Language of document : ECLI:EU:T:2021:185

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

14. April 2021(*)

„Wirtschafts- und Währungspolitik – Aufsicht über Kreditinstitute – Art. 4 Abs. 1 Buchst. d und Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 – Berechnung der Verschuldungsquote – Teilweise Weigerung der EZB, Risikopositionen, die bestimmte Anforderungen erfüllen, bei der Berechnung der Verschuldungsquote unberücksichtigt zu lassen – Art. 429 Abs. 14 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 – Fehlende Prüfung aller im konkreten Fall erheblichen Gesichtspunkte – Rechtskraft – Art. 266 AEUV“

In der Rechtssache T-504/19,

Crédit lyonnais mit Sitz in Lyon (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen A. Champsaur und A. Delors,

Klägerin,

gegen

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch J. Poscia, R. Ugena und F. Bonnard als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt H.‑G. Kamann,

Beklagte,

wegen eines auf Art. 263 AEUV gestützten Antrags auf Nichtigerklärung des nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. d und Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB (ABl. 2013, L 287, S. 63) sowie nach Art. 429 Abs. 14 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1, Berichtigungen ABl. 2013, L 208, S. 68 und ABl. 2013, L 321, S. 6) ergangenen Beschlusses ECB-SSM-2019-FRCAG-39 der EZB vom 3. Mai 2019, soweit er der Klägerin nicht erlaubt, bei der Berechnung ihrer Verschuldungsquote bestimmte Risikopositionen unberücksichtigt zu lassen,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović sowie der Richter F. Schalin und I. Nõmm (Berichterstatter),

Kanzler: M. Marescaux, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2020

folgendes

Urteil

1        Die Klägerin, der Crédit lyonnais, ist eine als Kreditinstitut zugelassene Aktiengesellschaft französischen Rechts. Sie ist eine Tochtergesellschaft der Crédit agricole SA. Als solche fällt sie unter die unmittelbare Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB).

2        Am 5. Mai 2015 beantragte Crédit agricole bei der EZB im eigenen Namen und im Namen der Unternehmen der Crédit-agricole-Gruppe, zu denen die Klägerin gehört, die Erlaubnis, nach Art. 429 Abs. 14 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1, Berichtigungen ABl. 2013, L 208, S. 68, und ABl. 2013, L 321, S. 6) bei der Berechnung der Verschuldungsquote die Risikopositionen unberücksichtigt zu lassen, die denjenigen Beträgen entsprechen, die zwar auf bei ihr gezeichnete reglementierte Produkte entfallen, zu deren Übertragung an die Caisse des dépôts et consignations (Hinterlegungs- und Konsignationszentralkasse, im Folgenden: CDC), eine französische öffentliche Einrichtung, sie aber verpflichtet war.

3        Die betreffenden Produkte sind das Livret A (Sparbuch A), das in den Art. L. 221-1 bis L. 221-9 des französischen Code monétaire et financier (Währungs- und Finanzgesetzbuch, im Folgenden: CMF) geregelt ist, das Livret d’épargne populaire (Volkssparbuch, im Folgenden: LEP), das in den Art. L. 221-13 bis L. 221-17-2 CMF geregelt ist, und das Livret de développement durable et solidaire (Sparbuch für nachhaltige und solidarische Entwicklung, im Folgenden: LDD), das in Art. L. 221-27 CMF geregelt ist. Nach Art. L. 221-5 CMF wird ein Anteil an den gesamten Einlagen auf dem Livret A und dem LDD in einem von der CDC verwalteten Sparfonds zentralisiert. Gleiches gilt nach Art. R. 221-58 CMF für das LEP.

4        Am 24. August 2016 erließ die EZB den Beschluss ECB/SSM/2016-969500TJ5KRTCJQWXH05/165 nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. d und Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB (ABl. 2013, L 287, S. 63) sowie nach Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013. Die EZB verweigerte darin Crédit agricole die Erlaubnis, die Risikopositionen gegenüber der CDC aus dem Teil der Einlagen auf dem Livret A, dem LDD und dem LEP, zu dessen Übertragung an den CDC Crédit agricole verpflichtet war, bei der Berechnung der Verschuldungsquote unberücksichtigt zu lassen. In dem genannten Beschluss vertrat die EZB im Wesentlichen die Auffassung, es ergebe sich aus dem Wortlaut von Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013, dass die zuständigen Behörden – an deren Stelle sie in Anwendung der Verordnung Nr. 1024/2013 trete – über ein Ermessen verfügten, aufgrund dessen es ihnen freistehe, ob Risikopositionen, die die in dieser Bestimmung aufgeführten Anforderungen erfüllten, bei der Berechnung der Verschuldungsquote unberücksichtigt blieben oder nicht. Da die EZB der Ansicht war, dass die an die CDC übertragenen Gelder für die Berechnung der Verschuldungsquote von Crédit agricole weiterhin relevante Risikopositionen blieben, gab sie dem Antrag von Crédit agricole nicht statt.

5        Die EZB führte hierfür drei Gründe an. Der erste Grund stützte sich auf die buchhalterische Behandlung der Spareinlagen. Der zweite Grund galt der vertraglichen Verpflichtung von Crédit agricole, die Einlagen der Kunden unabhängig von der Auszahlung der an die CDC übertragenen Gelder zurückzuzahlen. Der dritte Grund beruhte auf dem Umstand, dass zwischen den Anpassungen der Positionen der Klägerin und denen der CDC zu Neugewichtungszwecken eine gewisse Zeit vergeht. Die EZB war der Ansicht, dass Crédit agricole in diesem Zeitraum veranlasst sein könnte, bis zu den Mittelübertragungen der CDC auf Notverkäufe von Aktiva zurückzugreifen. Die EZB leitete aus diesen Gründen ab, dass der Mechanismus der Übertragung von der CDC auf Crédit agricole unvollkommen sei, was zu aufsichtsrechtlichen Besorgnissen Anlass gegeben habe, die die Ablehnung ihres Antrags rechtfertigten.

6        Mit Urteil vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), erklärte das Gericht den oben in Rn. 4 genannten Beschluss der EZB für nichtig. Es hat die Ansicht vertreten, dass die ersten beiden von der EZB angeführten Gründe rechtsfehlerhaft seien und dass der dritte Grund mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sei.

7        Am 26. Juli 2018 beantragte Crédit agricole im eigenen Namen und im Namen der verschiedenen Unternehmen der Crédit-agricole-Gruppe, zu denen die Klägerin gehört, erneut die Erlaubnis, die Beträge, zu deren Übertragung an die CDC sie verpflichtet war, bei der Berechnung der Verschuldungsquote unberücksichtigt zu lassen.

8        Am 21. Februar 2019 übermittelte die EZB an Crédit agricole den Entwurf eines Beschlusses, mit dem die beantragte Ausnahme Crédit agricole sowie sämtlichen Unternehmen der Crédit-agricole-Gruppe gewährt wurde, mit Ausnahme der Klägerin, für die die EZB beabsichtigte, nur teilweise eine Ausnahme zu gewähren.

9        Am 6. März 2019 nahm Crédit agricole zum Beschlussentwurf Stellung.

10      Am 3. Mai 2019 erließ die EZB gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. d und Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 den Beschluss ECB-SSM-2019-FRCAG-39 (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

11      Mit dem angefochtenen Beschluss gestattete die EZB, dass bei der Berechnung der Verschuldungsquote von Crédit Agricole und den Unternehmen der Gruppe derjenige Teil der Einlagen auf dem Livret A, dem LDD und dem LEP unberücksichtigt bleiben könne, den sie an die CDC zu übertragen verpflichtet seien; nur für die Klägerin wurde diese Ausnahme lediglich in Höhe von 66 % bewilligt.

12      Die EZB vertrat in Nr. 2.1 des angefochtenen Beschlusses die Auffassung, dass die Anforderungen von Art. 429 Abs. 14 Buchst. a bis c der Verordnung Nr. 575/2013 erfüllt seien, und begründete dies damit, dass die CDC als eine öffentliche Stelle anzusehen sei, dass die Risikopositionen gegenüber der CDC für Aufsichtszwecke in Übereinstimmung mit Art. 116 Abs. 4 dieser Verordnung behandelt würden und dass eine Verpflichtung zur Übertragung eines Anteils der Einlagen des Livret A, des LDD und des LEP an die CDC bestehe, um Investitionen im allgemeinen Interesse zu finanzieren. Darüber hinaus hob die EZB im Wesentlichen hervor, dass die genannten Anforderungen in Bezug auf denjenigen Teil der reglementierten Spareinlagen, für den ungeachtet des Zwecks seiner Verwendung keine Verpflichtung zur Übertragung an die CDC bestehe, nicht erfüllt seien.

