Language of document : ECLI:EU:T:2013:254

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

16. Mai 2013(*)

„Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Iran zur Verhinderung der nuklearen Proliferation – Einfrieren von Geldern – Begründungspflicht – Offensichtlicher Beurteilungsfehler“

In der Rechtssache T‑392/11

Iran Transfo mit Sitz in Teheran (Iran), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt K. Kleinschmidt,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop und J.‑P. Hix als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch F. Erlbacher und T. Scharf als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses 2011/299/GASP des Rates vom 23. Mai 2011 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 136, S. 65), soweit er die Klägerin betrifft,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) und des Richters M. van der Woude,

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2013

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, Iran Transfo, ist eine iranische Gesellschaft, die auf die Herstellung von elektrischen Transformatoren spezialisiert ist.

2        Am 26. Juli 2010 erließ der Rat der Europäischen Union den Beschluss 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140/GASP (ABl. L 195, S. 39). Art. 20 Abs. 1 des Beschlusses 2010/413 sieht das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Personen und Einrichtungen vor, die in den Anhängen I und II dieses Beschlusses aufgeführt sind.

3        Nachdem der Beschluss 2010/413 ergangen war, erließ der Rat am 25. Oktober 2010 die Verordnung (EU) Nr. 961/2010 über restriktive Maßnahmen gegen Iran und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 (ABl. L 281, S. 1). Art. 16 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 961/2010 sieht das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der in Anhang VIII dieser Verordnung aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen vor.

4        Am 23. Mai 2011 erließ der Rat den Beschluss 2011/299/GASP zur Änderung des Beschlusses 2010/413 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 136, S. 65, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem er u. a. die Klägerin der Liste der in Anhang II des Beschlusses 2010/413 aufgeführten Personen und Einrichtungen hinzufügte.

5        Ebenfalls am 23. Mai 2011 erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 503/2011 zur Durchführung der Verordnung Nr. 961/2010 (ABl. L 136, S. 26), mit der er u. a. den Namen der Klägerin der Liste der in Anhang VIII der Verordnung Nr. 961/2010 aufgeführten Personen und Einrichtungen hinzufügte.

6        Mit Schreiben vom 24. Mai 2011 unterrichtete der Rat im Anschluss an den Erlass des angefochtenen Beschlusses und der Durchführungsverordnung Nr. 503/2011 die Klägerin über ihre Aufnahme in die Listen in Anhang II des Beschlusses 2010/413 und in Anhang VIII der Verordnung Nr. 961/2010.

7        Im angefochtenen Beschluss und in der Durchführungsverordnung Nr. 503/2011 begründete der Rat das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen der Klägerin wie folgt: „Hersteller von Transformatoren; ist gegenwärtig am Bau der Anlage in Fordo (Ghom) beteiligt, deren Bau der [Internationalen Atomenergiebehörde] nicht gemeldet wurde“.

8        Mit Schreiben vom 22. Juli 2011 ersuchte die Klägerin den Rat, ihr die Gründe und spezifischen Umstände mitzuteilen, die zu ihrer Aufnahme in die Liste in Anhang II des Beschlusses 2010/413 geführt hatten, und ihr Zugang zu den maßgeblichen Dokumenten im Zusammenhang mit den ihr gegenüber im angefochtenen Beschluss erhobenen Vorwürfen zu gewähren.

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

9        Mit Klageschrift, die am 22. Juli 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

10      Mit Schriftsatz, der am 28. Oktober 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Europäische Kommission beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen zu werden. Die Präsidentin der Vierten Kammer des Gerichts hat dem Streithilfeantrag mit Beschluss vom 16. Januar 2012 stattgegeben.

11      Mit Schreiben, das am 17. Februar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission auf die Einreichung einer schriftlichen Stellungnahme verzichtet und bekräftigt, dass sie die Schlussfolgerungen des Rates unterstütze.

