Language of document : ECLI:EU:C:2024:125

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

8. Februar 2024(*)

„Rechtsmittel – Wirtschafts- und Währungspolitik – Aufsicht über Kreditinstitute – Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 – Der Europäischen Zentralbank (EZB) übertragene besondere Aufsichtsaufgaben – Entzug der Zulassung – Nichtigkeitsklage – Unzulässigkeit – Vertretung einer Partei – Dem Anwalt erteilte Vollmacht – Nicht ordnungsgemäß bevollmächtigter Vertreter“

In der Rechtssache C‑256/22 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 12. April 2022,

Pilatus Bank plc mit Sitz in Ta’Xbiex (Malta), vertreten durch Rechtsanwalt O. Behrends,

Rechtsmittelführerin,

andere Verfahrensbeteiligte:

Pilatus Holding ltd.,

Klägerin im ersten Rechtszug,

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch M. Puidokas und E. Yoo als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch A. Nijenhuis, A. Steiblytė und D. Triantafyllou, dann durch A. Steiblytė und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, N. Wahl (Berichterstatter) und J. Passer sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. Mai 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Pilatus Bank plc die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 2. Februar 2022, Pilatus Bank und Pilatus Holding/EZB (T‑27/19, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2022:46), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 2. November 2018, ihr die Zulassung zur Aufnahme der Tätigkeit eines Kreditinstituts zu entziehen (im Folgenden: streitiger Beschluss), abgewiesen wurde.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63) legt die der EZB übertragenen Aufgaben fest und bestimmt in Abs. 1 Buchst. a:

„Im Rahmen des Artikels 6 ist die EZB im Einklang mit Absatz 3 ausschließlich für die Wahrnehmung der folgenden Aufgaben zur Beaufsichtigung sämtlicher in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstitute zuständig:

a)      Zulassung von Kreditinstituten und Entzug der Zulassung von Kreditinstituten vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 14“.

3        In Art. 6 („Zusammenarbeit innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus“) der Verordnung heißt es:

„(1)      Die EZB nimmt ihre Aufgaben innerhalb eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus wahr, der aus der EZB und den nationalen zuständigen Behörden besteht. Die EZB ist dafür verantwortlich, dass der einheitliche Aufsichtsmechanismus wirksam und einheitlich funktioniert.

(4)      In Bezug auf die Aufgaben nach Artikel 4 – mit Ausnahme von Absatz 1 Buchstaben a und c – haben die EZB die Zuständigkeiten gemäß Absatz 5 dieses Artikels und die nationalen zuständigen Behörden die Zuständigkeiten gemäß Absatz 6 dieses Artikels – innerhalb des in Absatz 7 dieses Artikels festgelegten Rahmenwerks und vorbehaltlich der darin festgelegten Verfahren – für die Beaufsichtigung folgender Kreditinstitute, Finanzholdinggesellschaften oder gemischter Finanzholdinggesellschaften oder in teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Zweigstellen von in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstituten:

–        auf konsolidierter Basis weniger bedeutende Institute, Gruppen oder Zweigstellen, wenn die oberste Konsolidierungsebene in den teilnehmenden Mitgliedstaaten liegt, oder einzeln im speziellen Fall von in teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Zweigstellen von in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstituten. Die Bedeutung wird anhand folgender Kriterien bestimmt:

i)      Größe

ii)      Relevanz für die Wirtschaft der Union oder eines teilnehmenden Mitgliedstaats

iii)      Bedeutung der grenzüberschreitenden Tätigkeiten.

Sofern nicht durch besondere Umstände, die in der Methodik zu benennen sind, gerechtfertigt, gilt in Bezug auf Unterabsatz 1 ein Kreditinstitut, eine Finanzholdinggesellschaft oder eine gemischte Finanzholdinggesellschaft nicht als weniger bedeutend, wenn eine der folgende[n] Bedingungen erfüllt ist:

i)      [D]er Gesamtwert der Aktiva übersteigt 30 Mrd. EUR,

ii)      das Verhältnis der gesamten Aktiva zum [Bruttoinlandsprodukt (BIP)] des teilnehmenden Mitgliedstaats der Niederlassung übersteigt 20 %, es sei denn, der Gesamtwert der Aktiva liegt unter 5 Mrd. EUR,

iii)      nach der Anzeige der nationalen zuständigen Behörde, dass sie ein solches Institut als bedeutend für die betreffende Volkswirtschaft betrachtet, fasst die EZB nach einer umfassenden Bewertung, einschließlich einer Bilanzbewertung, des betreffenden Kreditinstituts ihrerseits einen Beschluss, der diese Bedeutung bestätigt.

