Language of document : ECLI:EU:T:2014:1022

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

4. Dezember 2014(*)

„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftsbildmarke WATT und Gemeinschaftswortmarke WATT – Absolutes Eintragungshindernis – Beschreibender Charakter – Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In den verbundenen Rechtssachen T‑494/13 und T‑495/13

Sales & Solutions GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin K. Gründig-Schnelle,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor dem Gericht:

Inceda Holding GmbH mit Sitz in Köln (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen J. Wald und D. Thrun,

betreffend in der Rechtssache T‑494/13 eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer vom 15. Juli 2013 (Sache R 1192/2012-4) und in der Rechtssache T‑495/13 eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer vom 15. Juli 2013 (Sache R 1193/2012‑4) zu Nichtigkeitsverfahren zwischen der INCEDA Holding GmbH und der Sales & Solutions GmbH

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter) sowie der Richter F. Dehousse und A. M. Collins,

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 16. und 17. September 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschriften,

aufgrund der am 23. Dezember 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 20. Dezember 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des Beschlusses vom 20. November 2013, die Rechtssachen T‑494/13 und T‑495/13 zu gemeinsamem schriftlichen Verfahren, zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden,

auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2014

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 5. Januar 2001 trug das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) zugunsten der Watt AG Schweiz, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin, die Sales & Solutions GmbH, ist, die Wortmarke WATT (Rechtssache T‑495/13) ein.

2        Die Marke wurde für folgende Dienstleistungen der Klassen 35, 39 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung eingetragen:

–        Klasse 35: „Dienstleistungen eines Energieversorgungsunternehmens, nämlich wirtschaftliche Beratung auf dem Gebiet des Einkaufs von Energie, insbesondere der Bildung von Einkaufsgemeinschaften, der Bündelung von Abnehmergruppen oder der Bezugsoptimierung, der Beschaffung, der Bewirtschaftung und des An- und Verkaufs von Energie, insbesondere des Handels mit Energie, Optimierung des Energiemixes des Kunden (Energieportfoliomanagement), einschließlich Managementberatung in Energiefragen, Energiecontrolling, Managementberatung bzgl. des Handels mit elektrischer Energie, des Transports und der Verteilung von Energie, Managementberatung im Energiebereich; wirtschaftliche Beratung Dritter auf dem Gebiet der Erzeugung, Umwandlung und Anwendung von elektrischer Energie, insbesondere in Fragen der Betriebsführung von energietechnischen Anlagen, wie Anlagen zur Energieerzeugung, Energieverteilung und Energieanwendung“;

–        Klasse 39: „Dienstleistungen eines Energieversorgungsunternehmens, nämlich Versorgung von Unternehmen, von Kommunen und Haushalten mit elektrischer Energie“;

–        Klasse 42: „Technische Beratung Dritter auf dem Gebiet der Erzeugung, Umwandlung und Anwendung von elektrischer Energie, insbesondere in Fragen der Betriebsführung von energietechnischen Anlagen, wie Anlagen zur Energieerzeugung, Energieverteilung und Energieanwendung; Entwicklung ganzheitlicher Energiekonzepte; Energiemanagement, nämlich Umweltzertifizierung von Unternehmen und Lastmanagement“.

3        Am 29. Februar 2008 trug das HABM zugunsten der Watt Deutschland GmbH, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, die nachstehend aufgeführte Bildmarke (Rechtssache T‑494/13) ein:

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4        Die Anmeldung war für folgende Dienstleistungen, ebenfalls der Klassen 35, 39 und 42 im Sinne des genannten Abkommens von Nizza, erfolgt:

–        Klasse 35: „Dienstleistungen eines Energie- und Wasserversorgungsunternehmens, nämlich wirtschaftliche Beratung auf dem Gebiet des Einkaufs von Energie, insbesondere der Bildung von Einkaufsgemeinschaften, der Bündelung von Abnehmergruppen oder der Bezugsoptimierung, der Beschaffung, der Bewirtschaftung und des An- und Verkaufs von Energie, insbesondere des Handels mit Energie, Optimierung de[r] Energieversorgung des Kunden durch eine bedarfsorientierte Zusammenstellung von Energieprodukten (Energieportfoliomanagement), einschließlich betriebswirtschaftlicher Beratung in Energiefragen, beim Energiehandel und beim Transport der Verteilung von Energie; wirtschaftliche Beratung Dritter auf dem Gebiet der Erzeugung, Umwandlung und Anwendung von elektrischer Energie, insbesondere in Fragen der Betriebsführung von energietechnischen Anlagen, wie Anlagen zur Energieerzeugung, Energieverteilung und Energieanwendung“;

