Language of document : ECLI:EU:C:2020:802

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

8. Oktober 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollkodex der Union – Art. 124 Abs. 1 Buchst. k – Erlöschen der Zollschuld, wenn die Waren nicht verwendet werden – Begriff ‚verwendete Ware‘ – Verfahren der aktiven Veredelung – Zollschuld, die durch die Nichterfüllung von im Rahmen des Verfahrens der aktiven Veredelung vorgesehenen Verpflichtungen entstanden ist – Keine fristgerechte Vorlage der Abrechnung“

In der Rechtssache C‑476/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Kammarrätt i Göteborg (Oberverwaltungsgericht Göteborg, Schweden) mit Entscheidung vom 19. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Juni 2019, in dem Verfahren

Allmänna ombudet hos Tullverket

gegen

Combinova AB

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot, des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen (Berichterstatter),

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Allmänna ombudet hos Tullverket, vertreten durch M. Jeppsson als Bevollmächtigten,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, O. Serdula und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

–        der estnischen Regierung, vertreten durch N. Grünberg als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 124 Abs. 1 Buchst. k der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1, und Berichtigung ABl. 2016, L 267, S. 2, im Folgenden: Zollkodex).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Allmänna ombudet hos Tullverket (Vertreter des öffentlichen Interesses bei der Zollverwaltung, Schweden) (im Folgenden: AO) und der Combinova AB wegen einer Zollschuld, die bei der Einfuhr von Waren im Verfahren der aktiven Veredelung entstanden ist.

 Rechtlicher Rahmen

3        Der 38. Erwägungsgrund des Zollkodex sieht vor:

„Es ist angebracht, dem guten Glauben des Beteiligten in den Fällen, in denen eine Zollschuld auf einer Nichteinhaltung zollrechtlicher Vorschriften beruht, Rechnung zu tragen und die Folgen fahrlässigen Verhaltens des Zollschuldners auf ein Mindestmaß abzumildern.“

4        Art. 5 des Zollkodex bestimmt:

„Für den Zollkodex gelten folgende Begriffsbestimmungen:

16.      ‚Zollverfahren‘ sind die folgenden Verfahren, in die Waren nach dem Zollkodex übergeführt werden können:

b)      besondere Verfahren,

37.      Als ‚Veredelungsvorgänge‘ gelten

a)      die Bearbeitung von Waren einschließlich der Montage, der Zusammensetzung und des Anbringens an andere Waren,

b)      die Verarbeitung von Waren,

d)      die Ausbesserung von Waren, einschließlich ihrer Instandsetzung und Regulierung,

…“

5        Art. 79 Abs. 1 und 2 des Zollkodex lautet:

„(1)      Für einfuhrabgabenpflichtige Waren entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn Folgendes nicht erfüllt ist:

a)      eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorübergehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet,

b)      eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf die Endverwendung von Waren innerhalb des Zollgebiets der Union,

c)      eine Voraussetzung für die Überführung von Nichtgemeinschaftswaren in ein Zollverfahren oder für die Gewährung der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben aufgrund der Endverwendung der Waren.

(2)      Für das Entstehen der Zollschuld ist folgender Zeitpunkt maßgebend:

a)      der Zeitpunkt, zu dem die Verpflichtung, deren Nichterfüllung die Zollschuld entstehen lässt, nicht oder nicht mehr erfüllt ist,

b)      der Zeitpunkt, zu dem die Zollanmeldung der Waren zum Zollverfahren angenommen worden ist, wenn sich nachträglich herausstellt, dass eine Voraussetzung für die Überführung von Nicht-Unionswaren in das Zollverfahren oder für die Gewährung der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben aufgrund der Endverwendung der Waren nicht erfüllt war.“

6        Art. 124 des Zollkodex sieht vor:

„(1)      Unbeschadet der geltenden Vorschriften über die Nichterhebung des der Zollschuld entsprechenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrags im Falle einer gerichtlich festgestellten Insolvenz des Zollschuldners erlischt die Einfuhr- oder Ausfuhrzollschuld:

k)      wenn vorbehaltlich des Absatzes 6 die Zollschuld nach Artikel 79 entstanden ist und den Zollbehörden nachgewiesen wird, dass die Waren nicht verwendet oder verbraucht, sondern aus dem Zollgebiet der Union verbracht worden sind.

