Language of document : ECLI:EU:T:2023:843

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte erweiterte Kammer)

20. Dezember 2023(*)

„Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Deutsche Strom- und Gasmärkte – Beschluss, mit dem der Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Begriff ‚einziger Zusammenschluss‘ – Abgrenzung des Marktes – Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb – Offensichtliche Beurteilungsfehler – Sorgfaltspflicht – Missbrauch von Befugnissen“

In der Rechtssache T-64/21,

Mainova AG mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt C. Schalast sowie Rechtsanwältinnen H. Löschan und Y. Salamati,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Meessen und C. Zois als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte F. Haus, L. Rundel und F. Schmidt,

Beklagte,

unterstützt durch

E.ON SE mit Sitz in Essen (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte C. Grave, C. Barth und D.‑J. dos Santos Goncalves,

und durch

RWE AG mit Sitz in Essen, vertreten durch Rechtsanwalt U. Scholz, Rechtsanwältin J. Ziebarth und Rechtsanwalt J. Siegmund,

Streithelferinnen,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richter J. Svenningsen, C. Mac Eochaidh und J. Martín y Pérez de Nanclares (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Stancu,

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2023

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Mainova AG, die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 6530 final der Kommission vom 17. September 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8870 – E.ON/Innogy) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

A.      In Rede stehende Unternehmen

2        Die E.ON SE ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die zum Zeitpunkt der Anmeldung des geplanten Zusammenschlusses auf den verschiedenen Stufen der Energieversorgungskette tätig war, insbesondere in den Bereichen Erzeugung, Übertragung und Verteilung, Groß- und Einzelhandel sowie in energiebezogenen Bereichen (wie Verbrauchsmessung, Elektromobilität) (im Folgenden: Energiemarkt). E.ON ist in mehreren europäischen Staaten tätig, darunter die Tschechische Republik, Dänemark, Deutschland, Italien, Ungarn, Polen, Rumänien, die Slowakei, Schweden und das Vereinigte Königreich.

3        Die innogy SE (im Folgenden: Innogy, zusammen mit E.ON: am Zusammenschluss Beteiligte), eine Tochtergesellschaft der RWE AG, an der diese mehrheitlich beteiligt ist, ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, die auf den verschiedenen Stufen der Energieversorgungskette, der Erzeugung und Verteilung, dem Einzelhandel und in energiebezogenen Bereichen wie Verbrauchsmessung oder Elektromobilität tätig ist. Innogy ist in mehreren europäischen Staaten tätig, darunter Belgien, die Tschechische Republik, Deutschland, Spanien, Frankreich, Kroatien, Italien, Ungarn, die Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, die Slowakei und das Vereinigte Königreich.

4        Die Klägerin ist ein regionales Stromversorgungs- und Erzeugungsunternehmen in Deutschland.

B.      Kontext des Zusammenschlusses

5        Der im vorliegenden Fall in Rede stehende Zusammenschluss fügt sich ein in den Rahmen eines komplexen Austauschs von Vermögenswerten zwischen RWE und E.ON, der von den beiden beteiligten Unternehmen am 11. und 12. März 2018 angekündigt wurde (im Folgenden: Gesamttransaktion). So möchte RWE mit der ersten Transaktion die alleinige oder gemeinsame Kontrolle über bestimmte Erzeugungsanlagen von E.ON erwerben. Die zweite Transaktion – der vorliegend in Rede stehende Zusammenschluss – besteht darin, dass E.ON die alleinige Kontrolle über die Sparten Verteilung und Vertrieb sowie bestimmte Erzeugungsanlagen der von RWE kontrollierten Innogy erwirbt. Die dritte Transaktion sieht vor, dass RWE eine Beteiligung in Höhe von 16,67 % an E.ON erwirbt.

6        Die Klägerin übersandte am 22. Juni 2018 ein Schreiben an die Europäische Kommission, in dem sie dieser mitteilte, dass sie am den ersten und den zweiten Zusammenschluss betreffenden Verfahren beteiligt werden und daher die sich auf diese Zusammenschlüsse beziehenden Unterlagen erhalten möchte. Sie nutzte diese Gelegenheit außerdem, um der Kommission ihre Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen der beiden Zusammenschlüsse mitzuteilen.

7        Am 28. September 2018 fand eine Besprechung zwischen der Klägerin und der Kommission statt.

8        Im Anschluss an diese Besprechung ersuchte die Kommission die Klägerin um eine weiter gehende Stellungnahme.

9        Der erste Zusammenschluss wurde am 22. Januar 2019 bei der Kommission angemeldet (im Folgenden: Zusammenschluss M.8871). Im Hinblick auf diese erste Transaktion erließ die Kommission den Beschluss C(2019) 1711 final vom 26. Februar 2019 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.8871 – RWE/E.ON Assets) (im Folgenden: Beschluss M.8871).

10      Der dritte Zusammenschluss wurde beim Bundeskartellamt (Deutschland) angemeldet, das ihn mit Bescheid vom 26. Februar 2019 genehmigte (Sache B8‑28/19, im Folgenden: Zusammenschluss B8‑28/19).

C.      Verwaltungsverfahren

11      Am 31. Januar 2019 ging bei der Kommission die Anmeldung eines beabsichtigten Zusammenschlusses nach Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, L 24, S. 1) ein, mit dem E.ON im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung die alleinige Kontrolle über die Sparten Verteilung und Kundenlösungen sowie bestimmte Stromerzeugungsanlagen der von RWE kontrollierten Innogy erwerben wollte.

12      Im Rahmen ihrer Prüfung dieses Zusammenschlusses führte die Kommission eine erste Marktbefragung unter den Wettbewerbern der am Zusammenschluss Beteiligten durch (im Folgenden: erste Marktbefragung) und übermittelte daher bestimmten Unternehmen, darunter der Klägerin, am 1. Februar 2019 einen Fragebogen, den diese am 13. Februar 2019 beantwortete.

13      Am 7. Februar 2019 erkannte die Anhörungsbeauftragte der Klägerin die Stellung als betroffene Dritte zu.

14      Am 8. Februar 2019 veröffentlichte die Kommission gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 die vorherige Anmeldung dieses Zusammenschlusses (Sache M.8870 – E.ON/Innogy) im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2019, C 50, S. 13, im Folgenden: Zusammenschluss M.8870).

