Language of document : ECLI:EU:T:2021:568


URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)

15. September 2021(*)

„Umwelt – Verordnung (EG) Nr. 443/2009 – Durchführungsverordnung (EU) Nr. 725/2011 – Durchführungsbeschluss (EU) 2015/158 – Durchführungsbeschluss (EU) 2019/583 – Kohlendioxidemissionen – Prüfverfahren – Personenkraftwagen“

In der Rechtssache T‑359/19,

Daimler AG mit Sitz in Stuttgart (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte N. Wimmer, C. Arhold und G. Ollinger,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch K. Talabér-Ritz und A. Becker als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen einer Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2019/583 der Kommission vom 3. April 2019 zur Bestätigung oder Änderung der vorläufigen Berechnung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen und der Zielvorgaben für die spezifischen Emissionen für Hersteller von Personenkraftwagen für das Kalenderjahr 2017 und für bestimmte Hersteller, die Mitglieder der Volkswagen-Emissionsgemeinschaft sind, für die Kalenderjahre 2014, 2015 und 2016 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 443/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2019, L 100, S. 66), soweit er in Bezug auf die Klägerin die durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen und die Ökoinnovationen zugeordneten CO2-Einsparungen ausschließt,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, der Richterin V. Tomljenović, des Richters F. Schalin (Berichterstatter), der Richterin P. Škvařilová-Pelzl und des Richters I. Nõmm,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2021

folgendes

Urteil

 Rechtlicher Rahmen

1        Im Rahmen des von der Europäischen Union festgelegten Ziels, die Kohlendioxidemissionen (CO2) von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen zu verringern und gleichzeitig das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sicherzustellen, verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EG) Nr. 443/2009 vom 23. April 2009 zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen im Rahmen des Gesamtkonzepts der Gemeinschaft zur Verringerung der CO2‑Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen (ABl. 2009, L 140, S. 1).

2        Um dieses Ziel zu erreichen, sieht Art. 4 der Verordnung Nr. 443/2009 vor, dass jeder Hersteller von Personenkraftwagen für das am 1. Januar 2012 beginnende Kalenderjahr und für jedes folgende Kalenderjahr sicherstellt, dass seine durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen die gemäß Anhang I der Verordnung festgesetzte Zielvorgabe für die spezifischen CO2-Emissionen nicht überschreiten oder, bei Herstellern, denen eine Ausnahme nach Art. 11 der Verordnung gewährt wurde, dieser Ausnahme entsprechen.

3        Die Bestimmung der Zielvorgabe für spezifische Emissionen eines Herstellers erfolgt gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 443/2009 in Verbindung mit deren Anhang I. Zur Bestimmung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen eines Herstellers ermitteln die Mitgliedstaaten ferner die Angaben nach Art. 8 der Verordnung Nr. 443/2009 in Verbindung mit deren Anhang II, und zwar insbesondere die im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens festgestellten und in der Übereinstimmungsbescheinigung nach Art. 18 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2007, L 263, S. 1) ausgewiesenen CO2-Emissionen für alle in ihrem Hoheitsgebiet im Vorjahr zugelassenen neuen Personenkraftwagen.

4        Die Europäische Kommission nimmt diese Daten in ein öffentlich einsehbares Verzeichnis auf. Desgleichen stellt sie gemäß Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 443/2009 bis zum 30. Juni jeden Jahres eine vorläufige Berechnung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen, der Zielvorgabe für die spezifischen Emissionen sowie der Differenz zwischen diesen beiden Werten im vorangegangenen Kalenderjahr für jeden Hersteller an und teilt sie den Herstellern mit.

5        Nach Ablauf einer Dreimonatsfrist ab dieser Mitteilung, innerhalb derer die Hersteller der Kommission etwaige Fehler mitteilen können, bestätigt oder ändert die Kommission die vorläufig berechneten Daten gemäß Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 443/2009 bis zum 31. Oktober jeden Jahres. Sie veröffentlicht die endgültigen Daten in Form der in Art. 10 der Verordnung genannten Liste, in der für jeden Hersteller die Zielvorgabe für das vorangegangene Kalenderjahr, die durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen des Vorjahrs sowie die Differenz zwischen diesen beiden Werten angegeben sind.

6        Wenn die durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen eines Herstellers seine Zielvorgabe für dasselbe Kalenderjahr übersteigen, erhebt die Kommission die in Art. 9 der Verordnung Nr. 443/2009 festgelegte Abgabe wegen Emissionsüberschreitung. Bei Erhebung dieser Abgabe stützt sich die Kommission auf die gemäß Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung bestimmten Daten.

7        Ziel der Verordnung Nr. 443/2009 sind nicht nur der Umweltschutz und die Verringerung der CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen, sondern auch das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und insbesondere der Anreiz für Investitionen in neue Technologien. Zur langfristigen Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie im Automobilsektor fördert diese Verordnung daher „aktiv die Ökoinnovation und trägt künftigen Technologieentwicklungen Rechnung“ (vgl. 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 443/2009).

8        Deshalb sieht Art. 12 („Ökoinnovationen“) der Verordnung Nr. 443/2009 vor, dass durch den Einsatz innovativer Technologien erreichte CO2-Einsparungen unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt werden. Dazu werden die Einsparungen bei der Berechnung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen eines Herstellers von den spezifischen CO2-Emissionen der Fahrzeuge, in denen diese Technologien eingesetzt werden, abgezogen.

9        Am 25. Juli 2011 verabschiedete die Kommission die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 725/2011 zur Einführung eines Verfahrens zur Genehmigung und Zertifizierung innovativer Technologien zur Verringerung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen nach der Verordnung Nr. 443/2009 (ABl. 2011, L 194, S. 19).

10      Um bei der Bestimmung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen eines Herstellers in den Genuss von CO2-Einsparungen aufgrund einer innovativen Technologie zu kommen, kann der Hersteller bei der Kommission die Genehmigung einer innovativen Technologie als Ökoinnovation beantragen. Dafür muss er einen Antrag auf Genehmigung einer innovativen Technologie als Ökoinnovation stellen, der die in Art. 4 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 aufgezählten Einzelheiten umfasst. Der Antrag muss nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. e der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 ein Prüfverfahren zum Nachweis der CO2-Emissionssenkungen der innovativen Technologie oder einen Verweis auf ein solches Verfahren, wenn es bereits durch die Kommission genehmigt wurde, umfassen. Dieses Prüfverfahren muss nach Art. 6 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 nachprüfbare, wiederholbare und vergleichbare Ergebnisse erbringen und ermöglichen, in einer realistischen Weise die Vorteile der innovativen Technologie in Bezug auf die CO2-Emissionen mit starker statistischer Aussagekraft und gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen mit anderen Ökoinnovationen nachzuweisen. Nach Art. 6 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 veröffentlicht die Kommission Leitlinien für die Vorbereitung der Prüfverfahren für verschiedene mögliche innovative Technologien, die die Kriterien nach Art. 6 Abs. 1 erfüllen.