Die EZB kann ein Institut auch von sich aus als bedeutend betrachten, wenn es Tochterbanken in mehr als einem teilnehmenden Mitgliedstaat errichtet hat und seine grenzüberschreitenden Aktiva oder Passiva einen wesentlichen Teil seiner gesamten Aktiva oder Passiva darstellen, vorbehaltlich der nach der Methodik festgelegten Bedingungen.

Die Institute, für die eine direkte öffentliche finanzielle Unterstützung durch die [Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF)] oder den [Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)] beantragt oder entgegengenommen wurde, gelten nicht als weniger bedeutend.

Ungeachtet der vorhergehenden Unterabsätze und sofern nicht durch besondere Umstände gerechtfertigt, übt die EZB die ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben in Bezug auf die drei bedeutendsten Kreditinstitute in jedem teilnehmenden Mitgliedstaat aus.

(6)      Unbeschadet des Absatzes 5 dieses Artikels nehmen die nationalen zuständigen Behörden in Bezug auf die in Absatz 4 Unterabsatz 1 dieses Artikels genannten Kreditinstitute innerhalb des in Absatz 7 dieses Artikels genannten Rahmenwerks und vorbehaltlich der darin festgelegten Verfahren die in Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben b, d bis g und i genannten Aufgaben wahr und sind für diese sowie für die Annahme aller einschlägigen Aufsichtsbeschlüsse verantwortlich.

Unbeschadet der Artikel 10 bis 13 behalten die nationalen zuständigen Behörden und die nationalen benannten Behörden die Befugnis, nach nationalem Recht Informationen von Kreditinstituten, Holdinggesellschaften, gemischten Holdinggesellschaften und Unternehmen, die in die konsolidierte Finanzlage eines Kreditinstituts einbezogen sind, einzuholen und vor Ort Prüfungen dieser Kreditinstitute, Holdinggesellschaften, gemischten Holdinggesellschaften und Unternehmen durchzuführen. Die nationalen zuständigen Behörden unterrichten die EZB im Einklang mit dem in Absatz 7 dieses Artikels festgelegten Rahmenwerks über die gemäß diesem Absatz ergriffenen Maßnahmen und koordinieren diese in enger Zusammenarbeit mit der EZB.

Die nationalen zuständigen Behörden erstatten der EZB regelmäßig Bericht über die Ausübung der von ihnen gemäß diesem Artikel wahrgenommenen Aufgaben.

…“

4        Art. 14 („Zulassung“) Abs. 5 der Verordnung Nr. 1024/2013 bestimmt:

„Vorbehaltlich des Absatzes 6 kann die EZB die Zulassung von sich aus nach Konsultation der nationalen zuständigen Behörde des teilnehmenden Mitgliedstaats, in dem das Kreditinstitut niedergelassen ist, oder auf Vorschlag einer solchen nationalen zuständigen Behörde in den im Unionsrecht festgelegten Fällen entziehen. Diese Konsultation stellt insbesondere sicher, dass die EZB vor einem Beschluss über den Entzug einer Zulassung den nationalen Behörden ausreichend Zeit einräumt, um über die notwendigen Korrekturmaßnahmen, einschließlich etwaiger Abwicklungsmaßnahmen, zu entscheiden, und diesen Rechnung trägt.

Ist nach Auffassung der nationalen zuständigen Behörde, die die Zulassung gemäß Absatz 1 vorgeschlagen hat, die Zulassung nach dem einschlägigen nationalen Recht zu entziehen, so legt sie der EZB einen entsprechenden Vorschlag vor. In diesem Fall erlässt die EZB einen Beschluss über den vorgeschlagenen Entzug der Zulassung, wobei sie die von der nationalen zuständigen Behörde vorgelegte Begründung in vollem Umfang berücksichtigt.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

5        Die Rechtsmittelführerin, die Pilatus Bank, ist ein „weniger bedeutendes“ Kreditinstitut im Sinne von Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1024/2013 mit Sitz in Malta, das der direkten Aufsicht der Malta Financial Services Authority (Maltesische Finanzdienstleistungsbehörde, Malta) (im Folgenden: MFSA), der „nationalen zuständigen Behörde“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 dieser Verordnung, unterliegt. Die Pilatus Holding ltd., die die zweite Klägerin vor dem Gericht war, ist ihre Hauptanteilseignerin.

6        Herr Ali Sadr Hasheminejad, Anteilseigner der Rechtsmittelführerin, der mittelbar 100 % ihres Kapitals und der Stimmrechte hält, wurde in den Vereinigten Staaten auf der Grundlage von sechs Anklagepunkten festgenommen, die im Zusammenhang mit seiner vermeintlichen Beteiligung an einem System standen, mittels dessen etwa 115 Mio. US-Dollar (USD) (etwa 108 Mio. Euro), die zur Finanzierung eines Projekts in Venezuela gezahlt worden seien, zum Vorteil von iranischen Personen und Unternehmen veruntreut worden seien.