15      Der Zusammenschluss umfasst zwei Schritte. Der erste Schritt besteht aus dem vollständigen Erwerb von Innogy durch E.ON. Der zweite Schritt besteht darin, dass E.ON sich zum einen vom Großteil von Innogys Geschäftsbereich Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen, von elf von Innogy betriebenen Gasspeicheranlagen in der Tschechischen Republik und in Deutschland sowie von der Beteiligung von Innogy an der Kärntner Energieholding Beteiligungs GmbH in Höhe von 49 % trennt und zum anderen diese Vermögenswerte auf RWE überträgt (im Folgenden: Re-Transfer-Assets).

16      Mit Beschluss vom 7. März 2019 stellte die Kommission fest, dass der Zusammenschluss M.8870 Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt und dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) gebe. Sie beschloss daher, das Verfahren der eingehenden Prüfung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 139/2004 einzuleiten.

17      Am 18. März 2019 veröffentlichte die Kommission die Einleitung des Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 139/2004 im Amtsblatt (ABl. 2019, C 102, S. 2).

18      Am 15. April 2019 übermittelte die Klägerin eine weiter gehende Stellungnahme an die Kommission.

19      Bei einer Zusammenkunft zur Bestandsaufnahme am 27. Mai 2019 informierte die Kommission die am Zusammenschluss Beteiligten über die vorläufigen Ergebnisse der Marktuntersuchung und über den Umfang ihrer vorläufigen Bedenken.

20      Um die von der Kommission bei der Zusammenkunft zur Bestandsaufnahme vom 27. Mai 2019 festgestellten wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen, legte E.ON am 20. Juni 2019 gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 ein Angebot für Verpflichtungszusagen vor.

21      Am 7. Juni 2019 übermittelte die Klägerin eine weiter gehende Stellungnahme an die Kommission.

22      Die Kommission führte eine zweite Marktbefragung durch, die sich auf die von E.ON angebotenen Verpflichtungszusagen bezog, und übermittelte daher einigen Unternehmen, darunter der Klägerin, am 21. Juni 2019 zwei Fragebögen, von denen einer die für den Heizstrommarkt angebotenen Verpflichtungszusagen und der andere diejenigen für den Markt für Elektromobilität betraf. Die Klägerin beantwortete diese Fragebögen am 28. Juni 2019.

23      E.ON legte am 3. Juli 2019 ihre endgültigen Verpflichtungszusagen vor.

D.      Angefochtener Beschluss

24      Da die Kommission der Ansicht war, dass die von E.ON vorgelegten Zusagen ausreichten, um die ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt auszuräumen, übersandte sie E.ON keine Mitteilung der Beschwerdepunkte und erließ den angefochtenen Beschluss. Mit diesem Beschluss, von dem eine Zusammenfassung im Amtsblatt veröffentlicht wurde (ABl. 2020, C 379, S. 16), erklärte die Kommission den Zusammenschluss für mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen vereinbar.

25      Der Zusammenschluss führt zu erheblichen Überschneidungen zwischen der Geschäftstätigkeit von E.ON und jener von Innogy, insbesondere in Deutschland. Die Kommission untersuchte deshalb die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die deutschen Märkte.

1.      Definition der relevanten Märkte

26      Die Kommission stellte fest, dass E.ON und Innogy in Deutschland beide in den Bereichen Stromerzeugung und Stromgroßhandel, Strom- und Gasverteilung, Dienstleistungen im Zusammenhang mit Trafostationen, Betrieb und Instandhaltung von Umspannwerken, Verkauf von Materialien, Strom- und Gaseinzelhandel, Energieberatung, Verkauf verschiedener Materialien, Trinkwasserversorgung und damit zusammenhängende Dienstleistungen, Lieferung von Fernwärme, Messdienstleistungen (Wärme, Wasser, Strom und Gas), Telekommunikationsdienste im Groß- und Einzelhandel, Bereitstellung von Straßenbeleuchtung, Elektromobilitätsdienstleistungen, Fotovoltaiksysteme, Verkauf und Installation von Waren und Dienstleistungen für Smart Homes sowie Last- und Bedarfssteuerungsdienste und Flexibilitätsdienste tätig seien.

a)      Strommarkt

27      Als Erstes vertrat die Kommission die Ansicht, dass die Definition des Marktes der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels, bei dem es sich um einen nationalen Markt handele, offenbleiben könne, da der Zusammenschluss keine Auswirkungen auf diesen Markt habe.

28      Was als Zweites den Markt der Stromverteilung betrifft, betrachtete sie die Verteilung von Strom über von Verteilernetzbetreibern (im Folgenden: VNB) betriebene Niederspannungsnetze als separaten Produktmarkt; jedes Gebiet, das in Deutschland durch eines dieser von VNB betriebenen Netze abgedeckt werde, bilde jeweils einen separaten Referenzmarkt.

29      Als Drittes unterschied die Kommission hinsichtlich des Stromeinzelhandelsmarktes drei Produktmärkte: den Markt für Stromlieferungen an Industriegroßkunden, den Markt für Stromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung und den Markt für Stromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen. Während sie den ersten Markt als nationalen Markt betrachtete, betrachtete sie den zweiten als lokalen, auf das betreffende Grundversorgungsgebiet beschränkten Markt, den dritten hingegen als nationalen Markt mit lokalen Elementen.

