dessen zum Abrechnungsstichtag in Forint festgestellte Verbindlichkeit.

(3)      Wird der Verbraucherkreditvertrag für wirksam erklärt, bestimmen sich die besonderen vertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien aus der Abrechnung nach dem [Gesetz DH 2] nach den Vorschriften dieses Gesetzes.“

II.    Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

15.      Herr Zsolt Sziber und Frau Mónika Szeder schlossen als Verbraucher am 7. Mai 2008 mit der ERSTE Bank Hungary Zrt. (im Folgenden: ERSTE Bank) einen auf Schweizer Franken lautenden, jedoch in ungarischen Forint ausgezahlten und rückzahlbaren Darlehensvertrag sowie einen diesem beigefügten Hypothekenvertrag. Der Darlehensvertrag sah vor, dass für die Berechnung der Rückzahlungsraten des Darlehens der Verkaufswechselkurs der Bank gelten sollte, während der Auszahlungsbetrag auf Basis des Ankaufswechselkurses der Bank in ungarische Forint umgerechnet wurde. Er räumte dem Kreditinstitut ferner das Recht zu einer einseitigen Änderung des Vertrags (durch Erhöhung von Zinssatz, Gebühren und Kosten) ein.

16.      Da er diesen Vertrag für nicht rechtmäßig hielt, erhob Herr Sziber Klage beim Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Gericht, Ungarn). Mit seiner, später geänderten, Klage machte Herr Sziber in erster Linie geltend, dass der Vertrag aus mehreren Gründen in seiner Gesamtheit unwirksam sei, nämlich i) weil er nicht den Betrag der einzelnen Raten – insbesondere den Betrag des Kapitals und der Zinsen – enthalte, so dass es sich um eine unmögliche Leistung handle, ii) weil ein Betrag in einer Fremdwährung nicht auf ein in Forint geführtes Kreditkonto eingezahlt werden könne, iii) weil der Wechselkurs für die Fremdwährungsumrechnung im Vertrag nicht klar festgelegt gewesen sei, iv) weil das Kreditinstitut keine verantwortliche Kreditbewertung im Zusammenhang mit der Prüfung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners durchgeführt habe, die insbesondere das Wechselkursrisiko berücksichtige, und v) weil der Verbraucher die Tragweite des Wechselkursrisikos auf der Grundlage der ihm zur Verfügung gestellten wenig klaren und verständlichen Informationen nicht habe beurteilen können.

17.      Hilfsweise hat Herr Sziber die Feststellung der Missbräuchlichkeit und somit der Unwirksamkeit nur einiger Vertragsklauseln beantragt. Insbesondere sei die Klausel in Ziff. VII.2 des Vertrags missbräuchlich, da das Ausmaß des Wechselkursrisikos vom Verbraucher nicht umfassend beurteilt werden könne, wenn ihm keine klaren und verständlichen Informationen gegeben würden. Die Klausel in Ziff. VIII.13 des Vertrags sei missbräuchlich, da Bekanntmachungen der Bank Bestandteil des Vertrags geworden seien, wodurch der Bank das Recht zur Ergänzung des Vertrags eingeräumt worden sei und das vertragliche Gleichgewicht zwischen den Parteien verletzt werde. Ferner seien die Klauseln in den Abschnitten II.1 (Bestimmung der Raten gemäß den Bekanntmachungen der Bank), III.2 (Zinssatz und dessen Variabilitätsgrad) und III.3 (Recht zur Erhöhung des Zinssatzes) des Vertrags missbräuchlich und somit nichtig.

18.      Herr Sziber hat insofern vorgetragen, dass er die Tragweite des Wechselkursrisikos nicht habe beurteilen können. Aufgrund der Missbräuchlichkeit der Klauseln über i) die Bestimmung der Raten gemäß den Bekanntmachungen des Kreditinstituts, ii) den Zinssatz und dessen Variabilitätsgrad und das Recht zur Erhöhung des Zinssatzes seien diese Klauseln ferner nichtig.

19.      Während des Verfahrens wurden jedoch einige der anwendbaren innerstaatlichen Rechtsvorschriften geändert und zusätzliche Regelungen eingeführt. Bei den ungarischen Gerichten waren nämlich zahlreiche – derjenigen von Herrn Sziber ähnliche oder entsprechende – Klagen erhoben worden. Am 16. Juni 2014 entschied die Kúria (Oberster Gerichtshof) unter Berücksichtigung des Urteils Kásler(4), dass bestimmte Vertragsklauseln in Verbraucherkreditverträgen missbräuchlich seien. Gleichwohl erklärte sie diese Verträge nicht für nichtig, sondern erkannte darauf, dass bestimmte Klauseln geändert werden könnten. Sie entschied insbesondere, dass an die Stelle der in Fremdwährungsdarlehensverträgen als Umrechnungskurse vorgesehenen Ankaufs- und Verkaufskurse der amtliche Devisenwechselkurs der ungarischen Nationalbank zu treten habe. Vom Verbraucher in der Vergangenheit darüber hinaus gezahlte Beträge seien vom Kreditinstitut zurückzuerstatten(5).

20.      Da der Abschluss von auf Fremdwährungen lautenden Darlehensverträgen allgemeine Praxis war, entschied der ungarische Gesetzgeber, die Rechtsprechung der Kúria (Oberster Gerichtshof) in gesetzliche Vorschriften zu fassen und erließ besondere Verfahrensvorschriften, um den Folgen dieser Rechtsprechung Rechnung zu tragen. Es wurden insbesondere die oben in den Nrn. 6 bis 14 genannten Gesetze DH 1, DH 2 und DH 3 (im Folgenden: in Rede stehende nationale Rechtsvorschriften) erlassen.