12      Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht der Berichterstatterin beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

13      Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 9. Januar 2013 mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

14      Auf einen von der Klägerin am 6. März 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Antrag auf Anpassung der Anträge hin hat das Gericht am 14. März 2013 beschlossen, die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen.

15      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft;

–        dem Rat im Wege einer prozessleitenden Maßnahme aufzugeben, sämtliche maßgeblichen Unterlagen im Zusammenhang mit den im angefochtenen Beschluss ihr gegenüber erhobenen Vorwürfen vorzulegen;

–        dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

16      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

17      In der mündlichen Verhandlung hat der Rat hilfsweise beantragt, im Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses dessen Wirkungen für einen Zeitraum von zwei Monaten und zehn Tagen ab Verkündung des Nichtigkeitsurteils aufrechtzuerhalten.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses

18      Die Klägerin stützt ihre Nichtigkeitsklage auf fünf Gründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie eine Verletzung ihrer unternehmerischen Freiheit, ihres Eigentumsrechts sowie der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung, mit dem zweiten einen offensichtlichen Beurteilungsfehler hinsichtlich ihrer Beteiligung am Bau der Anlage in Fordo, Ghom (Iran), mit dem dritten einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, mit dem vierten eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte und ihres Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz und mit dem fünften eine Verletzung der Begründungspflicht.

19      Das Gericht hält es für zweckdienlich, zuerst den fünften und dann den zweiten Klagegrund zu prüfen.

 Zum fünften Klagegrund, mit dem eine Verletzung der Begründungspflicht gerügt wird

20      Die Klägerin macht geltend, der Rat habe die Begründungspflicht verletzt. Hierzu trägt sie im Wesentlichen vor, dass die Begründung für die Aufnahme ihres Namens in die Liste in Anhang II des Beschlusses 2010/413 nicht nachvollziehbar und unzureichend sei, da sie weder ihr noch dem Gericht ermögliche, zu überprüfen, ob der Sachverhalt vom Rat richtig ermittelt und beurteilt worden sei.

21      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, hält diese Argumentation für nicht stichhaltig.

22      Nach ständiger Rechtsprechung dient die Pflicht zur Begründung eines beschwerenden Rechtsakts, die aus dem Grundsatz der Beachtung der Verteidigungsrechte folgt, dem Zweck, zum einen den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob der Rechtsakt sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der seine Anfechtung vor dem Unionsrichter zulässt, und zum anderen dem Unionsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts zu ermöglichen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 15. November 2012, Rat/Bamba, C‑417/11 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Die nach Art. 296 AEUV und, was speziell den vorliegenden Fall betrifft, nach Art. 24 Abs. 3 des Beschlusses 2010/413 vorgeschriebene Begründung muss die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass der Betroffene ihr die Gründe für die erlassenen Maßnahmen entnehmen und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Rat/Bamba, oben in Randnr. 22 angeführt, Randnr. 50).

24      Die so verstandene Begründungspflicht ist ein wesentlicher Grundsatz des Unionsrechts, von dem Ausnahmen nur aufgrund zwingender Erwägungen möglich sind. Dabei ist die Begründung dem Betroffenen grundsätzlich gleichzeitig mit dem ihn beschwerenden Rechtsakt mitzuteilen; ihr Fehlen kann nicht dadurch geheilt werden, dass der Betroffene die Gründe für den Rechtsakt während des Verfahrens vor dem Unionsrichter erfährt. Der Wahrung der Begründungspflicht im Fall eines ersten Beschlusses, mit dem die Gelder einer Organisation eingefroren werden, kommt außerdem umso größere Bedeutung zu, als sie die einzige Gewähr dafür bietet, dass der Betroffene die ihm zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des fraglichen Beschlusses zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe sachgerecht in Anspruch nehmen kann, da ihm vor dem Erlass des Beschlusses kein Anhörungsrecht zusteht (Urteil des Gerichts vom 14. Oktober 2009, Bank Melli Iran/Rat, T‑390/08, Slg. 2009, II‑3967, Randnr. 80).

