Language of document : ECLI:EU:C:2015:566

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 9. September 2015(1)

Rechtssache C‑115/14

RegioPost GmbH & Co. KG

gegen

Stadt Landau

(Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Koblenz [Deutschland])

„Rein interner Sachverhalt – Nationale Identität – Art. 4 Abs. 2 EUV – Freier Dienstleistungsverkehr – Art. 56 AEUV – Richtlinie 96/71/EG – Art. 3 Abs. 1 – Richtlinie 2004/18/EG – Art. 26 – Öffentliche Aufträge – Postdienstleistungen – Nationale Regelung, die Bietern und Nachunternehmern vorschreibt, sich zu verpflichten, einen Mindestlohn an das für die Ausführung der Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind, eingesetzte Personal zu zahlen“





I –    Einleitung

1.        Ist ein öffentlicher Auftraggeber eines Mitgliedstaats im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags nach Unionsrecht befugt, von Bietern und deren Nachunternehmern zu verlangen, dass sie sich verpflichten, einen gesetzlichen Mindeststundenlohn an das Personal zu zahlen, das für die Ausführung der Leistungen, die Gegenstand dieses Auftrags sind, eingesetzt wird?

2.        Das ist im Wesentlichen der Kern der Fragen, die das Oberlandesgericht Koblenz (Deutschland) im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der RegioPost GmbH & Co. KG (im Folgenden: RegioPost), einem Postdienstleister, und der Stadt Landau in der Pfalz, einer Gemeinde in Rheinland-Pfalz, zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.

3.        Für diese Problematik, die sich dem Gerichtshof – allerdings unter anderen rechtlichen und tatsächlichen Umständen – bereits in den Rechtssachen gestellt hat, in denen die Urteile Rüffert (C‑346/06, EU:C:2008:189) und Bundesdruckerei (C‑549/13, EU:C:2014:2235) ergangen sind, bedarf es in erster Linie der Auslegung der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge(2) sowie des Art. 56 AEUV über den freien Dienstleistungsverkehr.

4.        Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass die Stadt Landau in der Pfalz am 23. April 2013 die Ausschreibung eines in zwei Lose aufgeteilten öffentlichen Auftrags über die Postdienstleistungen in dieser Stadt unionsweit bekannt gemacht hat.

5.        Es steht fest, dass es zum im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt in Deutschland keinen allgemeinen Mindestlohn gab; dieser wurde vielmehr erst zum 1. Januar 2015 mit einem Mindeststundensatz von 8,50 Euro (brutto) eingeführt. Es gab auch keinen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag über die Arbeitsverhältnisse und die Arbeitsbedingungen im Postdienstleistungssektor.

6.        Vor diesem Hintergrund sind die Angaben der Vergabebekanntmachung der Stadt Landau in der Pfalz zur „wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit“ des Auftragnehmers zu sehen, wonach dieser die Vorschriften des Gesetzes des Landes Rheinland-Pfalz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben (Landestariftreuegesetz, im Folgenden: LTTG) vom 1. Dezember 2010 einhalten musste.

7.        Nach § 1 LTTG wirkt dieses Gesetz Verzerrungen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge entgegen, die durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen, und mildert Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme. Öffentliche Auftraggeber dürfen daher öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben, die ihren Beschäftigten das in diesem Gesetz festgesetzte Mindestentgelt bezahlen.

8.        Gemäß § 3 Abs. 1 LTTG dürfen öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistung ein Entgelt von mindestens 8,50 Euro (brutto) pro Stunde zu zahlen (Mindestentgelt) und Änderungen des Mindestentgelts während der Ausführungslaufzeit gegenüber den Beschäftigten nachzuvollziehen. In dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum wurde das in § 3 LTTG vorgesehene Mindestentgelt gemäß dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 LTTG durch Rechtsverordnung des Landes Rheinland-Pfalz auf 8,70 Euro (brutto) festgesetzt. § 3 Abs. 1 LTTG sieht des Weiteren vor, dass das Angebot von der Wertung auszuschließen ist, wenn die Mindestentgelterklärung bei Angebotsabgabe fehlt und auch nach Aufforderung nicht vorgelegt wird.

9.        Die Verdingungsunterlagen für den fraglichen öffentlichen Auftrag enthielten eine „Mustererklärung“ nach § 3 LTTG und die Aufforderung an die Bieter, bei Angebotsabgabe ihre eigene Erklärung sowie die Erklärungen ihrer Nachunternehmer über die Einhaltung des Mindestentgelts vorzulegen.

10.      Am 16. Mai 2013 rügte RegioPost, dass die Mindestentgelterklärungen nach § 3 LTTG vergaberechtswidrig seien. Ihrem fristgerecht eingereichten Angebot fügte sie selbst verfasste Erklärungen der Nachunternehmer bei, reichte jedoch keine Erklärung für sich selbst ein.

11.      Am 25. Juni 2013 gab die Stadt Landau in der Pfalz RegioPost die Gelegenheit, die Mindestentgelterklärungen nach § 3 LTTG innerhalb einer Frist von 14 Tagen nachzureichen, kündigte jedoch an, sie werde das Angebot von RegioPost ausschließen, sollte diese der Aufforderung nicht Folge leisten.

12.      Am 27. Juni 2013 wiederholte RegioPost, ohne die von der öffentlichen Auftraggeberin verlangte Erklärung vorgelegt zu haben, ihren Rügevortrag und kündigte an, sie werde im Fall eines Ausschlusses ihres Angebots eine Nachprüfung einleiten.

13.      Am 11. Juli 2013 teilte die öffentliche Auftraggeberin RegioPost mit, dass ihr Angebot wegen des Fehlens der Mindestentgelterklärungen nicht gewertet werden könne. Gleichzeitig kündigte sie an, den Zuschlag für die beiden Lose des fraglichen Auftrags der PostCon Deutschland GmbH und der Deutsche Post AG zu erteilen.

14.      Am 23. Oktober 2013 wies die Vergabekammer Rheinland-Pfalz den Nachprüfungsantrag von RegioPost mit u. a. der Begründung zurück, dass deren Angebot zu Recht ausgeschlossen worden sei, weil die zulässigerweise von der öffentlichen Auftraggeberin verlangten Mindestentgelterklärungen fehlten.

15.      Das mit dem Rechtsmittel hiergegen befasste vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die Entscheidung über das Rechtsmittel davon abhänge, ob § 3 LTTG mit Unionsrecht vereinbar sei.

16.      Es ist insbesondere der Auffassung, dass § 3 LTTG eine „zusätzliche Bedingung für die Ausführung des Auftrags“ in Bezug auf „soziale Aspekte“ im Sinne von Art. 26 der Richtlinie 2004/18 beinhalte, die nur zulässig sei, wenn sie mit den Vorschriften des Unionsrechts über den freien Dienstleistungsverkehr vereinbar sei.

17.      Das vorlegende Gericht hält sich aber auch angesichts des Urteils Rüffert (C‑346/06, EU:C:2008:189) für nicht in der Lage, diese Vereinbarkeit selbst zu prüfen.

18.      Zur Frage der Vereinbarkeit von § 3 LTTG mit Art. 56 Abs. 1 AEUV weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die auf Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten lastende Verpflichtung, die Löhne, die sie an ihre Beschäftigten zahlen, an das normalerweise höhere, am Ort der Ausführung des Auftrags geltende Lohnniveau anzupassen, diesen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil entziehe. Folglich stelle die Verpflichtung nach § 3 LTTG eine von Art. 56 Abs. 1 AEUV grundsätzlich verbotene Behinderung dar.

