Language of document : ECLI:EU:T:2012:3

BESCHLUSS DES GERICHTS (Siebte Kammer)

11. Januar 2012(*)

„Nichtigkeitsklage – Staatliche Beihilfen – Deutsche Regelung über das an die Arbeitnehmer insolventer Unternehmen zu zahlende Insolvenzgeld und dessen Finanzierung –Entscheidung, mit der festgestellt wird, dass keine staatliche Beihilfe vorliegt – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑58/10

Phoenix-Reisen GmbH mit Sitz in Bonn (Deutschland),

Deutscher Reiseverband e.V. (DRV) mit Sitz in Berlin (Deutschland),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt R. Gerharz,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Flynn und B. Martenczuk als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze, J. Möller und B. Klein als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

betreffend eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K (2009) 8707 endg. der Kommission vom 19. November 2009, mit der festgestellt wird, dass die im deutschen Recht vorgesehene Regelung über das an die Arbeitnehmer insolventer Unternehmen zu zahlende Insolvenzgeld und dessen Finanzierung keine staatliche Beihilfe darstellt (Beihilfe NN 55/2009) (ABl. C 323, S. 5),

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich sowie der Richterinnen I. Wiszniewska-Bialecka und M. Kancheva (Berichterstatterin),

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Bei den Klägern, der Phoenix-Reisen GmbH und dem Deutscher Reiserverband e.V. (DRV) handelt es sich um eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, die im Bereich der Veranstaltung von Flugreisen sowie von Fluss- und Hochseekreuzfahrten in und außerhalb von Europa tätig ist, bzw. um einen eingetragenen Verein nach deutschem Recht, der sich aus Unternehmen zusammensetzt, die sich mit der Veranstaltung und/oder der Vermittlung von Reisen befassen.

2        Mit Schreiben vom 6. März und 4. April 2007 erhoben die Kläger vor der Europäischen Kommission Beschwerde wegen mutmaßlicher staatlicher Beihilfen, die von der Bundesrepublik Deutschland durch die insbesondere nach den §§ 183, 188, 356 und 358 des Sozialgesetzbuchs III (im Folgenden: SGB III) vorgesehenen Insolvenzgeldzahlungen an Arbeitnehmer insolvent gewordener Unternehmen gewährt worden seien.

3        Mit Schreiben vom 4. Mai 2007 teilte die Kommission den Klägern ihre Beurteilung der mit der Beschwerde beanstandeten Maßnahmen mit und erklärte abschließend, dass diese keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten. In selben Schreiben forderte sie die Kläger auf, binnen fünfzehn Tagen neue Beweismittel für das Vorliegen staatlicher Beihilfen beizubringen, da sie die Angelegenheit andernfalls nicht weiter verfolgen werde.

4        Nach einer Verlängerung der von der Kommission gesetzten Frist übersandten die Kläger dieser mit Schreiben vom 8. Januar 2009 ihre Stellungnahme.

5        Mit Schreiben vom 13. Februar 2009 übermittelte die Kommission den Klägern ihre Beurteilung der mit der Beschwerde beanstandeten Maßnahmen und stellte abschließend fest, dass diese Maßnahmen keine Elemente staatlicher Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG enthielten (im Folgenden: Schreiben vom 13. Februar 2009).

6        Am 27. März 2009 erhoben die Kläger gegen das Schreiben vom 13. Februar 2009 Nichtigkeitsklage, die im Register der Kanzlei des Gerichts unter der Nummer T‑120/09 eingetragen wurde.

7        Mit Schreiben vom 21. August 2009 forderten die Kläger die Kommission auf, über die mit ihrer Beschwerde beanstandeten Maßnahmen eine Entscheidung gemäß Art. 20 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. L 83, S. 1) zu erlassen.

8        Am 19. November 2009 erließ die Kommission die Entscheidung K (2009) 8707 endg. (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), in der sie die Auffassung vertrat, dass weder die Zahlung des Insolvenzgeldes, noch seine Vorfinanzierung und nicht einmal die Art der Finanzierung der Insolvenzgeldzahlungen nach dem SGB III staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten. Hierzu wies sie im Wesentlichen darauf hin, dass die betreffenden Insolvenzgeldzahlungen sowie deren Vorfinanzierung der Bundesrepublik Deutschland nicht zurechenbar seien. Durch den Erlass der Bestimmungen des SGB III über das Insolvenzgeld habe die Bundesrepublik Deutschland lediglich die Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23) in nationales Recht umgesetzt. Außerdem sei die Regelung über die Vorfinanzierung dieser Zahlungen in der Richtlinie zwar nicht vorgesehen, aber im Rahmen des Ermessensspielraums erlassen worden, über den die Mitgliedstaaten für die Umsetzung dieser Richtlinie verfügten.

