Language of document : ECLI:EU:T:2012:327

Rechtssache T‑133/09

I Marchi Italiani Srl und
Antonio Basile

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt
(Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftsbildmarke B. Antonio Basile 1952 – Ältere nationale Wortmarke BASILE – Relatives Eintragungshindernis – Verwirkung durch Duldung – Art. 53 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 54 Abs. 2 der Verordnung [EG] Nr. 207/2009) – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009)“

Leitsätze des Urteils

1.      Gemeinschaftsmarke – Beschwerdeverfahren – Klage vor den Unionsgerichten – Zuständigkeit des Gerichts – Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der Beschwerdekammern – Berücksichtigung der rechtlichen und tatsächlichen Umstände, die den Stellen des Amtes zuvor nicht vorgetragen wurden, durch das Gericht – Ausschluss

(Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 135 § 4; Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 63)

2.      Gemeinschaftsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Verwirkung durch Duldung – Ausschlussfrist – Beginn

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 53 Abs. 2)

3.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke – Beurteilung der Verwechslungsgefahr

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

4.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Ähnlichkeit der betreffenden Marken – Beurteilungskriterien – Zusammengesetzte Marke

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

5.      Gemeinschaftsmarke – Verzicht, Verfall und Nichtigkeit – Relative Nichtigkeitsgründe – Bestehen einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke – Bildmarke B. Antonio Basile 1952 und Wortmarke BASILE

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und 52 Abs. 1 Buchst. a)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 16, 19, 23)

2.      Für das Ingangsetzen der Frist für die Verwirkung durch Duldung im Fall der Benutzung einer mit der älteren Marke identischen oder zum Verwechseln ähnlichen jüngeren Marke müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens muss die jüngere Marke eingetragen sein, zweitens muss die Anmeldung der jüngeren Marke durch ihren Inhaber gutgläubig vorgenommen worden sein, drittens muss sie in dem Mitgliedstaat benutzt werden, in dem die ältere Marke geschützt ist, und viertens schließlich muss der Inhaber der älteren Marke Kenntnis von der Benutzung dieser Marke nach ihrer Eintragung haben.

Der Zweck von Art. 53 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke ist es, die Inhaber von älteren Marken, die die Benutzung einer jüngeren Gemeinschaftsmarke während eines Zeitraums von fünf Jahren in Kenntnis dieser Benutzung geduldet haben, mit dem Verlust der Nichtigkeits- und der Widerspruchsklage gegen diese Marke zu strafen, die demnach neben der älteren Marke weiter bestehen darf. Von dem Zeitpunkt an, ab dem der Inhaber der älteren Marke Kenntnis von der Benutzung der jüngeren Gemeinschaftsmarke hat, hat er die Möglichkeit, sie nicht zu dulden und folglich ihr zu widersprechen oder die Nichtigerklärung der jüngeren Marke zu beantragen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Inhaber der älteren Marke die Benutzung der jüngeren Gemeinschaftsmarke ab dem Zeitpunkt, in dem er von der Benutzung Kenntnis hatte, geduldet hat, wenn er nicht imstande war, sich der Benutzung der Marke zu widersetzen oder ihre Nichtigerklärung zu beantragen.

Aus der teleologischen Auslegung von Art. 53 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 geht hervor, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Berechnung der Ingangsetzung der Verwirkungsfrist der Zeitpunkt der Kenntnis von der Benutzung dieser Marke ist. Dieser Zeitpunkt kann nur nach der Eintragung liegen, dem Moment, in dem das Recht aus der Gemeinschaftsmarke erworben (vgl. siebter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 40/94) und diese Marke als eingetragene Marke auf dem Markt verwendet wird, so dass Dritte von ihrer Benutzung erfahren können. Folglich beginnt die Frist für die Verwirkung durch Duldung ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Inhaber der älteren Marke Kenntnis von der Benutzung der jüngeren Gemeinschaftsmarke erlangt hat, und zwar nach deren Eintragung, und nicht ab dem Zeitpunkt der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke.

(vgl. Randnrn. 31-33)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 38, 40, 62)

4.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Randnrn. 41-42, 45-46)

5.      Für den italienischen Verbraucher besteht zwischen dem Bildzeichen B. Antonio Basile 1952, das als Gemeinschaftsmarke für „Hemden, Strickwaren, Oberbekleidung für Herren, Damen und Kinder, ausgenommen Lederbekleidung, Krawatten, Unterwäsche, Schuhe, Hüte, Socken, Schals für Herren, Damen und Kinder“, Waren der Klasse 25 des Abkommens von Nizza, eingetragen wurde, und der Wortmarke BASILE, die zuvor in Italien und als internationale Marke für „Oberbekleidung für Herren aus Stoff, Leder, gewirkter Ware oder anderem wie Jacken, Hosen, einschließlich Jeans, Oberhemden, kurzärmlige Hemden, T‑Shirts, Unterhemden, Pullover, Blousons, Überzieher, Regenmäntel, Mäntel, Anzüge, Badebekleidung, Morgenmäntel“ derselben Klasse eingetragen wurde, Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke, da die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren identisch oder ähnlich sind und die einander gegenüberstehenden Marken ähnlich sind.

(vgl. Randnrn. 61, 63-64, 69)