21.      Im Licht des neuen rechtlichen Rahmens kam das vorlegende Gericht in der vorliegenden Rechtssache zu der Ansicht, dass die Anwendung des Verkaufswechselkurses von ERSTE Bank zur Umrechnung der laufenden Raten und das Recht dieser Bank zur einseitigen Änderung des Vertrags unwirksam seien. Demzufolge seien die von Herrn Sziber aufgrund dieser Klauseln an ERSTE Bank geleisteten Zahlungen rechtsgrundlos erfolgt und zurückzuerstatten. Im Hinblick auf gegebenenfalls darüber hinausgehende Forderungen forderte das vorlegende Gericht Herrn Sziber auf, seine Klage nach § 37 des Gesetzes DH 2 zu ändern. Auf diese Aufforderung reagierte Herr Sziber indes nicht.

22.      Da Herr Sziber seine Klage nicht änderte, sah sich das Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Gericht) außerstande, weiter in der Sache zu entscheiden. Nach § 37 des Gesetzes DH 2 wäre das Verfahren einzustellen gewesen. Da es jedoch Zweifel in Bezug auf die richtige Auslegung einiger Bestimmungen des Unionsrechts und der Vereinbarkeit bestimmter nationaler Regelungen mit diesen Bestimmungen hatte, hat das Gericht mit Beschluss vom 29. August 2016 das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind die nachstehenden Vorschriften des Unionsrechts, nämlich Art. 169 AEUV, Art. 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit Art. 8 der Richtlinie sowie der 47. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates dahin auszulegen,

dass sie einer nationalen Regelung (und deren Anwendung) entgegenstehen, die zusätzliche Anforderungen aufstellt zum Nachteil derjenigen Prozesspartei (Kläger oder Beklagter), die als Verbraucher zwischen dem 1. Mai 2004 und dem 26. Juli 2014 einen Kreditvertrag abgeschlossen hat, in dem eine missbräuchliche Vertragsklausel, die eine einseitige Erhöhung der Zinssätze, Gebühren oder Provisionen ermöglicht, oder eine Vertragsbestimmung hinsichtlich einer Kursspanne enthalten ist,

wobei diese zusätzlichen Anforderungen verpflichtend die Stellung eines zivilprozessualen Antrags – in erster Linie eine Klage, eine Klageänderung oder eine Einrede der Unwirksamkeit (zur Verteidigung gegen eine gegen den Verbraucher erhobene Klage), deren Änderung, eine Widerklage oder eine Widerklageänderung – verlangen, der zwingend einen bestimmten Inhalt aufweisen muss, damit die mit der Unwirksamkeit der vorgenannten Verbraucherverträge zusammenhängenden Rechte gerichtlich geltend gemacht werden können, vor allem, damit das Gericht über die Begründetheit des Antrags entscheiden kann,

während eine andere Prozesspartei, die Kreditschuldner, aber kein Verbraucher oder sowohl Kreditschuldner als auch Verbraucher ist, aber im selben Zeitraum einen Kreditvertrag eines anderen Typs als des vorgenannten abgeschlossen hat, keinen solchen Antrag mit diesem Inhalt einreichen muss?

2.      Sind die in der ersten Frage genannten Vorschriften des Unionsrechts – unabhängig davon, ob der Gerichtshof die erste Frage, die allgemeiner formuliert ist als die zweite Frage, bejaht oder verneint – dahin auszulegen, dass sie der Anwendung der (nachfolgend unter den Buchst. a bis c genannten) zusätzlichen zwingenden Anforderungen entgegenstehen, die für eine Prozesspartei gelten, die Kreditschuldner und Verbraucher im Sinne der ersten Frage ist, und wonach

a)      die Klage, Klageänderung oder Einrede der Unwirksamkeit (zur Verteidigung gegen eine gegen den Verbraucher erhobene Klage), deren Änderung, eine Widerklage oder eine Widerklageänderung, die von der Prozesspartei (Kläger oder Beklagter), die Kreditschuldner und Verbraucher im Sinne der ersten Frage ist, einzureichen ist, nur dann zulässig ist und auf ihre Begründetheit hin geprüft wird, wenn

die Prozesspartei in dem betreffenden Schriftsatz nicht nur beantragt, dass das Gericht die vollständige oder teilweise Unwirksamkeit der in der ersten Frage genannten Verbraucherkreditverträge feststellt, sondern auch, dass es die Rechtsfolgen der vollständigen Unwirksamkeit zur Anwendung bringt,

während eine andere Prozesspartei, die Kreditschuldner, aber kein Verbraucher oder sowohl Kreditschuldner als auch Verbraucher ist, aber im selben Zeitraum einen Kreditvertrag eines anderen Typs als des vorgenannten abgeschlossen hat, keinen solchen Antrag mit diesem Inhalt einreichen muss;

b)      die Klage, Klageänderung oder Einrede der Unwirksamkeit (zur Verteidigung gegen eine gegen den Verbraucher erhobene Klage), deren Änderung, eine Widerklage oder eine Widerklageänderung, die von der Prozesspartei (Kläger oder Beklagter), die Kreditschuldner und Verbraucher im Sinne der ersten Frage ist, einzureichen ist, nur dann zulässig ist und auf ihre Begründetheit hin geprüft wird, wenn

die Prozesspartei in dem betreffenden Schriftsatz – neben der gerichtlichen Feststellung der vollständigen Unwirksamkeit der in der ersten Frage genannten Verbraucherkreditverträge – als eine der Rechtsfolgen der vollständigen Unwirksamkeit nicht die Wiederherstellung des vor dem Vertragsschluss bestehenden ursprünglichen Zustands durch das Gericht beantragt,

