Language of document : ECLI:EU:T:2022:774

URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer)

7. Dezember 2022(*)

„Wirtschafts- und Währungspolitik – Aufsicht über Kreditinstitute – Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 – Erforderlichkeit einer direkten Beaufsichtigung eines weniger bedeutenden Kreditinstituts durch die EZB – Ersuchen der zuständigen nationalen Behörde – Art. 68 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 – Beschluss der EZB, mit dem PNB Banka als bedeutendes Unternehmen eingestuft wird, das der direkten Beaufsichtigung unterliegt – Begründungspflicht – Verhältnismäßigkeit – Verteidigungsrechte – Zugang zur Verwaltungsakte – Bericht nach Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 – Art. 106 der Verfahrensordnung – Antrag auf mündliche Verhandlung ohne Begründung“

In der Rechtssache T‑301/19,

PNB Banka AS mit Sitz in Riga (Lettland), vertreten durch Rechtsanwalt O. Behrends,

Klägerin,

gegen

Europäische Zentralbank (EZB), vertreten durch C. Hernández Saseta, F. Bonnard und D. Segoin als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni (Berichterstatter), der Richter L. Madise und P. Nihoul, der Richterin R. Frendo und des Richters J. Martín y Pérez de Nanclares,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragt die Klägerin, die PNB Banka AS, die Nichtigerklärung des mit Schreiben vom 1. März 2019 bekannt gegebenen Beschlusses der Europäischen Zentralbank (EZB), sie als bedeutendes Unternehmen einzustufen, das der direkten Beaufsichtigung unterliegt (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

I.      Rechtlicher Rahmen

2        Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63) bestimmt: „In Bezug auf die [weniger bedeutenden] Kreditinstitute und innerhalb des in Absatz 7 [dieses Artikels] festgelegten Rahmenwerks kann die EZB jederzeit von sich aus, wenn dies für die Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards erforderlich ist, nach Konsultation der nationalen zuständigen Behörden oder auf Ersuchen einer nationalen zuständigen Behörde beschließen, sämtliche einschlägigen Befugnisse in Bezug auf ein oder mehrere [weniger bedeutende] Kreditinstitute unmittelbar selbst auszuüben, einschließlich in den Fällen, in denen eine indirekte finanzielle Unterstützung durch die [Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF)] oder den [Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)] beantragt oder entgegengenommen wurde“.

3        Art. 67 („Kriterien für einen Beschluss der EZB nach Artikel 6 Absatz 5 Buchstabe b der …Verordnung [Nr. 1024/2013]“) der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der EZB vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der EZB und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (ABl. 2014, L 141, S. 1) zählt in Abs. 2 verschiedene Faktoren auf, die die EZB, bevor sie den Beschluss fasst, die direkte Beaufsichtigung u. a. eines weniger bedeutenden beaufsichtigten Unternehmens auszuüben, u. a. zu berücksichtigen hat.

4        Art. 68 („Verfahren zur Vorbereitung eines Beschlusses der EZB gemäß Artikel 6 Absatz 5 Buchstabe b der …Verordnung [Nr. 1024/2013] auf Ersuchen einer NCA [National Competent Authority, nationale zuständige Behörde]“) der Verordnung Nr. 468/2014 bestimmt:

„…

(3)      Dem Ersuchen der NCA wird ein Bericht über die Aufsichtsbilanz und das Risikoprofil des betreffenden weniger bedeutenden beaufsichtigten Unternehmens oder der betreffenden weniger bedeutenden beaufsichtigten Gruppe beigefügt.

(5)      Beschließt die EZB, dass die direkte Beaufsichtigung des weniger bedeutenden beaufsichtigten Unternehmens oder der weniger bedeutenden beaufsichtigten Gruppe durch die EZB zur Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards erforderlich ist, fasst sie gemäß Titel 2 [des Teils IV dieser Verordnung] einen Beschluss der EZB.“

II.    Vorgeschichte des Rechtsstreits

5        Die Klägerin war zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses ein weniger bedeutendes Kreditinstitut im Sinne von Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1024/2013 (im Folgenden: weniger bedeutendes Kreditinstitut) mit Sitz in Lettland. Sie stand daher unter der direkten Aufsicht der Finanšu un kapitāla tirgus komisija (Finanz- und Kapitalmarktkommission, Lettland, im Folgenden: FKMK).

6        CR war zum Zeitpunkt der Klageerhebung Hauptaktionär der Klägerin.

7        Laut der Klägerin „benachrichtigten“ am 25. August 2017 die Klägerin sowie CR und andere Familienmitglieder, Aktionäre der Klägerin, die Republik Lettland über einen Rechtsstreit betreffend den Schutz ihrer Investitionen. Sie machten geltend, die der Klägerin von der FKMK auferlegten Aufsichtsanforderungen seien ungerechtfertigt und unangemessen.

8        Im August 2017 legte CR nach Angaben der Klägerin bei den Behörden des Vereinigten Königreichs eine Beschwerde gegen A, Präsident der Latvijas Banka (Zentralbank Lettlands), wegen Vorwürfen der Korruption ein. Die angezeigten Korruptionsvorwürfe bestanden in den Versuchen von A, aufgrund des Einflusses, den dieser auf die FKMK habe, Bestechungsgelder von CR zu erhalten.

9        Im September 2017 wurde die Klägerin als „weniger bedeutendes Institut in Krisensituation“ im Sinne des Rahmens für die Zusammenarbeit zum Krisenmanagement für die weniger bedeutenden Institute eingestuft, was eine besondere Aufsicht über die Klägerin durch eine aus der FKMK und der EZB bestehende Krisenmanagementgruppe zur Folge hatte.

10      Am 16. November 2017 ersuchte die FKMK die EZB, die direkte Aufsicht über die Klägerin zu übernehmen. Dieses Ersuchen war insbesondere auf drei Gesichtspunkte gestützt: erstens die Ergebnisse einer von der FKMK durchgeführten Prüfung vor Ort und ihre Auswirkungen auf die Eigenkapitalquote der Klägerin, zweitens die anhaltende Verletzung der Obergrenze für Großkredite, deren Beseitigung sich zusätzlich negativ auf die Eigenkapitalquote auswirken könnte, und drittens die Benachrichtigung durch die Klägerin und ihren Hauptaktionär über einen Rechtsstreit betreffend den Schutz der Investitionen.

11      Nach Prüfung des oben in Rn. 10 genannten Ersuchens in einer Sitzung des Aufsichtsgremiums vom 28. November 2017 lehnte die EZB dieses Ersuchen ab.

12      Am 12. Dezember 2017 leiteten die Klägerin sowie CR und andere Mitglieder seiner Familie, Aktionäre der Klägerin, ein Schiedsverfahren gegen die Republik Lettland vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) auf der Grundlage des Vertrags vom 24. Januar 1994 zur Förderung und zum Schutz von Investitionen zwischen dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland und der Republik Lettland ein (im Folgenden: Schiedsverfahren). Sie machten geltend, dass die Klägerin seit Ende 2015 einer übermäßigen und willkürlichen Aufsicht unterliege, was in Erhöhungen der aufsichtsrechtlichen Eigenmittel und in Geschäftsbeschränkungen zum Ausdruck komme. Diese übermäßige und willkürliche Aufsicht sei auf den Einfluss zurückzuführen, den A auf die FKMK ausgeübt habe, mit dem Ziel, Bestechungsgelder von der Klägerin und von CR zu erhalten.

13      Im Dezember 2017 zeigte CR nach Angaben der Klägerin bei den lettischen Behörden die oben in Rn. 8 angeführten Vorwürfe der Korruption an.

14      Am 17. Februar 2018 wurde A festgenommen, nachdem am 15. Februar 2018 ein vom Korupcijas novēršanas un apkarošanas birojs (Büro zur Verhütung und Bekämpfung der Korruption, Lettland, im Folgenden: KNAB) geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden war. Gegenstand dieser Ermittlung waren Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem aufsichtsrechtlichen Verfahren gegen eine andere lettische Bank als die Klägerin. Mit Entscheidung vom 19. Februar 2018 erlegte das KNAB A bei seiner Freilassung mehrere Sicherungsmaßnahmen auf, darunter das Verbot, sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands auszuüben.

15      Am 28. Juni 2018 wurde A von der Staatsanwältin, die mit der oben in Rn. 14 angeführten Sache betraut war, angeklagt. Die Anklageschrift, ergänzt am 24. Mai 2019, umfasste drei Anklagevorwürfe. Der erste Anklagevorwurf betraf die Annahme eines vom Präsidenten des Aufsichtsrats einer anderen lettischen Bank als die Klägerin im Jahr 2010 gemachten Angebots für ein Bestechungsgeschenk und des Bestechungsgeschenks selbst, wofür A im Gegenzug Ratschläge erteilt habe, um es dieser Bank zu ermöglichen, sich der Aufsicht der FKMK zu entziehen, und sich nicht an den Sitzungen der FKMK beteiligt habe, in denen Fragen zur Aufsicht über diese Bank besprochen worden seien. Der zweite Anklagevorwurf betraf zum einen die Annahme eines Bestechungsgeldangebots nach dem 23. August 2012 durch den stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstands derselben Bank als Gegenleistung für eine Beratung durch A im Hinblick auf die Aufhebung der von der FKMK angeordneten Beschränkungen der Tätigkeiten und auf die Vermeidung weiterer Beschränkungen und zum anderen die Annahme der Zahlung der Hälfte dieses Bestechungsgeldes durch A. Der dritte Anklagevorwurf betraf Geldwäsche mit dem Ziel, die Herkunft, die Übermittlung und das Eigentum des an A gezahlten Geldes, das dem im zweiten Anklagevorwurf genannten Bestechungsgeld entspricht, zu verschleiern.

16      Mit Schreiben vom 5. Juli und 12. September 2018 teilten die Klägerin und CR der Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums der EZB mit, dass die Untersuchung der oben in Rn. 8 angeführten Korruptionsvorwürfe im Gange sei. Sie wiesen darauf hin, dass A nach seiner Festnahme im Februar 2018 sie betreffende feindselige und falsche öffentliche Äußerungen abgegeben habe, da A behauptet habe, dass der Erwerb der Klägerin durch CR betrügerisch gewesen sei. Sie waren der Ansicht, dass die Aufsichtsanforderungen der FKMK an die Klägerin übermäßig und diskriminierend seien. Sie forderten die EZB auf, tätig zu werden, indem sie eine Untersuchung durchführe und geeignete Maßnahmen ergreife, wie etwa geeignete Änderungen des mit der Aufsicht über die Klägerin betrauten Personals. Bei dieser Gelegenheit schrieben sie: „Eine der Ideen, die dem [einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM)] zugrunde liegt, war, dass eine objektivere und unparteiischere Aufsicht eher von der EZB als von den lokalen Aufsichtsbehörden sichergestellt werden kann. Die [Klägerin] und [CR] freuen sich, zu diesem Zweck mit der EZB zusammenzuarbeiten“ (Schreiben vom 5. Juli 2018, S. 13).

17      Am 30. September 2018 erließ das ICSID vorläufige Maßnahmen, mit denen der Republik Lettland empfohlen wurde, keine Maßnahmen im Hinblick auf den Entzug der Zulassung der Klägerin zu ergreifen, wobei es sich auf eine angebliche Unvereinbarkeit mit einer der aufsichtsrechtlichen Anforderungen bezog, die Gegenstand der in einem Beschluss der FKMK vom 27. Februar 2018 festgelegten endgültigen Frist waren (im Folgenden: Empfehlung des ICSID).

18      Am 8. Oktober 2018 teilte die Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der EZB der Klägerin und CR in Beantwortung ihrer Schreiben vom 5. Juli und 12. September 2018 mit, dass die EZB im Rahmen ihrer Aufgabe, das Funktionieren des SSM zu kontrollieren, die Auffassung der FKMK teile, wonach die Eigenkapitalsituation der Klägerin eine besondere Aufsicht erfordere. Sie wies darauf hin, dass die Klägerin wiederholte Verlängerungen der Fristen für die Annahme von Maßnahmen im Bereich des Eigenkapitals erhalten habe und dass trotz des Fortbestehens der Probleme dieser Art für die Klägerin keine strengen Aufsichtsmaßnahmen von Seiten der FKMK gegolten hätten außer den Aufforderungen zur Erhöhung des Eigenkapitals, zu Rückforderungsmaßnahmen und zusätzlichen Rückstellungen. Die Klägerin habe seit mehreren Jahren die Grenzen für Großkredite gegenüber einem Dritten missachtet und wiederholte Verlängerungen der Frist zur Abhilfe erhalten. Sie habe keinen Anhaltspunkt dafür geliefert, dass die der Klägerin auferlegten Aufsichtsmaßnahmen übermäßig oder unverhältnismäßig gewesen seien. Abschließend kündigte sie an, dass sie beabsichtige, ihre Kontrollaufgabe wahrzunehmen, wobei sie insbesondere auf die Maßnahmen der Klägerin zur Behebung von Verstößen gegen die Aufsichtsanforderungen achte.