(6)      Im Falle des Absatzes 1 Buchstabe k erlischt die Zollschuld nicht für Personen, die einen Täuschungsversuch unternommen haben.

…“

7        In Art. 211 Abs. 1 des Zollkodex heißt es:

„Eine Bewilligung der Zollbehörden ist erforderlich für

a)      die Inanspruchnahme der aktiven oder passiven Veredelung, der vorübergehenden Verwendung oder der Endverwendung,

Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines oder mehrerer der in Unterabsatz 1 genannten Verfahren oder für den Betrieb von Lagerstätten werden in der Bewilligung festgelegt.“

8        Art. 256 des Zollkodex, der den Geltungsbereich des Verfahrens der aktiven Veredelung betrifft, bestimmt in seinem Abs. 1:

„Unbeschadet des Artikels 223 können Nicht-Unionswaren in der aktiven Veredelung im Zollgebiet der Union Veredelungsvorgängen unterzogen werden, ohne Folgendem zu unterliegen:

a)      Einfuhrabgaben,

b)      sonstigen Abgaben nach anderen geltenden Vorschriften oder

c)      handelspolitischen Maßnahmen, soweit diese nicht den Eingang oder den Ausgang von Waren in das oder aus dem Zollgebiet der Europäischen Union untersagen.“

9        Art. 257 Abs. 1 des Zollkodex lautet:

„(1)      Die Zollbehörden setzen die Frist fest, innerhalb deren die aktive Veredelung gemäß Artikel 215 zu erledigen ist.

Diese Frist beginnt mit der Überführung der Nicht-Unionswaren in das Verfahren und berücksichtigt den Zeitaufwand, der für die Veredelungsvorgänge und die Erledigung des Verfahrens erforderlich ist.“

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

10      Am 23. November 2017 führte Combinova mit Bewilligung des Tullverk (schwedische Zollverwaltung) Waren gemäß dem Verfahren der aktiven Veredelung im Sinne von Art. 256 des Zollkodex ein. Die Waren wurden am 11. Dezember 2017 wieder ausgeführt.

11      Obwohl Combinova der Zollverwaltung die entsprechende Abrechnung spätestens am 22. Februar 2018 hätte vorlegen müssen – nämlich innerhalb von 30 Tagen, nachdem am 23. Januar 2018 die Frist für die Erledigung des Verfahrens abgelaufen war –, ging diese Abrechnung erst am 6. März 2018 bei der Zollverwaltung ein.

12      Nach Auffassung der Zollverwaltung war gemäß Art. 79 des Zollkodex durch die nicht fristgerechte Vorlage der Abrechnung eine Zollschuld entstanden. Daher beschloss sie, von Combinova Zoll in Höhe von 121 schwedischen Kronen (SEK) (ungefähr 11,50 Euro) und Mehrwertsteuer in Höhe von 2 790 SEK (ungefähr 265 Euro) zu erheben.

13      Mit Urteil vom 22. August 2018 bestätigte der von Combinova angerufene Förvaltningsrätt i Göteborg (Verwaltungsgericht Göteborg, Schweden) den entsprechenden Bescheid mit der Begründung, Combinova habe nicht nachgewiesen, dass Gründe vorlägen, aufgrund deren die Zollschuld als erloschen angesehen werden könne.

14      Der AO legte gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel beim Kammarrätt i Göteborg (Oberverwaltungsgericht Göteborg, Schweden) ein und beantragte, die Zollschuld zugunsten von Combinova für erloschen zu erklären.