30      Als Viertes vertrat die Kommission zum Heizstrommarkt die Auffassung, dass es sich um einen vom Markt für Strom zu anderen Verwendungszwecken separaten Produktmarkt handele und dass die Frage der genauen geografischen Definition dieses Marktes offenbleiben könne, da der Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb erheblich behindere, und zwar unabhängig davon, ob der Markt als nationaler Markt mit lokalen Wettbewerbselementen oder auf Ebene des Netzgebiets als lokaler Markt betrachtet werde.

b)      Gasmarkt

31      Zur Verteilung von Gas vertrat die Kommission die Ansicht, dass jedes von einem VNB betriebene Gasverteilernetz mit niedrigerem Druck (Niederdruck und Mitteldruck) als separater Produktmarkt zu betrachten sei, dessen räumlicher Umfang jeweils dem Gebiet entspreche, das von dem von VNB betriebenen Netz abgedeckt werde. Im Übrigen stellte die Kommission fest, dass die Struktur und Funktionsweise des Gaseinzelhandelsmarktes der Struktur und Funktionsweise des Stromeinzelhandelsmarktes sehr ähnlich seien. Folglich verwendete die Kommission für den Gaseinzelhandelsmarkt eine Definition des Produktmarktes und des geografischen Marktes, die der für den Strom vergleichbar ist.

c)      Markt für Messdienstleistungen

32      Zunächst führte die Kommission aus, dass die Verbrauchsmessung die Messung des Strom‑, Gas‑, Wasser- und Wärmeverbrauchs zum Zweck der Abrechnung, der Transparenz und der Optimierung des Verbrauchs umfasse. Außerdem gebe es Unterschiede zwischen dem Markt für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen auf der einen und dem Markt für Fernwärme‑ und Wassermessdienstleistungen auf der anderen Seite.

33      Im Wesentlichen legte die Kommission dar, dass die Verbraucher für Fernwärme‑ und Wassermessdienstleistungen ihren Messdienstleistungsanbieter nicht frei wählen könnten, da die Messungen durch den Netzbetreiber erfolgten, dass sie aber für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen einen anderen Betreiber als den normalerweise zuständigen VNB wählen könnten. Auf dem Markt für Strom- und Gasmessdienstleistungen könne also zwischen dem „grundzuständigen Messstellenbetreiber“ (im Folgenden: gMSB) und dem „wettbewerblichen Messstellenbetreiber“ (im Folgenden: wMSB) gewählt werden.

34      Sodann definierte die Kommission White-Label-Dienstleistungen als Dienstleistungen im Zusammenhang mit Beschaffung, Installation, Betrieb, Instandhaltung und Lieferung von IT‑Lösungen, die für VNB erbracht werden.

35      Schließlich führte sie aus, dass bei der Einzelverbrauchserfassung (Submetering) die Messung des Wasser- und Energieverbrauchs so erfolge, dass jeder individuellen Einheit eines Gebäudes (z. B. in Wohnkomplexen) deren jeweiliger Verbrauch zugeordnet werde, im Gegensatz zur Verwendung eines Zählers, der den Verbrauch eines ganzen Gebäudes messe.

36      Für die Zwecke des angefochtenen Beschlusses berücksichtigte die Kommission erstens einen Markt für Strom- und Gasmessdienstleistungen durch Unternehmen in ihrer Eigenschaft als gMSB, zweitens einen Markt für Strom- und Gasmessdienstleistungen durch Unternehmen in ihrer Eigenschaft als wMSB, drittens einen Markt für Wärme- und Wassermessdienstleistungen, viertens einen Markt für Submetering-Dienstleistungen und fünftens einen Markt für White-Label-Dienstleistungen.

37      Zur räumlichen Dimension dieser Märkte kam die Kommission zu dem Schluss, dass der Markt für Strom- und Gasmessdienstleistungen durch Unternehmen in ihrer Eigenschaft als gMSB von lokaler Bedeutung und auf das betroffene Netzgebiet beschränkt sei. Gleichermaßen wurde der Markt für Wärme- und Wassermessdienstleistungen als lokaler Markt betrachtet, der auf das betroffene Netzgebiet beschränkt sei. Die Märkte für Strom- und Gasmessdienstleistungen durch Unternehmen in ihrer Eigenschaft als wMSB, der Markt für Submetering-Dienstleistungen und der Markt für White-Label-Dienstleistungen wurden als nationale Märkte angesehen.

d)      Markt für Elektromobilität

38      Als Erstes war die Kommission hinsichtlich des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge der Ansicht, dass die Errichtung und der Betrieb von öffentlichen Ladestationen für Elektrofahrzeuge zum einen an Autobahnen und zum anderen abseits von Autobahnen separate Märkte darstellten. Außerdem vertrat sie die Auffassung, dass Schnellladestationen an Autobahnen zum einen und ultraschnelle Ladestationen an Autobahnen zum anderen separate Märkte bildeten. Sie führte zudem aus, dass ultraschnelle Ladestationen abseits von Autobahnen als separater Markt zu betrachten seien. Ob gewöhnliche Ladestationen und Schnellladestationen abseits von Autobahnen als Teil des gleichen relevanten Marktes betrachtet werden sollten, kann der Kommission zufolge hingegen offenbleiben.

39      Was die Definition des geografischen Marktes betrifft, kann diese nach Ansicht der Kommission zum einen hinsichtlich des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge an Autobahnen offenbleiben, da der Zusammenschluss unabhängig von der zugrunde gelegten Definition wettbewerbsrechtliche Bedenken aufwerfe.

40      Was zum anderen den Markt der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge abseits von Autobahnen betrifft, kann dessen geografische Definition nach Ansicht der Kommission offenbleiben, da der Zusammenschluss unabhängig von der denkbaren zugrunde gelegten Definition keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwerfe.

41      Als Zweites führte die Kommission zum Vorleistungsmarkt für Ladestationen für Elektrofahrzeuge – ein Geschäftsbereich von Innogy, aber nicht von E.ON – aus, dass die genaue Definition dieses Marktes offenbleiben könne, da es unabhängig von der denkbaren zugrunde gelegten Definition des Produktmarktes oder des geografischen Marktes zum einen keine horizontale Überschneidung zwischen den Tätigkeiten der Beteiligten gebe und zum anderen der Marktanteil von Innogy weniger als 30 % betrage.

42      Als Drittes betrachtete die Kommission die Lieferung von privaten Ladestationen für Elektrofahrzeuge als einen separaten nationalen Markt. In Anbetracht dessen, dass die Anteile von E.ON und Innogy an diesem Markt sehr begrenzt seien, kam die Kommission jedoch zu dem Schluss, dass er durch den Zusammenschluss nicht beeinträchtigt werde.