19      Am 21. Dezember 2018 ersuchte die FKMK die EZB erneut, die direkte Aufsicht über die Klägerin zu übernehmen. Sie erinnerte an ihr früheres Ersuchen vom 16. November 2017 und nahm auf die Empfehlung des ICSID Bezug. Sie wies darauf hin, dass mehrere Monate verstreichen könnten, bevor das ICSID über die vorläufigen Maßnahmen entscheide, was bedeute, dass die FKMK für einen unbestimmten Zeitraum daran gehindert sei, ihre Aufsichtsaufgaben zu erfüllen. Nach Ansicht der FKMK hindert die Übernahme der direkten Aufsicht durch die EZB die Klägerin daran, den behaupteten Interessenkonflikt als Argument gegen die Aufsichtstätigkeiten zu verwenden, und ermögliche es, eine Situation zu überwinden, in der eine Bank ständig gegen ihre Verpflichtungen verstoße und die Regulierungsbehörde daran gehindert sei, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diese Handlungen zu beenden. Die Informationen, die sich bereits im Besitz der EZB befänden, erleichterten die Übertragung von Aufsichtsaufgaben. Ihr Beschluss vom 27. Februar 2018 sei nicht durchgeführt worden, d. h., die Situation der Klägerin verstoße immer noch gegen die Eigenkapitalanforderungen und die Obergrenzen für Großkredite, und in naher Zukunft sei keine tragfähige und glaubwürdige Lösung vorhersehbar. Seit der Einleitung des Schiedsverfahrens zeige die Reaktion der Klägerin auf fast alle Aufsichtstätigkeiten nicht den Willen, eine erfolgreiche Zusammenarbeit umzusetzen. Sie wies darauf hin, dass nach Ansicht der Klägerin jedes Ersuchen der FKMK Gegenstand der schiedsgerichtlichen Streitigkeit sei und einen zusätzlichen Beweis für eine willkürliche Vorgehensweise darstelle. CR habe darauf hingewiesen, dass er die Anforderungen der FKMK, d. h. die Stärkung der Eigenmittel der Klägerin, nur umsetzen werde, wenn diese Anforderungen von einem unabhängigen Dritten geprüft würden. Sie schloss daraus, dass sie nicht die Möglichkeit habe, eine Aufsicht auf hohem Niveau über die Klägerin auszuüben.

20      Am 11. Februar 2019 übermittelte die EZB der Klägerin zur Stellungnahme den Entwurf eines Beschlusses betreffend die Übernahme ihrer direkten Aufsicht durch die EZB.

21      Am 22. Februar 2019 antwortete die Klägerin, dass sie die Behauptung, sie habe nicht den Willen gezeigt, eine erfolgreiche Zusammenarbeit umzusetzen, zurückweise. Sie wies vielmehr darauf hin, dass bis dahin weder die FKMK noch die EZB auf ihre zahlreichen Versuche und diejenigen ihrer Aktionäre, eine konstruktive Zusammenarbeit zu suchen, insbesondere in Bezug auf die Korruptionsvorwürfe, die der EZB bekannt gewesen seien, angemessen reagiert hätten. Sie kam zu dem Ergebnis, dass sie diesem Beschlussentwurf widerspreche.

22      Mit Urteil vom 26. Februar 2019, Rimšēvičs und EZB/Lettland (C‑202/18 und C‑238/18, EU:C:2019:139), hat der Gerichtshof die Entscheidung des KNAB vom 19. Februar 2018 für nichtig erklärt, soweit damit A untersagt worden war, sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands auszuüben. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Republik Lettland nicht nachgewiesen hatte, dass die Entlassung von A aus seinem Amt auf das Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte dafür gestützt war, dass er eine schwere Verfehlung im Sinne von Art. 14.2 Abs. 2 des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB begangen hatte.

23      Am 1. März 2019 teilte das Sekretariat des EZB-Rates der Klägerin den angefochtenen Beschluss mit, der auf der Grundlage eines auf Art. 26 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1024/2013 gestützten Vorschlags des Aufsichtsgremiums gemäß Art. 6 Abs. 5 Buchst. b dieser Verordnung in Verbindung mit Art. 39 Abs. 5 der Verordnung Nr. 468/2014 erlassen wurde.

24      Das Sekretariat des EZB-Rates wies darauf hin, dass die EZB als zuständige Behörde für die direkte Aufsicht über die Klägerin zuständig sei. Der angefochtene Beschluss sei gemäß Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 und Teil IV der Verordnung Nr. 468/2014 erlassen worden. Die Klägerin werde in die Liste, in der die von der EZB direkt beaufsichtigten Unternehmen aufgeführt sind, aufgenommen, die die EZB gemäß Art. 49 Abs. 1 der Verordnung Nr. 468/2014 veröffentliche und aktualisiere.

25      Hinsichtlich des Sachverhalts, auf den der angefochtene Beschluss gestützt wurde (Teil 1 dieses Beschlusses), wies das Sekretariat des EZB-Rates darauf hin, dass die Klägerin die Kriterien nach Art. 6 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1024/2013 nicht erfülle und daher gegenwärtig als weniger bedeutendes Unternehmen eingestuft werde, das der direkten Aufsicht der FKMK unterliege. Es erinnerte an die Zusammensetzung der Aktionäre der Klägerin sowie an die Konzernstruktur. Es verwies auf die Einleitung des Schiedsverfahrens und die Empfehlung des ICSID. Es nannte auch die Abschnitte des Verwaltungsverfahrens, das dem angefochtenen Beschluss vorausgegangen sei.

26      Zur Würdigung des Sachverhalts (Teil 2 des angefochtenen Beschlusses) wies das Sekretariat des EZB-Rates darauf hin, dass die EZB die Übernahme der direkten Aufsicht über die Klägerin für erforderlich gehalten habe, um eine kohärente Anwendung einer Aufsicht auf hohem Niveau sicherzustellen. Diese Schlussfolgerung beruhe auf folgenden Erwägungen. Die FKMK habe in ihrem Ersuchen darauf hingewiesen, dass seit der Einleitung des Schiedsverfahrens die Reaktion der Klägerin auf fast alle Aufsichtstätigkeiten weiterhin keinen Willen zeige, eine erfolgreiche Zusammenarbeit umzusetzen. Die FKMK gehe ihrerseits davon aus, dass sie selbst nicht die Fähigkeit habe, eine Aufsicht auf hohem Niveau über die Klägerin nach den Vorschriften der Union und des SSM auszuüben. Die FKMK sei der Ansicht, dass die Übernahme der Aufsicht durch die EZB die geeignetste Option sei, um eine angemessene Aufsicht über die Klägerin sicherzustellen. Das Sekretariat des EZB-Rates kam zu dem Schluss, dass nach Ansicht der EZB die Übernahme der direkten Aufsicht im Sinne von Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 erforderlich sei. Diese Schlussfolgerung werde durch die Stellungnahmen der Klägerin im Verwaltungsverfahren, das dem angefochtenen Beschluss vorausgegangen sei, nicht berührt, da sie keine Argumente oder Informationen vorgebracht habe, die von der EZB nicht bereits berücksichtigt worden seien.

27      Schließlich wies das Sekretariat des EZB-Rates darauf hin, dass eine Beschwerde beim administrativen Überprüfungsausschuss der EZB eingelegt werden könne und dass beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage erhoben werden könne.

28      Der angefochtene Beschluss wurde am 4. April 2019 wirksam.

29      Mit Schreiben vom 18. April 2019 übermittelte die EZB der Klägerin in Beantwortung eines von ihr am 27. November 2018 an sie gerichteten Antrags eine Liste der im Besitz der EZB befindlichen Dokumente betreffend ihre Aufsicht. Das Recht auf Einsicht in die Verwaltungsakte erstrecke sich nicht auf vertrauliche Informationen, so dass die Liste für jedes Dokument eine Einstufung enthalte, je nachdem, ob dieses Dokument zugänglich oder vertraulich sei.

30      Mit Klageschrift, die am 14. Mai 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerin, CR und CT die vorliegende Klage erhoben.

III. Sachverhalt nach Klageerhebung

31      Am 15. August 2019 gelangte die EZB zu der Einschätzung, dass die Klägerin im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) ausfalle oder wahrscheinlich ausfalle. Am selben Tag beschloss der Einheitliche Abwicklungsausschuss (SRB), in Bezug auf die Klägerin kein Abwicklungskonzept im Sinne von Art. 18 Abs. 1 dieser Verordnung zu erlassen.

32      Am 22. August 2019 beantragte die FKMK bei der Rīgas pilsētas Vidzemes priekšpilsētas tiesa (Stadtgericht Riga, Bezirk Vidzeme, Lettland), die Klägerin für zahlungsunfähig zu erklären.

33      Am 12. September 2019 erklärte die Rīgas pilsētas Vidzemes priekšpilsētas tiesa (Stadtgericht Riga, Bezirk Vidzeme) die Klägerin für zahlungsunfähig. Sie ernannte einen für das Insolvenzverfahren zuständigen Insolvenzverwalter (im Folgenden: Insolvenzverwalter) und übertrug ihm sämtliche Befugnisse der Klägerin und ihres Vorstands. Sie wies den Antrag des Vorstands der Klägerin zurück, seine Rechte auf deren Vertretung im Rahmen der Klage gegen die Bewertung der EZB vom 15. August 2019, mit der festgestellt worden sei, dass die Klägerin ausfalle oder wahrscheinlich ausfalle, gegen den Beschluss des SRB vom selben Tag, in Bezug auf die Klägerin kein Abwicklungskonzept festzulegen, und gegen den Beschluss der FKMK, ein Insolvenzverfahren einzuleiten, aufrechtzuerhalten. Dieses Gericht fügte hinzu, dass dies die Möglichkeit für den Vorstand der Klägerin nicht ausschließe, hinsichtlich der Vertretungsrechte für besondere Aufgaben beim Insolvenzverwalter einen gesonderten Antrag zu stellen.

34      Ebenfalls am 12. September 2019 beantragte die FKMK bei der EZB, der Klägerin die Zulassung zu entziehen.

35      Mit Klageschrift, die am 25. Oktober 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (Rechtssache T‑732/19), haben die Klägerin sowie andere Aktionäre oder potenzielle Aktionäre der Klägerin die Nichtigerklärung des Beschlusses des SRB vom 15. August 2019, in Bezug auf die Klägerin kein Abwicklungskonzept festzulegen, beantragt.

36      Am 21. Dezember 2019 endete das Amt von A als Präsident der Zentralbank Lettlands.

37      Mit Klageschrift, die am 29. Januar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (Rechtssache T‑50/20), hat die Klägerin die Nichtigerklärung des Beschlusses vom 19. November 2019 beantragt, mit dem die EZB es abgelehnt hat, dem Insolvenzverwalter aufzugeben, dem vom Vorstand der Klägerin beauftragten Rechtsanwalt Zugang zu ihren Räumlichkeiten, zu den in ihrem Besitz befindlichen Informationen, zu ihren Mitarbeitern und zu ihren Betriebsmitteln zu gewähren.

38      Am 17. Februar 2020 entzog die EZB der Klägerin die Zulassung. Der Entzug wurde am folgenden Tag wirksam.

39      Mit Klageschrift, die am 27. April 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (Rechtssache T‑230/20), hat die Klägerin Klage gegen diesen Beschluss erhoben.

IV.    Verfahren und Anträge der Parteien

40      Am 31. Juli 2019 hat die EZB bei der Kanzlei des Gerichts eine Klagebeantwortung eingereicht.

41      Am 28. April 2020 hat der Präsident der Vierten Kammer gemäß Art. 69 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts beschlossen, das Verfahren bis zur Verkündung der Entscheidung des Gerichts in der Rechtssache T‑50/20 auszusetzen. Mit Beschluss vom 12. März 2021, PNB Banka/EZB (T‑50/20, EU:T:2021:141), hat das Gericht seine Entscheidung in dieser Rechtssache erlassen, und das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache ist an diesem Tag wieder aufgenommen worden.

42      Am 27. April 2021 und am 28. Juni 2021 haben die Klägerin, CR und CT beantragt, das Verfahren auszusetzen, bis der Gerichtshof in der Rechtssache C‑321/21 P über das Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 12. März 2021, PNB Banka/EZB (T‑50/20, EU:T:2021:141), entschieden habe. Am 20. Mai 2021 und dann am 6. August 2021 hat der Präsident der Vierten Kammer nach Anhörung der EZB beschlossen, das Verfahren nicht auszusetzen.

43      Mit Schreiben vom 8. Juli 2021 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Gericht mitgeteilt, dass er CR und CT nicht mehr vertrete. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 hat das Gericht (Vierte Kammer) auf der Grundlage von Art. 131 Abs. 2 der Verfahrensordnung festgestellt, dass die Hauptsache erledigt ist, soweit sie von CR und CT erhoben worden ist.

44      Die Frist für die Einreichung der Erwiderung ist zuletzt auf den 30. September 2021 festgesetzt worden. Die Klägerin hat innerhalb der gesetzten Frist keine Erwiderung eingereicht.

45      Die Klägerin beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der EZB die Kosten aufzuerlegen.

46      Die EZB beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

V.      Rechtliche Würdigung

A.      Zum Vorliegen einer Vollmacht des Vertreters, der die Klage im Namen der Klägerin erhoben hat

47      Nach Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung haben Anwälte, die eine juristische Person des Privatrechts als Partei vertreten, bei der Kanzlei eine Vollmacht dieser Partei zu hinterlegen.

48      Eine vom Vorsitzenden des Vorstands der Klägerin am 5. März 2019 erteilte Vollmacht ist in den Akten der Rechtssache enthalten (Anlage A.2).

49      Die Klägerin macht geltend, der Insolvenzverwalter habe es abgelehnt, dem Anwalt, den sie zu ihrer Vertretung bestellt habe, Zugang zu ihren Unterlagen, zu ihren Räumlichkeiten, zu ihren Mitarbeitern und zu ihren Betriebsmitteln zu gewähren. Sie hat im Rahmen ihrer Antwort vom 13. März 2020 auf eine Frage des Gerichts ein Schreiben des Insolvenzverwalters vom 16. September 2019 vorgelegt, in dem es heißt, ihr Anwalt müsse erstens „dem [Insolvenzverwalter] einen schriftlichen Bericht über den Stand der Vereinbarung [über die Erbringung juristischer Dienstleistungen] übermitteln, mit detaillierten Angaben zu den von [der Klägerin] erhaltenen Weisungen und den vom [Rechtsanwalt] wahrgenommenen Aufgaben sowie dazu, ob es tatsächlich laufende Arbeiten gibt“, zweitens „den [Insolvenzverwalter] betreffend die Zahlungen … informieren“ und drittens „jede Tätigkeit im Namen [der Klägerin] ohne vorherige Konsultation des [Insolvenzverwalters] unterlassen, insbesondere [der Klägerin] keine weiteren verrechenbaren Dienstleistungen erbringen“.

