SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
PAOLO MENGOZZI
vom 4. September 2014(1)
Verbundene Rechtssachen C‑464/13 und C‑465/13
Europäische Schule München
gegen
Silvana Oberto (C‑464/13),
Barbara OʼLeary (C‑465/13)
(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts [Deutschland])
„Statut der Europäischen Schulen – Zuständigkeit der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen oder der Gerichte des Sitzes der Schulen für einen befristeten Arbeitsvertrag zwischen der Europäischen Schule und einem nicht durch einen Mitgliedstaat zugewiesenen oder abgeordneten Lehrer“
I – Einleitung
1. Fallen Streitigkeiten über während mehrerer Jahre aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zwischen dem Direktor einer Europäischen Schule und ihren Lehrbeauftragten in die Zuständigkeit der Gerichte des Sitzstaats dieser Schule oder in jene der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen im Sinne von Art. 27 Abs. 2 der zwischen den Mitgliedstaaten und den Europäischen Gemeinschaften am 21. Juni 1994 in Luxemburg geschlossenen Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen(2) (im Folgenden: Vereinbarung von 1994)?
2. Das ist im Wesentlichen der Gegenstand der Vorabentscheidungsfragen, die vom Bundesarbeitsgericht im Rahmen zweier Verfahren zwischen der Europäischen Schule München und zwei ihrer Lehrbeauftragten, Frau Oberto und Frau O’Leary, vorgelegt worden sind. Letztere übten diese Tätigkeit seit 1998 bzw. 2003 auf der Grundlage von auf ein Jahr befristeten, vom Direktor dieser Schule in regelmäßigen Zeitabständen verlängerten Verträgen gemäß dem vom Obersten Rat der Europäischen Schulen genehmigten Statut der zwischen dem 1. September 1994 und dem 31. August 2011 eingestellten Lehrbeauftragten der Europäischen Schulen (im Folgenden: Statut der Lehrbeauftragen)(3) aus.
3. Mit zwei Klagen vor dem Arbeitsgericht München fochten Frau Oberto und Frau O’Leary die Begrenzung der Dauer ihrer Arbeitsverträge auf ein Jahr an, deren letzte im August 2011 endeten. Sie tragen vor dem Arbeitsgericht vor, dass die deutschen Gerichte für die Entscheidung über die Gültigkeit der Begrenzungen der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses mit der Europäischen Schule München zuständig seien. Dem hält Letztere entgegen, dass sie nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen sei und der Ausgangsrechtsstreit in die ausschließliche Zuständigkeit der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen falle.
4. Mit einem Zwischenurteil erklärte das Arbeitsgericht München die Klage für zulässig, was im Berufungsverfahren bestätigt wurde. Im Zusammenhang mit der von der Europäischen Schule München eingelegten Revision stellt sich für das Bundesarbeitsgericht die Frage nach der Auslegung von Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Vereinbarung von 1994.
5. Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Vereinbarung von 1994 dahin auszulegen, dass von einer Europäischen Schule eingestellte Lehrbeauftragte, die nicht von den Mitgliedstaaten abgeordnet werden, zu den in der Vereinbarung genannten Personen gehören und nicht – wie das Verwaltungs- und Dienstpersonal – von der Anwendung der Regelung ausgenommen sind?
2. Falls der Gerichtshof die erste Frage bejahen sollte:
Ist Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Vereinbarung von 1994 dahin auszulegen, dass die Regelung auch die Rechtmäßigkeit der vom Direktor einer Schule in Ausübung seiner Befugnisse gemäß dieser Vereinbarung gegenüber den Lehrbeauftragten getroffenen und sie beschwerenden Entscheidungen erfasst, die auf der Vereinbarung oder den in ihrem Rahmen erlassenen Vorschriften beruht?
3. Falls der Gerichtshof die zweite Frage bejahen sollte:
Ist Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Vereinbarung von 1994 dahin auszulegen, dass auch der Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Direktor einer Europäischen Schule und einem Lehrbeauftragten über die Befristung des Arbeitsverhältnisses des Lehrbeauftragten eine gegenüber dem Lehrbeauftragten getroffene und ihn beschwerende Entscheidung des Direktors darstellt?
4. Falls der Gerichtshof die zweite oder die dritte Frage verneinen sollte:
Ist Art. 27 Abs. 2 Satz 1 der Vereinbarung von 1994 dahin auszulegen, dass die dort bezeichnete Beschwerdekammer nach Ausschöpfung des Verwaltungswegs erst- und letztinstanzlich ausschließlich zuständig ist für Streitigkeiten über die Befristung eines Arbeitsvertrags, den der Direktor einer Schule mit einem Lehrbeauftragten abschließt, wenn diese Vereinbarung maßgeblich auf der Vorgabe des Obersten Rates in Ziffer 1.3 des Statuts der Lehrbeauftragten beruht, das „jährliche Arbeitsverträge“ vorsieht?
6. Zu diesen Fragen haben die Parteien des Ausgangsverfahrens sowie die Europäische Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. Diese Beteiligten sind auch in der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2014 gehört worden.