15      Der AO macht insoweit geltend, die Zollschuld sei zwar nach Art. 79 Abs. 2 Buchst. a des Zollkodex zu dem Zeitpunkt, zu dem die Abrechnung hätte vorliegen müssen, also am 22. Februar 2018, entstanden. Allerdings hätten sich zu diesem Zeitpunkt die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren aufgrund ihrer Wiederausfuhr am 11. Dezember 2017 bereits nicht mehr im Zollgebiet der Union befunden. Die Waren seien somit weder zum Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld noch danach verwendet worden. Ihre Verwendung vor der Entstehung der Zollschuld stehe in keinem Zusammenhang mit dieser Entstehung und sei mit der von der Zollverwaltung bewilligten Veredelung vereinbar gewesen. Schließlich gebe es auch keinerlei Anzeichen dafür, dass Combinova einen Täuschungsversuch unternommen habe.

16      Unter diesen Umständen kann nach Ansicht des AO nicht davon ausgegangen werden, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren in einer Weise verwendet worden seien, die einem Erlöschen der Zollschuld gemäß Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex entgegenstehe.

17      Die Zollverwaltung, die sich im Rahmen des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsmittelverfahrens geäußert hat, obwohl sie dieses Verfahren nicht eingeleitet hatte, macht ihrerseits nicht geltend, dass die Waren verbraucht worden seien. Vielmehr stelle sich die Frage, ob die Waren im Sinne von Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex „verwendet“ worden seien. Der Begriff „verwendete Waren“, der in den Zollvorschriften der Union nicht bestimmt werde, könne in zweierlei Weise verstanden werden, nämlich entweder dahin, dass die Waren gemäß ihrer Bestimmung verwendet worden seien, oder dahin, dass sie in irgendeiner Weise verwendet worden seien, wozu auch ihre Veredelung gehöre. Dem Verfahren der aktiven Veredelung liege der Gedanke zugrunde, dass Waren in irgendeiner Weise veredelt würden. Im vorliegenden Fall habe Combinova gemäß der Bewilligung zur aktiven Veredelung verschiedene Instrumente reparieren und kalibrieren müssen, was nach Art. 5 Nr. 37 des Zollkodex Veredelungsvorgänge seien.

18      Ferner führt die Zollverwaltung aus, dass nach Art. 256 Abs. 1 des Zollkodex Nicht-Unionswaren im Rahmen der aktiven Veredelung verwendet werden dürften. Im Hinblick auf diese Bestimmung bedeute der Begriff „verwendete Waren“ mithin, dass die Waren in irgendeiner Weise veredelt werden müssten.

19      Da aber im vorliegenden Fall nicht vorgetragen worden sei, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren im Zuge des Verfahrens der aktiven Veredelung nicht veredelt worden seien, seien die Voraussetzungen für ein Erlöschen der Zollschuld nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex nicht erfüllt.

20      Das vorlegende Gericht hat Zweifel in Bezug auf die Bedeutung des Begriffs „verwendete Waren“ im Sinne dieser Bestimmung. Es weist darauf hin, dass dieser Begriff im Zollkodex an mehreren Stellen vorkomme und dass nach Art. 256 des Zollkodex Nicht-Unionswaren im Zollgebiet der Union Veredelungsvorgängen unterzogen werden könnten, ohne dabei insbesondere Einfuhrabgaben zu unterliegen.

21      Daher sei zum einen die Bedeutung des Begriffs „verwendete Waren“ im Sinne von Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex zu bestimmen, und zum anderen sei grundsätzlich festzulegen, wann diese Vorschrift anwendbar sei.

