Language of document : ECLI:EU:T:2007:58

URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)

17. September 2007(*)

„Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Nachprüfungsbefugnisse der Kommission – Während einer Nachprüfung beschlagnahmte Schriftstücke – Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant – Zulässigkeit“

In den verbundenen Rechtssachen T‑125/03 und T‑253/03

Akzo Nobel Chemicals Ltd, mit Sitz in Hersham, Walton on Thames, Surrey (Vereinigtes Königreich),

und

Akcros Chemicals Ltd, mit Sitz in Hersham, Walton on Thames, Surrey,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Swaak, M. Mollica und M. van der Woude,

Klägerinnen,

unterstützt durch

Conseil des barreaux européens (CCBE), mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigter: J. Flynn, QC,

Algemene Raad van de Nederlandse Orde van Advocaten, mit Sitz in Den Haag (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte O. Brouwer und C. Schillemans,

European Company Lawyers Association (ECLA), mit Sitz in Brüssel, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Dolmans und K. Nordlander sowie J. Temple Lang, Solicitor,

American Corporate Counsel Association (ACCA) – European Chapter, mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt G. Berrisch und D. Hull, Solicitor,

und durch

International Bar Association (IBA), mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Buhart,

Streithelfer,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten zunächst durch R. Wainwright und C. Ingen-Housz, dann durch F. Castillo de la Torre und X. Lewis als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen erstens Nichtigerklärung der Entscheidung C (2003) 559/4 der Kommission vom 10. Februar 2003 und, soweit erforderlich, der Entscheidung C (2003) 85/4 der Kommission vom 30. Januar 2003, mit denen den Unternehmen Akzo Nobel Chemicals Ltd, Akcros Chemicals Ltd und Akcros Chemicals sowie ihren Tochtergesellschaften aufgegeben wurde, nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), angeordnete Nachprüfungen zu dulden (Sache COMP/E-1/38.589), sowie Erteilung einer Anordnung an die Kommission, mit der ihr die Rückgabe bestimmter im Rahmen der besagten Nachprüfung beschlagnahmter Schriftstücke aufgegeben und die Verwendung ihres Inhalts untersagt wird (Rechtssache T‑125/03), und zweitens Nichtigerklärung der Entscheidung C (2003) 1533 final der Kommission vom 8. Mai 2003 über die Ablehnung eines Antrags auf Gewährung des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant für diese Schriftstücke (Rechtssache T‑253/03)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. D. Cooke sowie des Richters R. García-Valdecasas, der Richterin I. Labucka und der Richter M. Prek und V. Ciucă,

Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2007

folgendes

Urteil

 Sachverhalt und Verfahren

1        Am 10. Februar 2003 erließ die Kommission die Entscheidung C (2003) 559/4 zur Änderung der Entscheidung C (2003) 85/4 der Kommission vom 30. Januar 2003, mit denen insbesondere den Unternehmen Akzo Nobel Chemicals Ltd. und Akcros Chemicals Ltd sowie ihren Tochtergesellschaften aufgegeben wurde, nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), angeordnete Nachprüfungen zu dulden, mit denen Beweise für etwaige wettbewerbswidrige Praktiken beigebracht werden sollten (im Folgenden insgesamt: Nachprüfungsanordnung).

2        Am 12. und 13. Februar 2003 führten Bedienstete der Kommission mit Unterstützung von Vertretern des Office of Fair Trading (OFT, britische Wettbewerbsbehörde) aufgrund der Nachprüfungsanordnung eine Nachprüfung in den Geschäftsräumen der Klägerinnen in Eccles, Manchester (Vereinigtes Königreich), durch. Hierbei fertigten die Bediensteten der Kommission Kopien einer größeren Anzahl von Schriftstücken an.

3        Bei diesen Maßnahmen wiesen die Vertreter der Klägerinnen die Bediensteten der Kommission darauf hin, dass bestimmte Unterlagen unter den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant fallen könnten (legal professional privilege, LPP; Rechtsanwaltsgeheimnis).

4        Die Bediensteten der Kommission wiesen die Vertreter der Klägerinnen sodann darauf hin, dass sie die betreffenden Unterlagen summarisch durchsehen müssten, um sich ihre eigene Meinung über den möglicherweise erforderlichen Schutz dieser Schriftstücke zu bilden. Nach längerer Erörterung und nachdem die Bediensteten der Kommission und des OFT die Vertreter der Klägerinnen auf die Folgen einer Behinderung der Untersuchungsmaßnahmen hingewiesen hatten, wurde beschlossen, dass der für die Nachprüfung Verantwortliche die betreffenden Unterlagen im Beisein eines Vertreters der Klägerinnen summarisch prüfen solle.

5        Bei der Prüfung der betreffenden Unterlagen entstand Streit über fünf Schriftstücke, die letztlich von der Kommission in zweifacher Weise behandelt wurden.

6        Das erste Schriftstück ist ein zweiseitiger, maschinengeschriebener Vermerk des leitenden Geschäftsführers von Akcros Chemicals vom 16. Februar 2000 für einen seiner Vorgesetzten, der nach Darstellung der Klägerinnen Informationen enthält, die sein Verfasser bei internen Gesprächen mit anderen Angestellten zusammengetragen hatte, um einen externen rechtlichen Rat im Rahmen eines von Akzo Nobel erstellten Programms zur Einhaltung des Wettbewerbsrechts einzuholen. Das zweite Schriftstück ist ein zweites Exemplar dieses Vermerks mit handschriftlichen Anmerkungen, die sich auf Kontakte mit einem Rechtsanwalt der Klägerinnen beziehen und in denen auch dessen Name genannt ist.

7        Nachdem sich die Klägerinnen zu diesen beiden ersten Schriftstücken geäußert hatten, sahen sich die Bediensteten der Kommission nicht in der Lage, sofort den Schutz endgültig zu beurteilen, der den genannten Schriftstücken möglicherweise zukommen könnte. Sie fertigten daher von ihnen eine Kopie an und legten diese in einen versiegelten Umschlag, den sie am Ende der Nachprüfung mitnahmen. Die Klägerinnen ordneten diese beiden Schriftstücke in die „Serie A“ ein.

8        Die dritten streitigen Unterlagen bestehen aus einer Reihe handschriftlicher Notizen des leitenden Geschäftsführers von Akcros Chemicals, die nach Darstellung der Klägerinnen bei Gesprächen mit Angestellten gefertigt und für die Abfassung des maschinengeschriebenen Vermerks der Serie A verwendet wurden. Die beiden letzten Unterlagen schließlich sind zwei E-Mails zwischen dem leitenden Geschäftsführer von Akcros Chemicals und dem Koordinator von Akzo Nobel für das Wettbewerbsrecht, Herrn S., einem in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwalt, der zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Rechtsabteilung von Akzo Nobel angehörte und mithin im festen Angestelltenverhältnis in diesem Unternehmen stand.

9        Nach Durchsicht der drei letztgenannten Unterlagen gelangte die für die Nachprüfung Verantwortliche nach den Erläuterungen der Klägerinnen zu dem Schluss, dass diese Unterlagen mit Sicherheit nicht durch die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant geschützt seien. Folglich fertigte sie davon eine Kopie an und gab diese zu den Akten, ohne sie in einem versiegelten Umschlag getrennt zu halten. Die Klägerinnen ordneten diese drei Unterlagen in die „Serie B“ ein.

10      Am 17. Februar 2003 übermittelten die Klägerinnen der Kommission ein Schreiben mit den Gründen, weshalb ihres Erachtens die Schriftstücke der Serie A und der Serie B durch die Vertraulichkeit geschützt sind.

11      Mit Schreiben vom 1. April 2003 teilte die Kommission den Klägerinnen mit, dass deren Argumente im Schreiben vom 17. Februar 2003 sie nicht davon überzeugt hätten, dass die genannten Schriftstücke tatsächlich unter die Vertraulichkeit fielen. Sie wies indessen darauf hin, dass die Klägerinnen die Möglichkeit hätten, zu diesen ersten Schlussfolgerungen binnen einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen, nach deren Ablauf sie eine endgültige Entscheidung treffen werde.

12      Mit Klageschrift, die am 11. April 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen gemäß Art. 230 Abs. 4 EG Klage auf erstens Nichtigerklärung der Entscheidung vom 10. Februar 2003 und, soweit erforderlich, der Entscheidung vom 30. Januar 2003 sowie auf Rückgabe der streitigen Unterlagen erhoben (Rechtssache T‑125/03).

13      Am 17. April 2003 teilten die Klägerinnen der Kommission die Einreichung ihrer Klageschrift in der Rechtssache T‑125/03 mit. Sie wiesen diese zugleich darauf hin, dass die Stellungnahme, zu der sie am 1. April 2003 aufgefordert worden seien, in dieser Klageschrift enthalten sei. Am gleichen Tag haben die Klägerinnen gemäß Art. 242 EG und 243 EG einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung vom 10. Februar 2003 eingereicht (T‑125/03 R).

14      Am 8. Mai 2003 erließ die Kommission die Entscheidung C (2003) 1533 final, mit der für die streitigen Unterlagen der Antrag auf Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 abgelehnt wurde (im Folgenden: Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003). In Art. 1 dieser Entscheidung weist die Kommission den Antrag der Klägerinnen zurück, ihnen die Unterlagen der Serie A und der Serie B zurückzugeben und die Vernichtung sämtlicher im Besitz der Kommission befindlicher Kopien dieser Schriftstücke zu bestätigen. In Art. 2 der Entscheidung erklärt die Kommission ihre Absicht, den versiegelten Umschlag mit den Schriftstücken der Serie A zu öffnen und diese zu den Akten zu geben, mit der Maßgabe, dass sie diese Maßnahme nicht vor Ablauf der Frist für die Erhebung einer Klage gegen die genannte Entscheidung durchführen werde.

15      Mit Klageschrift, die am 4. Juli 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen gemäß Art. 230 Abs. 4 EG Klage auf Nichtigerklärung der Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 erhoben (Rechtssache T‑253/03). Mit besonderem bei der Kanzlei des Gerichts am 11. Juli 2003 eingetragenem Schriftsatz haben die Klägerinnen einen Antrag auf einstweilige Anordnung zur Aussetzung des Vollzugs dieser Entscheidung eingereicht (Rechtssache T‑253/03 R).

16      Mit Anträgen, die jeweils am 30. Juli, 7. August sowie 11. und 18. August 2003 eingereicht worden sind, haben der Conseil des barreaux européens (CCBE, Rat der Anwaltschaften der Europäischen Union), der Algemene Raad van de Nederlandse Orde van Advocaten (niederländische Rechtsanwaltskammer) und die European Company Lawyers Association (ECLA, Europäischer Verband der Unternehmensjuristen) ihre Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen in den Rechtssachen T‑125/03 und T‑253/03 beantragt. Mit zwei Beschlüssen des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts vom 4. November 2003 sind diese Verbände als Streithelfer zugelassen worden.

17      Mit besonderem Schriftsatz, der am 1. August 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Art. 114 der Verfahrensordnung des Gerichts gegenüber der Klage in der Rechtssache T‑125/03 eine Unzulässigkeitseinrede erhoben.

18      Am 8. September 2003 hat die Kommission im Rahmen der den vorläufigen Rechtsschutz betreffenden Rechtssachen T‑125/03 R und T‑253/03 R auf Anordnung des Präsidenten des Gerichts diesem vertraulich eine Kopie der Schriftstücke der Serie B sowie den versiegelten Umschlag mit den Schriftstücken der Serie A vorgelegt.

19      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 30. Oktober 2003, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission (T‑125/03 R und T‑253/03 R, Slg. 2003, II‑4771), ist der Antrag auf einstweilige Anordnung in der Rechtssache T‑125/03 R zurückgewiesen, dem Antrag auf einstweilige Anordnung in der Rechtssache T‑253/03 R hingegen teilweise stattgegeben worden. Der Vollzug der Bestimmungen der Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003, mit denen die Kommission beschlossen hatte, den versiegelten Umschlag mit den Unterlagen der Serie A zu öffnen, ist somit ausgesetzt worden. Der Präsident des Gerichts hat angeordnet, dass diese Unterlagen in der Kanzlei des Gerichts verwahrt werden, bis das Gericht in der Hauptsache entschieden hat. Der Präsident des Gerichts hat ferner die Erklärung der Kommission zur Kenntnis genommen, dass sie Dritten bis zum Urteil in der Rechtssache T‑253/03 keinen Zugang zu den Unterlagen der Serie B gewährt.

20      Mit Anträgen, die jeweils am 17. Oktober und 26. November 2003 sowie am 25. November 2003 eingereicht worden sind, haben der European Council on Legal Affairs (Europäischer Rat für Rechtsangelegenheiten) und die Section on Business Law der International Bar Association (Sektion Wirtschaftsrecht des Internationalen Rechtsanwaltsverbands) ihre Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen in den Rechtssachen T‑125/03 und T‑253/03 beantragt. Mit Beschlüssen vom 28. Mai 2004 hat das Gericht diese Anträge auf Zulassung als Streithelfer zurückgewiesen.

21      Am 13. November 2003 hat die Kommission eine vorrangige Entscheidung gemäß Art. 55 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt. Sie hat diesen Antrag am 8. Oktober 2004 erneut gestellt.

22      Mit Antrag, der am 25. November 2003 eingereicht worden ist, hat die American Corporate Counsel Association (ACCA) – European Chapter (Amerikanischer Unternehmensberaterverband – europäische Sektion) ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen in der Rechtssache T‑253/03 beantragt. Mit Beschluss des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts vom 10 März 2004 ist die ACCA als Streithelferin zugelassen worden.

23      Mit Beschluss des Gerichts vom 5. März 2004 ist die Entscheidung über die Unzulässigkeitseinrede der Kommission in der Rechtssache T‑125/03 gemäß Art. 114 § 4 der Verfahrensordnung dem Endurteil vorbehalten worden.

24      Mit Beschluss vom 27. September 2004, Kommission/Akzo und Akcros (C‑7/04 P[R], Slg. 2004, I‑8739), hat der Präsident des Gerichtshofs aufgrund eines Rechtsmittels der Kommission den Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 30. Oktober 2003, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, insoweit aufgehoben, als darin der Vollzug der Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 ausgesetzt und die Verwahrung der Unterlagen der Serie A in der Kanzlei des Gerichts angeordnet worden war. Hingegen ist die Erklärung der Kommission zur Kenntnis genommen worden, dass sie Dritten bis zum Urteil in der Rechtssache T‑253/03 keinen Zugang zu den Unterlagen der Serie A gewährt.

25      Aufgrund des vorgenannten Beschlusses Kommission/Akzo und Akcros hat die Kanzlei des Gerichts mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 den versiegelten Umschlag mit den Unterlagen der Serie A an die Kommission zurückgegeben.

26      Am 20. Februar 2006 hat die International Bar Association (IBA, Internationaler Rechtsanwaltsverband) Anträge auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen in den Rechtssachen T‑125/03 und T‑253/03 eingereicht. Mit zwei Beschlüssen des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichts vom 26. Februar 2007 ist die IBA als Streithelferin zugelassen worden.

27      Gemäß Art. 14 der Verfahrensordnung hat das Gericht auf Vorschlag der Ersten Kammer am 19. April 2007 nach Anhörung der Parteien gemäß Art. 51 der Verfahrensordnung beschlossen, die Rechtssachen an die Erste erweiterte Kammer zu verweisen.

28      Mit Beschluss des Präsidenten der Ersten erweiterten Kammer des Gerichts vom 20. April 2007 sind die Rechtssachen T‑125/03 und T‑253/03 gemäß Art. 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

29      Mit Beschluss der Ersten erweiterten Kammer vom 25. April 2007 hat das Gericht gemäß Art. 24 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und den Art. 65 Buchst. b, 66 § 1 und 67 § 3 Abs. 2 der Verfahrensordnung die Kommission aufgefordert, die Schriftstücke der Serien A und B vorzulegen. Die Kommission hat dem fristgerecht entsprochen.

30      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

31      Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 28. Juni 2007 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

32      In der Rechtssache T‑125/03 beantragen die Klägerinnen,

–        die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen;

–        die Entscheidung vom 10. Februar 2003 und, soweit erforderlich, die Entscheidung vom 30. Januar 2003 für nichtig zu erklären, soweit die Kommission sie als Rechtfertigung und/oder Grundlage für die Beschlagnahme und/oder Kontrolle und/oder Durchsicht der streitigen Schriftstücke verstanden hat;

–        der Kommission aufzugeben, die streitigen Schriftstücke zurückzugeben, und ihr zu untersagen, deren Inhalt zu verwerten;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

33      Der CCBE, die ECLA und die IBA beantragen in der Rechtssache T‑125/03,

–        die Entscheidung vom 10. Februar 2003 für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

34      Die niederländische Rechtsanwaltskammer unterstützt ebenfalls die Anträge der Klägerinnen in der Rechtssache T‑125/03.

35      Die Kommission beantragt in der Rechtssache T‑125/03,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

36      In der Rechtssache T‑253/03 beantragen die Klägerinnen,

–        die Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

37      Der CCBE, die ECLA, die ACCA und die IBA beantragen in der Rechtssache T‑253/03,

–        die Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

38      Die niederländische Rechtsanwaltskammer unterstützt ebenfalls die Anträge der Klägerinnen in der Rechtssache T‑253/03.

39      Die Kommission beantragt in der Rechtssache T‑253/03:

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Zur Zulässigkeit der Klage in der Rechtssache T‑125/03

 Vorbringen der Parteien

40      Die Kommission macht geltend, dass die Klage in der Rechtssache T‑125/03 unzulässig sei, da die in dieser Rechtssache angefochtene Maßnahme, nämlich die Nachprüfungsanordnung, nicht diejenige sei, die die Rechtswirkungen hervorgebracht habe, um die es im vorliegenden Verfahren gehe. Eine Nichtigkeitsklage sei nur zulässig, wenn erstens die angefochtene Maßnahme zwingende und die Interessen des Klägers berührende Rechtswirkungen erzeuge und damit in eindeutiger Weise dessen Rechtsstellung ändere (Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9) und zweitens der Kläger weiterhin ein Interesse an der Nichtigerklärung habe (Urteil des Gerichtshofs vom 6. März 1979, Simmenthal/Kommission, 92/78, Slg. 1979, 777, Randnr. 32). Bei der Prüfung, ob eine Maßnahme oder eine Entscheidung solche Rechtswirkungen erzeuge, sei auf ihren materiellen Gehalt abzustellen (Urteil des Gerichts vom 20. November 2002, Lagardère und Canal+/Kommission, T‑251/00, Slg. 2002, II‑4825, Randnrn. 63 und 64). Im vorliegenden Fall weise die Nachprüfungsanordnung indessen keine unmittelbare Verbindung zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens auf. Die Beschlagnahme der streitigen Schriftstücke sei nämlich offensichtlich von der Nachprüfungsanordnung trennbar, die lediglich deren Rechtsgrundlage darstelle.