9        Hinsichtlich der Art der Finanzierung der Insolvenzgeldzahlungen vertrat die Kommission den Standpunkt, dass zum einen nicht geprüft zu werden brauche, ob diese Bestandteil der betreffenden Maßnahmen sei, da Letztere keine staatlichen Beihilfen darstellten. Zum anderen obliege es, selbst wenn diese Maßnahmen als staatliche Beihilfen betrachtet würden, grundsätzlich den nationalen Gerichten, die sich aus dieser Rechtswidrigkeit ergebenden Konsequenzen für die Finanzierung einer Beihilfe anzuordnen.

 Verfahren und Anträge der Beteiligten

10      Die Kläger haben mit Klageschrift, die am 11. Februar 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zum einen die vorliegende Klage erhoben und zum anderen beantragt, die vorliegende Rechtssache mit der Rechtssache T‑120/09 zu verbinden.

11      Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Schriftsatz, der am 21. Juni 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, ihre Zulassung als Streithelferin in der vorliegenden Rechtssache zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt.

12      Mit Beschluss vom 29. Juli 2010 hat der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts die Bundesrepublik Deutschland als Streifhelferin zugelassen.

13      Mit Beschluss vom 9. September 2010 hat der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts entschieden, dass der Rechtsstreit in der Rechtssache T‑120/09 in der Hauptsache erledigt und damit auch der Antrag auf Verbindung dieser Rechtssache mit der vorliegenden erledigt ist.

14      Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Schriftsatz, der am 13. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, ihre Stellungnahme eingereicht.

15      Im Zuge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist die Berichterstatterin der Siebten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

16      Die Kläger beantragen,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären,

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

17      Die Kommission beantragt, unterstützt von der Bundesrepublik Deutschland,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen,

–        hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen,

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

 Zur Zulässigkeit

18      Nach Art. 113 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht jederzeit von Amts wegen nach Anhörung der Beteiligten über unverzichtbare Prozessvoraussetzungen, wozu auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage gehören, entscheiden (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofs vom 5. Juli 2001, Conseil national des professions de l’automobile u. a./Kommission, C‑341/00 P, Slg. 2001, I‑5263, Randnr. 32; Urteil des Gerichts vom 14. April 2005, Sniace/Kommission, T‑88/01, Slg. 2005, II‑1165, Randnr. 53, und Beschluss des Gerichts vom 21. Januar 2011, Vtesse Networks/Kommission, T‑54/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 48). Gemäß Art. 114 § 3 wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt.

19      Im vorliegenden Fall hat die Kommission, ohne die Einrede der Unzulässigkeit gesondert zu erheben, in ihrer Klagebeantwortung und in der Gegenerwiderung Argumente in diesem Sinne vorgebracht, wobei sie zum einen die fehlende Klagebefugnis der Kläger und zum anderen ihr mangelndes Rechtsschutzinteresse geltend gemacht hat. Die Kläger haben in der Erwiderung zu diesen Argumenten Stellung genommen. In ihrem Streithilfeschriftsatz hat die Bundesrepublik Deutschland unter Verweis auf das Vorbringen der Kommission ausgeführt, dass die Klage unzulässig sei.

20      Unter diesen Umständen hält das Gericht die Angaben für ausreichend und entscheidet gemäß Artikel 114 § 3 der Verfahrensordnung ohne Eröffnung des mündlichen Verfahrens.

 Zur Klagebefugnis

21      Gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV können natürliche und juristische Personen gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Entscheidungen Klage erheben.

22      Im vorliegenden Fall macht die Kommission zunächst geltend, dass die Kläger nicht die Adressaten der angefochtenen Entscheidung seien, da sich diese wie alle Beihilfeentscheidungen an den betroffenen Mitgliedstaat richte, hier an die Bundesrepublik Deutschland.

