Language of document : ECLI:EU:T:2022:225

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

6. April 2022(*)

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Von der Kommission im Namen der Mitgliedstaaten geschlossene Verträge über die Lieferung von COVID-19‑Impfstoffen – E‑Mails zur Einladung zu Sitzungen des Lenkungsausschusses – Teilweise Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen – Keine Erforderlichkeit der Übermittlung personenbezogener Daten für einen bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck – Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2018/1725“

In der Rechtssache T‑506/21,

Hans-Wilhelm Saure, wohnhaft in Berlin (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt C. Partsch,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch K. Herrmann, G. Gattinara und A. Spina als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Svenningsen (Berichterstatter) sowie der Richter R. Barents und C. Mac Eochaidh,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens

folgendes

Urteil

1        Mit seiner auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragt der Kläger, Herr Hans-Wilhelm Saure, die Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 9. Juni 2021, mit dem ihm der Zugang zu bestimmten Dokumenten teilweise verweigert wurde.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 17. Juni 2020 veröffentlichte die Kommission ihre Mitteilung über die Strategie der Europäischen Union für COVID-19‑Impfstoffe zur Beschleunigung der Entwicklung, Herstellung und Bereitstellung von Impfstoffen gegen diese Krankheit. In deren Nr. 2.2 heißt es u. a.:

„2.2. Abnahmegarantien über das Soforthilfeinstrument [ESI]

Um Unternehmen bei der raschen Entwicklung und Herstellung eines Impfstoffs zu unterstützen, wird die Kommission im Namen der Mitgliedstaaten Garantien mit einzelnen Impfstoffherstellern vereinbaren. Im Gegenzug für das Recht, innerhalb eines bestimmten Zeitraums und zu einem bestimmten Preis eine bestimmte Anzahl von Impfstoffdosen kaufen zu können, wird ein Teil der Vorlaufkosten der Impfstoffhersteller im Rahmen des ESI finanziert. Dies erfolgt in Form von Abnahmegarantien (AMC).

Als Endkäufer der Impfstoffe werden die Mitgliedstaaten von Anfang an in den Prozess eingebunden sein. Sie werden aufgefordert, ihr Fachwissen über potenzielle Impfstoffkandidaten sowie zusätzliche Mittel einzubringen (sofern die Mittel im Rahmen des ESI nicht ausreichen sollten), und werden direkt in die Verhandlungen einbezogen. Die Kommission schlägt vor, eine Vereinbarung mit den teilnehmenden Mitgliedstaaten abzuschließen, um ihre gegenseitigen Verpflichtungen festzuhalten. Alle teilnehmenden Mitgliedstaaten werden in einem Lenkungsausschuss vertreten sein, der die Kommission bis zur Unterzeichnung des Abnahmegarantievertrags in allen Bereichen unterstützt. Ein gemeinsames Verhandlungsteam, bestehend aus der Kommission und einigen wenigen Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten, wird die Abnahmegarantien aushandeln. Die Abnahmegarantien werden im Namen aller teilnehmenden Mitgliedstaaten geschlossen.

…“

3        Der Kläger ist ein bei der deutschen Tageszeitung Bild beschäftigter Journalist.

4        Mit Schreiben vom 3. Februar 2021 beantragte er bei der Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) Zugang zu „sämtliche[n] Protokolle[n], Zusammenfassungen, Aktenvermerke[n], Notizen, Akten zu Sitzungen, Verhandlungen, Beschlüssen, Vorschlägen, Niederschriften, Mailverkehr, Briefverkehr, Telefonprotokolle[n] – insbesondere zu Advance Purchase Agreements – und konkreten Verträgen mit Pharmaunternehmen über die Lieferung von Covid-19‑Impfstoffen zur Bekämpfung der Corona-Epidemie des sogenannten ‚Steering Commitees‘ sowie des ‚Joint Negotiations Teams‘“ (im Folgenden: Erstantrag).

5        Mit E‑Mail vom 5. Februar 2021 bestätigte das für den Zugang zu Dokumenten zuständige Team der Generaldirektion (GD) Wettbewerb der Kommission den Eingang des Erstantrags.