7        Nach der Anklageerhebung gegen Herrn Sadr Hasheminejad in den Vereinigten Staaten wurden bei der Rechtsmittelführerin Anträge auf Auszahlung von Einlagen in Höhe von insgesamt 51,4 Mio. Euro, d. h. etwa 40 % der in ihrer Bilanz ausgewiesenen Einlagen, gestellt.

8        In diesem Zusammenhang erließ die MFSA drei die Rechtsmittelführerin betreffenden Anordnungen.

9        Am 21. März 2018 erließ sie eine Anordnung über den Entzug oder die Aussetzung der Stimmrechte, mit der sie u. a. anordnete, dass Herr Sadr Hasheminejad mit sofortiger Wirkung seiner Stellung als Leiter der Rechtsmittelführerin sowie aller seiner sonstigen Entscheidungsfunktionen innerhalb dieser zu entheben sei, dass die Ausübung seiner Stimmrechte ausgesetzt werde und dass er sich jeder rechtlichen oder gerichtlichen Vertretung der Rechtsmittelführerin enthalte.

10      Am selben Tag erließ die MFSA auch eine Anordnung über das Moratorium, mit der sie der Rechtsmittelführerin aufgab, keinerlei Bankgeschäfte, insbesondere den Abzug oder die Vornahme von Einlagen durch ihre Anteilseigner und die Mitglieder ihres Verwaltungsrats, zu genehmigen.

11      Am 22. März 2018 erließ die MFSA eine Anordnung über die Bestellung einer zuständigen Person, die laut dieser Benennung mit dem Mandat betraut war, „alle Befugnisse, Funktionen und Pflichten der Bank in Bezug auf alle Aktiva unabhängig davon, ob sie von der Bank in der Hauptversammlung oder vom Verwaltungsrat oder einer anderen Person wahrgenommen werden, einschließlich der rechtlichen und gerichtlichen Vertretung der Bank, unter Ausschluss der Bank und jeder anderen Person zu übernehmen“ (im Folgenden: zuständige Person).

12      Am 29. Juni 2018 schlug die MFSA der EZB vor, der Rechtsmittelführerin gemäß Art. 14 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1024/2013 die Zulassung zur Aufnahme der Tätigkeit eines Kreditinstituts zu entziehen.

13      Am 2. August 2018 legte die MFSA der EZB einen überarbeiteten Vorschlag für den Entzug der Zulassung der Rechtsmittelführerin zur Aufnahme der Tätigkeit eines Kreditinstituts vor.

14      Während des Verwaltungsverfahrens zum Entzug der Zulassung bevollmächtigte der Verwaltungsrat der Rechtsmittelführerin einen Rechtsanwalt, der mit der EZB in Kontakt trat.

15      Mit Schreiben vom 31. August 2018 forderte die EZB die Rechtsmittelführerin auf, zu dem überarbeiteten Entwurf des Beschlusses über den Entzug der Zulassung binnen fünf Werktagen ab Zugang dieses Schreibens Stellung zu nehmen.

16      Nachdem die Rechtsmittelführerin zwei Verlängerungen dieser Frist zur Stellungnahme und Einsicht in die Akten des Verwaltungsverfahrens erhalten hatte, übermittelte sie über den von ihrem Verwaltungsrat bevollmächtigten Anwalt am 21. September 2018 ihre Stellungnahme zum Entwurf des Beschlusses über den Entzug der Zulassung, in der sie mitteilte, dass ihre Geschäftsführung und ihre Anteilseigner diesen Entwurf ablehnten.

17      Am 2. November 2018 erließ die EZB gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und Art. 14 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1024/2013 den streitigen Beschluss.

 Klage vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

18      Mit Klageschrift, die am 15. Januar 2019 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhoben die Pilatus Bank und Pilatus Holding über den vom Verwaltungsrat der Pilatus Bank und dem Geschäftsführer von Pilatus Holding bevollmächtigten Anwalt Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

19      Mit Entscheidung vom 17. Mai 2019 wurde die Europäische Kommission als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der EZB zugelassen.

20      Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht die Klage gegen den streitigen Beschluss ab.

21      Das Gericht hat erstens hinsichtlich der Zulässigkeit entschieden, dass die Klage unzulässig sei, soweit sie von Pilatus Holding erhoben worden sei, da diese als Anteilseignerin der Rechtsmittelführerin vom streitigen Beschluss nicht unmittelbar betroffen sei.

22      Zweitens hat es, was die Begründetheit betrifft, die elf von der Rechtsmittelführerin geltend gemachten Klagegründe zurückgewiesen.

 Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Verfahrensbeteiligten

23      Mit Schriftsatz, der am 12. April 2022 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat die Rechtsmittelführerin über denselben Anwalt wie im ersten Rechtszug das vorliegende Rechtsmittel eingelegt.

