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Amtsblattmitteilung

 

Ersuchen um Vorabentscheidung, vorgelegt durch Urteil des Hoge Raad der Nederlanden vom 27. September 2002 in dem Rechtsstreit 1. Pearle BV, 2. Hans Prijs Optiek Franchise BV, 3. Rinck Opticiëns BV gegen Hoofbedrijfschap Ambachten (Berufsverband des Handwerks)

    (Rechtssache C-345/02)

Der Hoge Raad der Nederlanden ersucht den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften durch Urteil vom 27. September 2002, bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen am 30. September 2002, in dem Rechtsstreit 1. Pearle BV, 2. Hans Prijs Optiek Franchise BV, 3. Rinck Opticiëns BV gegen Hoofbedrijfschap Ambachten (Berufsverband des Handwerks) um Vorabentscheidung über folgende Fragen:

(1)Ist eine Regelung wie die vorliegende, nach der Abgaben zur Finanzierung von kollektiven Werbekampagnen erhoben werden, als (Teil einer) Beihilfemaßnahme im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen und ist ihre beabsichtigte Einführung nach Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag bei der Kommission anzumelden? Gilt dies nur für die Begünstigung in Form des Organisierens und des Angebots von kollektiven Werbekampagnen oder auch für deren Finanzierungsmodalitäten wie eine Abgabensatzung und/oder die darauf gegründete Abgabenentscheidung? Macht es dabei einen Unterschied, ob die kollektiven Werbekampagnen (Unternehmen in) derselben Branche wie der angeboten werden, der die fragliche Abgabenentscheidung auferlegt wurde? Wenn ja, was für einen Unterschied? Ist es dabei von Belang, ob die der öffentlich-rechtlichen Körperschaft entstandenen Kosten insgesamt durch die zweckgebundenen Abgaben zu Lasten der Unternehmen, die von der Leistung profitieren, ausgeglichen werden, so dass die Begünstigung die Körperschaft per Saldo nichts kostet? Ist es dabei von Belang, dass der Nutzen der kollektiven Werbekampagnen mehr oder weniger gleichmäßig über die Branche verteilt wird und auch die einzelnen Betriebe innerhalb der Branche so zu betrachten sind, als hätten sie einen mehr oder weniger gleichen Nutzen oder Gewinn dieser Kampagnen erhalten?

(2)Gilt die Anmeldepflicht nach Artikel 93 Absatz 3 für jede Beihilfe oder nur für eine Beihilfe, die den Tatbestand des Artikels 92 Absatz 1 erfüllt? Hat ein Mitgliedstaat die Freiheit, zu beurteilen, ob eine Beihilfe den Tatbestand nach Artikel 92 Absatz 1 erfüllt, und kann er dadurch der Anmeldepflicht entgehen? Wenn ja, was für eine Freiheit? Und inwiefern kann die Beurteilungsfreiheit die Anmeldepflicht nach Artikel 93 Absatz 3 beschränken? Oder entfällt die Anmeldepflicht erst dann, wenn es außerhalb vernünftigen Zweifels steht, dass von einer Beihilfe keine Rede sein kann?

(3)Wenn der nationale Richter zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 vorliegt, muss er dann die "de-minimis"-Regel, wie sie die Kommission in der Bekanntmachung im ABl. 1992, C 213, (und später im ABl. 1996, C 68) formuliert hat, bei der Entscheidung berücksichtigen, ob die Maßnahme als Beihilfe anzusehen ist, die gemäß Artikel 93 Absatz 3 bei der Kommission hätte angemeldet werden müssen? Wenn ja, muss diese "de-minimis"-Regel dann auch rückwirkend auf Beihilfen angewandt werden, die vor der Bekanntmachung der Regel durchgeführt wurden, und auf welche Weise muss diese "de-minimis"-Regel auf Beihilfen wie jährliche kollektive Werbekampagnen angewandt werden, die der ganzen Branche zugute kommen?

(4)Folgt aus den Erwägungen in der Rechtssache C-39/94 (SFEI/La Poste, Slg. 1996, I-3547) im Hinblick auf die praktische Wirksamkeit von Artikel 93 Absatz 3, dass der nationale Richter sowohl die Satzungen als auch die aufgrund dieser Satzungen erlassenen Abgabenentscheidungen für nichtig erklären muss und dass der Richter die Behörden zur Rückzahlung der Abgaben verurteilen muss, auch wenn die in der niederländischen Rechtsprechung entwickelte Regel der formellen Rechtskraft der Abgabenentscheidungen dem entgegenstünde? Ist es dabei von Belang, dass die Rückzahlung der Abgaben den Vorteil, den die Branche und die einzelnen Unternehmen in der Branche durch die kollektive Werbekampagne erlangt haben, tatsächlich nicht beseitigt? Lässt es das Gemeinschaftsrecht zu, dass die Rückzahlung der zweckgebundenen Abgaben ganz oder teilweise unterbleibt, wenn nach dem Urteil des nationalen Richters die Branche oder die einzelnen Unternehmen durch die Rückzahlung im Zusammenhang damit, dass der als Folge der Werbekampagnen erlangte Vorteil nicht in natura zurückgewährt werden kann, zu Unrecht einen Vorteil erlangen würden?

(5)Kann sich eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, wenn eine Beihilfe nicht nach Artikel 93 Absatz 3 angeneldet wurde, gegen eine Rückzahlungsverpflichtung auf die oben dargestellte Regel der formellen Rechtskraft der Abgabenentscheidung berufen, wenn derjenige, an den sich diese Entscheidung richtete, zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung und während der Frist, innerhalb deren diese in einem verwaltungsrechtlichen Verfahren hätte angefochten werden können, nicht darüber informiert war, dass die Beihilfe, deren Bestandteil die Abgabe ist, nicht angemeldet war? Darf ein Bürger in diesem Zusammenhang davon ausgehen, dass die Körperschaft ihren Anmeldepflichten nach Artikel 93 Absatz 3 nachgekommen ist?

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