13      In Nr. 2.2 des angefochtenen Beschlusses wies die EZB als Erstes darauf hin, dass die Anerkennung eines Ermessens zugunsten der zuständigen Behörden bei der Durchführung von Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 darauf abziele, es ihnen zu ermöglichen, eine Abwägung zwischen zwei Zielen vorzunehmen: Diese bestünden zum einen darin, die Logik der Verschuldungsquote zu beachten, wonach ohne Risikogewichtung in die Berechnung dieser Quote die Gesamtrisikomessgröße Eingang finden solle, und zum anderen darin, es zu erlauben, dass bestimmte Risikopositionen mit besonders geringem Risikoprofil, die nicht auf einer Investitionsentscheidung des Kreditinstituts beruhten, für die Berechnung der Verschuldungsquote nicht relevant seien und unberücksichtigt bleiben könnten.

14      Als Zweites wies die EZB darauf hin, dass der für die Anpassung der Positionen der Kreditinstitute und der CDC vergehende Zeitraum ein gewisses Risiko für die Kreditinstitute darstelle, soweit diese weiterhin für die Einlagen den Sparern gegenüber verantwortlich blieben und die Verpflichtung, diese Einlagen noch vor der Übertragung der Gelder der CDC zurückzuzahlen, die Kreditinstitute dazu hätte veranlassen können, besonders liquide Aktiva zu veräußern oder Notverkäufe von Aktiva mit punktuellem Kursabschlag zu tätigen. Die EZB hat hervorgehoben, dass die Bedeutung dieses Risikos von der Konzentration der Risikopositionen gegenüber der CDC abhänge und dass sich daher eine erhöhte oder massive Konzentration der Risikopositionen gegenüber der CDC zumindest teilweise in der Verschuldungsquote hätte widerspiegeln müssen.

15      Als Drittes wandte die EZB, um die beiden oben in Rn. 13 genannten Ziele auszutarieren, eine Methodik an, die erstens die Kreditwürdigkeit der Zentralverwaltung, zweitens das Risiko von Notverkäufen und drittens die Bewertung der Konzentration der in Rede stehenden Risikopositionen berücksichtigte. Nach dieser Methodik sollte der von der EZB für die Ausnahme gewährte Gesamtprozentsatz umso höher ausfallen, je geringer die Aufsichtsrisiken sind.

16      Zur Kreditwürdigkeit der französischen Zentralverwaltung stellte die EZB in Nr. 2.2.1 des angefochtenen Beschlusses fest, dass keine aufsichtsrechtlichen Probleme bestünden, die es gerechtfertigt hätten, dem Antrag, bei der Berechnung der Verschuldungsquote die Risikopositionen gegenüber der CDC unberücksichtigt zu lassen, nicht stattzugeben. Die EZB wies jedoch darauf hin, dass die Beurteilung, die der Französischen Republik von externen Ratingagenturen (im Folgenden: ECAI) erteilt worden sei, nicht die bestmögliche sei und dass bei der Notierung der von der Französischen Republik gehandelten Credit Default Swaps mit fünfjähriger Laufzeit eine Ausfallwahrscheinlichkeit ausgewiesen werde, die nicht gleich Null sei.

17      Zum Risiko von Notverkäufen stellte die EZB in Nr. 2.2.2 des angefochtenen Beschlusses erstens fest, dass der Zeitraum für die Anpassung der Positionen mit der CDC zur Folge haben könne, dass ein Kreditinstitut dazu veranlasst werde, derartige Verkäufe vorzunehmen, um Einlagen noch vor Übertragung der Mittel durch die CDC den Einlegern zu erstatten. Zweitens vertrat die EZB die Auffassung, dass bei einem Zeitraum von weniger als fünf Tagen zwar eine gleichsam sofortige Übertragung erfolge, die nur ein begrenztes Risiko von Notverkäufen mit sich bringe, der zehntägige Rhythmus für die Anpassung der Positionen mit der CDC aber zu einem Zeitraum von bis zu zehn Tagen führe. Drittens wies die EZB zum einen darauf hin, dass bei den jüngsten Bankenkrisen 10 % bis 30 % der Einlagen eines Kreditinstituts – auch wenn für sie Garantien bestanden hätten – innerhalb von weniger als fünf Tagen abgezogen worden seien, und zum anderen im Wesentlichen darauf, dass das Livret A eine größere Liquidität biete als ein Sparkonto. Viertens betonte die EZB, sie habe zwar mit einem Beschluss vom 24. August 2016 eingeräumt, dass der Zeitraum für die Anpassung der Positionen mit der CDC kein Liquiditätsrisiko verursache, doch sei dies im Rahmen einer Beurteilung der Anforderungen an die Deckung des Liquiditätsbedarfs geschehen, die sich von derjenigen der Verschuldungsquote unterscheide. Fünftens wies die EZB speziell in Bezug auf die Klägerin darauf hin, dass sich ein Abzug von 30 % der Sparguthaben binnen weniger als fünf Tagen auf 5,4 Mrd. Euro belaufen hätte.

18      Zur Bewertung der Konzentration der Risikopositionen gegenüber der CDC wies die EZB in Nr. 2.2.3 des angefochtenen Beschlusses erstens auf das Bestehen eines Solidaritätsmechanismus innerhalb der Crédit-agricole-Gruppe hin, der eine Rechtspflicht der verbundenen Unternehmen umfasse, sich Unterstützung in Form von Kapital und Liquidität zu gewähren; dies rechtfertige es, das Konzentrationsrisiko für die verbundenen Unternehmen auf der Ebene der Gruppe zu bewerten. Die EZB schloss daraus, dass keine Konzentrationsgefahr im Sinne von Art. 81 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338) bestehe.

19      Zweitens stellte sie speziell in Bezug auf die Klägerin aber fest, dass diese vom Solidaritätsmechanismus der Crédit-agricole-Gruppe nicht erfasst sei und dass daher das Konzentrationsrisiko, was sie betreffe, nicht auf konsolidierter Basis zu prüfen sei. Da das Verhältnis der Risikopositionen gegenüber der CDC, bezogen auf das harte Kernkapital der Klägerin, 134 % im Jahr 2015 und 231 % im Jahr 2018 betragen habe, stellte die EZB fest, dass gegenüber der CDC die Gefahr einer Konzentration der Risikopositionen bestehe.

20      Die EZB kam zu dem Ergebnis, dass es, um die Auswirkungen auf das Kapital abzumildern, die sich bei einer massiven Abhebung der Einlagen ergäben, die Vorsicht gebiete, bei der Berechnung der Verschuldungsquote der Klägerin in bestimmter Höhe, die sie mit 34 % angesetzt habe, die Risikopositionen gegenüber der CDC einzubeziehen.

 Verfahren und Anträge der Parteien

21      Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 12. Juli 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

22      Am 30. Juni 2020 hat das Gericht die EZB im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 seiner Verfahrensordnung um Auskünfte ersucht. Im Anschluss an die Stellungnahme, die die Klägerin am 28. September 2020 zur Antwort der EZB abgegeben hat, sind der EZB am 15. Oktober 2020 zusätzliche Fragen gestellt worden.

23      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

24      In der Sitzung vom 7. Dezember 2020 haben die Parteien mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

25      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als er der Klägerin nicht erlaubt, bei der Berechnung der Verschuldungsquote 34 % ihrer Risikopositionen gegenüber der CDC unberücksichtigt zu lassen;

–        der EZB die Kosten aufzuerlegen.

26      Die EZB beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

27      Mit ihrer Klage stellt die Klägerin die Rechtmäßigkeit des auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 und von Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 erlassenen angefochtenen Beschlusses in Abrede.

28      Gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 ist der EZB folgende Aufgabe übertragen: „Gewährleistung der Einhaltung der in Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 genannten Rechtsakte, die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute in Bezug auf Eigenmittelanforderungen, Verbriefung, Beschränkungen für Großkredite, Liquidität, Verschuldungsgrad sowie Meldung und Veröffentlichung entsprechender Informationen festlegen“. Da die Klägerin zu einer Gruppe gehört, die der unmittelbaren Aufsicht der EZB unterliegt, fällt im Rahmen des einheitlichen Aufsichtsmechanismus die Wahrnehmung dieser Aufgabe außerdem in den unmittelbaren Zuständigkeitsbereich der EZB und nicht den der nationalen Behörden (Urteil vom 16. Mai 2017, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, T-122/15, EU:T:2017:337, Rn. 63).

29      In Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1024/2013 heißt es: „Zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben und mit dem Ziel, hohe Aufsichtsstandards zu gewährleisten, wendet die EZB das einschlägige Unionsrecht an …“. Zum einschlägigen Unionsrecht gehört die Verordnung Nr. 575/2013.