25      Sofern der Mitteilung bestimmter Umstände keine zwingenden Gründe der Sicherheit der Union oder ihrer Mitgliedstaaten oder der Gestaltung ihrer internationalen Beziehungen entgegenstehen, hat der Rat daher nach Art. 24 Abs. 3 des Beschlusses 2010/413 die Einrichtung, gegen die sich eine gemäß Art. 20 Abs. 1 dieses Beschlusses erlassene Maßnahme richtet, von den besonderen und konkreten Gründen in Kenntnis zu setzen, aus denen er zu der Auffassung gelangt, dass diese Bestimmung auf sie anwendbar ist. Er hat somit die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen abhängt, und die Erwägungen aufzuführen, die ihn zu ihrem Erlass veranlasst haben (vgl. in diesem Sinne Urteil Bank Melli Iran/Rat, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnr. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung muss allerdings der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen worden ist, angepasst sein. Das Begründungserfordernis ist anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung ausreichend ist, nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil Rat/Bamba, oben in Randnr. 22 angeführt, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Insbesondere ist ein beschwerender Rechtsakt hinreichend begründet, wenn er in einem Zusammenhang ergangen ist, der dem Betroffenen bekannt war und ihn in die Lage versetzt, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen (vgl. Urteil Rat/Bamba, oben in Randnr. 22 angeführt, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Im vorliegenden Fall begründete der Rat die Aufnahme des Namens der Klägerin in die Liste in Anhang II des Beschlusses 2010/413 wie folgt: „Hersteller von Transformatoren; ist gegenwärtig am Bau der Anlage in Fordo (Ghom) beteiligt, deren Bau der [Internationalen Atomenergiebehörde] nicht gemeldet wurde“.

29      Diese Begründung ist zwar kurz, doch genügt sie den oben in den Randnrn. 22 bis 27 dargelegten Regeln. Denn erstens ermöglichte sie der Klägerin, zu erkennen, welches Verhalten ihr vorgeworfen wurde, nämlich ihre Beteiligung am Bau der Anlage in Fordo. Zweitens konnte sie, wie aus ihrem Vorbringen zum zweiten Klagegrund hervorgeht, anhand der Begründung deren sachliche Richtigkeit in Abrede stellen. Drittens ist die Begründung ausreichend, um dem Gericht die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe zu ermöglichen.

30      Im Licht dieser Erwägungen ist der fünfte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler hinsichtlich der Beteiligung der Klägerin am Bau der Anlage in Fordo gerügt wird

31      Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dem Rat sei ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, indem er zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass sie am Bau der Anlage in Fordo beteiligt gewesen sei. Zudem äußert sie sich einleitend dazu, welchen Umfang ihres Erachtens die gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit angefochtener Handlungen hat, wobei sie im Wesentlichen geltend macht, das Gericht müsse eine umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses in der im Urteil des Gerichts vom 30. September 2010, Kadi/Kommission (T‑85/09, Slg. 2010, II‑5177), festgelegten Weise vornehmen.

32      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, hält diese Argumentation der Klägerin für nicht stichhaltig. Zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle vertritt der Rat im Kern die Ansicht, dass die umfassende Kontrolle, wie sie sich hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Rechtsakten, mit denen restriktive Maßnahmen gegen mit Terrorismus in Verbindung stehende Personen und Einrichtungen erlassen worden seien, aus dem Urteil Kadi/Kommission (oben in Randnr. 31 angeführt) ergebe, im Bereich restriktiver Maßnahmen gegen Iran weder geeignet noch auch nur erforderlich sei. In der mündlichen Verhandlung hat er u. a. ergänzend ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten in Anbetracht der Vertraulichkeit bestimmter in ihrem Besitz befindlicher Beweise dem Rat deren Offenlegung versagen könnten, so dass er sie dem Gericht nicht vorlegen könne. In einem solchen Fall sei es ausreichend, dass die für die Aufnahme geltend gemachten Gründe plausibel seien.