41      Unter den Umständen des vorliegenden Falles sei die Maßnahme, die die Rechtsstellung der Klägerinnen unmittelbar berühre, Gegenstand eines anderen Verfahrens als desjenigen zur Anordnung der Nachprüfung, nämlich des Verfahrens, in dem es speziell um den Vertrauensschutz der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant gehe, wie er im Urteil des Gerichtshofs vom 18. Mai 1982, AM & S/Kommission (155/79, Slg. 1982, 1575, im Folgenden: Urteil AM & S), begründet sei. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens sei die Beschlagnahme der streitigen Schriftstücke lediglich ein vorbereitender Akt für die Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 gewesen, in der die Kommission die spezielle Frage des Schutzes dieser Schriftstücke abschließend entschieden habe. Diese Beschlagnahme stelle somit für sich genommen keinen anfechtbaren Akt dar. Selbst wenn einzuräumen wäre, dass die Nachprüfungsanordnung ursprünglich hätte angefochten werden können, sei diese Klage auf jeden Fall mit dem späteren Erlass der Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 gegenstandslos geworden. Im Übrigen könne auch ohne ein spezielles Verfahren für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der bei einer Nachprüfung vorgenommenen Verfahrensakte deren etwaige Rechtswidrigkeit stets noch mit einer Klage gegen die endgültige Entscheidung geltend gemacht werden, die das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln feststelle.

42      Die Klägerinnen entgegnen, dass die Nichtigerklärung der Nachprüfungsanordnung Rechtswirkungen ihnen gegenüber entfalten könne, nämlich insbesondere in dem Sinne, dass Besitz und Verwendung der beschlagnahmten Schriftstücke durch die Kommission rechtswidrig würden. Zwar stelle diese Anordnung nicht gerade auf diese Schriftstücke ab und es sei praktisch nicht sie, die ihre Rechtsstellung beeinträchtigt habe, sondern die spätere Beschlagnahme und Kontrolle der genannten Schriftstücke durch die Kommission. Wenn indessen die Kommission vor Erlass einer Ad-hoc-Entscheidung, die mit einer gerichtlichen Klage wegen eines Antrags auf vertrauliche Behandlung der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant angegriffen werden könne, Kenntnis vom Inhalt der betreffenden Schriftstücke nehme, so sei damit die Rechtsstellung des betreffenden Unternehmens sofort und unwiederbringlich beeinträchtigt. Der mit Klage angreifbare Akt könne dann nur die Nachprüfungsanordnung sein.

43      Die Klägerinnen seien im vorliegenden Fall nicht verpflichtet gewesen, vor Anrufung der Gemeinschaftsgerichte eine etwaige spätere Ad-hoc-Entscheidung der Kommission abzuwarten, mit der diese den auf der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant beruhenden Schutz der streitigen Schriftstücke ablehne. Diese Entscheidung könne jedenfalls nicht als der Akt betrachtet werden, der ihre Rechtsstellung beeinträchtige, da dies bereits zu dem Zeitpunkt geschehen sei, als die Kommission die Schriftstücke gelesen habe, um die es in diesem Rechtsstreit gehe. Außerdem habe die Kommission ihnen entgegen deren Behauptung bei Abschluss der Nachprüfung nicht zugesichert, dass eine Entscheidung über die Vertraulichkeit der betreffenden Schriftstücke innerhalb einer angemessenen Frist getroffen werde. Ebenso wenig hätten sie eine etwaige abschließende Sanktionsentscheidung der Kommission abwarten müssen, um den Gemeinschaftsrichter anzurufen. Sie müssten nämlich unbedingt in der Lage sein, ihr Recht auf Vertraulichkeit zu schützen, selbst wenn die Sache weder durch eine Entscheidung, mit der ein Verstoß festgestellt werde, noch durch eine die Ermittlungen abschließende Entscheidung beendet werde. Auch eine Klage gegen eine Sanktionsentscheidung reiche nicht aus, um ihre Rechtsstellung angemessen zu schützen.

44      Im Übrigen könnten die Beschlagnahme der streitigen Schriftstücke und die Kenntnisnahme der Kommission von deren Inhalt als solche nicht als die Entscheidung betrachtet werden, durch die ihre Rechtstellung beeinträchtigt worden sei, da diese Offenlegungsmaßnahmen lediglich die Ausführung der Nachprüfungsanordnung seien und von dieser nicht getrennt werden könnten. Zu widersprechen sei ebenfalls dem Standpunkt der Kommission, dass die Beschlagnahme der streitigen Schriftstücke lediglich ein vorbereitender Akt für die Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 gewesen sei. So bestehe zumindest für die Schriftstücke der Serie B kein Zweifel, dass die Kommission bei der Nachprüfung einseitig entschieden habe, dass diese Unterlagen nicht geschützt seien, und angeordnet habe, dass die Klägerinnen sie vorlegten, wobei die Kommission von ihrem Inhalt Kenntnis genommen habe. Die Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 habe nur dann der mit Klage anfechtbare Akt sein können, wenn die Kommission die beiden Unterlageserien ohne vorherige Kontrolle in einen versiegelten Umschlag gelegt hätte. Im vorliegenden Fall habe hingegen diese Ablehnungsentscheidung lediglich die Anordnung der Kommission zur Offenlegung der Schriftstücke der Serie B bestätigt.

 Würdigung durch das Gericht

45      Nach ständiger Rechtsprechung können nur Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen, die geeignet sind, die Interessen des Klägers dadurch zu beeinträchtigen, dass sie seine Rechtsstellung in eindeutiger Weise verändern, Gegenstand einer Nichtigkeitsklage im Sinne von Art. 230 EG sein (Urteil IBM/Kommission, Randnr. 9, und Urteil des Gerichts vom 18. Dezember 1992, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑10/92 bis T‑12/92 und T‑15/92, Slg. 1992, II‑2667, Randnr. 28). Grundsätzlich sind daher Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen, keine anfechtbaren Handlungen. Jedoch gehören nach der Rechtsprechung zu den anfechtbaren Handlungen auch Maßnahmen im vorbereitenden Verfahren, die selbst ein besonderes Verfahren endgültig abschließen, das sich von dem, das der Kommission die Entscheidung in der Sache ermöglichen soll, unterscheidet, und die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die geeignet sind, die Interessen des Klägers dadurch zu beeinträchtigen, dass sie seine Rechtsstellung in eindeutiger Weise verändern (Urteil IBM/Kommission, Randnrn. 10 und 11, und Urteil des Gerichts vom 7. Juni 2006, Österreichische Postsparkasse und Bank für Arbeit und Wirtschaft/Kommission, T‑213/01 und T‑214/01, Slg. 2006, II‑1601, Randnr. 65).

46      Widerspricht ein Unternehmen unter Berufung auf den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant der Beschlagnahme eines Schriftstücks im Rahmen einer Nachprüfung gemäß Art. 14 der Verordnung Nr. 17, so erzeugt eine Entscheidung, mit der die Kommission diesen Antrag zurückweist, Rechtswirkungen gegenüber diesem Unternehmen und verändert in eindeutiger Weise dessen Rechtsstellung. Diese Entscheidung verweigert ihm nämlich einen vom Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Schutz und ist endgültig und unabhängig von der abschließenden Entscheidung, die einen Wettbewerbsverstoß feststellt (vgl. in diesem Sinne Urteil AM & S, Randnrn. 27 und 29 bis 32; vgl. auch entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juni 1986, AKZO Chemie/Kommission, 53/85, Slg. 1986, 1965, Randnrn. 18 bis 20).

47      Die für das Unternehmen bestehende Möglichkeit, gegen eine etwaige Entscheidung Klage zu erheben, mit der ein Wettbewerbsverstoß festgestellt wird, ist für einen angemessenen Schutz seiner Rechte nicht ausreichend. Zum einen ist es möglich, dass das Verwaltungsverfahren nicht zu einer Entscheidung führt, mit der ein Verstoß festgestellt wird. Zum anderen gibt eine Klage gegen diese Entscheidung, falls sie ergeht, dem Unternehmen nicht die Möglichkeit, die unumkehrbaren Wirkungen zu verhindern, die eine rechtswidrige Kenntnisnahme von Schriftstücken mit sich brächte, die durch die Vertraulichkeit geschützt sind (vgl. entsprechend Urteil AKZO Chemie/Kommission, Randnr. 20).

48      Somit beendet die Entscheidung der Kommission, mit der ein Antrag auf Schutz eines bestimmten Schriftstücks, der auf der Vertraulichkeit beruht, abgelehnt – und gegebenenfalls die Herausgabe des betreffenden Schriftstücks angeordnet – wird, ein besonderes Verfahren, das sich von dem unterscheidet, das der Kommission die Entscheidung über das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes ermöglichen soll, und diese Entscheidung stellt daher eine Maßnahme dar, die mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbar ist, falls notwendig begleitet von einem Antrag auf einstweilige Anordnung, um insbesondere die Aussetzung des Vollzugs dieser Maßnahme bis zur Entscheidung des Gerichts über die Klage zu erreichen.

49      Ebenso hat, wenn die Kommission bei einer Nachprüfung ein Schriftstück, für das Schutz wegen Vertraulichkeit beansprucht wird, beschlagnahmt und es zu den Untersuchungsakten gibt, ohne es in einen versiegelten Umschlag zu legen und ohne eine förmliche Ablehnungsentscheidung getroffen zu haben, diese tatsächliche Maßnahme notwendig als stillschweigende Entscheidung der Kommission zu gelten, den vom Unternehmen beanspruchten Schutz abzulehnen (vgl. entsprechend Urteil AKZO Chemie/Kommission, Randnr. 17), und sie gestattet der Kommission, unmittelbar von dem betreffenden Schriftstück Kenntnis zu nehmen (vgl. unten, Randnr. 86). Diese stillschweigende Entscheidung muss daher ebenfalls mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden können.

50      Was erstens die Unterlagen der Serie A anbelangt, so sahen sich die Bediensteten der Kommission bei der Nachprüfung in den Geschäftsräumen der Klägerinnen nicht in der Lage, zu einer endgültigen Meinung über den Schutz zu gelangen, der diesen Unterlagen möglicherweise zukommen könnte, so dass sie sich darauf beschränkten, eine Kopie anzufertigen, die sie in einen versiegelten Umschlag legten, den sie mit sich nahmen (vgl. oben, Randnr. 7). Erst mit der Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 verwarf die Kommission endgültig den Antrag der Klägerinnen auf mit der Vertraulichkeit begründeten Schutz dieser Unterlagen. Zudem erklärte sie darin ihre Absicht, nach Ablauf der Frist für eine Klage gegen diese Entscheidung den versiegelten Umschlag mit den betreffenden Unterlagen zu öffnen und diese zu den Akten zu geben (vgl. oben, Randnr. 14). Es ist im Übrigen unbestritten, dass die Kommission diese Ablehnungsentscheidung getroffen hat, ohne den versiegelten Umschlag zu öffnen und mithin ohne Kenntnis vom Inhalt der Schriftstücke der Serie A zu nehmen.

51      Was zweitens die Unterlagen der Serie B betrifft, so ist die Kommission anders als bei denen der Serie A bei der Nachprüfung davon ausgegangen, dass sie trotz eines entsprechenden Antrags der Klägerinnen offensichtlich nicht unter den Schutz der Vertraulichkeit fielen. Folglich hat sie von ihnen eine Kopie angefertigt und diese zu den Akten gegeben, ohne die Kopie in einem versiegelten Umschlag getrennt zu halten (vgl. oben, Randnr. 9). Die Verweigerung dieses Schutzes ist daher für die Schriftstücke der Serie B bei der Nachprüfung erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt hat die Kommission zudem auch Kenntnis vom Inhalt der fraglichen Schriftstücke nehmen können.

52      Die Maßnahmen mit verbindlichen Rechtswirkungen, die geeignet sind, die Interessen der Klägerinnen dadurch zu beeinträchtigen, dass sie ihre Rechtsstellung in eindeutiger Weise verändern, sind hier somit zum einen, was die Schriftstücke der Serie B betrifft, die stillschweigende Ablehnungsentscheidung in Form der tatsächlichen Beschlagnahme und Beifügung dieser Schriftstücke zu den Akten, ohne sie in einen versiegelten Umschlag zu legen, und zum anderen, was die Schriftstücke der Serie A anbelangt, die förmliche Entscheidung vom 8. Mai 2003 über die Verweigerung des Schutzes. Diese beiden Entscheidungen sind daher Maßnahmen, die mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden können.

53      Mit ihrer Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 hat die Kommission auch bezüglich der Schriftstücke der Serie B den Antrag der Klägerinnen auf Schutz wegen Vertraulichkeit endgültig zurückgewiesen (vgl. oben, Randnr. 14). Damit ist die Kommission ihrer Verpflichtung zum Erlass einer förmlichen Ablehnungsentscheidung bezüglich des Antrags auf Schutz nachgekommen, und sie hat damit das hierfür vorgesehene unterschiedliche besondere Verfahren endgültig abgeschlossen. Diese Entscheidung ist daher bezüglich der Unterlagen der Serie B nicht nur eine bloße Bestätigung. Folglich konnten die Klägerinnen diese Entscheidung ebenfalls bezüglich der Schriftstücke der Serie B anfechten. Zudem bestreitet die Kommission bezüglich dieser Schriftstücke nicht die Zulässigkeit der Klage, die die Klägerinnen in der Rechtssache T‑253/03 gegen die Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 erhoben haben.

54      Demgegenüber hat die – in der Rechtssache T‑125/03 angefochtene – Nachprüfungsanordnung nicht die von den Klägerinnen mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemachten Rechtswirkungen erzeugt.

55      Insoweit ist bekanntlich die Rechtmäßigkeit eines Aktes an der Rechtslage und dem Sachverhalt zu messen, die zur Zeit des Erlasses des Aktes bestanden, so dass Handlungen nach seinem Erlass seine Gültigkeit nicht beeinflussen können (Urteile des Gerichtshofs vom 8. November 1983, IAZ u. a./Kommission, 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, Slg. 1983, 3369, Randnr. 16, und vom 17. Oktober 1989, Dow Benelux/Kommission, 85/87, Slg. 1989, 3137, Randnr. 49). Nach ständiger Rechtsprechung kann sich nämlich bei einer Nachprüfung aufgrund von Art. 14 der Verordnung Nr. 17 ein Unternehmen zur Stützung seiner Nichtigkeitsanträge gegen die Entscheidung, auf deren Grundlage die Kommission diese Nachprüfung vorgenommen hat, nicht auf die angebliche Rechtswidrigkeit des Ablaufs des Nachprüfungsverfahrens berufen (vgl. in diesem Sinne Urteil Dow Benelux/Kommission, Randnr. 49, und Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnr. 413). Daher hat der Gebrauch, der möglicherweise von einer Nachprüfungsanordnung gemacht wird, keine Auswirkungen auf deren Rechtmäßigkeit (Urteile des Gerichts vom 8. März 2007, France Télécom/Kommission, T‑339/04, Slg. 2007, II‑521, Randnr. 54, und France Télécom/Kommission, T‑340/04, Slg. 2007, II‑573, Randnr. 126).

56      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die von den Klägerinnen angefochtenen Handlungen und Entscheidungen dem Erlass der Nachprüfungsanordnung nachfolgen. Diese ermächtigt die Kommission lediglich, die Geschäftsräume der Klägerinnen zu betreten und von den maßgeblichen Geschäftsunterlagen Kopien anzufertigen. Sie enthält keinerlei Hinweis auf die Schriftstücke der Serien A und B und erwähnt auch nicht die Frage der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Wie die Klägerinnen einräumen, hat zudem nicht diese Entscheidung ihre Rechtsstellung beeinträchtigt, sondern die später erfolgte Beschlagnahme und Kontrolle dieser Schriftstücke durch die Kommission (vgl. oben, Randnr. 42). Diese Maßnahmen gehören indessen, wie bereits festgestellt, zu einem unterschiedlichen besonderen Verfahren, das speziell die Frage der Geltung des Schutzes der Vertraulichkeit für bestimmte Schriftstücke betrifft (vgl. oben, Randnrn. 45 bis 48).

57      Demgemäß ist die Klage in der Rechtssache T‑125/03 gegen die Nachprüfungsanordnung als unzulässig abzuweisen. Somit ist die Begründetheit der Klage in der Rechtssache T‑253/03 zu prüfen.

 Zur Begründetheit in der Rechtssache T‑253/03

58      Die Klägerinnen bringen vor, die Kommission habe den Grundsatz des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant verletzt und damit gegen den EG-Vertrag und die Verordnung Nr. 17 verstoßen. Sie machen im Einzelnen drei Klagegründe zur Stützung ihrer Klage geltend. Mit dem ersten Klagegrund wird eine Verletzung der Verfahren zur Anwendung des Grundsatzes der Vertraulichkeit gerügt. Der zweite Klagegrund richtet sich gegen eine unberechtigte Versagung dieses Schutzes für die fünf streitigen Unterlagen. Der dritte Klagegrund stützt sich auf die Verletzung der Grundrechte, die dem Schutz der Vertraulichkeit zugrunde liegen sollen.

 Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verfahren zur Anwendung des Grundsatzes des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant

 Vorbringen der Parteien

59      Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe gegen das Verfahren zur Anwendung des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant verstoßen, Art. 242 EG und ihr Recht zur Anrufung der Gemeinschaftsgerichte verletzt und gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.