23      Die Kläger tragen vor, dass die angefochtene Entscheidung eine Weigerung darstelle, ihrer Beschwerde nachzugehen, und daher als eine sie betreffende Entscheidung anzusehen sei.

24      Hierzu ist zu sagen, dass es sich bei der angefochtenen Entscheidung um eine Entscheidung auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 3 AEUV handelt, mit der die Kommission feststellte, dass es sich bei den mit der Beschwerde der Kläger beanstandeten Maßnahmen um keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 107 AEUV handle.

25      Nach ständiger Rechtsprechung sind aber Adressaten der Entscheidungen, die die Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen erlässt, nur die betroffenen Mitgliedstaaten. Dies gilt auch, wenn eine solche Entscheidung staatliche Maßnahmen betrifft, die in Beschwerden als vertragswidrige staatliche Beihilfen beanstandet werden, und sich aus ihr ergibt, dass die Kommission es ablehnt, das in Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehene Verfahren einzuleiten, weil die beanstandeten Maßnahmen nach ihrer Auffassung keine staatlichen Beihilfen im Sinne des Art. 107 AEUV oder mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 45).

26      Infolgedessen können die Kläger im vorliegenden Fall nicht als Adressaten der angefochtenen Entscheidung angesehen werden.

27      Die Kommission macht zweitens geltend, dass die Kläger von der angefochtenen Entscheidung nicht individuell betroffen seien. Sie versuchten mit der vorliegenden Klage nicht, die Beachtung der Verfahrensgarantien durchzusetzen, die sich aus Art. 108 Abs. 2 AEUV ergäben, sondern stellten lediglich die Begründetheit der Beurteilung der betreffenden Maßnahmen als solcher in Frage, ohne in geeigneter Weise darzutun, dass sie durch diese Maßnahmen in ihrer Wettbewerbsstellung auf dem Markt spürbar beeinträchtigt seien.

28      Die Kläger bringen vor, sie seien von der angefochtenen Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen.

29      Es reiche schon aus, dass ihnen ein Schaden drohe, um sie als von der angefochtenen Entscheidung betroffen anzusehen. Im vorliegenden Fall sei aber ein solcher Schaden bereits eingetreten, da die betreffenden Insolvenzgeldzahlungen, wie ein Rundschreiben und eine Pressemitteilung in der Anlage zur Klageschrift belegten, es zwei konkurrierenden Unternehmen ermöglicht hätten, weiter auf dem Markt der Veranstaltung von Vergnügungsreisen tätig zu sein, so dass sie Verträge hätten schließen und erfüllen können, die ohne solche Zahlungen von Phoenix Reisen und den Mitgliedern des DRV geschlossen und erfüllt worden wären.

30      Was die individuelle Betroffenheit der Kläger durch die angefochtene Entscheidung im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV betrifft, so sind nach ständiger Rechtsprechung Personen, an die eine Entscheidung nicht gerichtet ist, nur dann individuell betroffen, wenn die Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten einer solchen Entscheidung (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, Slg. 1963, 213, 238, und vom 29. November 2007, Stadtwerke Schwäbisch Hall u. a./Kommission, C‑176/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 19).

31      Im Rahmen des in Art. 108 AEUV vorgesehenen Verfahrens zur Prüfung staatlicher Beihilfen ist zu unterscheiden zwischen der Vorprüfungsphase der Beihilfen nach Art. 108 Abs. 3 AEUV, die nur dazu dient, der Kommission eine erste Meinungsbildung über die Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu ermöglichen, und der in Art. 108 Abs. 2 AEUV geregelten Phase der förmlichen Prüfung. Erst im Rahmen dieser Prüfungsphase, die es der Kommission ermöglichen soll, umfassend Kenntnis von allen Gesichtspunkten eines Falles zu erhalten, ist die Kommission nach dem AEU-Vertrag verpflichtet, den Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung zu geben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 13. Dezember 2005, Kommission/Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum, C–78/03 P, Slg. 2005, I–10737, Randnr. 34, und Urteil Stadtwerke Schwäbisch Hall u. a./Kommission, Randnr. 20).

