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Rechtsmittel, eingelegt am 29. Dezember 2023 von der Bourbon Offshore Interoil Shipping – Navegação, Lda gegen den Beschluss des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 18. Oktober 2023 in der Rechtssache T-721/22, Bourbon Offshore Interoil Shipping/Kommission (Zona Franca da Madeira)

(Rechtssache C-803/23 P)

Verfahrenssprache: Portugiesisch

Parteien

Rechtsmittelführerin: Bourbon Offshore Interoil Shipping – Navegação, Lda (vertreten durch Rechtsanwältinnen S. Fernandes Martins und M. Mendonça Saraiva)

Andere Partei des Verfahrens: Europäische Kommission

Anträge

Die Rechtsmittelführerin beantragt,

i. den Beschluss des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 18. Oktober 2023 in der Rechtssache T-721/22 aufzuheben und anstelle des Gerichts

a. den Beschluss (EU) 2022/14141 der Kommission vom 4. Dezember 2020 über die vom portugiesischen Staat durchgeführte Beihilferegelung SA.21259 (2018/C) (ex 2018/NN) zugunsten der Freizone Madeira (Zona Franca da Madeira) für nichtig zu erklären,

b. in jedem Fall, unbeschadet der Ausführungen unter a., Art. 4 des oben genannten Beschlusses (EU) 2022/1414 der Kommission vom 4. Dezember 2020 über die Beihilferegelung SA.21259 (2018/C) (ex 2018/NN) und folglich die Anordnung der Rückforderung der Beihilfe von den Begünstigten zuzüglich Zinsen für nichtig zu erklären,

sowie, soweit den vorstehenden Anträgen stattgegeben wird,

ii. der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Rechtsmittelgründe und wesentliche Argumente

1. Erster Rechtsmittelgrund: Beurteilungsfehler im angefochtenen Beschluss in Bezug auf die Erfüllung der Voraussetzung „Schaffung von Arbeitsplätzen

⎯ Entgegen der Auffassung des Gerichts habe die Kommission die Anwendung der Methode der Jahresarbeitseinheiten/des Vollzeitäquivalents durch den portugiesischen Staat vorgeschrieben – vgl. in diesem Sinne Nrn. 173 bis 179 und 216 des Beschlusses der Kommission.

⎯ Aus dem angefochtenen Beschluss gehe hervor, dass nach Auffassung des Gerichts sowohl die Beschlüsse von 2007 und 2013 als auch die Ratio, die der Genehmigung der Regelung III zugrunde liege, für die zwingende Anwendung der Methode der Jahresarbeitseinheiten/des Vollzeitäquivalents sprächen. Diese Argumentation entbehre einer Rechtsgrundlage, da weder die Beschlüsse von 2007 und 2013 noch Abschnitt 5 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007-2013 (im Folgenden : Leitlinien 2007-2013) – der für die Kategorie der Betriebsbeihilfen, der die Regelung III unterfalle, geltende Abschnitt – einen Verweis auf die Methode der Jahresarbeitseinheiten/des Vollzeitäquivalents enthielten.

⎯ Diese Methode sei nur in Fn. 52 in Abschnitt 4 der Leitlinien 2007-2013 erwähnt, die nur für die Kategorie der Investitionsbeihilfen gelte, der die Regelung III nicht unterfalle.

⎯ Da Fn. 52 der Leitlinien 2007-2013 nicht anzuwenden sei und es im Unionsrecht keine übergreifende Definition dafür gebe, was mit der „Schaffung von Arbeitsplätzen“ gemeint sei, sei im Licht des nationalen Rechts zu prüfen, ob diese Voraussetzung für die Anwendung der Regelung III erfüllt sei. Auf diese Weise würden die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität beachtet, die im Bereich der geteilten Zuständigkeit das gesetzgeberische Tätigwerden der Union auf das beschränkten, was zur Gewährleistung der Ziele der Verträge unerlässlich sei.

⎯ Es bestehe keinerlei Widerspruch zwischen dem portugiesischen Arbeitsrecht und den Vorschriften des Unionsrechts, insbesondere den für staatliche Beihilfen geltenden Regelungen, die eine Abweichung von Rechtsvorschriften des portugiesischen Arbeitsrechts rechtfertigen könnten.

⎯ Die Anwendung des portugiesischen Arbeitsrechts führe nicht zwangsläufig zu missbräuchlichen Ergebnissen und stehe der Feststellung der tatsächlichen Arbeitszeit im von der Kommission vertretenen Sinne nicht entgegen.