60      In seinem Urteil AM & S habe der Gerichtshof das Verfahren dargelegt, das die Kommission anzuwenden habe, wenn ein gemäß Art. 14 der Verordnung Nr. 17 überprüftes Unternehmen sich unter Berufung auf die Vertraulichkeit weigere, bestimmte Geschäftsunterlagen vorzulegen. Dieses Verfahren umfasse drei Stufen. Zunächst habe das Unternehmen den Kommissionsbediensteten, ohne allerdings den Inhalt der betreffenden Unterlagen offenbaren zu müssen, alle zweckdienlichen Angaben zu machen, mit denen dargetan werden könne, dass diese die Voraussetzungen für die Vertraulichkeit erfüllten. Zweitens habe die Kommission, wenn sie diesen Beweis nicht für erbracht halte, gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 die Vorlegung der streitigen Unterlagen anzuordnen. Die Kommission könne allerdings hilfsweise entsprechend dem Gedankengang des Urteils AM & S bei der Nachprüfung Kopien der betreffenden Unterlagen anfertigen und diese in einen versiegelten Umschlag legen. Drittens schließlich müsse, wenn das betreffende Unternehmen auf dem Vertraulichkeitsschutz bestehe, das Gemeinschaftsgericht über den Streit entscheiden.

61      Zwei grundlegende Gesichtspunkte seien zu unterstreichen. Erstens habe der Gerichtshof der Kommission nicht erlauben wollen, den konkreten Inhalt eines Schriftstücks zu untersuchen, um zu bestimmen, ob der Schutz der Vertraulichkeit Anwendung finden könne. Zweitens sei es ausschließlich Sache der Gemeinschaftsgerichte, über Streitigkeiten bezüglich der Anwendung dieses Schutzes zu entscheiden. Schon eine einfache während des Überprüfungsverfahrens vorgenommene Durchsicht der Unterlagen, für die dieser Schutz beansprucht werde, laufe dem eigentlichen Sinn des Grundsatzes der Vertraulichkeit zuwider. Dieser Grundsatz werde nämlich sofort und unwiederbringlich verletzt, sobald der Inhalt eines geschützten Schriftstücks offengelegt werde (Schlussanträge der Generalanwälte Warner und Sir Gordon Slynn zum Urteil AM & S, Slg. 1982, 1619, 1638 und 1639 bzw. Slg. 1982, 1642, 1662). Statt einer summarischen Prüfung müsse die Kommission in Zweifelsfällen bis zu einer späteren Lösung der Streitfrage eine Kopie der streitigen Unterlagen, ohne sie zuvor gelesen zu haben, in einen versiegelten Umschlag geben.

62      Die Kommission habe sich im vorliegenden Fall an keine der drei Stufen des Verfahrens gehalten, das im Urteil AM & S festgelegt worden sei.

63      In der ersten Stufe habe etwa die Kommission die Klägerinnen gezwungen, ihr den Inhalt der streitigen Schriftstücke preiszugeben, obwohl sich die Klägerinnen auf deren Vertraulichkeit berufen hätten. Im Anschluss an die Offenlegung dieser Schriftstücke hätten lange Erörterungen zwischen dem örtlichen Rechtsberater der Klägerinnen und der Kommission über das Verfahren für die Kontrolle der genannten Schriftstücke stattgefunden. Die Kommission habe den Klägerinnen erklärt, dass jede weitere Verzögerung bei der Aushändigung und Kontrolle dieser Schriftstücke eine Behinderung der Nachprüfung darstelle und als Verstoß gegen Art. 65 des Competition Act (Wettbewerbsgesetz) des Vereinigten Königreichs angesehen werden könne, der mit Haft oder Geldstrafe zu ahnden sei. Erst unter heftigem Protest hätten die Klägerinnen die Unterlagen der Serie B der Kommission zur Kontrolle ausgehändigt. Zudem hätten die Kommissionsprüfer bei der Nachprüfung den Inhalt der Schriftstücke der Serien A und B minutenlang ohne Unterbrechung gelesen und gegenseitig erläutert.

64      Was die zweite Stufe anbelange, hätte die Kommission, nach deren Meinung die von den Klägerinnen vorgetragenen Informationen und Argumente nicht ausgereicht hätten, um zu beweisen, dass die streitigen Schriftstücke geschützt seien, mit einer Entscheidung die Vorlegung dieser Schriftstücke anordnen müssen, bevor sie sie tatsächlich aus den Geschäftsräumen entferne. So aber habe die Kommission nicht gehandelt. Die Schriftstücke der Serie A habe sie in einen versiegelten Umschlag gelegt und mit nach Brüssel genommen. Obgleich das Verfahren des versiegelten Umschlags an sich den Schutz der Vertraulichkeit nicht substanziell berühre, entspreche es doch nicht dem vom Gerichtshof im Urteil AM & S festgelegten Verfahren. Bei den Schriftstücken der Serie B habe die Kommission die Verfahrensweise, sie in einen versiegelten Umschlag zu legen, abgelehnt, und sie den übrigen beschlagnahmten Unterlagen beigefügt, so dass die Klägerinnen nicht mehr hätten dartun können, dass sie durch die Vertraulichkeit zu schützen seien.

65      In der dritten Stufe habe die Kommission offensichtlich gegen das im Urteil AM & S festgelegte Verfahren verstoßen, indem sie in ihrer Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 einseitig entschieden habe, dass die streitigen Schriftstücke nicht durch die Vertraulichkeit geschützt seien. Da die Kommission das Recht der Entscheidung in erster Instanz für sich in Anspruch genommen habe, habe sie dem Gemeinschaftsrichter die Möglichkeit genommen, die Auseinandersetzung zu einem Zeitpunkt beizulegen, als dieser Schutz noch nicht Schaden genommen habe.

66      Der CCBE macht geltend, dass das vom Gerichtshof im Urteil AM & S festgelegte Verfahren sicherstellen solle, dass, falls sich die Kommission und das überprüfte Unternehmen nicht über die Vertraulichkeit einer Mitteilung einigen könnten, der Gerichtshof zu entscheiden habe und die Kommission vorher nicht von dem Schriftstück Kenntnis nehmen dürfe. Die Kommission sei nicht einmal zu einer summarischen Prüfung der Unterlagen berechtigt, da dies deren Inhalt offenzulegen drohe. Zwar dürfe die Inanspruchnahme der Vertraulichkeit dem Unternehmen nicht ermöglichen, die Unterlagen zu entziehen oder zu vernichten, doch sei es trotzdem unangemessen, dass die Kommissionsprüfer die Kopien in Besitz und mit sich nähmen, selbst wenn dies in einem versiegelten Umschlag geschehe. Wenn die Unterlagen schon von der Kommission festgehalten werden müssten, müssten sie zumindest unmittelbar an deren Anhörungsbeauftragte übersandt werden, deren Auftrag erweitert werden müsse, um sicherzustellen, dass diese Unterlagen keinem Mitglied der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission zugänglich seien. Der CCBE sei jedenfalls für eine Hinterlegung der Unterlagen bei der Kanzlei des Gerichts oder dafür, sie einem neutralen Dritten anzuvertrauen.

67      Die niederländische Rechtsanwaltskammer bringt vor, der Grundsatz des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant solle nicht nur die Verwendung der so geschützten Schriftstücke, sondern auch deren Offenlegung verhindern. Eine summarische Prüfung eines Schriftstücks könne bereits zur Verletzung dieses Grundsatzes führen. Die ECLA macht ihrerseits geltend, dass der Gerichtshof in seinem Urteil AM & S ein Verfahren ausgearbeitet habe, das sich auf den Grundsatz der Vertraulichkeit stütze, wobei jede Offenlegung des geschützten Schriftstücks untersagt sei. Eine verhältnismäßige Vorgehensweise bestehe darin, dass die fraglichen Schriftstücke versiegelt und von einem unabhängigen Dritten wie dem Anhörungsbeauftragten geprüft würden. Auf jeden Fall sei es Sache des Gerichtshofs, über die Frage der Vertraulichkeit zu entscheiden. Die ACCA ist der Auffassung, dass die Aufgabe der Entscheidung von Streitigkeiten über die Geltung der Vertraulichkeit einem unabhängigen Schiedsrichter übertragen werden sollte.

68      Die Kommission weist darauf hin, dass der Gerichtshof in seinem Urteil AM & S zwar ein besonderes Verfahren für die Lösung von Streitigkeiten über die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant entwickelt, ihm jedoch keinen absoluten Wert beigemessen habe. Dieses Urteil verlange nicht, dass die Kommission jedes Mal, wenn dieser Grundsatz ins Feld geführt werde, davon Abstand nehmen müsse, Kopien der Unterlagen anzufertigen, um sie später vom Unternehmen anzufordern. In der Rechtssache, die zu diesem Urteil geführt habe, sei die ursprüngliche Nachprüfung auf Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 gestützt worden – der dem Unternehmen gestatte, die Herausgabe von Schriftstücken zu verweigern – und nicht wie im vorliegenden Fall auf Abs. 3 dieser Vorschrift, der das Unternehmen zur Duldung der Nachprüfung verpflichte. In Wirklichkeit sei als einziger Grundsatz in diesem Urteil verankert worden, dass die Kommission eine mit Gründen versehene Entscheidung über den vertraulichen oder nicht vertraulichen Charakter der betreffenden Schriftstücke zu erlassen habe, um das Unternehmen in die Lage zu versetzen, die Gemeinschaftsgerichte mit der Sache zu befassen.

69      Sie befolge bisher folgendes Verfahren: Habe sie aufgrund einer summarischen Prüfung der allgemeinen Aufmachung des Schriftstücks, des Kopfes, des Betreffs und anderer Merkmale sowie stichhaltiger Erläuterungen des Unternehmens keine Zweifel an der Vertraulichkeit des Schriftstücks, lasse sie es beiseite; habe sie indessen aufgrund einer summarischen Prüfung keinen Zweifel an der fehlenden Vertraulichkeit eines Schriftstücks, fertige sie davon eine Kopie an und gebe diese zu der Untersuchungsakte; wenn schließlich die summarische Prüfung des Schriftstücks einen Zweifel in der Frage der Vertraulichkeit entstehen lasse, sehe sie von jeder Analyse ab, schiebe seine Bewertung auf und lege eine Kopie des Schriftstücks in einen versiegelten Umschlag, den sie mitnehme.

70      Die summarische Prüfung des Schriftstücks an Ort und Stelle habe keinen anderen Zweck als die Ermittlung der Fälle, in denen die Vertraulichkeit nicht ausgeschlossen werden könne, so dass der geringste Zweifel dem Unternehmen zugutekomme und automatisch das Verfahren des versiegelten Umschlags auslöse. Die Möglichkeit, dass sich die Kommission eine erste Meinung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Zweifels an der Anwendbarkeit dieses Schutzes bilden könne, habe den Vorteil, das Risiko missbräuchlicher Schutzanträge zu mindern, und entspreche dem Urteil AM & S. Das Verfahren des versiegelten Umschlags mache es auch möglich, das Risiko einer Vernichtung der Unterlagen durch das Unternehmen zu vermeiden. Auch in den meisten Mitgliedstaaten behandelten die Wettbewerbsbehörden die Frage der Vertraulichkeit bei Untersuchungen vor Ort in vergleichbarer Weise.

71      Zudem könne das besagte Verfahren die Verfahrensrechte der Unternehmen nicht beeinträchtigen. Selbst wenn feststünde, dass die Kenntnisnahme von Unterlagen, die geschützt sein könnten, dem Unternehmen einen Nachteil bringe, der seine Verteidigungsrechte beeinträchtige, könne ein solcher Nachteil wiedergutgemacht werden. Die Kommission dürfe nämlich unter die Vertraulichkeit fallende Unterlagen nicht für den Nachweis eines Verstoßes verwenden.

72      Die Kommission habe sich bezüglich des Schutzes der streitigen Unterlagen streng an ein dem Urteil AM & S entsprechendes rechtmäßiges und verhältnismäßiges Verfahren gehalten, und es seien die Verfahrensrechte der Klägerinnen vollkommen beachtet worden. Mit den Klägerinnen sei vereinbart worden, dass der für die Nachprüfung verantwortliche Kommissionsbedienstete im Beisein eines Vertreters der Klägerinnen Einsicht in die Unterlagen nehme. Wenn die Vertraulichkeit für ein einzelnes Schriftstück in Anspruch genommen werde, hätten die Klägerinnen einen entsprechenden Antrag stellen und diesen anhand eben dieses Schriftstücks begründen müssen. Zudem verstoße es gegen Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung, wenn die Klägerinnen einen von ihren Rechtsanwälten verfassten Bericht über die Nachprüfung erst im Stadium der Erwiderung ohne Erläuterung der Verspätung vorlegten.

73      Was die Unterlagen der Serie A anbelange, so habe ihre summarische Prüfung insbesondere wegen eines handschriftlichen Hinweises auf den Namen eines unabhängigen Rechtsanwalts auf der ersten Seite eines dieser Schriftstücke Zweifel entstehen lassen. Da keine der an Ort und Stelle gegebenen Erläuterungen der Klägerinnen den Zweifel habe beseitigen können, hätten die Kommissionsbediensteten die Unterlagen in einen versiegelten Umschlag gelegt. Bei den Unterlagen der Serie B habe der Kommissionsprüfer nach summarischer Prüfung sowie aufgrund der Informationen des Unternehmens und einer anerkannten Rechtsprechung die Meinung vertreten, dass sie ohne den geringsten Zweifel nicht durch die Vertraulichkeit geschützt seien. Somit hätten die Kommissionsbediensteten eine Kopie davon angefertigt und diese zu den Untersuchungsakten gegeben.

74      Im Übrigen sei die summarische Prüfung eines Schriftstücks nicht dasselbe wie dessen Lesung. Zwar habe der für die Nachprüfung Verantwortliche während der Untersuchung die Schriftstücke der Serie A summarisch prüfen können, doch könne deshalb nicht behauptet werden, dass die Bediensteten der Kommission sie gelesen hätten, bevor sie sie in einen Umschlag gegeben hätten. Die Schriftstücke der Serie B habe die Kommission letztlich erst nach Abschluss der Nachprüfung gelesen und inhaltlich zur Kenntnis genommen. Unrichtig sei zudem das Vorbringen der Klägerinnen, dass sie der Herausgabe der Schriftstücke der Serie B letztlich erst nach einer Drohung mit Strafmaßnahmen zugestimmt hätten. Dieses Vorbringen sei inhaltlich unzutreffend, da sich die angebliche Verweigerung der Übergabe in Wirklichkeit auf die gesamten Unterlagen beziehe. Überdies entspreche der Hinweis an ein Unternehmen, dass seine fehlende Zusammenarbeit zur Anwendung nationalen Rechts und gegebenenfalls zu Strafmaßnahmen führen könne, der Verordnung Nr. 17.

75      Die Klägerinnen seien seit Beginn der Nachprüfung über ihre Rechte informiert worden und seien danach stets in der Lage gewesen, das Gericht anzurufen. Bei den Schriftstücken der Serie A hätten sie von Beginn an gewusst, dass das Verfahren auf den Erlass einer Entscheidung hinauslaufe, die mit einer Klage angefochten werden könne. Bei den Schriftstücken der Serie B habe die Kommission die Möglichkeit offengelassen, die Einschätzung zu bestreiten, zu der einer ihrer Bediensteten vor Ort gelangt sei.

 Würdigung durch das Gericht

76      Zunächst ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 17 der Kommission weitgehende Nachprüfungs- und Ermittlungsbefugnisse einräumt, um Verstöße gegen die Art. 81 und 82 EG ermitteln zu können. Nach Art. 11 und 14 der Verordnung kann sie insbesondere alle für die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen erforderlichen Auskünfte einholen und Nachprüfungen vornehmen (seit dem 1. Mai 2004 sind die Untersuchungsbefugnisse der Kommission in diesem Bereich insbesondere in den Art. 17 bis 22 der Verordnung [EG] Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003, L 1, S. 1, geregelt). Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 17 ermächtigt die Kommission insbesondere, Einsicht in die Geschäftsunterlagen, d. h. die Unterlagen zu verlangen, die sich auf die Tätigkeit des Unternehmens auf dem Markt beziehen. Soweit der Schriftwechsel zwischen Rechtsanwalt und Mandant eine derartige Tätigkeit zum Gegenstand hat, gehört er, wie der Gerichtshof klargestellt hat, zu den in Art. 11 und 14 der Verordnung Nr. 17 genannten Unterlagen (Urteil AM & S, Randnr. 16). Außerdem ist es, wie der Gerichtshof ebenfalls entschieden hat, Sache der Kommission und nicht des Unternehmens oder eines Dritten, sei dieser Sachverständiger oder Schiedsrichter, darüber zu entscheiden, ob der Kommission ein Schriftstück vorzulegen ist (Urteil AM & S, Randnr. 17).

77      Der Gerichtshof hat indessen weiterhin entschieden, dass die Verordnung Nr. 17 nicht die Möglichkeit ausschließt, die Vertraulichkeit bestimmter Geschäftsunterlagen unter bestimmten Voraussetzungen anzuerkennen. Das Gemeinschaftsrecht beruht darauf, dass die Mitgliedstaaten nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf rechtlichem Gebiet miteinander verflochten sind, und es muss daher den Grundsätzen und Vorstellungen Rechnung tragen, die den Rechtsordnungen dieser Staaten im Hinblick auf die Wahrung der Vertraulichkeit insbesondere bestimmter Mitteilungen zwischen Rechtsanwalt und Mandant gemeinsam sind. Diese Vertraulichkeit entspricht dem in allen Mitgliedstaaten als wichtig anerkannten Erfordernis, dass es dem Einzelnen möglich sein muss, sich völlig frei an einen Rechtsanwalt zu wenden, zu dessen beruflichen Aufgaben es gehört, unabhängige Rechtsberatung all denen zu erteilen, die sie benötigen. Ebenso ist der Schutz der Vertraulichkeit des Schriftverkehrs zwischen Rechtsanwalt und Mandant eine notwendige Ergänzung der vollen Ausübung der Rechte der Verteidigung (Urteil AM & S, Randnrn. 18 und 23).

78      Somit ist die Verordnung Nr. 17 dahin auszulegen, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen die Vertraulichkeit des Schriftverkehrs zwischen Rechtsanwalt und Mandant schützt (Urteil AM & S, Randnr. 22).