24      Mit ihrem Rechtsmittel beantragt sie,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        den streitigen Beschluss gemäß Art. 264 AEUV für nichtig zu erklären;

–        soweit der Gerichtshof nicht in der Lage ist, in der Sache zu entscheiden, die Rechtssache zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage an das Gericht zurückzuverweisen;

–        der EZB die im Rechtsmittelverfahren und im Verfahren vor dem Gericht entstandenen Kosten aufzuerlegen.

25      Die EZB beantragt,

–        das Rechtsmittel als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen,

–        hilfsweise, das Rechtsmittel insgesamt als unbegründet zurückzuweisen und

–        jedenfalls der Rechtsmittelführerin sämtliche Kosten aufzuerlegen.

26      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen und

–        der Rechtsmittelführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

27      Mit Schriftsatz, der am 27. Juni 2023 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat die EZB beantragt, nach Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs das mündliche Verfahren wiederzueröffnen.

28      Diesen Antrag begründet sie damit, dass sie neue Tatsachen vortragen wolle, die im Licht der jüngsten Ereignisse, nämlich der Schlussanträge der Generalanwältin vom 25. Mai 2023, einen entscheidenden Gesichtspunkt für die Entscheidung des Gerichtshofs darstellen könnten. Aus den Schlussanträgen gehe hervor, dass die Generalanwältin der Ansicht sei, dass die von der MFSA im März 2018 erlassenen Anordnungen betreffend die Rechtsmittelführerin im Rahmen des mehrteiligen Verwaltungsverfahrens, das zum Erlass des Beschlusses über den Entzug der Zulassung durch die EZB geführt habe, „vorbereitende Rechtsakte“ seien und dass die Unregelmäßigkeiten, mit denen diese Anordnungen behaftet seien, damit der EZB zuzurechnen seien und deren Beschluss über den Entzug der Zulassung „kontaminierten“. Die EZB trägt Tatsachen vor, um zu zeigen, dass diese Anordnungen vor den maltesischen Gerichten angefochten wurden.

29      Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und seine Verfahrensordnung keine Möglichkeit für die in Art. 23 der Satzung bezeichneten Beteiligten vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom 9. Juni 2022, Préfet du Gers und Institut national de la statistique et des études économiques, C‑673/20, EU:C:2022:449, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Zum anderen stellt der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Es handelt sich somit nicht um eine an die Richter oder die Parteien gerichtete Stellungnahme, die von einer Behörde außerhalb des Gerichtshofs herrührt, sondern um die individuelle, begründete und öffentlich dargelegte Auffassung eines Mitglieds des Organs selbst. Die Schlussanträge des Generalanwalts können daher von den Parteien nicht erörtert werden. Ferner ist der Gerichtshof weder an diese Schlussanträge noch an deren Begründung gebunden. Dass ein Beteiligter nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom 9. Juni 2022, Préfet du Gers und Institut national de la statistique et des études économiques, C‑673/20, EU:C:2022:449, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Der Gerichtshof kann zwar gemäß Art. 83 seiner Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist.

32      Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof jedoch der Ansicht, dass er über alle für die Entscheidung erforderlichen Angaben verfügt und dass die Angaben, auf die die EZB ihren Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens stützt, keine neuen Tatsachen darstellen, die für die vom Gerichtshof zu erlassende Entscheidung von Bedeutung wären.

33      Der Gerichtshof gelangt deshalb nach Anhörung der Generalanwältin zu der Auffassung, dass das mündliche Verfahren nicht wiederzueröffnen ist.

 Zum Rechtsmittel

34      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung jeder Umstand, der die Zulässigkeit der beim Gericht erhobenen Nichtigkeitsklage betrifft, einen Gesichtspunkt zwingenden Rechts darstellen kann, den der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels von Amts wegen prüfen muss (Urteile vom 23. April 2009, Sahlstedt u. a./Kommission, C‑362/06 P, EU:C:2009:243, Rn. 21 bis 23, und vom 6. Juli 2023, Julien/Rat, C‑285/22 P, EU:C:2023:551, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Nach Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach ihrem Art. 53 Abs. 1 auf das Gericht anwendbar ist, müssen juristische Personen – wie die Rechtsmittelführerin – bei der Erhebung einer Klage bei den Unionsgerichten durch einen Anwalt vertreten sein, der berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) aufzutreten.

36      Die Vertretung einer juristischen Person durch einen Anwalt und insbesondere die Frage der Ordnungsgemäßheit der einem Anwalt für die Erhebung einer Klage beim Gericht erteilten Vollmacht gehören daher zu den Gesichtspunkten des zwingenden Rechts, die der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels von Amts wegen zu berücksichtigen hat.