⎯ Eine blinde Anwendung des Kriteriums der Jahresarbeitseinheiten/des Vollzeitäquivalents führe zu Friktionen mit dem portugiesischen Recht, da sie von diesem Recht erfasste Fälle der Schutzbedürftigkeit wie Elternschaft und Krankheit außer Acht lasse.

⎯ Das Gericht hätte die Abweichung vom nationalen Recht durch vorrangige Anwendung einer im Unionsrecht verankerten Methode deduktiv begründen müssen, was nicht erfolgt sei, so dass der angefochtene Beschluss rechtswidrig und daher für nichtig zu erklären und durch einen Beschluss zu ersetzen sei, mit dem der Beschluss (EU) 2022/1414 der Kommission vom 4. Dezember 2020 vollständig für nichtig erklärt werde.

2. Zweiter Rechtsmittelgrund: Beurteilungsfehler im angefochtenen Beschluss durch die Feststellung, dass Art. 4 des Beschlusses (EU) 2022/1414 der Kommission vom 4. Dezember 2020 nicht gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des berechtigten Vertrauens verstoße

⎯ Weder in den Beschlüssen von 2007 und 2013 noch in den Leitlinien 2007-2013 sei bestimmt, nach welcher Methode zu ermitteln sei, ob die Voraussetzung der „Schaffung von Arbeitsplätzen“ erfüllt sei, wobei die Auswertung der üblichen Praxis der Kommission und des Ziels und der Systematik der Regelung III die Auslegung nahelege, dass die Methode der Jahresarbeitseinheiten/des Vollzeitäquivalents zur Definition von Arbeitsplätzen nicht anwendbar sei. Wenn man also wie das Gericht davon ausgehe, dass das fragliche Erfordernis nur im von der Kommission vertretenen Sinne ausgelegt werden könne, komme man nicht um die Feststellung umhin, dass es der in Rede stehenden rechtlichen Regelung an Klarheit mangele.

⎯ Das Gericht habe die (mindestens acht Jahre) andauernde Untätigkeit der Kommission zu Unrecht als unbedenklich angesehen, wobei die fehlende Festlegung einer Höchstdauer der Kontrolle durch die Kommission nicht zur Begründung dafür geeignet sei, dass diese Untätigkeit rechtsfolgenlos bleibe.

⎯ Die Rechtsmittelführerin sei davon überzeugt gewesen, dass die Regelung III voll und ganz mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, da diese von der Kommission genehmigt worden sei und zudem an eine in jeder Hinsicht ähnliche Regelung – Regelung II – anschließe, hinsichtlich deren nie Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht aufgekommen seien.

⎯ Darin, dass der portugiesische Staat der Kommission regelmäßig Angaben übermittelt habe, die eine Kontrolle der Anwendung der Beihilfen ermöglicht hätten, und die Kommission niemals öffentliche bekannt gegeben habe, dass die Beihilfen rechtswidrig seien, liege eine konkrete Zusicherung an die Begünstigten der Regelung III, dass der portugiesische Staat sie rechtswidrig angewandt habe, die bei ihnen ein berechtigtes Vertrauen in diesem Sinne hervorgerufen habe.

⎯ Es sei nicht überzeugend, dass der „durchschnittliche Begünstigte“ der Beihilfe (im Sinne des Rechtsbegriffs „Durchschnittsmensch“) in der Lage der Rechtsmittelführerin angesichts der Untätigkeit der Kommission und des Fehlens ausdrücklicher Verweise in diesem Sinne den Begriff „Schaffung von Arbeitsplätzen“ im Sinne von Fn. 52 der Leitlinien 2007-2013 – d. h. unter Verwendung der Methode der Jahresarbeitseinheiten/des Vollzeitäquivalents – anwenden oder auch nur erwägen würde, dass der Begriff in einer solchen Auslegung anzuwenden sein könnte, da nichts in diese Richtung deute.

⎯ Daher sei der durch die Annahme, dass die Grundsätze der Rechtssicherheit und des berechtigten Vertrauens nicht verletzt seien, begründete Beurteilungsfehler im angefochtenen Beschluss offensichtlich; letzterer sei für nichtig zu erklären und anschließend gemäß Art. 16 der Verordnung (EU) 2015/15891 des Rates vom 13. Juli 2015 durch einen Beschluss zu ersetzen, mit dem Art. 4 des Beschlusses (EU) 2022/1414 der Kommission vom 4. Dezember 2020 für nichtig erklärt werde.

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1 ABl. 2022, L 217, S. 49.

1 Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ⎯ ABl. 2015, L 248, S. 9.