19.      Das vorlegende Gericht ist jedoch der Ansicht, dass das Unionsrecht der Anwendung von § 3 LTTG auf diese Unternehmen nicht entgegenstünde, wenn festzustellen wäre, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen(3) vorlägen.

20.      Insoweit hegt es jedoch Zweifel.

21.      Zum einen weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass § 3 LTTG zwar eine Rechtsvorschrift sei, die selbst die Höhe des Mindestentgelts festlege, mit dieser Vorschrift allerdings nicht sichergestellt werde, dass dieses Entgelt an sämtliche Beschäftigten der Auftragnehmer gezahlt werde. Denn § 3 LTTG beschränke sich auf ein Verbot an den öffentlichen Auftraggeber, einen öffentlichen Auftrag an Bieter zu vergeben, die sich nicht zur Zahlung des Mindestentgelts an die zur Ausführung des Auftrags eingesetzten Arbeitnehmer verpflichteten.

22.      Zum anderen hebt das vorlegende Gericht hervor, dass die in § 3 LTTG vorgesehene Verpflichtung nur für öffentliche Aufträge und nicht für die Ausführung privater Aufträge gelte. Ein für die Ausführung eines solchen Auftrags eingesetzter Arbeitnehmer sei indes nicht weniger schutzwürdig als ein Arbeitnehmer, der zur Ausführung eines öffentlichen Auftrags eingesetzt werde. In diesem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Anwendung des Urteils Rüffert (C‑346/06, EU:C:2008:189) in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden in Deutschland umstritten sei. Es habe außerdem ernsthafte Zweifel an der Auffassung, wonach das Erfordernis einer allgemeinen Anwendung eines Mindestlohns auf alle Arten der fraglichen Aufträge nur auf den Fall beschränkt sei, der dem Urteil Rüffert zugrunde gelegen habe, einen Fall, in dem dieser Mindestlohn durch Tarifverträge und nicht durch Rechtsvorschriften festgesetzt worden sei.

23.      Sollte schließlich im Ergebnis angenommen werden, dass das in § 3 LTTG festgelegte Erfordernis mit Art. 56 AEUV vereinbar sei, wäre sodann die Frage zu stellen, ob die in § 3 LTTG vorgesehene Sanktion, nämlich der Ausschluss des Bieters von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren, mit Art. 26 der Richtlinie 2004/18 vereinbar sei. Insbesondere äußert das vorlegende Gericht Zweifel dahin, ob sich die Bedingung des § 3 LTTG als qualitatives Vergabekriterium, dessen Nichtbeachtung den Ausschluss eines Bieters rechtfertigen könne, einordnen lasse. Überdies sei die von § 3 LTTG vorgeschriebene Sanktion überflüssig, da der Auftragnehmer vertraglich verpflichtet sei, das gesetzliche Mindestentgelt zu zahlen, sobald der Vertrag zustande gekommen sei, denn die Einhaltung dieser Verpflichtung sei nach § 7 LTTG mit einer Vertragsstrafe bewehrt.

24.      Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 56 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem öffentlichen Auftraggeber zwingend vorschreibt, nur Unternehmen zu beauftragen, die und deren Nachunternehmer sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren mit der Auftragsausführung befassten Mitarbeitern einen nur für öffentliche, nicht aber private Aufträge staatlich festgelegten Mindestlohn zu zahlen, wenn es weder einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn noch einen die potenziellen Auftragnehmer und eventuelle Nachunternehmer bindenden allgemeinverbindlichen Tarifvertrag gibt?

2.      Für den Fall, dass die erste Frage mit Nein beantwortet wird:

      Ist das Unionsrecht auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge, insbesondere Art. 26 der Richtlinie 2004/18, dahin gehend auszulegen, dass es einer nationalen Regelung wie § 3 Abs. 1 Satz 3 LTTG entgegensteht, die den zwingenden Ausschluss eines Angebots für den Fall vorsieht, dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer nicht bereits bei Angebotsabgabe in einer gesonderten Erklärung zu einem Tun verpflichtet, zu dem er im Falle der Beauftragung auch ohne Abgabe dieser Erklärung vertraglich verpflichtet wäre?

25.      Zu diesen Fragen haben die Stadt Landau in der Pfalz, die Deutsche Post AG, die deutsche, die dänische, die italienische, die österreichische und die norwegische Regierung sowie die Europäische Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. Mit Ausnahme der italienischen und der österreichischen Regierung haben diese Beteiligten und RegioPost in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2015 mündliche Ausführungen gemacht.

II – Analyse

A –    Zur ersten Vorlagefrage

26.      Mit seiner ersten Frage fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof danach, ob eine von einer föderalen Einheit eines Mitgliedstaats erlassene Regelung, die es Bietern und deren Nachunternehmern vorschreibt, sich im Wege einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung zu verpflichten, an die Mitarbeiter, die mit der Ausführung der Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind, befasst werden, einen in dieser Regelung festgelegten Mindeststundenlohn von 8,70 Euro (brutto) zu zahlen, mit Art. 56 AEUV und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 vereinbar ist.

1.      Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

27.      Die Stadt Landau in der Pfalz sowie die deutsche und die italienische Regierung machen geltend, dass sich der gesamte Sachverhalt des Ausgangsverfahrens innerhalb der Bundesrepublik Deutschland abspiele und diese Frage daher nicht zu beantworten sei, weil die Vorschriften des Unionsrechts über den freien Dienstleistungsverkehr auf einen solchen Sachverhalt nicht anwendbar seien.

28.      Dieses Vorbringen kann meiner Ansicht nach keinen Erfolg haben.

29.      Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, haben zwar alle Unternehmen, die sich an dem Verfahren der Vergabe des fraglichen öffentlichen Auftrags beteiligt haben, ihren Sitz in Deutschland, dieser Auftrag wird in Deutschland ausgeführt, ohne dass es in den Akten irgendeinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass in anderen Mitgliedstaaten ansässige Nachunternehmen sich an der Ausführung dieses Auftrags beteiligten sollten.

30.      Es ist ebenfalls richtig, dass die Bestimmungen des Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr nicht auf Betätigungen anwendbar sind, deren Merkmale allesamt nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen(4).

31.      Der Gerichtshof erachtet sich gleichwohl für zuständig, Fragen zur Auslegung der Vertragsbestimmungen über die Grundfreiheiten in drei Fallgruppen zu beantworten, in denen alle Merkmale auf einen einzigen Mitgliedstaat beschränkt sind: wenn sich „keineswegs ausschließen“ lässt, dass sich Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten in ähnlichen Sachverhalten bei der Ausübung einer dieser Freiheiten den streitigen nationalen Maßnahmen des in Rede stehenden Mitgliedstaats gegenübersehen könnten(5), wenn das innerstaatliche Recht „umgekehrte“(6) Diskriminierungen verbietet und/oder wenn das innerstaatliche Recht für die Entscheidung eines rein internen Rechtsstreits im Prinzip „unmittelbar und unbedingt“ auf die Vorschriften des Unionsrechts verweist(7).