37      Hinsichtlich der Vollmacht, die juristische Personen einem Anwalt erteilen, bestimmt Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts, dass Anwälte, die eine juristische Person des Privatrechts als Partei vertreten, bei der Kanzlei eine Vollmacht dieser Partei zu hinterlegen haben. Diese Bestimmung sieht, anders als in der vor dem 1. Juli 2015 geltenden Fassung der Verfahrensordnung des Gerichts, nicht vor, dass eine solche Person den Nachweis vorlegen muss, dass die Prozessvollmacht ihres Anwalts von einem hierzu Berechtigten ordnungsgemäß ausgestellt ist.

38      Der Gerichtshof hat jedoch bereits entschieden, dass der Umstand, dass Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts eine solche Verpflichtung nicht vorsieht, das Gericht nicht von der Verpflichtung enthebt, auf eine entsprechende Rüge hin zu prüfen, ob die betreffende Vollmacht ordnungsgemäß ausgestellt ist. Dass der Kläger bei der Einreichung der Klageschrift nicht den Nachweis vorlegen muss, dass die Vollmacht seines Anwalts von einem hierzu Berechtigten ordnungsgemäß ausgestellt ist, ändert nämlich nichts daran, dass er seinem Anwalt ordnungsgemäß eine Vollmacht erteilt haben muss, um Klage erheben zu können. Die Erleichterung der Anforderungen an den Nachweis zum Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift lässt die materielle Voraussetzung, dass die Kläger ordnungsgemäß durch ihre Anwälte vertreten sein müssen, unberührt. Wird gerügt, dass die Vollmacht eines Anwalts nicht ordnungsgemäß ausgestellt worden sei, hat die betreffende Partei also nachzuweisen, dass die Vollmacht ordnungsgemäß ausgestellt wurde (Urteil vom 21. September 2023, China Chamber of Commerce for Import and Export of Machinery and Electronic Products u. a./Kommission, C‑478/21 P, EU:C:2023:685, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Das Gericht hat auch von Amts wegen die Ordnungsgemäßheit der betreffenden Vollmacht und insbesondere die Frage zu prüfen, ob die Vollmacht von einem hierfür zuständigen Vertreter der juristischen Person ordnungsgemäß ausgestellt worden ist, wenn sie offensichtlich nicht ordnungsgemäß ausgestellt wurde oder wenn Umstände vorliegen, die ernsthafte Zweifel an ihrer Ordnungsgemäßheit begründen können.

40      Im vorliegenden Fall lagen aber mehrere Umstände vor, die das Gericht ernsthaft an der Ordnungsgemäßheit der Vollmacht des Anwalts der Rechtsmittelführerin hätten zweifeln lassen müssen.

41      So waren erstens die tatsächlichen Umstände, die zur Erhebung der Klage beim Gericht geführt haben, und der Wortlaut der Vertretungsvollmacht, die der Verwaltungsrat der Rechtsmittelführerin dem Anwalt erteilt hat, der diese Klage erhoben hat, geeignet, die Ordnungsgemäßheit dieser Vollmacht ernsthaft in Frage zu stellen.

42      Denn die Bestellung der zuständigen Person durch die MFSA und der Umstand, dass zu den Aufgaben dieser zuständigen Person die Übernahme „der rechtlichen und gerichtlichen Vertretung der Bank unter Ausschluss der Bank und jeder anderen Person“ gehörte, konnten ernsthafte Zweifel an der Befugnis des Verwaltungsrats der Rechtsmittelführerin aufkommen lassen, für diese eine Klage zu erheben und hierzu einen Anwalt zu bevollmächtigen.

43      Auch der Wortlaut der dem Anwalt erteilten Vollmacht war geeignet, diese Zweifel zu verstärken. So wiesen die Mitglieder des Verwaltungsrats der Rechtsmittelführerin in dieser Vollmacht darauf hin, dass die MFSA die zuständige Person am 22. März 2018 bestellt und ihr bestimmte Befugnisse übertragen habe, und führten aus, dass „die zuständigen Gerichte … bestimmen [müssen], welche Personen in dem betreffenden Zusammenhang zur Vertretung [der Rechtsmittelführerin] befugt sind. Die Mitglieder des Verwaltungsrats haften nicht persönlich“. Diese Angaben zeigen, dass die Unterzeichner der Vollmacht selbst Zweifel an ihrer Befugnis hatten, eine solche Vollmacht zu erteilen, und stellen eine klare und ausdrückliche Aufforderung dar, zu prüfen, ob diese Befugnis tatsächlich bestand.