43      Als Viertes gelangte die Kommission hinsichtlich Abonnementdiensten für öffentliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu dem Ergebnis, dass die Frage nach der genauen Definition des Produktmarktes, dessen geografische Dimension sie als national einstuft, offenbleiben könne, da der Zusammenschluss unabhängig von der denkbaren zugrunde gelegten Definition keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwerfe.

44      Als Fünftes gelangte die Kommission hinsichtlich der White-Label-Dienstleistungen für öffentliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu dem Schluss, dass es sich um einen separaten nationalen Produktmarkt handele. Da die am Zusammenschluss Beteiligten nur begrenzt auf diesem Markt tätig seien und ihr gemeinsamer Marktanteil weniger als 10 % betrage, entschied die Kommission, dass dieser Markt nicht betroffen sei.

2.      Prüfung der nicht koordinierten horizontalen Wirkungen

45      Als Erstes vertrat die Kommission hinsichtlich der Strom‑ und Gasverteilungsmärkte die Ansicht, dass sich die Geschäftstätigkeiten der am Zusammenschluss Beteiligten nicht überschnitten, da jedes Verteilernetz einen separaten geografischen Markt darstelle. Folglich wirke sich der Zusammenschluss nicht horizontal auf den Markt aus. Dennoch prüfte die Kommission, teilweise aufgrund von Bedenken, die von Dritten geäußert wurden, eine Reihe an hypothetischen Szenarien, in denen der Zusammenschluss die Verbraucher schädigen könnte. So prüfte sie

–        die Verringerung des Wettbewerbs bei öffentlichen Ausschreibungen;

–        die Diskriminierung bei der Nutzung des 110‑kV‑Netzes (Kilovolt);

–        negative Auswirkungen auf den Effizienzrichtwert der Regulierung;

–        die Fähigkeit, die Entwicklung von Standards auf unzulässige Weise zu beeinflussen.

46      Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte horizontale Wirkungen auf den Strom ‑ und Gasverteilungsmärkten in Deutschland führen werde.

47      Als Zweites vertrat sie zu den Märkten für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts‑ und Kleingewerbekunden die Auffassung, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb nicht erheblich behindern werde, und zwar weder im Rahmen der Grundversorgung noch im Rahmen von Sonderverträgen.

48      Als Drittes kam sie hinsichtlich des Heizstrommarktes jedoch zu dem Ergebnis, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb erheblich behindern werde. Erstens seien nämlich die gemeinsamen Marktanteile der am Zusammenschluss Beteiligten hoch, zweitens ergebe sich aus der Marktuntersuchung, dass die am Zusammenschluss Beteiligten sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene einen erheblichen Wettbewerbsdruck aufeinander ausübten, drittens seien die anderen Wettbewerber auf diesem Markt nicht in der Lage, die gleichen Wettbewerbsbedingungen aufrechtzuerhalten wie vor dem Zusammenschluss, viertens seien die Zutrittsschranken und Expansionshemmnisse auf diesem Markt beträchtlich, und fünftens werde sich dieser Markt zwar verändern, aber nicht verschwinden.

49      Was als Viertes die Märkte für Strom‑ und Gaslieferungen an Industriegroßkunden betrifft, war die Kommission der Ansicht, dass sich der Zusammenschluss nicht horizontal auf diese Märkte auswirke.

50      Als Fünftes sei hinsichtlich der Messdienstleistungen kein Markt vom Zusammenschluss betroffen.

51      Als Sechstes kam die Kommission hinsichtlich des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge an Autobahnen zu dem Schluss, dass E.ON und Innogy in Fällen, in denen sie über öffentliche Ladestationen innerhalb einer Entfernung von 50 Kilometern (km) verfügten und sich entlang der gleichen Strecke zwischen diesen Stationen keine öffentlichen Ladestationen eines anderen Wettbewerbers befänden, in unmittelbarstem Wettbewerb zueinander stünden. Vor diesem Hintergrund sei der Zusammenschluss geeignet, die Verbraucher zu schädigen, da er zum Wegfall bedeutender Wettbewerbszwänge führen werde, die sich die Beteiligten gegenseitig auferlegten. Folglich gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb auf diesem Markt erheblich behindern werde.

52      Als Siebtes ging die Kommission hinsichtlich des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge abseits von Autobahnen jedoch davon aus, dass der Zusammenschluss diesen Markt nicht erheblich beeinträchtigen werde.

3.      Prüfung der nicht koordinierten vertikalen Wirkungen

53      Die Kommission vertrat die Ansicht, dass es sich bei den von VNB betriebenen Strom- und Gasverteilernetzen um Märkte handele, die in Bezug auf alle vor- und nachgelagerten Märkte von vertikalen Wirkungen betroffen seien, da der Marktanteil des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens an den Verteilernetzen über 30 % betragen werde (natürliche Monopole).

54      Die am Zusammenschluss Beteiligten hätten auch am Strom- und Gaseinzelhandel auf den lokalen Märkten, auf denen sie als Grundversorger tätig seien (natürliche Monopole), einen Marktanteil von über 30 %, wodurch es hinsichtlich der verbundenen vorgelagerten Märkte zu vertikalen Beeinträchtigungen komme.

55      Als Erstes vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte vertikale Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen dem vorgelagerten Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels in Deutschland sowie den nachgelagerten Stromeinzelhandelsmärkten in Deutschland beruhten.

56      Als Zweites vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte vertikale Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen dem vorgelagerten Markt für den Betrieb des Verteilernetzes und dem nachgelagerten Markt der Stromerzeugung und des Stromgroßhandels in Deutschland beruhten.

57      Als Drittes führte die Kommission aus, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen den vorgelagerten Märkten der von VNB betriebenen Verteilernetze und den nachgelagerten Strom‑ und Gaseinzelhandelsmärkten in Deutschland beruhten.

58      Als Viertes war die Kommission der Ansicht, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen den vorgelagerten Märkten der von VNB betriebenen Strom‑ und Gasverteilernetze sowie den nachgelagerten Märkten für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen in Deutschland beruhten.