32.      Im Kontext des ersten Stranges der soeben erwähnten Rechtsprechung hat der Gerichtshof in den Urteilen Venturini u. a. und Sokoll-Seebacher klargestellt, dass er für die Beantwortung von Vorlagefragen zuständig ist, die trotz des rein internen Charakters der diesen Fragen zugrunde liegenden Sachverhalte zum Gegenstand hatten, ob nationale Regelungen, die Wirkungen entfalten können, die sich nicht auf einen einzigen Mitgliedstaat beschränken, mit der vom Vertrag verbürgten Niederlassungsfreiheit vereinbar sind. In solchen Fällen ist es nämlich „keineswegs ausgeschlossen“, dass Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten ein Interesse daran hatten oder haben, von der in diesen Rechtssachen in Rede stehenden Grundfreiheit Gebrauch zu machen(8).

33.      Über die besondere Situation des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren hinaus scheint der Gerichtshof demnach bestrebt, zu prüfen, ob die fragliche nationale Maßnahme aufgrund ihres Gegenstands oder ihrer Art selbst geeignet ist, grenzüberschreitende Wirkungen zu entfalten. Ist das der Fall, wird der Gerichtshof auch die Fragen beantworten, die ihm vorgelegt worden sind.

34.      Diese Rechtsprechung lässt sich auf die vorliegende Rechtssache übertragen.

35.      Das LTTG hat den Zweck, Auftragnehmern von öffentlichen Aufträgen, die von öffentlichen Auftraggebern des Landes Rheinland-Pfalz ausgeschrieben werden, die Einhaltung des vom Land festgelegten Mindestlohns bei der Ausführung dieser Aufträge vorzuschreiben. § 3 LTTG verpflichtet jeden Bieter sowie dessen etwaige Nachunternehmer unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Wohnort dazu, sich bei Angebotsabgabe schriftlich zur Einhaltung dieses Mindestlohns für den Fall zu verpflichten, dass sie schließlich den Zuschlag für diesen Auftrag erhalten. Das LTTG kann also als solches Wirkungen über das deutsche Hoheitsgebiet hinaus entfalten, da die Anforderungen, die dieser Text aufstellt, unterschiedslos für alle von öffentlichen Auftraggebern des Landes Rheinland-Pfalz eingeleiteten Ausschreibungen, einschließlich solcher auf Unionsebene, gelten.

36.      Dies war im Übrigen die Situation zum Zeitpunkt der Ausschreibung, die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt. Wie nämlich den vom vorlegenden Gericht übermittelten Akten zu entnehmen und in der mündlichen Verhandlung von der Stadt Landau in der Pfalz bestätigt worden ist, wurde das Verfahren zur Vergabe des öffentlichen Auftrags unionsweit eingeleitet, und der geschätzte Wert des Auftrags geht weit über die Schwelle von 200 000 Euro hinaus, die in dem zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Art. 7 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 festgelegt war(9).

37.      Es lässt sich somit keineswegs ausschließen, dass diese Ausschreibung bei ihrer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union eine bestimmte Zahl von Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland interessieren konnte, dass diese Unternehmen sich aber schlussendlich aus Gründen, die mit den von § 3 LTTG aufgestellten Anforderungen zu tun haben könnten, nicht am Vergabeverfahren beteiligt haben.

38.      Doch der Grund für meine Überzeugung, dass die von der Stadt Landau in der Pfalz sowie der deutschen und der italienischen Regierung erhobene Rüge der Unzuständigkeit und der Unzulässigkeit zurückzuweisen ist, ist vor allem der Anknüpfungspunkt der Rechtssache des Ausgangsverfahrens an die Bestimmungen der Richtlinie 2004/18, deren Anwendbarkeit außer Zweifel steht(10).

39.      Wie das vorlegende Gericht zutreffend festgestellt hat, verleiht Art. 26 dieser Richtlinie den öffentlichen Auftraggebern das Recht, „zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vor[zu]schreiben“, zu denen „soziale Aspekte“ gehören können, sofern sie in der Vergabebekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden und „mit dem [Unions]recht vereinbar“ sind.

40.      Die Verweisung in Art. 26 der Richtlinie 2004/18 auf die Bestimmungen des Unionsrechts bedeutet, dass die Voraussetzungen betreffend die Einhaltung des Mindestlohnsatzes nach § 3 LTTG, die an die Ausführung des öffentlichen Auftrags geknüpft sind, mit diesen Bestimmungen und damit auch mit dem vom Vertrag verbürgten freien Dienstleistungsverkehr vereinbar sein müssen.

41.      Wie der Gerichtshof im Übrigen bereits entschieden hat, entspricht die Pflicht zur Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung dem Wesen der Richtlinien auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge, die namentlich die Entwicklung eines echten Wettbewerbs fördern sollen und die Zuschlagskriterien aufstellen, die einen solchen Wettbewerb gewährleisten sollen(11).

42.      Da das vorlegende Gericht ebenso wie der öffentliche Auftraggeber sicherstellen muss, dass die Gleichbehandlung der Bieter, die sich an einer Ausschreibung eines in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18 fallenden öffentlichen Auftrags beteiligen, gewährleistet ist, verpflichtet diese Richtlinie folglich das vorlegende Gericht, sich für Entscheidungen über einen rein internen Sachverhalt an die im Unionsrecht getroffenen Entscheidungen zu halten, insbesondere um das Auftreten jeder Diskriminierung unter den Wirtschaftsteilnehmern oder etwaige Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden(12).

43.      Aus diesem Grund scheint mir jedenfalls, dass, da die Bekanntmachung im Ausgangsverfahren in den Anwendungsbereich der Bestimmungen der Richtlinie 2004/18 fällt, es vor allem die Voraussetzungen der Anwendung von Art. 26 dieser Richtlinie sind, die in Wirklichkeit den Gegenstand bilden, um dessen Auslegung das vorlegende Gericht in seiner ersten Vorlagefrage ersucht. Wenn die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage in der Weise umformuliert wird, dass sie sich auf die Auslegung von Art. 26 der Richtlinie 2004/18 bezieht, ist der Gerichtshof daher zwangsläufig zuständig, diesen Artikel auszulegen. Denn die Anwendbarkeit der Bestimmungen der Richtlinie 2004/18 hängt nicht davon ab, dass ein tatsächlicher Zusammenhang mit dem freien Verkehr zwischen Mitgliedstaaten besteht, vielmehr sind sie einschlägig, sobald die Höhe des fraglichen Auftrags über die Schwellenwerte für die Anwendung dieser Richtlinie hinausgeht(13); dies ist im Ausgangsverfahren der Fall.

44.      Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass der Gerichtshof zuständig ist, um auf die erste vom vorlegenden Gericht gestellte Frage zu antworten. Wie ausgeführt, liegt nach meinem Dafürhalten diese Zuständigkeit auf der Hand, wenn die Frage in dem Sinne umformuliert wird, dass sie die Auslegung der Tragweite der Voraussetzungen betrifft, die in Art. 26 der Richtlinie 2004/18 vorgesehen sind.

2.      Zur Begründetheit

45.      Angesichts der vorstehenden Erwägungen zur Umformulierung der vom vorlegenden Gericht gestellten Frage gehe ich davon aus, dass dieses Gericht im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 26 der Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass er der Regelung einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach Bietern und deren Nachunternehmern vorgeschrieben wird, sich mit einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung zu verpflichten, ihren Beschäftigten, die für die Ausführung der Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in der betreffenden Regelung festgelegten Mindeststundenlohn von 8,70 Euro (brutto) zu zahlen.

46.      Art. 26 der Richtlinie 2004/18 ermächtigt die öffentlichen Auftraggeber, die Ausführung des öffentlichen Auftrags von „zusätzlichen Bedingungen“, die sich auf „soziale Aspekte“ erstrecken können, abhängig zu machen, sofern diese Bedingungen in der Vergabebekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen angegeben und sie außerdem „mit dem [Unionsrecht] vereinbar sind“.