22      Unter diesen Umständen hat der Kammarrätt i Göteborg (Oberverwaltungsgericht Göteborg) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Eine Einfuhr- oder Ausfuhrzollschuld, die nach Art. 79 des Zollkodex entstanden ist, erlischt gemäß Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex, wenn den Zollbehörden nachgewiesen wird, dass die Waren nicht verwendet oder verbraucht, sondern aus dem Zollgebiet der Union verbracht worden sind. Ist mit dem Wort „verwendet“ gemeint, dass eine Ware in Übereinstimmung mit dem Zweck der Bewilligung, die ein Unternehmen für die Ware erhalten hat, be- oder verarbeitet wird, oder erfasst es eine Verwendung, die darüber hinausgeht? Ist es von Bedeutung, ob die Verwendung vor oder nach Entstehung der Zollschuld erfolgt?

 Zur Vorlagefrage

23      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex dahin auszulegen ist, dass mit der Verwendung von Waren im Sinne dieser Vorschrift nur eine Verwendung gemeint ist, die über die Veredelungsvorgänge hinausgeht, die von den Zollbehörden im Rahmen des Verfahrens der aktiven Veredelung bewilligt wurden, das Art. 256 dieses Kodex vorsieht, oder ob Art. 124 Abs. 1 Buchst. k auch eine Verwendung gemäß diesen bewilligten Veredelungsvorgängen erfasst.

24      Nach Art. 256 des Zollkodex können Nicht-Unionswaren in der aktiven Veredelung im Zollgebiet der Union Veredelungsvorgängen „unterzogen werden“, ohne insbesondere Einfuhrabgaben zu unterliegen.

25      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Combinova am 23. November 2017 im Verfahren der aktiven Veredelung Waren eingeführt hat, nachdem ihr von der Zollverwaltung eine entsprechende Bewilligung im Sinne von Art. 211 des Zollkodex erteilt worden war, und dass diese Waren am 11. Dezember 2017 wieder ausgeführt wurden. Da Combinova aber die Abrechnung nicht binnen 30 Tagen nach der am 23. Januar 2018 abgelaufenen und gemäß Art. 257 des Zollkodex festgesetzten Frist vorgelegt hatte, entstand nach Art. 79 des Zollkodex eine Zollschuld.

26      Gemäß dieser letztgenannten Bestimmung entsteht für einfuhrabgabenpflichtige Waren eine Einfuhrzollschuld u. a. dann, wenn eine Voraussetzung für die Überführung von Nicht-Unionswaren in ein Zollverfahren nicht erfüllt ist.

27      Nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex erlischt aber die Einfuhrzollschuld, die nach Art. 79 des Zollkodex entstanden ist, wenn nachgewiesen wird, dass zum einen die Waren nicht verwendet oder verbraucht und sie zum anderen aus dem Zollgebiet der Union verbracht worden sind, wobei jedoch selbst in einem solchen Fall gemäß Art. 124 Abs. 6 des Zollkodex „die Zollschuld nicht für Personen [erlischt], die einen Täuschungsversuch unternommen haben“.

28      Während die estnische und die tschechische Regierung sowie der AO geltend machen, dass mit der Verwendung der Waren im Sinne von Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex nur eine solche Verwendung gemeint sei, die ihrer Art nach über die von den Zollbehörden im Rahmen des Verfahrens der aktiven Veredelung bewilligten Veredelungsvorgänge hinausgehe, ist die Kommission der Auffassung, dass die fragliche Verwendung auch eine dieser Bewilligung entsprechende Veredelung der Waren umfasse; sie stützt sich dabei auf die gewöhnliche Bedeutung des Begriffs „verwenden“ im herkömmlichen Sprachgebrauch.

29      Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der Zollkodex keine eigene Definition für den Begriff „verwendete Waren“ enthält.

30      Außerdem ergibt eine vergleichende Prüfung der verschiedenen Sprachfassungen des Zollkodex, dass in bestimmten Sprachfassungen, etwa in der schwedischen, der englischen, der finnischen und der niederländischen, in Art. 256 Abs. 1 und in Art. 124 Abs. 1 Buchst. k ein und derselbe Begriff gebraucht wird, während andere Sprachfassungen, etwa die französische, die deutsche und die rumänische, in diesen Vorschriften jeweils unterschiedliche Begriffe verwenden. So wählt etwa die französische Sprachfassung in Art. 124 Abs. 1 Buchst. k das Wort „utilisées“ und in Art. 256 Abs. 1 „mettre en œuvre“. In der deutschen Fassung heißt es „verwendet“ bzw. „unterzogen werden“. Die rumänische Fassung enthält die Wörter „utilizate“ und „folosirea“.