59      Als Fünftes war die Kommission der Ansicht, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen dem vorgelagerten Gaseinzelhandelsmarkt für Kraftwerke und den nachgelagerten Fernwärmemärkten in Deutschland beruhten.

60      Als Sechstes vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen dem vorgelagerten Markt für White-Label-Dienstleistungen sowie den nachgelagerten Märkten für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen in Deutschland zum einen und dem nachgelagerten Markt für Wärme- und Wassermessdienstleistungen in Deutschland zum anderen beruhten.

61      Als Siebtes vertrat die Kommission die Auffassung, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen hinsichtlich der Märkte für Elektromobilität in Deutschland beruhten.

4.      Andere Schadenstheorien

62      Die Kommission prüfte die von Dritten geäußerten Bedenken zu anderen möglichen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf weitere energiebezogene Märkte.

63      Als Erstes prüfte die Kommission die Bedenken hinsichtlich des Zugangs zu einer einzigen Kundendatenbank. Dritte hatten vorgebracht, dass das aus dem Zusammenschluss hervorgehende Unternehmen aufgrund seines großen Kundenstamms und aufgrund seiner Rolle als Anbieter von (intelligenten) Messdienstleistungen (durch seine Tätigkeit als VNB und folglich automatisch als Anbieter von Messdienstleistungen) über eine bedeutende Kundendatenbank verfügen werde. Ein Anbieter von intelligenten Messdienstleistungen sammle sämtliche Verbrauchsdaten. Unter Berücksichtigung der großen Bedeutung der Datenverarbeitung für die Entwicklung neuer Produkte (z. B. personalisierte Tarifgestaltung, Prosumenten-Dienstleistungen etc.) würden die am Zusammenschluss Beteiligten über einen einzigartigen Vorteil verfügen (auch aufgrund von Verstärkungs- bzw. Netzwerkeffekten).

64      Die Kommission war der Ansicht, dass es keine ausreichenden Anhaltspunkte gebe, um davon auszugehen, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb auf dieser Grundlage erheblich behindere. Der Zusammenschluss werde nämlich insbesondere nicht dazu führen, dass die verfügbare Datenbank andere Arten von Daten enthalte als jene, zu denen die am Zusammenschluss Beteiligten bereits vor dem Zusammenschluss Zugang gehabt hätten. Folglich hätten sie Zugang zur gleichen Art von Daten wie vor dem Zusammenschluss, lediglich für mehr Kunden.

65      Als Zweites beschäftigte sich die Kommission mit von Dritten aufgezeigten Problemen betreffend das Portfolio an energiebezogenen Produkten, Cross-Selling und Finanzkraft, die mit dem zuvor erwähnten Problem der Datenbank zusammenhängen.

66      Die Kommission vertrat hinsichtlich dieser Probleme die Auffassung, dass es keine ausreichenden Anhaltspunkte gebe, die zeigten, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb erheblich behindere.

5.      Ergebnis hinsichtlich der Auswirkungen des Zusammenschlusses

67      Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss durch die nicht koordinierten Wirkungen, die sich aus der Überschneidung der Geschäftstätigkeit der am Zusammenschluss Beteiligten ergäben, wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für Heizstromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden sowie auf dem Markt der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge an Autobahnen in Deutschland erheblich behindere.

6.      Verpflichtungszusagen

68      In Anbetracht der wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission schlug E.ON Verpflichtungszusagen vor. Die Kommission legte dieses Angebot im Rahmen einer zweiten Marktbefragung Dritten vor. Das Ergebnis dieser Befragung übermittelte sie zwecks Anpassung der angebotenen Verpflichtungszusagen an E.ON.

69      Als Erstes verpflichtete sich E.ON im Hinblick auf den Markt für Heizstromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden, beinahe alle Sondervertragskunden ihrer Tochtergesellschaft EDG abzugeben, die mit Heizstrom beliefert werden. Die endgültigen Verpflichtungszusagen umfassen für Kunden, die mit separaten Zählern ausgestattet sind, auch alle entsprechenden Sonderverträge für Haushaltsenergie, die Kunden betreffen, die mit Heizstrom beliefert werden. Die Veräußerung erfolgt über zwei getrennte Kundenportfolios, die beide von einem Käufer oder getrennt von zwei verschiedenen Käufern erworben werden.

70      Diese Veräußerung ermöglicht aus der Sicht der Kommission die wirksame Zerstreuung ihrer Bedenken, da auf diese Weise der Großteil der wettbewerblichen Überschneidungen zwischen den am Zusammenschluss Beteiligten wegfalle und eine ausreichende Anzahl an Wettbewerbern auf dem Markt verbleibe.

71      Als Zweites verpflichtete sich E.ON hinsichtlich des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge an Autobahnen, den Betrieb von Ladestationen in den Gebieten mit horizontalen Überschneidungen vollständig einzustellen und diese Ladestationen vor Ablauf eines im Vorhinein festgelegten Zeitraums nicht zu betreiben. Darüber hinaus verpflichtete sich E.ON, die von einem Dritten betriebenen Ladestationen, für die sie den Abschluss einer Betriebsvereinbarung in Erwägung zog, während eines vorher festgelegten Zeitraums nicht zu betreiben.

72      Die Kommission hielt die Verpflichtungszusagen von E.ON für ausreichend, um alle festgestellten Bedenken auszuräumen.

7.      Ergebnis

73      Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die endgültigen Verpflichtungszusagen ausreichten, um die durch den Zusammenschluss entstehenden wesentlichen Hindernisse für einen wirksamen Wettbewerb vollständig zu beseitigen. Folglich werde der Zusammenschluss aufgrund der endgültigen Verpflichtungszusagen mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen vereinbar.

II.    Anträge der Parteien

74      Die Klägerin beantragt im Wesentlichen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

75      Die Kommission, unterstützt durch RWE und E.ON, beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

76      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf vier Klagegründe, nämlich erstens auf eine fehlerhafte Aufspaltung der Untersuchung der Gesamttransaktion, zweitens auf offensichtliche Beurteilungsfehler, drittens auf eine Verletzung der Sorgfaltspflicht und viertens auf einen Missbrauch von Befugnissen.