–        Klasse 39: „Dienstleistungen eines Energie- und Wasserversorgungsunternehmens, nämlich Verteilung und Lieferung von Energie und Wasser an Unternehmen, Kommunen und Haushalte“;

–        Klasse 42: „Technische Beratung Dritter auf dem Gebiet der Erzeugung, Umwandlung und Anwendung von elektrischer Energie, insbesondere in Fragen der Betriebsführung von energietechnischen Anlagen, wie Anlagen zur Energieerzeugung, Energieverteilung und Energieanwendung; Entwicklung von Energiekonzepten; Energiemanagement, nämlich Umweltzertifizierung von Unternehmen und Lastmanagement; Analyse, Darstellung, Kontrolle, und Steuerung des individuellen Energieverbrauchs (Energiecontrolling)“.

5        Am 2. November 2010 (Rechtssache T‑495/13) bzw. 4. November 2010 (Rechtssache T‑494/13) stellte die Streithelferin, die Inceda Holding GmbH, Anträge auf Nichtigerklärung der oben genannten Marken für die von diesen erfassten Dienstleistungen. Diese Anträge wurden auf die in Art. 52 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, c und d der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78 S. 1) angeführten Gründe gestützt.

6        Am 21. Mai 2012 erklärte die Nichtigkeitsabteilung die angegriffenen Marken für nichtig, da sie entgegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 eingetragen worden seien. Es bestehe ein enger Zusammenhang zwischen den eingetragenen Zeichen und den erfassten Dienstleistungen, da der Begriff „Watt“ eine Beschaffenheitsangabe darstelle, die im Rahmen von Energiedienstleistungen im weiten Sinne verwendet werde. Elektrischer Strom werde in Wattstunden oder Kilowattstunden gemessen, und den Abnehmern werde eine gewisse Leistung, gemessen in Watt, zur Verfügung gestellt.

7        Am 27. Juni 2012 legte die Klägerin gegen die Entscheidungen der Nichtigkeitsabteilung Beschwerden ein.

8        Mit Entscheidungen vom 15. Juli 2013 wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM sowohl in der Sache R 1192/2012-4 (Rechtssache T‑494/13, im Folgenden: erste angefochtene Entscheidung) als auch in der Sache R 1193/2012-4 (Rechtssache T‑495/13, im Folgenden: zweite angefochtene Entscheidung) diese Beschwerden mit der Begründung zurück, dass die streitigen Marken beschreibend seien und für die in Rede stehenden Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft hätten.

9        Zunächst prüfte die Beschwerdekammer die für das gesamte Gebiet der Europäischen Union vorgebrachten absoluten Eintragungshindernisse. Sie stellte auch fest, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen sich an Haushalte sowie an Gewerbetreibende richteten, die einen Energiebedarf hätten.

10      Anschließend führte die Beschwerdekammer aus, dass der Begriff „Watt“ universell verständlich und international genormt sei und insbesondere einer Maßeinheit elektrischer Leistung entspreche. Daher ging sie davon aus, dass eine beschreibende Bedeutung des Begriffs für alle Dienstleistungen der Klassen 35, 39 und 42 bestehe, für die die in Rede stehenden Marken eingetragen seien. Dass in der Energiebranche neben dem Begriff „Watt“ auch die Begriffe „Wattstunde“ und „Kilowattstunde“ verwendet würden, ändere nichts an dieser Beurteilung.

11      Außerdem stellte die Beschwerdekammer fest, dass es auch an der nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 erforderlichen Unterscheidungskraft fehle.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

12      Die Klägerin beantragt,

–        die erste angefochtene Entscheidung (Rechtssache T‑494/13) aufzuheben;

–        die zweite angefochtene Entscheidung (Rechtssache T‑495/13) aufzuheben;

–        der Streithelferin die Kosten des Verfahrens einschließlich der im Verfahren vor der Beschwerdekammer angefallenen Kosten aufzuerlegen.