während eine andere Prozesspartei, die Kreditschuldner, aber kein Verbraucher oder sowohl Kreditschuldner als auch Verbraucher ist, aber im selben Zeitraum einen Kreditvertrag eines anderen Typs als des vorgenannten abgeschlossen hat, keinen solchen Antrag mit diesem Inhalt einreichen muss;

c)      die Klage, Klageänderung oder Einrede der Unwirksamkeit (zur Verteidigung gegen eine gegen den Verbraucher erhobene Klage), deren Änderung, eine Widerklage oder eine Widerklageänderung, die von der Prozesspartei (Kläger oder Beklagter), die Kreditschuldner und Verbraucher im Sinne der ersten Frage ist, einzureichen ist, nur dann zulässig ist und auf ihre Begründetheit hin geprüft wird, wenn

der betreffende Schriftsatz für den Zeitraum zwischen dem Beginn des Vertragsrechtsverhältnisses und der Klageerhebung auch eine (von den nationalen Bestimmungen vorgeschriebene) mathematisch außerordentlich komplizierte – und unter Berücksichtigung der Vorschriften über die Umrechnung in HUF erstellte – Abrechnung enthält,

die eine detaillierte rechnerisch überprüfbare Aufstellung einschließt, in der die nach dem Vertrag fälligen Zahlungen, die vom Kläger geleisteten Zahlungen, die unter Außerachtlassung der unwirksamen Bestimmung bestehenden fälligen Zahlungen und der Unterschiedsbetrag zwischen diesen genannt werden, und in der als Endbetrag angegeben ist, in welcher Höhe eine Verbindlichkeit oder gegebenenfalls eine Überzahlung der Prozesspartei, die Kreditschuldner und Verbraucher im Sinne der ersten Frage ist, gegenüber dem Geldinstitut besteht,

während eine andere Prozesspartei, die Kreditschuldner, aber kein Verbraucher oder sowohl Kreditschuldner als auch Verbraucher ist, aber im selben Zeitraum einen Kreditvertrag eines anderen Typs als des vorgenannten abgeschlossen hat, keinen solchen Antrag mit diesem Inhalt einreichen muss?

3.      Sind die in der ersten Frage angeführten Vorschriften des Unionsrechts dahin auszulegen, dass der Verstoß gegen diese Vorschriften, der in der Vorgabe der oben (in der ersten und der zweiten Frage) genannten zusätzlichen Anforderungen besteht, zugleich einen Verstoß gegen die Art. 20, 21 und 47 der Charta darstellt, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten nach den Urteilen des Gerichtshofs vom 5. Dezember 2000, Guimont (C‑448/98, EU:C:2000:663, Rn. 23), und vom 10. Mai 2012, Duomo Gpa u. a. (C‑357/10 bis C‑359/10, EU:C:2012:283, Rn. 28), und dem Beschluss vom 3. Juli 2014, Tudoran (C‑92/14, EU:C:2014:2051, Rn. 39), das Unionsrecht auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes auch auf rein innerstaatliche Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Charakter anzuwenden haben? Oder ist gegebenenfalls davon auszugehen, dass es sich bei den in der ersten Frage genannten Kreditverträgen um sogenannte auf einer Fremdwährung basierende Kreditverträge handelt und es sich somit allein aufgrund dieses Umstands um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt?

23.      Da das vorlegende Gericht sich aufgrund der Untätigkeit des Klägers für außerstande erklärt hat, über den Rechtsstreit zu entscheiden, hat der Gerichtshof angefragt, ob dieser bei diesem Gericht noch anhängig ist. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2016 hat das Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Gericht) dies bejaht und erläutert, dass der Ausgang des Rechtsstreits (Prüfung der Begründetheit der Klage oder Abweisung aus prozessualen Gründen) von der Beantwortung der Vorlagefragen durch den Gerichtshof abhänge.

24.      Im vorliegenden Verfahren haben ERSTE Bank, die ungarische Regierung und die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht. Sie haben in der Sitzung vom 24. Oktober 2017 auch mündlich vorgetragen.

III. Würdigung

A.      Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs und zur Zulässigkeit

25.      Vor der Befassung mit den Vorlagefragen sind einige Fragen der Zuständigkeit und Zulässigkeit anzusprechen.

26.      Erstens bestanden aufgrund der Formulierung des ursprünglichen Ersuchens Zweifel, ob der Rechtsstreit beim vorlegenden Gericht noch anhängig ist, was eine nach Art. 267 AEUV notwendige Voraussetzung für die Vorlage einer Frage an den Gerichtshof darstellt(6). Da das vorlegende Gericht jedoch später klargestellt hat, dass die Rechtssache noch anhängig ist, sehe ich hier kein Problem mehr.

27.      Wichtiger ist aber, dass trotz der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen und der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nach wie vor Unklarheit darüber besteht, welche Bestimmungen des Unionsrechts auf das Ausgangsverfahren Anwendung finden.

28.      Zunächst ist, was die Auslegung der Vertragsbestimmungen über den Verbraucherschutz – gegenwärtig Art. 169 AEUV – angeht, darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung sich in erster Linie an die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union richtet. Ohne weitere Erläuterung des vorlegenden Gerichts dazu, warum und inwieweit diese Bestimmung auf eine Situation wie die von Herrn Sziber Anwendung finden könnte, kann der Gerichtshof sie meines Erachtens nicht sachdienlich auslegen. Ebenso sollte der Gerichtshof mangels näherer Angaben seitens des vorlegenden Gerichts zur Relevanz der Art. 20 („Gleichheit vor dem Gesetz“), Art. 21 („Nichtdiskriminierung“), Art. 38 („Verbraucherschutz“) und Art. 47 („Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht“) der Charta in der vorliegenden Rechtssache meines Erachtens von dem Versuch absehen, zu diesen Bestimmungen Stellung zu nehmen.