30      Nach Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 dürfen „[d]ie zuständigen Behörden einem Institut erlauben, in seinen Risikomessgrößen Risikopositionen unberücksichtigt zu lassen, die folgende Anforderungen erfüllen: a) Es handelt sich um Risikopositionen gegenüber einer öffentlichen Stelle. b) Sie werden in Übereinstimmung mit Artikel 116 Absatz 4 behandelt. c) Sie stammen aus Einlagen, zu deren Übertragung an die unter [Buchst.] a erwähnte öffentliche Stelle das Institut rechtlich verpflichtet ist, um Investitionen im allgemeinen Interesse zu finanzieren“.

31      Wie oben in den Rn. 10 bis 20 ausgeführt, hat die EZB mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag der Klägerin zum Teil abgelehnt, mit dem diese begehrt, ihre Risikopositionen gegenüber der CDC aus demjenigen Teil der im Rahmen der reglementierten Sparformen erhaltenen Einlagen, zu dessen Übertragung an die CDC sie verpflichtet ist, nach Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 bei der Berechnung ihrer Verschuldungsquote zur Gänze unberücksichtigt zu lassen. Die EZB hat dabei eine Methodik zugrunde gelegt, die erstens die Kreditwürdigkeit der Zentralverwaltung, zweitens das Risiko von Notverkäufen und drittens die Bewertung der Konzentration der in Rede stehenden Risikopositionen berücksichtigte. Diese Kriterien wurden in den Nrn. 2.2.1 bis 2.2.3 des angefochtenen Beschlusses geprüft.

32      Die Klägerin stützt ihre Klage insbesondere auf drei Klagegründe.

33      Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 266 AEUV geltend gemacht. Die Klägerin macht darin im Wesentlichen geltend, dass die drei von der EZB im angefochtenen Beschluss angeführten Gründe nicht einer ordnungsgemäßen Durchführung des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), entsprächen. Der zweite Klagegrund betrifft speziell die Begründung, mit der auf die Gefahr einer Konzentration der Risikopositionen der Klägerin gegenüber der CDC abgestellt wird. Mit diesem Klagegrund werden im Wesentlichen Rechtsfehler der EZB gerügt. Mit dem dritten Klagegrund wird die Stichhaltigkeit der Begründung des angefochtenen Beschlusses in Abrede gestellt und werden offensichtliche Beurteilungsfehler der EZB gerügt.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 266 AEUV

34      Die Klägerin macht geltend, die drei Gründe des angefochtenen Beschlusses – die Bewertung der Kreditwürdigkeit der Zentralverwaltung, das Risiko von Notverkäufen, das im Zusammenhang mit dem zehntägigen Anpassungszeitraum stehe, und die hohe Konzentration ihrer Risikopositionen gegenüber der CDC –, aufgrund deren die EZB es abgelehnt habe, dem Antrag nach Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 in Bezug auf die Klägerin in vollem Umfang stattzugeben, seien vom Gericht bereits in seinem Urteil vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T‑758/16, EU:T:2018:472), geprüft und zurückgewiesen worden; dieses Urteil sei rechtskräftig. Die Klägerin verweist insoweit auf die Randnrn. 61 bis 63, 66, 80 und 81 des genannten Urteils.

35      Nach Art. 266 Abs. 1 AEUV hat das Organ, von dem die für nichtig erklärte Handlung ausgegangen ist, die zur Durchführung des Nichtigkeitsurteils erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Diese Vorschrift sieht eine Zuständigkeitsverteilung zwischen Justiz und Verwaltung vor, der zufolge das Organ, von dem die für nichtig erklärte Handlung ausgegangen ist, zu bestimmen hat, welche Maßnahmen zur Durchführung eines Nichtigkeitsurteils erforderlich sind (vgl. Urteil vom 5. September 2014, Éditions Odile Jacob/Kommission, T‑471/11, EU:T:2014:739, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Nach ständiger Rechtsprechung kommt insoweit das betroffene Organ einem Nichtigkeitsurteil nur dann nach und führt es nur dann vollständig durch, wenn es nicht nur den Tenor des Urteils beachtet, sondern auch die Gründe, die zu diesem geführt haben und die ihn in dem Sinne tragen, dass sie zur Bestimmung seiner genauen Bedeutung unerlässlich sind. Diese Gründe benennen nämlich zum einen exakt die Bestimmung, die als rechtswidrig angesehen wird, und lassen zum anderen die spezifischen Gründe der im Tenor festgestellten Rechtswidrigkeit erkennen, die das betreffende Organ bei der Ersetzung des für nichtig erklärten Aktes zu beachten hat (Urteile vom 26. April 1988, Asteris u. a./Kommission, 97/86, 99/86, 193/86 und 215/86, EU:C:1988:199, Rn. 27, vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C-41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 29, und vom 13. September 2005, Recalde Langarica/Kommission, T-283/03, EU:T:2005:315, Rn. 50).

37      Art. 266 AEUV verpflichtet das betroffene Organ, anstelle der für nichtig erklärten Handlung keine Handlung zu setzen, die eben die Fehler aufweist, die im Nichtigkeitsurteil festgestellt wurden (Urteile vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C-41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 30, und vom 13. September 2005, Recalde Langarica/Kommission, T-283/03, EU:T:2005:315, Rn. 51).

38      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Art. 266 AEUV dem Organ, von dem die für nichtig erklärte Handlung ausgegangen ist, eine Verpflichtung nur in den Grenzen dessen auferlegt, was erforderlich ist, um das Nichtigkeitsurteil durchzuführen (Urteile vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C-41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 30, und vom 5. September 2014, Éditions Odile Jacob/Kommission, T-471/11, EU:T:2014:739, Rn. 57). Das Verfahren zur Ersetzung einer solchen Handlung kann mithin genau an dem Punkt wieder aufgenommen werden, an dem die Rechtswidrigkeit eingetreten ist (vgl. Urteile vom 29. November 2007, Italien/Kommission, C‑417/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:733, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 5. September 2014, Éditions Odile Jacob/Kommission, T‑471/11, EU:T:2014:739, Rn. 58).

39      Das Vorbringen der Klägerin ist demensprechend insoweit in drei Teile zu unterteilen, als ein angeblicher Verstoß gegen das Urteil vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), durch die in den Nrn. 2.2.1, 2.2.2 bzw. 2.2.3 des angefochtenen Beschlusses dargelegten Gründe in Rede steht.

 Zum aus der Kreditwürdigkeit der Zentralverwaltung hergeleiteten Grund (Nr. 2.2.1 des angefochtenen Beschlusses)

40      Die Klägerin weist darauf hin, dass die EZB zur Durchführung des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), die Wahrscheinlichkeit eines Ausfallrisikos der Französischen Republik untersuchen und feststellen müsse. Im angefochtenen Beschluss erkenne die EZB an, dass keine spezifischen aufsichtsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit der Zentralverwaltung bestünden, ihren Verpflichtungen nachzukommen, und beschränke sich darauf, zu betonen, dass die Beurteilung, die die ECAI der Französischen Republik erteilt hätten, nicht die bestmögliche sei und dass die Ausfallwahrscheinlichkeit nicht gleich Null sei. Anhand dieser Gesichtspunkte lasse sich keine Wahrscheinlichkeit im Sinne einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls feststellen.

41      Die EZB macht geltend, das Kriterium der Kreditwürdigkeit der französischen Verwaltung sei nur eines der Kriterien, die im angefochtenen Beschluss geprüft worden seien. Sie fügt hinzu, in dem genannten Beschluss die Wahrscheinlichkeit des Ausfallrisikos geprüft zu haben; diese Prüfung habe sie dazu veranlasst, der Französischen Republik gemäß Art. 114 Abs. 2 der Verordnung Nr. 575/2013, auf den Art. 429 Abs. 14 über Art. 116 Abs. 4 verweise, die Bonitätsstufe 1 zuzuweisen. Die EZB erinnert daran, dass sie die Schlussfolgerung gezogen habe, dass das Ausfallrisiko allein nicht hinreichend sei, um die Ablehnung der beantragten Ausnahme zu rechtfertigen, dieses Risiko sei aber nicht gleich Null.

42      Die EZB macht geltend, das Gericht habe ihre Beurteilung nur insoweit beanstandet, als sie bei der Ablehnung des Ausnahmeantrags grundsätzlich und ohne Prüfung des Einzelfalls davon ausgegangen sei, dass ein Staat zahlungsunfähig sein könne. Sie folgert daraus, dass sie, um den Vorgaben des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), nachzukommen, nur gehalten gewesen sei, das Ausfallrisiko der Französischen Republik zu prüfen, wobei die Frage nach dessen Wahrscheinlichkeit in die Ausübung ihres Ermessens falle.