13      Das HABM beantragt,

–        die Klagen abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

14      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klagen abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

15      Die Klägerin stützt ihre Klagen auf zwei Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung rügt. Sie bringt im Wesentlichen vor, die Beschwerdekammer habe ihrer Entscheidung ein falsches Verständnis des Begriffs „Watt“ zugrunde gelegt, da Strommengen weder in „Watt“ angegeben noch abgerechnet würden.

 Zum Klagegrund des Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009

16      Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 sind „Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können“, von der Eintragung ausgeschlossen.

17      Nach der Rechtsprechung verhindert Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009, dass die dort genannten Zeichen oder Angaben aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem einzigen Unternehmen vorbehalten werden. Diese Vorschrift verfolgt somit das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass solche Zeichen oder Angaben von allen frei verwendet werden können (Urteile vom 23. Oktober 2003, HABM/Wrigley, C‑191/01 P, Slg, EU:C:2003:579, Rn. 31, und vom 7. Juli 2011, Cree/HABM [TRUEWHITE], T‑208/10, EU:T:2011:340, Rn. 12).

18      Außerdem werden Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Ware oder Dienstleistung dienen können, für die die Eintragung beantragt wird, gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 als ungeeignet angesehen, die wesentliche Funktion der Marke zu erfüllen, die darin besteht, die betriebliche Herkunft der Ware oder Dienstleistung zu identifizieren, um es dem Verbraucher, der die mit der Marke gekennzeichnete Ware oder Dienstleistung erwirbt, damit zu ermöglichen, bei einem weiteren Erwerb seine Entscheidung davon abhängig zu machen, ob er gute oder schlechte Erfahrungen gemacht hat (Urteile HABM/Wrigley, oben in Rn. 17 angeführt, EU:C:2003:579, Rn. 30, und TRUEWHITE, oben in Rn. 17 angeführt, EU:T:2011:340, Rn. 13).

19      Folglich fällt ein Zeichen unter das in dieser Bestimmung aufgestellte Verbot, wenn es zu den fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen hinreichend direkten und konkreten Bezug aufweist, der es den betroffenen Verkehrskreisen ermöglicht, unmittelbar und ohne weitere Überlegung eine Beschreibung der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (vgl. Urteil TRUEWHITE, oben in Rn. 17 angeführt, EU:T:2011:340, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20      Ob ein Zeichen beschreibend ist, kann ferner nur im Hinblick auf seine Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise und in Bezug auf die betroffenen Waren und Dienstleistungen beurteilt werden (Urteile vom 27. Februar 2002, Eurocool Logistik/HABM [EUROCOOL], T‑34/00, EU:T:2002:41, Rn. 38, und TRUEWHITE, oben in Rn. 17 angeführt, EU:T:2011:340, Rn. 17).

21      Ferner ist festzustellen, dass es für die Zurückweisung einer Anmeldung durch das HABM nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 genügt, wenn das fragliche Zeichen zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (Urteil HABM/Wrigley, oben in Rn. 17 angeführt, EU:C:2003:579, Rn. 32).

22      Im Licht dieser Grundsätze ist das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten zu der von der Beschwerdekammer in der ersten und der zweiten angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Beurteilung zu prüfen.

23      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer jeweils in Rn. 15 der ersten und der zweiten angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass sich die fraglichen Dienstleistungen an Privathaushalte sowie an Gewerbetreibende aus sämtlichen Industriezweigen, die einen Energiebedarf haben, richteten. Sie hat ferner in denselben Randnummern ausgeführt, dass der Begriff „Watt“ neben den von der Nichtigkeitsabteilung in Bezug genommenen Sprachen, d. h. Deutsch und Englisch, in identischer Form und mit identischem Bedeutungsgehalt in allen Sprachen der Union existiere und es sich um einen universell verständlichen und international genormten Begriff handele. Es gibt keinen Grund, diese Ausführungen, denen die Klägerin im Übrigen nicht entgegengetreten ist, in Frage zu stellen.