79      Für das bei der Durchführung dieses Schutzes anzuwendende Verfahren hat der Gerichtshof entschieden, dass, falls ein Unternehmen, bei dem eine Nachprüfung gemäß Art. 14 der Verordnung Nr. 17 durchgeführt wird, sich unter Berufung auf den Schutz der Vertraulichkeit weigert, Einsicht in den mit seinem Rechtsanwalt geführten Schriftverkehr zu gewähren, der sich unter den von der Kommission verlangten Geschäftsunterlagen befindet, es auf jeden Fall den beauftragten Kommissionsbediensteten, ohne allerdings den Inhalt der betreffenden Korrespondenz offenbaren zu müssen, alle zweckdienlichen Angaben zu machen hat, mit denen dargelegt werden kann, dass der Schriftverkehr die Voraussetzungen für den vorstehend definierten rechtlichen Schutz erfüllt. Wenn die Kommission diesen Beweis für nicht erbracht hält, hat sie gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 die Vorlage des streitigen Schriftwechsels anzuordnen und, wenn nötig, gegen das Unternehmen eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld nach dieser Verordnung festzusetzen, wenn das Unternehmen sich weigert, entweder von der Kommission für erforderlich gehaltene zusätzliche Beweismittel zu liefern oder Einsicht in den nach Ansicht der Kommission nicht als vertraulich geschützten Schriftverkehr zu gewähren (Urteil AM & S, Randnrn. 29 bis 31). Das überprüfte Unternehmen kann dann gegen eine solche Entscheidung der Kommission Nichtigkeitsklage erheben und gegebenenfalls daneben Antrag auf einstweilige Anordnungen gemäß Art. 242 und 243 EG stellen (vgl. in diesem Sinne Urteil AM & S, Randnr. 32).

80      Somit reicht die bloße Beanspruchung der Vertraulichkeit eines Schriftstücks durch ein Unternehmen nicht aus, um die Kommission daran zu hindern, von diesem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, wenn dieses Unternehmen darüber hinaus keine sachdienlichen Aufschlüsse gibt, um zu beweisen, dass das Schriftstück tatsächlich durch die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant geschützt ist. Das betroffene Unternehmen kann der Kommission insbesondere mitteilen, wer Verfasser und Empfänger des Schriftstücks ist, Funktionen und Verantwortlichkeiten der Betroffenen erläutern und darlegen, zu welchem Zweck und in welchem Zusammenhang das Schriftstück erstellt wurde. Ebenso kann es den Kontext, in dem das Schriftstück gefunden wurde, die Art und Weise seiner Einordnung oder andere Unterlagen aufzeigen, mit denen es in Verbindung stehen soll.

81      In zahlreichen Fällen kann nur eine summarische Prüfung der allgemeinen Aufmachung des Schriftstücks oder seines Kopfes, Titels oder anderer oberflächlicher Merkmale durch die Kommissionsbediensteten diesen die Möglichkeit verschaffen, die Richtigkeit der Begründungen des Unternehmens zu prüfen und sich der Vertraulichkeit der betreffenden Unterlagen zu versichern, um sie dann beiseitezulassen. Gleichwohl bringt in bestimmten Fällen auch eine nur summarische Prüfung die Gefahr mit sich, dass die Kommissionsbediensteten trotz des oberflächlichen Charakters der Einsichtnahme Kenntnis von Informationen erlangen, die durch die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant geschützt sind. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn der vertrauliche Charakter des Schriftstücks nicht klar aus seinem förmlichen Erscheinungsbild hervorgeht.

82      Aus dem Urteil AM & S (Randnr. 29) ergibt sich indessen, wie bereits oben in Randnr. 79 ausgeführt wurde, dass das Unternehmen den beauftragten Kommissionsbediensteten, ohne allerdings den Inhalt der betreffenden Unterlagen offenbaren zu müssen, alle zweckdienlichen Angaben zu machen hat, mit denen dargelegt werden kann, dass diese Unterlagen tatsächlich vertraulich sind und dadurch ihr Schutz gerechtfertigt ist. Somit ist ein Unternehmen, das gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 überprüft wird, berechtigt, den Kommissionsbediensteten eine auch nur summarische Prüfung eines oder mehrerer konkreter Schriftstücke zu versagen, die seiner Aussage nach unter den Vertraulichkeitsschutz fallen, sofern seiner Meinung nach eine solche summarische Prüfung nicht möglich ist, ohne den Inhalt dieser Schriftstücke offenzulegen, und es dies den Kommissionsbediensteten gegenüber begründet.

83      Ist die Kommission indessen bei einer Nachprüfung nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 der Auffassung, dass durch die vom Unternehmen vorgetragenen Gesichtspunkte nicht der Nachweis der Vertraulichkeit der betreffenden Schriftstücke erbracht werden kann, so können die Kommissionsbediensteten, insbesondere wenn ihnen das Unternehmen die summarische Prüfung eines Schriftstücks verweigert, eine Kopie der betreffenden Unterlagen in einen versiegelten Umschlag legen und diesen im Hinblick auf eine spätere Lösung des Konflikts mitnehmen. Diese Verfahrensweise erlaubt es nämlich, die Risiken einer Verletzung der Vertraulichkeit auszuschließen, belässt der Kommission eine gewisse Kontrolle über die zu überprüfenden Unterlagen und vermeidet zugleich das Risiko einen späteren Entziehung oder Manipulation der betreffenden Schriftstücke.

84      Das Verfahren des versiegelten Umschlags steht zudem nicht im Widerspruch zu dem in Randnr. 31 des Urteils AM & S aufgezeigten Erfordernis, dass die Kommission bei Streit mit einem Unternehmen über die Vertraulichkeit eines Schriftstücks eine Herausgabeanordnung für dieses Schriftstück erlässt. Dieses Erfordernis war durch den besonderen Kontext der Rechtssache AM & S bedingt, insbesondere dadurch, dass die ursprüngliche Entscheidung, mit der eine Nachprüfung in den Geschäftsräumen des Unternehmens angeordnet wurde, keine förmliche Entscheidung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 war (Schlussanträge von Generalanwalt Warner in der Rechtssache AM & S, 1624) und das Unternehmen daher berechtigt war, die Herausgabe der von der Kommission verlangten Dokumente zu verweigern, wie es dies auch getan hat.

85      Auf jeden Fall ist die Kommission, wenn sie sich durch die von den Vertretern des überprüften Unternehmens zum Nachweis des Schutzes des betreffenden Schriftstücks wegen Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant vorgetragenen Gesichtspunkte und Erläuterungen nicht überzeugen lässt, nicht berechtigt, vom Inhalt des Schriftstücks Kenntnis zu nehmen, bevor sie eine Entscheidung erlassen hat, die es dem betreffenden Unternehmen ermöglicht, in zweckdienlicher Weise das Gericht und gegebenenfalls den für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter anzurufen (vgl. in diesem Sinne Urteil AM & S, Randnr. 32).

86      Angesichts der besonderen Natur des Grundsatzes des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant, der nicht nur die volle Ausübung der Verteidigungsrechte des Einzelnen sicherstellen, sondern auch dem Erfordernis dienen soll, dass es dem Einzelnen möglich sein muss, sich völlig frei an einen Rechtsanwalt zu wenden (vgl. oben, Randnr. 77), ist nämlich davon auszugehen, dass die Kommission, wenn sie vom Inhalt eines vertraulichen Schriftstücks Kenntnis nimmt, bereits damit diesen Grundsatz verletzt. Der Schutz der Vertraulichkeit greift daher, anders als die Kommission zu vertreten scheint, weiter als das Erfordernis, dass Informationen, die das Unternehmen seinem Rechtsanwalt anvertraut, oder der Inhalt von dessen Stellungnahme bei einer Entscheidung zur Ahndung von Wettbewerbsverstößen nicht gegen dieses Unternehmen verwendet werden können.

87      Dieser Schutz soll erstens das öffentliche Interesse an einer geordneten Rechtspflege sicherstellen und bewirken, dass jeder Mandant sich frei an seinen Rechtsanwalt wenden kann, ohne befürchten zu müssen, dass seine vertraulichen Mitteilungen später offengelegt werden. Er soll zweitens die Nachteile vermeiden helfen, die durch die Kenntnisnahme des Inhalts eines vertraulichen Schriftstücks durch die Kommission und dessen rechtswidrige Aufnahme in die Untersuchungsakte für die Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens entstehen können. Das Unternehmen kann nämlich, selbst wenn dieses Schriftstück in einer Entscheidung zur Ahndung von Wettbewerbsverstößen nicht als Beweismittel benutzt wird, doch Schäden erleiden, die nicht oder nur schwer wiedergutgemacht werden können. Zum einen könnte die wegen der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant geschützte Information von der Kommission unmittelbar oder mittelbar benutzt werden, um neue Informationen oder neue Beweismittel zu erhalten, ohne dass das betreffende Unternehmen stets in der Lage wäre, diese zu ermitteln und zu verhindern, dass sie gegen es verwendet werden. Zum anderen wäre der Schaden, den das betroffene Unternehmen bei einer Weitergabe wegen Vertraulichkeit geschützter Informationen an Dritte erleidet, nicht wiedergutzumachen, wenn z. B. diese Information im Verwaltungsverfahren bei der Kommission in einer Mitteilung der Beschwerdepunkte verwendet würde. Der bloße Umstand, dass die Kommission die geschützten Unterlagen in einer Sanktionsentscheidung nicht als Beweismittel verwenden darf, reicht mithin nicht aus, die Schäden wiedergutzumachen oder zu beseitigen, die sich daraus ergeben würden, dass die Kommission Kenntnis vom Inhalt dieser Unterlagen erhält.

88      Der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant bedeutet zugleich, dass die Kommission, wenn sie ihre Entscheidung zur Ablehnung eines entsprechenden Antrags getroffen hat, vom Inhalt der betreffenden Unterlagen erst dann Kenntnis nehmen darf, wenn sie dem Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt hat, sachdienlich das Gericht anzurufen. Sie hat insoweit abzuwarten, bis die Frist für die Erhebung einer Klage gegen ihre Ablehnungsentscheidung abgelaufen ist, ehe sie Kenntnis vom Inhalt dieser Unterlagen nimmt. Da eine solche Klage keine aufschiebende Wirkung hat, ist es auf jeden Fall Sache des betroffenen Unternehmens, einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung zu stellen, mit der der Antrag auf diesen Schutz abgelehnt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil AM & S, Randnr. 32).

89      Was im Übrigen das Vorbringen der Kommission anbelangt, Unternehmen könnten das vorstehend beschriebene Verfahren missbrauchen, indem sie, nur um Zeit zu gewinnen, offensichtlich unbegründete Anträge auf Schutz der Vertraulichkeit stellten oder sich ohne objektive Rechtfertigung einer etwaigen summarischen Prüfung der Unterlagen bei einer Nachprüfung widersetzten, so genügt die Feststellung, dass die Kommission über Mittel verfügt, um von solchen Praktiken abzuschrecken oder sie zu ahnden. Solche Verhaltensweisen könnten nämlich gemäß Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 (und zuvor gemäß Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 17) geahndet oder als erschwerender Umstand bei der Bemessung einer Geldbuße im Rahmen einer Entscheidung zur Ahndung von Wettbewerbsverstößen berücksichtigt werden.

90      Schließlich hindert, wie der Gerichtshof im Urteil AM & S angeführt hat, der Grundsatz der Vertraulichkeit den Mandant eines Rechtsanwalts nicht daran, den mit Letzterem geführten Schriftverkehr offenzulegen, wenn er dies für zweckmäßig hält (Randnr. 28 des Urteils).

91      Im Licht dieser Erwägungen und Grundsätze sind die Rügen der Klägerinnen zu prüfen.

92      Vorab ist die Auffassung der Kommission zurückzuweisen, die Klägerinnen hätten gegen Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung verstoßen, indem sie einen von ihren Rechtsanwälten verfassten Bericht über die Nachprüfung erst im Stadium der Erwiderung vorgelegt hätten (vgl. oben, Randnr. 72). Entgegen dem Vorbringen der Kommission haben die Klägerinnen die Gründe erläutert, weshalb sie diesen Bericht nicht früher vorgelegt haben, nämlich wegen seiner Vertraulichkeit und wegen des Erfordernisses, das Vorbringen der Kommission in deren Klagebeantwortung zu bestreiten (vgl. insbesondere Nrn. 21 bis 26 der Erwiderung). Zudem ist zu beachten, dass dieser Bericht auf das von den Bediensteten der Kommission erstellte Nachprüfungsprotokoll folgte, das die Kommission mit ihrer Klagebeantwortung eingereicht hat. Sind die Parteien nämlich bei Sachverhaltselementen, die in der Klageschrift oder der Klagebeantwortung vorgetragen wurden, unterschiedlicher Auffassung, so müssen sie notwendig Nachweise zur Stützung ihrer Tatsachenfeststellung in der Erwiderung oder der Gegenerwiderung vortragen können.

93      Mit ihren Rügen machen die Klägerinnen erstens geltend, dass die Kommission sie bei der Nachprüfung gezwungen habe, den Inhalt der streitigen Schriftstücke offenzulegen, obwohl sie sich auf die Vertraulichkeit berufen hätten. Insbesondere hätten die Kommissionsbediensteten diese Schriftstücke trotz Widerspruchs der Vertreter der Klägerinnen vor Ort geprüft.

94      Sowohl aus dem Anhang des von den Kommissionsbediensteten erstellten Protokolls über die Nachprüfung als auch aus der nichtvertraulichen Fassung des von den Rechtsanwälten der Klägerinnen erstellten Berichts über die Nachprüfung ergibt sich, dass die Kommissionsbediensteten und die Vertreter der Klägerinnen bei der Nachprüfung lange darüber diskutiert haben, wie bei der Prüfung der streitigen Schriftstücke zu verfahren ist. Hierbei haben sich die Klägerinnen einer summarischen Prüfung dieser Unterlagen durch die Kommissionsbediensteten entschieden widersetzt und sich insbesondere darauf berufen, dass zumindest einige der fraglichen Schriftstücke möglicherweise auf den ersten Blick nicht durch die Vertraulichkeit geschützt seien, da sie nicht notwendig Hinweise auf externe Rechtsanwälte oder auf ihren vertraulichen Charakter enthielten. Die Klägerinnen haben indessen geltend gemacht, dass diese Schriftstücke erstellt worden seien, um eine rechtliche Beratung anzufordern, oder dass sie eine rechtliche Beratung enthielten, und betont, dass ihre summarische Prüfung keine Würdigung ihrer Vertraulichkeit gestatte, ohne zugleich ihren Inhalt offenzulegen. Dem genannten Protokoll und Bericht ist ferner zu entnehmen, dass die Kommission auf einer summarischen Prüfung der fraglichen Schriftstücke bestanden hat und die Vertreter der Klägerinnen dem erst zugestimmt haben, als die Kommissions- und OFT‑Bediensteten ihnen gegenüber erklärt hatten, dass die Verweigerung einer solchen Prüfung einer Nachprüfungsbehinderung gleichkomme, die mit Verwaltungs- oder Strafsanktionen geahndet werden könne.

95      Demnach hat die Kommission die Klägerinnen gezwungen, eine summarische Prüfung der streitigen Schriftstücke zuzulassen, obwohl die Vertreter der Klägerinnen hinsichtlich der zwei Kopien des maschinengeschriebenen Vermerks der Serie A und der handschriftlichen Notizen der Serie B erklärt hatten, dass eine solche Prüfung es erforderlich mache, den Inhalt der Schriftstücke offenzulegen. Es ist nämlich festzustellen, dass eine summarische Prüfung dieser Schriftstücke den Kommissionsbediensteten in der Tat keine Würdigung des etwaigen vertraulichen Charakters der Unterlagen gestatten konnte, ohne ihnen zugleich die Möglichkeit zu verschaffen, Kenntnis vom Inhalt der fraglichen Schriftstücke zu nehmen. Mithin hat die Kommission insoweit gegen das Verfahren zur Anwendung des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant verstoßen.

96      Zweitens machen die Klägerinnen geltend, dass die Kommission durch die Anfertigung einer in einen versiegelten Umschlag gelegten Kopie der Schriftstücke der Serie A nicht genau das vom Gerichtshof im Urteil AM & S festgelegte Verfahren eingehalten habe und mit einer Entscheidung förmlich die Herausgabe dieser Schriftstücke hätte anordnen müssen. Dieser Rüge kann nicht gefolgt werden. Die Anwendung des Verfahrens des versiegelten Umschlags verletzt nämlich, wie bereits entschieden, unter den Umständen des vorliegenden Falles das in dem genannten Urteil festgelegte Verfahren nicht (vgl. oben, Randnr. 84). Zudem haben die Vertreter der Klägerinnen, wie aus dem vorgenannten Protokoll und Bericht hervorgeht, bei der Nachprüfung von den Kommissionsbediensteten mehrfach gefordert, für die streitigen Schriftstücke das Verfahren des versiegelten Umschlags anzuwenden.

97      Drittens werfen die Klägerinnen der Kommission vor, bei der Nachprüfung ihren Antrag auf Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant für die Schriftstücke der Serie B abgelehnt zu haben. Während der Ermittlungen haben sich die Klägerinnen tatsächlich auf diesen Schutz berufen und mehrere Begründungen zur Stützung des genannten Antrags vorgetragen, darunter insbesondere, dass die betreffenden Schriftstücke erstellt worden seien, um eine rechtliche Beratung anzufordern, oder eine derartige Beratung enthielten. Mithin hatte die Kommission, nachdem sie die Erklärungen der Klägerinnen nicht überzeugt hatten, eine förmliche Entscheidung zur Ablehnung des Antrags auf Schutz der Vertraulichkeit zu erlassen, um den Klägerinnen vor Kenntnisnahme vom Inhalt der betreffenden Schriftstücke zu ermöglichen, in zweckdienlicher Weise das Gericht anzurufen (vgl. oben, Randnr. 85).