43      Das Gericht weist darauf hin, dass in den Rn. 59 bis 62 und 66 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), ein Rechtsfehler der EZB lediglich insofern festgestellt worden ist, als diese sich darauf beschränkt hat, die bloße Möglichkeit eines Zahlungsausfalls der Französischen Republik hervorzuheben, ohne dessen Wahrscheinlichkeit zu prüfen. Daraus folgt, dass die EZB durch das genannte Urteil nicht daran gehindert war, im Rahmen ihrer Analyse die Möglichkeit eines Ausfalls der Französischen Republik zu berücksichtigen, aber dass sie verpflichtet war, zu der Wahrscheinlichkeit dieses Risikos eine Untersuchung anzustellen.

44      Aus Nr. 2.2.1 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die EZB auf zwei Gesichtspunkte für ihre Schlussfolgerung Bezug genommen hat, wonach zwar die Kreditwürdigkeit der französischen Zentralverwaltung keine aufsichtsrechtlichen Probleme aufweise, die es gerechtfertigt hätten, dem Antrag nicht stattzugeben, die Risikopositionen gegenüber der CDC bei der Berechnung der Verschuldungsquote unberücksichtigt zu lassen, wonach das Ausfallrisiko der Französischen Republik aber nicht gleich Null sei. Bei diesen beiden Gesichtspunkten handelt es sich zum einen um den Umstand, dass die Beurteilung dieses Staates durch die ECAI nicht die bestmögliche war, und zum anderen um den Umstand, dass bei der Notierung der von Frankreich gehandelten Credit Default Swaps mit fünfjähriger Laufzeit eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,611 % ausgewiesen wurde.

45      Da die EZB im angefochtenen Beschluss die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der Französischen Republik analysiert hat, hat sie somit das Urteil vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), nicht verkannt, so dass das dahin gehende Vorbringen der Klägerin im ersten Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen ist.

46      Die Rüge der Klägerin, die EZB habe die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der Französischen Republik nicht nachgewiesen, betrifft in Wirklichkeit die Stichhaltigkeit der Analyse der EZB. Diese Rüge ist daher gegebenenfalls im Rahmen des dritten Klagegrundes zu prüfen.

 Zum aus dem Konzentrationsgrad der Risikopositionen gegenüber der CDC hergeleiteten Grund (Nr. 2.2.3 des angefochtenen Beschlusses)

47      Die Klägerin ist der Ansicht, das Kriterium des Grades der Konzentration der Risikopositionen gegenüber der CDC habe von der EZB nicht berücksichtigt werden können, ohne gegen das Urteil vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), zu verstoßen. Zum einen habe das Gericht dort entschieden, dass das Konzentrationskriterium nur dann relevant sein könne, wenn die im Rahmen der reglementierten Sparformen übertragenen Gelder aufgrund eines Zahlungsausfalls der Französischen Republik nicht von der CDC hätten erlangt werden können. Zum anderen sei die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ausfalls von der EZB nicht nachgewiesen worden.

48      Die EZB erwidert, dass sie, da sie die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der Französischen Republik geprüft und nachgewiesen habe, berechtigt gewesen sei, den Konzentrationsgrad der Risikopositionen der Klägerin gegenüber der CDC zu berücksichtigen. Dieser Grund sei kein ausschlaggebendes Kriterium gewesen und im Hinblick auf die übrigen festgestellten Kriterien geprüft worden, wie die im angefochtenen Beschluss angewandte Methodik belege.

49      Nach Rn. 63 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), hat, da die EZB die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls der Französischen Republik nicht geprüft habe, auch die Betonung des Umfangs der Risikopositionen der Klägerin gegenüber der CDC es für sich genommen nicht rechtfertigen können, diese Risikopositionen bei der Berechnung der Verschuldungsquote zu berücksichtigen. Der genannte Umfang hätte nämlich nur dann relevant sein können, wenn die Klägerin die im Rahmen der reglementierten Sparformen übertragenen Gelder aufgrund eines Zahlungsausfalls des französischen Staates von der CDC nicht hätte erhalten können und auf Zwangsverkäufe von Vermögenswerten hätte zurückgreifen müssen.

50      Folglich konnte die EZB, ohne gegen das Urteil vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), zu verstoßen, den Konzentrationsgrad der Risikopositionen der Klägerin gegenüber der CDC berücksichtigen, sofern diese Berücksichtigung mit einer Prüfung der Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls der Französischen Republik verbunden war. Wie oben in den Rn. 44 und 45 ausgeführt, hat die EZB eine solche Prüfung vorgenommen.

51      Folglich ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum aus dem Risiko von Notverkäufen hergeleiteten Grund (Nr. 2.2.2 des angefochtenen Beschlusses)

52      Die Klägerin weist darauf hin, dass eine ordnungsgemäße Durchführung des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), impliziert habe, dass die EZB die reglementierten Sparformen eingehend prüfe, um zu beurteilen, ob es denkbar sei, dass Abhebungen in einem Umfang und mit einer Plötzlichkeit aufträten, die über die im Rahmen der Berechnung der Liquiditätsquote in Betracht gezogenen Szenarien der „erhebliche Stressbedingungen“ hinausgingen. Die EZB habe eine solche Prüfung nicht angestellt.

53      Zum einen habe die EZB nicht dargetan, inwiefern eine zeitliche Verschiebung, von der sie einräume, dass sie kein Liquiditätsrisiko mit sich bringe, dennoch ein Verschuldungsrisiko darstellen könne.

54      Zum anderen habe sich die EZB auf allgemeine und hypothetische Erwägungen beschränkt, ohne die Besonderheiten der reglementierten Sparformen zu prüfen. Der von der EZB im angefochtenen Beschluss in Betracht gezogene Fall von plötzlichen und massenhaften Abhebungen werde durch keine konkreten Daten untermauert und lasse sich nicht auf die reglementierten Sparformen übertragen, bei denen sowohl in Bezug auf die Einleger als auch gegenüber Kreditinstituten eine zweifache staatliche Garantie bestehe und die im Krisenfall einen Fluchtwert bildeten.

55      Das Vorbringen der EZB beruhe auf der Annahme, dass ein Präzedenzfall in jüngerer Zeit gezeigt habe, dass massive Abhebungen (zwischen 10 % und 30 % der Einlagen) bei reglementierten Sparformen kurzfristig erfolgen könnten. Die Klägerin beanstandet insoweit sowohl die fehlende Erläuterung der Merkmale des von der EZB im angefochtenen Beschluss herangezogenen Beispiels als auch die Relevanz dieses Beispiels.

56      Die Klägerin leitet daraus ab, dass weder die Hypothese massiver Abhebungen bei reglementierten Sparformen noch die Annahme eines Notverkaufs von Vermögenswerten glaubhaft seien und dass die EZB mit dieser Argumentation gegen das Urteil vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), verstoßen habe.

57      Die EZB weist darauf hin, dass das Gericht in diesem Urteil entschieden habe, dass der Zeitraum für die Anpassung der Positionen ein relevantes Kriterium für die Beurteilung des Verschuldungsrisikos sein könne, ohne ein solches für das Liquiditätsrisiko zu sein, wenn die von den Einlegern vorgenommenen Abhebungen so bedeutend gewesen wären, dass sie über die im Rahmen der Berechnung der Liquiditätsquote in Betracht gezogenen Szenarien der „erhebliche Stressbedingungen“ hinausgingen.

58      Die EZB trägt vor, sie habe die Merkmale der reglementierten Sparformen sorgfältig und unparteiisch geprüft, was sie zu der Annahme veranlasst habe, dass die Abhebungen der Kundschaft über die Szenarien der „erhebliche Stressbedingungen“ hätten hinausgehen können, so dass sie zu Recht bei ihrer Beurteilung das Kriterium der Anpassungsfrist zugrunde gelegt habe. Sie weist insoweit darauf hin, dass bis zur Anpassung der Positionen mit der CDC ein zehntägiger Zeitraum verstreichen könne, was bedeutet habe, dass die zweiten Spalte der Tabelle im angefochtenen Beschluss zur Anwendung komme.

59      Die EZB räumt ein, dass Sparerträge in Krisenzeiten Fluchtwerte seien, ist aber im Wesentlichen der Ansicht, dass dieses Merkmal getrennt von dem Risiko massiver Abhebungen (Bankensturm) zu betrachten sei, das auf reglementierte Sparformen aufgrund ihrer sehr hohen Liquidität zutreffe. Sie weist insoweit darauf hin, dass es keine gesetzliche Beschränkung für Abhebungen bei dieser Sparform gebe, was sie mit klassischen Girokonten vergleichbar mache. Die EZB fügt hinzu, dass die Staatsgarantie auch nicht geeignet sei, vor jedem Risiko massiver Abhebungen zu schützen, da im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen werde, dass bei den jüngsten Bankkrisen massive Abhebungen – in einer Größenordnung von 10 % bis 30 % – der einem Garantiesystem unterliegenden Einlagen beobachtet worden seien.