II – Würdigung
A – Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung der Vorlagefragen
7. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung der Vorlagefragen ist in den schriftlichen Erklärungen der Europäischen Schule München wegen des internationalen Charakters der Vereinbarung von 1994 in Zweifel gezogen worden. Auch wenn die Europäische Schule München während der mündlichen Verhandlung diesen Einwand zu Recht zurückgenommen hat, ist es jedoch im allgemeinen öffentlichen Interesse angebracht, sich mit dieser Frage kurz zu beschäftigen.
8. Es trifft zu, dass die Europäischen Schulen, deren Ziel es ist, für die Kinder des Personals der Organe der Europäischen Union gemeinsam eine Erziehung vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe(4) bereitzustellen, bei ihrer Gründung der Regelung durch die Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schule vom 12. April 1957(5) und durch das am 13. April 1962 unterzeichnete Protokoll über die Gründung Europäischer Schulen unter Bezugnahme auf die Satzung der Europäischen Schulen(6) unterlagen, wobei es sich dabei um Instrumente handelt, die zwischen den sechs Gründermitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften geschlossen wurden, ohne dass aber Letztere ihrerseits diesen Instrumenten beigetreten sind.
9. Der Gerichtshof hat aus dem internationalen Charakter der Vereinbarung von 1957 abgeleitet, dass er für die Auslegung der Bestimmungen dieser Vereinbarung nicht zuständig sei, sei es im Zusammenhang mit einer Vorlage zur Vorabentscheidung, sei es im Rahmen des Verfahrens nach Art. 226 EG über die Feststellung eines Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen seine Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag(7). Denn dieses Instrument sei ausschließlich zwischen den Mitgliedstaaten geschlossen worden und nicht Bestandteil des Gemeinschaftsrechts geworden(8).
10. Die Vereinbarung von 1957 und das Protokoll über die Gründung Europäischer Schulen wurden jedoch aufgehoben und durch die Vereinbarung von 1994 gemäß deren Art. 34 ersetzt.
11. Die Vereinbarung von 1994 wurde nun aber nicht allein von den Mitgliedstaaten, sondern auch von den Europäischen Gemeinschaften abgeschlossen, wobei deren Beitritt aufgrund der Entscheidung 94/557/EG, Euratom vom 17. Juni 1994 betreffend die Ermächtigung der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft zur Unterzeichnung und zum Abschluss der Vereinbarung über die Satzung der Europäischen Schulen erfolgte(9).
12. Demnach stellt diese Vereinbarung ein vom Rat der Europäischen Union geschlossenes Abkommen dar, das im Hinblick auf die heutige Europäische Union bedeutet, dass es vom Inkrafttreten dieses Abkommens an, d. h. seit dem 1. Oktober 2002, integraler Bestandteil ihrer Rechtsordnung ist. Das hat zur Folge, dass der Gerichtshof zuständig ist, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Bestimmungen des Übereinkommens von 1994 zu entscheiden(10).
13. Diese Beurteilung wird nicht durch das Urteil Miles u. a.(11) entkräftet, das sich nicht mit der Rechtsnatur der Vereinbarung von 1994 im Hinblick auf die Rechtsordnung der Union befasste, sondern mit der Einstufung der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen als „ein Gericht eines Mitgliedstaats“ im Sinne von Art. 267 AEUV.
14. Ich füge hinzu, dass die Zuständigkeit des Gerichtshofs, im Wege der Vorabentscheidung auf die vom vorlegenden Gericht hinsichtlich der Auslegung von Bestimmungen des Übereinkommens von 1994 gestellten Fragen zu antworten, sich meines Erachtens auch auf die Rechtsakte erstreckt, die auf der Grundlage dieser Bestimmungen erlassen wurden und auf die Letztere verweisen, insbesondere zum Verständnis ihrer Tragweite. Denn diese Rechtsakte machen es möglich, die genaue Bedeutung dieser Bestimmungen auszulegen. Sie sind notwendigerweise Teil der betreffenden Bestimmungen und können vom Gerichtshof daher nicht außer Acht gelassen werden.
15. Wie die Ausführungen zu der Antwort, die auf die Vorlagefragen zu geben ist, noch zeigen werden, ist im vorliegenden Fall zu diesen Rechtsakten das Statut der Lehrbeauftragten, ein Rechtsakt von allgemeiner Bedeutung, zu rechnen. Es wurde vom Obersten Rat der Europäischen Schulen erlassen, der das gemeinsame Hauptentscheidungsorgan dieser Schulen darstellt und sich insbesondere aus den Vertretern der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission zusammensetzt(12). Im Übrigen ist sich das vorlegende Gericht selbst sehr wohl der Notwendigkeit einer derartigen Vorgehensweise bewusst, wenn es in seiner vierten Vorabentscheidungsfrage im Hinblick auf die Auslegung von Art. 27 Abs. 2 der Vereinbarung von 1994 ausdrücklich auf das Statut der Lehrbeauftragten Bezug nimmt.