50      Trotz dieses Schreibens des Insolvenzverwalters vom 16. September 2019 geht aus den Akten der Rechtssache nicht hervor und wird weder von der Klägerin noch von der EZB behauptet, dass der Insolvenzverwalter die vom Vorsitzenden des Vorstands der Klägerin am 5. März 2019 erteilte Vollmacht widerrufen habe. In dem Schreiben wird ein solcher Widerruf nicht erwähnt, auch wenn es darauf hinweist, dass der vom Vorsitzenden des Vorstands beauftragte Rechtsanwalt jede Tätigkeit im Namen der Klägerin ohne vorherige Konsultation des Insolvenzverwalters unterlassen müsse.

51      Das Gericht stellt daher fest, dass die Klägerin eine Vollmacht hinterlegt hat, die ihren Anwalt gemäß Art. 51 Abs. 3 der Verfahrensordnung ermächtigt, eine Klage zu erheben.

B.      Zu den am 27. April 2021 und am 28. Juni 2021 gestellten Anträgen auf Aussetzung des Verfahrens

52      Am 27. April 2021 und am 28. Juni 2021 hat die Klägerin die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Zur Stützung ihrer Anträge auf Aussetzung machte sie geltend, dass sie Zugang zu ihren Räumlichkeiten, ihren Akten und ihren finanziellen Mitteln benötige und dass der Insolvenzverwalter trotz des Urteils vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a. (C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923), nicht kooperiert habe, um ihre wirksame Vertretung sicherzustellen.

53      Obwohl das Gericht nicht verpflichtet ist, die Gründe darzulegen, aus denen es beschließt, gemäß Art. 69 Buchst. c oder d der Verfahrensordnung ein Verfahren auszusetzen, hält es ausnahmsweise die folgenden Ausführungen für zweckmäßig.

54      Die Entscheidung, ob das Verfahren nach Art. 69 Buchst. c oder d der Verfahrensordnung ausgesetzt wird, fällt in das Ermessen des Gerichts (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 20. Oktober 2011, DTL/HABM, C‑67/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:683, Rn. 32 und 33, vom 15. Oktober 2012, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑554/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:629, Rn. 37, und vom 17. Januar 2018, Josel/EUIPO, C‑536/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:14, Rn. 5).

55      Im vorliegenden Fall ist das Verfahren am 28. April 2020 bis zur Verkündung der Entscheidung des Gerichts in der Rechtssache T‑50/20 ausgesetzt worden, mit der die Klägerin die Nichtigerklärung des Beschlusses vom 19. November 2019 beantragt hatte, mit dem die EZB es abgelehnt hatte, dem Insolvenzverwalter aufzugeben, dem vom Vorstand der Klägerin beauftragten Rechtsanwalt Zugang zu ihren Räumlichkeiten, zu den in ihrem Besitz befindlichen Informationen, zu ihren Mitarbeitern und zu ihren Betriebsmitteln zu gewähren.

56      Mit Beschluss vom 12. März 2021, PNB Banka/EZB (T‑50/20, EU:T:2021:141), hat das Gericht die Klage der Klägerin abgewiesen. Es war insbesondere der Ansicht, dass die EZB offenkundig nicht befugt war, dem Antrag des Vorstands der Klägerin stattzugeben, dem Insolvenzverwalter die Weisung zu erteilen, dem vom Vorstand beauftragten Anwalt Zugang zu den Räumlichkeiten, zu den Informationen, den Mitarbeitern und den Betriebsmitteln der Klägerin zu gewähren (Rn. 73). Es hat auch festgestellt, dass die Entscheidungen, die die nationalen Behörden im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren, wie dem gegen die Klägerin anhängigen, in Beantwortung eines Antrags auf Zugang zu den Dokumenten, Räumlichkeiten, Mitarbeitern oder Betriebsmitteln des betreffenden Kreditinstituts treffen, grundsätzlich der Kontrolle durch die nationalen Gerichte unterliegen, die dem Gerichtshof gegebenenfalls Fragen zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorlegen können, falls sie bei der Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts auf Schwierigkeiten stoßen (Rn. 72).

57      Außerdem ist festzustellen, dass die Klägerin trotz der Aussetzung des Verfahrens vom 28. April 2020 bis zum 12. März 2021 – auch in ihrem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens vom 28. Juni 2021 – weder nachgewiesen noch auch nur behauptet hat, dass sie gegen den Insolvenzverwalter ein gerichtliches Verfahren eingeleitet habe, dem sie jedoch vor dem Gericht vorwirft, dem von ihrem Vorstand beauftragten Rechtsanwalt seit Ende 2019 den Zugang zu ihren Räumlichkeiten, ihren Informationen, ihren Mitarbeitern und ihren Betriebsmitteln zu verwehren.

58      Nachdem sie einen Austausch von Schreiben und E‑Mails mit dem Insolvenzverwalter vom 12. und 16. September 2019 sowie vom November 2019 vorgelegt hat, hat sich die Klägerin darauf beschränkt, in ihrem am 27. April 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens geltend zu machen, dass sie gegenüber dem Insolvenzverwalter und den lettischen Gerichten „ihre Bemühungen verstärkt hat“, ohne nähere Angaben zur Art dieser Bemühungen zu machen.

59      Außerdem geht aus der oben in Rn. 33 angeführten Entscheidung der Rīgas pilsētas Vidzemes priekšpilsētas tiesa (Stadtgericht Riga, Bezirk Vidzeme) vom 12. September 2019 nicht hervor, dass die Klägerin daran gehindert wäre, die lettischen Gerichte mit einer etwaigen Streitigkeit mit dem Insolvenzverwalter zu befassen. Nicht nur wird in dieser Entscheidung angegeben, dass dies die Möglichkeit für den Vorstand der Klägerin nicht ausschließe, hinsichtlich der Vertretungsrechte für besondere Aufgaben beim Insolvenzverwalter einen gesonderten Antrag zu stellen, sondern das Urteil vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a. (C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923), auf das sich die Klägerin berufen hat, um geltend zu machen, dass der Insolvenzverwalter nicht in zufriedenstellender Weise kooperiere, um ihre wirksame Vertretung sicherzustellen, ist nach dieser Entscheidung ergangen, so dass sich die Klägerin vor dem nationalen Gericht a priori auf dieses Urteil als neuen Umstand berufen konnte.

60      Das Gericht ist daher der Auffassung, dass das Verfahren nicht erneut auszusetzen ist.

C.      Zum mündlichen Verfahren

61      Art. 106 der Verfahrensordnung sieht Folgendes vor:

„(1)      Das Verfahren vor dem Gericht umfasst im Rahmen des mündlichen Verfahrens eine mündliche Verhandlung, die entweder von Amts wegen oder auf Antrag einer Hauptpartei durchgeführt wird.

(2)      In dem von einer Hauptpartei gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung sind die Gründe anzugeben, aus denen diese Hauptpartei gehört werden möchte. …

(3)      Wird kein Antrag nach Absatz 2 gestellt, so kann das Gericht, wenn es sich für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält, beschließen, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden. …“

62      Somit ergibt sich aus Art. 106 der Verfahrensordnung, dass, wenn kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist, in dem die Gründe angegeben sind, aus denen eine Hauptpartei gehört werden möchte, das Gericht, wenn es sich für ausreichend unterrichtet hält, ohne mündliches Verfahren über die Klage entscheiden kann.

63      Die Begründung des Entwurfs einer Verfahrensordnung vom 14. März 2014, die der Öffentlichkeit auf der Internetseite des Gerichtshofs der Europäischen Union zugänglich ist, bestätigt im Übrigen, dass das Gericht unter Berücksichtigung insbesondere der Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege und der Verfahrensökonomie „von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen kann, wenn es dies nicht für erforderlich hält, es sei denn, dass eine der Hauptparteien einen Antrag unter Angabe der Gründe stellt, aus denen sie gehört werden möchte“.

64      In Rn. 142 der Praktischen Durchführungsbestimmungen zur Verfahrensordnung (im Folgenden: PDB) heißt es, dass eine Hauptpartei, die in einer mündlichen Verhandlung gehört werden möchte, innerhalb von drei Wochen, nachdem die Parteien über den Abschluss des schriftlichen Verfahrens unterrichtet worden sind, einen dahin gehenden begründeten Antrag zu stellen hat. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Begründung sich aus einer konkreten Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer mündlichen Verhandlung für die betreffende Partei ergeben muss, und es ist anzugeben, in Bezug auf welche Bestandteile der Akten der Rechtssache „oder“ welche Ausführungen diese Partei eine eingehendere Darlegung „oder“ Widerlegung in einer mündlichen Verhandlung für erforderlich hält. Im Hinblick auf eine einfachere Verhandlungsführung in der mündlichen Verhandlung „sollte“ die Begründung nicht allgemein gehalten werden, indem sie sich beispielsweise auf eine Bezugnahme auf die Bedeutung der Rechtssache beschränkt. Nach Rn. 143 der PDB kann das Gericht, wenn keine der Hauptparteien fristgemäß einen begründeten Antrag einreicht, beschließen, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

65      Somit ergibt sich aus Art. 106 der Verfahrensordnung sowie aus den Rn. 142 und 143 der PDB, dass das Gericht, wenn kein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist oder wenn ein nicht begründeter Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist, beschließen kann, über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden, wenn es sich für durch die Aktenstücke der Rechtssache hinreichend unterrichtet hält.

66      Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit Schreiben vom 29. November 2021 zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung wie folgt Stellung genommen:

„1.      Ich bestätige, dass es aus Gründen, die ich im Einzelnen dargelegt habe, derzeit keine wirksame Vertretung der [Klägerin] gibt. Zum alleinigen Zweck der Einhaltung der geltenden Frist beantrage ich hiermit eine mündliche Verhandlung. Zunächst ist jedoch die wirksame Vertretung [der Klägerin] wiederherzustellen.

2.      Unter den gegenwärtigen Umständen ist es nicht möglich, eine mündliche Verhandlung vorzubereiten oder an dieser teilzunehmen.“

67      Aus diesem Schreiben vom 29. November 2021 geht hervor, dass der Antrag der Klägerin auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht begründet ist. Dieser Antrag gibt nämlich keinen Grund an, aus dem die Klägerin gehört werden möchte.

68      Außerdem hat die Kanzlei des Gerichts in ihrem Schreiben vom 25. Oktober 2021, mit dem die Hauptparteien über den Abschluss des schriftlichen Verfahrens unterrichtet worden sind, Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung sowie Rn. 142 der PDB in Erinnerung gerufen und die Hauptparteien darauf hingewiesen, dass im Kontext der Gesundheitskrise die Begründung den Anforderungen dieser Randnummer der PDB genügen müsse.

69      Zwar hat die Klägerin in ihrem Antrag auf mündliche Verhandlung geltend gemacht, dass sie der Ansicht sei, nicht wirksam vertreten zu sein.

70      Selbst wenn die Klägerin damit versucht, implizit das Fehlen einer Begründung ihres Antrags auf mündliche Verhandlung zu rechtfertigen, was jedoch aus diesem Antrag nicht hervorgeht, ist davon auszugehen, dass ihr Vorbringen zum Fehlen einer wirksamen Vertretung nicht als Rechtfertigung für das Fehlen einer Begründung dieses Antrags angesehen werden kann. Insbesondere hinderte der Umstand, dass die Klägerin in dem von ihr dargestellten Sinne nicht wirksam vertreten war, sie in keiner Weise daran, substantiierte Umstände zur Stützung eines Antrags auf mündliche Verhandlung vorzubringen.

71      Da die Klägerin in ihrem Antrag auf mündliche Verhandlung keinerlei Begründung dargelegt hat und ihr überdies die Pflicht zur Begründung dieses Antrags von der Kanzlei des Gerichts ausdrücklich in Erinnerung gerufen worden war, ist folglich festzustellen, dass dieser Antrag auf mündliche Verhandlung Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung nicht genügt.

72      Unter diesen Umständen beschließt das Gericht, da es sich für durch die Aktenstücke hinreichend unterrichtet hält, gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung über die Klage ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

D.      Zur Begründetheit

1.      Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013, da diese Bestimmung keinen Beschluss über die Einstufung des betroffenen Unternehmens als bedeutend vorsehe

73      Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013, da er sie als bedeutendes Unternehmen einstufe. Dieser Artikel sehe nämlich keinen Beschluss über eine Einstufung vor, sondern einen Beschluss der EZB, sämtliche einschlägigen Befugnisse einer nationalen zuständigen Behörde in Bezug auf ein oder mehrere Kreditinstitute unmittelbar auszuüben, wenn dies für die Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards erforderlich ist.

74      Die Klägerin macht geltend, Art. 39 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung Nr. 468/2014 dürfe nicht in einer mit Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 unvereinbaren Weise ausgelegt werden. Hilfsweise macht sie die Rechtswidrigkeit von Art. 39 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung Nr. 468/2014 geltend, falls dieser Artikel dahin auszulegen sein sollte, dass er die Natur des auf Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 gestützten Beschlusses verändere.

75      Der Beschluss nach Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 entspreche keiner Änderung des Status eines Kreditinstituts. Es handele sich um ein Tätigwerden der EZB, das auf Bedenken hinsichtlich der Qualität der von der zuständigen nationalen Behörde vorgenommenen Aufsicht und nicht auf Bedenken hinsichtlich des Grades der Konformität des betreffenden Kreditinstituts zurückzuführen sei. Letzteres sollte das Recht auf die gleiche Behandlung wie weniger bedeutende Institute behalten und sollte nicht einer Aufsicht unterliegen, die nur für „tatsächlich“ bedeutende Institute angemessen sei. Die Harmonisierung der Aufsicht im Rahmen des SSM sei ein abgestufter Prozess, und es gebe noch Unterschiede in Bezug auf die Bankenaufsicht in den verschiedenen Mitgliedstaaten. Art. 47 Abs. 4 der Verordnung Nr. 468/2014, der den betreffenden actus contrarius regele, bestätige, dass ein Beschluss über eine Neueinstufung nicht erforderlich sei.