11      Infolgedessen veröffentlichte die Kommission ein Dokument mit dem Titel „Technische Leitlinien für die Vorbereitung von Anträgen auf Genehmigung innovativer Technologien gemäß der Verordnung Nr. 443/2009“ (im Folgenden: technische Leitlinien). In Punkt 4 („Prüfverfahren“) dieser Leitlinien ist vorgesehen, dass der Antrag auf Genehmigung einer Ökoinnovation ein Prüfverfahren enthalten muss, das zu genauen und nachprüfbaren Ergebnissen führt. Aus Punkt 4 geht hervor, dass der Antragsteller zwischen zwei verschiedenen Ansätzen wählen kann, nämlich dem vollständigen Ansatz oder dem vereinfachten Ansatz. Nach dem vollständigen Ansatz hat der Antragsteller ein Prüfverfahren zu entwickeln und ihm erforderlichenfalls Daten und Material zugrunde zu legen. Diese Dokumentation ist grundsätzlich zusammen mit dem Genehmigungsantrag vorzulegen und muss von einer anerkannten und unabhängigen Stelle zur Erstellung des Prüfberichts beurteilt werden. Nach dem vereinfachten Ansatz kann der Antragsteller die Funktionen und Durchschnittswerte verwenden, die in den technischen Leitlinien im Voraus festgelegt sind.

12      Anschließend prüft die Kommission den Antrag gemäß Art. 10 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 und erlässt gegebenenfalls einen Beschluss zur Genehmigung der innovativen Technologie als Ökoinnovation. Dieser Beschluss bestimmt, welche Informationen für die Zertifizierung der CO2-Einsparungen gemäß Art. 11 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 erforderlich sind, vorbehaltlich der Ausnahmen vom Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten (ABl. 2001, L 145, S. 43).

13      Ein Fahrzeughersteller, der zur Einhaltung seiner Zielvorgabe für spezifische Emissionen von einer Verringerung seiner durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen durch die CO2-Einsparungen aus einer Ökoinnovation nach Art. 12 der Verordnung Nr. 443/2009 profitieren will, kann daraufhin – unter Verweis auf den Beschluss der Kommission über die Genehmigung einer konkreten Ökoinnovation – bei einer nationalen Genehmigungsbehörde im Sinne der Richtlinie 2007/46 die Zertifizierung der durch Einsatz dieser Ökoinnovation in seinen Fahrzeugen erzielten CO2-Einsparungen gemäß Art. 11 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 beantragen. Die für Fahrzeugtypen zertifizierten CO2-Einsparungen werden sowohl in die entsprechenden Typgenehmigungsunterlagen, die von der nationalen Genehmigungsbehörde ausgestellt werden, als auch in die vom Hersteller ausgegebenen Übereinstimmungsbescheinigungen der betroffenen Fahrzeuge aufgenommen.

14      Hinsichtlich der von den nationalen Genehmigungsbehörden vorgenommenen Zertifizierung der CO2-Einsparungen und der Berücksichtigung der zertifizierten CO2-Einsparungen bei der Bestimmung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen eines Herstellers sieht die Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 in ihrem Art. 12 eine Überprüfung der Zertifizierungen durch die Kommission auf einer Ad-hoc-Basis vor. Die Modalitäten dieser Ad-hoc-Überprüfung und die sich daraus möglicherweise ergebenden Folgen sind in den Abs. 1 bis 3 dieses Artikels geregelt.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

15      Am 2. Dezember 2013 und am 6. Mai 2014 stellte die Robert Bosch GmbH zwei Anträge auf Genehmigung zweier hocheffizienter Generatortypen als Ökoinnovationen. Der im vorliegenden Fall in Rede stehende erste Antrag betraf hocheffiziente Generatoren mit Hocheffizienz-Dioden (im Folgenden: HED-Generatoren). Mit diesem Antrag beantragte die Robert Bosch GmbH für mehrere Modelle von HED-Generatoren, die als PL 3Q-130 HED, PL 3Q-150 HED, EL 6Q-140 HED, EL 7-150 HED, EL 7-150 Plus HED, EL 7-175 Plus HED, EL 8-180 HED, EL 8Q-180 HED und EL 8Q-190 HED bezeichnet wurden, die Genehmigung als Ökoinnovation. Bei der Einreichung des Antrags folgte die Robert Bosch GmbH dem in den technischen Leitlinien vorgesehenen vereinfachten Ansatz. Sie legte u. a. für jeden Generatortyp ein Protokoll der Prüfmessungen vor. In diesen Messprotokollen machte sie für jeden Generatortyp Angaben zum Prüfverfahren. Dort wurde für bestimmte Generatoren angegeben, dass sie „präpariert“ worden seien (EL 7-175 Plus HED und EL 8Q-190 HED), dass die Fettmenge um 25 % reduziert worden sei (PL 3Q-130 HED und PL 3Q-150 HED), dass sie optimiert worden seien (EL 7-150 HED) oder dass Deckscheiben hinzugefügt worden seien (EL 8Q-190 HED). Die Präparierung, die in der Reduzierung der Fettmenge der Kugellager der Generatoren, in der Ersetzung des Dichtungsrings des Kugellagers durch eine Schutzschicht oder auch in zusätzlichen Deckscheiben, die überflüssiges Fett möglichst schnell beseitigen sollen, bestehen kann, soll die Einlaufphase verkürzen. Die verschiedenen Präparierungsverfahren einschließlich der Einlaufphase werden allgemein als Vorkonditionierung bezeichnet.

16      Im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 Buchst. g und Art. 7 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 enthielt der von der Robert Bosch GmbH gestellte Antrag einen Prüfbericht (im Folgenden: Prüfbericht), der am 14. November 2013 von einer zertifizierten und unabhängigen Stelle, nämlich der TÜV SÜD Industrie Service GmbH (im Folgenden: TÜV SÜD), erstellt worden war. Der TÜV SÜD überprüfte gemäß Art. 7 Abs. 2 Buchst. c der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 die von der Robert Bosch GmbH angewandten Prüfverfahren. Sodann bestätigte er im Prüfbericht, dass dieses Prüfverfahren geeignet sei, um die CO2-Einsparungen durch die Ökoinnovation zu bescheinigen. Das überprüfte Prüfverfahren war die in der Messvorschrift für die Wirkungsgrad-Kennzahl Nr. 0 124 90A 0GB, Ausgabe vom 2. November 2010, des Verbands der Automobilindustrie (Deutschland, im Folgenden: VDA) beschriebene Methode. In Ziff. 6.1.1 dieser Messvorschrift heißt es:

„6.1.1 Einlaufen der Kugellager/‚präparierte Kugellager‘

Neue Kugellager müssen einlaufen, bevor der Wirkungsgrad eines Generators mit akzeptabler Genauigkeit gemessen werden kann.

Vor der Messung ist daher ein einstündiger Einlauf bei n = 10 000 1/min und Volllast bei Generatorspannung UG = 13,5V vorgeschrieben. Dieser Einlauf kann auch durch das Messen einer langen Volllastkennlinie (z. B. ‚RBwarm‘ mit mindestens 4h Generatorbetrieb bei verschiedenen Drehzahlen) ersetzt werden.