60      Die EZB ist der Ansicht, dass die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Informationen eine Beurteilung der Relevanz des Beispiels ermöglichten, auf das sie sich gestützt habe.

61      Schließlich hebt die EZB im Wesentlichen hervor, dass sich die Prüfung des Verschuldungsrisikos von der des Liquiditätsrisikos unterscheide und dass Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 keine Methode vorsehe, die für die Prüfung von nach dieser Bestimmung gestellten Anträgen befolgt werden müsse.

62      In den Rn. 70 und 71 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), hat das Gericht festgestellt, dass sich die mit einer übermäßigen Verschuldung verbundenen Risiken – nämlich im Unternehmensplan nicht vorgesehene Korrekturmaßnahmen treffen zu müssen, einschließlich der Veräußerung von Aktiva in einer Notlage, was zu Verlusten oder Bewertungsanpassungen der verbleibenden Aktiva führen könne – infolge unzureichender Liquidität verwirklichten. In den Rn. 73 bis 78 dieses Urteils hat das Gericht ferner darauf hingewiesen, dass die EZB in Beschlüssen über die Liquiditätsquote die Auffassung vertreten habe, dass der Zeitraum für die Anpassung der Positionen mit der CDC kein Liquiditätsrisiko begründe, und dass dieser Standpunkt von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) in einem Bericht vom 15. Dezember 2015 über Anforderungen in Bezug auf stabile Refinanzierung nach Art. 510 der Verordnung Nr. 575/2013 geteilt werde. Aufgrund dieser Feststellungen hat das Gericht drei Schlussfolgerungen gezogen.

63      Erstens hat das Gericht in Rn. 79 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), entschieden, dass die Grundsatzposition der EZB offensichtlich falsch sei, wonach der in Rede stehende Anpassungszeitraum das Auftreten der mit einer übermäßigen Verschuldung verbundenen Risiken hätte begünstigen können, obwohl er aufgrund seines allgemeinen Charakters kein Liquiditätsrisiko dargestellt habe.

64      Zweitens hat das Gericht in Rn. 80 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), festgestellt, dass der Zeitraum für die Anpassung der Positionen mit der CDC nur dann für das Verschuldungsrisiko hätte relevant sein können – während er es für das Liquiditätsrisiko nicht sei –, wenn die Abhebungen reglementierter Spareinlagen einen solchen Umfang angenommen hätten, dass die Schwelle der im Rahmen der Berechnung der Liquiditätsquote nach Art. 412 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 in Betracht gezogenen „erheblichen Stressbedingungen“ überschritten werde.

65      Drittens hat das Gericht in Rn. 81 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), hervorgehoben, dass die Berücksichtigung einer solchen Möglichkeit bei der Ablehnung des Antrags der Klägerin nicht ohne eine eingehende Prüfung der Merkmale der reglementierten Sparformen durch die EZB erfolgen könne. Diese Prüfung hätte die EZB u. a. dazu veranlassen müssen, zu untersuchen, ob es angesichts der Merkmale der genannten Sparformen denkbar sei, dass reglementierte Spareinlagen in einem solchen Umfang und so plötzlich abgezogen würden, dass auf die in Art. 4 Abs. 1 Nr. 94 der Verordnung Nr. 575/2013 genannten Maßnahmen zurückgegriffen werde, ohne die Mittelübertragungen seitens der CDC im Rahmen der Anpassung der Positionen abwarten zu können.

66      Daraus folgt, dass das Gericht es nicht ausgeschlossen hat, dass der Zeitraum für die Anpassung der Positionen mit der CDC bei der Beurteilung des Verschuldungsrisikos berücksichtigt werden konnte – obwohl dieser Zeitraum keine Probleme unter dem Blickwinkel der Liquiditätsquote aufwarf –, aber diese Möglichkeit auf den Fall beschränkt hat, dass Abhebungen über die im Rahmen der Liquiditätsquote in Betracht gezogenen „erheblichen Stressbedingungen“ hinausgehen. Das Gericht hat außerdem betont, dass die EZB verpflichtet sei, ihre Beurteilung auf eine eingehende Analyse der Merkmale der reglementierten Sparformen zu stützen.

67      In Nr. 2.2.2 des angefochtenen Beschlusses hat die EZB die Auffassung vertreten, dass die reglementierten Sparformen ungeachtet der mit ihnen verbundenen staatlichen Garantie innerhalb kurzer Zeit Gegenstand massiver Abhebungen sein könnten (bis zu 30 % innerhalb von weniger als fünf Tagen). Zur Begründung dieser Beurteilung stützte sich die EZB zum einen auf die Erfahrung aus den jüngsten Bankenkrisen, aus denen sich ergebe, dass bei einem Kreditinstitut 10 % bis 30 % seiner Einlagen binnen weniger als fünf Tagen abgehoben worden seien, und zum anderen auf die besondere Liquidität der reglementierten Sparformen. Außerdem wies die EZB darauf hin, dass ein Abzug von 30 % der fraglichen Einlagen für die Klägerin bedeutet hätte, nahezu 5,4 Mrd. Euro zurückzuerstatten.

68      Daraus folgt zum einen, dass die EZB, indem sie sich auf massive Abhebungen innerhalb kurzer Frist bezogen hat, die Berücksichtigung des Zeitraums für die Anpassung der Positionen der Klägerin mit der CDC auf den in Rn. 80 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), genannten Fall beschränkt hat, so dass sie insoweit die Rechtskraft dieses Urteils nicht verkannt hat. Das Vorbringen der Klägerin hierzu im dritten Teil des ersten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

69      Was zum anderen die Frage betrifft, ob die EZB eine eingehende Analyse der reglementierten Sparformen angestellt und somit im Einklang mit Rn. 81 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), vorgegangen ist, ist das Gericht der Auffassung, dass diese Frage mit der Beurteilung der Begründetheit des angefochtenen Beschlusses einhergeht und dass es angebracht ist, sie zusammen mit dem dritten Klagegrund zu prüfen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 429 Abs. 14 und Art. 400 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013

70      Dieser Klagegrund, der die Rechtmäßigkeit der Begründung in Nr. 2.2.2 des angefochtenen Beschlusses betrifft, die sich auf den Konzentrationsgrad der Risikopositionen der Klägerin gegenüber der CDC bezieht, lässt sich in zwei Teile untergliedern.

71      Im Rahmen des ersten Teils wirft die Klägerin der EZB im Wesentlichen vor, sich auf das mit den Risikopositionen gegenüber der CDC verbundene Konzentrationsrisiko gestützt zu haben, obwohl ein solches Risiko bei der Anwendung von Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 nicht berücksichtigt werden könne.

72      Im Rahmen eines zweiten Teils macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die EZB habe sich eine Rechtsetzungsbefugnis angemaßt, indem sie bei der Beurteilung dieses Risikos eine Methodik mit allgemeiner Geltung angewandt habe, obwohl ihr nur eine individuelle Entscheidungsbefugnis übertragen worden sei.

 Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem die Berücksichtigung des von den Risikopositionen gegenüber der CDC ausgehenden Konzentrationsrisikos beanstandet wird

73      Die Klägerin ist der Ansicht, die Berücksichtigung des Konzentrationsrisikos zeige, dass die EZB ihre Befugnisse aus Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 zu anderen Zwecken als denjenigen nutze, für die sie ihr übertragen worden seien, nämlich zu dem Zweck, das mit den Risikopositionen gegenüber der CDC verbundene Konzentrationsrisiko zu kontrollieren, obwohl Risikopositionen gegenüber Staaten bei der Berechnung dieses Risikos gemäß Art. 400 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 nicht berücksichtigt würden. Folglich habe die EZB zum einen gegen Art. 400 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 verstoßen und zum anderen die ihr durch Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 übertragene Befugnis zu einem Zweck genutzt, der dieser Bestimmung fremd sei.

74      Nach Ansicht der EZB ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

75      Im Rahmen dieses Teils des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin im Wesentlichen zwei Rügen geltend, mit denen sie zum einen einen Verstoß gegen Art. 400 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 und zum anderen einen Verstoß gegen Art. 429 Abs. 14 der genannten Verordnung rügt.

76      Soweit die Klägerin die Berücksichtigung des Konzentrationsrisikos durch die EZB bei der Prüfung der Verschuldungsquote beanstandet, ist vorab darauf hinzuweisen, dass sowohl die Richtlinie 2013/36 als auch die Verordnung Nr. 575/2013 den Begriff des Konzentrationsrisikos kennen.