76      Die EZB tritt diesem Vorbringen entgegen.

77      Art. 39 Abs. 5 der Verordnung Nr. 468/2014 bestimmt: „Die EZB beaufsichtigt auch ein weniger bedeutendes beaufsichtigtes Unternehmen oder eine weniger bedeutende beaufsichtigte Gruppe direkt auf der Grundlage eines gemäß Artikel 6 Absatz 5 Buchstabe b der …Verordnung [Nr. 1024/2013] erlassenen Beschlusses der EZB, wonach die EZB sämtliche in Artikel 6 Absatz 4 der …Verordnung [Nr. 1024/2013] genannten Befugnisse unmittelbar ausübt. Für die Zwecke des SSM wird ein derartiges weniger bedeutendes beaufsichtigtes Unternehmen oder eine derartige weniger bedeutende beaufsichtigte Gruppe als bedeutend eingestuft.“

78      Nach Art. 68 Abs. 5 der Verordnung Nr. 468/2014 fasst die EZB außerdem, wenn sie beschließt, dass die direkte Beaufsichtigung des weniger bedeutenden beaufsichtigten Unternehmens oder der weniger bedeutenden beaufsichtigten Gruppe durch die EZB zur Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards erforderlich ist, gemäß Titel 2 des Teils IV dieser Verordnung einen Beschluss der EZB.

79      Ein „Beschluss der EZB [gemäß Titel 2 des Teils IV der Verordnung Nr. 468/2014]“ im Sinne von Art. 68 Abs. 5 dieser Verordnung entspricht einem Beschluss über eine Einstufung eines beaufsichtigten Unternehmens als bedeutend, wie aus der Überschrift dieses Titels 2 („Verfahren für die Einstufung beaufsichtigter Unternehmen als bedeutende beaufsichtigte Unternehmen“) hervorgeht.

80      Folglich ergibt sich aus dem klaren Wortlaut von Art. 39 Abs. 5 der Verordnung Nr. 468/2014, der durch den Wortlaut von Art. 68 Abs. 5 dieser Verordnung bestätigt wird, dass die EZB, wenn sie beschließt, eine direkte Aufsicht über ein weniger bedeutendes Kreditinstitut auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 auszuüben, einen Beschluss erlassen muss, mit dem dieses Institut als bedeutend eingestuft wird.

81      Die Klägerin macht jedoch geltend, dass Art. 39 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung Nr. 468/2014 gegen Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 verstoße, da er die Natur des in diesem Artikel vorgesehenen Beschlusses verändere.

82      Zwar sieht Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 nicht vor, dass die EZB, wenn sie beschließt, sämtliche einschlägigen Befugnisse in Bezug auf ein weniger bedeutendes Kreditinstitut selbst auszuüben, einen Beschluss erlässt, mit dem dieses Institut als bedeutend eingestuft wird, schließt dies jedoch nicht aus.

83      Ebenso trifft es zwar zu, dass Art. 47 Abs. 4 der Verordnung Nr. 468/2014, der die umgekehrte Situation betrifft, in der die EZB beschließt, die direkte Beaufsichtigung im Fall eines Unternehmens zu beenden, das dieser Beaufsichtigung aufgrund eines früheren, gemäß Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassenen Beschlusses der EZB unterliegt, nicht darauf hinweist, dass die EZB in diesem Fall einen Beschluss erlässt, mit dem das betroffene Unternehmen als weniger bedeutend eingestuft wird, er schließt dies jedoch auch nicht aus. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass dieser Art. 47 auch zu Titel 2 („Verfahren für die Einstufung beaufsichtigter Unternehmen als bedeutende beaufsichtigte Unternehmen“) des Teils IV der Verordnung Nr. 468/2014 gehört und dass dieser Artikel die Überschrift „Gründe für die Beendigung der direkten Beaufsichtigung durch die EZB“ trägt, d. h., dass er grundsätzlich diese Gründe darlegt und nicht klarstellen soll, ob ein Beschluss über die Beendigung der direkten Beaufsichtigung impliziert, dass die EZB einen Beschluss erlässt, mit dem das betroffene Unternehmen als weniger bedeutend eingestuft wird.

84      Da Art. 39 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung Nr. 468/2014 außerdem die Einstufung eines Unternehmens als bedeutend vorsieht, stellt er die Natur des auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassenen Beschlusses, bei dem es sich um einen Beschluss über die Verteilung der Aufsichtsbefugnisse zwischen der EZB und den nationalen zuständigen Behörden handelt, nicht in Frage.

85      Der Beschluss, ein Unternehmen als bedeutend einzustufen, hat nämlich nur zur Folge, dass die EZB gemäß Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 die direkte Aufsicht über dieses Unternehmen übernimmt.

86      Die Einstufung eines Unternehmens als bedeutend, wenn die EZB beschließt, nach Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 eine direkte Aufsicht über dieses Unternehmen auszuüben, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wie die Klägerin offenbar geltend macht.

87      Hierzu ist festzustellen, dass ein solcher Beschluss, der nur die Festlegung der zuständigen Behörde betrifft, weder die für dieses Unternehmen anwendbaren Aufsichtsregeln noch die Aufsichtsbefugnisse, über die die zuständige Behörde ihm gegenüber für die Zwecke der der EZB vom SSM übertragenen Aufsichtsaufgaben verfügt, ändert.

88      Folglich verstößt Art. 39 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung Nr. 468/2014 nicht gegen Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013.

89      Nach alledem verstößt der angefochtene Beschluss, soweit er die Klägerin als bedeutendes Unternehmen einstuft, nicht gegen Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013.

90      Somit ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

2.      Zum vierten Klagegrund: Verletzung wesentlicher Formvorschriften

91      Im vorliegenden Fall ist sodann der vierte Klagegrund, mit dem eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften geltend gemacht wird, vor den anderen Klagegründen zu prüfen, die sich auf die Begründetheit des angefochtenen Beschlusses beziehen.

92      Im Rahmen des vierten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen verschiedene wesentliche Formvorschriften.

93      Die Klägerin macht erstens geltend, dass der in Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehene Bericht nicht erstellt worden sei.

94      Die Klägerin trägt vor, die Republik Lettland habe im Schiedsverfahren eingeräumt, dass dieser Bericht nicht vorliege, und sich dabei auf die guten Arbeitsbeziehungen zwischen der FKMK und der EZB berufen. Diese angeblichen guten Arbeitsbeziehungen seien jedoch nicht geeignet, die Nichtvorlage dieses Berichts zu rechtfertigen, da dieser einen wesentlichen Aspekt des Verfahrens darstelle, verpflichtend sei und die Interessen der Klägerin in einem transparenten Verfahren, das der gerichtlichen Kontrolle unterliege, schützen solle.

95      Zudem lasse der Rechtsstreit zwischen der Republik Lettland und der EZB in Bezug auf A vermuten, dass die Arbeitsbeziehungen zwischen der EZB und der FKMK nicht frei von Schwierigkeiten gewesen seien. A müsste nämlich seines Amtes enthoben werden, wenn die gegen ihn erhobenen Vorwürfe durch Beweise untermauert würden, die nach Ansicht der Republik Lettland existierten, aber im Rahmen der Rechtssache C‑238/18 zwischen der Republik Lettland und der EZB dem Gerichtshof nicht offengelegt worden seien. Die Klägerin sei wegen mangelnder Zusammenarbeit zwischen der EZB und den lettischen Behörden, u. a. der FKMK, mit ungelösten Korruptionsproblemen und einem Verlust des Vertrauens in das Regulierungsverfahren konfrontiert. Im Übrigen liefe die Behauptung des Bestehens guter Arbeitsbeziehungen zwischen der EZB und der FKMK einem auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassenen Beschluss zuwider, da ein solcher Beschluss eine Situation voraussetzen würde, in der die EZB mit der Aufsicht der zuständigen nationalen Behörde nicht zufrieden sei und die Auffassung vertrete, dass allgemeine Anweisungen und Empfehlungen nach Art. 6 Abs. 5 Buchst. a der Verordnung Nr. 1024/2013 nicht ausreichten, um Abhilfe zu schaffen.

96      Zweitens macht die Klägerin geltend, die EZB habe ihr das Ersuchen der FKMK vom 21. Dezember 2018 nicht zugänglich gemacht. Dieses Ersuchen sei ein in Art. 68 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehener Verfahrensabschnitt, und der angefochtene Beschluss stütze sich auf seinen Inhalt. Folglich sei der Beschlussentwurf, der der Klägerin vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses übermittelt worden sei, nicht vollständig gewesen, so dass ihr dieser Beschluss ebenfalls unvollständig mitgeteilt worden sei. Dass ihr dieses Ersuchen nicht übermittelt worden sei und ihr nicht gestattet worden sei, dazu Stellung zu nehmen, verletze ihre Verteidigungsrechte, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und ihr Recht auf Einsicht in die Verwaltungsakte.

97      Drittens macht die Klägerin geltend, die EZB habe ihr das erste Ersuchen der FKMK, die direkte Aufsicht über die Klägerin zu übernehmen, vom 16. November 2017 nicht offengelegt. Die Klägerin habe erst durch ein Schreiben des Rechtsberaters der Republik Lettland vom 20. März 2019 im Rahmen des Schiedsverfahrens von seinem Bestehen erfahren. Die Vorlage dieses Ersuchens durch den Rechtsberater bestätige, dass es sich um eine Reaktion auf die Einleitung des Schiedsverfahrens gehandelt habe. Dass dieses Ersuchen der Klägerin nicht übermittelt worden sei, verletze ihre Verteidigungsrechte, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und ihr Recht auf Einsicht in die Verwaltungsakte.

98      Viertens macht die Klägerin geltend, die EZB habe unter Verstoß gegen Art. 68 der Verordnung Nr. 468/2014 keinen Beschluss über dieses Ersuchen der FKMK vom 16. November 2017 erlassen.

99      Fünftens trägt die Klägerin vor, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei nicht beachtet worden, da dieser Anspruch die Möglichkeit impliziere, zu den konkreten Behauptungen Stellung zu nehmen, die zur Stützung der Begründung des angefochtenen Beschlusses vorgebracht worden seien, wonach sie nach der Einleitung des Schiedsverfahrens keinen ausreichenden Willen zur Zusammenarbeit gezeigt habe.

100    Sechstens macht die Klägerin schließlich geltend, dass der angefochtene Beschluss nicht hinreichend begründet sei. Dieser Beschluss lege nämlich nicht die Gründe dar, aus denen die EZB es für erforderlich gehalten habe, die direkte Aufsicht über die Klägerin zu übernehmen.

101    Die EZB tritt diesem Vorbringen entgegen.

102    Zunächst ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, dass die EZB ihre Begründungspflicht verletzt habe, sodann, dass die EZB ihre Verteidigungsrechte, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und ihr Recht auf Einsicht in die Verwaltungsakte verletzt habe, sodann, dass sie sich auf eine Unregelmäßigkeit aufgrund des Fehlens des in Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehenen Berichts berufe, und schließlich, dass die EZB keinen Beschluss über das Ersuchen der FKMK vom 16. November 2017 erlassen habe.

a)      Zur Rüge eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht

103    Die insbesondere nach Art. 296 AEUV erforderliche Begründung muss der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

104    Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, nach der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

105    Bei der in Art. 296 AEUV vorgesehenen Pflicht zur Begründung von Rechtsakten der Unionsorgane handelt es sich um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Frage der sachlichen Richtigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (vgl. Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 181 und die dort angeführte Rechtsprechung).

106    Zur Begründung eines Beschlusses über die Einstufung eines beaufsichtigten Unternehmens auf Einzelbasis als bedeutend bestimmt Art. 39 Abs. 1 der Verordnung Nr. 468/2014, dass „[e]in beaufsichtigtes Unternehmen … als bedeutendes beaufsichtigtes Unternehmen [gilt], wenn die EZB dies in einem an das betreffende beaufsichtigte Unternehmen gerichteten Beschluss der EZB gemäß den Artikeln 43 bis 49 [dieser Verordnung] unter Angabe der Gründe für diesen Beschluss feststellt“.

107    Im Übrigen bestimmt Art. 33 („Begründung für Aufsichtsbeschlüsse der EZB“) Abs. 2 der Verordnung Nr. 468/2014, dass die Begründung eines Aufsichtsbeschlusses der EZB die wesentlichen Tatsachen und die Rechtsgründe umfasst, auf welche dieser Beschluss gestützt ist.

108    Im vorliegenden Fall enthält der angefochtene Beschluss, dessen Begründung oben in den Rn. 23 bis 27 zusammengefasst worden ist, entgegen dem summarischen Vorbringen der Klägerin im Rahmen des vierten Klagegrundes die Gründe, aus denen die EZB es für erforderlich gehalten hat, die direkte Aufsicht über die Klägerin zu übernehmen. Er gibt klar und unmissverständlich seine Rechtsgrundlage an, die Tatsachen, auf die er sich stützt, insbesondere die Empfehlung des ICSID, und die Beurteilung der EZB. Aus dieser Beurteilung ergibt sich, dass die EZB beschloss, die direkte Aufsicht über die Klägerin zu übernehmen, da laut der FKMK seit der Einleitung des Schiedsverfahrens die Reaktion der Klägerin auf fast alle Aufsichtstätigkeiten weiterhin keinen Willen zeige, eine erfolgreiche Zusammenarbeit umzusetzen und die FKMK davon ausgehe, dass sie nicht die Fähigkeit habe, eine Aufsicht auf hohem Niveau über die Klägerin nach den Vorschriften der Union und des SSM auszuüben.