44      Zweitens hatte die Klage vor dem Gericht zwar die Nichtigerklärung des Beschlusses der EZB über den Entzug der Zulassung zum Gegenstand, doch betrafen einige der von der Rechtsmittelführerin zu ihrer Begründung vorgebrachten Argumente, insbesondere diejenigen im Zusammenhang mit dem zehnten Klagegrund, die Vertretung der Rechtsmittelführerin und sollten belegen, dass die EZB ihr die Möglichkeit einer wirksamen Vertretung genommen habe.

45      Dieses Vorbringen der Rechtsmittelführerin war ebenfalls geeignet, die Ordnungsgemäßheit der Vertretungsvollmacht ihres Anwalts im Verfahren vor dem Gericht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Dass die Honorare des Anwalts der Rechtsmittelführerin nicht bezahlt werden konnten, deutete nämlich darauf hin, dass das Organ, das den Anwalt bevollmächtigt hatte, nicht befugt war, diese Zahlung zu tätigen, und dass es nicht befugt war, eine Klage für die Rechtsmittelführerin zu erheben und hierzu einen Anwalt zu bevollmächtigen.

46      Unter diesen Umständen musste das Gericht unabhängig von der Stichhaltigkeit dieses Vorbringens von Amts wegen den Nachweis verlangen, dass der die Rechtsmittelführerin vertretende Anwalt ordnungsgemäß bevollmächtigt war und dass die Prozessvollmacht von einem hierzu Berechtigten ausgestellt worden war.

47      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, indem es nicht von Amts wegen die Ordnungsgemäßheit der Vollmacht geprüft hat, die der Verwaltungsrat der Rechtsmittelführerin dem Anwalt erteilt hat.

48      Ein solcher offensichtlicher Fehler muss zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, ohne dass über die von der Rechtsmittelführerin geltend gemachten Rechtsmittelgründe entschieden zu werden bräuchte.

49      Gemäß Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.

50      Dies ist hier der Fall. Da die Parteien vom Gerichtshof aufgefordert worden sind, zur Zulässigkeit der Klage vor dem Gericht und insbesondere zur Ordnungsgemäßheit der vom Verwaltungsrat der Rechtsmittelführerin erteilten Vertretungsvollmacht Stellung zu nehmen, verfügt der Gerichtshof über alle erforderlichen Angaben, um über die Zulässigkeit der Klage zu entscheiden.

51      Die Rechtsmittelführerin hat unter Berufung auf das Urteil der Qorti tal-Appell (Kompetenza Inferjuri) (Berufungsgericht [Untere Zuständigkeit], Malta) vom 5. November 2018 in der Rechtssache Nr. 6/2017 (Heikki Niemelä u. a./Maltese financial services authority) geltend gemacht, dass ihr Verwaltungsrat trotz der Bestellung der zuständigen Person noch befugt gewesen sei, sie vor Gericht zu vertreten und hierzu einen Anwalt zu bevollmächtigen.

52      Mit der Benennung sei die zuständige Person nur mit den Aktiva und der Führung der Geschäfte der Bank betraut worden, ihr sei aber nicht die Befugnis übertragen worden, die Bank in einem Gerichtsverfahren zu vertreten, das auf die Anfechtung von für die Bank bindenden Entscheidungen gerichtet sei. Insoweit sei es unerheblich, dass sich solche Entscheidungen auch auf die Aktiva und Tätigkeiten auswirken könnten, deren Verwaltung der zuständigen Person obliege.

53      Außerdem bestätigten das Urteil vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a. (C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, im Folgenden: Urteil Trasta Komercbanka, EU:C:2019:923), und die Schlussanträge der Generalanwältin in dieser Rechtssache, dass sich die Frage der Vertretung in erster Linie nach dem nationalen Recht richte und dass die Feststellung des Gerichts hierzu verbindlich sei, es sei denn, eine Partei weise nach, dass sie eine Verfälschung von Tatsachen darstelle. Nach maltesischem Recht sei die Vertretung der Bank aber nicht von den Befugnissen der zuständigen Person erfasst, auch wenn diese mit den Tätigkeiten der Bank oder ihren Aktiva betraut sei.

54      Die EZB hat vorgetragen, dass die Vertretung einer als Gesellschaft gegründeten juristischen Person der lex incorporationis unterliege und dass hier das maltesische Recht in seiner Auslegung im Urteil der Qorti tal-Appell (Kompetenza Inferjuri) (Berufungsgericht [Untere Zuständigkeit], Malta) vom 5. November 2018 in der Rechtssache Nr. 6/2017 (Heikki Niemelä u. a./Maltese financial services authority), die Befugnis der zuständigen Person, die Rechtsmittelführerin zu vertreten, auf die im nationalen Recht genannten besonderen Umstände, aufgrund deren sie bestellt worden sei, insbesondere auf die die Aktiva und die Geschäftsführung betreffenden Angelegenheiten beschränke und damit dem Verwaltungsrat bestimmte Rechte belasse.