98      Die Kommission hat es indessen den Klägerinnen nicht ermöglicht, in zweckdienlicher Weise das Gericht anzurufen, um so zu verhindern, dass die Kommission Kenntnis vom Inhalt der Schriftstücke der Serie B nimmt. Die Kommissionsbediensteten sind nämlich bei der Nachprüfung zu dem Schluss gelangt, dass die Schriftstücke der Serie B offensichtlich nicht unter den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant fielen, so dass sie eine Kopie davon angefertigt und diese den Untersuchungsakten beigefügt haben, ohne sie in einen versiegelten Umschlag zu legen. Folglich konnte die Kommission zu diesem Zeitpunkt uneingeschränkt Kenntnis vom Inhalt dieser Schriftstücke nehmen (vgl. oben, Randnr. 51). Demnach hat die Kommission insofern gegen das Verfahren zur Anwendung des Schutzes der Vertraulichkeit verstoßen.

99      Viertens machen die Klägerinnen geltend, dass die Kommission mit ihrer Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 gegen das im Urteil AM & S festgelegte Verfahren verstoßen habe, indem sie einseitig entschieden habe, dass die streitigen Schriftstücke nicht unter den Schutz der Vertraulichkeit fielen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen verstößt indessen der bloße Erlass einer Entscheidung, mit der ein Antrag auf Schutz der Vertraulichkeit abgelehnt wird, nicht gegen das Verfahren zur Anwendung dieses Schutzes, da die Kommission von den betreffenden Schriftstücken nicht Kenntnis nimmt, bevor sie dem betroffenen Unternehmen Gelegenheit gegeben hat, in zweckdienlicher Weise das Gericht und gegebenenfalls den für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter anzurufen, um diese Ablehnungsentscheidung anzufechten (vgl. oben, Randnr. 85).

100    Im vorliegenden Fall ist aber bezüglich der Schriftstücke der Serie B, auch wenn sie von der Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 betroffen sind, unstreitig, dass die Kommission von ihrem Inhalt bereits längere Zeit vor Erlass dieser Entscheidung Kenntnis genommen hatte. Von den Schriftstücken der Serie A hat die Kommission indessen bei der Nachprüfung eine Kopie angefertigt und diese in einen dann versiegelten Umschlag gelegt. Sie hat sodann eine Vorentscheidung über den Antrag der Klägerinnen getroffen, jedoch ohne den versiegelten Umschlag zu öffnen oder seinen Inhalt zu prüfen, und diese Entscheidung den Klägerinnen mit Schreiben vom 1. April 2003 übermittelt. Am 8. Mai 2003 hat die Kommission schließlich eine Entscheidung zur Ablehnung des Schutzantrags erlassen, ohne indessen Kenntnis vom Inhalt der Schriftstücke der Serie A zu nehmen. Erst im Anschluss an die Aufhebung des Beschlusses des Präsidenten des Gerichts, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, durch den Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs, Kommission/Akzo und Akcros, in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat die Kommission schließlich Kenntnis von den Schriftstücken der Serie A genommen. Daraus ist zu schließen, dass die Kommission mit dem Erlass der Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 nicht gegen das Verfahren zur Anwendung des Schutzes der Vertraulichkeit verstoßen hat.

101    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Kommission gegen das Verfahren zur Anwendung des Schutzes der Vertraulichkeit verstoßen hat, indem sie erstens die Klägerinnen gezwungen hat, eine summarische Prüfung der Schriftstücke der Serie A und der handschriftlichen Notizen der Serie B zuzulassen, und indem sie zweitens Kenntnis von den Schriftstücken der Serie B genommen hat, ohne zuvor den Klägerinnen zu ermöglichen, die Ablehnung ihres Antrags auf Schutz für diese Schriftstücke vor dem Gericht anzufechten. Zurückzuweisen ist hingegen dieser erste Klagegrund, soweit er die Rügen der Klägerinnen bezüglich der summarischen Prüfung der E-Mails der Serie B, die Verwendung des Verfahrens des versiegelten Umschlags für die Schriftstücke der Serie A und den Erlass der Ablehnungsentscheidung vom 8. Mai 2003 betrifft.

 Zum zweiten Klagegrund: Rechtswidrige Ablehnung des Antrags auf Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant für die streitigen Schriftstücke

102    Die Klägerinnen machen geltend, die fünf streitigen Unterlagen fielen unter den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Die Schriftstücke der Serie A und die handschriftlichen Notizen der Serie B seien effektiv als schriftliche Grundlage einer mündlichen Kommunikation zwischen Mandant und externem Rechtsberater anzusehen, die erstellt worden sei, um eine rechtliche Beratung zu erhalten, während die E-Mails der Serie B ein Schriftwechsel zwischen Rechtsanwalt und Mandant zum Zwecke und im Interesse der Verteidigungsrechte des Letzteren seien.

103    Die Kommission macht geltend, dass die fünf streitigen Unterlagen nach den Kriterien der Rechtsprechung eindeutig vom Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant ausgenommen seien.

 Zu den beiden Kopien des maschinengeschriebenen Vermerks der Serie A

–       Vorbringen der Parteien

104    Die Klägerinnen bringen vor, dass die Serie A zwei getrennte Kopien eines zweiseitigen, maschinengeschriebenen Vermerks des leitenden Geschäftsführers von Akcros Chemicals vom 16. Februar 2000 für seinen Vorgesetzten, den Sub-business unit manager (im Folgenden: SBU-Manager), enthalte. Diese beiden Kopien seien identisch, abgesehen davon, dass auf der ersten Seite einer von ihnen die folgenden handschriftlichen Notizen zu finden seien:

„– an [SBU-Manager] 16/2/2000

– zurück von [SBU-Manager] 17/2/2000

– mit [X, externem Rechtsberater der Klägerinnen] telefonisch erörtert 22/2/2000“.

105    Dieses Schriftstück müsse im Zusammenhang mit dem internen Programm betrachtet werden, das die Unternehmensgruppe Akzo Nobel zur Einhaltung des Wettbewerbsrechts in Beratung und in Abstimmung mit einem externen Rechtsberater anwende. Im Rahmen dieses Programms ermittelten die Angestellten und leitenden Mitarbeiter der Klägerinnen in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich potenzielle wettbewerbsrechtliche Fragen, die dann dem externen Rechtsberater unterbreitet würden, der dazu rechtlich Stellung nehme.

106    Der betreffende Vermerk enthalte somit Informationen, die der leitende Geschäftsführer von Akcros Chemicals aufgrund interner Gespräche mit anderen Angestellten zusammengestellt habe, um eine rechtliche Beratung für dieses Programm zu erhalten. Das genannte Schriftstück sei folglich das unmittelbare Ergebnis der Bemühungen der Klägerinnen, potenzielle wettbewerbsrechtliche Fragen zu ermitteln und hierzu eine Stellungnahme ihres externen Rechtsberaters zu erhalten, und es sei mit diesen Bemühungen untrennbar verbunden.

107    Die Abfolge der Vorgänge bestätige dies. Nach Erhalt des Schreibens des Vorsitzenden des Verwaltungsrats von Akzo Nobel vom 28. Januar 2000 zum geplanten Anpassungsprogramm habe der leitende Geschäftsführer von Akcros Chemicals mit seinen Angestellten die Frage der Einhaltung des Wettbewerbsrechts erörtert. Hierbei habe er Notizen gemacht, nämlich die handschriftlichen Notizen der Serie B. Am Mittwoch, den 16. Februar 2000, seien die Kopien des Vermerks, die die Serie A bildeten, dem SBU-Manager vom leitenden Geschäftsführer übermittelt worden. Am Donnerstag, den 17. Februar 2000, habe der SBU-Manager sie dem leitenden Geschäftsführer zurückgesandt. Am Dienstag, den 22. Februar 2000, habe der Vermerk als Grundlage für das Gespräch mit dem externen Berater der Klägerinnen, Herrn X, gedient.

108    Die beiden Kriterien, die der Gerichtshof im Urteil AM & S als gemeinsamen Teil der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant herausgestellt habe, nämlich dass der Schriftwechsel zum einen im Rahmen und im Interesse des Rechts des Mandanten auf Verteidigung und zum anderen mit unabhängigen Rechtsanwälten geführt werden müsse, seien im vorliegenden Fall erfüllt. Die Klägerinnen behaupteten nicht, dass die Vertraulichkeit schon daraus folge, dass das streitige Schriftstück im Rahmen eines Anpassungsprogramms erstellt worden sei. Wenn die Kommission aber bestreite, dass ein solches Programm den Rahmen für einen rechtlich geschützten Schriftwechsel abgeben könne, verleugne sie damit grundlegende Aspekte ihrer eigenen Regelung zur Durchführung des Wettbewerbsrechts. So könnte, wenn im Kontext einer Selbstbeurteilungsmaßnahme entstandene Schriftstücke offengelegt werden könnten, ein Unternehmen in Anbetracht der Abschaffung des Notifizierungssystems des Art. 81 Abs. 3 EG, erstens nicht mehr frei und ohne Furcht mit dem Beistand eines unabhängigen oder internen Rechtsberaters feststellen, ob seine Praktiken dem Wettbewerbsrecht entsprächen. Zweitens müssten wegen der Natur eines Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung und der Notwendigkeit einer internen Untersuchung und Beschaffung der materiellen Beweise die im Zusammenhang damit verfassten Unterlagen als vertraulich angesehen werden.

109    Die Klägerinnen bestreiten im Übrigen das Vorbringen der Kommission, wonach der maschinengeschriebene Vermerk keinen Hinweis auf einen Zusammenhang der Aufzeichnungen des leitenden Geschäftsführers mit der Beauftragung eines unabhängigen Rechtsberaters mit einer rechtlichen Beratung enthalte und nicht feststehe, dass eine solche Beratung tatsächlich angefordert und geleistet worden sei. Die Notizen auf der ersten Seite einer der beiden Kopien des Vermerks zeigten unbestreitbar, dass mit Hilfe dieses Schriftstücks eine rechtliche Beratung des genannten Rechtsanwalts angefordert werden sollte. Ebenso belegten eine interne Notiz dieses Rechtsanwalts vom 22. Februar 2000 und eine von ihm am selben Tag ausgefüllte Tätigkeitsübersicht, dass eine rechtliche Beratung angefordert und erteilt worden sei. Am selben Tag habe der leitende Geschäftsführer dem unabhängigen Berater eine ergänzende Fax-Information unter Bezugnahme auf ihr zuvor geführtes Telefongespräch übermittelt. Zudem verlangten das Urteil AM & S und der Beschluss des Gerichts vom 4. April 1990, Hilti/Kommission (T‑30/89, Slg. 1990, II‑163, auszugsweise veröffentlicht), keineswegs, dass in dem geschützten Schriftwechsel ein Hinweis zu finden sei, der eine Verbindung mit der Anforderung einer rechtlichen Beratung herstelle, oder dass die Mitteilungen ausschließlich verfasst worden seien, um eine solche Beratung anzufordern.

110    Die einzige Besonderheit des vorliegenden Falles im Vergleich zum klassischen Sachverhalt im Urteil AM & S liege darin, dass die Information dem unabhängigen Rechtsanwalt anhand des Vermerks des leitenden Geschäftsführers mündlich übermittelt worden sei. Wenn Letzterer das Ergebnis seiner Bemühungen in einem an den unabhängigen Rechtsanwalt gerichteten Vermerk zusammengefasst und seinem Vorgesetzten eine Kopie davon übermittelt hätte, hätte die Kommission sicherlich diesem Schriftstück den Schutz der Vertraulichkeit zugebilligt. Wie aber der Beschluss Hilti/Kommission zeige, sei die Gewährung dieses Schutzes weniger von der Form als vielmehr vom Inhalt des Schriftstücks abhängig.

111    Der CCBE führt aus, dass Schriftstücke, die für die Anforderung einer rechtlichen Beratung verfasst würden, als vertraulich geschützt seien und hierfür der vorherrschende Zweck der Erstellung einer Mitteilung berücksichtigt werden müsse. Allerdings reiche es nicht aus, dass ein Unternehmen erkläre, ein Schriftstück sei im Kontext eines Programms zur Einhaltung des Wettbewerbsrechts erstellt worden, um es als geschützt zu betrachten, selbst wenn dieses Programm in Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Rechtsberater entwickelt und unter seiner Aufsicht durchgeführt worden sei. Im vorliegenden Fall könne indessen nicht entscheidend sein, dass die äußere Form der Unterlagen der Serie A nicht erkennen lasse, dass sie für diesen Zweck erstellt worden seien. Die niederländische Rechtsanwaltskammer, die ECLA, die ACCA und die IBA sind der Meinung, dass vorbereitende Unterlagen, die verfasst worden seien, um eine rechtliche Beratung anzufordern, als vertraulich anzusehen seien.

112    Die Kommission weist darauf hin, dass nach dem Urteil AM & S (Randnrn. 21 bis 23) und dem Beschluss Hilti/Kommission (Randnr. 18) die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant nur den Schriftwechsel zwischen Rechtsanwalt und Mandant, der im Rahmen und im Interesse der Rechte der Verteidigung erfolge, sowie die internen Niederschriften erfasse, die sich auf eine Wiedergabe des Wortlauts oder des Inhalts dieses Schriftverkehrs beschränkten.

113    Im vorliegenden Fall seien die betreffenden Schriftstücke einem Schriftwechsel zwischen Rechtsanwalt und Mandant nicht gleichzustellen und hätten nicht den Inhalt eines solchen Schriftwechsels. Die Ausführungen im streitigen Vermerk gäben interne Gespräche wieder, die der leitende Geschäftsführer mit anderen Angestellten im Rahmen eines Anpassungsprogramms geführt habe, nicht aber Gespräche mit einem unabhängigen Rechtsanwalt.

114    Die Kommission spreche sich gegen eine Erstreckung des materiellen Anwendungsbereichs der Vertraulichkeit auf Schriftstücke aus, die im Hinblick auf eine rechtliche Beratung verfasst worden seien. Eine solche Erstreckung finde weder in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch in den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten eine Stütze. Das Urteil AM & S bringe bereits ein erhöhtes Schutzniveau für das Gemeinschaftsrecht mit sich, das weiter gehe als das in zahlreichen Mitgliedstaaten geltende, da es beim Mandanten aufbewahrte Schriftstücke erfasse und auch Schriftstücke betreffen könne, die mit einem unabhängigen Rechtsanwalt vor Einleitung eines Verfahrens gegen den Mandanten ausgetauscht worden seien.

115    Abzulehnen sei auf jeden Fall die Auffassung der Klägerinnen, dass der Vermerk, dessen zwei Kopien die Schriftstücke der Serie A darstellten, abgefasst worden sei, um eine rechtliche Beratung zu erhalten. Dieser maschinengeschriebene Vermerk enthalte keinen Hinweis auf eine Verbindung zwischen den Aufzeichnungen des leitenden Geschäftsführers von Akcros und der Beauftragung eines unabhängigen Rechtsanwalts mit einer rechtlichen Beratung. Die in einer der beiden Kopien des Vermerks enthaltene handschriftliche Bezugnahme auf den Namen eines unabhängigen Rechtsanwalts beweise bestenfalls, dass mit diesem ein Gespräch über den Vermerk stattgefunden habe. Die Tatsache, dass der Name des unabhängigen Rechtsanwalts handschriftlich nach Fertigstellung dieses Vermerks, noch dazu auf nur einer der beiden Kopien, hinzugefügt worden sei, weise darauf hin, dass der Vermerk nicht für eine rechtliche Beratung erstellt worden sei. Außerdem hätten die Klägerinnen, abgesehen von der einfachen Tätigkeitsübersicht von Herrn X und einer angeblichen von diesem verfassten Niederschrift über den Inhalt des Gesprächs, das er mit dem leitenden Geschäftsführer geführt haben soll, kein Schriftstück vorweisen können, das belege, dass eine rechtliche Beratung tatsächlich angefordert und erteilt worden sei.

116    Was die Berufung der Klägerinnen auf das Anpassungsprogramm von Akzo Nobel anbelange, seien Zweifel bezüglich dessen Beweiskraft angebracht. So enthielten die Schriftstücke der Serie A keinen Hinweis auf dieses Programm. Um die Vertraulichkeit eines Schriftstücks zu begründen, reiche es nicht aus, dass es im Rahmen eines Anpassungsprogramms erstellt worden sei. Ein solches Programm sei ein interner Beurteilungsprozess mit Kontakten unter den Mitarbeitern, um festzustellen, ob das Unternehmen das Wettbewerbsrecht beachte, und es habe pädagogischen, disziplinarischen und überwachenden Charakter, der sich nicht auf den Schutz der Verteidigungsrechte beschränke. Wenn man einem Unternehmen erlaubte, den Schutz eines Schriftstücks nur deshalb zu beanspruchen, weil es ohne das Anpassungsprogramm und ohne die Vorgaben eines unabhängigen Rechtsberaters nie erstellt worden wäre, könnte dies zu Missbräuchen jeglicher Art führen.

–       Würdigung durch das Gericht

117    Nach dem Urteil AM & S ist die Verordnung Nr. 17 dahin auszulegen, dass sie die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant schützt, wenn der Schriftwechsel zum einen im Rahmen und im Interesse des Rechts des Mandanten auf Verteidigung und zum anderen von unabhängigen Rechtsanwälten geführt wird (Randnrn. 21, 22 und 27 des Urteils). Bei der ersten dieser beiden Voraussetzungen muss sich der Schutz, wenn er wirksam sein soll, ohne Weiteres auf den gesamten Schriftwechsel beziehen, der nach Eröffnung des Verwaltungsverfahrens gemäß der Verordnung Nr. 17, das eine Entscheidung über die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG oder über die Verhängung einer Geldstrafe gegen das Unternehmen zur Folge haben kann, geführt worden ist. Dieser Schutz kann sich aber auch auf den früheren Schriftwechsel ausdehnen, der mit dem Gegenstand dieses Verfahrens im Zusammenhang steht (Urteil AM & S, Randnr. 23). Im Beschluss Hilti/Kommission ist klargestellt, dass der vorgenannte Schutz im Hinblick auf seinen Zweck auch für interne Aufzeichnungen im Unternehmen zu gelten hat, in denen nur der Wortlaut oder der Inhalt einer Kommunikation mit einem unabhängigen Rechtsanwalt, die eine rechtliche Beratung beinhaltet, wiedergegeben wird (Randnrn. 16 bis 18 des Beschlusses).