29.      Ferner findet die Richtlinie 2008/48/EG(7) auf das Ausgangsverfahren keine Anwendung, da sie nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. a nicht für Kreditverträge gilt, die durch eine Hypothek gesichert sind, was bei dem Vertrag von Herrn Sziber der Fall ist.

30.      Schließlich ist nicht ohne Weiteres erkennbar, über welche Forderungen auf der Grundlage der Richtlinie 93/13 – deren Bestimmungen sicherlich vor Erlass der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften anwendbar waren – das vorlegende Gericht nach Inkrafttreten dieser Rechtsvorschriften (und ordnungsgemäßem Zugang der Abrechnung der Bank bei Herrn Sziber(8)) im Ausgangsverfahren noch entscheiden müsste. Die Untätigkeit von Herrn Sziber, nachdem er nach Erlass der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften vom vorlegenden Gericht aufgefordert worden war, seine Klage zu ändern, wirft ferner Zweifel auf, ob es noch offenstehende Forderungen aufgrund der angeblichen Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln gibt.

31.      Die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften finden grundsätzlich auf alle Darlehensverträge Anwendung, die von einem Kreditinstitut und einem Verbraucher im Zeitraum vom 1. Mai 2004 bis 26. Juli 2014 abgeschlossen wurden und auf eine Fremdwährung (Vertrag in einer Fremdwährung oder Vertrag, der in einer Fremdwährung abgeschlossen und in ungarischen Forint rückzahlbar ist) oder auf ungarische Forint lauten und die die nach diesen Rechtsvorschriften für missbräuchlich erklärten oder als missbräuchlich geltenden Klauseln enthalten. Diese Klauseln werden aufgehoben (und gegebenenfalls durch andere Bestimmungen ersetzt), und die auf eine Fremdwährung lautenden Verträge werden in auf ungarische Forint lautende Verträge umgewandelt. Die Kreditinstitute müssen Kunden eine Abrechnung übermitteln, um die sich hieraus ergebenden finanziellen Folgen zu bestimmen. Von Verbrauchern geleistete Überzahlungen sind ihnen zu erstatten.

32.      Vor diesem Hintergrund dürften die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften im Fall von Herrn Sziber schon die Nichtigkeit der Vertragsklauseln bewirkt haben, die er für missbräuchlich hielt. Den verbleibenden Rügen zur Stützung seiner Forderungen vor dem vorlegenden Gericht liegen offenbar im Wesentlichen innerstaatliche Rechtsvorschriften zugrunde, die mit anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts (einschließlich, soweit für mich ersichtlich, solchen der Richtlinie 93/13) nicht in Verbindung stehen: der Vorwurf, das Kreditinstitut habe keine verantwortliche Kreditbewertung im Zusammenhang mit der Prüfung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners durchgeführt, die Unmöglichkeit der Zahlung der einzelnen Raten wegen fehlender Angabe der Beträge und die Unmöglichkeit der Einzahlung eines Fremdwährungsbetrags auf ein in Forint geführtes Kreditkonto.

33.      Vor diesem Hintergrund halte ich das Ersuchen für unzulässig, weil der tatsächliche und rechtliche Rahmen nicht hinreichend genau dargestellt ist, um dem Gerichtshof eine sachdienliche Beantwortung nach Art. 267 AEUV zu ermöglichen.

34.      Für den Fall, dass der Gerichtshof meine Ansicht zu den vorstehend ausgeführten prozessualen Fragen nicht teilen sollte, werde ich gleichwohl auf die vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen materiellen Fragen eingehen. Ich werde meine Würdigung auf die Vereinbarkeit von § 37 des Gesetzes DH 2 mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 konzentrieren und insoweit davon ausgehen, dass Herr Sziber im Ausgangsverfahren unbeschadet der Anwendung der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften noch über wirksame Forderungen auf der Grundlage dieser Richtlinie verfügt.

B.      Zur Beantwortung der Fragen

1.      Erste und zweite Frage

35.      Mit der ersten und der zweiten Frage, die zusammen geprüft werden können, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 nationalen Regelungen entgegensteht, die Anforderungen der in § 37 des Gesetzes DH 2 vorgesehenen Art für Klagen von Verbrauchern einführen, die in einem bestimmten Zeitraum einen Kreditvertrag abgeschlossen haben, der missbräuchliche Vertragsklauseln enthält.

36.      Zunächst ist im Blick zu behalten, dass das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass der Verbraucher sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt(9). In Anbetracht dieser schwächeren Position sieht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie vor, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher nicht verbindlich sind. Diese Bestimmung ist als eine Norm zu betrachten, die den im nationalen Recht zwingenden innerstaatlichen Bestimmungen gleichwertig ist(10). Sie zielt darauf ab, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheit wiederherzustellen(11).

37.      Aufgrund von Art und Bedeutung des öffentlichen Interesses, das der Schutz der Verbraucher darstellt, die gegenüber den Gewerbetreibenden im Nachteil sind, verpflichtet die Richtlinie 93/13, wie sich aus ihrem Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit ihrem 24. Erwägungsgrund ergibt, die Mitgliedstaaten, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, „damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird“(12). Da jedoch die nationalen Verfahren zur Durchsetzung der Rechte, die Verbrauchern nach der Richtlinie 93/13 zustehen, nicht vereinheitlicht worden sind, ist es nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, die Modalitäten festzulegen, nach denen sich die Zulässigkeit von Klagen wegen Missbräuchlichkeit von in Verbraucherverträgen enthaltenen Klauseln richtet, vorausgesetzt allerdings, dass sie nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzprinzip), und dass sie die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip)(13).

