URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
28. Mai 1998 (1)
„Rechtsmittel Zulässigkeit Rechtsfrage Tatfrage Wettbewerb
Informationsaustauschsystem Wettbewerbsbeschränkungen Versagung der
Freistellung“
In der Rechtssache C-8/95 P
New Holland Ford Ltd, Gesellschaft englischen Rechts mit Sitz in Basildon
(Vereinigtes Königreich), Prozeßbevollmächtige: Rechtsanwälte Mario Siragusa,
Rom, Giuseppe Scassellati-Sforzolini und Francesca Moretti, Bologna,
Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Elvinger, Hoss & Preussen, Côte
d'Eich, Luxemburg,
betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der
Europäischen Gemeinschaften (Zweite Kammer) vom 27. Oktober 1994 in der
Rechtssache T-34/92 (Fiatagri und New Holland Ford/Kommission, Slg. 1994, II-905) wegen Aufhebung dieses Urteils,
anderer Verfahrensbeteiligter:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Julian Currall,
Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Beistand: Solicitor Leonard Hawkes,
Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre
Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
erläßt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann sowie der Richter
J. C. Moitinho de Almeida, D. A. O. Edward, P. Jann und L. Sevón
(Berichterstatter),
Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer
Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 3. Juli 1997,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16.
September 1997,
folgendes
Urteil
- 1.
- Die New Holland Ford Ltd, Gesellschaft englischen Rechts, hat mit
Rechtsmittelschrift, die am 13. Januar 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes
eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein
Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 27. Oktober 1994
in der Rechtssache T-34/92 (Fiatagri und New Holland Ford/Kommission, Slg. 1994,
II-905; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem ihre Klage auf
Nichtigerklärung der Entscheidung 92/157/EWG der Kommission vom 17. Februar
1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag in der Sache IV/31.370 und
31.446 (UK Agricultural Tractor Registration Exchange, ABl. L 68, S. 19; im
folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen worden ist.
- 2.
- Hinsichtlich des dem Rechtsmittel zugrunde liegenden Sachverhalts ergibt sich
folgendes aus dem angefochtenen Urteil:
„1 Die Agricultural Engineers Association Limited (nachstehend: AEA) ist ein
Berufsverband, der allen Herstellern und Einführern von
landwirtschaftlichen Zugmaschinen im Vereinigten Königreich offensteht.
Ihr gehörten zum Zeitpunkt des streitigen Geschehens ungefähr 200
Mitglieder an, hierunter Case Europe Limited, John Deere Limited, Fiatagri
UK Limited, Ford New Holland Limited, Massey-Ferguson (United
Kingdom) Limited, Renault Agricultural Limited, Same-Lamborghini (UK)
Limited und Watweare Limited.
a) Verwaltungsverfahren
2 Am 4. Januar 1988 meldete die AEA bei der Kommission eine
Vereinbarung über ein Informationssystem mit der Bezeichnung .UK
Agricultural Tractor Registration Exchange' an, das auf vom
Verkehrsministerium des Vereinigten Königreichs verwaltete
Zulassungsdaten von landwirtschaftlichen Zugmaschinen gestützt ist, und
beantragte ein Negativattest, hilfsweise eine individuelle
Freistellungserklärung (nachstehend: erste Anmeldung). Diese Vereinbarung
über den Austausch von Informationen trat an die Stelle einer früheren
Vereinbarung von 1975, die nicht bei der Kommission angemeldet worden
war und dieser 1984 zur Kenntnis gelangt war, als sie aufgrund einer bei ihr
eingereichten Beschwerde wegen der Behinderung von Paralleleinfuhren
Untersuchungen anstelle.
3 Die Beteiligung an der Vereinbarung steht allen Herstellern oder
Einführern von landwirtschaftlichen Zugmaschinen im Vereinigten
Königreich ohne Rücksicht auf ihre Mitgliedschaft in der AEA frei. Diese
ist als Sekretariat für die Vereinbarung tätig. Die Zahl der an der
Vereinbarung Beteiligten schwankte nach Angaben der Klägerinnen im
Untersuchungszeitraum infolge der Umstrukturierungsbewegungen innerhalb
des Wirtschaftszweigs; zum Zeitpunkt der Anmeldung waren acht
Hersteller, darunter die Klägerinnen, an der Vereinbarung beteiligt. Bei
diesen handelt es sich um die acht in Randnummer 1 dieses Urteils
genannten Unternehmen, die nach Angaben der Kommission 87 bis 88 %
des Marktes des Vereinigten Königreichs für landwirtschaftliche
Zugmaschinen halten, während sich mehrere kleine Hersteller den Rest
dieses Marktes teilen.
4 Am 11. November 1988 richtete die Kommission eine Mitteilung der
Beschwerdepunkte an die AEA, jede der von der ersten Anmeldung
betroffenen acht Beteiligten und die Systematics International Group of
Companies Limited (nachstehend: SIL), ein EDV-Unternehmen, das mit
der Verarbeitung und Auswertung der in dem Vordruck V55 enthaltenen
Daten (siehe unten Randnr. 6) betraut war. Am 24. November 1988
beschlossen die an der Vereinbarung beteiligten Firmen deren Aussetzung.
Nach Angaben der Klägerinnen ist die Vereinbarung später wieder in Kraft
gesetzt worden, allerdings ohne die Verbreitung aufgeschlüsselter oder
zusammengefaßter Informationen, die die Ermittlung der Umsätze der
Wettbewerber ermöglichten. Bei einer Anhörung vor der Kommission
machten die Klägerinnen unter Bezugnahme insbesondere auf eine
Untersuchung von Professor Albach, Berlin Science Center, geltend, daß die
übermittelten Informationen sich günstig auf den Wettbewerb ausgewirkt
hätten. Am 12. März 1990 meldeten fünf Mitglieder der AEA darunter
die Klägerinnen bei der Kommission eine neue Vereinbarung über den
Austausch von Informationen mit der Bezeichnung .UK Tractors
Registration Data System' (nachstehend: Data System) an (nachstehend:
zweite Anmeldung) und verpflichteten sich, das neue System nicht vor
Erhalt der Antwort der Kommission auf ihre Anmeldung anzuwenden. Nach
Darstellung der Klägerinnen führt diese neue Vereinbarung zum einen zu
einer erheblichen Verringerung der Anzahl und der Häufigkeit der im
Rahmen der Vereinbarung übermittelten Informationen und beseitigt zum
anderen sämtliche .institutionellen' Punkte, die von der Kommission in der
Mitteilung der Beschwerdepunkte gerügt worden waren.
...
b) Inhalt und rechtlicher Kontext der Vereinbarung
6 Nach dem Recht des Vereinigten Königreichs dürfen Fahrzeuge dort nur
nach Zulassung durch das Verkehrsministerium im öffentlichen
Straßenverkehr verwendet werden. Für den Antrag auf Zulassung eines
Fahrzeugs ein besonderer Vordruck, das Formular V55, zu verwenden.
Aufgrund einer Absprache mit dem Verkehrsministerium des Vereinigten
Königreichs übermittelt dieses der SIL bestimmte Informationen, die es bei
der Zulassung der Fahrzeuge erhält.“
- 3.
- In Randnummer 7 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, daß die
Parteien in einer Reihe tatsächlicher Fragen im Zusammenhang mit den Angaben
im Vordruck V55 und ihrer Verwendung unterschiedlicher Auffassung seien. Diese
Fragen sind in den Randnummern 8 bis 16 der angefochtenen Urteils
zusammengefaßt.
- 4.
- In der streitigen Entscheidung würdigte die Kommission anhand von Artikel 85
Absatz 1 des Vertrages die Vereinbarung sowohl in der vor der Anmeldung
angewendeten und am 4. Januar 1988 angemeldeten Fassung (erste Anmeldung)
als auch in der am 12. März 1990 angemeldeten Fassung (zweite Anmeldung).
- 5.
- Im Hinblick auf die den Gegenstand der ersten Anmeldung bildende Vereinbarung
prüfte die Kommission zunächst in den Randnummern 35 bis 52 der streitigen
Entscheidung den Bestandteil des Informationsaustauschsystems, der ihrer Ansicht
nach eine Ermittlung der Umsätze der einzelnen Wettbewerber ermöglicht. Sie
berücksichtigte die Marktstruktur, die Art der ausgetauschten Informationen, die
Informationstiefe der ausgetauschten Angaben und die Tatsache, daß die
Teilnehmer regelmäßig im Rahmen des AEA-Ausschusses zusammengetroffen
seien. Sie war der Auffassung, daß die Vereinbarung Wettbewerbsbeschränkungen
bewirke, indem sie die Transparenz auf einem hochgradig konzentrierten Markt
verstärke und die Zutrittsschranken für Nichtteilnehmer erhöhe.