77      Art. 81 der Richtlinie 2013/36 lautet:

„Die zuständigen Behörden stellen sicher, dass das Konzentrationsrisiko, das aus den Risikopositionen gegenüber jeder einzelnen Gegenpartei, einschließlich zentraler Gegenparteien, gegenüber Gruppen verbundener Gegenparteien und gegenüber Gegenparteien, die aus demselben Wirtschaftszweig oder derselben Region stammen oder aus denselben Tätigkeiten oder Waren, aus dem Einsatz von Kreditrisikominderungstechniken und insbesondere aus großen indirekten Kreditrisiken (z. B. wenn nur die Wertpapiere eines einzigen Emittenten als Sicherheit dienen) erwächst, unter anderem mittels schriftlicher Grundsätze und Verfahren erfasst und gesteuert wird.“

78      Art. 395 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 betrifft das Konzentrationsrisiko eines Kunden oder einer Gruppe verbundener Kunden. Die Vorschrift soll im Wesentlichen verhindern, dass die Risikopositionen ihnen gegenüber 25 % des Eigenkapitals des Instituts oder 150 000 000 Euro übersteigen, wobei der höchste Schwellenwert gilt.

79      Daraus folgt, dass die Behandlung und die Kontrolle des Konzentrationsrisikos im Wesentlichen darauf abzielen, den Grad der Diversifizierung der Risikopositionen eines Kreditinstituts zu beurteilen und eine zu große Konzentration dieser Risikopositionen auf bestimmte Gegenparteien zu vermeiden.

80      Was erstens die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 betrifft, so wirft sie die Frage auf, ob der Konzentrationsgrad der in Rede stehenden Risikopositionen gegenüber der CDC ein für die Anwendung dieser Bestimmung relevanter Gesichtspunkt ist.

81      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Rn. 51 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), hervorgehoben hat, dass die den zuständigen Behörden durch Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 übertragene Befugnis es ihnen ermöglichen soll, eine Abwägung zwischen dem Verschuldungsquotenziel – als Gesamtrisikomessgröße eines Kreditinstituts ohne Risikogewichtung – und der Möglichkeit vorzunehmen, bestimmte Risikopositionen mit einem besonders geringen Risikoprofil, die sich nicht aus einer Investitionsentscheidung des Kreditinstituts ergeben, bei der Berechnung der genannten Quote außer Acht zu lassen.

82      In einem Fall, in dem das Risiko eines Ausfalls der Gegenpartei nicht ausgeschlossen werden könnte, könnte der Konzentrationsgrad der betreffenden Risikopositionen bei der von der EZB durchzuführenden Abwägung einen relevanten Gesichtspunkt darstellen.

83      Dies hat das Gericht in Rn. 63 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), zugrunde gelegt. Das Vorbringen der EZB zum Umfang der Risikopositionen gegenüber der CDC ist nämlich nicht mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass diese Erwägung irrelevant sei. Vielmehr hat das Gericht hervorgehoben, dass der Umfang der Risikopositionen gegenüber der CDC hätte relevant sein können, wenn die Klägerin aufgrund eines Zahlungsausfalls der Französischen Republik die im Rahmen der reglementierten Sparformen übertragenen Gelder von der CDC nicht hätte erlangen können und auf Zwangsverkäufe von Vermögenswerten hätte zurückgreifen müssen.

84      Die EZB hat daher rechtsfehlerfrei den Konzentrationsgrad der Risikopositionen der Klägerin gegenüber der CDC bei der Anwendung von Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 berücksichtigt.

85      Was zweitens die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 400 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 betrifft, so macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die EZB habe das Konzentrationsrisiko in Bezug auf die CDC nicht berücksichtigen dürfen, da diese Art von Risikoposition bei der Berechnung des Konzentrationsrisikos ausgeschlossen sei.

86      Zwar sind nach Art. 400 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 Risikopositionen gegenüber der CDC von der Anwendung von Art. 395 Abs. 1 dieser Verordnung ausgenommen, d. h., sie werden bei der Beurteilung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Konzentrationsrisikos nicht berücksichtigt. Der fragliche Beschluss betrifft jedoch nicht die Beachtung von Art. 395 Abs. 1 dieser Verordnung, sondern die ihres Art. 429 Abs. 14.

87      Daraus folgt, dass Art. 400 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 575/2013 auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist und die Klägerin der EZB daher nicht vorwerfen kann, gegen ihn verstoßen zu haben.

88      Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem im Wesentlichen die Anwendung einer allgemeingültigen Methodik durch die EZB beanstandet wird

89      Die Klägerin betont, dass sich die der EZB durch die Verordnung Nr. 1024/2013 übertragenen Befugnisse auf die Prüfung beschränkten, ob die Kreditinstitute die Verordnung Nr. 575/2013 beachtet hätten, und dass die EZB über keine normative Befugnis verfüge. Die im angefochtenen Beschluss enthaltene Tabelle über die Konzentrationsniveaus sei von der EZB so dargestellt worden, dass sie allgemeine Geltung habe, da sie für jedes Kreditinstitut gelten solle, das die Anwendung von Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 beantrage. Folglich ziele die EZB darauf ab, ein allgemeines Risiko der Konzentration von Risikopositionen gegenüber öffentlichen Stellen zu behandeln, und überschreite daher die ihr durch Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1024/2013 übertragenen Befugnisse.

90      Nach Ansicht der EZB ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

91      Wie oben in Rn. 15 ausgeführt, hat die EZB im angefochtenen Beschluss eine Methodik angewandt, die drei Kriterien berücksichtigt, darunter das des Konzentrationsgrads der in Rede stehenden Risikopositionen. Diese Methodik spiegelt sich in einer Tabelle wider, in der die Prozentsätze für die Gewährung von Ausnahmen aufgeführt werden, die sich aus der Wechselwirkung dieser drei Kriterien ergeben.

92      Es ist festzustellen, dass sich die EZB mit dieser Methodik darauf beschränkt hat, eine Verhaltensnorm aufzustellen, die einen Hinweis darauf enthält, wie sie von der ihr in Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 übertragenen Befugnis Gebrauch zu machen gedenkt.

93      Hierbei ist daran zu erinnern, dass die Unionsgerichte die Rechtmäßigkeit von Verfahren anerkannt haben, die einer Ermessensbeschränkung gleichkommen, ungeachtet dessen, ob die Verhaltensnorm in einer innerdienstlichen Richtlinie zum Ausdruck kommt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Januar 1974, Louwage/Kommission, 148/73, EU:C:1974:7, Rn. 12, und vom 24. Oktober 2018, Fernández González/Kommission, T‑162/17 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:711, Rn. 60) oder in veröffentlichten Leitlinien (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 209 bis 211, und vom 30. Mai 2013, Quinn Barlo u. a./Kommission, C‑70/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:351, Rn. 53).

94      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kommt eine solche Methodik nicht dem Erlass eines normativen Rechtsakts durch die EZB gleich, der über den Rahmen der ihr durch die Verordnung Nr. 1024/2013 übertragenen Befugnisse hinausginge. Es handelt sich nämlich lediglich um eine indikative Verhaltensnorm, deren Vorhandensein die EZB nicht davon befreit, für jeden Einzelfall eine besondere Prüfung anzustellen, die sie dazu veranlassen kann, die genannte Methodik nicht anzuwenden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 209 bis 211).

95      Unter diesen Umständen war die EZB berechtigt, im angefochtenen Beschluss auf die Methodik hinzuweisen, die sie bei der Anwendung von Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 anzuwenden beabsichtigte, sofern sie dabei nicht von einer besonderen Prüfung der individuellen Situation der Klägerin absah.

96      Daher ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes und damit dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler der EZB

97      Die Klägerin macht geltend, die drei Gründe des angefochtenen Beschlusses, auf die sich die EZB gestützt habe, um ihrem Antrag nicht in vollem Umfang stattzugeben, seien mit offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet.

98      Da die EZB über ein Ermessen und damit über einen weiten Spielraum bei der Entscheidung verfügt, ob sie die Vergünstigung des Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 gewährt oder nicht, darf die richterliche Kontrolle, die das Gericht über die Stichhaltigkeit der Gründe des angefochtenen Beschlusses ausüben muss, nicht dazu führen, dass es seine Beurteilung an die Stelle der Beurteilung durch die EZB setzt; vielmehr soll mit der Kontrolle überprüft werden, ob der angefochtene Beschluss nicht auf unzutreffenden Tatsachenfeststellungen beruht und ob er nicht mit einem Rechtsfehler, einem offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist (vgl. Urteil vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB, T‑758/16, EU:T:2018:472, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Aus einer ständigen Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass, wenn die Organe über einen solchen Spielraum verfügen, der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, eine umso größere Bedeutung zukommt. Zu diesen Garantien, die durch die Rechtsordnung der Union in Verwaltungsverfahren gewährt werden, gehört u. a. der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, der die Verpflichtung des zuständigen Organs umfasst, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (vgl. Urteil vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB, T‑758/16, EU:T:2018:472, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

100    Das Gericht stellt fest, dass das Vorbringen der Klägerin in drei Teile untergliedert werden kann, mit denen die Stichhaltigkeit der Begründung des angefochtenen Beschlusses in Frage gestellt wird und die erstens die Beurteilung des Risikos von Notverkäufen (Nr. 2.2.2 des angefochtenen Beschlusses), zweitens die Bewertung der Kreditwürdigkeit der Zentralverwaltung (Nr. 2.2.1 des angefochtenen Beschlusses) und drittens den Konzentrationsgrad ihrer Risikopositionen gegenüber der CDC (Nr. 2.2.3 des angefochtenen Beschlusses) betreffen.