31      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder Vorrang vor den übrigen Sprachfassungen beanspruchen kann. Die Vorschriften des Unionsrechts müssen nämlich im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Textes des Unionsrechts voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (Urteile vom 15. November 2012, Kurcums Metal, C‑558/11, EU:C:2012:721, Rn. 48, vom 15. Oktober 2015, Grupo Itevelesa u. a., C‑168/14, EU:C:2015:685, Rn. 42, sowie vom 23. Januar 2020, Bundesagentur für Arbeit, C‑29/19, EU:C:2020:36, Rn. 48).

32      Wie die tschechische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, soll insoweit durch Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex in Verbindung mit dem 38. Erwägungsgrund und Art. 124 Abs. 6 des Zollkodex ein Erlöschen der nach Art. 79 des Zollkodex entstandenen Zollschuld, wenn kein Täuschungsversuch unternommen wurde, für den Fall ermöglicht werden, dass trotz Nichtbeachtung bestimmter Voraussetzungen oder Verpflichtungen aus dem Zollkodex nachgewiesen wird, dass die Waren nicht in einer die Erhebung von Zoll rechtfertigenden Weise verwendet wurden und dass sie das Zollgebiet der Union verlassen haben (vgl. entsprechend Urteile vom 5. Oktober 1983, Esercizio Magazzini Generali und Mellina Agosta, 186/82 und 187/82, EU:C:1983:262, Rn. 14, sowie vom 2. April 2009, Elshani, C‑459/07, EU:C:2009:224, Rn. 29).

33      Der Begriff „verwendete Waren“ im Sinne von Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex ist also dahin zu verstehen, dass er nicht jede Verwendung erfasst, sondern nur die, die als solche eine Zollschuld zur Folge hat.

34      Im Rahmen des Verfahrens der aktiven Veredelung wird auf Waren kein Einfuhrzoll erhoben, die lediglich bewilligten Veredelungsvorgängen unterzogen und danach wieder aus dem Gebiet der Union ausgeführt werden, ohne auf den Markt gebracht oder anderweitig verwendet zu werden.

35      Folglich ist bei Waren, die unter dieses Verfahren fallen, unter ihrer Verwendung, auf die sich Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex bezieht, notwendigerweise nur eine Verwendung zu verstehen, die über die von den Zollbehörden bewilligten Veredelungsvorgänge hinausgeht.

36      Schlösse die Verwendung der Waren im Sinne dieser Bestimmung auch eine Verwendung gemäß diesen Veredelungsvorgängen ein, wäre es im Rahmen des Verfahrens der aktiven Veredelung ausgeschlossen, dass eine nach Art. 79 des Zollkodex entstandene Zollschuld gemäß Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex erlischt, was im Widerspruch zum Ziel der letztgenannten Vorschrift stünde.

37      Bei Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex handelt es sich insbesondere im Hinblick auf seinen Verweis auf Art. 79 des Zollkodex um eine Bestimmung, die auf alle Zollverfahren des Zollkodex Anwendung findet.