55      Sie hat ferner darauf hingewiesen, dass die vom Verwaltungsrat der Rechtsmittelführerin erteilte Vollmacht nur die Vertretung im Zusammenhang mit Regulierungsfragen erfasse, ohne ausdrücklich die Vertretung vor Gericht zu erwähnen.

56      Insoweit ist, wie der Gerichtshof bereits in Rn. 35 des vorliegenden Urteils ausgeführt hat, festzustellen, dass nach Art. 19 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach Art. 53 Abs. 1 der Satzung auf das Gericht anwendbar ist, juristische Personen – wie die Rechtsmittelführerin – bei der Erhebung einer Klage bei den Unionsgerichten durch einen Anwalt vertreten sein müssen, der berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufzutreten.

57      In Anbetracht dieses Erfordernisses, dass juristische Personen durch einen Anwalt vertreten sind, der berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufzutreten, hängt die Zulässigkeit einer auf Art. 263 AEUV gestützten Nichtigkeitsklage einer solchen Person von dem Nachweis ab, dass diese tatsächlich entschieden hat, die Klage zu erheben, und dass den Anwälten, die als ihre Vertreter auftreten, tatsächlich Vollmacht hierzu erteilt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil Trasta Komercbanka, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Gerade um sicherzustellen, dass dies tatsächlich der Fall ist, verlangt Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts von Anwälten in den Fällen, in denen sie eine juristische Person des Privatrechts als Partei vertreten, dass sie eine Vollmacht dieser Partei bei der Kanzlei hinterlegen, und gemäß Abs. 4 dieses Artikels kann das Ausbleiben der Beibringung einer solchen Vollmacht die formale Unzulässigkeit der Klageschrift zur Folge haben (vgl. Urteil Trasta Komercbanka, Rn. 57).

59      Bei einem Kreditinstitut, das – wie die Rechtsmittelführerin – in der Form einer vom Recht eines Mitgliedstaats geregelten juristischen Person gegründet wurde, sind in Ermangelung einer einschlägigen Unionsregelung die Organe dieser juristischen Person, die zum Erlass der in den Rn. 57 und 58 des vorliegenden Urteils genannten Entscheidungen berechtigt sind, nach diesem Recht zu bestimmen (vgl. Urteil Trasta Komercbanka, Rn. 58).

60      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Verwaltungsrat der Rechtsmittelführerin in Anbetracht des Mandats der zuständigen Person, insbesondere des Umstands, dass sie „alle Befugnisse, Funktionen und Pflichten der Bank in Bezug auf alle Aktiva unabhängig davon, ob sie von der Bank in der Hauptversammlung oder vom Verwaltungsrat oder einer anderen Person wahrgenommen werden, einschließlich der rechtlichen und gerichtlichen Vertretung der Bank, unter Ausschluss der Bank und jeder anderen Person zu übernehmen“ hatte, nicht mehr berechtigt war, die Vertretung der Bank wahrzunehmen, und nicht mehr befugt war, hierzu einen Anwalt zu bevollmächtigen.

61      Die Befugnis des Verwaltungsrats der Rechtsmittelführerin, diese vor Gericht zu vertreten und hierzu einen Anwalt zu bevollmächtigen, kann auch nicht auf das Urteil Trasta Komercbanka gestützt werden.

62      Dieses Urteil betrifft nämlich die Verpflichtung eines Unionsgerichts, den Widerruf der dem Vertreter einer Partei erteilten Vollmacht nicht zu berücksichtigen, wenn der Widerruf das Recht dieser Partei auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz verletzt. Eine solche Verpflichtung obliegt einem Unionsgericht jedoch nur unter bestimmten abgegrenzten Umständen.

63      Wie sich aus den Rn. 60 bis 62 des Urteils Trasta Komercbanka ergibt, hat der Gerichtshof festgestellt, dass sich die Beeinträchtigung des Rechts des Kreditinstituts Trasta Komercbanka auf einen wirksamen Rechtsbehelf daraus ergibt, dass sich der im Zusammenhang mit dem Entzug der Zulassung und der Liquidation des Kreditinstituts bestellte Liquidator in einem Interessenkonflikt befand. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass der Liquidator, der mit der endgültigen Liquidation dieses Instituts betraut war, auf Vorschlag der zuständigen nationalen Behörde bestellt wurde, die jederzeit seine Abberufung beantragen konnte. Folglich bestand nach Auffassung des Gerichtshofs die Gefahr, dass der Liquidator in einem Gerichtsverfahren den Beschluss über den Entzug der Zulassung des Instituts, der von der EZB auf Vorschlag dieser Behörde erlassen worden war und zur Liquidation des Instituts geführt hatte, nicht in Frage stellt. Der Gerichtshof hat daraus in Rn. 78 dieses Urteils geschlossen, dass der Anspruch dieses Instituts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz dadurch verletzt worden war, dass der Liquidator die Vollmacht, die die früheren Leitungsorgane von Trasta Komercbanka dem Anwalt erteilt hatten, der gegen diesen Beschluss Klage erhoben hatte, widerrief, und dass das Gericht diesen Widerruf rechtsfehlerhaft berücksichtigt hatte.