109    Ergänzend ist hinzuzufügen, dass der angefochtene Beschluss in einem Kontext erlassen wurde, der der Klägerin bekannt war. Letztere stand in regelmäßigem Kontakt mit der FKMK, die die Risiken, denen die Klägerin ausgesetzt war, aufmerksam verfolgte. Die Klägerin stand auch in direktem Kontakt mit der EZB, da sie ihr am 5. Juli und 12. September 2018 geschrieben hatte, um sie zu ersuchen, in ihre Aufsicht einzugreifen, und da die Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der EZB ihr mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 geantwortet hatte, sie teile die Auffassung der FKMK, dass die Situation der Klägerin eine besondere Aufsicht erfordere. Schließlich kannte sie alle Aspekte des von ihr selbst eingeleiteten Schiedsverfahrens.

110    Die Begründung des angefochtenen Beschlusses war somit hinreichend, damit die Klägerin die Gründe für diesen Beschluss erfahren kann, um dessen Stichhaltigkeit zu beurteilen, und das Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann.

111    Folglich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die EZB gegen die Begründungspflicht verstoßen habe, die u. a. in Art. 296 AEUV und in der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehen ist.

b)      Zu den Rügen einer Verletzung der Verteidigungsrechte, des Anspruchs auf rechtliches Gehör und des Rechts auf Einsicht in die Verwaltungsakte

112    Art. 41 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestimmt, dass das Recht auf eine gute Verwaltung insbesondere das Recht jeder Person umfasst, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird, und das Recht jeder Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten unter Wahrung des berechtigten Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses.

113    Insbesondere garantiert das Recht auf Anhörung, das integraler Bestandteil des allgemeinen Grundsatzes der Achtung der Verteidigungsrechte ist, jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen (vgl. Urteil vom 22. November 2012, M., C‑277/11, EU:C:2012:744, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

114    Nach Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 468/2014 wendet die EZB beim Erlass von Beschlüssen über die Einstufung eines beaufsichtigten Unternehmens oder einer beaufsichtigten Gruppe als bedeutend nach Maßgabe des Titels 2 des Teils IV dieser Verordnung und – sofern nichts anderes vorgesehen ist – die in Teil III Titel 2 dieser Verordnung vorgesehenen Verfahrensvorschriften an. Nach Abs. 4 dieses Artikels gibt die EZB jedem betroffenen beaufsichtigten Unternehmen Gelegenheit, sich vor Erlass eines Beschlusses der EZB gemäß diesem Abs. 1 schriftlich zu äußern.

115    Nach Art. 31 Abs. 1 der Verordnung Nr. 468/2014 ist, bevor die EZB einen an eine Partei gerichteten Aufsichtsbeschluss, der die Rechte dieser Partei beeinträchtigen würde, erlassen kann, der Partei Gelegenheit zu geben, sich schriftlich gegenüber der EZB zu den für den EZB-Aufsichtsbeschluss erheblichen Tatsachen, Beschwerdepunkten und Rechtsgründen zu äußern. Sofern die EZB es für angebracht hält, kann sie den Parteien Gelegenheit geben, sich in einer Sitzung zu den für den EZB-Aufsichtsbeschluss erheblichen Tatsachen, Beschwerdepunkten und Rechtsgründen zu äußern. In der Mitteilung, mittels derer die EZB der Partei Gelegenheit zur Äußerung gibt, werden der wesentliche Inhalt des geplanten Aufsichtsbeschlusses sowie die wesentlichen Tatsachen, Beschwerdepunkte und Rechtsgründe angegeben, auf die die EZB ihren Beschluss zu stützen gedenkt.

116    Art. 32 („Akteneinsicht in einem EZB-Aufsichtsverfahren“) der Verordnung Nr. 468/2014 bestimmt in Abs. 1, dass in EZB-Aufsichtsverfahren die Verteidigungsrechte der betroffenen Parteien in vollem Umfang gewahrt werden. Zu diesem Zweck und nach der Eröffnung eines EZB-Aufsichtsverfahrens haben die Parteien das Recht die Akten der EZB einzusehen, vorbehaltlich des berechtigten Interesses anderer juristischer und natürlicher Personen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse. Das Recht auf Akteneinsicht erstreckt sich nicht auf vertrauliche Informationen. Die NCAs leiten der EZB alle Anträge auf Akteneinsicht, die im Zusammenhang mit EZB-Aufsichtsverfahren bei ihnen eingegangen sind, unverzüglich weiter.

117    Da die Klägerin eine auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Achtung der Verteidigungsrechte, den Anspruch auf rechtliches Gehör und das Recht auf Einsicht in die Verwaltungsakte gestützte Argumentation vorgebracht hat, ist vorab über dieses Vorbringen zu entscheiden, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob diese Rechte als solche wesentliche Formvorschriften im Sinne von Art. 263 AEUV darstellen.

118    Im vorliegenden Fall hat die EZB der Klägerin einen Beschlussentwurf zur Stellungnahme vorgelegt.

119    Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin nicht behauptet, dass sich der angefochtene Beschluss auf tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte stütze, die in dem ihr übermittelten Beschlussentwurf nicht erwähnt worden seien.

120    Soweit die Klägerin geltend macht, die EZB habe ihr das Ersuchen der FKMK vom 21. Dezember 2018 betreffend die Ausübung der direkten Aufsicht über die Klägerin durch die EZB nicht übermittelt, ist sodann festzustellen, dass dieses Ersuchen den ersten Abschnitt des Verwaltungsverfahrens darstellte, aber ein vom angefochtenen Beschluss getrennter Rechtsakt und für die EZB nicht bindend war, da die EZB beschließen konnte, die direkte Aufsicht über die Klägerin aus anderen Gründen als den in diesem Ersuchen genannten, oder sogar von sich aus, zu übernehmen.

121    Außerdem sieht keine Bestimmung der Verordnung Nr. 468/2014 vor, dass die EZB eine solches Ersuchen der zuständigen nationalen Behörde von Amts wegen an das weniger bedeutende Unternehmen, auf das sich das Ersuchen bezieht, übermittelt. Dieses ist Teil der Verwaltungsakte, und die Klägerin hätte nach Art. 32 dieser Verordnung unter Wahrung des berechtigten Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses Zugang dazu erhalten können, wenn sie einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt hätte.

122    Im Übrigen hat die EZB, auch wenn sie sich im angefochtenen Beschluss auf bestimmte Erwägungen im Ersuchen der FKMK vom 21. Dezember 2018 gestützt hat, diese Erwägungen im Beschlussentwurf, den sie der Klägerin übermittelt hat, und im angefochtenen Beschluss selbst hinreichend dargelegt, ohne dass es erforderlich wäre, auf das Ersuchen der FKMK vom 21. Dezember 2018 Bezug zu nehmen, um die Gründe für den angefochtenen Beschluss zu erfahren.

123    Soweit die Klägerin geltend macht, die EZB habe ihr das Ersuchen der FKMK vom 16. November 2017, mit dem diese die EZB zuvor ersucht habe, die direkte Aufsicht über die Klägerin zu übernehmen, nicht übermittelt, ist festzustellen, dass dieses Ersuchen nicht zu den Abschnitten des Verwaltungsverfahrens gehörte, das zum angefochtenen Beschluss führte, und dass die Gründe, auf denen der angefochtene Beschluss beruht, in diesem früheren Ersuchen nicht enthalten sind. Diese Rüge geht daher hinsichtlich der gegen den angefochtenen Beschluss gerichteten Anträge ins Leere.

124    Soweit die Klägerin schließlich geltend macht, ihr sei keine Gelegenheit gegeben worden, zu den konkreten Behauptungen Stellung zu nehmen, die zur Stützung der Begründung des angefochtenen Beschlusses vorgebracht worden seien, wonach sie laut der FKMK nach der Einleitung des Schiedsverfahrens keinen ausreichenden Willen zur Zusammenarbeit gezeigt habe, ist festzustellen, dass der Klägerin Gelegenheit gegeben wurde, zu diesem Grund Stellung zu nehmen, der in dem ihr übermittelten Beschlussentwurf enthalten war und nicht mit anderen Feststellungen verbunden ist.

125    Somit hat die EZB dadurch, dass sie der Klägerin den Beschlussentwurf übermittelt hat, ohne ihr von Amts wegen weitere Dokumente oder Angaben wie das Ersuchen der FKMK vom 21. Dezember 2018 zu übermitteln, im vorliegenden Fall die Klägerin in die Lage versetzt, im Verwaltungsverfahren sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen.

126    Zu dem Recht einer betroffenen Partei auf Akteneinsicht in einem Aufsichtsverfahren sieht Art. 32 der Verordnung Nr. 468/2014, der oben in Rn. 116 wiedergegeben worden ist, vor, dass die nationalen zuständigen Behörden der EZB alle Anträge auf Akteneinsicht, die bei ihnen eingegangen sind, unverzüglich weiterleiten. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Akteneinsicht einen Antrag der betroffenen Partei voraussetzt.

127    Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass, wenn hinreichend genaue Informationen mitgeteilt wurden, die es dem betreffenden Unternehmen ermöglichen, zur beabsichtigten Maßnahme sachdienlich Stellung zu nehmen, der Grundsatz der Beachtung der Verteidigungsrechte die EZB nicht dazu verpflichtet, von sich aus Zugang zu den in ihren Akten enthaltenen Schriftstücken zu gewähren. Nur auf Antrag des betreffenden Unternehmens hat die EZB Einsicht in alle nicht vertraulichen Verwaltungspapiere zu gewähren, die die in Rede stehende Maßnahme betreffen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 31. Januar 2019, Islamic Republic of Iran Shipping Lines u. a./Rat, C‑225/17 P, EU:C:2019:82, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung).

128    Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zum einen, wie oben in Rn. 125 festgestellt, hinreichende Informationen erhalten, um im Verwaltungsverfahren sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Zum anderen ist weder nachgewiesen noch auch nur behauptet worden, dass die Klägerin die Übermittlung der Ersuchen der FKMK vom 16. November 2017 und vom 21. Dezember 2018 beantragt hätte, und jedenfalls nicht, dass die EZB ihr den Zugang zu diesen Dokumenten zu Unrecht verweigert hätte. Folglich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass ihr Recht auf Akteneinsicht verletzt worden sei.

129    Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Verletzung der Verteidigungsrechte, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nur dann zur Nichtigerklärung einer am Ende des fraglichen Verwaltungsverfahrens ergangenen Entscheidung führt, wenn das Verfahren ohne diese Regelwidrigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. Urteil vom 4. April 2019, OZ/EIB, C‑558/17 P, EU:C:2019:289, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

130    Im vorliegenden Fall geht jedoch aus den Akten der Rechtssache nicht hervor, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, wenn die Ersuchen der FKMK vom 16. November 2017 und vom 21. Dezember 2018 der Klägerin übermittelt worden wären. Dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet.

131    Folglich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die EZB gegen den Grundsatz der Achtung der Verteidigungsrechte, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und ihr Recht auf Einsicht in die Verwaltungsakte verstoßen habe.

c)      Zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 aufgrund des Fehlens des in dieser Bestimmung vorgesehenen Berichts

132    Nach Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 wird dem Ersuchen der zuständigen nationalen Behörde auf Ausübung einer direkten Beaufsichtigung in Bezug auf ein weniger bedeutendes beaufsichtigtes Unternehmen oder eine weniger bedeutende beaufsichtigte Gruppe durch die EZB ein Bericht über die Aufsichtsbilanz und das Risikoprofil des betreffenden Unternehmens oder der betreffenden Gruppe beigefügt.

133    Im vorliegenden Fall steht fest, dass dem Ersuchen der FKMK vom 21. Dezember 2018 der Bericht über die Aufsichtsbilanz und das Risikoprofil der Klägerin nach Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 nicht beigefügt war.

134    Der in Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehene Bericht ermöglicht es der EZB, wie sie vorträgt, das von der zuständigen nationalen Behörde gestellte Ersuchen auf Übernahme der Aufsicht zu bewerten, und trägt dazu bei, wenn die EZB diesem Ersuchen stattgibt, eine harmonische Übertragung der diese Aufsicht betreffenden Zuständigkeiten sicherzustellen.

135    Die Rolle dieses Berichts bei der Zusammenarbeit zwischen der EZB und der zuständigen nationalen Behörde, um den reibungslosen Übergang der Aufsichtsbefugnisse sicherzustellen, wird im Übrigen in Art. 43 Abs. 6 der Verordnung Nr. 468/2014 erwähnt.

136    Somit hat der in Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehene Bericht, auch wenn er verbindlichen Charakter hat, u. a. zum Ziel, eine ordnungsgemäße Übermittlung der Informationen zwischen der zuständigen nationalen Behörde und der EZB zu gewährleisten, und stellt, wie die EZB zu Recht hervorhebt, daher keine Verfahrensgarantie dar, die dazu bestimmt ist, die Interessen des betreffenden Kreditinstituts zu schützen, und erst recht keine wesentliche Formvorschrift im Sinne von Art. 263 AEUV.

137    Diese Erwägung wird dadurch bestätigt, dass, wenn die EZB beschließt, von Amts wegen die direkte Aufsicht über ein weniger bedeutendes Unternehmen auszuüben, die Anforderung an die zuständige nationale Behörde, einen solchen Bericht vorzulegen, nur eine Möglichkeit ist, die der EZB gemäß Art. 69 Abs. 1 der Verordnung Nr. 468/2014 eingeräumt wird.

