Language of document : ECLI:EU:T:2009:234

Rechtssache T-288/06

Regionalny Fundusz Gospodarczy S.A.

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Staatliche Beihilfen – Regelung von Umstrukturierungsbeihilfen, die die Republik Polen einem Stahlerzeuger gewährt hat – Entscheidung, mit der die Beihilfen für teilweise unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt werden und ihre Rückforderung angeordnet wird – Protokoll Nr. 8 über die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie – Zinssatz bei Rückzahlung rechtswidriger Beihilfen – Verpflichtung zu enger Abstimmung mit dem Mitgliedstaat – Art. 9 Abs. 4 und Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 794/2004“

Leitsätze des Urteils

1.      Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Kurze Darstellung der Klagegründe

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 21 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c)

2.      Staatliche Beihilfen – Bestimmungen des Vertrags – Zeitlicher Geltungsbereich

(Art. 87 EG und 88 EG; Beitrittsakte von 2003, Protokoll Nr. 8)

3.      Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe – Festsetzung des Zinssatzes

(Art. 88 Abs. 2 EG; Verordnung Nr. 794/2004 der Kommission, Art. 9 Abs. 4 und 11 Abs. 2)

4.      Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit einer Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird – Verpflichtung, den bei der Rückforderung der Beihilfe anzuwendenden Zinssatz anzugeben – Fehlen

(Art. 88 Abs. 2 EG)

1.      Eine Klageschrift genügt den Mindestanforderungen des Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und des Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts, wenn die Aufhebungsgründe in ihr so klar und genau dargestellt sind, dass dem Beklagten eine sachgerechte Verteidigung und dem Gemeinschaftsrichter die Ausübung seiner gerichtlichen Kontrolle möglich ist.

Folglich ist in einem Fall, in dem die Klageschrift die in Rede stehenden Klagegründe kurz bezeichnet und in dem es weder dem Beklagten, der in seiner Klagebeantwortung auf die vorgetragenen Argumente geantwortet hat, noch dem Gemeinschaftsrichter unmöglich gemacht worden ist, die in diesem Zusammenhang dargelegten Argumente zu verstehen, eine Klage nicht wegen Nichtbeachtung von Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung für unzulässig zu erklären.

(vgl. Randnrn. 25-26)

2.      Das der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge beigefügte Protokoll Nr. 8 über die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie stellt im Verhältnis zu den Art. 87 EG und 88 EG eine lex specialis dar. Es erweitert die von der Kommission gemäß dem EG-Vertrag ausgeübte Kontrolle staatlicher Beihilfen auf Beihilfen, die während eines bestimmten, dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union vorausgehenden Zeitraums zugunsten der Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie gewährt wurden. Aus dem Wortlaut des Protokolls Nr. 8 selbst geht hervor, dass es auf vor dem Beitritt gewährte Beihilfen anwendbar ist. Zweck des Protokolls Nr. 8 war es nämlich, eine umfassende Regelung für die Zulassung von Beihilfen zur Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie zu treffen und nicht nur die Kumulierung von Beihilfen durch begünstigte Unternehmen zu verhindern.

(vgl. Randnrn. 43-44)

3.      Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 794/2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 659/1999 über die Anwendung von Art. 88 EG sieht vor, dass die Festsetzung des bei der Rückforderung einer Beihilfe anzuwendenden Zinssatzes in „enger Abstimmung“ mit dem betroffenen Mitgliedstaat erfolgt, setzt aber keine „Vereinbarung“ voraus. Bei der Festsetzung dieses Zinssatzes verfügt die Kommission über ein gewisses Ermessen. Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 794/2004 bestimmt, dass der Zinssatz bis zur Rückzahlung der Beihilfe nach der Zinseszinsformel berechnet wird. Für die im Vorjahr aufgelaufenen Zinsen sind in jedem folgenden Jahr Zinsen fällig.

(vgl. Randnrn. 52, 54-55)

4.      Die Kommission ist nicht verpflichtet, in einer Entscheidung, mit der eine Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wird, den bei der Rückforderung der Beihilfe anzuwendenden Zinssatz anzugeben, da sie nicht einmal verpflichtet ist, den genauen Betrag der rückforderbaren Beihilfe selbst festzustellen, und sich darauf beschränken darf, lediglich die Methoden anzugeben, die dem Mitgliedstaat die Berechnung der Beihilfe ermöglichen.

(vgl. Randnr. 57)