Das oben beschriebene Einlaufen (1h Volllast bei n = 10 000 1/min oder die lange Volllastkennlinie) ist nur eine Mindestanforderung. Nach diesem Einlaufen ist die Streuung der Kugellagerreibung immer noch so groß, dass keine genauen Wirkungsgradmessungen möglich sind.

Um die Streuung durch Kugellagerreibung so weit zu reduzieren, dass genaue Wirkungsgradmessungen möglich sind, müssen in der Entwicklung ‚präparierte Kugellager‘ verwendet werden. Auch für die Messung im Werk (QZ-Prüfung) wird die Verwendung von ‚präparierten Kugellagern‘ empfohlen.

‚Präparierte Kugellager‘: A- und B-seitiges Kugellager ohne schleifende Dichtung und mit um ca. 20 % reduzierter Fettmenge im Vergleich zu neuen Kugellagern. Präparierte Kugellager simulieren gut eingelaufene Kugellager.“

17      Laut dem Prüfbericht überprüfte der TÜV SÜD ferner auf der Grundlage der von der Robert Bosch GmbH eingereichten Belege, ob die durch die innovative Technologie erzielten CO2-Einsparungen den in Art. 9 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 genannten Schwellenwert von 1 g CO2/km überschritten.

18      Am 30. Januar 2015 genehmigte die Kommission beide Generatortypen durch Erlass des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/158 über die Genehmigung von zwei hocheffizienten Generatoren der Robert Bosch GmbH als innovative Technologie zur Verringerung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen gemäß der Verordnung Nr. 443/2009 (ABl. 2015, L 26, S. 31).

19      Die Klägerin, die Daimler AG, ist ein deutscher Automobilhersteller, der bestimmte Personenkraftwagen mit hocheffizienten Generatoren der Robert Bosch GmbH ausstattet.

20      Die Klägerin verbaut seit 2015 und 2016 die Generatortypen HED Bosch EL 7-150 Plus HED und Bosch EL 7-175 Plus HED (im Folgenden: streitige Generatoren) in bestimmten ihrer Fahrzeuge.

21      Die Klägerin beantragte nach Art. 11 („Zertifizierung der CO2-Einsparungen von Ökoinnovationen“) der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 beim Kraftfahrt-Bundesamt (Deutschland, im Folgenden: KBA) mit Erfolg die Zertifizierung der durch den Einsatz der streitigen Generatoren in manchen ihrer Fahrzeuge erzielten CO2-Einsparungen.

22      Die Kommission berücksichtigte in ihrem Durchführungsbeschluss (EU) 2018/144 vom 19. Januar 2018 zur Bestätigung oder Änderung der vorläufigen Berechnung der durchschnittlichen spezifischen CO2‑Emissionen und der Zielvorgaben für die spezifischen Emissionen für Hersteller von Personenkraftwagen für das Kalenderjahr 2016 gemäß der Verordnung Nr. 443/2009 (ABl. 2018, L 25, S. 64) die CO2-Einsparungen durch den Einsatz der streitigen Generatoren.

23      Im Laufe des Jahres 2017 nahm die Kommission gemäß Art. 12 („Überprüfung der Zertifizierungen“) der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 eine Ad-hoc-Überprüfung der Zertifizierungen der CO2-Einsparungen der Klägerin durch den Einsatz der streitigen Generatoren vor.

24      Die Kommission stellte fest, dass die vom KBA zertifizierten CO2-Einsparungen sehr viel höher waren als die CO2-Einsparungen, die mit der Prüfmethode nachgewiesen werden konnten, die ihrer Ansicht nach gemäß Art. 1 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses 2015/158 in Verbindung mit dem Anhang ihres Durchführungsbeschlusses 2013/341/EU vom 27. Juni 2013 über die Genehmigung des Wechselstromgenerators „Valeo Efficient Generation Alternator“ als innovative Technologie zur Verringerung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen gemäß der Verordnung Nr. 443/2009 (ABl. 2013, L 179, S. 98) vorgeschrieben ist.

25      Mit Schreiben vom 7. März 2018 informierte die Kommission die Klägerin über die festgestellten Abweichungen und setzte ihr eine Frist von 60 Tagen zur Erbringung des Nachweises der Richtigkeit der zertifizierten CO2-Einsparungen.

26      Zwischen dem 16. März und 24. Juli 2018 waren die Feststellungen der Kommission Gegenstand mehrerer Schriftwechsel zwischen der Kommission, der Klägerin und dem Hersteller der streitigen Generatoren infolge einer Änderung des Firmennamens und des Verkaufs der Anlasser- und Generatorensparten durch die Robert Bosch GmbH nunmehr die SEG Automotive GmbH.

27      Mit Schreiben vom 22. Oktober 2018 („Mitteilung des Entzugs der CO2-Einsparungen durch Ökoinnovationen für mit hocheffizienten Generatoren Bosch HED EL 7-150 und 175 plus ausgerüstete Fahrzeuge der Daimler AG“) teilte die Kommission der Klägerin im Wesentlichen mit, dass sie nach ihrem Schriftwechsel mit der Klägerin und der Herstellerin der Generatoren zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Anwendung unterschiedlicher Prüfverfahren zu den festgestellten Abweichungen bei der Höhe der CO2-Einsparungen geführt habe. Infolgedessen teilte die Kommission der Klägerin mit, dass die unter Bezugnahme auf den Durchführungsbeschluss 2015/158 zertifizierten CO2-Einsparungen bei der Berechnung der die Klägerin betreffenden durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen für das Jahr 2017 nicht berücksichtigt werden könnten. Schließlich forderte die Kommission die Klägerin auf, die Liste der betroffenen Fahrzeuge zu überprüfen und ihr Fehler oder Auslassungen innerhalb eines Monats nach Erhalt dieses Schreibens mitzuteilen.

28      Mit Schreiben vom 22. November 2018 bestätigte die Klägerin die Liste der betroffenen Fahrzeuge und wandte sich gegen die Feststellungen der Kommission im Schreiben vom 22. Oktober 2018.

29      Am 21. Dezember 2018 erhob die Klägerin eine unter dem Aktenzeichen T‑751/18 eingetragene Nichtigkeitsklage gegen das Schreiben vom 22. Oktober 2018.

30      Mit Schreiben vom 7. Februar 2019 antwortete die Kommission auf die Stellungnahme der Klägerin in ihrem Schreiben vom 22. November 2018.

31      Die Kommission erließ am 3. April 2019 den Durchführungsbeschluss (EU) 2019/583 zur Bestätigung oder Änderung der vorläufigen Berechnung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen und der Zielvorgaben für die spezifischen Emissionen für Hersteller von Personenkraftwagen für das Kalenderjahr 2017 und für bestimmte Hersteller, die Mitglieder der Volkswagen-Emissionsgemeinschaft sind, für die Kalenderjahre 2014, 2015 und 2016 gemäß der Verordnung Nr. 443/2009 (ABl. 2019, L 100, S. 66, im Folgenden: angefochtener Beschluss). Im 13. Erwägungsgrund dieses Beschlusses heißt es, dass die den streitigen Generatoren zugeordneten zertifizierten CO2-Einsparungen bei der Berechnung der durchschnittlichen spezifischen Emissionen der Klägerin nicht berücksichtigt werden sollten.