138    Außerdem geht im vorliegenden Fall aus dem Ersuchen der FKMK vom 21. Dezember 2018 hervor, dass diese in diesem Ersuchen Angaben zur Aufsichtsbilanz der Klägerin machte und auf andere, bereits im Besitz der EZB befindliche Informationen verwiesen hat, insbesondere Informationen, die innerhalb der im September 2017 gebildeten Krisenmanagementgruppe ausgetauscht wurden, in der die EZB und die FKMK regelmäßig ihre Standpunkte zur Situation der Klägerin und etwaige Aufsichtsmaßnahmen austauschten.

139    Unter diesen Umständen ist, auch wenn dem Ersuchen der FKMK vom 21. Dezember 2018 nicht förmlich der in Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehene Bericht beigefügt war, davon auszugehen, dass es die Informationen enthält, die in diesen Bericht aufzunehmen sind, oder dass es zumindest auf diese Informationen verweist, die sich bereits im Besitz der EZB befinden.

140    Zum Vorbringen der Klägerin, mit dem sie das Vorbringen der Republik Lettland im Rahmen des Schiedsverfahrens in Frage stellt, wonach gute Arbeitsbeziehungen zwischen der EZB und der FKMK bestanden hätten, ist festzustellen, dass mit diesem Vorbringen nicht dargetan werden kann, dass die EZB nicht im Besitz aller relevanten Gesichtspunkte war, die in dem in Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehenen Bericht enthalten sein mussten, bevor sie über das Ersuchen der FKMK auf Ausübung der direkten Aufsicht über die Klägerin durch die EZB entschied.

141    Folglich konnte das Fehlen des in Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehenen Berichts im vorliegenden Fall nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses führen.

142    Selbst wenn das Fehlen eines Berichts einen Verfahrensfehler begründen sollte, könnte dieser Verfahrensfehler außerdem nur dann die vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses nach sich ziehen, wenn dieser Beschluss ohne ihn nachweislich einen anderen Inhalt hätte haben können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. November 2021, Autostrada Wielkopolska/Kommission und Polen, C‑933/19 P, EU:C:2021:905, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

143    Im vorliegenden Fall geht aus den Akten der Rechtssache nicht hervor, dass der angefochtene Beschluss einen anderen Inhalt hätte haben können, wenn ein Bericht im Sinne von Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 erstellt worden wäre. Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin dies nicht behauptet.

144    Folglich ist die auf das Fehlen des in Art. 68 Abs. 3 der Verordnung Nr. 468/2014 vorgesehenen Berichts gestützte Rüge der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

d)      Zur Rüge des Fehlens eines Beschlusses der EZB über das Ersuchen der FKMK vom 16. November 2017

145    Zur Rüge der Klägerin, die EZB habe keinen Beschluss über das Ersuchen der FKMK vom 16. November 2017 erlassen, mit dem diese die EZB zuvor ersucht habe, die direkte Aufsicht über die Klägerin zu übernehmen, genügt die Feststellung, dass der Umstand, dass die EZB über dieses frühere Ersuchen nicht entschieden hat, nicht zur Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses führen kann, der ein anderes Verfahren betrifft, das mit dem Ersuchen der FKMK vom 21. Dezember 2018 eingeleitet wurde.

146    Folglich ist diese Rüge, die im Übrigen keine wesentliche Formvorschrift im Sinne von Art. 263 AEUV betrifft, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

147    Außerdem ist diese Rüge als sachlich unzutreffend anzusehen, da zum einen die EZB unwidersprochen angibt, dass sie das Ersuchen der FKMK vom 16. November 2017 in der Sitzung des Aufsichtsgremiums vom 28. November 2017 abgelehnt habe, und zum anderen die EZB nach Art. 68 Abs. 5 der Verordnung Nr. 468/2014, wenn sie beschließt, die direkte Beaufsichtigung des weniger bedeutenden beaufsichtigten Unternehmens auszuüben, gemäß Titel 2 des Teils IV dieser Verordnung einen Beschluss, d. h. einen Beschluss über eine Einstufung, fasst, der dem betreffenden Unternehmen mitgeteilt wird, und nicht, wenn sie beschließt, dem Ersuchen der zuständigen nationalen Behörde nicht stattzugeben.

148    Folglich ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

3.      Zum zweiten Klagegrund: Unzutreffende Auslegung von Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 in Bezug auf die Voraussetzungen und den Gegenstand dieser Bestimmung

149    Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung von Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 zu drei Gesichtspunkten, die die Voraussetzungen für die Anwendung und den Gegenstand dieses Artikels beträfen.

150    Als Erstes macht die Klägerin geltend, die EZB habe nicht berücksichtigt, dass ein Beschluss nach Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 dazu bestimmt sei, Qualitätsproblemen bei der im vorliegenden Fall von der FKMK ausgeübten Aufsicht und Verstößen des betreffenden Instituts gegen die Regelung abzuhelfen. Die EZB habe den in dieser Bestimmung enthaltenen Hinweis auf „hohe Aufsichtsstandards“ zu Unrecht als Verweis auf „hohe Konformitätsstandards“ ausgelegt. Diese fehlerhafte Auslegung entspreche der im ersten Klagegrund vorgetragenen fehlerhaften Neueinstufung der Natur des angefochtenen Beschlusses. Die Praxis der EZB bestätige das Vorliegen einer fehlerhaften Auslegung, da Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 bislang nur in einem Fall angewandt worden sei, der nicht auf angeblichen Verstößen des betreffenden Kreditinstituts beruht habe. Die EZB habe die Aufsicht nicht einmal in den Fällen übernommen, in denen die Verstöße des Kreditinstituts so erheblich gewesen seien, dass ein Entzug der Zulassung beschlossen worden sei.

151    Zweitens habe die EZB nicht berücksichtigt, dass sich Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 speziell auf die „kohärente“ Anwendung hoher Aufsichtsstandards beziehe. Der einzige frühere Beschluss zur Anwendung dieser Bestimmung veranschauliche dieses Ziel, da dieser Beschluss die Kohärenz der Aufsicht in Bezug auf eine Gruppe beaufsichtigter Unternehmen in mehreren Mitgliedstaaten sicherstellen sollte. Dieser Aspekt der Kohärenz der Aufsicht sei im angefochtenen Beschluss nicht behandelt worden.

152    Drittens und letztens erkenne der angefochtene Beschluss den Ausnahmecharakter eines nach Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassenen Beschlusses nicht an. Die EZB habe zu Unrecht angenommen, dass die Übernahme der direkten Aufsicht über die Klägerin ein Routinebeschluss für die EZB sei.

153    Die EZB trägt vor, sie habe die Rechtsfehler, die ihr die Klägerin zur Last lege, nicht begangen.

154    Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, die EZB habe aus drei Gründen gegen Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 verstoßen, die nacheinander zu prüfen sind.

155    Wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 ergibt, besteht das Ziel dieser Bestimmung darin, die kohärente Anwendung hoher Aufsichtsstandards sicherzustellen.

156    Wie sich aus Art. 67 Abs. 2 der Verordnung Nr. 468/2014 ergibt, können mehrere Faktoren den Erlass eines auf Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 gestützten Beschlusses rechtfertigen.

157    Als Erstes macht die Klägerin geltend, die EZB habe Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 zu Unrecht dahin ausgelegt, dass er dazu bestimmt sei, Probleme bei der Nichteinhaltung der Aufsichtsregelung durch das betreffende Unternehmen zu beheben, und nicht Qualitätsprobleme der Aufsicht durch die nationale zuständige Behörde.

158    Es ist jedoch festzustellen, dass die EZB den angefochtenen Beschluss nicht mit der Begründung erlassen hat, dass die Klägerin die Aufsichtsregelung nicht beachtet habe. Die Klägerin nennt im Übrigen keinen Grund des Beschlusses zur Stützung ihres Vorbringens.

159    Insbesondere hat die EZB im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass die FKMK in ihrem Ersuchen auf Ausübung der direkten Aufsicht über die Klägerin durch die EZB darauf hingewiesen habe, dass seit der Einleitung des Schiedsverfahrens die Reaktion der Klägerin auf fast alle Aufsichtstätigkeiten weiterhin keinen Willen zeige, eine erfolgreiche Zusammenarbeit umzusetzen und die FKMK davon ausgehe, dass sie nicht die Fähigkeit habe, eine Aufsicht auf hohem Niveau über die Klägerin auszuüben.

160    Daher hat die EZB den angefochtenen Beschluss aus Gründen erlassen, die darauf gestützt sind, dass die FKMK nicht die Fähigkeit hatte, eine Aufsicht auf hohem Niveau über die Klägerin auszuüben, was diese im Übrigen nicht in Frage stellt.

161    Folglich hat die EZB den ihr von der Klägerin zur Last gelegten Rechtsfehler nicht begangen.

162    Als Zweites habe die EZB nicht berücksichtigt, dass sich Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 speziell auf die „kohärente“ Anwendung hoher Aufsichtsstandards beziehe.

163    Die Klägerin nennt jedoch erneut keinen Punkt des angefochtenen Beschlusses zur Stützung ihres Vorbringens. Im Übrigen geht aus Rn. 2.1 dieses Beschlusses ausdrücklich hervor, dass nach Ansicht der EZB die Übernahme der direkten Aufsicht über die Klägerin erforderlich war, um im Einklang mit dem in Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 festgelegten Ziel die „kohärente“ Anwendung hoher Aufsichtsstandards sicherzustellen.

164    Die zweite Rüge der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

165    Als Drittes erkenne der angefochtene Beschluss den Ausnahmecharakter eines nach Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassenen Beschlusses nicht an.

166    Insoweit ist festzustellen, dass weder aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 noch im Übrigen aus den Bestimmungen der Verordnung Nr. 468/2014 hervorgeht, dass der Beschluss der EZB, sämtliche einschlägigen Befugnisse in Bezug auf ein oder mehrere Kreditinstitute unmittelbar selbst auszuüben, Ausnahmecharakter haben muss.

167    Die Klägerin macht geltend, die Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der EZB habe in einem Schreiben vom 23. April 2018 an ein Mitglied des Europäischen Parlaments, das sie gefragt habe, wie häufig die in Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 vorgesehene Zuständigkeit wahrgenommen worden sei, darauf hingewiesen, dass diese Befugnis Ausnahmecharakter habe.

168    Das oben in Rn. 167 angeführte Schreiben kann jedoch kein Kriterium zu Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 hinzufügen, der die Ausübung der damit verbundenen Befugnis nicht vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände abhängig macht.

169    Im Übrigen befand sich die Klägerin in Anbetracht der Empfehlung des ICSID offensichtlich in einer unter dem Gesichtspunkt der Aufsicht über Kreditinstitute seltenen Situation.

170    Folglich hat die EZB dadurch, dass sie im angefochtenen Beschluss das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände nicht erwähnt hat, nicht gegen Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 verstoßen.

171    Der zweite Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

4.      Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Verpflichtung, alle Gesichtspunkte des vorliegenden Falls sorgfältig und unparteiisch zu prüfen, um die Erforderlichkeit eines Beschlusses nach Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 festzustellen

172    Die Klägerin macht geltend, die EZB habe den Sachverhalt nicht unparteiisch geprüft. Die EZB habe sich auf vage Rügen gestützt, die das Verhalten der Klägerin nach der Einleitung des Schiedsverfahrens und nicht einen konkreten Fall der fehlenden Zusammenarbeit betroffen hätten. Sie sei nicht auf die Frage eingegangen, ob die von der FKMK gegenüber der Klägerin erhobenen Rügen begründet seien. Dieser Ansatz sei wegen der ungewöhnlichen Natur des angefochtenen Beschlusses, der durch ungewöhnliche Umstände gerechtfertigt werden müsse, nicht annehmbar. Außerdem habe sich die EZB übermäßig auf die Beurteilungen der FKMK gestützt, ohne ihren Standpunkt zum Ausdruck zu bringen, was in Bezug auf einen derartigen Beschluss paradox sei. Ein solcher Beschluss setze nämlich voraus, dass sich die EZB nicht mehr allein auf die Aufsicht durch die zuständige nationale Behörde verlassen könne.

173    Die EZB tritt diesem Vorbringen entgegen.

174    Zur Stützung ihres dritten Klagegrundes macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die EZB habe sich beim Erlass des angefochtenen Beschlusses auf vage Rügen gestützt, die die FKMK zu ihrem Verhalten nach der Einleitung des Schiedsverfahrens erhoben habe, anstatt sich auf einen konkreten Fall der fehlenden Zusammenarbeit zu beziehen, und habe ihren eigenen Standpunkt zu den Beurteilungen der FKMK nicht zum Ausdruck gebracht.

175    Die EZB hat jedoch keinen Rechtsfehler begangen, als sie nicht prüfte, ob die Erwägung der FKMK, wonach das Verhalten der Klägerin keinen Willen zur erfolgreichen Zusammenarbeit gezeigt habe, begründet war.

176    Da ein auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassener Beschluss nämlich die kohärente Anwendung hoher Aufsichtsstandards sicherstellen, nicht aber einem Verstoß gegen die Aufsichtsregelung, den ein beaufsichtigtes Unternehmen begangen habe, abhelfen soll, kann die EZB beschließen, eine direkte Aufsicht über ein weniger bedeutendes Institut auszuüben, ohne sich auf einen solchen Verstoß zu stützen.

177    Im vorliegenden Fall vertrat die FKMK im Anschluss an die Einleitung des Schiedsverfahrens und die vorläufigen Maßnahmen des ICSID die Auffassung, dass die Klägerin keinen Willen zur erfolgreichen Zusammenarbeit gezeigt habe. Sie war auch der Ansicht, dass sie selbst nicht die Fähigkeit habe, eine Aufsicht auf hohem Niveau über die Klägerin nach den Vorschriften der Union und des SSM auszuüben.