6        Mit Schreiben vom 18. Februar 2021, das per Telefax an das für den Zugang zu Dokumenten zuständige Team der GD Wettbewerb der Kommission übersandt wurde, stellte der Kläger gemäß Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Zweitantrag auf Zugang zu den angeforderten Dokumenten (im Folgenden: Zweitantrag).

7        Mit E‑Mail vom 25. Februar 2021 teilte das für den Zugang zu Dokumenten zuständige Team der GD Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Kommission dem Kläger mit, dass der Erstantrag weiterhin bearbeitet werde und die am folgenden Tag ablaufende Frist gemäß Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 um 15 Arbeitstage, d. h. bis zum 19. März 2021, verlängert werden müsse. Als diese Frist ablief, hatte die Kommission den Erstantrag noch nicht beantwortet.

8        Mit E‑Mail vom 26. Februar 2021 bestätigte das für den Zugang zu Dokumenten zuständige Team der GD Wettbewerb der Kommission den Eingang des Zweitantrags. Dem Kläger wurde zudem mitgeteilt, dass ihm binnen 15 Arbeitstagen, d. h. bis spätestens 19. März 2021, eine Antwort erteilt werde. Als diese Frist ablief, hatte die Kommission den Zweitantrag noch nicht beantwortet.

9        Am 23. März 2021 erhob der Kläger eine unter dem Aktenzeichen T‑154/21 eingetragene Klage und beantragte, den ablehnenden Bescheid, der am 19. März 2021 dadurch implizit ergangen sein soll, dass die Kommission den Zweitantrag nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist beantwortet habe, für nichtig zu erklären.

10      Am 9. Juni 2021 erließ die Kommission einen Beschluss, mit dem sie dem Kläger vollständigen Zugang zu 29 Dokumenten und teilweisen Zugang zu 26 weiteren Dokumenten gewährte (im Folgenden: angefochtener Beschluss). Nach diesem Beschluss betreffen all diese Dokumente die Sitzungen des Lenkungsausschusses, die zwischen dem 18. Juni 2020 und dem 19. Februar 2021 stattfanden.

11      Die Kommission rechtfertigte die in dem angefochtenen Beschluss enthaltene teilweise Verweigerung des Zugangs auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001, in Anwendung dessen sie in den E‑Mails zur Einladung zu den Sitzungen des Lenkungsausschusses die Namen und Kontaktdaten der Vertreter von Pharmaunternehmen, der Mitglieder ihres Personals ohne Führungsaufgaben und Dritter, die keine Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens seien, unkenntlich gemacht habe.

12      Die Kommission wies insoweit darauf hin, dass der Kläger im Zweitantrag kein Argument vorgetragen habe, mit dem sich nachweisen lasse, dass die Übermittlung der genannten Daten erforderlich sei. Sie ging daher davon aus, dass sie nicht prüfen müsse, ob Grund zu der Annahme bestehe, dass durch die Verbreitung der fraglichen personenbezogenen Daten berechtigte Interessen der betroffenen Personen beeinträchtigt werden könnten. Jedenfalls gebe es Grund zu der Annahme, dass durch die Verbreitung dieser Daten in der Öffentlichkeit berechtigte Interessen der betroffenen Personen beeinträchtigt würden, da diese Personen einem Druck durch unerwünschte Kontaktaufnahmen von außen ausgesetzt wären, so dass ihre Privatsphäre beeinträchtigt würde.

13      Am 16. August 2021 hat der Kläger vor Erhebung der vorliegenden Klage einen Schriftsatz zur Anpassung der Klageschrift in der Rechtssache T‑154/21 eingereicht, der auf die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses gerichtet war.

 Anträge der Parteien

14      Der Kläger beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären,

–        der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

15      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig und, hilfsweise, als unbegründet abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Begründetheit der Klage

16      Ohne durch gesonderten Schriftsatz formal eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, macht die Kommission geltend, die vorliegende Klage sei im Hinblick auf die Rechtshängigkeit als unzulässig abzuweisen, falls die vom Kläger in der Rechtssache T‑154/21 erhobene Klage zulässig sein sollte.