- 6.
- In den Randnummern 53 bis 56 der streitigen Entscheidung würdigte die
Kommission sodann die Verbreitung der Umsatzzahlen der firmeneigenen
Händlernetze im Rahmen des Informationsaustauschsystems. Sie stellte fest, daß
die Möglichkeit, an Hand dieser Daten die Umsätze der einzelnen Wettbewerber
im jeweiligen Gebiet zu ermitteln, dann bestehe, wenn in diesem Gebiet der
Gesamtumsatz bei einem bestimmten Erzeugnis in einem bestimmten Zeitraum
weniger als zehn Einheiten betrage. Ferner könnte die Tätigkeit der
Vertragshändler oder der Paralleleinführer beeinträchtigt werden.
- 7.
- In den Randnummern 57 und 58 der streitigen Entscheidung behandelte die
Kommission die Auswirkung des Informationsaustauschsystems auf den Handel
zwischen Mitgliedstaaten.
- 8.
- In den Randnummern 59 bis 64 der streitigen Entscheidung stellte die Kommission
ferner fest, daß die den Gegenstand der ersten Anmeldung bildende Vereinbarung
nicht unerläßlich sei und folglich nicht geprüft zu werden brauche, ob die vier
Voraussetzungen für eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages
erfüllt seien.
- 9.
- Im Hinblick auf die den Gegenstand der zweiten Anmeldung bildende geänderte
Fassung der Vereinbarung führte die Kommission u. a. in Randnummer 65 der
streitigen Entscheidung aus, ihre Erwägungen hinsichtlich der der ersten
Anmeldung zugrunde liegenden Vereinbarung gälten sinngemäß auch für diese.
- 10.
- Mit der streitigen Entscheidung hat die Kommission
festgestellt, daß das Informationsaustauschsystem für Zulassungen
landwirtschaftliche Zugmaschinen in seiner ursprünglichen und in seiner
geänderten Fassung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstoße,
„indem es den Austausch von Angaben ermöglicht, aus denen die Umsätze
einzelner Wettbewerber, die Absatzzahlen der Händler und die Einfuhren
firmeneigener Erzeugnisse hervorgehen“ (Artikel 1);
den Antrag auf Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages
abgelehnt (Artikel 2);
der AEA und den Teilnehmern an dem Austauschsystem aufgegeben, die
festgestellte Vertragsverletzung, soweit diese noch fortbestehe, unverzüglich
zu beenden und es in Zukunft zu unterlassen, eine Vereinbarung oder
aufeinander abgestimmte Verhaltensweise einzugehen, die gleichartige oder
ähnliche Ziele oder Wirkungen haben könne (Artikel 3).
- 11.
- Am 6. Mai 1992 haben die Rechtsmittelführerin und die Fiatagri UK Ltd Klage
erhoben auf Feststellung, daß die streitige Entscheidung nicht existent ist oder
hilfsweise auf ihre Nichtigerklärung und auf Verurteilung der Kommission zur
Tragung der Kosten (Randnr. 18 des angefochtenen Urteils). Sie haben für ihre
Klage geltend gemacht, die streitige Entscheidung
sei in einem nicht ordnungsgemäßen Verfahren ergangen;
verkenne den Umfang der Begründungspflicht;
beruhe auf einer fehlerhaften Umschreibung des Produktes und des
relevanten Marktes;
weise Tatsachenirrtümer bei der Prüfung der übermittelten Angaben auf;
beruhe auf einem Rechtsfehler bei der Auslegung des Artikels 85 Absatz 1
des Vertrages;
schließe zu Unrecht die Anwendung des Artikels 85 Absatz 3 des Vertrages
im vorliegenden Fall aus (Randnr. 23 des angefochtenen Urteils).
- 12.
- Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht diese Klagegründe sämtlich
zurückgewiesen und den Klägerinnen die Kosten auferlegt
- 13.
- Die Rechtsmittelführerin beantragt, festzustellen, daß ihr Rechtsmittel fristgemäß
und zulässig ist, sowie das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben und die
gesamte streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, hilfsweise, das Verfahren an
das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen und der Kommission die Kosten
aufzuerlegen.
- 14.
- Die Rechtsmittelführerin führt aus, aufgrund einer Umorganisation sei sie nunmehr
für den Vertrieb der landwirtschaftlichen Zugmaschinen der Handelsmarken Ford
oder Fiatagri im Vereinigten Königreich zuständig; sie vertrete im Rahmen des
vorliegenden Rechtsmittels die gemeinsamen Interessen beider Klägerinnen der
Rechtssache T-34/92.
- 15.
- Die Kommission macht geltend, das gesamte Rechtsmittel sei unzulässig; hilfsweise
beantragt sie, die einzelnen Rechtsmittelgründe als unzulässig oder unbegründet
zurückzuweisen. Sie beantragt ferner, der Rechtsmittelführerin die Kosten
aufzuerlegen.
- 16.
- Mit Entscheidung vom 6. Juni 1995 hat der Gerichtshof den von der
Rechtsmittelführerin in ihrem Rechtsmittel gestellten Antrag zurückgewiesen, ihr
das vollständige Protokoll der mündlichen Verhandlung des Gerichts vom 16. März1994 in der Rechtssache T-34/92 zur Verfügung zu stellen. In ihrer am 5. Juli 1995
bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangenen Erwiderung hat die
Rechtsmittelführerin ihren Antrag wiederholt. Der Gerichtshof hat diesen Antrag
mit Beschluß vom 12. Juni 1997 zurückgewiesen.
- 17.
- Die Rechtsmittelführerin führt für ihr Rechtsmittel erstens zwei Rechtsmittelgründe
an, die Verfahrensfehler betreffen, nämlich eine Verletzung der Pflicht, das
angefochtene Urteil ausreichend zu begründen und auf alle wesentlichen der
streitigen Entscheidung anhaftenden Sachverhaltsirrtümer sowie auf ihre Bedeutung
für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung einzugehen. Sie führt zweitens drei auf
die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittelgründe an, mit denen sie
eine fehlerhafte Anwendung der drei Absätze des Artikels 85 des Vertrages geltend
macht.
Zulässigkeit des gesamten Rechtsmittels
- 18.
- Die Kommission macht in erster Linie geltend, das gesamte Rechtsmittel sei
unzulässig, so daß eine detaillierte Prüfung jedes Rechtsmittelgrundes weder
erforderlich noch auch nur möglich sei.
- 19.
- Die Kommission macht insoweit erstens geltend, der gesamte erste Teil des
Rechtsmittels betreffe tatsächliche Fragen oder sei darauf gerichtet, daß Argumente
erneut geprüft würden, die das Gericht bereits geprüft und zurückgewiesen habe.
Das gleiche gelte für viele der im Rahmen des zweiten Teils des Rechtsmittels
angeführten Rechtsmittelgründe.
- 20.
- Die Kommission führt zweitens aus, die rechtlichen Argumente der
Rechtsmittelführerin könnten nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils
führen, da sie ausdrücklich von einem Sachverhalt ausgehe, der nicht mit dem im
angefochtenen Urteil festgestellten übereinstimme.
- 21.
- Die Kommission macht drittens geltend, die Rechtsmittelführerin bringe zwar im
zweiten Teil ihres Rechtsmittels rechtliche Argumente vor, doch seien diese
Ausführungen nicht klar und präzise genug, um erkennen zu
lassen, welche Randnummern des angefochtenen Urteils sie beanstande und auf
welche rechtlichen Argumente sie sich stütze.
- 22.
- Gemäß den Artikeln 168a EG-Vertrag und 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes
ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt und muß auf die Unzuständigkeit
des Gerichts, auf einen Verfahrensfehler, durch den die Interessen des
Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden, oder auf eine Verletzung des
Gemeinschaftsrechts durch das Gericht gestützt werden. Gemäß Artikel 112 Absatz
1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes muß die
Rechtsmittelschrift die Rechtsmittelgründe enthalten.
- 23.
- Aus diesen Bestimmungen folgt, daß ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des
Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die
diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muß (Beschluß vom 17.
September 1996 in der Rechtssache C-19/95 P, San Marco Impex/Kommission, Slg.
1996, I-4435, Randnr. 37).
- 24.