38.      Vor diesem Hintergrund erscheint klar, dass die in der vorliegenden Rechtssache vorgelegten Fragen nicht abstrakt beantwortet werden können, sondern eine vertiefte und einzelfallbezogene Prüfung der einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften erfordern.

39.      Zu dieser Prüfung ist grundsätzlich das nationale Gericht am besten in der Lage. Es könnten nämlich Aspekte der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften relevant sein, die dem Gerichtshof möglicherweise noch nicht zur Kenntnis gebracht worden sind. Zudem könnte dem Gerichtshof auch das Zusammenspiel zwischen den konkret in Rede stehenden Vorschriften und anderen wesentlichen Bestimmungen oder Grundsätzen des betreffenden Mitgliedstaats unklar sein. Dies gilt besonders in einer Rechtssache wie der vorliegenden, in der – trotz der von den Parteien eingereichten Stellungnahmen und der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung – in Bezug auf bestimmte tatsächliche Aspekte des Rechtsstreits sowie die Reichweite und Bedeutung der einschlägigen innerstaatlichen Vorschriften eine gewisse Unklarheit fortbesteht.

40.      Dessen ungeachtet werde ich zu den vom vorlegenden Gericht zum Ausdruck gebrachten Zweifeln in Bezug auf die Vereinbarkeit von Bestimmungen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art mit der Richtlinie 93/13 auf der Grundlage meines Verständnisses des einschlägigen tatsächlichen und rechtlichen Rahmens Stellung nehmen.

41.      Meines Erachtens ist die zentrale Fragestellung im vorliegenden Verfahren die folgende: Wahren nationale Bestimmungen wie § 37 des Gesetzes DH 2 die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität?

42.      Das vorlegende Gericht weist den Gerichtshof auf einige konkrete Aspekte der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften hin. Die Klage eines Verbrauchers auf Nichtigerklärung von ihm für missbräuchlich gehaltener Klauseln ist, wenn die Klage Verträge betrifft, die unter die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften fallen, nur zulässig (oder kann, wenn sie bereits anhängig ist, nur weiterverfolgt werden), wenn der Kläger i) beantragt, dass das Gericht die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit des Vertrags zur Anwendung bringt, ii) als eine der Rechtsfolgen der Unwirksamkeit beantragt, dass das Gericht den Vertrag für bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils wirksam bzw. seine Wirkungen für bis dahin fortbestehend erklärt und iii) einen bestimmten Antrag stellt, in dem der genaue Betrag angegeben ist und der die Abrechnung zwischen den Parteien einschließt (im Folgenden zusammen: in Rede stehende prozessuale Anforderungen).

43.      Das nationale Gericht betont, dass diese Anforderungen im Fall einer Klage auf Nichtigerklärung, die von einem Verbraucher außerhalb des Geltungsbereichs der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften erhoben wird, nicht erfüllt zu werden brauchen, und sie es zudem Verbrauchern erschweren könnten, ihre Rechte nach der Richtlinie 93/13 auszuüben.

44.      Wenn dies der Fall ist, ist zunächst auf die Frage einzugehen, ob das Äquivalenzkriterium erfüllt ist.

a)      Äquivalenzgrundsatz

45.      Es ist somit zu klären, ob die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften in einer Situation wie der von Herrn Sziber nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Klagen regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen. Die vergleichbare Situation ist meines Erachtens die eines Verbrauchers, der einen Darlehensvertrag mit einem Kreditinstitut abgeschlossen hat und die vollständige oder teilweise Nichtigerklärung dieses Vertrags aufgrund anderer Bestimmungen des nationalen Rechts als § 37 des Gesetzes DH 2 begehrt(14) (z. B. aufgrund zwingender Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder des Handelsgesetzbuchs).

46.      In Verfahren letzterer Art – die, soweit mir bekannt, § 239/A des alten Bürgerlichen Gesetzbuchs (bis 14. März 2014) und § 6:108 des neuen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ab 15. März 2014) unterliegen – brauchen die in Rede stehenden prozessualen Anforderungen nicht erfüllt zu sein, damit die Klage als zulässig anzusehen ist (bzw. zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Rechtsvorschriften anhängige Verfahren weiterbetrieben werden können). Dementsprechend kann sicherlich davon ausgegangen werden, dass diese Anforderungen vom Kläger einen zusätzlichen Aufwand bei der Darlegung des „Was und Warum“ seiner Forderungen verlangen.

47.      Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Äquivalenzkriterium nicht erfüllt ist. Es wäre meines Erachtens nämlich verfehlt, die in Rede stehenden prozessualen Anforderungen isoliert vom einschlägigen Kontext zu betrachten, wie das vorlegende Gericht dies offenbar tut.

48.      Der Gerichtshof hat festgestellt, dass immer dann, wenn sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift ungünstiger ist als diejenigen, die vergleichbare Klagen des innerstaatlichen Rechts betreffen, die Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, der Verfahrensablauf und die Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu berücksichtigen sind(15).

49.      Ich möchte betonen, dass die Verfahren nach den in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften sich insgesamt von denjenigen unterscheiden, die für vergleichbare Sachverhalte vorgesehen sind. Der ungarische Gesetzgeber hat nicht lediglich neue (und wohl auch strengere) Zulässigkeitsanforderungen für Verbraucher eingeführt, die Zugang zu den üblichen Verfahren vor den Gerichten suchen, sondern diese Anforderungen wurden zu dem Zweck eingeführt, Zugang zu neuen und anderen Verfahren zu gewähren, die in den von diesen Rechtsvorschriften geregelten Bereichen die üblichen Verfahren ersetzen.