16. Da an der Zuständigkeit des Gerichtshofs zur Beantwortung der vom vorlegenden Gericht aufgeworfenen Fragen in meinen Augen keine Zweifel bestehen, sind jetzt diese Fragen zu prüfen, die alle im Wesentlichen auf die Prüfung gerichtet sind, ob Art. 27 Abs. 2 der Vereinbarung von 1994 dahin auszulegen ist, dass es ausgeschlossen ist, dass das vorlegende Gericht als Gericht des Sitzstaats der Europäischen Schule München zuständig ist, über die Klagen zu entscheiden, die von Frau Oberto und Frau O’Leary bei ihm erhoben wurden, weil sie gemäß diesem Artikel vor der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen hätten erhoben werden müssen.
B – Zu Art. 27 Abs. 2 der Vereinbarung von 1994 und dem Umfang der Zuständigkeit der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen
17. Während die Vereinbarung von 1957 keinen besonderen Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen den von ihr erfassten Personen und den Europäischen Schulen vorsah, hat die Vereinbarung von 1994 eine Beschwerdekammer „mit genau festgelegten Befugnissen“ eingerichtet mit dem Ziel, „einen angemessenen Rechtsschutz des Lehrpersonals und der sonstigen unter [die] Satzung [dieser Schulen] fallenden Personen gegenüber Entscheidungen des Obersten Rates oder der Verwaltungsräte [dieser Schulen] zu gewährleisten“(13).
18. Der Wortlaut der ersten Vorlagefrage nimmt auf zwei Kategorien des von den Europäischen Schulen beschäftigten Personals Bezug, nämlich das Lehrpersonal einerseits und das Verwaltungs- und Dienstpersonal andererseits.
19. Im Hinblick auf die Zuständigkeit der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen folgt aus Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 der Vereinbarung von 1994, dass sich diese in erster und letzter Instanz nach Ausschöpfung des Verwaltungswegs auf alle „Streitigkeiten [erstreckt], die die Anwendung dieser Vereinbarung auf die darin genannten Personen – mit Ausnahme des Verwaltungs- und Dienstpersonals – betreffen und sich auf die Rechtmäßigkeit einer vom Obersten Rat oder vom Verwaltungsrat einer Schule in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß dieser Vereinbarung gegenüber jenen Personen getroffenen und sie beschwerenden Entscheidung beziehen, die auf dieser Vereinbarung [von 1994] oder den in ihrem Rahmen erlassenen Vorschriften beruht“.
20. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass der persönliche Anwendungsbereich der Zuständigkeit der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen die Streitigkeiten umfasst, die die von der Vereinbarung von 1994 erfassten Personen – mit Ausnahme des Verwaltungs- und Dienstpersonals – betreffen.
21. Das hat zur Folge, dass die Streitigkeiten zwischen dem Verwaltungs- und Dienstpersonal und den Europäischen Schulen in die Zuständigkeit der Gerichte des Sitzstaats dieser Schulen fallen.
22. Diese Auslegung findet zunächst ihre Bestätigung in Art. 27 Abs. 7 der Vereinbarung von 1994, wonach „[a]ndere Streitigkeiten, bei denen die [Europäischen] Schulen Partei sind“, d. h. jene, die nicht in die ausschließliche und genau festgelegte Zuständigkeit der Beschwerdekammer fallen, „… der Zuständigkeit der nationalen Gerichte [unterliegen]“.
23. Des Weiteren wird diese Auslegung von Art. 36 des vom Obersten Rat am 17. und 18. April 2007 in Lissabon genehmigten Statuts des Verwaltungs- und Dienstpersonals der Europäischen Schulen gestützt, wonach diese Gerichte ausschließlich dafür zuständig sind, auf dem Rechtsweg in Streitfällen zu entscheiden, in denen sich das Mitglied des Verwaltungs- und Dienstpersonals und eine Europäische Schule gegenüberstehen und die die Rechtmäßigkeit der Anwendung des Statuts dieses Personals betreffen(14).
24. Dagegen unterliegen die Streitigkeiten zwischen dem Lehrpersonal und den Europäischen Schulen nach Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 der Vereinbarung von 1994 der ausschließlichen Zuständigkeit der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen.
25. Diese Feststellung allein ist aber keine hinreichende Antwort auf die vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Problematik der Streitigkeiten zwischen einer Europäischen Schule und ihren Lehrbeauftragten.
26. Erstens folgt aus den Bestimmungen der Vereinbarung von 1994, dass die von dieser Vereinbarung erfasste Kategorie des „Lehrpersonals“ oder des „Lehrkörpers“ im strengen Sinne die Lehrbeauftragten nicht umfasst.
27. Denn Art. 3 Abs. 2 der Vereinbarung von 1994 lässt sich entnehmen, dass der Unterricht von Lehrern erteilt wird, die von den Mitgliedstaaten abgeordnet oder zugewiesen werden, d. h. Lehrern, die dem Unterrichtssystem ihrer jeweiligen Mitgliedstaaten angehören und die während der Zeit ihrer Abordnung oder Zuweisung zu den Europäischen Schulen gemäß Art. 12 Abs. 4 Buchst. a dieser Vereinbarung ihre Rechte auf Beförderungs- und Ruhegehaltsansprüche nach Maßgabe der Regelung ihres Herkunftsstaats uneingeschränkt bewahren(15).