- Diesem Erfordernis entspricht ein Rechtsmittel nicht, das sich darauf beschränkt,
die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe einschließlich derjenigen, die
auf ein vom Gericht ausdrücklich zurückgewiesenes Tatsachenvorbringen gestützt
waren, zu wiederholen oder wörtlich wiederzugeben; da ein solches Rechtsmittel
keine Argumente enthält, die sich gegen das angefochtene Urteil als solches
richten, zielt es nämlich in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim
Gericht eingereichten Klage ab, was nach Artikel 49 der EG-Satzung des
Gerichtshofes nicht in dessen Zuständigkeit fällt (insbesondere Beschluß San Marco
Impex/Kommission, Randnr. 38).
- 25.
- Aus den erwähnten Bestimmungen ergibt sich auch, daß das Rechtsmittel nur auf
die Verletzung von Rechtsvorschriften gestützt werden kann, nicht aber auf die
Würdigung von Tatsachen. Für die Feststellung der Tatsachen sofern sich nicht
aus den Prozeßakten ergibt, daß die Feststellungen tatsächlich falsch sind und für
ihre Würdigung ist allein das Gericht zuständig. Hat das Gericht die Tatsachen
festgestellt oder gewürdigt, ist der Gerichtshof gemäß Artikel 168a EG-Vertrag zu
einer Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung und der rechtlichen Folgen befugt,
die das Gericht aus ihnen abgeleitet hat (vgl. Beschluß San Marco
Impex/Kommission, Randnr. 39).
- 26.
- Der Gerichtshof ist daher weder für die Feststellung der Tatsachen zuständig noch
grundsätzlich befugt, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht diese Feststellung
gestützt hat. Sofern diese Beweise nämlich ordnungsgemäß erhoben und die
allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das
Beweisverfahren eingehalten worden sind, ist es allein Sache des Gerichts, den
Beweiswert der ihm vorgelegten Beweismittel zu würdigen (vgl. Beschluß San
Marco Impex/Kommission, Randnr. 40). Diese Würdigung ist daher, sofern diese
Beweismittel nicht verfälscht werden, keine Rechtsfrage, die als solche der
Kontrolle des Gerichtshofes unterliegt (Urteil vom 2. März 1994 in der Rechtssache
C-53/92 P, Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667, Randnr. 42).
- 27.
- Im vorliegenden Fall sind im ersten Teil der Rechtsmittelschrift, der die Überschrift
„Wesentliche Elemente des Sachverhalts“ trägt, die gegen das angefochtene Urteil
angeführten Argumente nicht genau bezeichnet; ferner werden die
Tatsachenfeststellungen des Gerichts allgemein in Frage gestellt. Da dieser Teil den
vorstehend wiedergegebenen Anforderungen der Rechtsprechung an ein
Rechtsmittel nicht entspricht, ist er als unzulässig zurückzuweisen.
- 28.
- Was die im zweiten Teil der Rechtsmittelschrift angeführten Rechtsmittelgründe
angeht, gibt die Rechtsmittelführerin, insbesondere in ihrer Erwiderung, genauer
an, welche Randnummern des angefochtenen Urteils sie beanstandet. Auch die
Kommission behandelt in ihren Ausführungen jeden der vom Gericht
zurückgewiesenen Klagegründe gesondert. Dieser Teil des Rechtsmittels kann
daher in der Reihenfolge der einzelnen Rechtsmittelgründe geprüft werden.
Erster Rechtsmittelgrund
- 29.
- Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin zum einen
geltend, das Gericht habe die streitige Entscheidung nur in formaler Hinsicht
geprüft, ohne ihr Vorbringen zu berücksichtigen, daß diese Entscheidung zahlreiche
offensichtliche Fehler aufweise. Das Gericht habe damit seine Verpflichtung
verletzt, die Gründe für die Zurückweisung einer vor ihm erhobenen Rüge
anzugeben.
- 30.
- Das Gericht habe ferner von ihr im schriftlichen und im mündlichen Verfahren
beigebrachte Beweismittel nicht berücksichtigt, und das angefochtene Urteil stehe
im Widerspruch zu Andeutungen, die das Gericht in der mündlichen Verhandlung
im Hinblick auf bestimmte streitige Fragen gemacht habe.
- 31.
- Das Gericht habe zudem nicht berücksichtigt, daß sich die Kommission in
mehreren Punkten der Auffassung der Rechtsmittelführerin angeschlossen und
damit in Widerspruch zur streitigen Entscheidung gesetzt habe.
- 32.
- Die Rechtsmittelführerin verweist zum anderen auf vier Abschnitte des
angefochtenen Urteils, in denen das Gericht seine Begründungspflicht verletzt habe.
- 33.
- Erstens sei das Gericht in Randnummer 35, in der es den Klagegrund der
unzureichenden Begründung der streitigen Entscheidung geprüft habe, auf zwei der
vorgetragenen Argumente nicht eingegangen und habe zwei weitere
zurückgewiesen, ohne die Gründe hierfür eindeutig anzugeben.
- 34.
- Zweitens sei Randnummer 38 des angefochtenen Urteils ungenau abgefaßt, da das
Gericht nicht ausgeführt habe, aus welchen Gründen es das Ergebnis der
Kommission bestätige, daß das Informationsaustauschsystem insgesamt
wettbewerbswidrig sei. Ferner enthalte Randnummer 39 des Urteils, in der das
Gericht festgestellt habe, daß der verfügende Teil der Entscheidung im Licht der
Begründung, insbesondere der Randnummern 16 und 61, eindeutig sei, einen
Widerspruch, da das Gericht einerseits die Parteien der Vereinbarung aufgefordert
habe, selbst zu beurteilen, inwieweit das Informationsaustauschsystem rechtmäßig
sei, und andererseits das Erfordernis der Rechtssicherheit anerkannt habe.
- 35.
- Drittens sei das angefochtene Urteil hinsichtlich der Definition des relevanten
Erzeugnisses und des relevanten Marktes unzureichend begründet, da das Gericht
ungeachtet der von der Rechtsmittelführerin angeführten Argumente lediglich in
Randnummer 51 des angefochtenen Urteils feststelle, daß es sich der Definition der
Kommission anschließe.
- 36.
- Viertens sei der Begriff der „beherrschenden Stellung“ im angefochtenen Urteil
nicht korrekt und nicht im Einklang mit Artikel 86 verwendet worden, so daß
Randnummer 52 nicht ausreichend begründet sei.
- 37.
- Hierzu ist zunächst festzustellen, daß das Vorbringen der Rechtsmittelführerin im
Rahmen des ersten Teils dieses Rechtsmittelgrundes nicht genau genug ist. Diesem
Genauigkeitserfordernis genügt die beispielhafte Angabe einiger Randnummern des
Urteils des Gerichts nicht. Dieser Teil des Rechtsmittelgrundes ist daher unzulässig.
- 38.
- Anschließend ist auf den zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes einzugehen, in
dem die Rechtsmittelführerin die beanstandeten Randnummern des angefochtenen
Urteils angibt.
Zu Randnummer 35 des angefochtenen Urteils
- 39.
- In Randnummer 35 des angefochtenen Urteils hat das Gericht den Teil des
Klagegrundes zurückgewiesen, mit dem eine unzureichende Begründung der
streitigen Entscheidung geltend gemacht wird.
- 40.
- In Randnummer 33 des angefochtenen Urteils hat das Gericht zunächst den ersten
Teil des Klagegrundes in vier Argumente gegliedert.
- 41.
- Erstens stelle die ungenügende Berücksichtigung des Vorbringens der
Rechtsmittelführerin durch die Kommission einen Begründungsmangel dar. Dies
gelte für Randnummer 61 der streitigen Entscheidung, in der u. a. die Schwelle für
den Umsatz eines an der Vereinbarung beteiligten Unternehmens im Gebiet eines
bestimmten Händlers, unterhalb deren die zusammengefaßten Daten nicht
verbreitet werden dürften, auf zehn Einheiten festgelegt werde, und für die Wahl
des Jahres als Bezugszeitraum.
- 42.
- Zweitens werde in der streitigen Entscheidung nicht ausreichend auf das Data
System eingegangen, was einen Begründungsmangel darstelle.
- 43.
- Drittens berücksichtige die streitige Entscheidung nicht, daß die meisten nationalen
Rechte die Übermittlung von Informationen über die Zulassungen an die Hersteller
zuließen.
- 44.