101    Im Rahmen des ersten Teils des dritten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die EZB habe dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der oben in Rn. 99 angeführten Rechtsprechung verstoßen, dass sie bei der Beurteilung des Risikos von Notverkäufen die Merkmale der reglementierten Sparformen nicht berücksichtigt habe. Erstens komme den reglementierten Sparformen aufgrund der zweifachen Garantie des Staates im Krisenfall die Funktion eines Fluchtwertes zu. Zweitens unterschieden sich die reglementierten Sparformen grundlegend von anderen externen Ressourcen wie der Verschuldung oder gewöhnlichen Einlagen, da für sie in der Bilanz zwischen zentralisierten reglementierten Einlagen und Forderungen in gleicher Höhe gegenüber der CDC strukturell ein Gleichgewicht bestehe. Drittens hänge der Umfang der reglementierten Sparformen nicht von der Strategie des Kreditinstituts ab, sondern von Faktoren außerhalb seiner Kontrolle, da das Institut als bloße Durchgangsstation zwischen dem Einleger und der CDC fungiere. Viertens bestätigten ein Bericht der EBA sowie der Unionsgesetzgeber, der bei der Reform der Verordnung Nr. 575/2013 einen Ausnahmemechanismus von Rechts wegen eingeführt habe, dass durch reglementierte Sparformen kein Verschuldungsrisiko begründet werde.

102    Außerdem verweist die Klägerin auf ihr Vorbringen im Rahmen des ersten Klagegrundes und wiederholt ihre Argumentation, wonach zum einen die EZB nicht nachweise, inwiefern ein und derselbe zehntägige Anpassungszeitraum im Rahmen der Beurteilung der Verschuldungsquote ein Liquiditätsrisiko darstelle, während dies im Rahmen der Beurteilung der Liquiditätsquote nicht der Fall sei, und wonach sich zum anderen die Hypothese eines Risikos massiver Abhebungen (Bankensturm) in einer Größenordnung von 10 % bis 30 % der Einlagen innerhalb von weniger als fünf Tagen, worauf sich die EZB berufe, nicht nachweisen lasse und nicht relevant sei.

103    Die EZB trägt vor, sie habe die spezifischen Merkmale der reglementierten Sparformen berücksichtigt. Erstens hänge die besondere Sicherheit der reglementierten Sparformen damit zusammen, dass kein Risiko des Verlusts des eingebrachten Kapitals bestehe, und habe keinen Einfluss auf das Risiko massiver Abhebungen, das sich aus der besonders ausgeprägten Liquidität dieser Art von Einlagen ergebe. Zweitens wirke sich das Bilanzgleichgewicht der reglementierten Sparformen nicht auf das Verschuldungsrisiko aus und sei jedenfalls relativ. Drittens behaupte die Klägerin zu Unrecht, dass sie keinen Einfluss auf die gesteigerte Inanspruchnahme der reglementierten Sparformen habe, da der Vertrieb dieser Sparformen ein positives Vorgehen ihrerseits voraussetze und sie dafür werbe. Viertens bestreitet sie die Relevanz der Stellungnahme der EBA und der bei der Reform der Verordnung Nr. 575/2013 vorgenommenen Änderung.

104    Die EZB verweist auch auf ihr Vorbringen im Rahmen des ersten Klagegrundes. Sie ist der Auffassung, sie habe das Risiko von Notverkäufen, bevor es zu einer Anpassung der Positionen mit der CDC komme, zutreffend bewertet, und sie wiederholt ihre Behauptung, dass die Zahlen von 10 % bis 30 % der Abhebungen innerhalb von fünf Tagen auf einem Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit beruhten. Sie trägt vor, sie habe dargetan, dass der zehntägige Anpassungszeitraum ein Verschuldungsrisiko begründen könne, und macht geltend, dass dieses Kriterium für sich genommen den angefochtenen Beschluss nicht gerechtfertigt habe. Schließlich habe sie erläutert, weshalb sich die Bewertung des Liquiditätsrisikos im Rahmen der Beurteilung der Verschuldungsquote und derjenigen der Liquiditätsquote unterscheide, soweit dieses Risiko über die Szenarien der „erheblichen Stressbedingungen“ in diesem Rahmen hinausgehen könne.

105    Aus dem oben in Rn. 67 zusammengefassten Abschnitt des angefochtenen Beschlusses ergibt sich, dass sich die EZB im Wesentlichen auf zwei Gründe gestützt hat, um zu dem Schluss zu gelangen, dass die Beträge, die die Klägerin an die CDC zu übertragen hatte, ein Risiko von Notverkäufen begründeten, nämlich zum einen die besondere Liquidität dieser Sparguthaben und zum anderen die Erfahrung der jüngsten Bankenkrisen.

106    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die EZB nach der oben in Rn. 99 angeführten Rechtsprechung alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls sorgfältig und unparteiisch zu untersuchen hatte. Außerdem musste die EZB aus den oben in den Rn. 66 und 69 dargelegten Gründen, um Rn. 81 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), nachzukommen, eine eingehende Analyse der Merkmale der reglementierten Sparformen vornehmen.

107    Hierzu ist erstens festzustellen, dass im angefochtenen Beschluss ein wesentliches, von der Klägerin angeführtes Merkmal der reglementierten Sparformen nicht erwähnt wird, nämlich ihre Eigenschaft als „Fluchtwert“ im Fall einer Bankenkrise.

108    Diese Eigenschaft als „Fluchtwert“ wird durch die von der Klägerin vorgelegten Beweise rechtlich hinreichend nachgewiesen und überdies von der EZB in ihren Schriftsätzen nicht bestritten.

109    So weist die Klägerin darauf hin, dass der Rechnungshof (Paris, Frankreich) in seinem öffentlichen Jahresbericht 2010 hervorgehoben habe, dass „die Finanzkrise die Attraktivität [des Livret A] für diejenigen Einleger veranschaulicht [habe], die zu einer erhöhten Vorsicht bei ihren Anlagen neig[ten]“. Ebenso wies die Tageszeitung Le Monde in ihrer Ausgabe vom 19. Februar 2009 darauf hin, dass „die Nettoeinzahlungen auf das Livret A im Jahr 2008 18,7 Mrd. Euro erreicht [hätten], ein historisches Niveau, das nahezu dreimal höher [sei] als der alte Rekordwert, wodurch sich nach den von der Banque de France veröffentlichten Zahlen die Einlagen Ende Dezember [2008] auf 139,2 Mrd. Euro belaufen [hätten]“; das „Livret A [habe] von seinem Status als Fluchtwert seit Beginn der Finanzkrise sowie von einem hohen Zinsniveau von 4 % zwischen 1. August 2008 und 1. Februar 2009 profitiert“.

110    Daraus ergibt sich, dass die über reglementierte Sparformen angelegten Summen, anstatt infolge von Abhebungen der französischen Sparer zurückzugehen, bei einer Bankenkrise eher zunehmen, weil die Sparer dann dieser Art von Anlagen den Vorzug geben.

111    Zweitens weist die Klägerin ebenfalls zu Recht im Wesentlichen darauf hin, dass reglementierte Sparformen kaum geeignet sind, zur Bildung einer übermäßigen Verschuldung beizutragen.

112    Wie das Gericht in Rn. 41 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), hervorgehoben hat, ergibt sich insoweit aus dem 90. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 575/2013 sowie aus den Definitionen in Art. 4 Abs. 1 Nrn. 93 und 94 dieser Verordnung, dass übermäßige Verschuldung den Fall meint, in dem ein Kreditinstitut einen zu großen Teil seiner Investitionen über Verschuldung statt durch Eigenmittel finanziert. In diesem Fall läuft das Kreditinstitut Gefahr, nicht über genügend Eigenmittel zu verfügen, um Forderungen wegen Rückzahlung seiner Schulden bedienen zu können, und auf Notverkäufe einiger seiner Vermögenswerte zurückgreifen zu müssen. Die negativen Folgen dieser dringlichen Herabsetzung des Verschuldungsniveaus während der Finanzkrise werden wie folgt im 90. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 575/2013 erläutert:

„… Dies verstärkte den Abwärtsdruck auf Vermögenspreise und führte zu weiteren Verlusten für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, so dass sich deren Eigenmittel weiter verringerten. Infolge dieser Negativspirale kam es zu einer Kreditknappheit in der Realwirtschaft und es entstand eine tiefere und länger andauernde Krise.“

113    Im Unterschied zu Einlagen, die den Kreditinstituten frei zur Verfügung stehen – und die Gegenstand jeder Art von Investitionen sein können, auch in risikobehaftete oder nicht liquide Vermögenswerte, die zur Bildung einer übermäßigen Verschuldung beitragen –, geht es in der vorliegenden Rechtssache um Beträge, zu deren Übertragung an die CDC die Klägerin verpflichtet ist und die daher nicht in risikobehaftete oder nicht liquide Vermögenswerte investiert werden können.