47.      Im vorliegenden Fall war die Einhaltung der Vorschriften des LTTG, insbesondere des § 3, im Ausgangsverfahren eindeutig sowohl in der Vergabebekanntmachung als auch in den Verdingungsunterlagen genannt. Im Übrigen steht es meiner Ansicht nach außer Zweifel, dass es zum Inhalt der „sozialen Aspekte“ nach Art. 26 der Richtlinie 2004/18 gehört, dass ein beauftragtes Unternehmen und seine etwaigen Nachunternehmen bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags den Mindestlohn einhalten, der im Gesetz zugunsten der für diese Aufgabe eingesetzten Arbeitnehmer festgelegt ist.

48.      Der 34. Erwägungsgrund dieser Richtlinie bestätigt, dass „[d]ie im Bereich der Arbeitsbedingungen … geltenden nationalen … Gesetze, Regelungen … während der Ausführung eines öffentlichen Auftrags anwendbar [sind], sofern derartige Vorschriften sowie ihre Anwendung mit dem [Unions]recht vereinbar sind“(14). Die Einhaltung eines Mindestlohns ist voll und ganz geeignet, Teil der Kategorie der Arbeitsbedingungen zu sein(15).

49.      Nach Art. 26 der Richtlinie 2004/18, ausgelegt im Licht des 34. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie, muss die Möglichkeit, die Einhaltung eines solchen Mindestlohns vorzuschreiben, jedoch mit dem Unionsrecht vereinbar sein.

50.      Mithin ist zu prüfen, ob ein Erfordernis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, einen Mindestlohnsatz bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags einzuhalten, mit den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts vereinbar ist.

51.      Insoweit sind das vorlegende Gericht sowie die Beteiligten der Auffassung, dass diese Prüfung vor allem, wenn nicht ausschließlich, im Licht von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 vorgenommen werden müsse, da diese Bestimmung die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen regele, die die Mitgliedstaaten von Unternehmen verlangen dürften, die im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen befristet Arbeitnehmer entsenden.

52.      Diese Auffassung überzeugt mich nicht.

53.      Unstreitig geht es nämlich im Ausgangsverfahren um keine der Entsendemaßnahmen nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 96/71. Insbesondere wollte RegioPost, die in Deutschland ihren Sitz hat, weder eine Niederlassung oder ein Unternehmen ihres Konzerns in Anspruch nehmen, die bzw. das Arbeitnehmer in das deutsche Hoheitsgebiet entsendet hätte, noch auch nur die Dienstleistungen eines Leiharbeitsunternehmens oder eines Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmens durch Inanspruchnahme der Entsendung von deren Arbeitnehmern nach Deutschland nutzen.

54.      Unter dem Blickwinkel der Anwendung der Richtlinie 96/71 unterscheidet sich der Fall in der vorliegenden Rechtssache nicht wesentlich von dem, der dem Urteil Bundesdruckerei (C‑549/13, EU:C:2014:2235) zugrunde liegt, in dem der Gerichtshof es ausgeschlossen hat, die Vereinbarkeit der Regelung eines deutschen Bundeslandes, wonach die Unternehmen, die den Zuschlag für einen öffentlichen Auftrag erhalten hatten, verpflichtet waren, den in dieser Regelung festgelegten Mindestlohnsatz zu beachten, mit den Bestimmungen dieser Richtlinie zu prüfen, da die Situation des Ausgangsrechtsstreits nicht unter eine der länderübergreifenden Maßnahmen nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 96/71 fiel(16).

55.      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen in dieser Rechtssache ergab sich nämlich, dass das Unternehmen Bundesdruckerei beabsichtigte, den fraglichen öffentlichen Auftrag (der die Aktendigitalisierung und Konvertierung von Daten für eine deutsche Gemeinde betraf) nicht durch Entsendung von Arbeitnehmern in das deutsche Hoheitsgebiet auszuführen, sondern durch den Einsatz von Arbeitnehmern einer seiner Tochtergesellschaften, die ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats, nämlich Polens, hatte(17).

56.      Mit anderen Worten handelte es sich nach den Überlegungen des Gerichtshofs zwar um eine länderübergreifende Situation, diese führte aber nicht zur befristeten Entsendung von Arbeitnehmern in das deutsche Hoheitsgebiet, um dort die fraglichen Dienstleistungen auszuführen.

57.      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zum Ausschluss der Anwendung der Richtlinie 96/71 die Aufmerksamkeit nicht auf die Sachlage richtete, wie sie sich zu dem Zeitpunkt darstellte, als der öffentliche Auftraggeber seine Ausschreibung unionsweit bekannt machte, einem Zeitpunkt, zu dem eine Entsendung von Arbeitnehmern in das deutsche Hoheitsgebiet noch erfolgen konnte, sondern vielmehr auf genau die Situation des Unternehmens Bundesdruckerei, die dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde lag.

58.      Aus diesen Umständen folgerte der Gerichtshof, dass in der Rechtssache Bundesdruckerei (C‑549/13, EU:C:2014:2235, Rn. 29) allein die Auslegung von Art. 56 AEUV relevant sei.

59.      Dies ist nach meinem Verständnis auch der Ansatz, der in der vorliegenden Rechtssache zugrunde zu legen ist.

60.      Ich meine daher, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens die in Art. 26 der Richtlinie 2004/18 enthaltene Verweisung auf das Unionsrecht ausschließlich auf Art. 56 AEUV abzielt.

61.      Was die Prüfung der Vereinbarkeit einer Vorschrift des nationalen Rechts wie § 3 LTTG mit Art. 56 AEUV angeht, so muss sie sich im Wesentlichen auf die Feststellung richten, ob der in der Regelung des Landes Rheinland-Pfalz festgelegte Mindestlohnsatz eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, die sich durch Ziele der Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrung oder des Arbeitnehmerschutzes rechtfertigen lässt, wie dies die Stadt Landau in der Pfalz und die deutsche Regierung vortragen.

62.      Zunächst ist angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zweifelhaft, dass eine Regelung wie die des Landes Rheinland-Pfalz mit der Vorgabe, dass die Auftragnehmer öffentlicher Aufträge und ihre etwaigen Nachunternehmer einen Mindeststundenlohn von 8,70 Euro (brutto) einhalten, den Dienstleistungserbringern, die in anderen Mitgliedstaaten mit niedrigeren Mindestlohnsätzen als in Deutschland ansässig sind, eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung auferlegen kann, die geeignet ist, die Ausführung ihrer Dienstleistungen in Deutschland weniger attraktiv zu machen. Eine solche nationale Maßnahme kann daher eine Beschränkung im Sinne von Art. 56 AEUV darstellen(18).

63.      Sodann ist zu prüfen, ob eine solche nationale Maßnahme durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt werden kann.

64.      Dies verneinen sowohl RegioPost als auch die Kommission unter Bezugnahme auf die Rn. 29 und 39 des Urteils Rüffert (C‑346/06, EU:C:2008:189), da der von § 3 Abs. 1 LTTG gewährte Schutz sich nicht auf Arbeitnehmer erstrecke, die für die Ausführung privater Aufträge eingesetzt würden.