28. Darüber hinaus unterscheidet Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 der Vereinbarung von 1994 zwischen den vom Obersten Rat gemäß Art. 12 Abs. 1 dieser Vereinbarung erlassenen „Beschäftigungsbedingungen für das Lehrpersonal“(16) und der „Regelung für die Lehrbeauftragten“.
29. Die Lehrbeauftragten gehören also weder zur Kategorie des „Verwaltungs- und Dienstpersonals“ der Schulen noch zu jener des „Lehrpersonals“ im Sinne der Bestimmungen der Vereinbarung von 1994.
30. Sie gehören – was nach meiner Ansicht eher zutrifft – der Kategorie der sonstigen unter diese Vereinbarung „fallenden Personen“ an, deren Streitigkeiten mit den Europäischen Schulen gemäß Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 der Vereinbarung von 1994 grundsätzlich der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen zugewiesen werden müssen.
31. Jedoch ist – zweitens – daran zu erinnern, dass Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 der Vereinbarung von 1994 zur Festlegung der „Voraussetzungen … und [der] entsprechenden Durchführungsbestimmungen“ für die Verfahren vor der Beschwerdekammer gerade auf die „Regelung für die Lehrbeauftragten“ verweist.
32. Die Regelung für die Lehrbeauftragten ist in dem vom Obersten Rat erlassenen Statut für die Lehrbeauftragten niedergeschrieben, das auch die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen Frau O’Leary und Frau Oberto und der Europäischen Schule München in den Ausgangsstreitigkeiten bestimmt.
33. Aus diesem Statut folgt, dass die Lehrbeauftragten zur Bewältigung bestimmter Situationen angestellt werden, wobei sie teilzeitliche Dienstaufgaben ableisten und im Rahmen von jährlichen Arbeitsverträgen tätig werden sollen(17).
34. Während Ziff. 3.2 des Statuts der Lehrbeauftragten klarstellt, dass mehrere Bestimmungen des Statuts des abgeordneten Personals der Europäischen Schulen, darunter Art. 80 dieses Statuts, der das Verfahren vor der Beschwerdekammer betrifft, „… auch für die vom Direktor eingestellten Lehrkräfte [gelten]“, bestimmt im Übrigen Ziff. 3.4 des Statuts der Lehrbeauftragten mit der Überschrift „Gesetzgebung des Sitzlandes der Schule“: „Unbeschadet der vorstehenden Vorschriften unterliegen die Beschäftigungs- und Kündigungsbedingungen der Lehrbeauftragten … der Gesetzgebung des Sitzlandes der Schule hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und ‑beziehungen, der Sozialversicherung und des Steuerrechts. Für die Entscheidung von Streitfällen sind die Gerichte des Sitzlandes der Schule zuständig.“
35. In Anwendung des Verweises in Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 der Vereinbarung von 1994 auf die in der Regelung für die Lehrbeauftragten festgelegten Voraussetzungen und Bestimmungen grenzt Ziff. 3.4 des Statuts der Lehrbeauftragten somit den Umfang der Zuständigkeit der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen und des vor ihr auf die Streitigkeiten zwischen den Lehrbeauftragten und den Europäischen Schulen anzuwendenden Verfahrens in einem Maße ein, das es zu bestimmen gilt.
36. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung der Beschwerdekammer vom 21. August 2012 in der Sache 12/12 (im Folgenden: Entscheidung in der Sache 12/12) vertritt die Europäische Schule München in ihren schriftlichen Erklärungen letztlich die Auffassung, dass sich in Anwendung von Ziff. 3.2 des Statuts der Lehrbeauftragten die Zuständigkeit der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen auf alle Streitigkeiten in Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis zwischen einem Lehrbeauftragten und einer Europäischen Schule erstrecke.
37. Auch wenn die Rechtsausführungen der Beschwerdekammer für den Gerichtshof selbstverständlich nicht verbindlich sind, scheint es mir dennoch nötig zu sein, die Schlussfolgerung, die die Europäische Schule München aus der Entscheidung in der Sache 12/12 zieht, aus zwei Gründen jedenfalls sehr differenziert zu bewerten.
38. Zum einen ist klarzustellen, dass die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen in dieser Rechtssache aufgerufen war, über die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung des Direktors der Europäischen Schule München zu entscheiden, in der dieser es gegenüber einem seiner Lehrbeauftragten abgelehnt hatte, Aufsichtstätigkeiten auf Überstundenbasis zu bezahlen. Die Beschwerdekammer verwarf die Beschwerde mit der Begründung als unzulässig, dass der Beschwerde nicht das satzungsgemäße vorgerichtliche Verfahren vorausgegangen sei(18). Wie sich anhand des Streitgegenstands sowie der Begründung der Entscheidung, die hilfsweise zur Begründetheit vorgetragen wurde, erkennen lässt, betraf die Beschwerde die Vergütungsregelungen für die Lehrbeauftragten und nicht deren „Beschäftigungs- und Kündigungsbedingungen“ im Sinne von Ziff. 3.4 des Statuts der Lehrbeauftragten.