17      Diese Unzulässigkeitsrüge ist insofern zurückzuweisen, als die Rechtshängigkeitskonstellation – wie die Kommission einräumt – entfallen ist, nachdem die Klage in der Rechtssache T‑154/21 als offensichtlich unzulässig abgewiesen worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a., C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher ist die vorliegende Klage zulässig.

 Zur Begründetheit

18      Zur Stützung seiner Klage führt der Kläger einen einzigen Klagegrund an, mit dem er einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 rügt. Insoweit macht er im Wesentlichen geltend, dass der Verbreitung der personenbezogenen Daten, die in den Dokumenten, zu denen er Zugang gehabt habe, geschwärzt seien, die in diesem Artikel vorgesehene Ausnahmeregelung nicht entgegenstehe, da er nachgewiesen habe, dass die Übermittlung dieser Daten für einen bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck erforderlich sei und kein Grund für die Annahme vorliege, dass dadurch die berechtigten Interessen der betroffenen Personen beeinträchtigt würden.

19      Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

20      Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 verweigern die Unionsorgane den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen, insbesondere gemäß den Rechtsvorschriften der Union über den Schutz personenbezogener Daten, beeinträchtigt würde.

21      Nach der Rechtsprechung folgt daraus, dass dann, wenn ein Antrag auf die Gewährung des Zugangs zu personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 3 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. 2018, L 295, S. 39) gerichtet ist, die Bestimmungen dieser Verordnung in vollem Umfang anwendbar werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth und PAN Europe/EFSA, C‑615/13 P, EU:C:2015:489, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Daher dürfen personenbezogene Daten nach der Verordnung Nr. 1049/2001 nur an Dritte übermittelt werden, wenn diese Übermittlung zum einen die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 Buchst. a oder b der Verordnung 2018/1725 erfüllt und zum anderen eine rechtmäßige Verarbeitung im Sinne der Anforderungen des Art. 5 dieser Verordnung darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission, C‑127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 104).

23      Nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2018/1725 werden insoweit personenbezogene Daten an in der Union niedergelassene Empfänger, die nicht Organe oder Einrichtungen der Union sind, nur übermittelt, wenn der Empfänger nachweist, dass die Übermittlung der Daten für einen bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck erforderlich ist, und der Verantwortliche in Fällen, in denen Gründe für die Annahme vorliegen, dass die berechtigten Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden könnten, nachweist, dass die Übermittlung der personenbezogenen Daten für diesen Zweck verhältnismäßig ist, nachdem er die unterschiedlichen widerstreitenden Interessen nachweislich gegeneinander abgewogen hat.

24      Folglich ergibt sich bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass sie die Übermittlung personenbezogener Daten von der Erfüllung mehrerer kumulativer Voraussetzungen abhängig macht.

25      Zunächst muss derjenige, der den Zugang beantragt, nachweisen, dass die Übermittlung personenbezogener Daten für einen bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck erforderlich ist. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, ist nachzuweisen, dass die Übermittlung der personenbezogenen Daten unter allen denkbaren Maßnahmen die Maßnahme ist, die sich am besten dazu eignet, das Ziel des Antragstellers zu erreichen, und dass diese Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ziel steht, weshalb der Antragsteller verpflichtet ist, insoweit ausdrückliche rechtliche Begründungen vorzutragen (vgl. Urteil vom 19. September 2018, Chambre de commerce et d’industrie métropolitaine Bretagne-Ouest (port de Brest)/Kommission, T‑39/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:560, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus folgt, dass die Umsetzung der Voraussetzung, dass nachzuweisen ist, dass die Übermittlung personenbezogener Daten für einen bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck erforderlich ist, dazu führt, dass das Vorliegen einer Ausnahme zu der in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 enthaltenen Regel anerkannt wird, wonach der Antragsteller nicht verpflichtet ist, Gründe für seinen Zugangsantrag anzugeben (Urteil vom 15. Juli 2015, Dennekamp/Parlament, T‑115/13, EU:T:2015:497, Rn. 55).