50.      Dies bedeutet, dass bei der Prüfung der Äquivalenz der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften im Ausgangsverfahren der Gegenstand und die wesentlichen Merkmale der neuen Verfahren berücksichtigt und den vergleichbaren innerstaatlichen Verfahren gegenübergestellt werden müssen(16). Der richtige Ansatz in der vorliegenden Rechtssache ist daher, zu prüfen, ob die neuen Verfahren (innerhalb deren die in Rede stehenden prozessualen Anforderungen einen Aspekt darstellen) in ihrer Gesamtheit betrachtet(17) den Verbrauchern einen Schutz der ihnen aus der Richtlinie 93/13 erwachsenden Rechte gewähren, der genauso effektiv, praktisch und zeitnah ist wie derjenige, den die üblichen Verfahrensregelungen gewähren.

51.      In Anbetracht des Kontexts, in dem diese Vorschriften erlassen worden sind, gewähren die neuen Verfahren meines Erachtens einen Schutz der den Verbrauchern aus der Richtlinie 93/13 erwachsenden Rechte, der tatsächlich günstiger ist als derjenige, den die üblichen Verfahrensregelungen gewähren. Denn diese neuen Regelungen haben, wie noch dargelegt werden wird, die Verfahren, die Verbraucher und Kreditinstitute normalerweise zur Änderung oder Nichtigerklärung eines Darlehens durchlaufen müssten, miteinander kombiniert und hierdurch die Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten zwischen ihnen vereinfacht, beschleunigt und kostengünstiger gemacht. Die bloße Änderung oder Nichtigerklärung eines Darlehensvertrags reicht nämlich oft nicht aus, um einen Rechtsstreit zwischen einem Verbraucher und dem Kreditinstitut beizulegen (wie das Urteil Kásler(18) deutlich zeigt).

52.      Wie erwähnt, ist die vorliegende Rechtssache vor dem Hintergrund der zahlreichen, auf eine Fremdwährung lautenden Verbraucherkreditverträge zu sehen, die in den letzten Jahren in Ungarn abgeschlossen wurden und später zu einer Vielzahl von Klagen vor den innerstaatlichen Gerichten geführt haben. Diese Verträge enthielten häufig bestimmte missbräuchliche Klauseln. Der ungarische Gesetzgeber wollte diese Situation – auf Basis der Grundsätze, die die Kúria (Oberster Gerichtshof) in ihrem Urteil vom 16. Juni 2014(19) entwickelt hatte, das seinerseits die angemessenen Schlussfolgerungen aus dem Urteil Kásler(20) zog – mit dem Erlass der Gesetze DH 1, DH 2 und DH 3 ein für allemal lösen. Das hierfür gewählte Instrument sollte den Verbrauchern in dieser besonderen Situation einen einfacheren und schnelleren Weg zur gerichtlichen Durchsetzung ihrer Rechte eröffnen und zugleich auch die Verteidigungsrechte der betreffenden Kreditinstitute wahren.

53.      Die Missbräuchlichkeit bestimmter Vertragsklauseln (derjenigen, die der Gerichtshof im Urteil Káslergeprüft hatte) wurde somit entweder gesetzlich festgestellt oder vermutet, und auf eine Fremdwährung lautende Darlehensverträge wurden in auf ungarische Forint lautende Verträge umgewandelt. Es wurden ferner besondere Verfahren zur Bestimmung der rechtlichen und finanziellen Folgen der teilweisen oder vollständigen Nichtigkeit der Verträge eingeführt. Hierzu verschmolz der Gesetzgeber im Wesentlichen die getrennten Verfahren, die Verbraucher und Kreditinstitute normalerweise hätten durchlaufen müssen, miteinander zu einem einheitlichen Verfahren: das erste Verfahren über die behauptete Missbräuchlichkeit der Klauseln und deren Wirkung im Hinblick auf eine teilweise oder vollständige Unwirksamkeit des Vertrags und das zweite Verfahren über die finanziellen Folgen einer solchen Unwirksamkeit.

54.      Meines Erachtens trägt die ungarische Regierung durchaus zu Recht vor, dass – mit der Verschmelzung der beiden vorgenannten Verfahren zu einem einheitlichen Verfahren, in dem die Beurteilung bestimmter Aspekte des Rechtsstreits (der Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln) nicht dem Gericht überlassen, sondern gesetzlich festgelegt und die Bestimmung der Rechtsfolgen der Feststellungen des Gerichts vereinfacht wird (indem der Kläger aufgefordert wird, seine Forderungen klarzustellen) – der Schutz der den betreffenden Verbrauchern aus der Richtlinie 93/13 erwachsenden Rechte in den unter die neuen Rechtsvorschriften fallenden Sachverhalten möglicherweise wirksamer sei als der durch die üblichen Regelungen gewährte Schutz. Allgemeiner dürften die neuen Verfahren sowohl für Verbraucher als auch für Kreditinstitute die Rechtssicherheit erhöhen und komplexe und zeitaufwändige Gerichtsverfahren so weit wie möglich vermeiden, die das innerstaatliche Gerichtssystem hätten überlasten und zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung hätten führen können.

55.      Wenn die neuen Verfahren ihr (berechtigtes) Ziel erreichen sollen, erscheint es notwendig, Klägern einen zusätzlichen Aufwand zur Klarstellung ihrer Anträge vor den nationalen Gerichten in Bezug auf die mögliche Nichtigkeit des Vertrags und der sich hieraus ergebenden rechtlichen und finanziellen Folgen abzuverlangen. Dies gilt hier erst recht, da dieser Klarstellungsaufwand zu leisten ist, nachdem der Darlehensvertrag entsprechend den rechtlichen Vorgaben geändert worden ist. Die neuen Anforderungen sind somit meines Erachtens dem durch die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften eingeführten besonderen Rechtsschutzsystem immanent(21). Dieses System ist im Licht der Umstände der betreffenden Rechtsstreitigkeiten wahrscheinlich tatsächlich günstiger für Verbraucher als das für vergleichbare innerstaatliche Rechtsstreitigkeiten geltende.