39. Zum anderen war es der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen vor der Verwerfung der Beschwerde als unzulässig zwar dennoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass sie in Anbetracht des Verweises in Ziff. 3.2 des Statuts der Lehrbeauftragten auf Art. 80 des Statuts des abgeordneten Personals für diese Beschwerde zuständig sei, wobei Ziff. 3.2 „gegenüber [Ziff.] 3.4 des Statuts [der Lehrbeauftragten] vorrangig ist, der die Zuständigkeit des Gerichts des Sitzstaats – im vorliegenden Fall das Arbeitsgericht München – vorsieht, dies aber ‚unbeschadet der vorstehenden Bestimmungen‘ und damit in subsidiärer Weise“(19). Auch wenn es der Beschwerdekammer missfallen mag, folgt aber aus dem in Nr. 34 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebenen Wortlaut von Ziff. 3.4 des Statuts der Lehrbeauftragten eindeutig, dass sich der Ausdruck „[u]nbeschadet der vorstehenden Vorschriften“ am Anfang des ersten Satzes dieser Ziffer in keiner Weise auf ihren zweiten Satz bezieht, der die Zuständigkeit der Sitzgerichte „[f]ür die Entscheidung von Streitfällen“ betrifft.
40. Letztlich betrifft der Ausdruck „[u]nbeschadet der vorstehenden Vorschriften“ in Ziff. 3.4 Satz 1 des Statuts der Lehrbeauftragten ausschließlich die „Beschäftigungs- und Kündigungsbedingungen der Lehrbeauftragten“. Er kann daher nur dahin verstanden werden, dass er sich auf die materiell-rechtlichen und nicht auf die verfahrensrechtlichen Bedingungen bezieht, die in anderen Bestimmungen des Statuts der Lehrbeauftragten vorgesehen sind.
41. Dieser Lösungsansatz scheint mir dem bereits hervorgehobenen Ziel der Vereinbarung von 1994 zu entsprechen, die darauf gerichtet ist, die Zuständigkeit der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen strikt einzugrenzen, ohne die den Gerichten des Sitzstaats der Schulen verbleibende Zuständigkeit, wie sie sich aus Art. 27 Abs. 7 dieser Vereinbarung ergibt, übermäßig zu beeinträchtigen.
42. Um diesbezüglich jede Mehrdeutigkeit zu vermeiden: Angesichts dieser Ausführungen liegt es auf der Hand, dass auch dem prinzipiellen Argument der Europäischen Schule München, wonach die Europäischen Schulen als internationale Organisationen nicht der Gerichtsbarkeit der nationalen Gerichte unterlägen, nicht gefolgt werden kann(20).
43. Denn die Vereinbarung von 1994 und die auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsakte weisen hinreichend auf den Willen der Vertragsparteien hin, eine ausgewogene Aufteilung der jeweiligen Zuständigkeiten der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen und der Gerichte der Sitzstaaten der Europäischen Schulen zu gewährleisten und den Europäischen Schulen keine vollständige Befreiung von der Gerichtsbarkeit der nationalen Gerichte zu gewähren; dies gilt auch für den Bereich der Beschäftigung, und zwar sowohl im Hinblick auf das Personal, das an der zentralen Funktion der Europäischen Schulen, nämlich dem Unterricht, beteiligt ist, als auch im Hinblick auf jene Personen, die nur nebenher oder mittelbar beteiligt sind.
44. Daraus folgt nach meinem Dafürhalten, dass von der Zuständigkeit der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen für die Streitigkeiten zwischen einem Lehrbeauftragten und einer Europäischen Schule zum einen die Streitigkeiten über die Beschäftigungs- und Kündigungsbedingungen dieses Personals gemäß Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 der Vereinbarung von 1994 in Verbindung mit Ziff. 3.4 des Statuts der Lehrbeauftragten und zum anderen andere Streitigkeiten, bei denen die Schulen Parteien sind, und insbesondere in Zivil- und Strafsachen im Sinne von Art. 27 Abs. 7 der Vereinbarung von 1994 ausgenommen sind.
45. Im vorliegenden Fall fallen die Ausgangsstreitigkeiten, da sie die Verwendung von aufeinanderfolgenden Jahresverträgen(21) und damit eine wesentliche Bedingung für die Anstellung der Lehrbeauftragten betreffen, folgerichtig gemäß Ziff. 3.4 des Statuts der Lehrbeauftragten in die Zuständigkeit der Gerichte des Sitzes der Europäischen Schule München.