178    Hierzu ist festzustellen, dass die Beurteilung der FKMK in Bezug auf ihre mangelnde Fähigkeit zur Ausübung einer Aufsicht auf hohem Niveau, die durch die Empfehlung des ICSID hinreichend untermauert wird und von der Klägerin im Verwaltungsverfahren oder vor dem Gericht nicht bestritten wurde, für sich genommen geeignet war, ernsthafte Zweifel an der Fähigkeit der FKMK zu wecken, die Einhaltung hoher Aufsichtsstandards gegenüber der Klägerin sicherzustellen und die Erforderlichkeit der Übernahme der Aufsicht durch die EZB zu rechtfertigen.

179    Folglich konnte die EZB beschließen, die direkte Aufsicht über die Klägerin auszuüben, um eine kohärente Anwendung hoher Aufsichtsstandards sicherzustellen, ohne zu prüfen, ob das von der FKMK behauptete Fehlen eines Willens der Klägerin zur erfolgreichen Zusammenarbeit erwiesen war, oder gar verpflichtet zu sein, sich auf einen konkreten Fall der fehlenden Zusammenarbeit zu stützen.

180    Außerdem sah sich die EZB, auch wenn sie die Beurteilungen der FKMK in Bezug auf die Aufsicht über die Klägerin tatsächlich weitestgehend berücksichtigte, nicht als an diese Beurteilungen gebunden an, sondern nahm ihre eigene Beurteilung der Erforderlichkeit einer direkten Aufsicht über die Klägerin vor, wie aus den Rn. 2.1 und 2.5 des angefochtenen Beschlusses, in denen die EZB eindeutig auf eine solche Erforderlichkeit schloss, ausdrücklich hervorgeht.

181    Insbesondere lässt der Umstand, dass die EZB den angefochtenen Beschluss auch nicht zu der Frage begründet hat, ob der FKMK die Fähigkeit, eine Aufsicht auf hohem Niveau über die Klägerin auszuüben, völlig fehlte, nicht den Schluss zu, dass sie nicht alle Gesichtspunkte des vorliegenden Falls sorgfältig und unparteiisch geprüft hat, da die Klägerin die Beurteilung der FKMK in diesem Punkt nicht beanstandet hat.

182    Der dritte Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

5.      Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013, da die EZB ihr Ermessen nicht gemäß dieser Bestimmung ausgeübt habe

183    Die Klägerin macht geltend, die EZB habe im angefochtenen Beschluss nicht berücksichtigt, dass es sich bei den Befugnissen, über die sie in diesem Bereich verfüge, um Ermessensbefugnisse handele (insoweit wird auf die Verwendung des Begriffs „kann“ in Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 verwiesen). Die EZB könne nicht behaupten, dass sie ihr Ermessen ausgeübt habe, wenn dies im angefochtenen Beschluss nicht ersichtlich sei und dieser vielmehr auf dem Grundsatz beruhe, dass sein Erlass eine notwendige Folge des Umstands sei, dass die in Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt seien.

184    Die EZB tritt diesem Vorbringen entgegen.

185    Die Parteien stimmen darin überein, dass die EZB über ein weites Ermessen verfügt, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, einen Rechtsakt bezüglich der Aufsicht über ein Kreditinstitut erlässt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 86).

186    Dieses Ergebnis wird durch den Wortlaut von Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 bestätigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2017, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, T‑122/15, EU:T:2017:337, Rn. 61).

187    Verfügt die Verwaltung beim Erlass eines Beschlusses über ein weites Ermessen, verpflichtet sie jedoch weder die Begründungspflicht nach Art. 296 AEUV noch eine andere Vorschrift dazu, dies im fraglichen Beschluss anzugeben.

188    Im vorliegenden Fall geht aus den Akten der Rechtssache nicht hervor, dass die EZB zu Unrecht angenommen hätte, dass sie nicht über ein solches Ermessen verfüge.

189    Insbesondere bedeutet der bloße Umstand, dass in Rn. 2.5 des angefochtenen Beschlusses festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für die Übernahme der direkten Aufsicht über die Klägerin durch die EZB erfüllt seien, nicht, dass die EZB zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass sie sich in einer Situation einer gebundenen Entscheidung befinde, und sie von ihrem weiten Ermessen keinen Gebrauch gemacht hätte, um zu diesem Schluss zu gelangen, oder dass sie bei der Anwendung von Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 einen Rechtsfehler begangen hätte.

190    Der fünfte Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

6.      Zum sechsten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

191    Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die EZB könne nicht behaupten, dass sie eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt habe, wenn dies im angefochtenen Beschluss nicht ersichtlich sei und der angefochtene Beschluss vielmehr das Gegenteil andeute, d. h., dass er auf dem Grundsatz beruhe, dass das Vorliegen der in Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 vorgesehenen Voraussetzungen hinreichend sei.

192    Die Klägerin weist darauf hin, dass im angefochtenen Beschluss nicht anerkannt werde, dass ein derartiger Beschluss auf Fälle beschränkt werden müsse, in denen die direkte Aufsicht durch die EZB eine angemessene Reaktion auf ein konkretes Regelungsproblem sei und geeignet sei, ein konkretes aufsichtsrechtliches Ziel zu erreichen, wenn keine andere, weniger einschneidende Lösung in Betracht komme und wenn die Belastung des betreffenden Unternehmens im Hinblick auf das zugrunde liegende Problem und das verfolgte Ziel angemessen sei. Im angefochtenen Beschluss werde das zugrunde liegende Problem nicht konkret beschrieben. Der Grund, weshalb die direkte Aufsicht durch die EZB ein geeignetes Mittel zur Lösung des Problems sei, sei ebenfalls unklar. Zudem habe die EZB die anderen möglichen Maßnahmen nicht analysiert, insbesondere eine Anstrengung ihrerseits, um das Vertrauen in das Regulierungsverfahren durch die Prüfung der Korruptionsprobleme wiederherzustellen.

193    Die Klägerin weist darauf hin, dass die Vorsitzende des Aufsichtsgremiums die Bedeutung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in einem Schreiben an das Europäische Parlament vom 23. April 2018 hervorgehoben habe. Wie im Rahmen des ersten und des zweiten Klagegrundes dargelegt, habe die EZB, da sie nicht berücksichtigt habe, dass ein Beschluss über die Ausübung der direkten Aufsicht in erster Linie dazu bestimmt sei, Aufsichtsproblemen abzuhelfen (und nicht Verstößen des betreffenden Kreditinstituts), keine anderen Methoden in Betracht gezogen, die eine angemessenere Aufsicht durch die zuständige nationale Behörde ermöglichten, z. B. die Erteilung geeigneter Ratschläge. Nach Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 müsse eine Aufsicht auf konstant hohem Niveau in erster Linie durch Verordnungen, Leitlinien oder allgemeine Weisungen an die nationalen zuständigen Behörden sichergestellt werden. Die EZB müsse beurteilen, inwieweit die kohärente Anwendung hoher Aufsichtsstandards durch geeignete allgemeine Weisungen sichergestellt werden könne.

194    Die EZB erwidert, sie habe nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

195    Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 50, und vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat, C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 206).

196    Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme ist mit der Beachtung des Ermessensspielraums, der den Unionsorganen bei ihrem Erlass eventuell eingeräumt wird, in Einklang zu bringen (vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, C‑450/17 P, EU:C:2019:372, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

197    Im vorliegenden Fall war der angefochtene Beschluss zur Erreichung des Ziels geeignet, die kohärente Anwendung hoher Aufsichtsstandards sicherzustellen.

198    Der angefochtene Beschluss war nämlich geeignet, die aufsichtsrechtlichen Bedenken der FKMK dadurch auszuräumen, dass er gewährleistete, dass die Klägerin nunmehr direkt von einer Behörde beaufsichtigt wird, die auf alle ihre Aufsichtsbefugnisse zurückgreifen konnte.

199    Insoweit ist hervorzuheben, dass die EZB, wie diese geltend macht, in Anbetracht der Empfehlung des ICSID besser in der Lage war als die FKMK, um die direkte Aufsicht über die Klägerin sicherzustellen.

200    Im Übrigen stellten die von der Klägerin vorgeschlagenen alternativen Maßnahmen, nämlich zum einen, dass die EZB die Korruptionsprobleme prüfe, und zum anderen, dass die EZB der FKMK Ratschläge erteile oder Verordnungen, Leitlinien oder allgemeine Weisungen an die FKMK richte, keine im Hinblick auf das verfolgte Ziel weniger belastenden Maßnahmen dar.

201    Die EZB macht nämlich zu Recht geltend, dass sie nicht befugt sei, Korruptionsvorwürfe selbst zu untersuchen, und dass sie insoweit mit den zuständigen nationalen Behörden zusammenarbeite. Ebenso wenig ist die EZB befugt, einer zuständigen nationalen Behörde individuelle Weisungen zu erteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2017, Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB, T‑122/15, EU:T:2017:337, Rn. 61).

202    Jedenfalls hätten die von der Klägerin vorgeschlagenen alternativen Maßnahmen es nicht gestattet, den Bedenken der FKMK, die den angefochtenen Beschluss gerechtfertigt haben, Rechnung zu tragen. Da die direkte Aufsicht über die Klägerin in der Zuständigkeit der FKMK geblieben wäre, wäre diese stets davon ausgegangen, dass sie nicht dieselben Aufsichtsbefugnisse ausüben könne wie die allen anderen Aufsichtsbehörden innerhalb des SSM zuerkannten.

203    Darüber hinaus geht aus den Akten der Rechtssache nicht hervor, dass der angefochtene Beschluss für die Klägerin zu Nachteilen geführt hätte, so dass die von ihr vorgeschlagenen alternativen Maßnahmen nicht als weniger belastend als die durch den angefochtenen Beschluss umgesetzten angesehen werden können.

204    Der angefochtene Beschluss, der sich darauf beschränkt, die jeweiligen Befugnisse der EZB und der FKMK zu ändern, hat nämlich weder die anwendbaren Aufsichtsregeln noch die Aufsichtsbefugnisse geändert, über die die zuständige Behörde gegenüber der Klägerin für die Zwecke der der EZB vom SSM übertragenen Aufsichtsaufgaben verfügte.

205    Schließlich ist die Behauptung der Klägerin in Bezug auf eine „Belastung des betreffenden Unternehmens “ weder untermauert noch bewiesen.

206    Der sechste Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

7.      Zum siebten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans

207    Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans, da weder die FKMK noch die EZB ihre eigene Verantwortung für den Verlust der Glaubwürdigkeit des Aufsichtsprozesses berücksichtigt hätten, der das Ergebnis ihrer Weigerung oder ihrer Unfähigkeit sei, die Korruptionsprobleme wirksam zu behandeln, wie der Rechtsstreit zwischen der Republik Lettland und der EZB vor dem Gerichtshof belege.

208    Die EZB tritt diesem Vorbringen entgegen.

209    Nach dem Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans kann sich niemand auf sein eigenes rechtswidriges Handeln berufen.

210    Um sich auf den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans zu berufen, ist es erforderlich, dass ein fehlerhaftes Verhalten nachgewiesen wird, das der EZB zurechenbar ist (vgl. entsprechend Urteil vom 20. Januar 2021, ABLV Bank/SRB, T‑758/18, EU:T:2021:28, Rn. 170).

211    Die Klägerin gibt aber nicht an, welchen konkreten Rechtsakt sie der EZB vorwirft, indem sie auf die Weigerung oder die Unfähigkeit der EZB und der FKMK verweist, die Korruptionsprobleme wirksam zu behandeln. Was im Übrigen die Art der in Rede stehenden Korruptionsvorwürfe betrifft, ist festzustellen, dass zum einen die strafrechtlichen Ermittlungen, die zur Anklage gegen A geführt haben, nicht die Klägerin, sondern eine dritte lettische Bank betrafen und zum anderen die Klägerin zu den von CR beanstandeten Bestechungshandlungen darauf hinweist, dass die lettischen Behörden nicht ordnungsgemäß ermittelt und A und seine Partner nicht vor Gericht gebracht hätten.

212    Selbst wenn die Klägerin der Ansicht ist, dass die EZB verpflichtet gewesen sei, eine Untersuchung in Bezug auf die von CR beanstandeten Bestechungshandlungen durchzuführen, was sich aus ihrem Vorbringen zur Stützung des vorliegenden Klagegrundes nicht ergibt, macht die EZB zu Recht geltend, dass sie nicht befugt ist, diese Handlungen selbst zu untersuchen, und dass sie insoweit mit den zuständigen nationalen Behörden zusammenarbeitet.

213    Selbst wenn man überdies unterstellt, dass die EZB eine Pflichtverletzung begangen habe, indem sie keine Untersuchung der von CR beanstandeten Bestechungshandlungen durchgeführt habe, ist nicht dargetan, dass diese Pflichtverletzung zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses geführt hat, der nicht auf der systemischen Unfähigkeit der FKMK bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben beruht, sondern auf ihrer mangelnden Fähigkeit, aufgrund der Empfehlung des ICSID über die Klägerin eine Aufsicht auf hohem Niveau auszuüben.

214    Die von der Klägerin geltend gemachte Klage der EZB gegen die Entscheidung vom 19. Februar 2018, mit der das KNAB vorläufig A untersagt hatte, sein Amt als Präsident der Zentralbank Lettlands auszuüben (Rechtssache C‑238/18), kann kein Beweis dafür sein, dass die EZB eine Pflichtverletzung begangen hat.

215    Außerdem legt die Klägerin nicht dar, in welcher Hinsicht davon auszugehen sei, dass die EZB im Rahmen der vorliegenden Rechtssache versuche, sich auf ihr eigenes fehlerhaftes Verhalten zu berufen.