26      Erst wenn dieser Nachweis erbracht ist, ist es Sache des betreffenden Organs, zu prüfen, ob ein Grund für die Annahme besteht, dass durch die in Rede stehende Übermittlung möglicherweise die berechtigten Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden, und in einem solchen Fall im Hinblick auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der beantragten Übermittlung personenbezogener Daten die verschiedenen konkurrierenden Interessen in nachprüfbarer Weise gegeneinander abzuwägen (vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth und PAN Europe/EFSA, C‑615/13 P, EU:C:2015:489, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Da im vorliegenden Fall der Kläger nicht bestreitet, dass die Informationen, deren Verbreitung er beantragt, personenbezogene Daten sind, ist zu prüfen, ob er der in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2018/1725 niedergelegten Pflicht, nachzuweisen, dass die Übermittlung dieser Daten für einen bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck erforderlich ist, genügt hat.

28      Zum Nachweis dafür, dass die Übermittlung der in Rede stehenden personenbezogenen Daten erforderlich ist, trägt der Kläger im Wesentlichen zwei Argumente vor.

29      Mit seinem ersten Argument, das erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgebracht worden ist, macht der Kläger geltend, die Verbreitung der streitigen personenbezogenen Daten sei mit Art. 8 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) vereinbar. Insoweit stellt er klar, dass sich die Verbreitung des Virus durch eine hohe Impfquote in der Bevölkerung verlangsamen lasse, was zur nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung beitrage und einen Eingriff in die Privatsphäre und die Integrität der betroffenen Personen rechtfertige.

30      Mit der Kommission ist festzustellen, dass dieses erste Argument allgemein und abstrakt formuliert ist.

31      Der Kläger hat nämlich nicht dargetan, dass zwischen Namen und Kontaktdaten der in den Einladungen zu Sitzungen des Lenkungsausschusses genannten Personen und den vom Kläger vorgetragenen Rechtfertigungen, die sich auf die Wahrung der „nationalen Sicherheit“ und der „öffentlichen Ordnung“ beziehen, ein bestimmter und konkreter Zusammenhang bestehe. Allenfalls beschränkt er sich darauf, zu behaupten, dass sich die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung durch eine hohe Impfquote verlangsamen lasse, ohne jedoch zu erläutern, inwiefern diese Information belege, dass die Übermittlung der Namen und Kontaktdaten der in den Einladungen zu Sitzungen des Lenkungsausschusses genannten Personen erforderlich sei.

32      Daher ist das erste Argument, das der Kläger zum Nachweis dafür vorgetragen hat, dass die Übermittlung der streitigen personenbezogenen Daten erforderlich sei, zurückzuweisen.

33      Mit dem zweiten Argument trägt der Kläger vor, dass er den Erstantrag, der sich insbesondere auf den die Freiheit der Meinungsäußerung betreffenden Art. 10 EMRK stützt, in seiner Funktion als Journalist gestellt habe. Insoweit hat er im Erstantrag auf „den hohen Aktualitätsbezug“ und das „öffentliche Interesse an der Beantwortung“ hingewiesen und in der Klageschrift klargestellt, dass die beantragten Informationen erforderlich seien, um „die Meinungsbildung der Öffentlichkeit“ zu ermöglichen und um die „Desinformation“ über COVID-19‑Impfstoffe zu bekämpfen.

34      Zwar ist darauf hinzuweisen, dass Transparenz nach dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 es ermöglicht, den Unionsorganen in einem demokratischen System eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung gegenüber den Unionsbürgern zu verleihen (vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, PTC Therapeutics International/EMA, C‑175/18 P, EU:C:2020:23, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ferner kann nach dem 28. Erwägungsgrund der Verordnung 2018/1725 ein bestimmter, im öffentlichen Interesse liegender Zweck im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung etwa in Bezug zur Transparenz der Organe und Einrichtungen der Union stehen.