- Viertens habe die Kommission die Grundsätze des Urteils vom 26. November 1975
in der Rechtssache 73/74 (Groupement des fabricants 4de papiers peints de
Belgique u. a./Kommission, Slg. 1975, 1491, Randnr. 33, Urteil Papiers peints de
Belgique) im Hinblick auf den Umfang ihrer Begründungspflicht nicht beachtet.
- 45.
- Hinsichtlich der ersten beiden Argumente ist zunächst auf den ersten Satz von
Randnummer 35 des angefochtenen Urteils hinzuweisen, der wie folgt lautet: „Die
Kommission, die in den Randnummern 33 und 65 der Entscheidung festgestellt hat,
daß das Data System mit Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag unvereinbar sei, weil
es sinngemäß das frühere Informationsaustauschsystem wiederaufnehme, und daß
der Informationsaustausch nicht unter Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag falle, weil
die Wettbewerbsbeschränkungen nicht unerläßlich seien, hat ihre Entscheidung
in diesem Stadium der Prüfung der Rechtssache unabhängig von jeder Würdigung
der Richtigkeit dieser Gründe in rechtlich hinreichender Weise begründet.“
- 46.
- Wie eine aufmerksame Lektüre dieses Satzes zeigt, hat das Gericht die Begründung
der streitigen Entscheidung sowohl im Hinblick auf die in Randnummer 61 der
Entscheidung zu den Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 angeführten
Gesichtspunkte als auch im Hinblick auf das Data System geprüft.
- 47.
- Was das vierte Argument anlangt, mit dem eine Verletzung der Grundsätze des
Urteils Papiers peints de Belgique geltend gemacht wird, so hat das Gericht,
ebenfalls in Randnummer 35 des angefochtenen Urteils, die Gründe angeführt, aus
denen die Kommission im vorliegenden Fall nicht zu einer ausführlicheren
Begründung verpflichtet gewesen sei. Mit der angefochtenen Entscheidung würden
lediglich Grundsätze der früheren Entscheidungspraxis der Kommission auf einen
besonderen Markt angewandt. Das Gericht verweist ferner auf Randnummer 90
des angefochtenen Urteils, in der es auf das Vorbringen eingegangen ist, daß die
streitige Entscheidung im Widerspruch zu der früheren Entscheidungspraxis der
Kommission stehe.
- 48.
- Im Hinblick auf das dritte Argument hat das Gericht in Randnummer 35 ferner
festgestellt, daß es einer Untersuchung der einzelnen Rechtsordnungen derMitgliedstaaten nicht bedürfe, da die streitige Entscheidung der früheren
Entscheidungspraxis der Kommission entspreche.
- 49.
- Da sich aus der Begründung des angefochtenen Urteils mit hinreichender
Deutlichkeit ergibt, aus welchen Gründen das Gericht das in Randnummer 33 des
angefochtenen Urteils dargestellte Vorbringen der Rechtsmittelführerin
zurückgewiesen hat, sind die Ausführungen der Rechtsmittelführerin zu
Randnummer 35 des angefochtenen Urteils unbegründet.
Zu den Randnummern 38 und 39 des angefochtenen Urteils
- 50.
- In den Randnummern 38 und 39 des angefochtenen Urteils geht das Gericht auf
den Teil des Klagegrundes ein, mit dem die Ungenauigkeit der streitigen
Entscheidung geltend gemacht wird.
- 51.
- Das Gericht hat in Randnummer 38 zunächst zutreffend die Rechtsprechung des
Gerichtshofes zu der Frage wiedergegeben, in welchen Fällen sich die Nichtigkeit
einer Vereinbarung nach Artikel 85 Absatz 2 auf die gesamte Vereinbarung und
in welchen nur auf bestimmte Teile erstreckt (Urteil vom 13. Juli 1966 in den
Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322).
Es hat sodann darauf hingewiesen, daß sich aus dem Wortlaut der streitigen
Entscheidung eindeutig ergebe, daß das Informationsaustauschsystem insgesamt und
nicht der Austausch einzelner Informationen als wettbewerbswidrig angesehen
werde. Das Gericht ist ferner auf die Frage eingegangen, ob die erwähnte
Rechtsprechung auf einen Freistellungsantrag nach Artikel 85 Absatz 3 anwendbar
sei. Es hat insoweit ausgeführt, „daß sich die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur
Auslegung des Artikels 85 Absatz 2 EWG-Vertrag, wie sie im Urteil Consten und
Grundig/Kommission zum Ausdruck kommt, nicht ohne weiteres auf die Prüfung
eines Freistellungsantrags nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag übertragen läßt,
weil es in diesem Fall Sache der Kommission ist, bei der Entscheidung über den
ihr vorgelegten Antrag der Unternehmen, die die Anmeldung vorgenommen haben,
ihren Standpunkt in bezug auf die Vereinbarung, wie sie bei ihr angemeldet worden
ist, festzulegen, es sei denn, daß sich die Parteien während der Prüfung der
Angelegenheit zu einzelnen Änderungen der angemeldeten Vereinbarung bereit
finden“.
- 52.
- Wie sich aus dieser Randnummer ergibt, hat das Gericht in der Begründung in
ausreichender Weise dargelegt, aus welchen Gründen es die streitige Entscheidung
nicht als ungenau angesehen hat, soweit sie das Informationsaustauschsystem
insgesamt als wettbewerbswidrig einstuft.
- 53.
- Bei einer aufmerksamen Lektüre von Randnummer 39 des angefochtenen Urteils
ergibt sich, daß das Gericht zu der Auffassung gelangt ist, daß die Unternehmen
den Randnummern 16 und 61 der angefochtenen Entscheidung und Artikel 1 des
verfügenden Teils der Entscheidung hätten entnehmen können, inwieweit das
Informationsaustauschsystem, an dem sie beteiligt seien, rechtmäßig sei, und daß
die Kommission damit zur Rechtssicherheit beigetragen habe, deren die
Unternehmen bei ihren Geschäften bedürften. Entgegen dem Vorbringen der
Rechtsmittelführerin ist diese Begründung nicht widersprüchlich.
- 54.
- Der zweite Teil dieses Rechtsmittelgrundes ist daher unbegründet.
Zu Randnummer 51 des angefochtenen Urteils
- 55.
- In den Randnummern 49 bis 57 des angefochtenen Urteils ist das Gericht auf den
Klagegrund der fehlerhaften Definition des relevanten Erzeugnisses und des
relevanten Marktes in der angefochtenen Entscheidung eingegangen. In
Randnummern 51 führt es im einzelnen aus:
„Was zum einen die Definition des Produktmarktes angeht, ist der Grad der
Substituierbarkeit des Produktes zu untersuchen. Nach Auffassung des Gerichts ist
hierbei das Vorbringen der Klägerinnen, daß die Entscheidung keinerlei
Untersuchung des Produktmarktes enthalte, zurückzuweisen, da die Entscheidung
hinlänglich erkennen läßt, daß sie auf der Annahme beruht, daß der relevante
Markt der Markt des Vereinigten Königreichs für landwirtschaftliche Zugmaschinen
ist. Da ferner die Beteiligung an dem streitigen Informationsaustauschsystem
lediglich davon abhängt, ob der betreffende Wirtschaftsteilnehmer im Vereinigten
Königreich Hersteller oder Einführer von landwirtschaftlichen Zugmaschinen ist,
nicht aber von einer bestimmten Kategorie landwirtschaftlicher Zugmaschinen,
können die Klägerinnen nicht mit Recht geltend machen, die Definition des
Produktmarktes sei fehlerhaft und die verschiedenen Arten landwirtschaftlicher
Zugmaschinen seien nicht weitgehend substituierbar. Das Gericht schließt aus
dieser Feststellung, daß die Unternehmen im Rahmen der Vereinbarung selbst ihre
Wettbewerbsstellung im Hinblick auf den allgemeinen Begriff der
landwirtschaftlichen Zugmaschine festlegen, wie ihn die Kommission zugrunde
gelegt hat.“
- 56.
- Aus dieser Randnummer ergibt sich, daß die Begründung genau und ausreichend
ist. Die Rüge des Begründungsmangels kann auch schon deshalb keinen Erfolg
haben, weil die Rechtsmittelführerin kein präzises Argument für ihre Auffassung
anführt.
- 57.
- Dieser Teil des Rechtsmittelgrundes ist daher unbegründet.
Zu Randnummer 52 des angefochtenen Urteils
- 58.