32      Mit Beschluss vom 22. Januar 2020, Daimler/Kommission (T‑751/18, EU:T:2020:5), hat das Gericht die Nichtigkeitsklage gegen das Schreiben vom 22. Oktober 2018 u. a. mit der Begründung, dass dieses Schreiben keine anfechtbare Handlung ist, als unzulässig abgewiesen.

 Verfahren und Anträge der Parteien

33      Die Klägerin hat die vorliegende Klage mit am 14. Juni 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhoben.

34      Die Klagebeantwortung, die Erwiderung und die Gegenerwiderung sind am 2. September, 16. Oktober und 28. November 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

35      Auf Vorschlag der Zweiten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 seiner Verfahrensordnung beschlossen, die vorliegende Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

36      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung aufgefordert, vor der mündlichen Verhandlung mehrere Fragen schriftlich zu beantworten.

37      Die Parteien sind dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Fristen nachgekommen.

38      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als in Art. 1 Abs. 1 des Beschlusses in Verbindung mit Anhang I Tabellen 1 und 2 in den Spalten D und I die durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen und die CO2-Einsparungen aus Ökoinnovationen für die Klägerin ausgewiesen werden,

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

39      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

40      Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses 2015/158 wegen Anwendung eines unzutreffenden Willans-Faktors beanstandet. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses 2015/158 und Art. 6 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 wegen Unterlassens der spezifischen Vorkonditionierung bei der Ad-hoc-Überprüfung beanstandet. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 durch Nichtberücksichtigung der zertifizierten CO2-Einsparungen für das Kalenderjahr 2017 beanstandet. Mit dem vierten Klagegrund wird eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, und mit dem fünften Klagegrund eine Verletzung der Begründungspflicht beanstandet.

41      Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung den ersten Klagegrund zurückgenommen, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist. Folglich braucht dieser Klagegrund nicht mehr geprüft zu werden.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen von Art. 12 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses 2015/158 und Art. 6 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 wegen Unterlassens der spezifischen Vorkonditionierung bei der Ad-hoc-Überprüfung

42      Die Klägerin trägt erstens vor, dass der Durchführungsbeschluss 2015/158 eine spezifische Vorkonditionierung vorsehe.

43      Genauer gesagt leitet die Klägerin aus dem Wortlaut des Durchführungsbeschlusses 2015/158 ab, dass dieser eine Vorkonditionierung vorsehe. Daher sei davon auszugehen, dass die Kommission Kenntnis davon gehabt habe, dass die Robert Bosch GmbH die dem Antrag auf Genehmigung ihrer Ökoinnovation zugrunde liegenden Prüfungen mit spezifisch vorkonditionierten Generatoren durchgeführt habe. Aus den von der Robert Bosch GmbH bei der Kommission eingereichten Unterlagen gehe nämlich hervor, dass die streitigen Generatoren vorkonditioniert gewesen seien.

44      Zweitens trägt die Klägerin vor, dass die allgemeinen gesetzlichen Anforderungen an das Prüfverfahren eine spezifische Vorkonditionierung erforderten.

45      Ziel der Verordnung Nr. 443/2009 sei es, einen Anreiz für die Entwicklung und Nutzung von im realen Betrieb effizienten Ökoinnovationen zu bieten. Dies erfordere eine Vorkonditionierung der Generatoren, die einer Einlaufzeit von ungefähr 250 Stunden entspreche. Die Kommission hätte daher ein Prüfverfahren mit Vorkonditionierung anwenden müssen. Würde ein Generator ohne Vorkonditionierung geprüft, wie es die Kommission getan habe, würden die Ergebnisse nur ca. 1 % der gesamten normalen Lebensdauer des Generators repräsentieren. Außerdem seien die Prüfergebnisse in dieser Zeit in der Regel unpräzise und schwankend.

46      Dieser Ansatz stehe auch im Einklang mit dem, was in dem in der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. 2007, L 171, S. 1) geregelten Prüfverfahren vorgesehen sei, d. h. dem Neuen Europäischen Fahrzyklus bzw. der Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure (weltweit einheitliches Prüfverfahren für Leichtfahrzeuge), die als gemeinsame Referenz für die Messung der CO2-Einsparungen durch Ökoinnovationen verwendet würden.

47      Drittens trägt die Klägerin vor, dass eine entsprechend den Herstellerangaben vorgenommene spezifische Vorkonditionierung der zugelassenen hocheffizienten Generatoren als Ökoinnovationen zwingender Bestandteil des für diese Ökoinnovationen anzuwendenden Prüfverfahrens sei, um sicherzustellen, dass es die Kriterien der Nachprüfbarkeit, Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit der Ergebnisse erfülle.

48      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und trägt im Wesentlichen vor, dass weder der Durchführungsbeschluss 2013/341 noch der Durchführungsbeschluss 2015/158 ausdrücklich eine Vorkonditionierung als Teil des vorgeschriebenen Prüfverfahrens vorsähen.

49      Die Kommission trägt erstens vor, dass der Durchführungsbeschluss 2015/158 ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung sei, der anhand objektiver Kriterien auszulegen sei. Wenn überhaupt Dokumente aus der Entstehungsgeschichte dieses Beschlusses für seine Auslegung herangezogen werden könnten, dann könne es sich dabei nur um allgemein verfügbare Informationen wie etwa die auf ihrer Website veröffentlichten Kurzbeschreibungen der Anträge auf Genehmigung einer Ökoinnovation handeln.

50      Abgesehen davon, dass eine etwaige Kenntnis oder Intention einer durch die Antragstellerin erfolgten, spezifischen Vorkonditionierung auf Seiten der Kommission für die Auslegung des Durchführungsbeschlussses 2015/158 unerheblich sei, habe die Kommission keine Kenntnis davon gehabt, dass das von der Robert Bosch GmbH angewandte Prüfverfahren eine Vorkonditionierung der streitigen Generatoren umfasst habe. Der bloße Verweis im Prüfbericht auf die Messvorschriften vom 2. November 2010 könne nicht ausreichen. Jedenfalls ließen sich aus Ziff. 6.1.1 der Messvorschriften keine genauen Angaben über die spezifische Art und Weise bzw. die Dauer einer danach erforderlichen Vorkonditionierung entnehmen.

51      Folglich würde, selbst wenn dem Antrag auf Genehmigung der streitigen Generatoren die Messvorschriften bzw. weitere Details der vorgenommenen Tests angefügt gewesen wären und die Kommission daraus hätte erkennen können, dass die Antragstellerin zur Feststellung der CO2-Einsparungen aus dem Einsatz der in diesen effizienten Generatoren verwandten innovativen Technologie eine spezifische Vorkonditionierung vorgenommen habe, daraus nicht folgen, dass die Kommission eine Vorkonditionierung mit dem Durchführungsbeschluss 2015/158 (implizit) genehmigt habe oder dass diese konkrete Art der Vorkonditionierung einen Teil der im Anhang zu diesem Beschluss vorgeschriebenen Prüfmethode darstellen würde.