64      Im vorliegenden Fall unterscheidet sich das Mandat der von der MFSA bestellten zuständigen Person erheblich von dem des Liquidators, wie es in Rn. 72 des Urteils Trasta Komercbanka beschrieben ist, da sich dieses Mandat allein darauf erstreckte, Forderungen einzuziehen, Vermögensgegenstände zu veräußern und Gläubiger zu befriedigen, um die vollständige Einstellung der Tätigkeit des Kreditinstituts zu erreichen.

65      Außerdem hat die Rechtsmittelführerin nichts zum Mandat der zuständigen Person oder zu den Bedingungen, unter denen diese Person es ausübt, vorgetragen, aus dem sich ergäbe, dass diese sich rechtlich oder tatsächlich in einem Interessenkonflikt befindet. Insbesondere ergibt sich aus dem in Rn. 60 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Wortlaut dieses Mandats keineswegs, dass die zuständige Person nicht die Interessen der Bank verträte.

66      Auch dass die zuständige Person von der nationalen zuständigen Behörde bestellt wurde, die der EZB den Vorschlag für den Entzug der Zulassung unterbreitet hat, reicht für sich genommen nicht aus, um einen Interessenkonflikt bejahen.

67      Zur Tragweite des in Rn. 51 des vorliegenden Urteils genannten Urteils ist zum einen festzustellen, dass dieses nicht die Rechtsmittelführerin betraf, sondern ein anderes maltesisches Kreditinstitut, für das die MFSA eine zuständige Person bestellt hatte.

68      Zum anderen hat die Qorti tal-Appell (Kompetenza Inferjuri) (Berufungsgericht [Untere Zuständigkeit]) in diesem Urteil bestätigt, dass den Mitgliedern des Verwaltungsrats eines Kreditinstituts durch die Bestellung einer zuständigen Person nicht alle ihre Befugnisse entzogen werden. Sie bleiben somit berechtigt, im Namen des Kreditinstituts den Widerruf einer Reihe von Aufsichtsbeschlüssen, die von der MFSA als nationale zuständige Behörde erlassen wurden, und insbesondere des Beschlusses über die Bestellung einer zuständigen Person zu beantragen.

69      Aus diesem Urteil ergibt sich jedoch nicht, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats eines Kreditinstituts, wenn eine zuständige Person benannt und ihr eine Vollmacht auch für die gerichtliche Vertretung erteilt wurde, befugt blieben, einen Anwalt zu bevollmächtigen, um dieses Institut in Verfahren zu vertreten, die Beschlüsse der EZB betreffen, oder Beschlüsse der EZB anzufechten.

70      Außerdem kann die Vertretung vor Gericht im Zusammenhang mit der Anfechtung eines Zulassungsentzugs zu den Befugnissen der zuständigen Person gehören, da sie zwangsläufig die Aktiva der Bank betrifft.

71      Schließlich ist es unerheblich, dass die Rechtsmittelführerin Adressatin des streitigen Beschlusses ist.

72      Dies bedeutet nämlich nicht, dass der Verwaltungsrat der Rechtsmittelführerin nach der Bestellung der zuständigen Person noch berechtigt war, die Entscheidung zu treffen, bei einem Unionsgericht im Namen der Rechtsmittelführerin Klage zu erheben, und befugt war, hierzu einen Anwalt zu bevollmächtigen.

73      Nach alledem ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

 Kosten

74      Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet dieser über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

75      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

76      Da die Pilatus Bank im vorliegenden Fall unterlegen ist und die EZB sowohl vor dem Gerichtshof als auch vor dem Gericht beantragt hat, ihr die Kosten aufzuerlegen, sind ihr neben ihren eigenen Kosten die Kosten aufzuerlegen, die der EZB im Verfahren des ersten Rechtszugs und im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

77      Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Folglich trägt die Kommission als Streithelferin im ersten Rechtszug ihre eigenen Kosten im Verfahren des ersten Rechtszugs und im Rechtsmittelverfahren.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 2. Februar 2022, Pilatus Bank und Pilatus Holding/EZB (T27/19, EU:T:2022:46), wird aufgehoben.

2.      Die in der Rechtssache T27/19 erhobene Klage wird als unzulässig abgewiesen.

3.      Die Pilatus Bank plc trägt neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Zentralbank (EZB) im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.

4.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.