- In Randnummer 52 des angefochtenen Urteils heißt es: „Was zum anderen die
Einstufung des relevanten Marktes als oligopolistisch betrifft, sind die Rügen der
Klägerinnen gegen die Analyse der Kommission, wonach der Markt von vier
Unternehmen beherrscht wird, auf die zwischen 75 und 80 % des Marktes
entfallen, zurückzuweisen, da ...“ [„As regards the question of the oligopolistic
nature of the relevant market, the applicants' criticism of the Commission's
conclusion that the market is dominated by four undertakings holding between 75
and 80 % of the market must be rejected, since ...“]
- 59.
- Diesem Satz kann nicht entnommen werden, daß das Gericht auf den spezifischen
Begriff der „beherrschenden Stellung“ im Sinne von Artikel 86 Bezug nimmt. Der
Ausdruck „beherrscht wird“ [„is dominated“] wird nämlich eindeutig im
Zusammenhang mit Artikel 85, unabhängig von Artikel 86, gebraucht.
- 60.
- Der letzte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist folglich unbegründet.
- 61.
- Der erste Rechtsmittelgrund ist demnach teilweise unzulässig und teilweise
unbegründet; er ist daher insgesamt zurückzuweisen.
Zweiter Rechtsmittelgrund
- 62.
- Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund beanstandet die Rechtsmittelführerin, daß das
Gericht die Tatsachenirrtümer der Kommission und deren Auswirkungen auf die
Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung nicht berücksichtigt habe. Dieser
Rechtsmittelgrund bezieht sich auf die Randnummern 58 bis 78 des angefochtenen
Urteils, in denen der Klagegrund von Tatsachenirrtümern der Kommission bei der
Prüfung der übermittelten Angaben behandelt wird.
- 63.
- Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich insoweit folgendes:
Erstens ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, daß die Klägerinnen nicht
dargetan hätten, daß etwaige Tatsachenirrtümer der Kommission in
Randnummer 14 der streitigen Entscheidung geeignet seien, die
Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu beeinträchtigen (Randnrn. 66 bis 73
des angefochtenen Urteils).
Zweitens hat es das Vorbringen der Klägerinnen, der Kommission sei mit
ihrer Annahme, die SIL entnehme dem Vordruck V55 die sieben Ziffern
der Postleitzahl des eingetragenen Fahrzeughalters, ein Tatsachenirrtum
unterlaufen, aus tatsächlichen Gründen als unzutreffend angesehen (Randnr.
74 des angefochtenen Urteils).
Drittens hat es entschieden, daß die Klägerinnen, was die Organisation der
Händlergebiete anbelange, nicht den Nachweis für das Vorliegen eines oder
mehrerer Tatsachenirrtümer bei der Beurteilung der Kommission erbracht
hätten, der zufolge diese Gebiete durch Bezugnahme auf einzelne oder auf
zu Gruppen zusammengefaßte Postleitzonen festgelegt würden (Randnr. 75
des angefochtenen Urteils).
Viertens hat es festgestellt, daß das Vorbringen der Klägerinnen, der letzte
Absatz der Randnummer 26 der streitigen Entscheidung müsse dahin
ausgelegt werden, daß die Hersteller eher einen Informationsaustausch
untereinander als einen Informationsaustausch über die Beziehungen
zwischen einem bestimmten Hersteller und seinen Händlern veranstaltet
hätten, aus tatsächlichen Gründen unzutreffend sei (Randnr. 76 des
angefochtenen Urteils).
Fünftens hat es zu dem Vorbringen, daß die Kommission bei der
Untersuchung des Data Systems nicht berücksichtigt habe, daß im Rahmen
dieses Systems auf vierteljährlicher Grundlage über die Umsätze der
Händler eines bestimmten Herstellers innerhalb des jeweiligen
Händlergebiets berichtet werde, festgestellt, daß die Beurteilung der
Kommission in Randnummer 65 der streitigen Entscheidung nicht wegen
Tatsachenirrtums fehlerhaft sei (Randnr. 77 des angefochtenen Urteils).
- 64.
- Mit ihrem Rechtsmittel macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe
in Randnummer 66 des angefochtenen Urteils eingeräumt, daß die streitige
Entscheidung bezüglich der charakterischen Merkmale der Vereinbarung über den
Informationsaustausch Tatsachenirrtümer enthalte, es habe jedoch trotz dieser
Feststellungen die streitige Entscheidung so „umgeschrieben“, daß diese Irrtümer
ihre Rechtmäßigkeit nicht beeinträchtigten. Ferner seien weitere grundlegende
Irrtümer, die von der Rechtsmittelführerin beanstandet und vom Gericht festgestellt
worden seien, insbesondere die meisten der in den Randnummern 58 bis 61 des
angefochtenen Urteils aufgeführten Irrtümer, in der Folge stillschweigend
übergangen worden.
- 65.
- Die Rechtsmittelführerin rügt erstens, das Gericht habe die Beweismittel nicht
berücksichtigt, die sie dafür beigebracht habe, daß die Zugmaschinen als ein
differenziertes Produkt anzusehen seien.
- 66.
- Die Rechtsmittelführerin macht zweitens geltend, daß das Gericht den Fehler der
Kommission nicht berichtigt habe, der darin bestanden habe, daß diese die
charakteristischen Merkmale berücksichtigt habe, die die Vereinbarung über den
Informationsaustausch vor der Anmeldung gehabt habe.
- 67.
- Die Rechtsmittelführerin beanstandet drittens, daß das Gericht in Randnummer 75
des angefochtenen Urteils dem Irrtum der Kommission bei ihrer Würdigung, daß
die Organisation der Händlergebiete durch Bezugnahme auf die Postleitzonen
erfolge, ungerechtfertigt geringe Bedeutung beigemessen habe.
- 68.
- Die Rechtsmittelführerin führt viertens aus, die Untersuchung des Gerichts habe
gezeigt, daß die Kommission falsch verstanden oder zumindest falsch dargestellt
habe, welche Art von Informationen im Rahmen der Vereinbarung über den
Informationsaustausch und des Data Systems übermittelt werden könnten und
welche Gefahren sich daraus für den Wettbewerb ergäben. In den Randnummern
66, 67, 72, 74 und 77 des angefochtenen Urteils habe das Gericht diese Fehler
entweder nicht berücksichtigt oder daraus nicht die entsprechenden Konsequenzen
gezogen.
- 69.
- Die Rechtsmittelführerin weist fünftens darauf hin, daß das Gericht in den
Randnummern 72 und 77 des angefochtenen Urteils nicht auf die rechtlichen
Auswirkungen aller Unterschiede zwischen dem Informationsaustauschsystem und
dem Data System eingegangen sei, sondern lediglich den Aspekt der Information
über die Umsätze der Händler behandelt habe.
- 70.
- Schließlich rügt die Rechtsmittelführerin, daß das Gericht in den Randnummern
67 bis 71 ihre Ausführungen zu der Feststellung der Kommission, daß die
Übermittlung der Zulassungsdaten im Rahmen der Vereinbarung eine vollständige
Markttransparenz schaffe und damit geeignet sei, die Wettbewerbsreserven zu
zerstören, nicht zutreffend gewürdigt habe.
- 71.
- Die Rechtsmittelführerin stützt sich dafür, daß der Gerichtshof zu einer
Entscheidung über die vorstehenden Argumente befugt sei, auf das Urteil vom 1.
Juni 1994 in der Rechtssache C-136/92 P (Kommission/Brazelli Lualdi u. a., Slg.
1994, I-1981), aus dem sich ergebe, daß der Gerichtshof für die Feststellung der
Tatsachen zuständig sei, wenn sich aus den Prozeßakten ergebe, daß die
Feststellungen des Gerichts grundlegende Fehler aufwiesen.
- 72.
- Zur Frage der Zuständigkeit des Gerichtshofes ist bereits in Randnummer 25
dieses Urteils darauf hingewiesen worden, daß der Gerichtshof befugt ist, die
Tatsachenfeststellungen des Gerichts zu überprüfen, sofern sich aus den
Prozeßakten ergibt, daß diese tatsächlich falsch sind. Diese Fehlerhaftigkeit muß
sich zudem aus den Prozeßakten offensichtlich ergeben, ohne daß eine erneute
Würdigung der Tatsachen erforderlich ist.
- 73.