114    Drittens schließlich ist festzustellen, dass im Unterschied zu gewöhnlichen Einlagen, die unter die Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. 2014, L 173, S. 149) fallen, in deren Rahmen nur der Schutz der Einleger durch einen von den Kreditinstituten gespeisten Fonds vorgesehen ist, den Beträgen, die die Kreditinstitute an die CDC abzuführen haben, eine zweifache Garantie der Französischen Republik zugutekommt. Art. 120-I der Loi n° 2008-1443 de finances rectificative pour 2008 (Gesetz Nr. 2008-1443 über den Nachtragshaushalt 2008) vom 30. Dezember 2008 (JORF vom 31. Dezember 2008, S. 20518), auf den Art. L. 221-7-V CMF verweist, sieht nämlich eine staatliche Garantie bei etwaigem Zahlungsausfall der CDC nicht nur gegenüber den Einlegern, sondern auch zugunsten der Kreditinstitute vor.

115    Zweitens ist in Anbetracht der oben in den Rn. 107 bis 114 dargelegten Gesichtspunkte davon auszugehen, dass die Begründung, die zur Rechtfertigung auf die besondere Liquidität der reglementierten Sparformen verweist, für sich genommen nicht nachzuweisen vermag, dass die Schlussfolgerung der EZB in Bezug auf das von dieser Liquidität ausgehende Risiko von Notverkäufen stichhaltig wäre.

116    Zwar kann eine solche Liquidität tatsächlich Abhebungen seitens der Sparer begünstigen, doch geht aus den von der Klägerin vorgelegten Beweisen ebenfalls hervor, dass sie in Krisensituationen auch die Eigenschaft dieser Sparformen als „Fluchtwert“ ausmacht. Sie trägt nämlich dazu bei, den Sparern ein Instrument zur Verfügung zu stellen, das liquide ist – und das es ihnen ermöglicht, Abhebungen und Einzahlungen wie bei einem Girokonto vorzunehmen –, das aber gleichzeitig ein hohes Maß an Sicherheit bietet, wie es im Jahresbericht des Observatoire de l’épargne réglementée (Institut zur Beobachtung der reglementierten Sparformen) heißt, wonach „im Jahr 2011, während ein Anstieg der Unsicherheiten und der Volatilität auf den Finanzmärkten [beobachtet wurde], die traditionelle Sicherheit, die eine staatlich garantierte, gänzlich liquide und in ihren Erträgen steuerbefreite Anlage bietet, zu ihrer Attraktivität beigetragen hat“.

117    Daraus folgt, dass die Stichhaltigkeit dieses Grundes im Wesentlichen von der Rechtfertigung der EZB im Hinblick auf die Erfahrung aus den jüngsten Bankenkrisen abhängt.

118    Drittens ist festzustellen, dass aus dem angefochtenen Beschluss und den Antworten der EZB auf die prozessleitenden Maßnahmen hervorgeht, dass sich die EZB auf ein einziges Beispiel gestützt hat, um zu dem Schluss zu gelangen, dass „die Erfahrung der jüngsten Bankkrisen darauf hindeutet, dass massive Abhebungen stattgefunden haben“. Auf zwei Fragen im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen wollte die EZB aus Gründen der Vertraulichkeit nicht die Identität des Kreditinstituts, auf das sie sich bezog, offenlegen. Sie hat jedoch in ihren Antworten die wesentlichen Merkmale der Einlagen erläutert, die Gegenstand massiver Abhebungen waren. Es soll sich um Sichteinlagen gehandelt haben, die für den aus der Umsetzung der Richtlinie 2014/49 resultierenden Sicherungsmechanismus zugunsten der Einleger in Betracht gekommen seien.

119    Um im Rahmen der von der EZB vorzunehmenden eingehenden Analyse der Merkmale der reglementierten Sparformen relevant zu sein, musste das von der EZB herangezogene Beispiel zwangsläufig Einlagen betreffen, die Merkmale aufweisen, die denen der reglementierten Sparformen hinreichend ähnlich sind.

120    Angesichts der von der EZB mitgeteilten Informationen ist das Gericht der Ansicht, dass dies nicht der Fall war.

121    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Angabe der EZB, dass es sich um Sichteinlagen gehandelt habe, unter dem Gesichtspunkt des Beitrags zur Bildung einer übermäßigen Verschuldung impliziert, dass das betreffende Kreditinstitut diese Einlagen auch für risikobehaftete oder nicht liquide Vermögenswerten frei verwenden konnte. Insoweit unterscheidet sich ein solches Beispiel aus den oben in den Rn. 111 bis 113 dargelegten Gründen von den Einlagen, die die Klägerin an die CDC übertragen muss und um die es im vorliegenden Fall geht.

122    Außerdem ist festzustellen, dass ein zweiter Unterschied zwischen dem von der EZB herangezogenen Beispiel und den reglementierten Sparformen besteht, der die Wahrnehmung der Sicherheit ihrer Einlagen in den Augen der Einleger und damit die Eventualität betrifft, dass diese Einlagen im Krisenfall zum Gegenstand massiver und plötzlicher Abhebungen werden. Aus den oben in Rn. 114 dargelegten Gründen kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass allein die Anwendung des Systems, das aus der Umsetzung der Richtlinie 2014/49 hervorgegangen ist, Merkmale aufweist, die den reglementierten Sparformen hinreichend nahekommen, die, wie oben in den Rn. 107 bis 110 ausgeführt, im Krisenfall als „Fluchtwert“ angesehen werden.

123    Unter diesen Umständen ist der Schluss zu ziehen, dass die Klägerin der EZB zu Recht vorwirft, dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der oben in Rn. 99 angeführten Rechtsprechung verstoßen zu haben, dass sie bei der Beurteilung des Risikos von Notverkäufen nicht alle Merkmale der reglementierten Sparformen berücksichtigt habe. Dem ersten Teil des dritten Klagegrundes ist daher stattzugeben.

124    Außerdem ist aus den oben in Rn. 69 dargelegten Gründen zu folgern, dass die EZB Rn. 81 des Urteils vom 13. Juli 2018, Crédit agricole/EZB (T-758/16, EU:T:2018:472), nicht zutreffend angewandt hat, wonach sie ihre Analyse auf die Merkmale der reglementierten Sparformen zu stützen hatte. Dem Vorbringen hierzu im dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist daher ebenfalls stattzugeben.

125    Der in Nr. 2.2.2 des angefochtenen Beschlusses angegebene Grund ist daher rechtswidrig.

126    In Anbetracht der von der EZB angewandten Methodik ist davon auszugehen, dass die in den Nrn. 2.2.1 und 2.2.3 des angefochtenen Beschlusses angeführten Gründe – die sich auf die Kreditwürdigkeit der Zentralverwaltung und auf den Konzentrationsgrad der Risikopositionen gegenüber der CDC beziehen –, selbst wenn sie nicht rechtswidrig wären, die Weigerung gegenüber der Klägerin nicht rechtfertigen konnten. Auf der Grundlage dieser Methodik hätte die Berücksichtigung allein dieser Gründe nämlich nicht dazu geführt, dass es der Klägerin verweigert worden wäre, ihr die in Art. 429 Abs. 14 der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehene Ausnahme in vollem Umfang zu gewähren.

127    Der vorliegenden Klage ist daher stattzugeben und der angefochtene Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als die EZB es der Klägerin verweigert hat, 34 % ihrer Risikopositionen gegenüber der CDC bei der Berechnung ihrer Verschuldungsquote unberücksichtigt zu lassen, ohne dass das Vorbringen der Klägerin zu den anderen Gründen als dem in Nr. 2.2.2 des angefochtenen Beschlusses angeführten geprüft zu werden braucht.

 Kosten

128    Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die EZB unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss ECB-SSM-2019-FRCAG-39 der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 3. Mai 2019 wird insoweit für nichtig erklärt, als die EZB es dem Crédit lyonnais verweigert hat, 34 % seiner Risikopositionen gegenüber der Caisse des dépôts et consignations bei der Berechnung seiner Verschuldungsquote unberücksichtigt zu lassen.

2.      Die EZB trägt die Kosten.

Tomljenović

Schalin

Nõmm

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. April 2021.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.