38      Zwar hat der Gerichtshof in Bezug auf das Verfahren der aktiven Veredelung im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1), der durch den Zollkodex ersetzt wurde, die Auffassung vertreten, dass bei diesem Verfahren, da es eine offenkundige Gefahr für die ordnungsgemäße Anwendung des Zollrechts der Union und die Erhebung der Zölle barg, diejenigen, denen dieses Verfahren zugutekam, die sich aus dem Verfahren ergebenden Verpflichtungen strikt einhalten mussten und dass ebenso die Folgen, die eine Nichteinhaltung ihrer Verpflichtungen für sie hatte, strikt auszulegen waren. Der Gerichtshof schloss daraus, dass für alle abzurechnenden Waren einschließlich derer, die wieder aus dem Gebiet der Union ausgeführt wurden, die Verletzung der Pflicht zur fristgerechten Vorlage der Abrechnung die Entstehung einer Zollschuld nach sich zog (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2012, Döhler Neuenkirchen, C‑262/10, EU:C:2012:559, Rn. 41 und 48).

39      Gleichwohl ist in Bezug auf das Ausgangsverfahren festzustellen, dass der Gerichtshof nicht mit der Frage befasst wird, ob bei verspäteter Vorlage der Abrechnung im Rahmen des Verfahrens der aktiven Veredelung eine Zollschuld entstanden ist – denn deren Entstehung nach Art. 79 des Zollkodex steht im vorliegenden Fall fest –, sondern mit der Frage, ob diese Zollschuld nach Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex erloschen sein könnte.

40      Aus dem Wortlaut dieses Art. 124 Abs. 1 Buchst. k geht hervor, dass eine nach Art. 79 des Zollkodex entstandene Zollschuld erlischt, wenn die Voraussetzungen der erstgenannten Vorschrift erfüllt sind und kein Täuschungsversuch unternommen wurde.

41      Im vorliegenden Fall kann die Zollschuld, die nach Art. 79 des Zollkodex deswegen entstanden ist, weil Combinova die Abrechnung mit Verspätung vorgelegt hat, erlöschen, falls sich insbesondere, wie aus Rn. 35 des vorliegenden Urteils hervorgeht, herausstellt, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren nicht in einer Weise verwendet wurden, die über die von den Zollbehörden bewilligten Veredelungsvorgänge hinausgeht; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

42      Außerdem möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass die Verwendung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren vor oder nach dem Entstehen der Zollschuld erfolgte, für die Auslegung des Begriffs der „verwendeten Waren“ im Sinne von Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex von Bedeutung ist.

43      Diese Bestimmung enthält insoweit keinen Hinweis, wonach der Zeitpunkt, zu dem die Verwendung der von ihr erfassten Waren erfolgt, bei der Beurteilung der Frage, ob die betreffenden Waren im Sinne dieser Bestimmung verwendet wurden, von Bedeutung wäre.

44      Allerdings ist festzustellen, dass nach Art. 79 Abs. 2 Buchst. a des Zollkodex nicht angenommen werden kann, dass die Waren im Zollgebiet der Union nach dem Entstehen der Zollschuld im Sinne von Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex verwendet wurden, wenn die Zollschuld aufgrund der verspäteten Vorlage der Abrechnung entstanden ist und nachdem die Waren bereits wieder ausgeführt worden sind.

45      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 124 Abs. 1 Buchst. k des Zollkodex dahin auszulegen ist, dass mit der Verwendung von Waren im Sinne dieser Vorschrift nur eine Verwendung gemeint ist, die über die Veredelungsvorgänge hinausgeht, die von den Zollbehörden im Rahmen des Verfahrens der aktiven Veredelung bewilligt wurden, das Art. 256 dieses Kodex vorsieht; eine Verwendung gemäß dieser bewilligten Veredelungsvorgänge wird hiervon nicht erfasst.

 Kosten

46      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 124 Abs. 1 Buchst. k der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union ist dahin auszulegen, dass mit der Verwendung von Waren im Sinne dieser Vorschrift nur eine Verwendung gemeint ist, die über die Veredelungsvorgänge hinausgeht, die von den Zollbehörden im Rahmen des Verfahrens der aktiven Veredelung bewilligt wurden, das Art. 256 dieser Verordnung vorsieht; eine Verwendung gemäß dieser bewilligten Veredelungsvorgänge wird hiervon nicht erfasst.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Schwedisch.