A.      Zur Zulässigkeit

77      Ohne formal eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, äußert die Kommission in ihrer Klagebeantwortung Zweifel an der Klagebefugnis der Klägerin, da sie die individuelle Beeinträchtigung ihrer Marktstellung nicht nachgewiesen habe. Der Klageschrift lasse sich nämlich nicht klar entnehmen, auf welchen Märkten, insbesondere im Bereich Elektromobilität und Stromverteilung, die Klägerin tatsächlich tätig und von dem angefochtenen Beschluss betroffen sei.

78      Im Wege einer prozessleitenden Maßnahme und im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Parteien zur Klagebefugnis der Klägerin befragt.

79      Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann eine natürliche oder juristische Person nur dann eine Klage gegen einen an eine andere Person gerichteten Beschluss erheben, wenn dieser Beschluss sie unmittelbar und individuell betrifft.

80      Um festzustellen, ob die Klägerin klagebefugt ist, ist also zu prüfen, ob sie vom angefochtenen Beschluss unmittelbar und individuell betroffen ist.

81      Was die unmittelbare Betroffenheit der Klägerin betrifft, ist als Erstes festzustellen, dass der angefochtene Beschluss, da er die sofortige Durchführung des Zusammenschlusses M.8870 gestattete, zu einer unmittelbaren Änderung der Lage auf den betroffenen Märkten führen konnte. Da der Wille der am Zusammenschluss M.8870 Beteiligten, diesen zu bewirken, nicht in Frage stand, konnten die auf dem oder den betroffenen Märkten tätigen Wirtschaftsunternehmen im Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses eine unmittelbare oder schnelle Änderung des Marktzustands als sicher erachten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, EU:T:2006:187, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus folgt, dass die Klägerin vom angefochtenen Beschluss unmittelbar betroffen ist.

82      Zur individuellen Betroffenheit der Klägerin ist als Zweites darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung Personen, die nicht Adressat eines Beschlusses sind, nur dann geltend machen können, individuell betroffen zu sein, wenn dieser Beschluss sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten des Beschlusses (vgl. Urteil vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, EU:T:2006:187, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Wird in einem Beschluss die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt festgestellt, so ist bei der Prüfung, ob ein Drittunternehmen individuell betroffen ist, zum einen darauf abzustellen, ob es am Verwaltungsverfahren beteiligt war, und zum anderen darauf, ob seine Marktstellung beeinträchtigt ist. Die bloße Teilnahme am Verfahren genügt zwar allein nicht, um festzustellen, dass der Kläger von dem Beschluss individuell betroffen ist, zumal wenn es sich um Zusammenschlüsse handelt, deren eingehende Prüfung regelmäßige Kontakte mit zahlreichen Unternehmen erfordert, doch ist die aktive Teilnahme am Verwaltungsverfahren ein Faktor, den die Rechtsprechung bei Wettbewerbsfragen einschließlich des spezielleren Gebiets der Kontrolle von Zusammenschlüssen regelmäßig berücksichtigt, um in Verbindung mit anderen spezifischen Umständen die Zulässigkeit der Klage festzustellen (vgl. Urteil vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, EU:T:2006:187, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Im vorliegenden Fall ist erstens zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin aktiv am Verwaltungsverfahren beteiligt war. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin auf die beiden von der Kommission durchgeführten Marktbefragungen geantwortet, dieser eine Stellungnahme übermittelt und am 28. September 2018 an einer Besprechung teilgenommen hat.

85      Zweitens ist zur Betroffenheit der Marktstellung festzustellen, dass die Kommission in den Rn. 275 und 334 des angefochtenen Beschlusses selbst ausgeführt hat, dass die Klägerin auf dem Markt für Strom- und Gaslieferungen an Haushalts‑ und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen eine der Hauptwettbewerberinnen der am Zusammenschluss Beteiligten sei.

86      Die Klägerin ist vom angefochtenen Beschluss folglich individuell betroffen.

87      Nach alledem ist die Klägerin vom angefochtenen Beschluss unmittelbar und individuell betroffen und damit befugt, gegen diesen Beschluss Klage zu erheben.

B.      Zur Begründetheit

1.      Erster Klagegrund: fehlerhafte Aufspaltung der Untersuchung der Gesamttransaktion

88      Mit ihrem Vorbringen ist die Klägerin bestrebt, geltend zu machen, dass sich der Zusammenschluss B8‑28/19 besonders stark auf die Beziehung zwischen E.ON und RWE auswirke, so dass die Kommission diesen Zusammenschluss hätte prüfen müssen, anstatt dies dem Bundeskartellamt zu überlassen. Sie führt außerdem im Wesentlichen aus, dass diese Prüfung im Rahmen eines einzigen Verfahrens hätte stattfinden sollen, was die Kommission dazu veranlasst hätte, die Zusammenschlüsse B8‑28/19, M.8870 und M.8871 als Teile eines einzigen Zusammenschlusses zu prüfen.

89      Es ist also davon auszugehen, dass die Klägerin mit ihrem ersten Klagegrund beanstandet, dass die Kommission zum einen den Zusammenschluss B8‑28/19 nicht geprüft und zum anderen die Zusammenschlüsse M.8870, M.8871 und B8‑28/19 nicht als Teile eines einzigen Zusammenschlusses betrachtet habe.

90      Da Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 für das Vorliegen einer Kontrolle, die einen Zusammenschluss kennzeichnen kann, darauf abstellt, dass ein bestimmender Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens erworben wurde, ist aus dem Vorwurf der Klägerin zu schließen, dass diese den Zusammenschluss B8‑28/19 als Zusammenschluss im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 betrachtet und der Ansicht ist, dass die Kommission ihn vor diesem Hintergrund hätte prüfen müssen.