52      Die Kommission weist darauf hin, dass der Antrag auf Genehmigung der im vorliegenden Fall betroffenen Ökoinnovation nur auf den vereinfachten Ansatz der technischen Leitlinien gestützt gewesen sei. Der vereinfachte Ansatz beruhe ausschließlich auf Kapitel 5 der Leitlinien. Jede Abweichung von den darin enthaltenen Angaben bedürfe der Rechtfertigung.

53      Zweitens trägt die Kommission vor, dass die von der Klägerin angeführten allgemeinen rechtlichen Anforderungen an die Bestimmung einer Prüfmethode für Ökoinnovationen keinen Grund dafür böten, dass entweder der Durchführungsbeschluss 2013/341 bzw. der Durchführungsbeschluss 2015/158 rechtswidrig seien oder die von der Klägerin gewünschte spezifische Vorkonditionierung in die von diesen Beschlüssen vorgeschriebene Prüfmethode hineinzulesen sei.

54      Drittens trägt die Kommission im Wesentlichen vor, dass, wenn sich die Dauer, Art und Weise der von dem betreffenden Rechtsakt nicht geregelten Vorkonditionierung einer Ökoinnovation nach den jeweiligen Herstellervorgaben richten dürfe, die Vergleichbarkeit der so angeordneten Prüfmethode entgegen Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 443/2009 bzw. Art. 6 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 nicht gewährleistet wäre. Bei dieser Auslegung würde vermutlich jeder Hersteller eine spezifische Vorkonditionierung vorschreiben, die eine Messung der mit dem Einsatz der jeweiligen Ökoinnovation erreichten CO2-Einsparungen auf dem Höhepunkt ihrer Effizienz vorsehe.

55      Ferner könne unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung eine spezifische Vorkonditionierung, die nicht explizit als Teil der einschlägigen Prüfmethode vorgeschrieben sei, nicht erlaubt sein. Bedingungen einer Prüfmethode, die das Ergebnis der Prüfung beeinflussten, gälten nur bei ausdrücklicher Nennung im betreffenden Rechtsakt. Ungeregelte Bedingungen sollten keine Geltung finden, und eine Regelungslücke lasse sich nicht mit Herstellervorgaben füllen.

56      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 12 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 dafür sorgt, dass die Zertifizierungen und die CO2-Einsparungen einzelner Fahrzeuge auf Ad-hoc-Basis überprüft werden. Stellt sie fest, dass eine Differenz zwischen den zertifizierten CO2-Einsparungen und den Einsparungen besteht, die sie bei der Überprüfung mit Hilfe des/der einschlägigen Prüfverfahren(s) nachgewiesen hat, unterrichtet sie den Hersteller über ihre Ergebnisse. Der Hersteller kann innerhalb von 60 Tagen nach Erhalt der Mitteilung der Kommission den Nachweis erbringen, dass die zertifizierten CO2-Einsparungen richtig sind. Wird dieser Nachweis nicht innerhalb der angegebenen Frist erbracht oder hält die Kommission ihn für unzureichend, kann sie beschließen, die zertifizierten CO2-Einsparungen bei der Berechnung der durchschnittlichen spezifischen Emissionen des Herstellers für das folgende Kalenderjahr nicht zu berücksichtigen.

57      Desgleichen ist darauf hinzuweisen, dass Art. 6 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 bestimmt, dass „[das] Prüfverfahren nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe e … nachprüfbare, wiederholbare und vergleichbare Ergebnisse erbringen [muss]. Es muss ermöglichen, in einer realistischen Weise die Vorteile der innovativen Technologie in Bezug auf die CO2-Emissionen mit starker statistischer Aussagekraft und gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen mit anderen Ökoinnovationen nachzuweisen.“

58      Im vorliegenden Fall beruhen die von der Kommission festgestellten Abweichungen darauf, dass die CO2-Einsparungen durch den Einsatz der betreffenden Generatoren für die Zertifizierung durch das KBA nach einer spezifischen Vorkonditionierung, bei der Adhoc‑Überprüfung durch die Kommission dagegen ohne jegliche Vorkonditionierung festgestellt wurden. Zudem ist festzustellen, dass die Durchführungsbeschlüsse 2013/341 und 2015/158 nicht auf die Frage eingehen, ob die streitigen Generatoren vorkonditioniert wurden.

59      Allerdings ist festzustellen, dass die Klägerin der Kommission gemäß Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 Unterlagen vorgelegt hat, die im Hinblick auf das von ihr vertretene Prüfverfahren, für das die streitigen Generatoren vorkonditioniert wurden, nachweisen, dass die zertifizierten CO2-Einsparungen richtig sind.

60      Desgleichen lassen die Unterlagen der Akte in der vorliegenden Rechtssache den Schluss zu, dass die Robert Bosch GmbH ein Prüfverfahren mit spezifischer Vorkonditionierung zur Genehmigung der streitigen Generatoren als Ökoinnovation angewandt hatte. Vertreter der Gesellschaft SEG Automotive haben nämlich angegeben, dass die Rechtsvorgängerin dieser Gesellschaft, die Robert Bosch GmbH, die in den Unterlagen enthaltenen Ergebnisse auf der Grundlage von Prüfungen erzielt hätten, in denen die Kugellager der Generatoren mit Deckscheiben ausgestattet und zudem entfettet worden seien. Ebenso geht aus dem Schriftwechsel zwischen den Bevollmächtigten der Klägerin, der Kommission und der SEG Automotive hervor, dass die Vertreter der SEG Automotive darauf hingewiesen haben, dass eine spezifische Vorkonditionierung durchgeführt worden sei. Anhand der Akte lässt sich auch feststellen, dass die Kommission ihre Überprüfungen zur Genehmigung der streitigen Generatoren als Ökoinnovation auf der Grundlage des Prüfberichts durchgeführt hat. In dem Prüfbericht steht auf S. 5, dass die Robert Bosch GmbH die Prüfergebnisse auf Grundlage der Messvorschrift für die VDA-Wirkungsgrad-Kennzahl Nr. 0 124 90A 0GB, Ausgabe vom 2. November 2010, ermittelt hat. In dieser Messvorschrift wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Prüfergebnisse ohne Vorkonditionierung nicht verlässlich sind.

61      Ferner ist festzustellen, dass in den Protokollen der Prüfmessungen in der Verfahrensakte zum Durchführungsbeschluss 2015/158 darauf hingewiesen wird, dass ein Typ der streitigen Generatoren, nämlich der Typ EL 7-175 Plus HED, spezifisch vorkonditioniert wurde. Im Messprotokoll 10s01855T 5 vom 13. Oktober 2010 und im Messprotokoll 10s01855 vom 13. Oktober 2010 steht nämlich die Angabe „mit präparierten Kugellagern“. Anhand dieser Protokolle der Prüfmessungen lässt sich zudem feststellen, dass fünf weitere Generatortypen, die Gegenstand des Durchführungsbeschlusses 2015/158 sind, aber im vorliegenden Fall nicht in Rede stehen, vorkonditioniert wurden (siehe oben, Rn. 15).