- Im vorliegenden Fall ergibt jedoch eine Prüfung der von der Rechtsmittelführerin
vor dem Gerichtshof geltend gemachten Argumente, daß diese lediglich die
Würdigung der Beweismittel durch das Gericht beanstandet. Das Vorbringen der
Rechtsmittelführerin geht nämlich im Kern dahin, daß das Gericht aus den ihm
vorgelegten Beweismitteln andere Schlußfolgerungen hätte ziehen müssen. Die
Rechtsmittelführerin führt keine Unterlagen in den Prozeßakten an, aus denen sichoffensichtlich ein Tatsachenirrtum ergibt. Sie erläutert ferner nicht genau, inwiefern
das Gericht bei der Anwendung der Rechtsvorschriften über die Beweislast und die
Beweisaufnahme einen Fehler begangen haben soll, und nennt keine ihrer Ansicht
nach durch das Gericht verletzte Rechtsvorschrift.
- 74.
- Der zweite Rechtsmittelgrund ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Dritter Rechtsmittelgrund
- 75.
- Die Rechtsmittelführerin macht geltend, das Gericht habe Artikel 85 Absatz 1 des
Vertrages falsch angewandt, indem es den relevanten Markt unzutreffend definiert
und die Voraussetzungen dafür, daß eine Vereinbarung oder abgestimmte
Verhaltensweise mit dieser Bestimmung unvereinbar sei, falsch ausgelegt habe, und
zwar insbesondere die Voraussetzung eines wettbewerbswidrigen Zwecks oder einer
wettbewerbswidrigen Auswirkung.
- 76.
- Dieses Vorbringen gliedert sich in drei Teile, die sich auf den relevanten Markt, die
wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Vereinbarung über den
Informationsaustausch und das Fehlen von einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen
Präzedenzfällen oder wirtschaftstheoretischen Grundsätzen beziehen.
Zum ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes
- 77.
- Die Rechtsmittelführerin macht geltend, das Gericht habe gegen seine
Verpflichtung verstoßen, den Rechtsgrundsatz korrekt anzuwenden, der sich aus
dem Urteil vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76 (United
Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnr. 11) ergebe. Danach sei für die
Anwendung von Artikel 85 des Vertrages eine Prüfung vorzunehmen anhand der
Eigenschaften des relevanten Erzeugnisses und für einen abgegrenzten räumlichen
Bereich, in dem es vertrieben werde und in dem die Wettbewerbsbedingungen
hinreichend homogen seien. Das Gericht habe die Beurteilung der Kommission
nicht nachgeprüft, sondern sich auf eine rein formale Prüfung beschränkt.
- 78.
- Die für dieses Vorbringen angeführten Argumente beziehen sich auf die
Würdigungen, die das Gericht erstens hinsichtlich der Definition des Produktmarkts
(Randnr. 51 des angefochtenen Urteils), zweitens des räumlichen Marktes
(Randnr. 56) und drittens bezüglich der Definition der Marktstruktur unter
mehreren anderen Aspekten vorgenommen hat.
- 79.
- Zur Definition des Produktmarkts macht die Rechtsmittelführerin geltend, das
Gericht habe zwar darauf hingewiesen, daß der Grad der Substituierbarkeit des
Produktes zu untersuchen sei, doch habe es diesen Aspekt in Randnummer 51 des
angefochtenen Urteils nicht gewürdigt. Die Definition des relevanten
Produktmarkts in der streitigen Entscheidung und im angefochtenen Urteil
berücksichtige die von den Klägerinnen vorgelegten Beweismittel nicht, die zeigten,
daß das Produkt stark differenziert, technisch komplex und nicht homogen sei.
Diese fehlerhafte Definition habe zu einer unzutreffenden Würdigung der
Transparenz des relevanten Marktes geführt.
- 80.
- Insoweit ergibt sich aus Randnummer 51 des angefochtenen Urteils, daß das
Gericht den Grad der Substituierbarkeit des Produktes gewürdigt und darauf
hingewiesen hat, daß die Beteiligung an dem Informationsaustauschsystem lediglich
davon abhänge, ob der betreffende Wirtschaftsteilnehmer im Vereinigten
Königreich Hersteller oder Einführer von landwirtschaftlichen Zugmaschinen sei,
nicht aber von einer bestimmten Kategorie landwirtschaftlicher Zugmaschinen. Aus
dieser Feststellung ergebe sich, daß die Unternehmen im Rahmen der
Vereinbarung selbst ihre Wettbewerbsstellung im Hinblick auf den allgemeinen
Begriff der landwirtschaftlichen Zugmaschine festlegten.
- 81.
- Das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, daß das Gericht den Grad der
Substituierbarkeit des Produktes nicht gewürdigt habe, wird demnach durch den
Wortlaut von Randnummer 51 des angefochtenen Urteils widerlegt. Durch die
Behauptung, das Gericht habe insoweit von den Klägerinnen vorgelegte
Beweismittel nicht berücksichtigt, soll in Wirklichkeit die vom Gericht
vorgenommene Tatsachenwürdigung in Frage gestellt werden. Diese kann jedoch
nicht Gegenstand einer Überprüfung durch den Gerichtshof sein, da die
Rechtsmittelführerin nichts für eine Verfälschung der Beweise dargetan hat.
- 82.
- Die Rechtsmittelführerin macht zweitens geltend, das Gericht habe einen
Beurteilungsfehler begangen, indem es in Randnummer 56 des angefochtenen
Urteils den relevanten räumlichen Markt auf das Vereinigte Königreich beschränkt
habe, statt ihn auf den gesamten Gemeinsamen Markt zu erstrecken. Gegen diese
Beurteilung sprächen zahlreiche von den Klägerinnen angeführten Beweismittel,
aus denen sich ergebe, daß die im Urteil United Brands/Kommission aufgestellte
Voraussetzung erfüllt sei, da die Wettbewerbsbedingungen auf dem gesamten
Gemeinsamen Markt hinreichend homogen seien.
- 83.
- Insoweit ergibt sich aus Randnummer 56 des angefochtenen Urteils, daß das
Gericht unter entsprechender Heranziehung des Urteils United Brands/Kommission
davon ausgegangen ist, daß der relevante Markt in räumlicher Hinsicht als das
Gebiet definiert werden könne, in dem die Wettbewerbsbedingungen, insbesondere
die Nachfrage der Verbraucher, hinreichend homogene Merkmale aufwiesen. Es
sei nicht auszuschließen, daß der Markt für landwirtschaftliche Zugmaschinen als
gemeinschaftsweiter Markt zu qualifizieren sei. Weiter hat es jedoch angeführt:
„Selbst wenn man dies unterstellt, ergibt sich daraus indessen auf keinen Fall, daß
der relevante Markt, auf dem die Auswirkungen der Verhaltensweise zu
untersuchen sind, nicht als nationaler Markt umschrieben werden dürfte, wenn die
beanstandete Verhaltensweise wie im vorliegenden Fall räumlich auf das
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats beschränkt ist. In diesem Fall haben nämlich die
Anbieter selbst allein durch ihr Verhalten diesem Markt die Merkmale eines
nationalen Marktes gegeben.“
- 84.
- Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist bei der Beurteilung der räumlichen
Ausdehnung des relevanten Marktes u. a. auf das Gebiet abzustellen, in dem die
abgestimmte Verhaltensweise ihre Wirkungen entfaltet (vg. in diesem Sinne Urteile
vom 9. Juli 1969 in der Rechtssache 5/69, Völk, Slg. 1969, 295, Randnr. 7, und vom
9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983,
3461, Randnrn. 25 bis 28). Dadurch, daß mit der Vereinbarung ein
Informationsaustauschsystem geschaffen wird, durch das an die an diesem System
Beteiligten, die Anbieter auf dem britischen Markt sind, Informationen über die
Umsätze auf diesem Markt verbreitet werden können, beschränkt sie selbst ihre
Wirkungen auf den britischen Markt, so daß nur dieser hinreichend homogene
Merkmale für die Prüfung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen aufweist. Das
Gericht hat daher bei seiner Beurteilung der Definition des räumlichen Marktes
keinen Rechtsfehler begangen.
- 85.
- Die Rechtsmittelführerin macht drittens geltend, die Struktur des Marktes sei in
der streitigen Entscheidung und in dem angefochtenen Urteil in mehreren
wesentlichen Punkten unzutreffend charakterisiert und das Gericht habe zahlreiche
von den Klägerinnen hierzu gelieferte Argumente und Beweismittel unzutreffend
gewürdigt.
- 86.
- Insoweit genügt die Feststellung, daß die Rechtsmittelführerin lediglich die
Tatsachenwürdigung des Gerichts beanstandet, ohne durch den Gerichtshof zu
prüfende rechtliche Argumente anzuführen. Die Rechtsmittelführerin bezeichnet
zudem nicht genau alle mit ihren Ausführungen beanstandeten Punkte des
angefochtenen Urteils.