65.      Diesen Standpunkt teile ich nicht.

66.      In der Rechtssache Rüffert wurde der Gerichtshof dazu befragt, ob die Regelung eines Bundeslandes, mit der erfolgreichen Bietern öffentlicher Aufträge für Bauleistungen und den öffentlichen Personennahverkehr vorgeschrieben wurde, dass sie bei der Ausführung dieser Aufträge das tarifvertraglich vorgesehene Mindestentgelt einhalten, auf das in der landesrechtlichen Regelung verwiesen wurde, mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 und Art. 56 AEUV vereinbar sei.

67.      Angesichts der Auslegung der Richtlinie 96/71, die nach den Erwägungen des Gerichtshofs im Urteil Rüffert (C‑346/06, EU:C:2008:189) auch für die Auslegung von Art. 56 AEUV erheblich ist, stellte sich die Frage, ob der in dieser Rechtssache in Rede stehende Tarifvertrag gemäß Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie für allgemeinverbindlich erklärt worden war. Der Gerichtshof entschied, dass das nicht der Fall war und dass somit die in der Richtlinie 96/71 vorgesehenen Modalitäten für eine Festlegung des Mindestlohnsatzes nicht erfüllt waren.

68.      Über dieses Problem etwas hinausgehend(19) und bei der Untersuchung der allgemeinverbindlichen Wirkung eines Tarifvertrags wie des in dieser Rechtssache fraglichen stellte der Gerichtshof in Rn. 29 des Urteils Rüffert (C‑346/06, EU:C:2008:189) fest, dass eine solche Wirkung nicht konstatiert werden könne, da insbesondere die „Rechtsvorschriften“ des betreffenden Bundeslandes, die auf die Einhaltung des in diesem Tarifvertrag vorgesehenen Lohnsatzes verwiesen, „nur auf die Vergabe öffentlicher Aufträge anwendbar sind und nicht für die Vergabe privater Aufträge gelten“.

69.      In Rn. 39 des Urteils Rüffert (C‑346/06, EU:C:2008:189), die Teil der „bestätigenden Erwägungen“ des Gerichtshofs zu Art. 56 AEUV ist, wiederholte dieser wortwörtlich die oben zitierte, in Rn. 29 dieses Urteils enthaltene Würdigung.

70.      Die Bedeutung der Würdigung, die in den Rn. 29 und 39 des Urteils Rüffert enthalten ist, muss gleichwohl und nunmehr im Licht von Art. 26 der Richtlinie 2004/18 relativiert werden, der eine völlig neue Vorschrift im Vergaberecht der Union ist und der zum Zeitpunkt des jenem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalts noch nicht anwendbar war(20).

71.      Wie bereits ausgeführt, ermächtigt Art. 26 der Richtlinie 2004/18 die Mitgliedstaaten, Auftragnehmern öffentlicher Aufträge die Einhaltung zusätzlicher Bedingungen, einschließlich Arbeitsbedingungen, bei der Ausführung dieser Aufträge vorzuschreiben. Um die praktische Wirksamkeit dieser Ermächtigung zu erhalten, müssen die Mitgliedstaaten meiner Ansicht nach befugt sein, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die Arbeitsbedingungen, einschließlich eines Mindestlohnsatzes, in dem spezifischen Kontext öffentlicher Aufträge zugunsten der Arbeitnehmer festlegen, die Dienstleistungen für die Umsetzung dieser Aufträge erbringen.

72.      Es ist offensichtlich, dass sich die Mitgliedstaaten und die öffentlichen Auftraggeber bei der Ausübung dieser Zuständigkeit vergewissern müssen, dass die Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung, wie sie sich aus Art. 26 der Richtlinie 2004/18 mit der Bezugnahme auf das Unionsrecht ergeben, gewahrt werden.

73.      Die Ausübung dieser Befugnis kann nach meinem Verständnis jedoch nicht davon abhängig gemacht werden, dass die betreffenden Arbeitsbedingungen, wie im vorliegenden Fall der Mindestlohnsatz, auch für Arbeitnehmer gelten, die private Aufträge ausführen. Wenn das der Fall wäre, verlören diese Bedingungen damit ihre Qualität als „zusätzliche Bedingungen“ im Sinne von Art. 26 der Richtlinie 2004/18. Eine solche Ausweitung auf die Ausführung privater Aufträge vorzuschreiben, würde zudem schlussendlich dazu führen, dass die Mitgliedstaaten gezwungen wären, in einem Teil ihres Gebiets oder in diesem insgesamt einen allgemein gültigen Mindestlohnsatz einzuführen, was das Unionsrecht zum gegenwärtigen Zeitpunkt keineswegs vorschreibt(21).

74.      Mir scheint, dass in einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens eine solche Ausweitung, deren Motiv eine Besorgnis um die Kohärenz der Rechtsvorschriften des Bundeslandes wäre, in die Zuständigkeit der Länder eingreifen würde.

75.      Wie von mehreren Beteiligten hervorgehoben wurde, sind die Länder nach deutschem Recht zwar für den Erlass von Vorschriften über eine Mindestvergütung im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständig, sie besitzen jedoch keine Zuständigkeit auf dem Gebiet der Festlegung eines für alle Arbeitnehmer geltenden Mindestlohns.

76.      Daraus folgte, würde man sich der Auffassung von RegioPost und der Kommission anschließen, dass in einer Rechtssache wie der des Ausgangsverfahrens ein Bundesland seine Rechtsvorschriften zur Umsetzung der von der Richtlinie 2004/18 eingeräumten Befugnis nicht anwenden könnte, weil der Anwendungsbereich dieser Rechtsvorschriften über den besonderen Sektor öffentlicher Aufträge, für den das Land seine Zuständigkeit ausgeübt hat, hinaus ausgeweitet werden müsste.

77.      Das Land wäre also gezwungen, seine Rechtsvorschriften unangewandt zu lassen, bis der Bundesstaat beschlossen hätte, einen allgemein gültigen Mindestlohnsatz einzuführen.

78.      Auf der Ebene des Bundesstaats liefe diese Vorgehensweise, die – folgte man der Logik der Argumentation von RegioPost und der Kommission – notwendig wäre, um dem Erfordernis nachzukommen, die bislang öffentlichen Aufträgen vorbehaltene Behandlung auf private Aufträge auszuweiten, in Wirklichkeit darauf hinaus, die den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, für ihr Gebiet einen Mindestlohn einzuführen, in eine echte Verpflichtung umzuformen, was, wie ich bereits klargestellt habe, dem Stand der gegenwärtigen Entwicklung des Unionsrechts nicht zu entnehmen ist.

79.      Auf der Ebene des Landes würde die Einführung eines solchen Mindestlohnsatzes die Rechtsvorschriften des Landes, die spezifisch sicherstellen sollen, dass Auftragnehmer die Zahlung eines Mindestlohns zugunsten der Arbeitnehmer einhalten, die im Landesgebiet einen öffentlichen Auftrag ausführen, überflüssig machen.

80.      Unter diesen Umständen wäre die Zuständigkeit des Landes auf diesem Gebiet erheblich verkürzt, wenn nicht inexistent.

81.      Man könnte zwar geltend machen, dass in der in den vorstehenden Nummern dieser Schlussanträge ins Auge gefassten Fallgruppe die Länder immer befugt seien, einen (Mindest-)Lohnsatz festzulegen, der höher als der auf Bundesniveau festgelegte ist, damit örtlichen Lebenshaltungskosten Rechnung getragen würde. Es bliebe jedoch die Frage, ob ein solcher Satz weiter als Mindestlohnsatz zu qualifizieren wäre, und insbesondere, ob er nicht selbst auf die Arbeitnehmer ausgeweitet werden müsste, die zur Ausführung privater Aufträge eingesetzt werden. Die Länder müssten schließlich ganz einfach auf die Ausübung ihrer Zuständigkeit im Sektor der öffentlichen Aufträge verzichten, indem sie in diesem Sektor den auf föderaler Ebene erlassenen Mindestlohnsatz anwendeten.