46. Die Anerkennung einer derartigen Zuständigkeit zugunsten der Gerichte des Sitzes der Europäischen Schulen scheint mir umso mehr zutreffend und gerechtfertigt, als es damit möglich ist, in materiell-rechtlicher Hinsicht einen angemessenen Schutz der Rechte der Lehrbeauftragten in Bezug auf die Beschäftigungs- und Kündigungsbedingungen zu gewährleisten, da dieser Schutz, insbesondere trotz der Arbeitnehmereigenschaft dieser Lehrbeauftragten, aufgrund des durch die Vereinbarung von 1994 begründeten Systems gerichtlichen Rechtsschutzes nicht völlig zweifelsfrei gewährleistet ist.
47. Es ist auch daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der in einem anderen Mitgliedstaat bei einer internationalen Organisation beschäftigt ist, deshalb nicht seine Eigenschaft als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 45 AEUV verliert(22). Die Zuerkennung und die Aufrechterhaltung dieser Eigenschaft sind umso wichtiger, wenn die betreffenden Personen, wie die von den Europäischen Schulen angestellten Lehrbeauftragten, in hohem Maße den Bestimmungen über die Beschäftigung und die Arbeitsregelung sowie über die soziale Sicherheit und die Besteuerung des Arbeitseinkommens der Gesetzgebung des Sitzstaats der betreffenden internationalen Organisation unterliegen.
48. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Frau Oberto und Frau O’Leary mit ihren jeweiligen vor den Gerichten des Sitzes der Europäischen Schule München erhobenen Klagen im Wesentlichen das Ziel verfolgen, den Schutz durch die deutschen Rechtsvorschriften zu erhalten, mit denen die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge(23) und insbesondere Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) im Anhang zu dieser Richtlinie umgesetzt wurde.
49. Dieser Paragraf dient der Umsetzung eines der Ziele der Rahmenvereinbarung, nämlich den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse, der als eine Quelle potenziellen Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer gesehen wird, einzugrenzen, indem eine Reihe von Mindestschutzbestimmungen vorgesehen wird, die die Prekarisierung der Lage der Beschäftigten verhindern sollen(24).
50. Daher verpflichtet die Richtlinie 1999/70 die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Vermeidung der missbräuchlichen Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse dazu, effektiv und mit verbindlicher Wirkung mindestens eine von drei Maßnahmen im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a bis c zu ergreifen; diese betreffen sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse rechtfertigen, die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse und die zulässige Zahl ihrer Verlängerungen(25).
51. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 1999/70 verlangt von den Mitgliedstaaten, insbesondere im Hinblick auf dieses Ziel, dass sie „jederzeit“ gewährleisten können, dass die durch die Richtlinie vorgeschriebenen Ergebnisse erzielt werden.
52. Im Übrigen hat der Unionsrichter ebenfalls anerkannt, dass Paragraf 5 Nr. 1 der mit der Richtlinie 1999/70 durchgeführten Rahmenvereinbarung ein besonderer Ausdruck des Rechtsmissbrauchsverbots ist, bei dem es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handelt, so dass in den Beziehungen zwischen den Unionsorganen und ihren Zeitbediensteten so weit als möglich die auf diese Bediensteten anwendbaren Bestimmungen in Übereinstimmung mit dem Zweck und den Mindestanforderungen der Rahmenvereinbarung und letztlich dem Rechtsmissbrauchsverbot auszulegen sind(26).
53. Daher müssen Arbeitnehmer, die von einem Arbeitgeber eines Mitgliedstaats oder von den Unionsorganen befristet angestellt werden, darauf vertrauen dürfen, in den Genuss eines gemeinsamen Sockels von Mindestanforderungen zu kommen, die von Paragraf 5 Nr. 1 der mit der Richtlinie 1999/70 durchgeführten Rahmenvereinbarung oder dem Rechtsmissbrauchsverbot bereitgestellt werden, das in diesem Paragrafen seinen Niederschlag gefunden hat.
54. Die Mitgliedstaaten und die Union, die, woran ich erinnere, die einzigen Vertragspartner der Vereinbarung von 1994 sind, konnten beim Abschluss der Vereinbarung von 1994 nicht wirksam die Absicht haben, den Arbeitnehmern der Union den Genuss dieses gemeinsamen Sockels zu verweigern, auch wenn überdies für diese Arbeitnehmer, wie bei den Lehrbeauftragten der Europäischen Schulen, zum großen Teil die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats des Sitzes dieser Schulen gelten.
55. Im Übrigen hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt, dass die Mindestanforderungen, die von Paragraf 5 Nr. 1 der mit der Richtlinie 1999/70 durchgeführten Rahmenvereinbarung bereitgestellt werden, auf die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen den Europäischen Schulen und ihren Lehrbeauftragten Anwendung finden können. Sie hat sich aber im Wesentlichen auf die Feststellung beschränkt, dass das im Rahmen der Vereinbarung von 1994 erlassene Statut der Lehrbeauftragten nicht an die Rechtsentwicklung angepasst worden sei, wie sie sich aus Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung, in dem sich das Rechtsmissbrauchsverbot niederschlage, ergebe.