216    Folglich ist ein Verstoß gegen den Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans nicht nachgewiesen.

217    Der siebte Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

8.      Zum achten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

218    Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. In diesem Beschluss werde sie anders behandelt als die anderen weniger bedeutenden Kreditinstitute. Zwar seien ernste Zweifel an der Aufsicht der FKMK geäußert worden, doch sei nicht klar, weshalb die Klägerin als Einzige einer besonderen Behandlung durch die FKMK und die EZB unterstellt worden sei. Der Umstand, dass die Klägerin und ihre Aktionäre eine Zusammenarbeit auf der Grundlage von Bestechungshandlungen verweigert hätten, sei kein berechtigter Grund, der Klägerin besondere Belastungen aufzuerlegen. Die Klägerin beruft sich auf Fälle, in denen die EZB die direkte Aufsicht nicht übernommen habe, obwohl die Zulassung der betreffenden Banken widerrufen werden müsse und die EZB in ihrem Beschluss über den Entzug der Zulassung konkrete Handlungen einer fehlenden Zusammenarbeit aufgezählt habe.

219    Die EZB tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

220    Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts besagt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 6. Juni 2019, P. M. u. a., C‑264/18, EU:C:2019:472, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

221    Die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch eine unterschiedliche Behandlung setzt voraus, dass die betreffenden Sachverhalte im Hinblick auf alle Merkmale, die sie kennzeichnen, vergleichbar sind (Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique und Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 25).

222    Es ist festzustellen, dass die Klägerin zwar einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung im Vergleich zu anderen weniger bedeutenden Kreditinstituten geltend macht, die nicht Gegenstand eines Beschlusses über die Übernahme der direkten Aufsicht durch die EZB waren, doch ist nicht nachgewiesen, dass sich diese Institute in einer vergleichbaren Situation wie die Klägerin befanden.

223    Soweit die Klägerin geltend macht, die EZB habe die direkte Aufsicht über Kreditinstitute, deren Zulassung in Anbetracht konkreter Fälle einer fehlenden Zusammenarbeit entzogen werden müsse, nicht übernommen, ist festzustellen, dass die Situation dieser Institute nicht mit der der Klägerin vergleichbar ist, da sie nicht Gegenstand einer Maßnahme wie der Empfehlung des ICSID waren.

224    Außerdem trägt der angefochtene Beschluss dadurch, dass er gewährleistet, dass die Klägerin, wie alle anderen im Rahmen des SSM beaufsichtigten Kreditinstitute, von einer Aufsichtsbehörde, die auf alle ihre Aufsichtsbefugnisse zurückgreifen kann, direkt beaufsichtigt wird, dazu bei, die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung sicherzustellen.

225    Darüber hinaus ist in Anbetracht der Ausführungen oben in den Rn. 204 und 205 nicht dargetan, dass die der direkten Aufsicht der EZB unterliegenden Kreditinstitute anders behandelt werden als die der direkten Aufsicht der FKMK unterliegenden Institute, und erst recht nicht, dass ihnen eine besondere Belastung auferlegt wird.

226    Der achte Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

9.      Zum neunten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit

227    Die Klägerin macht geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit.

228    Die Klägerin bringt erstens vor, der angefochtene Beschluss sei nicht klar und schaffe eine ungerechtfertigte Unsicherheit. In einem Beschluss über die Übernahme der direkten Aufsicht sollte angegeben werden, inwieweit sich die Aufsichtsanforderungen änderten und wie lange die EZB die wichtigste Aufsichtsbehörde sei. Der angefochtene Beschluss enthalte jedoch keine Angaben zu diesen Fragen, weil er kein konkretes Problem erkennen lasse, das er zu behandeln habe. Er lasse vage erkennen, dass die Klägerin mit einer Sanktion belegt werden müsse, da die FKMK der Ansicht sei, dass die Klägerin ihren Willen zur Zusammenarbeit nach der Einleitung des Schiedsverfahrens nicht gezeigt habe. Der Wortlaut des angefochtenen Beschlusses deute darauf hin, dass die direkte Aufsicht durch die EZB enden werde, wenn diese davon überzeugt sei, dass die Klägerin ihren Willen zur Zusammenarbeit gezeigt habe. Was konkret hierfür erforderlich sei, sei nicht klar, da im angefochtenen Beschluss nicht ein einziges Beispiel für eine mangelnde Zusammenarbeit der Klägerin mit der FKMK angegeben sei. Dies könnte bedeuten, dass das Schiedsverfahren unterbrochen werden müsse, damit die Klägerin von der direkten Aufsicht der EZB befreit werde, und dass die Klägerin sich jeder anderen Rechtsschutzmöglichkeit enthalten müsse, was ein rechtswidriges Ziel darstelle.

229    Im Übrigen macht die Klägerin geltend, da der angefochtene Beschluss das zugrunde liegende Problem, das er beheben solle, nicht beschreibe, sei es unmöglich, vorherzusagen, welchen wesentlichen Änderungen die Aufsichtsanforderungen aufgrund des Tätigwerdens der EZB unterliegen würden. Die ursprüngliche Erfahrung der Klägerin mit der EZB, insbesondere bei der von der EZB beschlossenen Prüfung vor Ort, lasse vermuten, dass die EZB einen neuen Ansatz verfolge und sich nicht an eine frühere Beurteilung der FKMK, wie diejenige betreffend die Bewertung der Vermögensgegenstände, gebunden sehe. Dies führe für die Klägerin zu einer übermäßigen Rechtsunsicherheit, die durch kein legitimes aufsichtsrechtliches Ziel gerechtfertigt werde.

230    Zweitens verstoße der angefochtene Beschluss gegen den Grundsatz des Schutzes des Vertrauens, das sich auf die früheren Interaktionen der Klägerin mit der FKMK und der EZB stütze. Während nämlich der Grundsatz des Vertrauensschutzes im Rahmen der Bankenaufsicht von entscheidender Bedeutung sei, habe keine der Interaktionen zwischen der Klägerin und der FKMK oder der EZB darauf schließen lassen, dass ein Beschluss nach Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassen werden könne. Die vorläufige Einigung im Schiedsverfahren lege das Gegenteil nahe, ebenso wie der Umstand, dass die EZB auf die zahlreichen Versuche der Klägerin, einen konstruktiven Dialog mit ihr aufzunehmen, keine substanzielle Antwort gegeben habe.

231    Die EZB trägt vor, sie habe nicht gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verstoßen.

232    Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet u. a., dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können – klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen (vgl. Urteil vom 30. April 2019, Italien/Rat [Fangquoten für Schwertfisch im Mittelmeer], C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung).

233    Als Ausfluss des Grundsatzes der Rechtssicherheit steht das Recht auf Vertrauensschutz jedem Einzelnen zu, wenn sich herausstellt, dass die Unionsverwaltung bei ihm begründete Erwartungen geweckt hat. Präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung Zusicherungen dar, die solche Erwartungen wecken können. Dagegen kann niemand eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend machen, dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben hat (Urteil vom 30. April 2019, Italien/Rat [Fangquoten für Schwertfisch im Mittelmeer], C‑611/17, EU:C:2019:332, Rn. 112).

234    Erstens ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss eindeutig ist.

235    Insbesondere hat entgegen dem Vorbringen der Klägerin ein nach Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 erlassener Beschluss nicht anzugeben, inwiefern sich die Aufsichtsanforderungen ändern würden, da dieser Beschluss für sich genommen gerade keine Auswirkungen auf die anwendbaren Aufsichtsregeln hat. Insoweit ist das Vorbringen der Klägerin, ihre Erfahrung mit der EZB, insbesondere bei der von der EZB beschlossenen Prüfung vor Ort, „lasse vermuten“, dass die EZB einen neuen Ansatz verfolge, unerheblich, da es mit der Klarheit des angefochtenen Beschlusses selbst nichts zu tun hat. Darüber hinaus entbehrt dieses Vorbringen der Grundlage, da keine Anhaltspunkte vorliegen, die belegen, dass der behauptete neue Ansatz tatsächlich verwirklicht wurde.

236    In einem Beschluss nach Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 ist auch nicht anzugeben, wie lange die EZB die direkte Aufsicht über das betreffende Unternehmen übernehmen wird, da die EZB nach Art. 47 Abs. 4 der Verordnung Nr. 468/2014 einen Beschluss zur Beendigung der direkten Beaufsichtigung durch die EZB fasst, wenn die direkte Beaufsichtigung nach ihrem vernünftigen Ermessen für die Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards nicht mehr erforderlich ist.

237    Zweitens geht jedenfalls aus den Akten der Rechtssache hervor, dass die Klägerin keine bestimmten Zusicherungen dahin gehend erhalten hat, dass die EZB ihre direkte Aufsicht nicht übernehme.

238    Insoweit verweist die Klägerin auf die Empfehlung des ICSID, legt aber nicht dar, inwiefern diese Maßnahmen, die nicht von der EZB stammen, solche bestimmten Zusicherungen hätten darstellen können.

239    Zum Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der EZB ist festzustellen, dass sich die EZB im Rahmen dieses Schriftwechsels nicht nur nicht verpflichtet hat, keinen Beschluss auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 zu erlassen, sondern die Klägerin selbst mit Schreiben vom 5. Juli 2018 die EZB ersucht hat, in ihre Aufsicht einzugreifen.

240    Folglich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die EZB gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoßen habe.

241    Der neunte Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

10.    Zum zehnten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 19 und den 75. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1024/2013 sowie Ermessensmissbrauch

242    Die Klägerin macht geltend, die EZB habe gegen Art. 19 und den 75. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1024/2013 verstoßen, die verlangten, dass die EZB ihre Verpflichtungen unabhängig von ungebührlicher politischer Einflussnahme ausübe; dieses Erfordernis habe die EZB verletzt, indem sie einen Beschluss erlassen habe, der vor allem eine Antwort auf die Einleitung des Schiedsverfahrens darstelle. Das Letztere entspreche dem rechtmäßigen Gebrauch eines Rechtsbehelfs und einer Form der konstruktiven Beilegung von Konflikten und nicht einer feindseligen Handlung. Außerdem beruhe der angefochtene Beschluss auf dem Willen, die praktische Wirksamkeit des Schiedsverfahrens und insbesondere der im Rahmen dieses Verfahrens getroffenen vorläufigen Einigung zu beeinträchtigen. Das Vorliegen eines früheren nicht offengelegten Ersuchens der FKMK auf Ausübung der direkten Aufsicht über die Klägerin durch die EZB bestätige dies. Da die Schiedsgerichtsbarkeit eine Form der Beilegung von Konflikten und folglich der Zusammenarbeit sei, sei es die FKMK und nicht die Klägerin, die die Zusammenarbeit verweigere.

243    Die EZB tritt diesem Vorbringen entgegen.

244    Nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1024/2013 handeln bei der Wahrnehmung der der EZB durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben die EZB und die nationalen zuständigen Behörden, die innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus handeln, unabhängig, und die Mitglieder des Aufsichtsgremiums und des Lenkungsausschusses handeln unabhängig und objektiv im Interesse der Union als Ganzes und dürfen von den Organen oder Einrichtungen der Union, von der Regierung eines Mitgliedstaats oder von öffentlichen oder privaten Stellen weder Weisungen anfordern noch entgegennehmen.

245    Im 75. Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es, dass im Interesse einer wirksamen Wahrnehmung ihrer Aufsichtsaufgaben die EZB die ihr übertragenen Aufsichtsaufgaben vollständig unabhängig ausüben sollte, insbesondere frei von ungebührlicher politischer Einflussnahme sowie von Einmischungen der Industrie, die ihre operative Unabhängigkeit beeinträchtigen würden.

246    Eine Maßnahme ist nur dann ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen Zwecken als denen, zu denen die betreffende Befugnis eingeräumt wurde, oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der AEU‑Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (Urteile vom 14. Dezember 2004, Swedish Match, C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 75, und vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 82).

247    Im vorliegenden Fall geht aus den Akten der Rechtssache nicht hervor, dass der angefochtene Beschluss zu anderen Zwecken als dem Ziel erlassen worden wäre, die kohärente Anwendung hoher Aufsichtsstandards gegenüber der Klägerin gemäß Art. 6 Abs. 5 Buchst. b der Verordnung Nr. 1024/2013 sicherzustellen.

248    Insbesondere berücksichtigt der angefochtene Beschluss zwar die Empfehlung des ICSID, doch geht aus den Akten der Rechtssache nicht hervor, dass er bezweckt, die Klägerin an der Durchführung eines Schiedsverfahrens gegen die Republik Lettland zu hindern.

249    Die Klägerin behauptet im Übrigen nicht, dass die Empfehlung des ICSID dahin auszulegen sei, dass sie die praktische Wirkung habe, die Ausübung der Aufsichtsbefugnisse der EZB gegenüber der Klägerin zu beschränken oder diese der Aufsicht einer anderen Behörde als der FKMK, die über alle Aufsichtsbefugnisse verfügt, zu entziehen. Wie bereits ausgeführt, hatte die Klägerin selbst mit Schreiben vom 5. Juli 2018 die EZB ersucht, in ihre Aufsicht einzugreifen.

250    Zum ersten Ersuchen der FKMK um Übernahme der direkten Aufsicht über die Klägerin durch die EZB vom 16. November 2017 bestreitet die EZB zwar nicht, dass die Klägerin nicht darüber informiert wurde, als es an die EZB gerichtet wurde, doch kann dieser Umstand für sich genommen nicht belegen, dass der angefochtene Beschluss ein anderes als ein aufsichtsrechtliches Ziel verfolgt hätte. Wie oben in Rn. 121 ausgeführt, sieht keine Bestimmung der Verordnung Nr. 468/2014 vor, dass ein solches Ersuchen von Amts wegen an das betreffende Unternehmen übermittelt wird. Außerdem ist dieses Ersuchen in den Akten der Rechtssache enthalten, und der Klägerin wurde Gelegenheit gegeben, zu diesem Ersuchen Stellung zu nehmen.

251    Der zehnte Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

252    Nach alledem ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

VI.    Kosten

253    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der EZB deren Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die PNB Banka AS trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Zentralbank (EZB).

Gervasoni

Madise

Nihoul

Frendo

 

      Martín y Pérez de Nanclares

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Dezember 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.