118    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Schriftstücke der Serie A als solche keinen Schriftwechsel mit einem unabhängigen Rechtsanwalt oder eine interne Aufzeichnung darstellen, in der der Inhalt eines Schriftwechsels mit einem solchen Rechtsanwalt wiedergegeben wird. Die Klägerinnen machen auch nicht geltend, dass diese Schriftstücke erstellt worden seien, um als solche einem unabhängigen Rechtsanwalt übermittelt zu werden. Mithin ist davon auszugehen, dass diese Unterlagen nicht förmlich den Arten von Schriftstücken entsprechen, die in der angeführten Rechtsprechung ausdrücklich festgehalten worden sind.

119    Die Klägerinnen sind der Meinung, dass die genannten Schriftstücke auf jeden Fall als vertraulich anzusehen seien, da sie erstellt worden seien, um eine rechtliche Beratung anzufordern. Sie seien insbesondere für eine telefonische Unterredung mit einem Rechtsanwalt verfasst worden, um rechtlichen Rat zu erhalten.

120    Hierzu ist zu bemerken, dass der Grundsatz der Vertraulichkeit des Schriftverkehrs zwischen Rechtsanwalt und Mandant als notwendige Ergänzung zur vollen Ausübung der Verteidigungsrechte gehört (Urteil AM & S, Randnr. 23, vgl. oben, Randnr. 77). Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Beachtung der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die zu Sanktionen, namentlich zu Geldbußen oder zu Zwangsgeldern, führen können, einen fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, der auch in einem Verwaltungsverfahren beachtet werden muss (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, Slg. 1979, 461, Randnr. 9, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Cascades/Kommission, T‑308/94, Slg. 1998, II‑925, Randnr. 39). Es muss aber auch verhindert werden, dass dieser Anspruch in Voruntersuchungsverfahren in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt wird; insbesondere gilt dies bei Nachprüfungen, die für die Erbringung von Beweisen für rechtswidrige Verhaltensweisen von Unternehmen, die geeignet sind, deren Haftung auszulösen, von entscheidender Bedeutung sein können (Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission, 46/87 und 227/88, Slg. 1989, 2859, Randnr. 15).

121    Diese Vertraulichkeit entspricht dem Erfordernis, dass es dem Einzelnen möglich sein muss, sich völlig frei an einen Rechtsanwalt zu wenden, zu dessen beruflichen Aufgaben es gehört, unabhängige Rechtsberatung all denen zu erteilen, die sie benötigen (Urteil AM & S, Randnr. 18). Dieser Grundsatz ist somit eng mit der Vorstellung von der Funktion des Rechtsanwalts als eines Mitgestalters der Rechtspflege verknüpft (Urteil AM & S, Randnr. 24, vgl. oben, Randnr. 77).

122    Damit es einem Rechtssuchenden möglich ist, sich zweckentsprechend völlig frei an einen Rechtsanwalt zu wenden, und dieser seine Funktion als Mitgestalter der Rechtspflege und Rechtsbeistand im Sinne einer vollen Ausübung der Verteidigungsrechte wirksam wahrnehmen kann, kann es sich unter bestimmten Umständen als notwendig erweisen, dass der Mandant Arbeits- oder Überblicksunterlagen anfertigt, insbesondere um Informationen zusammenzustellen, die für diesen Rechtsanwalt nützlich, ja unerlässlich sind, um den Kontext, die Natur und die Bedeutung des Sachverhalts zu begreifen, für den sein Beistand gesucht wird. Die Erstellung solcher Unterlagen kann sich besonders in den Bereichen als notwendig erweisen, die zahlreiche und komplexe Informationen ins Spiel bringen, was üblicherweise bei den Verfahren zutrifft, mit denen Verstöße gegen die Art. 81 EG und 82 EG geahndet werden sollen. Wenn die Kommission bei einer Nachprüfung Kenntnis von derartigen Unterlagen nimmt, könnten somit die Verteidigungsrechte des überprüften Unternehmens sowie das öffentliche Interesse, das sicherstellen soll, dass jeder Mandant sich völlig frei an einen Rechtsanwalt wenden kann, beeinträchtigt werden.

123    Mithin können solche vorbereitenden Unterlagen, auch wenn sie nicht mit einem Rechtsanwalt gewechselt oder nicht erstellt worden sind, um als solche einem Rechtsanwalt übermittelt zu werden, trotzdem unter die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant fallen, wenn sie ausschließlich erstellt worden sind, um im Rahmen der Ausübung der Verteidigungsrechte eine rechtliche Beratung eines Rechtsanwalts anzufordern. Hingegen kann der Umstand allein, dass ein Schriftstück Gegenstand einer Besprechung mit einem Rechtsanwalt war, ihm diesen Schutz nicht verleihen.

124    Der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant stellt bekanntlich eine Ausnahme von den Untersuchungsbefugnissen der Kommission dar, die unerlässlich sind, um ihr die Ermittlung, die Abstellung und die Ahndung von Wettbewerbsverstößen zu ermöglichen. Solche Verstöße werden im Übrigen häufig sorgfältig verdeckt und sind in der Regel sehr gefährlich für das reibungslose Funktionieren des Gemeinsamen Marktes. Aus diesem Grund muss die Möglichkeit, dass ein vorbereitendes Schriftstück als vertraulich geschützt wird, eng ausgelegt werden. Es ist Sache des Unternehmens, das sich auf diesen Schutz beruft, zu beweisen, dass die betreffenden Schriftstücke allein zu dem Zweck erstellt worden sind, die rechtliche Beratung eines Rechtsanwalts anzufordern. Dies muss sich unzweideutig aus dem Inhalt der Schriftstücke selbst oder aus dem Zusammenhang ergeben, in dem die Schriftstücke verfasst und aufgefunden wurden.

125    Es ist daher zu prüfen, ob die Klägerinnen nachgewiesen haben, dass der Vermerk des leitenden Geschäftsführers von Akcros Chemicals vom 16. Februar 2000, dessen zwei Kopien die Unterlagen der Serie A darstellen, ausschließlich erstellt worden ist, um im Rahmen der Ausübung der Verteidigungsrechte die rechtliche Beratung eines Rechtsanwalts anzufordern.

126    Die Klägerinnen machen insoweit zunächst geltend, dass dieser Vermerk im Rahmen ihres von einer Rechtsanwaltskanzlei entwickelten und koordinierten Programms zur Einhaltung des Wettbewerbsrechts erstellt worden sei, um potenzielle Probleme bezüglich des Wettbewerbsrechts zu ermitteln und hierzu rechtlichen Rat einzuholen. Er enthalte Informationen, die der leitende Geschäftsführer von Akcros Chemicals aufgrund interner Gespräche mit anderen Angestellten zusammengestellt habe, um eine rechtliche Beratung für dieses Programm zu erhalten. Schließlich belegten mehrere Anhaltspunkte, dass der Vermerk die Anforderung einer rechtlichen Beratung bezweckt habe und diese tatsächlich angefordert und erteilt worden sei.

127    Was zunächst die Bezugnahme der Klägerinnen auf das Programm zur Einhaltung des Wettbewerbsrechts betrifft, so kann der bloße Umstand, dass ein Schriftstück im Rahmen eines solchen Programms erstellt worden ist, nicht ausreichen, um diesem Schriftstück den Schutz der Vertraulichkeit zukommen zu lassen. Diese Programme schließen wegen ihrer Breite Arbeiten und Informationen ein, die häufig die Ausübung der Verteidigungsrechte weit überschreiten. Insbesondere kann der Umstand, dass ein externer Rechtsanwalt ein Anpassungsprogramm entwickelt und/oder koordiniert haben mag, nicht ohne Weiteres alle Unterlagen, die im Rahmen dieses Programms oder im Zusammenhang mit diesem erarbeitet worden sind, unter den Schutz der Vertraulichkeit stellen.

128    Das Gericht ist sodann, was erstens die handschriftlichen Notizen auf einer der beiden Kopien des Vermerks, die sich auf ein Telefongespräch mit einem unabhängigen Rechtsanwalt beziehen, zweitens die von diesem ausgefüllte Tätigkeitsübersicht, die dieses Gespräch bestätigen soll, drittens die angebliche Erstellung einer internen Niederschrift hierzu durch diesen Rechtsanwalt und viertens die mögliche Übermittlung einer ergänzenden Fax-Information des leitenden Geschäftsführers von Akcros Chemicals an den Rechtsanwalt betrifft, der Auffassung, dass diese einzelnen Punkte lediglich zeigen, dass über den Inhalt des fraglichen Vermerks ein Telefongespräch zwischen dem leitenden Geschäftsführer von Akcros Chemicals und diesem Rechtsanwalt stattgefunden hat. Sie können indessen für sich genommen nicht beweisen, dass dieser Vermerk zu dem Zweck – und erst recht nicht zu dem ausschließlichen Zweck – erstellt wurde, von dem genannten Rechtsanwalt rechtlichen Rat einzuholen.

129    Hierzu ist festzustellen, dass der Vermerk nicht an diesen Rechtsanwalt, sondern an einen Vorgesetzten des leitenden Geschäftsführers von Akcros Chemicals, nämlich den SBU-Manager, gerichtet war. Dem ersten Satz dieses Vermerks ist nämlich zu entnehmen, dass er auf dessen Wunsch ausgearbeitet wurde. Der Vermerk folgte auf eine Frage des SBU-Managers bezüglich des etwaigen Vorliegens wettbewerbswidriger Tätigkeiten in einer der Abteilungen der Klägerinnen unter der Verantwortung des leitenden Geschäftsführers von Akcros Chemicals. Der Vermerk enthält eine Beschreibung mehrerer Aktivitäten und Verhaltensweisen, die wettbewerbsrechtlich relevant sein könnten. Als Schlussfolgerung formuliert der leitende Geschäftsführer zwei Empfehlungen an seinen Vorgesetzten und bittet ihn hierzu um Zustimmung.

130    Wichtig ist, dass in diesem Vermerk keine Anforderung einer rechtlichen Beratung oder Konsultation erwähnt wird. So ist dort auch keine Rede von dem Erfordernis, die Übereinstimmung bestimmter Praktiken mit dem Wettbewerbsrecht zu bewerten, oder von der Möglichkeit die Einreichung eines Abmilderungsantrags vorzusehen. Schließlich betrifft keine der beiden dort formulierten Empfehlungen das Erfordernis oder die Zweckmäßigkeit, eine rechtliche Beratung zu den geprüften Verhaltensweisen oder zu den später zu treffenden Maßnahmen anzufordern.

131    Zudem passt offensichtlich die Ausarbeitung des Vermerks, selbst wenn die betreffende Zusammenstellung von Informationen tatsächlich zur Durchführung des Anpassungsprogramms der Klägerinnen gehören könnte, nicht zu der in diesem Programm festgelegten Methode. Wie sich aus einem Schreiben des Vorsitzenden des Verwaltungsrats von Akzo Nobel vom 28. Januar 2000 ergibt, das neben anderen Personen auch an den SBU-Manager gerichtet war, legte dieses Anpassungsprogramm nämlich fest, dass alle Informationen oder Fragen zu etwaigen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen unmittelbar mündlich an die unabhängigen Rechtsanwälte der Klägerinnen zu richten sind, außer bei Geschäften mit den Vereinigten Staaten und Kanada.

132    Das Gericht ist demnach der Auffassung, dass sich weder dem Inhalt des Schriftstücks noch den von den Klägerinnen vorgebrachten Tatsachen und Erläuterungen im Einzelnen oder im Ganzen entnehmen lässt, dass der fragliche Vermerk vom leitenden Geschäftsführer von Akcros Chemicals ausschließlich verfasst wurde, um eine rechtliche Beratung anzufordern. Die nächstliegende Erklärung liegt vielmehr darin, dass dieser Vermerk vom leitenden Geschäftsführer von Akcros Chemicals hauptsächlich erstellt wurde, um die Zustimmung seines Vorgesetzten zu den Empfehlungen einzuholen, die er hinsichtlich der festgestellten Verhaltensweisen abgegeben hat. Dies geht auch aus den handschriftlichen Notizen der Serie B hervor. Darin hat nämlich der leitende Geschäftsführer von Akcros Chemicals ausdrücklich angegeben, dass sein Vorgesetzter, der SBU-Manager, hinsichtlich der Strategie für einige im Vermerk festgehaltene Sachverhalte anderer Meinung sein könnte. Dies würde erklären, weshalb der leitende Geschäftsführer von Akcros Chemicals einen Vermerk für seinen Vorgesetzten verfasst hat und darin die festgestellten Verhaltensweisen aufzeigt, Empfehlungen für zu treffende Maßnahmen ausspricht und um Zustimmung zu diesen ersucht.

133    Die Abfolge der Vorgänge, wie die Klägerinnen sie darstellen, widerspricht dieser Sachverhaltsdarstellung nicht. Am 16. Februar 2000 wurde der betreffende Vermerk dem SBU-Manager vom leitenden Geschäftsführer von Akcros Chemicals übermittelt. Am 17. Februar 2000 erhielt dieser den Vermerk vom SBU-Manager zurück. Erst danach, am 22. Februar 2000, soll der leitende Geschäftsführer von Akcros Chemicals den Inhalt des Vermerks mit dem Rechtsanwalt erörtert haben. Diese spätere Unterredung mit dem Rechtsanwalt reicht aber, wie bereits ausgeführt, nicht für den Nachweis aus, dass der genannte Vermerk ausschließlich erstellt wurde, um eine rechtliche Beratung anzufordern (vgl. oben, Randnr. 130).

134    Demgemäß ist festzustellen, dass die Klägerinnen nicht nachgewiesen haben, dass der Vermerk des leitenden Geschäftsführers von Akcros Chemicals vom 16. Februar 2000 ausschließlich erstellt wurde, um im Rahmen der Ausübung der Verteidigungsrechte eine rechtliche Beratung bei einem Rechtsanwalt anzufordern.

135    Somit hat die Kommission keinen Fehler begangen, indem sie zu dem Schluss gelangt ist, dass die beiden Kopien dieses Vermerks, die die Schriftstücke der Serie A darstellen, nicht unter den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant fallen.

 Zu den handschriftlichen Notizen der Serie B

–       Vorbringen der Parteien

136    Die Klägerinnen führen aus, dass das erste Schriftstück der Serie B aus handschriftlichen Notizen des leitenden Geschäftsführers von Akcros Chemicals bestehe, die bei dessen Gesprächen mit nachgeordneten Angestellten erstellt und verwendet worden seien, um den maschinengeschriebenen Vermerk zu verfassen, dessen Kopien die Unterlagen der Serie A bildeten. Die Klägerinnen machen mit Unterstützung des CCBE geltend, dass, falls den Schriftstücken der Serie A der Schutz der Vertraulichkeit zugebilligt werde, gleiches auch für diese vorbereitenden Notizen gelten müsste.

137    Die Kommission ist der Auffassung, dass diese Notizen nicht aufgrund der Vertraulichkeit geschützt werden könnten, da sie der Vorbereitung von Schriftstücken gedient hätten, die nicht von diesem Grundsatz erfasst seien.

–       Würdigung durch das Gericht

138    Eine Prüfung der handschriftlichen Notizen der Serie B ergibt, dass sie, wie von den Klägerinnen vorgetragen, hauptsächlich gefertigt wurden, um den Vermerk zu erstellen, dessen beide Kopien die Schriftstücke der Serie A bilden. Da das Gericht festgestellt hat, dass dieser Vermerk nicht unter den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant fällt, ist weiter festzustellen, dass auch den genannten Notizen dieser Schutz nicht zukommt.

139    Im Übrigen stellen diese handschriftlichen Notizen keinen Schriftwechsel mit einem Rechtsanwalt dar und geben nicht den Wortlaut oder Inhalt einer Kommunikation mit einem Rechtsanwalt mit einer rechtlichen Beratung wieder. Die Klägerinnen haben auch nicht nachgewiesen, dass diese handschriftlichen Notizen ausschließlich erstellt wurden, um im Rahmen der Ausübung der Verteidigungsrechte die rechtliche Beratung eines Rechtsanwalts anzufordern.

140    Demnach ist festzustellen, dass die Kommission keinen Fehler begangen hat, indem sie den handschriftlichen Notizen der Serie B den von den Klägerinnen beanspruchten Schutz der Vertraulichkeit versagt hat.

 Zu den mit einem Mitglied der Rechtsabteilung der Klägerinnen gewechselten E-Mails der Serie B

–       Vorbringen der Parteien

141    Die Klägerinnen erklären, dass die beiden anderen Schriftstücke der Serie B eine E-Mail-Korrespondenz zwischen dem leitenden Geschäftsführer von Akcros Chemicals und Herrn S., einem Mitglied der Rechtsabteilung von Akzo Nobel, beträfen. Dieser Schriftwechsel müsse aufgrund der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant als gegen jede Offenlegung geschützt angesehen werden.

142    Die Klägerinnen bringen hierzu zweierlei vor. In erster Linie machen sie geltend, dass die Kommunikation mit unternehmensangehörigen Juristen, die in einem Mitgliedstaat als Rechtsanwälte zugelassen seien, – und jedenfalls die Kommunikation mit unternehmensangehörigen Juristen, die wie hier Herr S. in den Niederlanden zugelassene Rechtsanwälte seien – nach den im Urteil AM & S festgelegten Grundsätzen geschützt sein müsse. Sollte indessen das Urteil AM & S so auszulegen sein, dass es einem solchen Schutz entgegenstehe, so müsse, wie die Klägerinnen hilfsweise erklären, der persönliche Anwendungsbereich dieses Schutzes, wie er sich aus diesem Urteil ergebe, erweitert und den betreffenden Schriftstücken der beanspruchte Schutz zugestanden werden.