33      Da die Parteien unterschiedlicher Auffassung darüber sind, welchen Umfang die gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts hat, mit dem restriktive Maßnahmen gegen eine Einrichtung erlassen worden sind, hält es das Gericht für angebracht, zunächst die Intensität dieser gerichtlichen Kontrolle in Erinnerung zu rufen, bevor er sich der Kernfrage zuwendet, ob der vorliegende Klagegrund durchgreift.

–       Zur Intensität der gerichtlichen Kontrolle

34      Die gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts, mit dem restriktive Maßnahmen gegen eine Einrichtung getroffen worden sind, erstreckt sich auf die Beurteilung der Tatsachen und Umstände, die zu seiner Begründung herangezogen wurden, sowie auf die Prüfung der Beweise und Informationen, auf die sich diese Beurteilung stützt. Im Falle des Bestreitens obliegt es dem Rat, diese Beweise und Informationen zur Überprüfung durch den Unionsrichter vorzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Bank Melli Iran/Rat, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnrn. 37 und 107).

35      Zum einen entspricht diese gerichtliche Kontrolle im Kern derjenigen, die der Unionsrichter hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Rechtsakten, mit denen restriktive Maßnahmen gegen mit dem Terrorismus in Verbindung stehende Personen und Einrichtungen erlassen worden sind, in der im Urteil Kadi/Kommission (oben in Randnr. 31 angeführt, Randnr. 143) festgelegten Weise ausübt. Zum anderen steht fest, dass sich das Einfrieren von Geldern auf namentlich bezeichnete Einrichtungen bezieht, die unmittelbar und individuell von den ihnen gegenüber verhängten Sanktionen betroffen sind, und für die betroffenen Einrichtungen erhebliche Konsequenzen hat, weil es zur Beschränkung der Ausübung ihrer Grundrechte führen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Bank Melli Iran/Rat, oben in Randnr. 24 angeführt, Randnr. 86).

36      Daher findet die vom Rat in der Klagebeantwortung hinsichtlich des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle vorgeschlagene Unterscheidung zwischen den Rechtssachen, die die politischen Maßnahmen des herrschenden Regimes eines Drittlands betreffen, und denen, die mit dem Terrorismus in Verbindung stehende Personen und Einrichtungen betreffen, in der Rechtsprechung keine Grundlage; dies hat der Rat in der mündlichen Verhandlung im Übrigen eingeräumt.

37      Somit ist entgegen dem Vorbringen des Rates hinsichtlich der Intensität der gerichtlichen Kontrolle nicht danach zu unterscheiden, ob die restriktiven Maßnahmen bestimmte politische Maßnahmen des herrschenden Regimes eines Drittlands oder den Terrorismus bekämpfen sollen.

38      Der Rat kann sich auch nicht darauf berufen, dass er angesichts der Vertraulichkeit der betreffenden Informationen nicht zur Vorlage von Beweisen vor dem Gericht verpflichtet sei und dass es genüge, dass die Gründe für die Aufnahme plausibel seien.

39      Die Rechtsakte, mit denen restriktive Maßnahmen gegen eine Einrichtung erlassen werden, sind nämlich Rechtsakte des Rates, der mithin sicherzustellen hat, dass ihr Erlass gerechtfertigt ist. Handelt der Rat nach dem Verfahren des Art. 23 Abs. 2 des Beschlusses 2010/413 auf Vorschlag eines Mitgliedstaats oder des Hohen Vertreters der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, muss er folglich prüfen, ob die ihm von einem Mitgliedstaat vorgelegten Informationen und Beweise einschlägig und stichhaltig sind.

40      Daher ist der Rat nicht berechtigt, einen Rechtsakt, mit dem restriktive Maßnahmen erlassen werden, auf von einem Mitgliedstaat mitgeteilte Informationen oder Aktenstücke zu stützen, wenn dieser Mitgliedstaat nicht gewillt ist, ihre Übermittlung an den Unionsrichter zu gestatten, dem die Kontrolle der Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses obliegt (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 4. Dezember 2008, People’s Mojahedin Organization of Iran/Rat, T‑284/08, Slg. 2008, II‑3487, Randnr. 73).