56. Als ein Rechtsakt der Union muss die Vereinbarung von 1994 im Licht des allgemeinen Grundsatzes des Rechtsmissbrauchsverbots ausgelegt werden, der im Bereich der arbeitsrechtlichen Verhältnisse in der Union seinen besonderen Ausdruck in Paragraf 5 Nr. 1 der mit der Richtlinie 1999/70 durchgeführten Rahmenvereinbarung findet, der den Erlass von Mindestmaßnahmen zur Vermeidung des sich aus der Verwendung aufeinanderfolgender Verträge oder befristeter Arbeitsverhältnisse ergebenden Missbrauchs verlangt.
57. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Vereinbarung von 1994 keine Gewähr dafür bieten, dass ein derartiger sich aus dem Unionsrecht ergebender gemeinsamer Sockel von Mindestmaßnahmen ohne jeglichen Zweifel wirksam vor dem von ihr eingerichteten Rechtsprechungsorgan geltend gemacht werden könnte, auch wenn die Lehrbeauftragten der Europäischen Schulen insbesondere die Eigenschaft von Arbeitnehmern im Sinne von Art. 45 AEUV besitzen.
58. Weil es sich bei der mit der Vereinbarung von 1994 geschaffenen Kooperationsregelung um ein System „sui generis“ handelt und wegen ihrer Eigenschaft als Organ einer internationalen Organisation(27) hat die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen bereits die Auffassung vertreten, dass die internationalen Instrumente, einschließlich des Unionsrechts, denen die Europäischen Schulen selbst nicht als Partei angehörten, für diese als solche rechtlich nicht verbindlich sein könnten(28).
59. Zwar ist die Beschwerdekammer bereit, anzuerkennen, dass die wesentlichen Grundsätze, ja sogar die allgemeinen Grundsätze, auf die diese Instrumente Bezug nehmen und die allgemein sowohl in der Rechtsordnung der Union als auch in jener der Mitgliedstaaten anerkannt sind, „geeignet“ sind, als Bezugspunkt für das Handeln der Organe der Europäischen Schulen zusätzlich zu ihren eigenen rechtlichen Regelungen zu dienen(29).
60. Aufgrund des Ermessensspielraums, den sich die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen dadurch bei der Bestimmung der sich insbesondere aus dem Unionsrecht ergebenden Regeln und Grundsätze – die lediglich geeignet sind, als Bezugspunkt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Handelns und der Maßnahmen der Europäischen Schulen zu dienen – vorbehält, lässt sich jedoch zugunsten der Arbeitnehmer, für die zum großen Teil, wie im Fall der Lehrbeauftragten, die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats des Sitzes der Europäischen Schulen im Bereich der Beschäftigung, der sozialen Sicherheit und der Besteuerung gelten, nicht sicherstellen, dass der allgemeine Grundsatz des Rechtsmissbrauchsverbots beachtet wird, der im Bereich der Arbeitsverhältnisse innerhalb der Union seinen besonderen Niederschlag in dem gemeinsamen Sockel gefunden hat, der von den Mindestanforderungen des Paragrafen 5 Nr. 1 der mit der Richtlinie 1999/70 durchgeführten Rahmenvereinbarung geschaffen wurde und von dem genannten Mitgliedstaat „jederzeit“ zu gewährleisten ist.
61. Ein derartiger Ermessensspielraum erscheint mir umso besorgniserregender, als die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen in erster und letzter Instanz entscheidet und gemäß dem Urteil Miles u. a.(30) nicht berechtigt ist, dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.
62. Der Umstand, dass die Einrichtung einer Beschwerdekammer der Europäischen Schulen durch die Vereinbarung von 1994 es ermöglicht, den von dieser Vereinbarung erfassten Personen ein gewisses Niveau an gerichtlichem Schutz zu sichern, kann offensichtlich nicht gewährleisten, dass diese Personen in materiell-rechtlicher Hinsicht zweifelsfrei wirksam die Mindestanforderungen im Sinne von Paragraf 5 der mit der Richtlinie 1999/70 durchgeführten Rahmenvereinbarung als besonderen Niederschlag eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes geltend machen können, der alle Vertragsparteien der Vereinbarung von 1994 bindet und nach meiner Auffassung von den Organen, die mit dieser Vereinbarung geschaffen wurden, nicht außer Acht gelassen werden darf.
63. Es ist daher, wie ich meine, nicht ausreichend, dass ein solcher Rechtsweg eingerichtet wurde(31). Darüber hinaus muss dieser Rechtsweg gewährleisten können, dass die Rechte der von der Vereinbarung von 1994 erfassten Personen, im vorliegenden Fall jene, die sich aus den Regeln des Unionsrechts zum Verbot des Rechtsmissbrauchs ergeben, der aus der Verwendung von aufeinanderfolgenden befristeten Einstellungsverträgen folgen kann, wirksam vor dem mit dieser Vereinbarung geschaffenen Rechtsprechungsorgan geltend gemacht werden können(32).