143    Mit ihrem Hauptvorbringen machen die Klägerinnen zunächst geltend, dass entgegen der einschränkenden Auslegung des Urteils AM & S durch die Kommission Mitteilungen unternehmensangehöriger Juristen, insbesondere zugelassener Rechtsanwälte, unter den Schutz der Vertraulichkeit fielen. Zwar habe der Gerichtshof in seinem Urteil diesen Schutz auf „unabhängige“ Rechtsanwälte beschränkt, zu denen nach seiner Auffassung nicht Rechtsanwälte gehörten, die in einem Beschäftigungsverhältnis zu ihren Mandanten stünden. Das entscheidende im Urteil AM & S festgelegte Merkmal sei indessen die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts. Diese Eigenschaft dürfe aber nicht nur dem nicht angestellten Rechtsanwalt zugestanden werden. Angestellte Juristen seien nicht weniger der Pflicht unterworfen, sich nicht an ungesetzlichen Tätigkeiten zu beteiligen, keine Informationen zu verschleiern oder die Rechtspflege nicht zu behindern. Dies gelte umso mehr für Rechtsordnungen, in denen sie als Rechtsanwälte zugelassen sein könnten und als solche gegenüber ihren Arbeitgebern unabhängig seien.

144    Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass Herr S. in den Niederlanden als Rechtsanwalt zugelassen und die Bezugsperson für das Programm von Akzo Nobel zur Einhaltung des Wettbewerbsrechts sei. Er sei in diesem Unternehmen nur als Rechtsberater tätig geworden, ohne irgendeine Leitungsfunktion zu übernehmen. Seine Zulassung als Rechtsanwalt in den Niederlanden unterstelle ihn den betreffenden Berufs- und Standesregeln und verschaffe ihm einen hohen Grad von Unabhängigkeit. Nach niederländischem Recht gelte für Herrn S. eine mit seinem Arbeitgeber getroffene Beschäftigungsvereinbarung, wonach die Leitung der Unternehmensgruppe Akzo Nobel übereingekommen sei, dass die Verpflichtung zur Unabhängigkeit und zur Einhaltung der nach niederländischem Recht für Rechtsanwälte geltenden Regeln Vorrang vor der Verbundenheit mit der Unternehmensgruppe genieße. Unter dem Blickwinkel des Grundsatzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant sei somit der Schriftwechsel zwischen Herrn S. und dem leitenden Geschäftsführer von Akcros Chemicals einem Schriftwechsel zwischen diesem Unternehmen und einem unabhängigen Rechtsanwalt gleichzusetzen. Herr S. dürfe daher nicht nur als unternehmensangehöriger Rechtsberater betrachtet werden, sondern eher als unabhängiger in den Niederlanden ordnungsgemäß zugelassener Rechtsanwalt, der als Jurist intern in einem Unternehmen tätig sei.

145    Die Klägerinnen machen weiter geltend, Herr S. habe in dem betreffenden Schriftwechsel einen rechtlichen Rat zur Behandlung bestimmter Fragen erteilt, die sich im Zusammenhang mit dem Programm von Akzo Nobel für die Einhaltung des Wettbewerbsrechts gestellt hätten. Diese rechtliche Beratung wiederum stütze sich auf den Rat des unabhängigen Rechtsanwalts der Klägerinnen.

146    Der CCBE ist der Auffassung, bei der Anwendung des Schutzes der Vertraulichkeit sei nicht zu unterscheiden zwischen Rechtsberatern, die in einem festen Angestelltenverhältnis zu dem beratenen Unternehmen stünden, und solchen, bei denen dies nicht der Fall sei, sondern zwischen denen, die beruflichen Standespflichten unterworfen seien, deren Einhaltung die Rechtsanwaltschaft des betreffenden Mitgliedstaats überwache, und denjenigen, die nicht daran gebunden seien. Diese Lösung bringe die dem Urteil AM & S zugrunde liegenden Grundsätze, d. h. die Kriterien der Unabhängigkeit und der Unterwerfung unter eine amtliche Standesregelung, voll zur Geltung. Herr S. erfülle, obwohl er in einem Beschäftigungsverhältnis stehe, alle in diesem Urteil geforderten Kriterien der Unabhängigkeit.

147    Nach Auffassung der ECLA hat der Gerichtshof in seinem Urteil AM & S nicht ausdrücklich festgestellt, dass ein angestellter Rechtsanwalt nie als unabhängig betrachtet werden könne. Ein Unternehmen müsse das Recht haben, eine rechtliche Beratung von einem Rechtsanwalt seiner Wahl anzufordern, ohne damit einen Beweis gegen sich selbst zu schaffen, wenn dieser Rechtsanwalt ordnungsgemäß qualifiziert sei und angemessenen Standes- und Disziplinarregeln unterliege. Außerdem schütze das Arbeitsrecht der Mitgliedstaaten unternehmensangehörige Rechtsberater gegen Entlassungen wegen einer Weigerung, standeswidrige Anweisungen auszuführen.

148    Die niederländische Rechtsanwaltskammer macht geltend, der Gerichtshof habe es in seinem Urteil AM & S nicht kategorisch abgelehnt, Mitteilungen unternehmensangehöriger Juristen den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant zukommen zu lassen. Nach dem genannten Urteil sei dieser Schutz eng mit der Voraussetzung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts verknüpft. Die in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälte, die bei einem Unternehmen beschäftigt seien, seien jedoch ebenso unabhängig von ihrem Mandanten/Arbeitgeber wie andere Rechtsanwälte und hätten den gleichen Status und die gleichen Rechte und Pflichten wie diese, einschließlich des Schutzes der Vertraulichkeit, zumal die gleichen Sanktionen gegen sie verhängt werden könnten.

149    In den Niederlanden sei 1996 eine Verordnung erlassen worden, die den Rechtsanwälten ausdrücklich gestatte, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen. Die Unabhängigkeit der angestellten Rechtsanwälte werde durch eine Vereinbarung über die Beschäftigungsbedingungen mit ihren Arbeitgebern gewährleistet, und zwar in Verbindung mit den Disziplinar- und Standesregeln, die sich aus ihrer Zulassung ergäben. Eine derartige Vereinbarung über die Beschäftigungsbedingungen enthalte eine bestimmte Anzahl strenger Pflichten, die die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts gegenüber seinem Arbeitgeber erhärteten. Zudem verpflichte diese Vereinbarung den Arbeitgeber, dem beschäftigten Rechtsanwalt zu gestatten, die Disziplinar- und Standesregeln einzuhalten, die zur Ausübung seines Berufs gehörten. Daraus sei zu schließen, dass die Grundsätze, die dem Urteil AM & S zugrunde lägen, die Anwendung des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant auf Herrn S. erforderlich machten.

150    Die Kommission hält die betreffenden E-Mails nicht für eine Kommunikation mit einem unabhängigen Rechtsanwalt; sie ließen keinerlei Absicht erkennen, mit einem unabhängigen Rechtsanwalt Mitteilungen auszutauschen, und gäben auch nicht den Wortlaut oder den Inhalt eines Schriftverkehrs mit einem unabhängigen Rechtsanwalt im Rahmen und zum Zwecke der Verteidigungsrechte der Klägerinnen wieder. Grundlegende Frage sei mithin, ob sie eben deshalb geschützt werden sollten, weil es sich um eine interne Kommunikation mit einem Mitglied der Rechtsabteilung der Klägerinnen handele. Entgegen dem, was die Klägerinnen wohl vorbrächten, habe der Gerichtshof indessen im Urteil AM & S ausdrücklich erklärt, dass die Kommunikation zwischen einem Unternehmen und seinem innerbetrieblichen Rechtsberater nicht aufgrund der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant geschützt sei.

151    Mit ihrem Hilfsvorbringen machen die Klägerinnen sodann im Kern fünf Gründe geltend, die ihrer Meinung nach, falls das Urteil AM & S so auszulegen sei, dass es unternehmensangehörige Juristen ohne Einschränkung von diesem Schutz ausnehme, zu einer Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs des genannten Schutzes über diese Rechtsprechung hinaus führen müssten.

152    Erstens weisen die Klägerinnen darauf hin, dass bestimmte Mitgliedstaaten seit dem Urteil AM & S den Geltungsbereich des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant erweitert und für unternehmensangehörige Juristen neue Möglichkeiten der Zulassung als Rechtsanwalt im jeweiligen Mitgliedstaat geschaffen hätten. Die meisten Mitgliedstaaten ließen nunmehr zu, dass unternehmensangehörige Juristen in diesen Schutz einbezogen würden.

153    Die ECLA macht anhand einer rechtsvergleichenden Untersuchung weiter geltend, dass die Mehrzahl der Mitgliedstaaten heute mit ihren Rechtsvorschriften die Unabhängigkeit der unternehmensangehörigen Juristen und die Vertraulichkeit ihrer Mitteilungen anerkenne. Die ACCA weist darauf hin, dass seit 1982 eine wachsende Tendenz der Mitgliedstaaten zu erkennen sei, unternehmensangehörigen Juristen den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant einzuräumen. Der CCBE weist indessen darauf hin, dass dieser Schutz unternehmensangehörigen Juristen in Frankreich, Italien, Luxemburg, Finnland, Österreich und Schweden nicht zugebilligt werde. Die entscheidende Frage sei jedoch, ob die im Beschäftigungsverhältnis stehenden Juristen in den Mitgliedstaaten jeweils einer berufsständischen Ordnung unterlägen, da die Verpflichtung zum Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant im Allgemeinen mit der Zulassung als Rechtsanwalt verbunden sei. Bestimmte Länder untersagten ausnahmslos zugelassenen Rechtsanwälten, in ein Beschäftigungsverhältnis einzutreten – so etwa Belgien und Griechenland –, während andere – wie Dänemark, Deutschland, Spanien, Irland, die Niederlande, Portugal und das Vereinigte Königreich – dies zuließen.

154    Die Kommission verweist darauf, dass einige Mitgliedstaaten bereits vor dem Urteil AM & S unternehmensangehörigen Juristen eine Sonderstellung eingeräumt hätten. Heute sei die Situation nicht anders. So sei unbestritten, dass der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant unternehmensangehörigen Juristen in Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich und Finnland nicht zugebilligt werde. Im Übrigen seien die Ergebnisse der ECLA in ihrem Bericht keineswegs so eindeutig, wie diese sie hinstelle.

155    Zur Zugehörigkeit von unternehmensangehörigen Juristen zur Rechtsanwaltschaft führt die Kommission aus, dass man zwar in einigen Mitgliedstaaten im festen Angestelltenverhältnis stehen und zugleich zugelassener Rechtsanwalt sein könne – insbesondere in Spanien und im Vereinigten Königreich – und in anderen – insbesondere in Deutschland und in den Niederlanden – in einem solchen Beschäftigungsverhältnis stehende Juristen unter bestimmten Voraussetzungen der Rechtsanwaltschaft angehören könnten, dass indessen in einer Vielzahl von Mitgliedstaaten der Beschäftigtenstatus und die Zugehörigkeit zur Rechtsanwaltschaft unvereinbar seien – z. B. in Tschechien, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Ungarn, Österreich und Schweden. Die letztgenannte Gruppe von Staaten billige dem Schriftwechsel mit diesen Juristen nicht den Schutz der Vertraulichkeit zu. In Finnland schließlich setze die Berufsausübung als unabhängiger Rechtsanwalt nicht die Zugehörigkeit zur Rechtsanwaltschaft voraus. Mithin billige die große Mehrheit der Mitgliedstaaten unternehmensangehörigen Juristen nicht den Vertraulichkeitsschutz zu, selbst wenn sie als Rechtsanwalt zugelassen seien. Wollte man zudem eine in einigen Mitgliedstaaten zu beobachtende Entwicklung zu einem Grundsatz des Gemeinschaftsrechts erheben, so würde dies zu einer Situation der Rechtsunsicherheit führen.

156    Den Klägerinnen zufolge hat zweitens das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft seit dem Urteil AM & S eine Reihe grundlegender Reformen erfahren, deren Auswirkungen eine Überprüfung der Anwendbarkeit des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant auf unternehmensangehörige Juristen, insbesondere wenn sie als Rechtsanwälte zugelassen seien, erforderlich mache. So habe im Rahmen der Modernisierung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft sowohl die Verordnung Nr. 1/2003 als auch die Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3) den Unternehmen zunehmende Verantwortung auferlegt, damit sie die Übereinstimmung ihres Verhaltens mit den Wettbewerbsregeln überprüften. Auch wenn diese Selbstbewertung üblicherweise unter der grundsätzlichen Leitung eines unabhängigen Rechtsanwalts erfolge, spielten dabei die unternehmensangehörigen Juristen eine zentrale Rolle, die behindert würde, wenn sie von dem Vertraulichkeitsschutz ausgenommen würden.

157    Die Kommission ist demgegenüber der Meinung, dass die Ersetzung der Verordnung Nr. 17 durch die Verordnung Nr. 1/2003, die von den Unternehmen in höherem Maße verlange, dass sie die Vereinbarkeit ihrer Vereinbarungen mit den Bedingungen von Art. 81 Abs. 3 EG selbst bewerteten, im vorliegenden Fall keine Bedeutung habe, da in diesem Rahmen die Frage der Vertraulichkeit schwerlich eine Rolle spielen könne.

158    Drittens machen die Klägerinnen geltend, dass eine unterschiedliche Behandlung des unabhängigen Rechtsanwalts und des als Rechtsanwalt zugelassenen unternehmensangehörigen Juristen bei der Anwendung des Schutzes der Vertraulichkeit willkürlich sei, folglich gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße und Fragen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs aufwerfe. Die ACCA unterstützt diesen Standpunkt und ergänzt, dass das Urteil AM & S auch die nichtgemeinschaftlichen Juristen diskriminiere, da dieser Schutz nur in einem Mitgliedstaat zugelassenen Rechtsanwälten zukomme (Randnr. 25 des Urteils).

159    Die Kommission ist der Auffassung, dass das Grundprinzip, wonach die Unternehmen Anspruch auf ein gerechtes Verfahren und insbesondere auf freie Beratung durch einen Rechtsanwalt ihrer Wahl hätten, durch die Begrenzungen des Urteils AM & S gegenüber unternehmensangehörigen Juristen nicht ungebührlich eingeschränkt werde. Zudem werfe die ACCA eine neue Frage auf, die von den Klägerinnen nicht vorgebracht worden und daher unzulässig und auf jeden Fall nicht Gegenstand dieser Rechtssache sei.

160    Die Klägerinnen verweisen viertens auf das Urteil des Gerichts vom 7. Dezember 1999, Interporc/Kommission (T‑92/98, Slg. 1999, II‑3521), bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 6. März 2003, Interporc/Kommission (C‑41/00 P, Slg. 2003, I‑2125), in dem das Gericht festgestellt habe, dass der Schriftverkehr zwischen den Mitgliedern des Juristischen Dienstes der Kommission und der Letztgenannten aufgrund der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant geschützt sei. Es gebe aber keinen Unterschied zwischen der Unabhängigkeit der Mitglieder des Juristischen Dienstes der Kommission gegenüber diesem Organ und der Unabhängigkeit eines als Rechtsanwalt zugelassenen unternehmensangehörigen Juristen gegenüber seinem Arbeitgeber.

161    Die Kommission widerspricht dieser Analogie. Der Schutz, den die Urteile vom 7. Dezember 1999 und 6. März 2003, Interporc/Kommission, den Mitteilungen der Mitglieder ihres Juristischen Dienstes zukommen ließen, ergebe sich daraus, dass das öffentliche Interesse der Offenlegung von Dokumenten entgegenstehe, die allein für ein besonderes Gerichtsverfahren abgefasst worden seien.

162    Fünftens schließlich weisen die Klägerinnen darauf hin, dass der Schriftwechsel zwischen Herrn S. und dem leitenden Geschäftsführer von Akcros Chemicals eine Korrespondenz zwischen zwei Personen darstelle, von denen die eine in den Niederlanden und die andere im Vereinigten Königreich ansässig sei. Nach niederländischem Recht stehe der Schriftwechsel von Herrn S. gemäß Art. 51 des niederländischen Wettbewerbsgesetzes unter dem Schutz der Vertraulichkeit. Dieser Schutz sei ebenfalls im Vereinigten Königreich anerkannt. Das Gemeinschaftsrecht dürfe aber nicht restriktiver sein als diese beiden nationalen Rechte.

163    Der CCBE steht auf dem Standpunkt, dass mangels gemeinschaftlicher Harmonisierung der Standesregeln des Rechtsanwaltsberufs der persönliche Anwendungsbereich des Gemeinschaftsbegriffs der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant vom nationalen Recht geregelt werden müsse. Die ECLA macht geltend, da Rechtsstellung, Rechte und Pflichten eines Rechtsanwalts dem nationalen Recht unterlägen, sei die Kommission wegen des Grundsatzes der Eigenständigkeit des nationalen Verfahrens nicht befugt, den vom nationalen Recht verliehenen Schutz beiseitezulassen. Die niederländische Rechtsanwaltskammer unterstützt diesen Standpunkt und bestätigt, dass der Grundsatz der Vertraulichkeit im niederländischen Wettbewerbsrecht bei Nachprüfungen für alle zugelassenen Rechtsanwälte gelte, gleichgültig, ob sie im Angestelltenverhältnis stünden oder nicht.

164    Die Kommission bestreitet, dass sie durch die nationalen Vorschriften über die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant gebunden sei. Dies verstieße gegen den Vorrang der Verordnung Nr. 1/2003 – und zuvor der Verordnung Nr. 17 – sowie gegen das Urteil AM & S, das bewusst für diesen Bereich ein Gemeinschaftskonzept habe entwickeln wollen. Überdies lasse sich, da ihre Untersuchungsbefugnisse die gesamte Europäische Union umfassten, der Geltungsbereich des genannten Schutzes nicht auf der Grundlage der Rechtsvorschriften und Regeln der Mitgliedstaaten für die Rechtsanwaltschaft bestimmen. Dies würde nämlich sowohl rechtlich als auch praktisch zu außergewöhnlichen Schwierigkeiten führen. Auf jeden Fall sei in den Niederlanden das Recht auf Schutz der Vertraulichkeit wesentlich stärker beschränkt, als es die Klägerinnen und die Streithelfer wahrhaben möchten.

–       Würdigung durch das Gericht

165    Die Schriftstücke der Serie B umfassen neben den bereits geprüften handschriftlichen Notizen eine E-Mail-Korrespondenz vom Mai und Juni 2000 zwischen dem leitenden Geschäftsführer von Akcros Chemicals und Herrn S., einem in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwalt, der zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt Mitglied der Rechtsabteilung von Akzo Nobel war, wo er insbesondere als Koordinator für das Wettbewerbsrecht tätig war.