41      Außerdem kann sich der Rat nicht darauf berufen, dass die betreffenden Angaben aus vertraulichen Quellen stammten und daher nicht offengelegt werden könnten. Dieser Umstand nämlich könnte zwar eventuell Beschränkungen hinsichtlich der Übermittlung dieser Angaben an die Klägerin oder ihre Anwälte rechtfertigen, doch muss der Unionsrichter in Anbetracht der wesentlichen Rolle der gerichtlichen Kontrolle im Zusammenhang mit dem Erlass restriktiver Maßnahmen die Rechtmäßigkeit und die Begründetheit solcher Maßnahmen überprüfen können, ohne dass ihm die Geheimhaltungsbedürftigkeit oder die Vertraulichkeit der vom Rat herangezogenen Beweise und Informationen entgegengehalten werden könnte (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2006, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat, T‑228/02, Slg. 2006, II‑4665, Randnr. 155).

42      Zudem hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zwar anerkannt, dass sich die Verwendung vertraulicher Informationen als unerlässlich erweisen könne, wenn die nationale Sicherheit im Spiel sei, doch bedeutet dies seines Erachtens nicht, dass die nationalen Behörden keiner Kontrolle durch die innerstaatlichen Gerichte unterlägen, sobald sie erklärten, dass die Rechtssache die nationale Sicherheit betreffe (vgl. Urteile des EGMR vom 15. November 1996, Chahal/Vereinigtes Königreich, Recueil des arrêts et décisions 1996‑V, § 131 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. März 2003, Öcalan/Türkei, Nr. 46221/99, § 106 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16. Februar 2000, Jasper/Vereinigtes Königreich (Nr. 27052/95), auf das sich der Rat in der mündlichen Verhandlung berufen hat, spricht nicht gegen diese Erwägung. Es trifft zwar zu, dass nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte der Anspruch auf Bekanntgabe der Beweise nicht absolut ist und gegen konkurrierende Interessen, wie etwa die nationale Sicherheit, abgewogen werden muss. Mithin dürfen bestimmte Beweise gegenüber dem Betroffenen geheim gehalten werden. Gleichwohl hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte u. a. ausgeführt, dass die Geheimhaltung von Beweisen durch das von den Justizbehörden eingehaltene Verfahren hinreichend aufgewogen werden müsse. In einem solchen Fall haben nämlich die innerstaatlichen Gerichte die ihnen vorgelegten Beweise zu würdigen (vgl. EGMR, Urteil Jasper/Vereinigtes Königreich, §§ 52 und 53).

–       Zur Begründetheit des zweiten Klagegrundes

44      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben in Randnr. 34 angeführten Rechtsprechung im Fall einer Beanstandung der Tatsachen und Umstände, die zur Rechtfertigung des Erlasses restriktiver Maßnahmen gegen die Klägerin herangezogen wurden, der Rat dem Unionsrichter die Beweise und Informationen zur Überprüfung vorlegen muss, auf die er sich bei seiner Beurteilung gestützt hat.

45      Im vorliegenden Fall hat der Rat aber keinerlei Beweis dafür erbracht, dass die Klägerin tatsächlich am Bau der Anlage in Fordo beteiligt war. Außerdem vermag der von einem Mitgliedstaat stammende Vorschlag für die Aufnahme des Namens der Klägerin in die Liste in Anhang II des Beschlusses 2010/413, von dem eine Kopie der Klagebeantwortung beigefügt war und der in Bezug auf die Klägerin dieselben Gründe für die Aufnahme enthält wie der Beschluss 2010/413, die tatsächliche Beteiligung der Klägerin am Bau dieser Anlage nicht zu belegen.