56.      Aus diesen Gründen stehen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelungen meines Erachtens im Einklang mit dem Äquivalenzgrundsatz.

b)      Effektivitätsgrundsatz

57.      Zu prüfen bleibt nun noch, ob die in Rede stehenden prozessualen Anforderungen auch mit dem Effektivitätsgrundsatz im Einklang stehen.

58.      Ausgehend von den vorstehenden Erwägungen dürfte dies in der Tat der Fall sein. Ich habe bereits erläutert, dass die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften Verfahren einführen, die im Licht der Umstände der Rechtssache wahrscheinlich eine einfachere, schnellere und kostengünstigere Entscheidung der Rechtsstreitigkeiten zwischen Verbrauchern und Kreditinstituten ermöglichen.

59.      Jedenfalls lässt sich meines Erachtens in den ersten beiden der oben in Nr. 42 angeführten Anforderungen kaum etwas sehen, was es Verbrauchern, die von den neuen Rechtsvorschriften betroffen sind, unmöglich machen oder übermäßig erschweren sollte, ihre Rechte nach der Richtlinie 93/13 durchzusetzen. Der dem Verbraucher abverlangte Aufwand, beim nationalen Gericht zum einen zu beantragen, die Rechtsfolgen der (teilweisen oder vollständigen) Unwirksamkeit des Vertrags zur Anwendung zu bringen, und zum anderen, dass es als eine der Rechtsfolgen der Unwirksamkeit den Vertrag für bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils wirksam bzw. seine Wirkungen für bis dahin fortbestehend erklärt, erscheinen eher moderat. Diese Anforderungen verlangen den Verbrauchern meines Erachtens lediglich ab, ihre Anträge vor dem Gericht klarer und ausdrücklicher zu formulieren.

60.      Schließlich müsste meines Erachtens – unabhängig von dem anwendbaren rechtlichen Rahmen – ein Verbraucher, der sich in einer Situation wie der von Herrn Sziber befindet, dem nationalen Gericht irgendwann im Lauf des Verfahrens wohl ohnehin seine Ansicht zu den rechtlichen und finanziellen Folgen der teilweisen oder vollständigen Nichtigkeit des Darlehensvertrags darlegen.

61.      Die gleichen Erwägungen sollten entsprechend für die dritte oben in Nr. 42 angeführte Anforderung gelten. Danach müssen Verbraucher einen „bestimmten“ Antrag stellen, „in dem der genaue Betrag angegeben ist“(22). Mit anderen Worten brauchen sie nur, und zwar ausdrücklich, den Betrag anzugeben, den sie ihrer Ansicht nach zu viel gezahlt haben.

62.      Dies dürfte die Kläger nicht vor eine besonders anspruchsvolle Aufgabe stellen, zumal sie sich auf die detaillierte Abrechnung stützen können, die das Kreditinstitut allen von den in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften betroffenen Verbrauchern zu übermitteln hat. Es liegt auf der Hand, dass ein Verbraucher, der Forderungen zu haben meint, die über diejenigen hinausgehen, die in der ihm zugegangenen und von ihm akzeptierten (oder von einem innerstaatlichen Gericht rechtskräftig festgestellten) Abrechnung ausgewiesen sind, einen entsprechenden Antrag stellen, seine Ansicht erläutern und die neuen Forderungen beziffern muss.

63.      Im Licht der vorstehenden Ausführungen kann ich den Akten nichts entnehmen, was dafür spräche, dass die neuen Anforderungen es Verbrauchern im Allgemeinen unmöglich machen oder übermäßig erschweren würden, die ihnen aus der Richtlinie 93/13 erwachsenden Rechte in dem unter die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften fallenden Bereich auszuüben.

64.      Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die neuen Anforderungen in bestimmten Fällen ungünstige Folgen für Verbraucher haben können, die vor den innerstaatlichen Gerichten gegen aus ihrer Sicht missbräuchliche Klauseln vorgehen wollen, die in den unter die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften fallenden Verträgen enthalten sind und danach nicht nichtig sind oder als nichtig gelten. Dies mag in der Tat bei Herrn Sziber der Fall sein: Nach den neuen Vorschriften könnte seine Untätigkeit zur Abweisung seiner Klage führen, während das Verfahren nach den üblichen Regelungen möglicherweise hätte fortgeführt werden können. Dass bestimmte Verbraucher aufgrund ihrer Passivität oder Untätigkeit die neuen Verfahren für nachteilig halten mögen, bedeutet jedoch nicht, dass der Effektivitätsgrundsatz nicht gewahrt ist. Wie der Gerichtshof nämlich in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, geht die Wahrung des Effektivitätsgrundsatzes nicht so weit, eine völlige Untätigkeit des betroffenen Verbrauchers auszugleichen(23).

65.      Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass Regelungen, die in Grundsätzen wie denen der Rechtssicherheit oder des ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens eine vernünftige Rechtfertigung finden, nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz verstoßen, selbst wenn ihre Verletzung zur vollständigen oder teilweisen Abweisung der Klage führt(24). Er hat ebenso festgestellt, dass die Tatsache, dass dem Zugang zu den nationalen Gerichten unter bestimmten besonderen Umständen durch nationale Rechtsvorschriften eine zusätzliche Etappe vorgeschaltet wird, den effektiven gerichtlichen Rechtsschutz der Rechte Einzelner nicht notwendigerweise beeinträchtigt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn mit den eingeführten Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienende Ziele verfolgt werden sollen und sie im Hinblick darauf nicht unverhältnismäßig sind(25).