91      Gegenstand der vorliegenden Klage ist jedoch formal der Beschluss der Kommission vom 17. September 2019, mit dem der Zusammenschluss M.8870 für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurde. Auch wenn der angefochtene Beschluss eine Fußnote enthält, in der ausgeführt wird, dass die Kommission die Auswirkungen der von RWE an E.ON erworbenen Minderheitsbeteiligung im Rahmen des Beschlusses M.8871 geprüft hat, ist insoweit festzustellen, dass die Kommission nicht ausdrücklich über die Frage, ob der Zusammenschluss B8‑28/19 einen Zusammenschluss im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 darstellt, und in weiterer Folge über ihre Zuständigkeit für die Entscheidung über die Vereinbarkeit dieses Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt befunden hat. Daher kann sich die Klägerin nicht auf den Klagegrund einer fehlerhaften Aufspaltung der Gesamttransaktion berufen, um beim Gericht die Entscheidung über eine Zuständigkeitsfrage zu beantragen, die von der Kommission im vor dem Gericht tatsächlich angefochtenen Beschluss nicht behandelt worden ist.

92      Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass es der Klägerin, wenn sie der Ansicht wäre, dass der Zusammenschluss B8‑28/19 durch die Kommission zu prüfen sei, oblegen hätte, eine Beschwerde an die Kommission zu richten, um sie zu ersuchen, darüber zu befinden.

93      Im vorliegenden Fall betrifft, wie oben in Rn. 5 ausgeführt, der Zusammenschluss M.8871 den Erwerb von Vermögenswerten von E.ON durch RWE, während der Zusammenschluss M.8870 den Erwerb von Innogy, einer Tochtergesellschaft von RWE, durch E.ON betrifft. Der Zusammenschluss B8‑28/19 ermöglicht wiederum RWE den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung von 16,67 % an E.ON.

94      Es müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit zwei oder mehr Erwerbsvorgänge als ein einziger Zusammenschluss im Sinne des 20. Erwägungsgrundes und von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 139/2004 betrachtet werden können. Zum einen müssen diese Erwerbsvorgänge voneinander abhängig sein, so dass die einen ohne die anderen nicht durchgeführt würden. Zum anderen muss ihr Ergebnis darin bestehen, dass einem oder mehreren Unternehmen die unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Kontrolle über die Tätigkeit eines oder mehrerer anderer Unternehmen übertragen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, T‑282/02, EU:T:2006:64, Rn. 109). Da diese Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen, reicht das Fehlen einer Voraussetzung, damit verschiedene Zusammenschlüsse keinen einzigen Zusammenschluss darstellen.

95      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst die Voraussetzung betreffend das Ergebnis zu prüfen.

96      Als Erstes ist festzustellen, dass die erwerbenden Unternehmen beim Zusammenschluss M.8870 einerseits und bei den Zusammenschlüssen M.8871 und B8‑28/19 andererseits nicht die gleichen sind. Es handelt sich nämlich um E.ON bzw. um RWE. Auch die erworbenen Unternehmen sind nicht dieselben, da der Zusammenschluss M.8870 Innogy, eine Tochtergesellschaft von RWE, betrifft und es bei den Zusammenschlüssen M.8871 und B8‑28/19 um die Vermögenswerte von E.ON bzw. um das Unternehmen E.ON geht.

97      Was als Zweites die Zusammenschlüsse M.8871 und B8‑28/19 betrifft, ist das erwerbende Unternehmen – RWE – zwar in beiden Fällen dasselbe, jedoch werden unterschiedliche Unternehmen erworben. Im Rahmen des Zusammenschlusses M.8871 erwirbt RWE nämlich Vermögenswerte von E.ON, während im Rahmen des Zusammenschlusses B8‑28/19 RWE eine Minderheitsbeteiligung an E.ON erwirbt. Die Kombination aus dem Erwerb von Vermögenswerten von E.ON und dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an E.ON führt jedoch nicht dazu, dass RWE die Kontrolle über E.ON erwirbt. Indem E.ON seine Vermögenswerte auf RWE überträgt, hat es nämlich keine Verbindung mehr zu diesen, so dass RWE vermittels dieser Vermögenswerte keinen bestimmenden Einfluss auf E.ON ausüben kann.

98      Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Ergebnis der Zusammenschlüsse darin bestehen soll, dass dasselbe oder dieselben Unternehmen die Kontrolle über ein oder mehrere andere Unternehmen erwerben. Schließlich besteht abgesehen von der absichtlich von RWE und E.ON geschaffenen gegenseitigen Abhängigkeit keine funktionelle Verbindung zwischen den Zusammenschlüssen M.8870, M.8871 und B8‑28/19, da die Gesamttransaktion im vorliegenden Fall keine Transaktion ist, bei der mehrere Zwischentransaktionen getätigt werden, um die Kontrolle über ein oder mehrere Unternehmen durch dasselbe oder dieselben Unternehmen zu erlangen.

99      Das Vorbringen der Klägerin vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen.

100    Erstens macht die Klägerin geltend, dass RWE letztlich in allen Zusammenschlüssen der Gesamttransaktion das erwerbende Unternehmen sei, da sie im Rahmen des Zusammenschlusses M.8870 bestimmte Re-Transfer-Assets von Innogy erwerbe. Hierzu ist daran zu erinnern, dass der Zusammenschluss M.8870 darin besteht, dass E.ON die alleinige Kontrolle über die Sparten Verteilung und Vertrieb sowie bestimmte Erzeugungsanlagen von Innogy, einer Tochtergesellschaft von RWE, erwirbt. Es trifft zu, dass E.ON sämtliche Vermögenswerte von Innogy erwerben soll, aber es ist darauf hinzuweisen, dass dieser umfassende Erwerb nur vorübergehenden Charakter hat. Bestimmte Vermögenswerte von Innogy, und zwar die Re-Transfer-Assets, sollen nämlich in einer zweiten Phase des Austauschs von Vermögenswerten an RWE zurückübertragen werden. E.ON und RWE zufolge waren diese Vorgehensweise und die Aufteilung der Übertragungen erforderlich, da eine Zerschlagung von Innogy aufgrund ihrer Organisationsstruktur zu kompliziert gewesen wäre. Mit anderen Worten hat, wie von der Kommission zu Recht geltend gemacht, da der Erwerb der Re-Transfer-Assets durch E.ON nur vorübergehenden Charakter hat, im Hinblick auf diese Vermögenswerte keine dauerhafte Veränderung der Kontrolle im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 stattgefunden, so dass RWE im Rahmen des Zusammenschlusses M.8870 nicht als erwerbendes Unternehmen betrachtet werden kann. Das Argument der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