62      Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung – insoweit von der Kommission unwidersprochen – erklärt hat, dass die Vorkonditionierung eine gängige Praxis in der Industrie sei. Die Kommission selbst hat erklärt, dass sie im Anschluss an den Beschluss vom 22. Januar 2020, Daimler/Kommission (T‑751/18, EU:T:2020:5), von etwa zehn Generatorherstellern kontaktiert worden sei, die ihre Generatoren auf unterschiedliche Weise vorkonditionierten und hierzu den Standpunkt der Kommission hätten erfahren wollen.

63      Die Vorkonditionierungsmethode kann allerdings – wie die Parteien bestätigen – je nach den technischen Besonderheiten jedes Generators erheblich variieren (Zahl der Einlaufstunden, Entfettung, Deckscheiben usw.), unabhängig davon, ob es sich um Generatoren desselben Herstellers oder verschiedener Hersteller handelt.

64      Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Kommission auf das Vorbringen, das von der Klägerin befürwortete Prüfverfahren sei unzulässig. Im Schreiben vom 22. Oktober 2018 weist sie lediglich darauf hin, dass die Klägerin das in den Durchführungsbeschlüssen 2013/341 und 2015/158 vorgesehene „offizielle“ Prüfverfahren nicht angewandt habe, und im angefochtenen Beschluss führt sie lediglich aus, dass in diesen Beschlüssen eine Vorkonditionierung weder vorgesehen noch erlaubt gewesen sei.

65      Insoweit ist daran zu erinnern, dass ein Prüfverfahren mit Vorkonditionierung – wie oben in Rn. 62 ausgeführt – eine gängige Praxis in der Generatorindustrie ist und in verwandten Rechtsvorschriften, die Methoden vorsehen, die realen Fahrbedingungen entsprechen wie etwa der Verordnung Nr. 715/2007 , die Norm darstellt.

66      Ferner ergibt sich aus Punkt 6.1.1 der VDA-Messvorschrift Nr. 0 124 90A 0GB, Ausgabe vom 2. November 2010, dass, um die Streuung durch Kugellagerreibung so weit zu reduzieren, dass genaue Wirkungsgradmessungen möglich sind, in der Entwicklung „präparierte Kugellager“ verwendet werden müssen. Auch für die Messung im Werk wird die Verwendung von „präparierten Kugellagern“ empfohlen (siehe oben, Rn. 16).

67      Des Weiteren wurde das von der Klägerin befürwortete Prüfverfahren vom TÜV Süd kontrolliert, der in seiner Eigenschaft als unabhängige und zertifizierte Stelle gemäß Art. 7 Abs. 2 Buchst. c der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 überprüft und bestätigt hat, dass das Prüfverfahren der Robert Bosch GmbH geeignet war, um CO2‑Einsparungen durch die streitigen Generatoren zu bestätigen, und dass es den Mindestanforderungen nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung genügte.

68      Folglich ist das von der Klägerin befürwortete Verfahren als geeignet und den Erfordernissen der fraglichen Prüfung entsprechend anzusehen. Der Akte lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass dieses Prüfverfahren Ergebnisse erbringen würde, die nicht im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 nachprüfbar, wiederholbar und vergleichbar wären. Vielmehr hat die Klägerin auf die Mitteilung der Fragen der Kommission zu den zertifizierten CO2-Einsparungen der Klägerin hin gemäß Art. 12 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 den Nachweis erbracht, dass diese Einsparungen richtig sind. Aus der Akte geht nämlich hervor, dass SEG Automotive im Anschluss an die Fragen der Kommission neue Messungen in Bezug auf die streitigen Generatoren vorgenommen hat, die gezeigt haben, dass der Wirkungsgrad (Verhältnis zwischen erzeugter elektrischer Leistung und aufgenommener mechanischer Leistung) dieser Generatoren auf der erwarteten Höhe lag und der erzielte Wert den vom TÜV Süd im Prüfbericht bestätigten Leistungswerten entsprach. SEG Automotive kam zu dem Ergebnis, dass die Abweichungen zwischen den von der Kommission und den von SEG Automotive durchgeführten Prüfungen darauf zurückzuführen seien, dass die Kommission keine Vorkonditionierung durchgeführt habe.

69      Das Prüfverfahren der Kommission bei der Ad-hoc-Überprüfung umfasste tatsächlich keine Vorkonditionierung; dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Zudem wurde das Verfahren in den Rechtsvorschriften nicht genau vorgeschrieben und stellte auch nicht die Norm in der Industrie dar. Dieses Prüfverfahren unterschied sich somit grundlegend von dem Prüfverfahren, das die Robert Bosch GmbH angewandt und die Klägerin befürwortet hat.

70      Insoweit ist festzustellen, dass Art. 12 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 nicht das Prüfverfahren festlegt, das bei der Vornahme einer Ad-hoc-Überprüfung anzuwenden ist. Dem 13. Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 lässt sich jedoch entnehmen, dass die Kommission im Rahmen der Ad-hoc-Überprüfung überprüfen muss, ob die zertifizierten Einsparungen mit der Höhe der Einsparungen übereinstimmen, die sich aus dem Beschluss über die Genehmigung einer Technologie als Ökoinnovation ergeben. Das von der Kommission angewandte Prüfverfahren entspricht jedoch in Wirklichkeit keiner Überprüfung zwischen den zertifizierten Einsparungen der Klägerin und den sich aus dem Durchführungsbeschluss 2015/158 ergebenden Einsparungen. Vielmehr hat die Kommission durch Anwendung eines anderen Prüfverfahrens den Vergleich der zertifizierten Emissionseinsparungen mit den sich aus dem Durchführungsbeschluss 2015/158 ergebenden Einsparungen tatsächlich unmöglich gemacht.

71      Die Kommission rechtfertigt ihr Prüfverfahren mit Erwägungen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit. Aus dem Vorstehenden ergibt sich jedoch, dass das Prüfverfahren der Kommission darin besteht, unterschiedliche Sachverhalte gleich zu behandeln, was nicht die Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung gewährleistet, der als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 20. Juni 2019, ExxonMobil Production Deutschland, C‑682/17, EU:C:2019:518, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit besteht, wenn die Kommission nicht die technischen Spezifikationen jedes Generators und die Art seiner Vorkonditionierung berücksichtigt, die Gefahr, dass ihr Prüfverfahren, das darin besteht, Prüfungen an nicht vorkonditionierten Generatoren vorzunehmen, für bestimmte Automobilhersteller vorteilhaft und für andere nachteilig sein kann.