66.      Auch das Effektivitätskriterium ist daher in der vorliegenden Rechtssache meines Erachtens erfüllt.

67.      Ich würde dem Gerichtshof somit vorschlagen, auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass er nationalen Regelungen nicht entgegensteht, die Anforderungen wie diejenigen in § 37 des Gesetzes DH 2 für Klagen von Verbrauchern einführen, die in einem bestimmten Zeitraum Kreditverträge abgeschlossen haben, die missbräuchliche Vertragsklauseln enthalten.

2.      Dritte Frage

68.      Mit seiner dritten und letzten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 auch auf Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Charakter anwendbar sind. In diesem Kontext fragt das vorlegende Gericht, ob ein grenzüberschreitender Charakter in einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens darin zu sehen sein könnte, dass der Kreditvertrag auf eine Fremdwährung gelautet habe.

69.      Die Frage beruht offenbar auf einem unrichtigen Verständnis der im Vorabentscheidungsersuchen angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs.

70.      Nach einem allgemein anerkannten Grundsatz des Unionsrechts finden die Vertragsbestimmungen über die Grundfreiheiten auf „rein innerstaatliche Sachverhalte“ keine Anwendung(26). Die vorliegende Rechtssache betrifft indes nicht die Vertragsbestimmungen über die Grundfreiheiten, sondern Rechtsvorschriften der Union, die ein bestimmtes Rechtsgebiet in allen Mitgliedstaaten harmonisieren. Demzufolge finden die einschlägigen unionsrechtlichen Regelungen unabhängig davon Anwendung, ob der in Rede stehende Sachverhalt des Ausgangsverfahrens rein innerstaatlichen Charakter hat. Dass die streitigen Kreditverträge auf eine Fremdwährung lauteten, ist somit für die Anwendbarkeit der Bestimmungen der Richtlinie 93/13 unerheblich.

71.      Im Licht der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die dritte Frage dahin zu beantworten, dass die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 auch auf Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Charakter Anwendung finden.

IV.    Ergebnis

72.      Im Ergebnis schlage ich dem Gerichtshof vor, das Ersuchen des Fővárosi Törvényszék (Hauptstädtisches Gericht) für unzulässig zu erklären.

73.      Hilfsweise schlage ich dem Gerichtshof vor, die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

–        Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen steht nationalen Regelungen nicht entgegen, die prozessuale Anforderungen wie diejenigen in § 37 des Gesetzes Nr. XL von 2014 für Klagen von Verbrauchern einführen, die in einem bestimmten Zeitraum Kreditverträge abgeschlossen haben, die missbräuchliche Vertragsklauseln enthalten.

–        Die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 finden auch auf Sachverhalte ohne grenzüberschreitenden Charakter Anwendung.


1      Originalsprache: Englisch.


2      C‑26/13, EU:C:2014:282. Zu weiteren Rechtssachen im Zusammenhang mit auf eine Fremdwährung lautenden Verbraucherkreditverträgen vgl. Urteile vom 26. Februar 2015, Matei (C‑143/13, EU:C:2015:127), und vom 20. September 2017, Andriciuc u. a. (C‑186/16, EU:C:2017:703). Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Gavrilescu (C‑627/15, EU:C:2017:690).


3      Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 (ABl. 1993, L 95, S. 29).


4      Urteil des Gerichtshofs vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282).


5      Beschluss 2/2014. PJE, Magyar Közlöny, 2014, Nr. 91.


6      Vgl. Urteil vom 21. April 1988, Pardini (338/85, EU:C:1988:194, Rn. 10 und 11). Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Gavrilescu (C‑627/15, EU:C:2017:690, insbesondere Nrn. 36 bis 40).


7      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66).


8      Nach § 21 Abs. 3 des Gesetzes DH 3 mussten Kreditinstitute ihren Kunden bis zum 1. Februar 2015 eine Abrechnung übermitteln.


9      Vgl. Urteile vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 39), und vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 44).


10      Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a. (C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).


11      Vgl. Urteile vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 40), und vom 14. März 2013, Aziz (C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 45).


12      Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 78).


13      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).


14      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache Levez (C‑326/96, EU:C:1998:220, Nrn. 62 und 69).


15      Vgl. Urteil vom 1. Dezember 1998, Levez (C‑326/96, EU:C:1998:577, Rn. 44). Vgl. entsprechend auch Urteil vom 5. Dezember 2013, Asociación de Consumidores Independientes de Castilla y León (C‑413/12, EU:C:2013:800, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


16      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 1998, Levez (C‑326/96, EU:C:1998:577, Rn. 43).


17      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Margarit Panicello (C‑503/15, EU:C:2016:696, Nr. 135).


18      Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282).


19      Siehe oben, Fn. 5.


20      Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:282).


21      Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den verbundenen Rechtssachen Alassini u. a. (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2009:720, Nr. 44).


22      Wie die ungarische Regierung und ERSTE Bank in der mündlichen Verhandlung erläutert haben, gelten die in den in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen detaillierten Bestimmungen für die Durchführung der Abrechnung nur für Kreditinstitute und nicht für Verbraucher.


23      Urteil vom 1. Oktober 2015, ERSTE Bank Hungary (C‑32/14, EU:C:2015:637, Rn. 62 und 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 1998, Levez (C‑326/96, EU:C:1998:577, Rn. 19 und 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).


25      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2010, Alassini u. a. (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 61 bis 66). Insoweit ist im Blick zu behalten, dass zwischen dem Effektivitätsgrundsatz und dem Grundrecht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz offenkundige Verbindungen bestehen, vgl. u. a. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den verbundenen Rechtssachen Alassini (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2009:720, Nr. 42) und Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Liivimaa Lihaveis (C‑562/12, EU:C:2014:155, Nr. 47).


26      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten (C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Venturini (C‑159/12 bis C‑161/12, EU:C:2013:529, Nrn. 26 bis 28).