32      Stellt die Kommission, ohne das förmliche Prüfungsverfahren einzuleiten, mit einer auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 3 AEUV erlassenen Entscheidung entweder fest, dass die betreffende staatliche Maßnahme keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt, oder, sollte diese Maßnahme als Beihilfe qualifiziert werden, dass sie mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, so können die Personen, denen die Verfahrensgarantien nach Art. 108 Abs.2 AEUV zugutekommen, deren Beachtung nur durchsetzen, wenn sie die Möglichkeit haben, diesen Beschluss der Kommission vor dem Unionsrichter anzufechten (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 19. Mai 1993, Cook/Kommission, C‑198/91, Slg. 1993, I‑2487, Randnr. 23; vom 15. Juni 1993, Matra/Kommission, C‑225/91, Slg. 1993, I‑3203, Randnr.17, Kommission/Sytraval und Brink’s France, Randnr. 40, sowie Stadtwerke Schwäbisch Hall u. a./Kommission, Randnr. 21).

33      Deshalb wird eine Klage auf Nichtigerklärung einer auf Art. 108 Abs. 3 AEUV gestützten Entscheidung, die von einem Beteiligten im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV erhoben wird, für zulässig erklärt, wenn der Kläger mit der Klageerhebung die Wahrung der ihm nach der letztgenannten Bestimmung zustehenden Verfahrensrechte durchsetzen möchte (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum, Randnr. 35).

34      Diese Beteiligten, die nach Art. 263 Abs. 4 AEUV Nichtigkeitsklagen erheben können, sind die durch eine staatliche Maßnahme eventuell in ihren Interessen verletzten Personen, Unternehmen oder Vereinigungen, d. h. insbesondere Konkurrenzunternehmen der Begünstigten dieser Maßnahme und Berufsverbände (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Sytraval und Brink’s France, Randnr. 41).

35      Wenn ein Kläger durch die Erhebung seiner Klage jedoch nicht die Nichtigerklärung einer auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 2 AEUV erlassenen Entscheidung der Kommission mit der Begründung erreichen will, diese sei von der Kommission erlassen worden, ohne das in Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehene förmliche Prüfungsverfahren zu eröffnen, sondern sich darauf beschränkt, die Begründetheit der Entscheidung selbst, mit der die betreffende staatliche Maßnahme beurteilt wurde, in Frage zu stellen, so kann der bloße Umstand, dass er als Beteiligter im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV betrachtet werden kann, nicht ausreichen, um die Zulässigkeit der Klage zu bejahen. Der Kläger muss in einem solchen Fall dartun, dass ihm eine besondere Stellung im Sinne des Urteils Plaumann/Kommission zukommt. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn seine Marktstellung durch die Beihilfe, die Gegenstand der betreffenden Entscheidung ist, spürbar beeinträchtigt würde (vgl. in diesem Sinne Stadtwerke Schwäbisch Hall u. a./Kommission, Randnr. 24, und Kommission/Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum, Randnr. 37).

36      Hierzu ist festzustellen, dass die Kläger im Wesentlichen einen einzigen Klagegrund vorbringen, dass nämlich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht der Auffassung gewesen sei, dass die mit ihrer Beschwerde beanstandeten Maßnahmen, d. h. die Insolvenzgeldzahlungen an die Arbeitnehmer insolvent gewordener Unternehmen, die Vorfinanzierung dieser Zahlungen und die Art ihrer Finanzierung, keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten.

37      Zur Stützung dieses einzigen Klagegrundes führen die Kläger mehrere Argumente an, mit denen nachgewiesen werden soll, dass die betreffenden Maßnahmen staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen.

38      In den Randnrn. 32, 35 und 62 der Klageschrift machen die Kläger geltend, dass die betreffenden Maßnahmen einen unmittelbaren Vorteil für die begünstigten Unternehmen darstellten, da sie von Personalkosten entlastet würden. Außerdem hätten diese Maßnahmen, wie aus Randnr. 64 der Klageschrift hervorgeht, selektiven Charakter, da sie ausschließlich insolvent gewordene und nicht alle deutschen Unternehmen begünstigten und jedenfalls Unternehmen anderer Mitgliedstaaten nicht gewährt würden.