82.      Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Union nach Art. 4 Abs. 2 EUV verpflichtet ist, die nationale Identität der Mitgliedstaaten zu achten, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt.

83.      Es trifft zu, dass die Mitgliedstaaten, die wie die Bundesrepublik Deutschland eine föderale Struktur haben, sich nicht auf die innerstaatliche Kompetenzverteilung zwischen den Behörden der regionalen oder lokalen Einheiten und den föderalen Behörden berufen können, um die Einhaltung ihrer Verpflichtungen aus dem Unionsrecht zu umgehen(22). Um die Einhaltung dieser Verpflichtungen zu gewährleisten, sind diese verschiedenen Behörden gehalten, die Ausübung ihrer jeweiligen Zuständigkeiten zu koordinieren(23).

84.      Dieses Erfordernis setzt jedoch voraus, dass die Zuständigkeiten dieser Behörden tatsächlich ausgeübt werden können. Nach meinem Verständnis ist Art. 4 Abs. 2 EUV zu entnehmen, dass das Unionsrecht einer regionalen oder lokalen Einheit nicht die tatsächliche Ausübung der Zuständigkeiten nehmen kann, die ihr innerhalb des betreffenden Mitgliedstaats übertragen sind. Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen sollen, wäre dies letztlich die Konsequenz des Vorbringens von RegioPost und der Kommission, dem zufolge die von § 3 LTTG zugunsten der Arbeitnehmer, die einen öffentlichen Auftrag ausführen, aufgestellte Regel auf Arbeitnehmer, die mit der Ausführung privater Aufträge befasst sind, ausgeweitet werden müsste, um mit Art. 56 AEUV vereinbar zu sein.

85.      Es scheint mir also gänzlich stimmig, dass sich angesichts der Zuständigkeit des Landes Rheinland-Pfalz der Anwendungsbereich von § 3 LTTG auf die Arbeitnehmer beschränkt, die öffentliche Aufträge ausführen.

86.      Dieser Ansatz stimmt in meinen Augen auch mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs überein, die dieser im Zusammenhang mit besonderen, unterschiedslos anwendbaren umweltbezogenen Aspekten, die öffentliche Auftraggeber vorschreiben dürfen, entwickelt hat. So können nach dieser Rechtsprechung u. a. solche Aspekte im Kontext der Prüfung der Vergabekriterien für städtische Beförderungsdienstleistungen, die Gegenstand öffentlicher Aufträge sind, berücksichtigt werden und sind mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung vereinbar, ohne dass es erforderlich ist, dass diese Aspekte auf Nahverkehrsbetriebe auch dann erstreckt werden, wenn sie private Aufträge ausführen(24). Anzumerken ist indes, dass sich Art. 26 der Richtlinie 2004/18 in gleicher Weise auf umweltbezogene Aspekte wie soziale Aspekte bezieht, die in der vorliegenden Rechtssache zur Prüfung stehen. Die von der deutschen Regierung skizzierte Analogie der beiden Arten von Aspekten scheint mir eindeutig zu belegen, dass es den Mitgliedstaaten gestattet werden muss, spezifische Maßnahmen in dem Sektor des Wirtschaftslebens zu erlassen, den der Bereich der öffentlichen Aufträge darstellt.

87.      Außerdem halte ich eine nationale Maßnahme wie § 3 LTTG für voll und ganz verhältnismäßig. Sie schreibt nämlich die Einhaltung des vom Land Rheinland-Pfalz festgelegten Mindestentgelts für Auftragnehmer und deren Nachunternehmer nur für diejenigen ihrer Arbeitnehmer vor, die für die Ausführung von öffentlichen Aufträgen eingesetzt werden, und nicht für alle ihre Arbeitnehmer.

88.      Folglich bin ich der Ansicht, dass sich § 3 LTTG durch sein Ziel des Arbeitnehmerschutzes rechtfertigen lässt und Art. 56 AEUV der Anwendung einer solchen Vorschrift in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens somit nicht entgegensteht, ohne dass es erforderlich ist, dass der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf private Aufträge ausgeweitet wird.

89.      Nach alledem schlage ich vor, die erste vom vorlegenden Gericht gestellte Frage wie folgt zu beantworten: Art. 26 der Richtlinie 2004/18 ist dahin auszulegen, dass er der Regelung einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, wonach Bietern und deren Nachunternehmern vorgeschrieben wird, sich mit einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung zu verpflichten, ihren Beschäftigten, die für die Ausführung der Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in der betreffenden Regelung festgelegten Mindeststundenlohn von 8,70 Euro (brutto) zu zahlen.

B –    Zur zweiten Vorlagefrage

90.      Mit seiner zweiten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 26 der Richtlinie 2004/18 gleichwohl dahin auszulegen ist, dass er einer Vorschrift einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats wie § 3 Abs. 1 LTTG entgegensteht, die den zwingenden Ausschluss eines Angebots für den Fall vorsieht, dass sich ein Bieter nicht bereits bei Angebotsabgabe in einer gesonderten Erklärung verpflichtet, den in dieser Vorschrift festgelegten Mindestlohnsatz einzuhalten, zu dem er im Fall der Beauftragung ohnehin vertraglich verpflichtet wäre.

91.      Hierfür ist zum einen die Prüfung der Mittel erforderlich, die die Mitgliedstaaten heranziehen dürfen, um die Erfüllung der von Art. 26 der Richtlinie 2004/18 aufgestellten Bedingungen zu kontrollieren, und zum anderen – für den Fall, dass diese Bedingungen nicht erfüllt sind –, die der Frage, ob eine Sanktion wie der Ausschluss von der Teilnahme an dem Verfahren der Vergabe eines öffentlichen Auftrags angemessen ist.

92.      Mit Ausnahme von RegioPost sind alle Beteiligten, die Erklärungen zu dieser Frage abgegeben haben, der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten ermächtigt sind, die Einhaltung der in Art. 26 der Richtlinie 2004/18 vorgesehenen Bedingungen zu kontrollieren, insbesondere mit Hilfe eines Systems einer Verpflichtungserklärung des Bieters zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe, und dass der öffentliche Auftraggeber, fehlt es an der Vorlage einer solchen Erklärung, befugt ist, den Bieter vom Vergabeverfahren auszuschließen.

93.      Ich teile die Auffassung dieser Beteiligten.

94.      Was den ersten Punkt angeht, so ist es nach meinem Verständnis evident, dass, wenn die Mitgliedstaaten ‐ wovon ich ausgehe ‐ nach Unionsrecht befugt sind, Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, mit denen im Fall der Ausführung öffentlicher Aufträge den beauftragten Unternehmen zusätzliche Arbeitsbedingungen wie die Einhaltung eines Mindestlohnsatzes vorgeschrieben werden sollen, diese Befugnis notwendigerweise impliziert, dass sie Maßnahmen treffen können, die den öffentlichen Auftraggeber in die Lage versetzen, sich zu vergewissern, dass die Bieter und ihre Nachunternehmer diese Bedingungen im Fall der Beauftragung einzuhalten bereit sind.

95.      Im vorliegenden Fall hat die betreffende Maßnahme die Form einer schriftlichen Verpflichtungserklärung, die der Bieter sowohl für sich selbst als auch – gegebenenfalls – für seine Nachunternehmer beibringen muss.