24      In ihren Klagen wendet sich die Klägerin nämlich hauptsächlich gegen die von der Beschwerdekammer ihrer Feststellung des Vorliegens eines absoluten Eintragungshindernisses nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 zugrunde gelegte Bedeutung des Begriffs „Watt“. Im Wesentlichen wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, nicht zwischen der allgemeinen physikalischen Größe Leistung, also Watt (W), und den verschiedenen Energiemengeneinheiten, wie beispielsweise der Wattstunde (Wh) oder der Kilowattstunde (kWh), unterschieden zu haben. Nach Auffassung der Klägerin ist dem Verkehr für den Bereich der Energieversorgung bekannt, dass Strommengen in Kilowattstunden angegeben würden, und nicht in Watt. Wegen dieses Unterschieds zwischen den beiden Begriffen falle der Begriff „Watt“ nicht unter das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 aufgestellte Verbot.

25      Hierzu hat die Beschwerdekammer jeweils in Rn. 16 der ersten und der zweiten angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der Begriff „Watt“ die im internationalen Einheitensystem für Leistung verwendete Maßeinheit sei. In diesem System ist ein Watt nämlich definiert als die Leistung, die zur Erzeugung einer Energie von einem Joule pro Sekunde führt. Dieser im Übrigen von der Klägerin nicht bestrittene Bedeutungsgehalt ist nicht in Frage zu stellen.

26      Die Beschwerdekammer hat in denselben Randnummern ferner festgestellt, dass das Wort oder der Wortbestandteil „Watt“ eine Maßeinheit elektrischer Leistung und eine international und national normierte Energieeinheit bezeichnet. Zum Beleg für ihre Auffassung hat die Beschwerdekammer zum einen die Definitionen des Begriffs „Watt“ sowohl in der Online-Ausgabe des englischen Wörterbuchs Oxford English Dictionary als auch in der Online-Ausgabe des deutschen Wörterbuchs Duden und zum anderen die internationale Norm ISO 1000 sowie die deutsche Norm DIN 1301 angeführt.

27      Diese Darlegungen, die im Übrigen von der Klägerin nicht beanstandet werden, haben Berücksichtigung zu finden. In ihren Klageschriften erkennt die Klägerin außerdem an, dass ein Zusammenhang zwischen dem Begriff „Watt“ und elektrischen Geräten bestehe. In der mündlichen Verhandlung hat sie sogar ausgeführt, dass die in Rede stehenden Marken für diese Art von Geräten nicht eintragbar seien, weil sie für diese Waren beschreibend seien.

28      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es zwar zutrifft, dass sich der Begriff „Watt“ nicht ausschließlich auf Elektrizität bezieht, sondern in umfassenderer Weise die Quantifizierung der Leistung eines Energie erzeugenden Systems erlaubt, doch widerspricht dies nicht der Tatsache, dass dieser Begriff im Bereich der Elektrizität allgemein verwendet wird.

29      Die Klägerin kann somit nicht behaupten, dass der Begriff „Watt“ nicht mit Elektrizität oder Energie im Allgemeinen zusammenhänge, sondern nur mit einem abstrakteren Begriff einer physikalischen Größe.

30      Ebenso wenig kann der Klägerin gefolgt werden, wenn sie die Auffassung vertritt, dass der von ihr geltend gemachte Unterschied zwischen Watt (W) und beispielsweise Wattstunde (Wh) oder Kilowattstunde (kWh) derart groß sei, dass diese Begriffe nicht verwechselt werden könnten, was bei der Beurteilung der beschreibenden Bedeutung des Begriffs „Watt“ für die eingetragenen Dienstleistungen hätte berücksichtigt werden müssen.

31      Im täglichen Leben kann ein Watt nämlich als eine kleine Einheit angesehen werden. Ein Watt entspricht der Leistung eines Energie erzeugenden Systems, in dem eine Energie von einem Joule gleichförmig während einer Sekunde übertragen wird. Andere Größenordnungen werden häufig verwendet, um die Leistung pro Sekunde zu messen (Kilowatt, Megawatt, Gigawatt) oder um dem Faktor Zeit Rechnung zu tragen, womit es ermöglicht wird, die in einem bestimmten Zeitraum erzeugte oder verbrauchte Energie zu bewerten (Wattstunde, Kilowattstunde).

32      Folglich ist, wie das HABM im Übrigen in der Klagebeantwortung einräumt, der Begriff „Watt“ zwar streng genommen nicht die beim Verkauf von Elektrizität verwendete Größeneinheit, jedoch ist er mit dieser sowohl unmittelbar als auch über seine Varianten Wattstunde oder Kilowattstunde untrennbar verbunden.