72      Ebenso wenig lässt sich der Ansatz der Kommission mit Gründen der Rechtssicherheit rechtfertigen. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet, dass Rechtsvorschriften, vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können, klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sind (Urteil vom 22. April 2015, Polen/Kommission, T‑290/12, EU:T:2015:221, Rn. 50). In Anbetracht dessen, dass die Ad-hoc-Überprüfung für Automobilhersteller schwerwiegende Folgen haben kann, dass das von der Kommission im vorliegenden Fall angewandte Prüfverfahren weder im Durchführungsbeschluss 2015/158 noch in einem anderen Rechtstext klar und bestimmt vorgesehen ist und dass dieses Verfahren nicht die gängige Praxis in der Industrie darstellt, kann es nicht als geeignetes Mittel angesehen werden, um die Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit zu gewährleisten.

73      Diese Feststellungen können nicht damit in Frage gestellt werden, dass die Robert Bosch GmbH ihren Antrag auf Genehmigung der streitigen Generatoren als Ökoinnovation auf der Grundlage des vereinfachten Ansatzes der technischen Leitlinien gestellt hatte.

74      Denn selbst wenn ein Antrag auf der Grundlage des vereinfachten Ansatzes der technischen Leitlinien gestellt wird, muss die Kommission ihn vor seiner Genehmigung prüfen und gegebenenfalls Einwände gegen die Geeignetheit der Prüfverfahren im Rahmen der vollständigen Prüfung des Antrags erheben, die sie gemäß Art. 10 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 vorzunehmen hat. Wie oben in den Rn. 15 und 16 und 60 bis 63 ausgeführt, verfügte die Kommission über Informationen, die u. a. in dem vom TÜV Süd erstellten Prüfbericht enthalten waren, den sie nicht außer Acht lassen konnte, ohne diesem in Art. 4 Abs. 2 Buchst. g und Art. 7 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 vorgesehenen Bericht die praktische Wirksamkeit zu nehmen. Zudem verfügte die Kommission über Informationen aus den Protokollen der Prüfmessungen, anhand deren sie verstehen konnte, dass die streitigen Generatoren zu ihrer Genehmigung als Ökoinnovation vorkonditioniert worden waren; dies gilt umso mehr, als die Vorkonditionierung in der Industrie eine gängige Praxis war. Somit hätte die Kommission, wenn die Vorkonditionierung zu Fragen oder Einwänden geführt hätte, die Robert Bosch GmbH vor Erlass des Durchführungsbeschlusses 2015/158 dazu befragen müssen. Jedenfalls stellt die Tatsache, dass sich die Robert Bosch GmbH auf den vereinfachten Ansatz der technischen Leitlinien gestützt hat, keinen Umstand dar, mit dem sich rechtfertigen ließe, dass Einwände gegen das Prüfverfahren erst im Stadium der Ad-hoc-Überprüfung erhoben wurden.

75      Gleiches gilt für das Vorbringen, dass die Robert Bosch GmbH jedenfalls im Verfahren zur Genehmigung der HED-Generatoren keine spezifischen Angaben zur Vorkonditionierung gemacht habe. Wie sich aus Rn. 74 oben ergibt, ist die Kommission in diesem Verfahren nämlich befugt, Einwände zu erheben oder zusätzliche Erläuterungen zu dem Prüfverfahren anzufordern, das im vorliegenden Fall eine spezifische Vorkonditionierung umfasste, die im Prüfbericht erwähnt war. Da in diesem Verfahren keine Einwände oder Klarstellungsersuchen geäußert wurden, darf die Kommission bei der gegenüber der Klägerin veranlassten Ad-hoc-Überprüfung kein anderes Prüfverfahren anwenden.

76      Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Kommission, wonach nicht öffentlich verbreitete Informationen nicht als Teil des Durchführungsbeschlusses 2015/158 und des Durchführungsbeschlusses 2013/341 angesehen werden könnten, da es sich um Beschlüsse mit allgemeiner Geltung handele. Insoweit genügt der Hinweis, dass die Kommission nach Art. 10 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 zur „Kurzbeschreibung der innovativen Technologie und des Prüfverfahrens gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe c“ verpflichtet ist. Der „kurze“ Charakter dieser Beschreibung bedeutet zwangsläufig, dass diese Offenlegung nicht umfassend zu sein hat.

77      Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission die Adhoc‑Überprüfung nicht im Einklang mit Art. 12 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 durchgeführt hat und sie einen Rechtsfehler begangen hat, indem sie ein Prüfverfahren mit Vorkonditionierung ausgeschlossen hat.

78      Daher ist der vorliegende Klagegrund begründet, so dass ihm stattzugeben ist. Dies genügt, um den angefochtenen Beschluss entsprechend dem Antrag der Klägerin für nichtig zu erklären.

79      Gleichwohl hält es das Gericht für zweckmäßig, auch den dritten Klagegrund zu prüfen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 12 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 durch Nichtberücksichtigung der zertifiziertenCO2-Einsparungen für das Kalenderjahr 2017

80      Nach Ansicht der Klägerin ist der Wortlaut von Art. 12 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 eindeutig und unmissverständlich: Eine Nichtberücksichtigung sei ausschließlich für das folgende Kalenderjahr denkbar, sprich im vorliegenden Fall für das Jahr 2019. Die Vorschrift sei Ausdruck des Vertrauensschutzprinzips und solle dem Hersteller ermöglichen, seine „Flottenplanung“ in Bezug auf die CO2-Emissionen unter Berücksichtigung der durch Öko‑Innovationen erreichbaren CO2-Einsparungen verlässlich fortführen zu können. Eine Nichtberücksichtigung der zertifizierten CO2-Einsparungen für die Vergangenheit (ex tunc) verstoße gegen dieses Prinzip.

81      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie trägt im Wesentlichen vor, ihre Vorgehensweise stehe im Einklang mit der Verordnung Nr. 443/2009 und mit Art. 12 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011.

82      Nach Ansicht der Kommission ergibt sich aus der genannten Regelung nämlich, dass sie die CO2-Emissionsleistung der Hersteller für das vorangegangene Kalenderjahr berücksichtigen müsse. In der Praxis müsse sie die von den Mitgliedstaaten übermittelten Daten erst eine bestimmte Zeit nach Ende des Kalenderjahrs verarbeiten. Dies gelte auch für die Daten zu Ökoinnovationen.

83      Wenn die Kommission folglich feststelle, dass die zertifizierten Emissionen einer Ökoinnovation nicht nachweisbar seien, müsse dies für das Jahr berücksichtigt werden, das dem Jahr vorausgehe, in dem diese Feststellung getroffen worden sei. Daher sei der Hinweis auf das „folgende Kalenderjahr“ so zu verstehen, dass die Kommission CO2-Einsparungen, die sie bereits in einem förmlichen Beschluss für ein bestimmtes Jahr bestätigt habe, nicht ausschließen dürfe.

84      Insoweit sei die Kommission aus Gründen des Vertrauensschutzes daran gehindert gewesen, z. B. die in dem Durchführungsbeschluss 2018/144 festgelegten durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen der Klägerin für das Kalenderjahr 2016 unter Berücksichtigung der im vorliegenden Fall fraglichen CO2-Einsparungen nachträglich zu ändern, als sie im Laufe des Jahres 2018 festgestellt habe, dass die Richtigkeit der fraglichen Zertifizierungen weder bei ihrer Überprüfung noch durch die Klägerin hätten nachgewiesen werden können.