96.      Entgegen dem, was offenbar die Bekanntmachung im Ausgangsverfahren enthält, scheint diese Erklärung nicht einem Dokument über das Mindestniveau der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit zu entsprechen, das vom Bieter nach Art. 47 der Richtlinie 2004/18 verlangt werden kann, ein Niveau, das mit einem oder mehreren der in diesem Artikel genannten Nachweise oder durch ein vom öffentlichen Auftraggeber für geeignet befundenes Dokument über u. a. die Bilanz oder den Gesamt- oder sektoriellen Umsatz des Wirtschaftsteilnehmers belegt werden kann.

97.      Es handelt sich nämlich vor allem um eine Verpflichtungserklärung in Bezug auf die Einhaltung des Gesetzes, d. h. spezifisch der in der Regelung des Landes Rheinland-Pfalz verlangten Arbeitsbedingungen bei der Ausführung von Leistungen im Rahmen eines öffentlichen Auftrags.

98.      Zwar ist es möglich, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof, die Auffassung zu vertreten, dass der Nachweis, dass der Bieter oder seine Nachunternehmer in der Lage seien, das in der Regelung des Landes Rheinland-Pfalz festgelegte Mindestentgelt an die für die Ausführung des öffentlichen Auftrags eingesetzten Beschäftigten zu zahlen, eine bestimmte finanzielle Leistungsfähigkeit voraussetzt.

99.      Wenn der Gerichtshof davon ausgehen sollte, dass sich die Verpflichtungserklärung zur Zahlung eines Mindestlohns auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bieters bezieht, wäre das Erfordernis der Einreichung einer solchen Erklärung jedenfalls nicht von Art. 47 der Richtlinie 2004/18 verboten. Denn der Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass die Nennung der Gesichtspunkte, die es erlauben, das Mindestniveau der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit zu beurteilen, nicht abschließend ist(25).

100. Jedenfalls ist eine solche Verpflichtungserklärung zur Zahlung des in der Regelung des Landes Rheinland-Pfalz festgelegten Mindestentgelts nicht für sich allein geeignet, dem Bieter eine derart unerträgliche zusätzliche Belastung aufzubürden, dass sie das Vergabeverfahren störender gestalten würde, als es ohne das Erfordernis der Vorlage dieser Erklärung wäre. Mit dieser Erklärung will der öffentliche Auftraggeber nämlich nur überprüfen, dass sich der Bieter zur Einhaltung der in § 3 LTTG vorgesehenen Bedingung der Ausführung des Auftrags verpflichtet. Eine solche Erklärung ist im Übrigen, wie die Kommission ausführt, ein probates Mittel, bei den Bietern und ihren Nachunternehmen die Erfüllung der Bedingungen für die Ausführung öffentlicher Aufträge zu überprüfen. Die Einreichung einer solchen Erklärung zu verlangen, erlaubt es auch, die Transparenz der zusätzlichen Bedingungen der Vergabebekanntmachung und/oder der Verdingungsunterlagen sicherzustellen, indem die Bieter für die Bedeutung sensibilisiert werden, die der öffentliche Auftraggeber diesen Bedingungen beimisst.

101. Was den zweiten Punkt angeht, d. h. die Frage des Ausschlusses vom Vergabeverfahren für den Fall, dass der Bieter sich weigert, eine solche Verpflichtungserklärung abzugeben, schließe ich mich dem Argument der Kommission an, wonach dieser Fall zu der Annahme berechtigt, dass der Bieter nicht beabsichtigt, die Bedingung gemäß § 3 LTTG einzuhalten.

102. Es wäre widersinnig und schwerlich mit der rationellen Nutzung öffentlicher Finanzen zu vereinbaren, ein solches Verfahren der Auftragsvergabe mit einem derartigen Wirtschaftsteilnehmer fortzusetzen und eventuell den Vertrag über den Auftrag mit ihm zu schließen, nur um ihm anschließend Vertragsstrafen wegen Nichtbeachtung der in § 3 LTTG enthaltenen Bedingung auferlegen zu müssen.

103. Ferner ist anzumerken, dass der 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 u. a. vorsieht, dass insbesondere bei Nichteinhaltung der im Bereich der Arbeitsbedingungen geltenden Gesetze und Regelungen die Mitgliedstaaten diese Nichteinhaltung als eine schwere Verfehlung oder als ein Delikt betrachten können, das die berufliche Zuverlässigkeit des Wirtschaftsteilnehmers in Frage stellt und dessen Ausschluss vom Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags zur Folge haben kann.

104. Wenn auch die Weigerung, eine Verpflichtungserklärung über das Mindestentgelt abzugeben, meiner Ansicht nach nicht eigentlich als schwere Verfehlung eingestuft werden kann, so ist doch der Gedanke, der dem 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 zugrunde liegt, der, dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, einen Wirtschaftsteilnehmer auszuschließen, der keinerlei Absicht hat, die am Ort der Ausführung des öffentlichen Auftrags geltenden Arbeitsbedingungen einzuhalten. Es kann nach meinem Verständnis von den Mitgliedstaaten nicht verlangt werden, dass sie eine solche Maßnahme nur den Fällen vorbehalten, in denen ihre Behörden feststellen, dass der Bieter, der den Zuschlag für den öffentlichen Auftrag erhalten hat, gegen die Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Beachtung dieser Arbeitsbedingungen verstoßen hat.

105. Der Ausschluss des Bieters vom Verfahren der Vergabe eines öffentlichen Auftrags mit der Begründung, er weigere sich, die Verpflichtungserklärung nach § 3 LTTG abzugeben, stellt somit nach meinem Dafürhalten eine angemessene Maßnahme dar, um zu vermeiden, dass der öffentliche Auftraggeber dazu gelangen könnte, einen Bewerber auszuwählen, der nicht die Absicht hat, den von diesem öffentlichen Auftraggeber verlangten Anforderungen im Bereich der Einhaltung eines Mindestlohns nachzukommen.

106. Wie sich aus dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens ergibt, ist schließlich darauf hinzuweisen, dass der Ausschluss eines Bieters, der zum Zeitpunkt der Abgabe seines Angebots keine Verpflichtungserklärung in Bezug auf das Mindestentgelt beigefügt hat, kein Automatismus ist. Denn nach § 3 LTTG muss der öffentliche Auftraggeber, bevor er ein solches Angebot ausschließen darf, noch einmal dazu auffordern, die Verpflichtungserklärung binnen einer bestimmten Frist vorzulegen, was es ermöglicht, ein Versehen oder einen Irrtum seitens des Bieters zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe zu berichtigen. Eine solche den öffentlichen Auftraggeber treffende Verpflichtung erscheint durchaus verhältnismäßig.

107. Angesichts dieser Erwägungen schlage ich vor, die zweite Vorlagefrage wie folgt zu beantworten: Art. 26 der Richtlinie 2004/18 ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die den zwingenden Ausschluss eines Angebots in dem Fall vorsieht, dass sich ein Bieter im Rahmen eines öffentlichen Auftrags nicht für sich selbst und für seine Nachunternehmer in einer gesonderten Erklärung zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bzw. nach erneuter Aufforderung durch den öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, den in dieser Regelung festgelegten Mindestlohnsatz für den Fall einzuhalten, dass er mit der Ausführung der Leistungen des fraglichen öffentlichen Auftrags beauftragt wird.