46      Dieses Ergebnis wird durch die vom Rat vorgetragenen Argumente nicht in Frage gestellt.

47      Zunächst macht der Rat zu Unrecht geltend, aus den Angaben in der Klageschrift u. a. zur Stellung der Klägerin als Marktführerin für Standardtransformatoren im Iran und zu ihren regelmäßigen Geschäftskontakten zum kommunalen Energieversorger Tehran Regional Electric Company (TREC), dem die Stromversorgung der Region Ghom obliege und dem die Klägerin 73 Transformatoren geliefert habe, ergebe sich, dass die von ihr hergestellten Transformatoren in der Anlage in Fordo verwendet worden seien.

48      Zum einen beruft sich der Rat nämlich ausschließlich auf Angaben, die die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Verfahrens gemacht hat. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts aber anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen (Urteile des Gerichtshofs vom 7. Februar 1979, Frankreich/Kommission, 15/76 und 16/76, Slg. 1979, 321, Randnr. 7, vom 17. Mai 2001, IECC/Kommission, C‑449/98 P, Slg. 2001, I‑3875, Randnr. 87, und vom 22. Dezember 2008, Centeno Mediavilla u. a./Kommission, C‑443/07 P, Slg. 2008, I‑10945, Randnrn. 110 und 111).

49      Zum anderen belegen die vom Rat angeführten Umstände auch zusammengenommen jedenfalls nicht rechtlich hinreichend, dass die von der Klägerin hergestellten Transformatoren in der Anlage in Fordo verwendet wurden, sondern beweisen lediglich die Geschäftsbeziehungen zwischen ihr und dem kommunalen Versorger TREC. Entgegen dem Vorbringen des Rates reichen solche Beziehungen aber nicht zum Nachweis dafür aus, dass die Transformatoren der Klägerin tatsächlich in der genannten Anlage verwendet wurden. Aus der Klageschrift kann auch nicht hergeleitet werden, dass die Klägerin eingeräumt habe, dass ihre Transformatoren in der Anlage von Fordo verwendet worden seien. Zwar kann die Klägerin nicht ausschließen, dass dies gegen ihren Willen und unter Verstoß gegen ihre Geschäftspraxis geschehen sein könnte, doch hat sie nie eingeräumt, dass ihre Transformatoren in dieser Anlage verwendet wurden.

50      Zum Vorbringen des Rates, in Anbetracht der Geheimhaltung, der die Anlage von Fordo unterliege, sei es nicht realistisch, zu verlangen, dass er prüfe, welche Transformatoren der Klägerin in dieser Anlage verbaut worden seien, genügt der Hinweis, dass zum einen, wie aus der oben in Randnr. 34 angeführten Rechtsprechung hervorgeht, im Fall der Beanstandung der Tatsachen und Umstände, die zur Rechtfertigung des Erlasses restriktiver Maßnahmen gegen die Klägerin herangezogen wurden, der Rat dem Unionsrichter die Beweise und Informationen zur Überprüfung vorlegen muss, auf die er sich bei seiner Beurteilung gestützt hat. Zum anderen muss nach der oben in Randnr. 41 angeführten Rechtsprechung der Unionsrichter die Rechtmäßigkeit und die Begründetheit solcher Maßnahmen überprüfen können, ohne dass ihm die Geheimhaltungsbedürftigkeit oder die Vertraulichkeit der vom Rat herangezogenen Beweise und Informationen entgegengehalten werden könnte. Daher kann die Geheimhaltung, der die Anlage von Fordo unterliegt, den Rat nicht von seiner Verpflichtung entbinden, dem Unionsrichter die Beweise und Informationen zur Überprüfung vorzulegen, auf die er sich bei seiner Beurteilung gestützt hat.

51      Im Übrigen hat der Rat, während die Erstellung einer Liste der von der Klägerin hergestellten und in der Anlage von Fordo verwendeten Transformatoren nur ein Beweismittel neben anderen für die Beteiligung der Klägerin am Bau dieser Anlage wäre, nach den oben in Randnr. 45 getroffenen Feststellungen keinen Beweis für diese Beteiligung beigebracht.