85      Ferner bestätige die in Art. 12 Abs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 benutzte Wendung „nicht mehr berücksichtigt werden“, dass zertifizierte CO2-Einsparungen aus dem Einsatz von Ökoinnovationen, die in der Vergangenheit für die Bestimmung der Emissionsleistung eines Herstellers herangezogen worden seien, ab dem Zeitpunkt, an dem feststehe, dass sie nicht verifiziert werden könnten, „nicht mehr“ gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 443/2009 berücksichtigt werden könnten. Hätte die Kommission der Argumentation der Klägerin zu folgen, müsse sie in der Praxis einen Beschluss annehmen, in dem sie CO2-Einsparungen berücksichtige, obwohl sie wisse, dass diese nicht nachweisbar seien.

86      Eine solche Auslegung von Art. 12 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 gerate in Konflikt mit der Verordnung Nr. 443/2009, die eine möglichst zutreffende Datengrundlage für die Feststellung der Emissionsleistung aller Hersteller verlange. Die Kommission verweist insoweit auf den 25. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 443/2009 und auf den vierten Erwägungsgrund der Verordnung (EU) Nr. 1014/2010 der Kommission vom 10. November 2010 über die Erfassung und Meldung von Daten über die Zulassung neuer Personenkraftwagen gemäß der Verordnung Nr. 443/2009 (ABl. 2010, L 293, S. 15). Somit würde die Kommission bei einer solchen Anwendung der Verordnung Nr. 443/2009 in Widerspruch zu deren Art. 12 geraten, der voraussetze, dass die für die Emissionsleistung eines Herstellers berücksichtigten CO2-Einsparungen aus dem Einsatz von Ökoinnovationen „einen überprüften Beitrag zur CO2-Reduktion leisten [müssen]“.

87      Art. 12 Abs. 2 und 3 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 hat folgenden Wortlaut:

„(2) Wird der Nachweis im Sinne von Absatz 1 nicht innerhalb der angegebenen Frist erbracht oder hält die Kommission ihn für unzureichend, kann sie beschließen, die zertifizierten CO2-Einsparungen bei der Berechnung der durchschnittlichen spezifischen Emissionen des Herstellers für das folgende Kalenderjahr nicht zu berücksichtigen.

(3) Ein Hersteller, für den die zertifizierten CO2-Einsparungen nicht mehr berücksichtigt werden, kann eine neue Zertifizierung der Fahrzeuge nach dem Verfahren gemäß Artikel 11 beantragen.“

88      Insoweit ist hervorzuheben, dass die Kommission gemäß Art. 8 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 443/2009 jedes Jahr für jeden Hersteller eine vorläufige Berechnung der durchschnittlichen spezifischen CO2‑Emissionen, der Zielvorgabe für die spezifischen Emissionen und der Differenz zwischen diesen beiden Werten im vorangegangenen Kalenderjahr vornimmt (siehe oben, Rn. 4 und 5). Die Kommission bestätigt oder ändert die vorläufig berechneten Daten gemäß Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 443/2009 bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres. Diese Berechnung erfolgt auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten für das vorangegangene Kalenderjahr übermittelten Daten.

89      Vor diesem Hintergrund hat die Kommission Art. 12 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 dahin ausgelegt, dass die zertifizierten CO2-Einsparungen bei der im Jahr 2018 vorgenommenen Berechnung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen im vorangegangenen Kalenderjahr – d. h. 2017 – nicht zu berücksichtigen seien. Diese Auslegung folgt zwar einer gewissen Logik, doch ist festzustellen, dass sie dem klaren und eindeutigen Wortlaut von Art. 12 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 zuwiderläuft. Die Wendung „folgendes Kalenderjahr“ lässt sich nämlich nicht so auslegen, dass sie sich in Wirklichkeit auf das vorangegangene Kalenderjahr bezieht. Eine solche Auslegung wirft zudem Fragen im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit auf (siehe oben, Rn. 72).

90      Insoweit ist festzustellen, dass die von der Kommission vorgenommene Auslegung nicht nur unklar und ungenau ist, sondern auch nachteilig für die Klägerin, da der angefochtene Beschluss für sie rückwirkend schwerwiegende Folgen hat, obwohl dies nur für das „folgende Kalenderjahr“ hätte erfolgen dürfen.

91      Im Übrigen kann die Wendung „nicht mehr berücksichtigt werden“ in Art. 12 Abs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 auch nicht ausreichen, um dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Wendung „folgendes Kalenderjahr“ einen gegenteiligen Sinn zu geben.

92      Zudem ist, sofern die Kommission geltend machte, dass Art. 12 der Durchführungsverordnung Nr. 725/2011 so auszulegen sei, dass er mit der Verordnung Nr. 443/2009 vereinbar sei, darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Durchführungsverordnung zwar – wenn möglich – so auszulegen ist, dass sie mit den Bestimmungen der Grundverordnung vereinbar ist, doch ist diese Rechtsprechung nicht anwendbar auf eine Bestimmung einer Durchführungsverordnung, deren Bedeutung klar und eindeutig ist und die daher keiner Auslegung bedarf (vgl. Urteil vom 28. Februar 2017, Canadian Solar Emea u. a./Rat, T‑162/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:124, Rn. 150 und die dort angeführte Rechtsprechung). Andernfalls würde der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des abgeleiteten Unionsrechts als Grundlage für eine Auslegung contra legem dienen, was unzulässig ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 17. Juli 2015, EEB/Kommission, T‑685/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:560, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Nach alledem ist der Auslegung zu folgen, wonach das „folgende Kalenderjahr“ das Kalenderjahr bezeichnet, das auf das Kalenderjahr der Ad-hoc-Überprüfung folgt.

94      Daher ist der vorliegende Klagegrund begründet, so dass ihm stattzugeben und, ohne dass der vierte und der fünfte Klagegrund geprüft zu werden brauchen, der angefochtene Beschluss insoweit für nichtig zu erklären ist, als in seinem Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I Tabellen 1 und 2 Spalten D und I die durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen und die CO2-Einsparungen aus Ökoinnovationen für die Klägerin ausgewiesen werden.

 Kosten

95      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

96      Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I Tabellen 1 und 2 Spalten D und I des Durchführungsbeschlusses (EU) 2019/583 der Kommission vom 3. April 2019 zur Bestätigung oder Änderung der vorläufigen Berechnung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen und der Zielvorgaben für die spezifischen Emissionen für Hersteller von Personenkraftwagen für das Kalenderjahr 2017 und für bestimmte Hersteller, die Mitglieder der Volkswagen-Emissionsgemeinschaft sind, für die Kalenderjahre 2014, 2015 und 2016 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 443/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates wird für nichtig erklärt, soweit darin die durchschnittlichen spezifischen CO2Emissionen und die CO2-Einsparungen aus Ökoinnovationen für die Daimler AG ausgewiesen werden.

2.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Daimler AG.

Papasavvas

Tomljenović

Schalin

Škvařilová-Pelzl

 

Nõmm

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. September 2021.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.