33      Außerdem ist daran zu erinnern, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen sowohl für Privathaushalte als auch für Gewerbetreibende bestimmt sind. Da zu den maßgeblichen Verkehrskreisen auch Privatpersonen gehören, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Verkehrskreise in der Lage sind, die von der Klägerin vorgebrachte Unterscheidung zwischen der allgemeinen physikalischen Größe der Leistung und den verschiedenen in der Praxis verwendeten Energiemengeneinheiten vorzunehmen. Der Schwerpunkt ist hier auf die praktische Wahrnehmung des Begriffs „Watt“ im täglichen Leben und nicht auf dessen exakte wissenschaftliche Definition zu legen.

34      Wie die Streithelferin geltend macht, liegt eine der Ursachen, warum der Verkehr gerade keine Unterscheidung zwischen Maßeinheit und Energiemengeneinheit vornimmt, darin begründet, dass Glühbirnen mit „Watt“ gekennzeichnet werden, so dass der Verkehr die Bezeichnung „Watt“ mit Energie gleichsetzt. Wie von der Beschwerdekammer in den angefochtenen Entscheidungen ausgeführt worden ist, ist somit vielmehr anzunehmen, dass der Begriff „Watt“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen als ein unmittelbarer Hinweis auf eine im Bereich der Energie, und insbesondere der elektrischen Energie, verwendete Maßeinheit aufgefasst werden kann.

35      Aus diesen Gründen kann die Unterscheidung zwischen Watt und beispielsweise Wattstunde oder Kilowattstunde, wie sie von der Klägerin geltend gemacht wird, nicht ausreichen, um die Analyse der Beschwerdekammer in den angefochtenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

36      Schließlich ist auch der Umstand nicht erheblich, dass der Begriff „Watt“ nicht nur eine Bezeichnung für eine Maßeinheit ist, sondern darüber hinaus auch andere Bedeutungen haben kann (Bezeichnung einer Art von Küstenbereich und des dort vorherrschenden Bodentyps, Nachname des schottischen Erfinders James Watt). Für die Feststellung, dass ein Begriff beschreibend ist, genügt es nämlich, wenn das in Rede stehende Zeichen zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. oben, Rn. 21).

37      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Argumente der Klägerin, die darauf abzielen, den von der Beschwerdekammer im Rahmen ihrer Prüfung des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 festgestellten Bedeutungsgehalt in Frage zu stellen, zurückzuweisen sind.

38      Daher kann, wie in den angefochtenen Entscheidungen (Rn. 24 bis 26 der ersten angefochtenen Entscheidung, Rn. 21 bis 23 der zweiten angefochtenen Entscheidung) festgestellt worden ist, der Begriff „Watt“ in Bezug auf die von den fraglichen Marken erfassten Dienstleistungen der Klasse 35 tatsächlich als beschreibend angesehen werden, gleichviel, ob diese Dienstleistungen in der Energieversorgung, in der wirtschaftlichen Beratung im Energiebereich oder in Beratungsleistungen auf dem Gebiet der Erzeugung, Umwandlung und Anwendung von elektrischer Energie bestehen.

39      Soweit in dem Verzeichnis der Dienstleistungen der Klasse 35, die von der Gemeinschaftsbildmarke WATT (Rechtssache T‑494/13) erfasst sind, nicht bloß „Dienstleistungen eines Energieversorgungsunternehmens“, sondern „Dienstleistungen eines Energie- und Wasserversorgungsunternehmens“ enthalten sind, ist daran zu erinnern, dass die Beschwerdekammer in Rn. 23 der ersten angefochtenen Entscheidung Folgendes ausgeführt hat:

„Beschreibend ist der Begriff [‚Watt‘] gleichermaßen [wie in Bezug auf die Verteilung und Lieferung von Energie] für die Dienstleistungen eines Wasserversorgungsunternehmens, nämlich die Verteilung und Lieferung von Wasser an Unternehmen, Kommunen und Haushalte. Das gelieferte Wasser wird je nach Kundenbedarf meist vor dessen Weiterverwendung und Verbrauch gekühlt oder erwärmt, beispielsweise durch Einsatz eines Warmwasserboilers für den Haushalt oder einer Warmwasserversorgungsanlage zu Heizzwecken. Kühlung und Heizung des Wassers erfordern den Einsatz von Energie, die in ‚Watt‘ gemessen wird. Zur Angabe und Abrechnung des entstandenen Verbrauchs ist die Angabe in ‚Watt‘ beziehungsweise der ‚Wattstunden‘ und ‚Kilowattstunden‘ unverzichtbar.“

40      Insoweit ist zwar festzustellen, dass, wie die Klägerin ausgeführt hat, die Angabe und Abrechnung des Wasserverbrauchs nicht in Kilowattstunden und auch nicht in Watt erfolgen. Doch ist im vorliegenden Fall nicht zwischen den Dienstleistungen eines Energieversorgungsunternehmens einerseits und den Dienstleistungen eines Wasserversorgungsunternehmens andererseits zu unterscheiden, da die in Rede stehenden Dienstleistungen unter „Dienstleistungen eines Energie- und Wasserversorgungsunternehmens“ fallen und somit durchaus auf die von der Beschwerdekammer genannte Bedeutung des Begriffs „Watt“ Bezug genommen werden kann. Die vorstehend wiedergegebene Beschreibung der Dienstleistungen weist nämlich nicht den Grad an Klarheit und Präzision auf, der erforderlich wäre, um dem Gericht die Feststellung zu ermöglichen, dass die Beschwerdekammer den beschreibenden Charakter des in Rede stehenden Zeichens allein in Bezug auf die Dienstleistungen eines Wasserversorgungsunternehmens hätte beurteilen müssen.

41      Wie die Streithelferin geltend macht, ist vielmehr im Gegenteil festzustellen, dass hinter den „Dienstleistungen eines Energie- und Wasserversorgungsunternehmens“ im Verzeichnis der von der Gemeinschaftsbildmarke WATT (Rechtssache T‑494/13) erfassten Dienstleistungen der Klasse 35 unmittelbar das Wort „nämlich“ steht, das hier verwendet wird, um die in Rede stehenden Dienstleistungen aufzuzählen, die nicht mit Wasser, sondern mit Energie im Zusammenhang stehen (vgl. oben, Rn. 4).

42      In gleicher Weise hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass der auch in den Begriffen „Kilowatt“, „Wattstunde“ und „Kilowattstunde“ enthaltene Begriff „Watt“ als Maßeinheit elektrischer Leistung für die in Klasse 39 enthaltenen „Dienstleistungen eines Energieversorgungsunternehmens, nämlich Versorgung von Unternehmen, von Kommunen und Haushalten mit elektrischer Energie“ (Rechtssache T‑495/13) oder „Dienstleistungen eines Energie- und Wasserversorgungsunternehmens, nämlich Verteilung und Lieferung von Energie und Wasser an Unternehmen, Kommunen und Haushalte“, ohne dass zwischen den Dienstleistungen der Lieferung von Energie und denen der Lieferung von Wasser differenziert werden müsste (Rechtssache T‑494/13, vgl. oben, Rn. 40), oder für die verschiedenen Dienstleistungen der Klasse 42 der fraglichen Marken beschreibend ist (Rn. 22 und 27 der ersten angefochtenen Entscheidung, 20 und 24 der zweiten angefochtenen Entscheidung).

43      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass zwischen erstens der Gemeinschaftswortmarke WATT (Rechtssache T‑495/13) und zweitens dem in einer leicht stilisierten Schrift in roten Kleinbuchstaben wiedergegebenen Wortbestandteil „Watt“ in der Gemeinschaftsbildmarke WATT (Rechtssache T‑494/13), deren grafische Bestandteile, wie die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hat, nicht geeignet sind, ihr Unterscheidungskraft zu verleihen (Rn. 21 der ersten angefochtenen Entscheidung), und der Art oder der Beschaffenheit aller von der einen oder der anderen Marke erfassten Dienstleistungen der Klassen 35, 39 und 42 sehr wohl ein hinreichend direkter und konkreter Zusammenhang besteht (Rn. 20 der ersten angefochtenen Entscheidung, Rn. 19 der zweiten angefochtenen Entscheidung).