166    Was erstens das Hauptvorbringen der Klägerinnen betrifft, hat der Gerichtshof in seinem Urteil AM & S ausdrücklich entschieden, dass der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwälten und Mandanten nach Gemeinschaftsrecht im Rahmen der Verordnung Nr. 17 nur insoweit gilt, als diese Rechtsanwälte unabhängig sind, d. h. zu ihrem Mandanten nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen (Randnrn. 21, 22 und 27 des Urteils). Diese Anforderung, dass der Rechtsanwalt einen unabhängigen Status haben muss, damit der von ihm geführte Schriftwechsel schutzwürdig ist, beruht auf der Vorstellung von der Funktion des Anwalts als eines Mitgestalters der Rechtspflege, der in völliger Unabhängigkeit und in deren vorrangigem Interesse dem Mandanten die rechtliche Unterstützung zu gewähren hat, die dieser benötigt. (Urteil AM & S, Randnr. 24).

167    Mithin hat der Gerichtshof ausdrücklich den Schriftwechsel mit unternehmensangehörigen Juristen, d. h. Rechtsberatern, die in einem Beschäftigungsverhältnis zu ihrem Mandanten stehen, vom Schutz des Grundsatzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant ausgeschlossen. Zudem hat der Gerichtshof diese Entscheidung bewusst getroffen, da die Frage während des Gerichtsverfahrens eingehend erörtert worden war und Generalanwalt Sir Gordon Slynn in seinen Schlussanträgen in dieser Rechtssache ausdrücklich vorgeschlagen hatte, dass ein Rechtsanwalt im Beschäftigungsverhältnis, der aber Mitglied des Berufsstands bleibt und weiterhin dessen Berufs- und Standesregeln unterworfen ist, ebenso behandelt werden sollte wie unabhängige Rechtsanwälte (Schlussanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn im Urteil in der Rechtssache AM & S, 1655).

168    Anders als die Klägerinnen und einige Streithelfer geltend machen, hat daher der Gerichtshof in seinem Urteil AM & S den Begriff des unabhängigen Rechtsanwalts negativ definiert, da er die Forderung aufgestellt hat, dass dieser Rechtsanwalt nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu seinem Mandanten steht (vgl. oben, Randnr. 166), und er hat diesen Begriff nicht positiv auf der Grundlage der Zugehörigkeit zur Rechtsanwaltschaft oder der Unterwerfung unter die Berufs- und Standesregeln definiert. Somit verankert der Gerichtshof das Kriterium eines rechtlichen Beistands „in völliger Unabhängigkeit“ (Urteil AM & S, Randnr. 24), das er mit dem Beistand eines Rechtsanwalts identifiziert, der strukturell, hierarchisch und funktional im Verhältnis zu dem von ihm beratenen Unternehmen ein Dritter ist.

169    Somit ist das Hauptvorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen und festzustellen, dass der Schriftwechsel zwischen einem Rechtsanwalt, der zu Akzo Nobel in einem Beschäftigungsverhältnis steht, und dem Direktor eines Unternehmens, das zu dieser Unternehmensgruppe gehört, nach Maßgabe des Urteils AM & S nicht durch die Vertraulichkeit geschützt ist.

170    Was zweitens das Hilfsvorbringen der Klägerinnen betrifft, wonach das Gericht den persönlichen Anwendungsbereich der Vertraulichkeit über die vom Gerichtshof im Urteil AM & S festgelegten Grenzen hinaus ausdehnen müsse, ist erstens festzustellen, dass eine Prüfung der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ergibt, dass zwar, wie die Klägerinnen und einige der Streithelfer geltend machen, die spezielle Anerkennung der Rolle des unternehmensangehörigen Juristen und der Schutz der Kommunikation mit diesem heute verhältnismäßig stärker verbreitet sind als zur Zeit der Verkündung des Urteils AM & S, dass jedoch hierbei einheitliche oder eindeutig mehrheitliche Tendenzen in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten nicht erkennbar sind.

171    Zum einen zeigt insbesondere eine rechtsvergleichende Prüfung, dass noch immer eine große Zahl von Mitgliedstaaten unternehmensangehörige Juristen vom Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant ausschließen. In bestimmten Mitgliedstaaten scheint im Übrigen diese Frage nicht eindeutig oder endgültig geklärt zu sein. Schließlich haben mehrere Mitgliedstaaten ihre Regelungen dem Gemeinschaftssystem angepasst, wie es sich aus dem Urteil AM & S ergibt. Zum anderen zeigt diese Prüfung, dass in vielen Mitgliedstaaten unternehmensangehörige Juristen nicht als Rechtsanwälte zugelassen werden können und ihnen somit nicht der Rechtsanwaltstatus zuerkannt wird. In mehreren Ländern bleibt nämlich der Status des Juristen, der in einem Beschäftigungsverhältnis zu jemandem steht, der kein Rechtsanwalt ist, mit der Eigenschaft des Rechtsanwalts unvereinbar. Ferner bedeutet selbst in den Mitgliedstaaten, die diese Möglichkeit eröffnen, die Zulassung unternehmensangehöriger Juristen als Rechtsanwälte und ihre Unterwerfung unter die Berufs- und Standesregeln immer noch nicht, dass die Kommunikation als vertraulich geschützt ist.

172    Was zweitens die Auffassung der Klägerinnen betrifft, dass das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft eine Entwicklung genommen habe, die es erforderlich mache, die vom Gerichtshof im Urteil AM & S gefundene Lösung zu überdenken, ist zu beachten, dass der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant eine Begrenzung für die Ausübung der Ermittlungsbefugnisse der Kommission darstellt und diese Befugnisse in erster Linie bei der Bekämpfung der schwersten Verstöße gegen Art. 81 Abs. 1 EG, darunter insbesondere Preisabsprachen oder Marktaufteilungen, sowie bei Verstößen gegen Art. 82 EG eingesetzt werden. Daher ist davon auszugehen, dass die Abschaffung des Notifikationssystems im Rahmen der Modernisierung des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts und damit die durch die Verordnung Nr. 1/2003 bewirkte Übertragung größerer Verantwortlichkeiten an die Unternehmen bei der Bewertung der Vereinbarkeit ihrer Verhaltensweisen mit Art. 81 Abs. 3 EG keine unmittelbare Auswirkung auf diese Problematik haben.

173    Selbst wenn man davon ausginge, dass durch die Verordnung Nr. 1/2003 sowie durch die Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen das Bedürfnis der Unternehmen gewachsen ist, im Verhältnis zum Wettbewerbsrecht ihre Verhaltensweisen zu überprüfen und ihre rechtlichen Strategien festzulegen und hierbei die Hilfe eines Juristen in Anspruch zu nehmen, der über vertiefte Kenntnisse des Unternehmens und des betreffenden Marktes verfügt, können doch diese Aufgaben der Bewertung und der strategischen Ausrichtung von einem unabhängigen Rechtsanwalt in voller Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen des Unternehmens einschließlich seiner Rechtsabteilung übernommen werden. Insoweit wäre mithin die Kommunikation zwischen unternehmensangehörigen Juristen und dem unabhängigen Rechtsanwalt grundsätzlich durch die Vertraulichkeit geschützt, wenn sie im Rahmen und zum Zwecke der Verteidigungsrechte des Unternehmens stattfindet. Dies zeigt, dass der persönliche Anwendungsbereich dieses Schutzes, wie er im Urteil AM & S festgelegt wurde, kein wirkliches Hindernis für die Unternehmen darstellt, den benötigten rechtlichen Rat einzuholen, und ihre eigenen Juristen nicht daran hindert, sich an diesen Aufgaben der Bewertung und der strategischen Ausrichtung zu beteiligen. Schließlich bedeutet die Modernisierung des Wettbewerbsrechts nicht notwendig, dass sich die Rolle der unabhängigen Rechtsanwälte und der unternehmensangehörigen Juristen in dieser Hinsicht seit dem Urteil AM & S wesentlich geändert hätte. Da das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht die Unternehmen erfasst, darf mithin grundsätzlich eine rein interne Kommunikation innerhalb eines Unternehmens den Nachprüfungsbefugnissen der Kommission nicht entzogen werden, ausgenommen, wie bereits ausgeführt, Aufzeichnungen, die lediglich den Wortlaut oder den Inhalt eines Schriftwechsels mit unabhängigen Rechtsanwälten wiedergeben und eine rechtliche Beratung beinhalten, sowie vorbereitende Schriftstücke, die ausschließlich erstellt wurden, um in Ausübung der Verteidigungsrechte den rechtlichen Rat eines unabhängigen Rechtsanwalts einzuholen.

174    Was drittens das Vorbringen der Klägerinnen und einiger Streithelfer betrifft, die unterschiedliche Behandlung unternehmensangehöriger Juristen im Urteil AM & S verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und werfe Probleme des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit auf, ist bekanntlich nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der Gleichbehandlung nur verletzt, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt oder unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt werden, es sei denn, dass eine derartige Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 1990, Hoche, C‑174/89, Slg. 1990, I‑2681, Randnr. 25, sowie Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, Slg. 1998, II‑1129, Randnr. 309, und vom 4. Juli 2006, Hoek Loos/Kommission, T‑304/02, Slg. 2006, II‑1887, Randnr. 96). Unternehmensangehörige Juristen und unabhängige Rechtsanwälte befinden sich indessen offensichtlich in einer unterschiedlichen Lage, insbesondere wegen der funktionalen, strukturellen und hierarchischen Zugehörigkeit der Ersteren zum Unternehmen, bei dem sie beschäftigt sind. Eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung liegt daher nicht vor, wenn diese Juristen in Bezug auf den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant anders behandelt werden. Zum Vorbringen der Klägerinnen bezüglich etwaiger Nachteile für den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit infolge der Begrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs des Vertraulichkeitsschutzes genügt zudem der Hinweis, dass dieses Vorbringen in keiner Weise substantiiert ist. Schließlich ist, wie die Kommission betont hat, das Vorbringen der ACCA zum Vertraulichkeitsschutz nicht in einem Mitgliedstaat zugelassener Rechtsanwälte im vorliegenden Verfahren völlig unerheblich.

175    Zu den Urteilen Interporc/Kommission ist viertens darauf hinzuweisen, dass sie nicht die Grenzen der Ermittlungsbefugnisse der Kommission bei Wettbewerbsverstößen, sondern den Zugang Einzelner zu Dokumenten der Kommission betreffen. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen hat das Gericht in seinem Urteil vom 7. Dezember 1999, Interporc/Kommission, nicht entschieden, dass der Schriftwechsel zwischen den Mitgliedern des Juristischen Dienstes der Kommission und dieser durch die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant geschützt ist. Das Gericht hat nämlich die auf der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant beruhende Ausnahme von der Offenlegung ausschließlich auf den Schriftwechsel zwischen der Kommission und deren unabhängigen Rechtsanwälten angewandt; demgegenüber ist der Schriftwechsel der Kommission mit den Mitgliedern ihres Juristischen Dienstes aufgrund der Ausnahme zum Schutz der Arbeit innerhalb der Kommission nicht offengelegt worden (Urteil vom 7. Dezember 1999, Interporc/Kommission, Randnr. 41).

176    Fünftens schließlich bringen die Klägerinnen vor, dass die Kommunikation zwischen Herrn S. und dem leitenden Geschäftsführer von Akcros Chemicals durch das nationale Recht dieser beiden Personen geschützt sei, so dass auch das Gemeinschaftsrecht ihnen diesen Schutz der Vertraulichkeit zubilligen müsse. Allgemeiner machen der CCBE und weniger deutlich die ECLA und die niederländische Rechtsanwaltskammer geltend, dass sich der persönliche Geltungsbereich des Gemeinschaftsbegriffs der Vertraulichkeit nach dem nationalen Recht richten müsse. Hierbei ist indessen zu beachten, dass der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant eine Ausnahme von den Ermittlungsbefugnissen der Kommission darstellt. Dieser Schutz hat somit einen unmittelbaren Einfluss auf die Bedingungen, unter denen die Kommission auf einem für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes so wesentlichen Gebiet, wie es die Beachtung der Wettbewerbsregeln darstellt, vorgehen kann (Urteil AM & S, Randnr. 30). Daher haben der Gerichtshof und das Gericht eine gemeinschaftliche Konzeption der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant entwickelt. Der Standpunkt der Klägerinnen und der Streithelfer steht im Widerspruch sowohl zur Schaffung dieser gemeinschaftlichen Konzeption wie auch zur einheitlichen Geltung der Befugnisse der Kommission im Gemeinsamen Markt und ist daher zurückzuweisen.

177    Aus all diesen Gründen ist das hilfsweise Vorbringen der Klägerinnen zur Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant über die vom Gerichtshof im Urteil AM & S festgelegten Grenzen hinaus zurückzuweisen.

178    Die Klägerinnen deuten ferner an, dass die streitigen E-Mails neben anderen Informationen auch den Rat ihres unabhängigen Rechtsanwalts wiedergäben (vgl. oben, Randnr. 145). Die Prüfung dieser Schriftstücke stützt diese Behauptung jedoch in keiner Weise.

179    Mithin ist die Kommission fehlerfrei zu dem Schluss gelangt, dass der zu den Schriftstücken der Serie B gehörende Schriftwechsel zwischen dem leitenden Geschäftsführer von Akcros Chemicals und dem Mitglied der Rechtsabteilung von Akzo Nobel nicht unter den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant fällt.

180    Demgemäß ist dieser zweite Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Grundrechte, die dem Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant zugrunde liegen sollen

181    Mit ihrem dritten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, dass die Kommission, indem sie gegen den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant verstoßen habe, zugleich die Grundrechte verletzt habe, die diesem Grundsatz zugrunde lägen. Ihrer Meinung nach beruht dieser Schutz nämlich auf mehreren in den Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten anerkannten und in das Gemeinschaftsrecht übernommenen Grundrechten, insbesondere dem Verteidigungsrecht und der Achtung der Privatsphäre und der freien Meinungsäußerung. Sie entwickeln diese Auffassung allerdings nur sehr knapp, ohne sie durch konkrete Argumente zu belegen.

182    Dieser dritte Klagegrund bildet indessen keine eigenständige Einheit im Verhältnis zu den beiden bereits geprüften Klagegründen. Der Vorwurf einer Verletzung der Grundrechte der Klägerinnen stützt sich nämlich auf keine anderen Rügen als diejenigen, die angeführt wurden, um die behauptete Verletzung des Grundsatzes der Wahrung der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant nachzuweisen. Diese Rügen wurden aber bereits im Rahmen des ersten und zweiten Klagegrundes der vorliegenden Rechtssache geprüft.

183    Somit ist dieser dritte Klagegrund nicht mehr zu prüfen.

184    Aus alledem ergibt sich, dass die festgestellten Rechtsverstöße der Kommission im Verfahren zur Prüfung der Schriftstücke, für die die Klägerinnen den Schutz der Vertraulichkeit beansprucht hatten, nicht zur Folge hatten, dass den Klägerinnen dieser Schutz für die in Rede stehenden Schriftstücke rechtswidrig verwehrt wurde, da die Kommission, wie bereits entschieden worden ist, mit ihrer Entscheidung, dass keines dieser Schriftstücke sachlich unter den genannten Schutz fällt, keinen Fehler begangen hat.

185    Demgemäß ist die Klage in der Rechtssache T‑253/03 abzuweisen.

 Kosten

186    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Art. 87 § 3 kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist.

187    Im vorliegenden Fall sind zwar die Klägerinnen mit ihren Anträgen unterlegen, doch ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass die Kommission in dem Verwaltungsverfahren, das den vorliegenden Rechtssachen zugrunde liegt, mehrere Unregelmäßigkeiten begangen hat. Unter diesen Umständen hält es das Gericht für angemessen, dass die Klägerinnen im Verfahren zur Hauptsache wie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes drei Fünftel ihrer eigenen Kosten sowie drei Fünftel der Kosten der Kommission tragen. Die Kommission trägt im Verfahren zur Hauptsache wie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zwei Fünftel ihrer eigenen Kosten und zwei Fünftel der Kosten der Klägerinnen.

188    Das Gericht kann nach Art. 87 § 4 Abs. 3 der Verfahrensordnung entscheiden, dass ein Streithelfer seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall tragen die Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen ihre eigenen Kosten im Verfahren zur Hauptsache wie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage in der Rechtssache T‑125/03 wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Die Klage in der Rechtssache T‑253/03 wird als unbegründet abgewiesen.

3.      Akzo Nobel Chemicals Ltd und Akcros Chemicals Ltd tragen drei Fünftel ihrer eigenen Kosten im Verfahren zur Hauptsache und im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Sie tragen ferner drei Fünftel der Kosten der Kommission im Verfahren zur Hauptsache und im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

4.      Die Kommission trägt zwei Fünftel ihrer eigenen Kosten im Verfahren zur Hauptsache und im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Sie trägt ferner zwei Fünftel der Kosten von Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals im Verfahren zur Hauptsache und im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

5.      Die Streithelfer tragen ihre eigenen Kosten im Verfahren zur Hauptsache und im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

Cooke

García-Valdecasas

Labucka

Prek

 

      Ciucă

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. September 2007.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

      J. D. Cooke

Inhaltsverzeichnis


Sachverhalt und Verfahren

Anträge der Verfahrensbeteiligten

Zur Zulässigkeit der Klage in der Rechtssache T‑125/03

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zur Begründetheit in der Rechtssache T‑253/03

Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verfahren zur Anwendung des Grundsatzes des Schutzes der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zum zweiten Klagegrund: Rechtswidrige Ablehnung des Antrags auf Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant für die streitigen Schriftstücke

Zu den beiden Kopien des maschinengeschriebenen Vermerks der Serie A

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zu den handschriftlichen Notizen der Serie B

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zu den mit einem Mitglied der Rechtsabteilung der Klägerinnen gewechselten E-Mails der Serie B

– Vorbringen der Parteien

– Würdigung durch das Gericht

Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Grundrechte, die dem Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant zugrunde liegen sollen

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.