39      Die Kläger bringen auch vor, dass die betreffenden Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zurechenbar seien. Zum einen, wie sich aus Randnr. 69 der Klageschrift und Randnr. 11 der Erwiderung ergibt, mache die Anwendung des Mechanismus der Vorfinanzierung der Insolvenzgeldzahlungen das Eingreifen des Staates erforderlich. Zum anderen würden, wie die Kläger in den Randnrn. 67 der Klageschrift und 9 der Erwiderung vortragen, die Insolvenzgeldzahlungen, obwohl sie aus privaten Mitteln finanziert würden, zwangsweise von der Bundesrepublik Deutschland eingesammelt, die darüber in gleicher Weise verfügen könne wie über Steuermittel.

40      Außerdem machen die Kläger in den Randnrn. 39, 60, 61 und 66 der Klageschrift geltend, dass die Rechtswidrigkeit der betreffenden Maßnahmen nicht durch die Richtlinie 80/987 gerechtfertigt werden könne. Zum einen sei diese Richtlinie in anderen Mitgliedstaaten so umgesetzt worden, dass sie die Arbeitnehmer schütze und nicht die Arbeitgeber, und zum anderen finde der Ermessensspielraum des Staates bei der Umsetzung einer Richtlinie in der Einhaltung der anderen Vorschriften des Unionsrechts seine Grenze.

41      Die Kläger tragen in Randnr. 63 der Klageschrift noch vor, dass die Qualifizierung der Insolvenzgeldzahlungen und des Vorfinanzierungsmechanismus als staatliche Beihilfen die Rechtswidrigkeit der Art ihrer Finanzierung zur Folge haben könne. Letztere sei, wie in Randnr. 10 der Erwiderung ausgeführt wird, jedenfalls rechtswidrig, da sie auf dem Beitrag der Mitbewerber jener Unternehmen beruhe, denen die Vorfinanzierung der Insolvenzgeldzahlungen zugute komme.

42      Somit ist festzustellen, dass die Kläger mit ihrer Klage ausschließlich die Begründetheit der Entscheidung selbst, mit der die betreffenden Maßnahmen beurteilt wurden, anfechten.

43      Es steht dem Gericht nicht zu, eine solche Klage so umzudeuten, dass mit ihr in Wirklichkeit die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung mit der Begründung begehrt wird, die Entscheidung sei von der Kommission ohne Eröffnung des förmlichen Prüfungsverfahrens erlassen worden, wodurch die Verfahrensrechte der Kläger aus Art. 108 Abs. 2 AEUV verletzt worden seien. Eine solche Umdeutung der Klage würde nämlich eine Veränderung ihres Gegenstandes darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 10. Dezember 2008, Kronoply und Kronotex/Kommission, T‑388/02, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 81).

44      Folglich ist trotz der Möglichkeit, dass die Kläger als Beteiligte im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV angesehen werden könnten, in Bezug auf die Frage, ob sie im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV von der angefochtenen Entscheidung individuell und unmittelbar betroffen sind, zu prüfen, ob ihre Marktstellung durch die in Rede stehenden Maßnahmen erheblich beeinträchtigt worden ist.

45      Hierbei kommt es dem Unionsrichter nicht zu, im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zum Wettbewerbsverhältnis zwischen den Klägern und den Begünstigten der betreffenden Maßnahmen abschließend Stellung zu nehmen. Insoweit ist es allein Sache der Kläger, schlüssig darzulegen, inwiefern die angefochtene Entscheidung ihre Stellung auf dem betreffenden Markt erheblich beeinträchtigt und damit ihre berechtigten Interessen verletzen kann (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 2004, Lenzing/Kommission, T‑36/99, Slg. 2004, II‑3597, Randnr. 80).

46      In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob sich der Beteiligte ohne die Entscheidung, deren Nichtigerklärung er begehrt, in einer günstigeren Position befinden würde. Dies kann durchaus den Fall einschließen, dass ihm durch eine Vergünstigung, die einer seiner Konkurrenten von staatlichen Stellen erhält, oder durch eine auf die Gewährung einer solchen Beihilfe zurückzuführende ungünstigere Entwicklung seiner Geschäfte Einnahmeausfälle entstehen. Ebenso kann die Spürbarkeit dieser Beeinträchtigung entsprechend einer Vielzahl von Faktoren wie der Struktur des betreffenden Marktes oder der Art der fraglichen Maßnahme variieren (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, Slg. 2007, I‑9947, Randnr. 35, und Urteil Lenzing/Kommission, Randnr. 90).