52      Schließlich kann der Rat, da er keinen Beweis für die Verwendung der Transformatoren der Klägerin in der Anlage von Fordo erbracht hat, nicht mit Erfolg geltend machen, dass es, da die restriktiven Maßnahmen vorsorglicher Art seien, nicht darauf ankomme, ob die Klägerin die Verwendung ihrer Transformatoren durch ihre Kunden gekannt habe oder die Kontrolle darüber habe ausüben können.

53      Nach alledem ist dem zweiten Klagegrund und somit der Klage insgesamt stattzugeben, ohne dass die übrigen Klagegründe geprüft zu werden brauchen.

 Zu den Wirkungen der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses

54      Was die zeitlichen Wirkungen der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses betrifft, kann das Gericht nach Art. 264 Abs. 2 AEUV, falls es dies für notwendig hält, diejenigen Wirkungen der für nichtig erklärten Handlung bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind.

55      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerin keine Nichtigkeitsklage gegen die Durchführungsverordnung Nr. 503/2011 erhoben hat. Der Umstand, dass diese Durchführungsverordnung anwendbar bleibt, obwohl der angefochtene Beschluss für nichtig erklärt wird, kann zu einer ernsten Beeinträchtigung der Rechtssicherheit führen, da mit diesen beiden Rechtsakten identische Maßnahmen gegen die Klägerin verhängt werden.

56      Unter diesen Umständen erscheint es in Anwendung von Art. 264 Abs. 2 AEUV angebracht, die Wirkungen des angefochtenen Beschlusses, soweit er die Klägerin betrifft, für einen Zeitraum, der zwei Monate und zehn Tage ab dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils nicht überschreiten darf, aufrechtzuerhalten.

 Zum Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme

57      Der zweite Antrag der Klägerin geht dahin, dem Rat im Wege einer prozessleitenden Maßnahme aufzugeben, sämtliche maßgeblichen Unterlagen im Zusammenhang mit den im angefochtenen Beschluss ihr gegenüber erhobenen Vorwürfen vorzulegen.

58      Der Rat, unterstützt durch die Kommission, hält diesen Antrag für unbegründet, weil alle die Aufnahme des Namens der Klägerin in die Liste in Anhang II des Beschlusses 2010/413 betreffenden Angaben in einem von einem Mitgliedstaat stammenden Vorschlag für die Aufnahme enthalten seien, von dem eine Kopie der Klagebeantwortung beigefügt worden sei.

59      Insoweit ist daran zu erinnern, dass es allein Sache des Gerichts ist, zu entscheiden, ob die Informationen, die ihm in der bei ihm anhängigen Rechtssache vorliegen, der Ergänzung bedürfen (Urteile des Gerichtshofs vom 10. Juli 2001, Ismeri Europa/Rechnungshof, C‑315/99 P, Slg. 2001, I‑5281, Randnr. 19, vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, Slg. 2004, I‑9165, Randnr. 76, und vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 67).

60      Im vorliegenden Fall ist es im Hinblick auf die oben in Randnr. 53 gezogene Schlussfolgerung und unter Berücksichtigung dessen, dass der Rat nach seinem Vorbringen über nichts weiter als den von einem Mitgliedstaat stammenden Vorschlag für eine Aufnahme verfügt, nicht notwendig, den Rat aufzufordern, sämtliche maßgeblichen Unterlagen im Zusammenhang mit den im angefochtenen Beschluss gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwürfen vorzulegen.

 Kosten

61      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

62      Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Daher trägt die Kommission ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss 2011/299/GASP des Rates vom 23. Mai 2011 zur Änderung des Beschlusses 2010/413/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Iran wird, soweit er Iran Transfo betrifft, für nichtig erklärt.

2.      Die Wirkungen des Beschlusses 2011/299, soweit er Iran Transfo betrifft, werden für einen Zeitraum, der zwei Monate und zehn Tage ab dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils nicht überschreiten darf, aufrechterhalten.

3.      Der Rat der Europäischen Union trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten von Iran Transfo.

4.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Pelikánová

Jürimäe

Van der Woude

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Mai 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.