35      Das Gericht stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Transparenz des Verfahrens, das die Kommission bei den Verhandlungen mit den Herstellern von COVID-19‑Impfstoffen und beim Abschluss der Abnahmegarantien im Namen der Mitgliedstaaten angewendet hat, ein bestimmter, im öffentlichen Interesse liegender Zweck im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2018/1725 sein könnte, denn die Transparenz des Verfahrens kann dazu beitragen, das Vertrauen der Unionsbürger in die von der Kommission geförderte Impfstrategie zu stärken und infolgedessen insbesondere die Verbreitung falscher Informationen über die Umstände der Verhandlung und des Abschlusses der von der Kommission im Namen der Mitgliedstaaten geschlossenen Abnahmegarantien zu bekämpfen.

36      Mit diesen Erwägungen zu dem vom Kläger verfolgten Ziel kann jedoch nicht hinreichend dargetan werden, dass die Übermittlung der in Rede stehenden personenbezogenen Daten erforderlich im Sinne der oben in Rn. 25 angeführten Rechtsprechung wäre, da sich anhand dieser Erwägungen allein nicht nachweisen lässt, dass die genannte Übermittlung unter allen denkbaren Maßnahmen diejenige ist, die sich am besten dazu eignet, den bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, der geltend gemacht wird, zu erreichen.

37      Der Kläger hat nämlich zwar den von ihm verfolgten Zweck angegeben, nicht aber im Einzelnen dargelegt, inwiefern die Verbreitung der in den Einladungen zu den wöchentlichen Sitzungen des Lenkungsausschusses enthaltenen personenbezogenen Daten dazu erforderlich wäre, um die Verbreitung falscher Informationen über COVID-19‑Impfstoffe zu bekämpfen.

38      Zum einen hat der Kläger nicht vorgetragen, welche falschen Informationen über die Sitzungen des Lenkungsausschusses verbreitet worden seien, und erst recht nicht erläutert, inwiefern die Verbreitung der Namen und Kontaktdaten, die in den Dokumenten, zu denen er Zugang hatte, geschwärzt sind, es ermöglicht hätten, die Verbreitung solcher falscher Informationen zu bekämpfen.

39      Zum anderen hat der Kläger auch nicht dargetan, dass die Öffentlichkeit ein Interesse daran habe, den Namen und die Kontaktdaten der Personen zu erfahren, die in den Einladungen zu den Sitzungen des Lenkungsausschusses genannt werden. Insoweit beruht das Vorbringen des Klägers im Gegensatz zu den Umständen der Rechtssache, in der das Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth und PAN Europe/EFSA (C‑615/13 P, EU:C:2015:489), ergangen ist, auf keinem konkreten Anhaltspunkt, der belegen könnte, dass die Verbreitung der in Rede stehenden personenbezogenen Daten erforderlich ist.

40      Folglich ist auch das zweite Argument, das darauf gestützt wird, dass es erforderlich sei, der Öffentlichkeit eine Meinungsbildung zu ermöglichen und die Verbreitung falscher Informationen über die Impfstoffe zu bekämpfen, nicht zum Nachweis dafür geeignet, dass die Verbreitung der fraglichen personenbezogenen Daten erforderlich ist.

41      Da die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2018/1725 festgelegten Voraussetzungen kumulativ sind und die erste Voraussetzung, nach der die Verbreitung der personenbezogenen Daten für einen bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Zweck erforderlich ist, nicht erfüllt ist, ist davon auszugehen, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001 der Verbreitung der Namen und Kontaktdaten entgegensteht, die in den Dokumenten, zu denen der Kläger Zugang hatte, geschwärzt worden sind, ohne dass die übrigen in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2018/1725 festgelegten Voraussetzungen geprüft zu werden brauchen.

42      Demzufolge ist der einzige Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.

 Kosten

43      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Herr Hans-Wilhelm Saure trägt die Kosten.

Svenningsen

Barents

Mac Eochaidh

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. April 2022.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.