47      Im vorliegenden Fall machen die Kläger geltend, dass sie von der angefochtenen Entscheidung betroffen seien, da sich durch die Maßnahmen, auf die sich diese Entscheidung beziehe, Unternehmen, die ohne diese Maßnahmen von dem in Rede stehenden Markt, d. h. dem der Veranstaltung von Flug-, Fluss- und Hochseereisen in und außerhalb von Europa, verschwunden wären, auf diesem Markt halten könnten.

48      Es ist jedoch festzustellen, dass die Kläger, selbst wenn sie sich in einem Wettbewerbsverhältnis mit den Begünstigten der Maßnahmen, die den Gegenstand der angefochtenen Entscheidung bilden, befänden, keinen stichhaltigen Beweis für die Annahme erbracht, ja nicht einmal vorgelegt haben, dass ihre Wettbewerbsstellung durch solche Maßnahmen erheblich beeinträchtigt würde. Die Kläger haben nämlich lediglich behauptet, dass sie mehr Verträge geschlossen und erfüllt hätten, wenn die von den betreffenden Maßnahmen Begünstigten infolge ihrer Zahlungsunfähigkeit vom Markt verschwunden wären.

49      Aus den der Klageschrift beigefügten Schriftstücken, d h. einem Rundschreiben und einer Pressemitteilung, geht zwar hervor, dass zwei von diesen Maßnahmen begünstigte Unternehmen infolge der Insolvenzgeldzahlungen weiter auf dem deutschen Markt für die Veranstaltung von Flusskreuzfahrten bzw. für Hochseekreuzfahrten tätig sein konnten. Solche Schriftstücke können jedoch aufgrund ihres allgemeinen Charakters nicht mit hinreichender Sicherheit beweisen, dass die Kläger mehr Verträge hätten schließen und erfüllen können, so dass sie sich ohne die besagten Maßnahmen in einer besseren Wettbewerbsposition befunden hätten.

50      Diese Feststellung wird überdies durch den von den Klägern in Randnr. 6 ihrer Klageschrift erwähnten Umstand untermauert, dass sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene zahlreiche Veranstalter auf dem betreffenden Markt präsent seien. Bei möglicherweise starkem Wettbewerb kann nämlich nicht einfach angenommen werden, dass die Kläger, wären die von den betreffenden Maßnahmen begünstigten Unternehmen vom Markt verschwunden, mehr Verträge geschlossen und erfüllt hätten, wenn für diese Behauptung überhaupt keine Beweise vorgelegt werden.

51      Folglich haben die Kläger nicht dargetan, dass die angefochtene Entscheidung sie wegen ihrer persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis anderer Wirtschaftsteilnehmer heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten einer solchen Entscheidung.

52      Wie sich aus den Randnrn. 72 bis 74 und 79 der Klageschrift sowie aus den Randnrn. 5 bis 8 der Erwiderung ergibt, dienen die Argumente der Kläger, die sich zum einen auf ihren Beitrag zur Finanzierung der betreffenden Maßnahmen und zum anderen auf die mutmaßliche Verletzung ihres Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz beziehen, ausschließlich dem Nachweis, dass sie von der angefochtenen Entscheidung unmittelbar betroffen sind.

53      Selbst wenn diese Argumente geeignet wären, die unmittelbare Betroffenheit der Kläger von der angefochtenen Entscheidung darzutun, könnte damit nicht der Nachweis erbracht werden, dass die Kläger von der angefochtenen Entscheidung individuell betroffen sind.

54      Aus alledem folgt, dass die Kläger im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen haben, dass sie von der angefochtenen Entscheidung im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betroffen sind.

55      Daher ist die vorliegende Klage als unzulässig abzuweisen, ohne dass auf den von der Kommission erhobenen Einwand des fehlenden Rechtsschutzinteresses der Kläger noch einzugehen wäre.

 Kosten

56      Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission entsprechend dem Antrag der Letzteren aufzuerlegen.

57      Im Übrigen tragen nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Bundesrepublik Deutschland hat daher ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Die Phoenix-Reisen GmbH und der Deutscher Reiseverband e.V. (DRV) tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Europäischen Kommission entstanden sind.

3.      Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 11. Januar 2012

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      A. Dittrich


* Verfahrenssprache: Deutsch.