44      Die in den angefochtenen Entscheidungen enthaltene Beurteilung steht nicht im Widerspruch zu der Eintragung des Wortzeichens WATT in Deutschland (Eintragung Nr. 39852926) und zu der Entscheidung des Deutschen Patent‑ und Markenamts (DPMA) vom 7. Juni 2013 zu einem von der Streithelferin gegen die Klägerin eingeleiteten Löschungsverfahren, in der das DPMA die Frage der physikalischen Größe Leistung anders beurteilt habe als die Beschwerdekammer und zu dem Schluss gelangt sei, dass der Begriff „Watt“ keine beschreibende Angabe für die Dienstleistungen der Energieversorgung darstelle.

45      Nach der Rechtsprechung stellen nämlich in einem Mitgliedstaat der Union bereits vorliegende Eintragungen einen Umstand dar, der für die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke lediglich berücksichtigt werden kann, ohne entscheidend zu sein. Keine Vorschrift der Verordnung Nr. 207/2009 verpflichtet das HABM oder im Fall einer Klage das Gericht, zu den gleichen Ergebnissen zu gelangen wie die nationalen Ämter in einem gleichartigen Fall (vgl. Urteil vom 8. November 2007, MPDV Mikrolab/HABM [manufacturing score card], T‑459/05, EU:T:2007:336, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Im vorliegenden Fall kann der bloße Umstand, dass das DPMA in einem gleichartigen Fall und unter Berücksichtigung einer Argumentation, die dem Vorbringen der Klägerin in den vorliegenden Rechtssachen ähnelt, zu einem anderen Ergebnis gelangt sein mag als die Beschwerdekammer, das Gericht nicht dazu verpflichten, ebenfalls zu diesem Ergebnis zu gelangen. Für das Gericht sind im vorliegenden Fall im Wesentlichen der Bedeutungsgehalt des Begriffs „Watt“, wie er von der Beschwerdekammer festgestellt wurde, und die Tatsache, dass die Unterscheidung zwischen Watt und Kilowattstunde keine Auswirkungen auf die maßgeblichen Verkehrskreise hat, für die Frage entscheidend, ob dieser Begriff für die in Rede stehenden Dienstleistungen als beschreibend anzusehen ist (vgl. oben, Rn. 25 bis 43), nicht hingegen die Erkenntnisse, die sich der von der Klägerin angeführten Entscheidung des DPMA entnehmen lassen könnten.

47      Außerdem ist festzustellen, dass die Streithelferin in der mündlichen Verhandlung hierzu ausgeführt hat, ohne dass die Klägerin ihr widersprochen hätte, dass gegen die genannte Entscheidung des DPMA ein Rechtsbehelf bei Gericht eingelegt worden sei und dass dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, was jedenfalls geeignet erscheint, die mögliche Tragweite dieser Entscheidung im Rahmen der vorliegenden Rechtssache zu relativieren.

48      Nach alledem ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 unbegründet.

 Zum Klagegrund des Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

49      Gemäß ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 eindeutig, dass das in Rede stehende Zeichen bereits dann von der Eintragung als Gemeinschaftsmarke ausgeschlossen ist, wenn nur eines der in dieser Vorschrift genannten absoluten Eintragungshindernisse vorliegt (Urteile vom 19. September 2002, DKV/HABM, C‑104/00 P, Slg, EU:C:2002:506, Rn. 29, und vom 21. November 2013, Heede/HABM [Matrix-Energetics], T‑313/11, EU:T:2013:603, Rn. 68).

50      Da bereits festgestellt worden ist, dass die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das absolute Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 die Nichtigerklärung der eingetragenen Marken rechtfertigte, ist es somit nicht erforderlich, über die Begründetheit des vorliegenden Klagegrundes zu entscheiden, mit dem die Klägerin der Beschwerdekammer vorwirft, die Unterscheidungskraft der fraglichen Zeichen verkannt zu haben.

51      Nach alledem sind die Klagen insgesamt abzuweisen.

 Kosten

52      Gemäß Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klagen werden abgewiesen.

2.      Die Sales & Solutions GmbH trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) und der Inceda Holding GmbH in den verbundenen Rechtssachen T‑494/13 und T‑495/13.

Frimodt Nielsen

Dehousse

Collins

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Dezember 2014.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.