64. Da die Möglichkeit, diese Rechte vor diesem Organ geltend zu machen, wie dargestellt wurde, nicht zweifelsfrei gewährleistet ist, bin ich der Meinung, dass es bis zur Änderung des von der Vereinbarung von 1994 vorgesehenen Gerichtssystems insbesondere in der Weise, dass die Beschwerdekammer der Europäischen Schulen das Recht erhält, Fragen zur Auslegung des Unionsrechts dem Gerichtshof vorzulegen(33), im vorliegenden Fall gerechtfertigt ist, dass die Kontrolle der Achtung der Rechte der Lehrbeauftragten hinsichtlich ihrer Beschäftigungs- und Kündigungsbedingungen durch die Europäischen Schulen von den Gerichten des Mitgliedstaats des Sitzes dieser Schulen wahrgenommen wird.
65. Die umgekehrte Lösung würde dazu führen, dass die Streitigkeiten, die objektiv, in vollem Umfang oder zumindest zum Teil, die Anwendung oder die Auslegung des Unionsrechts betreffen, der Zuständigkeit der nationalen Gerichte entzogen würden, obwohl das von der Vereinbarung von 1994 eingerichtete Rechtsprechungsorgan gegenwärtig nicht zum Rechtsprechungssystem der Union gehört. Im Analogieschluss zur Begründung im Gutachten des Gerichtshofs zum Übereinkommensentwurf zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems(34) scheint mir eine solche Lösung nicht mit dem Primärrecht der Union vereinbar zu sein.
66. Deshalb bin ich der Auffassung, dass sowohl der im Licht des Statuts der Lehrbeauftragten gelesene Wortlaut von Art. 27 der Vereinbarung von 1994 als auch der Zusammenhang und der Geist, in dem diese Instrumente ausgelegt werden müssen, dafür sprechen, dass die Beschäftigungs- und Kündigungsbedingungen der Lehrbeauftragten in die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats des Sitzes der Europäischen Schulen fallen.
67. Entgegen dem Vorbringen der Europäischen Schule München in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bedeutet die Zuweisung der Zuständigkeit an die Gerichte des Mitgliedstaats des Sitzes der Europäischen Schulen nicht, dass die Lehrbeauftragten unterschiedlichen Regelungssystemen unterworfen würden. Denn neben dem Umstand, dass, wie sowohl diese Schule als auch die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben, sich bestimmte Schulen nicht mehr darauf beschränken, ihren Lehrbeauftragten Jahresverträge anzubieten, und dass daher dieses Personal nicht völlig einheitlichen Einstellungsregelungen unterworfen ist, stellen die Mindestanforderungen in Paragraf 5 Nr. 1 der mit der Richtlinie 1999/70 durchgeführten Rahmenvereinbarung, die ein besonderer Niederschlag des Rechtsmissbrauchsverbots sind und von den nationalen Gerichten zu gewährleisten sind, einen Sockel dar, der allen Mitgliedstaaten gemeinsam ist, insbesondere jenen, die auf ihrem Hoheitsgebiet die Europäischen Schulen gemäß der Vereinbarung von 1994 beherbergen.
68. Schließlich ist es mir wichtig, nochmals darauf hinzuweisen, dass die Lösung, die ich dem Gerichtshof in den vorliegenden Rechtssachen vorschlage, nicht dahin verstanden werden darf, dass die Befreiung der internationalen Organisationen von der Gerichtsbarkeit, die ihnen gemäß ihren konstitutiven Instrumenten zusteht, in Frage gestellt werden soll.
69. Sie stützt sich im Gegenteil sowohl auf die vielfach erwähnten besonders engen und zweckorientierten Beziehungen, die die Europäischen Schulen mit den Mitgliedstaaten und den Unionsorganen unterhalten, als auch auf die besondere Systematik der Bestimmungen der Vereinbarung von 1994 und der auf ihrer Grundlage getroffenen Maßnahmen, die insbesondere die den nationalen Gerichten verbliebene Zuständigkeit anerkennen, über Streitigkeiten zwischen den von der Vereinbarung erfassten Personen und den Europäischen Schulen zu entscheiden, mit Ausnahme jener Streitigkeiten, deren Entscheidung der Beschwerdekammer der Europäischen Schulen ausschließlich zugewiesen ist.
III – Ergebnis
70. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Bundesarbeitsgericht gestellten Vorlagefragen wie folgt zu antworten:
Art. 27 Abs. 2 und 7 der am 21. Juni 1994 in Luxemburg zwischen den Mitgliedstaaten und den Europäischen Gemeinschaften geschlossenen Vereinbarung über das Statut der Europäischen Schulen ist dahin auszulegen, dass er den Gerichten des Sitzstaats der Europäischen Schulen die Zuständigkeit für eine Streitigkeit zwischen diesen Schulen und ihren Lehrbeauftragten wegen ihrer Beschäftigungs- und Kündigungsbestimmungen im Sinne des Statuts der zwischen dem 1. September 1994 und dem 31. August 2011 eingestellten Lehrbeauftragten, das vom Obersten Rat dieser Schulen genehmigt wurde, zuweist.