- 87.
- Der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ist demnach teilweise unzulässig und
teilweise unbegründet.
Zum zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes
- 88.
- Der zweite Teil des dritten Rechtsmittelgrundes betrifft Randnummer 93 des
angefochtenen Urteils, in dem das Gericht ausführt: „[D]er Umstand, daß die
Beklagte möglicherweise nicht in der Lage ist, das Vorliegen einer tatsächlichen
Auswirkung auf den Markt nachzuweisen, die sich u. a. darauf zurückführen ließe,
daß die Durchführung der Vereinbarung vom 24. November 1988 an ausgesetzt
worden ist, [ist] ohne Einfluß auf die Entscheidung dieses Rechtsstreits, da nach
Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag sowohl tatsächliche als auch rein potentielle
wettbewerbswidrige Auswirkungen verboten sind, wenn sie nur hinreichend spürbar
sind, was im vorliegenden Fall angesichts der vorstehend aufgezeigten
charakteristischen Merkmale des Marktes ... zutrifft.“
- 89.
- Die Rechtsmittelführerin macht geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler
begangen, indem es festgestellt habe, daß Artikel 85 Absatz 1 sowohl tatsächliche
als auch potentielle wettbewerbswidrige Auswirkungen verbiete, wenn diese nur
hinreichend spürbar seien. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes dürften
potentielle Auswirkungen einer Vereinbarung nur bei der Prüfung der
Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, nicht aber für die
Feststellung einer wettbewerbswidrigen Auswirkung berücksichtigt werden. Die
Vereinbarung habe dreizehn Jahre lang gegolten, so daß ausreichend Zeit gewesen
sei, um festzustellen, ob sie sich tatsächlich verhängnisvoll auswirke.
- 90.
- Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist für die Beurteilung des Frage,
ob eine Vereinbarung wegen der Wettbewerbsstörungen, die sie bewirkt, als
verboten anzusehen ist, der Wettbewerb zu betrachten, wie er ohne die fragliche
Vereinbarung bestehen würde (vgl. u. a. Urteile vom 30. Juni 1966 in der
Rechtssache 56/65, Société technique minière, Slg. 1966, 282, und vom 11.
Dezember 1980 in der Rechtssache 31/80, L'Oréal, Slg. 1980, 3775, Randnr. 19).
- 91.
- Gemäß Artikel 85 Absatz 1 ist diese Beurteilung nicht auf tatsächliche
Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb auf dem Gemeinsamen
Markt zu beschränken, sondern es sind auch potentielle Auswirkungen zu
berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Dezember 1985 in der
Rechtssache 31/85, ETA, Slg. 1985, 3933, Randnr. 12, sowie Urteil vom 17.
November 1987 in den Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und
Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487, Randnr. 54). Wie das Gericht zutreffend
bemerkt, wird eine Vereinbarung jedoch nicht von der Verbotsvorschrift des
Artikels 85 erfaßt, wenn sie den Markt nur geringfügig beeinträchtigt (Urteil Völk,
a. a. O., Randnr. 7).
- 92.
- Das Gericht ist also zu Recht davon ausgegangen, daß der Umstand, daß die
Kommission nicht in der Lage gewesen sei, das Vorliegen einer tatsächlichen
wettbewerbswidrigen Auswirkung nachzuweisen, ohne Einfluß auf die Entscheidung
des Rechtsstreits sei. Der zweite Teil dieses Rechtsmittelgrundes ist daher
unbegründet.
Zum dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes
- 93.
- Mit dem dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes macht die
Rechtsmittelführerin geltend, der vorliegende Fall unterscheide sich insofern von
allen anderen Fällen, in denen ein Informationsaustauschsystem anhand von Artikel
85 des Vertrages geprüft worden sei, als das fragliche Informationsaustauschsystem
nicht mit einem Kartell in Zusammenhang stehe, nur Informationen über bereits
getätigte Umsätze verbreitet würden und das System sich nicht auf Grundstoffe
beziehe.
- 94.
- Obwohl das Gericht in Randnummer 91 des angefochtenen Urteils eingeräumt
habe, daß die Kommission mit der streitigen Entscheidung „erstmals ein
Informationsaustauschsystem verboten hat, das weder unmittelbar die Preise
betrifft, noch zur Unterstützung eines anderen wettbewerbswidrigen Mechanismus
dient“, habe es in Randnummer 35 festgestellt, daß mit der streitigen Entscheidung
„lediglich Grundsätze der früheren Entscheidungspraxis der Kommission auf einen
besonderen Markt, den Markt des Vereinigten Königreichs für landwirtschaftliche
Zugmaschinen, angewandt“ würden. Diese zweite Feststellung stehe im
Widerspruch zur ersten und habe dazu geführt, daß das Gericht fehlerhaft davon
ausgegangen sei, daß mit der streitigen Entscheidung der Begründungspflicht, wie
sie sich aus dem Urteil Papiers peints de Belgique ergebe, genügt worden sei.
- 95.
- Dieses Vorbringen ist bereits in den Randnummern 47 bis 49 dieses Urteils geprüft
worden, soweit damit dargetan werden soll, daß Randnummer 35 des
angefochtenen Urteils einen Widerspruch hinsichtlich der Anforderungen an die
Begründung der streitigen Entscheidung enthalte.
- 96.
- Zudem gibt die Rechtsmittelführerin die gerügten Randnummern des
angefochtenen Urteils und die angeblich verletzten Rechtsvorschriften nicht
hinreichend genau an, so daß der Gerichtshof zu einer Prüfung dieses Teils des
Rechtsmittelgrundes nicht in der Lage ist.
- 97.
- Der dritte Teil ist demnach unzulässig.
- 98.
- Der dritte Rechtsmittelgrund ist folglich teilweise unzulässig und teilweise
unbegründet und muß daher zurückgewiesen werden.
Vierter Rechtsmittelgrund
- 99.
- Der vierte Rechtsmittelgrund betrifft Randnummer 38 des angefochtenen Urteils,
in der das Gericht das Vorbringen der Klägerinnen geprüft hat, wonach sich die
Tragweite des verfügenden Teils der streitigen Entscheidung entgegen den vom
Gerichtshof im Urteil Consten und Grundig/Kommission aufgestellten
Anforderungen nicht aus ihrer Begründung ergebe.
- 100.
- Das Gericht habe im vorliegenden Fall den in dem erwähnten Urteil entwickelten
Grundsatz nicht angewandt, daß sich die Nichtigkeit gemäß Artikel 85 Absatz 2 nur
auf die unter das Verbot fallenden Teile der Vereinbarung oder, wenn sich diese
Teile nicht von der Vereinbarung als solcher trennen ließen, auf die gesamte
Vereinbarung beziehe. Das Gericht sei davon ausgegangen, daß dieser Grundsatz
nicht für Fälle gelte, in denen eine Einzelfreistellung nach Artikel 85 Absatz 3
beantragt werde. Die an der Informationsaustauschvereinbarung Beteiligten und
erst recht die Mitglieder des Data Systems hätten jedoch mit der Anmeldung ihrer
Vereinbarungen bei der Kommission in erster Linie ein Negativattest und nur
hilfsweise eine Einzelfreistellung nach Artikel 85 Absatz 3 angestrebt.
- 101.
- Das Gericht hätte die streitige Entscheidung nicht als gültig ansehen dürfen, da sie
auf die Frage, ob die Vereinbarung insgesamt wettbewerbswidrig sei, überhaupt
nicht eingehe. Die Kommission habe es unterlassen, entsprechend dem im Urteil
Consten und Grundig/Kommission entwickelten Grundsatz genau anzugeben,
welche Teile der Vereinbarung aufzuheben seien, um die
Informationsaustauschvereinbarung und das Data System in Einklang mit Artikel
85 Absatz 1 zu bringen.
- 102.
- Aus Randnummer 38 des angefochtenen Urteils ergibt sich eindeutig, daß das
Gericht, entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin, den im Urteil Consten
und Grundig/Kommission aufgestellten Grundsatz angewandt hat. Der vom Gericht
im letzten Satz von Randnummer 38 geäußerte Vorbehalt hinsichtlich der
Anwendung dieses Grundsatzes bezieht sich nämlich nur auf seine Geltung im
Rahmen von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages. Ohne daß darauf eingegangen zu
werden braucht, ob diese Auslegung des Gerichts richtig ist, ist daher festzustellen,
daß das Vorbringen der Rechtsmittelführerin unbegründet ist.
- 103.
- Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin ferner geltend,
das Gericht habe zu Unrecht nicht festgestellt, daß in der Begründung der
Entscheidung nicht erläutert werde, inwiefern die Vereinbarung insgesamt den
Wettbewerb beeinträchtige.
- 104.
- Dieses Vorbringen ist bereits in Randnummer 52 dieses Urteils im Rahmen des
zweiten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes geprüft worden, mit dem beanstandet
wird, daß Randnummer 38 des angefochtenen Urteils eine unzureichende
Begründung enthalte.
- 105.
- Sollte der vierte Rechtsmittelgrund schließlich als eine Beanstandung der
Feststellung aufzufassen sein, daß die Teile der Vereinbarung im Sinne der
Rechtsprechung des Urteils Consten und Grundig/Kommission nicht voneinander
getrennt werden könnten, so ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerinnen vor dem
Gericht keinen Beurteilungsfehler der Kommission hinsichtlich der Frage, ob die
Teile sich voneinander trennen lassen, geltend gemacht, sondern lediglich
ausgeführt haben, daß sich die Tragweite des verfügenden Teils der streitigen
Entscheidung nicht eindeutig aus ihrer Begründung ergebe. Die
Rechtsmittelführerin hat ferner vor dem Gerichtshof keine Ausführungen dazu
gemacht, welche Teile sich ihrer Ansicht nach von der Vereinbarung insgesamt
trennen ließen. Der vierte Rechtsmittelgrund ist daher insoweit unzulässig.
- 106.
- Der vierte Rechtsmittelgrund ist demnach teilweise unzulässig und teilweise
unbegründet; er ist folglich zurückzuweisen.
Fünfter Rechtsmittelgrund
- 107.
- Mit dem fünften Rechtsmittelgrund wird geltend gemacht, Artikel 85 Absatz 3 des
Vertrages werde in Randnummer 99 des angefochtenen Urteils fehlerhaft
angewandt.
- 108.
- In dieser Randnummer hat das Gericht festgestellt, daß die Kommission keinen
Fehler begangen habe, indem sie die Einzelfreistellung mit der Begründung
abgelehnt habe, daß die durch den Informationsaustausch bewirkten
Wettbewerbsbeschränkungen nicht unerläßlich seien, da firmeneigene Daten über
den Sektor insgesamt ihrer Ansicht nach für die Betätigung auf dem Markt für
landwirtschaftliche Zugmaschinen ausreichten.
- 109.
- Das Gericht hat in Randnummer 99 ferner ausgeführt, daß die Kommission zu
Recht davon ausgegangen sei, daß die Ausführungen zur ersten Anmeldung
sinngemäß auch für die zweite Anmeldung gälten, da im Rahmen des Data Systems
weiterhin Angaben über die Umsätze und Marktanteile der Teilnehmer und
Händler nach Monatszeiträumen bereitgestellt würden. Die Kommission habe
damit geltend machen wollen, daß es für eine Erreichung der behaupteten Ziele
nicht notwendig sei, über Informationen zu verfügen, die die Umsätze der
Wettbewerber innerhalb kurzer Zeiträume festhielten.
- 110.
- Das Gericht hat in dieser Randnummer schließlich in Beantwortung der
Behauptungen der Klägerinnen, diese Informationen seien notwendig, um den Kunden- oder Garantiedienst sicherzustellen, festgestellt, daß letzterer durchaus ohne jedes
Informationsaustauschsystem der hier streitigen Art durchgeführt werden könne.
- 111.
- Die Rechtsmittelführerin wendet sich erstens gegen die Feststellung des Gerichts,
daß die Ausführungen der Kommission zur ersten Anmeldung sinngemäß auch für
die zweite gälten. Sie macht insoweit geltend, das Gericht habe die Änderungen des
Zeitplans und der Art der übermittelten Informationen nicht zutreffend gewürdigt.
- 112.
- Mit diesem Vorbringen wendet sich die Rechtsmittelführerin gegen die vom
Gericht vorgenommene Tatsachenwürdigung, die vom Gerichtshof im
Rechtsmittelverfahren nicht überprüft werden kann.
- 113.
- Die Rechtsmittelführerin weist zweitens darauf hin, daß sie ihren
Einzelfreistellungsantrag nur für den Fall der Feststellung einer Verletzung des
Artikels 85 Absatz 1 gestellt habe. Eine solche Verletzung sei aber auf der
Grundlage von Mutmaßungen über rein hypothetische Auswirkungen des
Informationsaustauschsystems auf den Wettbewerb festgestellt worden. Diese
Verletzung von Artikel 85 Absatz 1 stelle ferner einen Gesichtspunkt dar, der bei
der Prüfung der Voraussetzung der Unerläßlichkeit im Sinne von Artikel 85
Absatz 3 zu berücksichtigen sei.
- 114.
- Da das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zu einer fehlerhaften Anwendung von
Artikel 85 Absatz 1 mit diesem Urteil zurückgewiesen wird, ist das fragliche
Argument nicht erheblich.
- 115.
- Drittens macht die Rechtsmittelführerin zunächst für den Fall, daß das Gericht
davon ausgegangen sein sollte, daß die Klägerinnen nicht bewiesen hätten, daß die
frühzeitige Verbreitung der Informationen über die Zulassungszahlen pro Modell
unerläßlich sei, geltend, diese Unerläßlichkeit der Verbreitung folge daraus, daß die
Hersteller über aktuelle Informationen verfügen müßten, um rechtzeitig
Entscheidungen und Maßnahmen entsprechend den Bedürfnissen ihrer Kunden
treffen zu können. Das Gericht sei in seinen Ausführungen nur darauf eingegangen,
ob die Informationen für den Kunden- oder Garantiedienst benötigt würden.
- 116.
- Die Rechtsmittelführerin macht ferner geltend, nur die bedeutendsten Hersteller
seien in der Lage, selbständig verläßliche Angaben über die Umsätze
zusammenzutragen. Zudem seien die auf diese Weise gesammelten Angaben
weniger zuverlässig als die im Rahmen des Informationsaustauschsystems
übermittelten. Dieses System gewährleiste damit die gleiche Informationsquantität
und -qualität für große und kleine Unternehmen sowie für neue Marktbeteiligte.
Schließlich wären die Unternehmen ohne das Informationsaustauschsystem
gezwungen, direkt Informationen auszutauschen, was möglicherweise mit dem
Wettbewerbsrecht unvereinbar wäre.
- 117.
- Diese Argumente sind bereits vor der Kommission und dem Gericht dafür
angeführt worden, daß das in Rede stehende Informationsaustauschsystem,
insbesondere in der Form des Data Systems, die Voraussetzung der Unerläßlichkeit
der Beschränkungen erfülle. Ferner gibt die Rechtsmittelführerin nicht an,
inwiefern dem Gericht bei der Überprüfung der Ausübung des Ermessens, das der
Kommission im Rahmen des Artikels 85 Absatz 3 zusteht, ein Rechtsfehler
unterlaufen sei; auch aus den Akten kann nicht auf einen Fehler des Gerichts bei
der Überprüfung geschlossen werden.
- 118.
- Auch ist nicht zu erkennen, daß das Gericht bei seiner Beurteilung davon
ausgegangen wäre, daß die Klägerinnen als Vorteil des Informationsaustauschs
lediglich die Notwendigkeit der Gewährleistung des Kunden- oder Garantiedienstes
angeführt hätten. Die Darstellung des Vorbringens der Klägerinnen in den
Randnummern 95 und 96 des angefochtenen Urteils beschränkt sich nämlich nicht
auf diese Gesichtspunkte. Ferner sind die in Rede stehenden Ausführungen in
Randnummer 99 des angefochtenen Urteils offensichtlich eine Antwort auf
Argumente, die vor dem Gericht speziell im Hinblick auf das Data System
angeführt worden sind.
- 119.
- Da der fünfte Rechtsmittelgrund teilweise unzulässig und teilweise unbegründet ist,
ist er zurückzuweisen.
- 120.
- Die von der Rechtsmittelführerin für ihr Rechtsmittel angeführten
Rechtsmittelgründe sind demnach teilweise unzulässig und teilweise unbegründet.
Das Rechtsmittel ist daher insgesamt zurückzuweisen.
Kosten
- 121.
- Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das
Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende
Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die
Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des
Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsmittelführerin trägt die Kosten des Verfahrens.
GulmannMoitinho de Almeida
Edward
Jann Sevón
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. Mai 1998.
Der Kanzler
Der Präsident der Fünften Kammer
R. Grass
C. Gulmann