III – Ergebnis

108. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Oberlandesgericht Koblenz vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

1.      Art. 26 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass er der Regelung einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, wonach Bietern und deren Nachunternehmern vorgeschrieben wird, sich mit einer schriftlichen, ihrem Angebot beizufügenden Erklärung zu verpflichten, ihren Beschäftigten, die für die Ausführung der Leistungen, die Gegenstand eines öffentlichen Auftrags sind, eingesetzt werden sollen, einen in der betreffenden Regelung festgelegten Mindeststundenlohn von 8,70 Euro (brutto) zu zahlen.

2.      Art. 26 der Richtlinie 2004/18 ist dahin auszulegen, dass er auch einer Regelung einer regionalen Einheit eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die den zwingenden Ausschluss eines Angebots in dem Fall vorsieht, dass sich ein Bieter im Rahmen eines öffentlichen Auftrags nicht für sich selbst und für seine Nachunternehmer in einer gesonderten Erklärung zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe bzw. nach erneuter Aufforderung durch den öffentlichen Auftraggeber verpflichtet, den in dieser Regelung festgelegten Mindestlohnsatz für den Fall einzuhalten, dass er mit der Ausführung der Leistungen des fraglichen öffentlichen Auftrags beauftragt wird.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. L 134, S. 114, Berichtigung ABl. L 351, S. 44. Zuletzt wurde diese Richtlinie durch die Verordnung (EU) Nr. 1251/2011 der Kommission vom 30. November 2011 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG, 2004/18/EG und 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren (ABl. L 319, S. 43) geändert. Sie wurde durch die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18 (ABl. L 94, S. 65) ersetzt. Diese Richtlinie war jedoch zum im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt nicht anwendbar.


3 – ABl. 1997, L 18, S. 1.


4 – Vgl. insbesondere Urteil Omalet (C‑245/09, EU:C:2010:808, Rn. 12) und Beschluss Tudoran (C‑92/14, EU:C:2014:2051, Rn. 37).


5 – Vgl. insbesondere zur Niederlassungsfreiheit Urteil Blanco Pérez und Chao Gómez (C‑570/07 und C‑571/07, EU:C:2010:300, Rn. 40) sowie für den freien Dienstleistungsverkehr Urteile Garkalns (C‑470/11, EU:C:2012:505, Rn. 21) und Citroën Belux (C‑265/12, EU:C:2013:498, Rn. 33).


6 – Vgl. insbesondere Urteile Gimont (C‑448/98, EU:C:2000:663, Rn. 23), Salzmann (C‑300/01, EU:C:2003:283, Rn. 34), Susisalo u. a. (C‑84/11, EU:C:2012:374, Rn. 21 und 22) und Ordine degli Ingegneri di Verona e Provincia u. a. (C‑111/12, EU:C:2013:100, Rn. 34).


7 – Vgl. u. a. Urteile Dzodzi (C‑297/88 und C‑197/89, EU:C:1990:360, Rn. 37), Cicala (C‑482/10, EU:C:2011:868, Rn. 19), Nolan (C‑583/10, EU:C:2012:638, Rn. 47) und Romeo (C‑313/12, EU:C:2013:718, Rn. 23).


8 – Urteile Venturini u. a. (C‑159/12 bis C‑161/12, EU:C:2013:791, Rn. 25 und 26) und Sokoll‑Seebacher (C‑367/12, EU:C:2014:68, Rn. 10 und 11).


9 – Die von der Richtlinie 2004/18 erfassten Dienstleistungen umfassen Postbeförderungsdienstleistungen im Landverkehr nach Anhang II Teil A Nr. 4. Der Schwellenwert von 200 000 Euro nach Art. 7 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 wurde durch Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1251/2011 festgelegt.


10 – Obwohl diese Beteiligten geltend machen, dass die erste Frage unzulässig sei, müsste die Konsequenz der Feststellung, dass ein rein interner Sachverhalt vorliegt, für den Gerichtshof Anlass sein, sich grundsätzlich für die Beantwortung der Frage für unzuständig zu erklären. Es handelt sich nämlich um einen Sachverhalt, der grundsätzlich keinerlei Anknüpfungspunkt an das Unionsrecht besitzt und mithin nicht durch die Übersendung einer weiteren Vorlageentscheidung berichtigt werden kann.


11 – Vgl. Urteile Concordia Bus Finland (C‑513/99, EU:C:2002:495, Rn. 81) und Fabricom (C‑21/03 und C‑34/03, EU:C:2005:127, Rn. 26).


12 – Vgl. entsprechend für die aus der Anwendung der nationalen Regelung folgende Verpflichtung, unionsrechtliche Lösungen auf rein interne Sachverhalte zu erstrecken, Urteile Modehuis A. Zwijnenburg (C‑352/08, EU:C:2010:282, Rn. 33) und Isbir (C‑522/12, EU:C:2013:711, Rn. 28).


13 – Vgl. entsprechend zur Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54), die durch die Richtlinie 2004/18 aufgehoben wurde, Urteil Michaniki (C‑213/07, EU:C:2008:731, Rn. 29 und 30).


14 – Hervorhebung nur hier.


15 – Zur Veranschaulichung sei auf Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 96/71 verwiesen, der die „Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“, darunter „Mindestlohnsätze“ aufzählt, die die Mitgliedstaaten zulässigerweise von Unternehmen verlangen können, die Arbeitnehmer im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen in ihr Hoheitsgebiet entsenden.


16 – Rn. 27 des Urteils.


17 – Ebd. (Rn. 25 und 26).


18 – Vgl. Urteil Rüffert (C‑346/06, EU:C:2008:189, Rn. 37). Vgl. auch Urteil Bundesdruckerei (C‑549/13, EU:C:2014:2235, Rn. 30).


19 – Der Gerichtshof überprüfte nämlich, ob der fragliche Tarifvertrag den materiellen Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 96/71 genügte, einer Bestimmung, die, wie er in Rn. 27 des Urteils Rüffert (C‑346/06, EU:C:2008:189) selbst bestätigte, nur in Mitgliedstaaten gilt, in denen es kein System zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen gibt (wie das beim Königreich Schweden in der Rechtssache Laval un Partneri, C‑341/05, EU:C:2007:809, der Fall war). Da jedoch die Bundesrepublik Deutschland über ein solches System verfügt, brauchte nicht geprüft zu werden, ob die Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 96/71 erfüllt waren.


20 – Denn die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2004/18 war auf den 31. Januar 2006 festgesetzt; dagegen ereignete sich der Sachverhalt, der dem Urteil Rüffert zugrunde liegt, in den Jahren 2003 und 2004.


21 – Zum Fehlen einer solchen Verpflichtung, die sich insbesondere aus der Richtlinie 96/71 ergeben soll, vgl. Urteil Kommission/Deutschland (C‑341/02, EU:C:2005:220, Rn. 26) sowie meine Schlussanträge in der Rechtssache Laval un Partneri (C‑341/05, EU:C:2007:291, Rn. 196).


22 – Vgl. insbesondere Urteil Carmen Media Group (C‑46/08, EU:C:2010:505, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).


23 – Vgl. Urteile Carmen Media Group (C‑46/08, EU:C:2010:505, Rn. 70) sowie Digibet und Albers (C‑156/13, EU:C:2014:1756, Rn. 35).


24 – Vgl. Urteil Concordia Bus Finland (C‑513/99, EU:C:2002:495, Rn. 83 bis 86).


25 – Vgl. Urteil Édukövízig und Hochtief Construction (C‑218/11, EU:C:2012:643, Rn. 28).