101    Zweitens vertritt die Klägerin die Ansicht, dass die Kommission ihre frühere Entscheidungspraxis zur Einstufung von Zusammenschlüssen als „einziger Zusammenschluss“ nicht beachtet habe. Im vorliegenden Fall sei die Gesamttransaktion nämlich mit dem Fall vergleichbar, über den die Kommission in dem Verfahren zu befinden gehabt habe, das dem Beschluss vom 26. Februar 2007 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt (Sache N COMP/M.4521 – LGI/TELENET) zugrunde gelegen habe, in dem die Kommission vom Vorliegen eines einzigen Zusammenschlusses ausgegangen sei. Hierzu genügt der Hinweis, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht die Ansicht vertreten werden kann, dass der im genannten Verfahren in Rede stehende Zusammenschluss mit dem im vorliegenden Fall in Rede stehenden Zusammenschluss vergleichbar wäre. In der Sache N COMP/M.4521 ging es nämlich um zwei Zusammenschlüsse. Im Rahmen des ersten Zusammenschlusses erwarb Telenet UPC Belgium, deren Eigner zuvor LGI war. Im Rahmen des zweiten Vorhabens erwarb LGI Telenet. Wie von der Kommission in ihrer Klagebeantwortung zutreffend dargelegt, wurden UPC Belgium und Telenet mithin schließlich vom gleichen Unternehmen, nämlich von LGI, kontrolliert. Wie oben in Rn. 100 ausgeführt, kann RWE also nicht in Bezug auf alle Teile der Gesamttransaktion als erwerbendes Unternehmen betrachtet werden.

102    Die Gesamttransaktion erfüllt die Voraussetzung betreffend das Ergebnis folglich nicht.

103    Im Übrigen ist die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt aufgrund der Informationen zu beurteilen, über die die Kommission beim Erlass des Beschlusses verfügte. Somit muss die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt tatsächliche und rechtliche Umstände zugrunde legen, die im Zeitpunkt der Anmeldung dieses Zusammenschlusses gegeben sind und deren wirtschaftliche Bedeutung zum Zeitpunkt des Erlasses des entsprechenden Beschlusses abgeschätzt werden kann (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2021, Polskie Linie Lotnicze „LOT“/Kommission, T‑296/18, EU:T:2021:724, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

104    Im Rahmen eines Tauschs von Vermögenswerten wie im vorliegenden Fall können aber die Kommission ebenso wie die Anmelder der verschiedenen Zusammenschlüsse vorhersehen, welche Auswirkungen die wahrscheinliche Durchführung jedes der Zusammenschlüsse – einzeln und gemeinsam – auf den Binnenmarkt haben wird. Die rechtliche und tatsächliche gegenseitige Abhängigkeit der Zusammenschlüsse im vorliegenden Fall ermöglicht es der Kommission nämlich, zu verstehen, wie die Marktstruktur nach deren Durchführung aussehen wird.

105    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass mit dem Begriff „einziger Zusammenschluss“ das Ziel verfolgt wird, die gemeinsame Prüfung von Transaktionen zu ermöglichen, die letztlich auf dasselbe Ergebnis abzielen, nämlich den Erwerb der unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Kontrolle über die Tätigkeit eines oder mehrerer anderer Unternehmen durch ein oder mehrere Unternehmen. Der Grund dafür besteht darin, dass in einem solchen Fall die beabsichtigten Transaktionen die gleichen Probleme aufwerfen und sich in gleicher Art auf den Binnenmarkt auswirken.

106    Diese Interpretation entspricht der zutreffenden Auslegung des 20. Erwägungsgrundes und des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004, wobei sowohl auf deren Zielsetzung als auch auf ihre Systematik abgestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2017, Austria Asphalt, C‑248/16, EU:C:2017:643, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107    Sind Zusammenschlüsse wie im vorliegenden Fall hingegen nicht dazu angetan, zum selben Ergebnis zu führen, so bilden sie ihrem Wesen nach keine Einheit und müssen nicht zusammen als Transaktionen geprüft werden, die Teil eines einzigen Zusammenschlusses sind, da sie nicht notwendigerweise die gleichen Problemstellungen aufwerfen und auf dem Markt keine gleichartigen Auswirkungen zeitigen werden. Denn in einem solchen Fall erwerben mehrere Unternehmen die Kontrolle über unterschiedliche Vermögenswerte, so dass bei jedem erwerbenden Unternehmen eine separate Zusammenlegung von Ressourcen erfolgt und jeder einzelne Kontrollerwerb andere Auswirkungen auf den Markt hat.

108    Weisen die Zusammenschlüsse jedoch einen Zusammenhang auf, der es der Kommission ermöglicht, die wahrscheinlichen Auswirkungen jedes Zusammenschlusses auf den Markt vorherzusehen, so hat die Kommission dies bei der Gesamtbeurteilung aller relevanten Beweise, die sie für jeden dieser Zusammenschlüsse vornimmt, zu berücksichtigen. In diesem Fall stellt nämlich jede der in Rede stehenden Transaktionen im Hinblick auf die anderen Transaktionen einen Umstand dar, den die Kommission bei ihrer Gesamtbeurteilung der Auswirkungen der Transaktion auf den Binnenmarkt berücksichtigen muss.

109    Folglich geht das Argument der Klägerin, wonach die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung des Zusammenschlusses M.8870 die Auswirkungen der Zusammenschlüsse B8‑28/19 und M.8871 nicht berücksichtigt habe, ins Leere, soweit dadurch nachgewiesen werden sollte, dass die Kommission die Gesamttransaktion zu Unrecht in drei Zusammenschlüsse aufgespaltet habe. Es wird indessen im Rahmen der sechsten Rüge des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes behandelt, mit der die fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen der Gesamttransaktion geltend gemacht wird (siehe unten, Rn. 374 bis 379).

110    Aufgrund der Gesamtbetrachtung, die die Kommission im Fall eines Austauschs von Vermögenswerten vornehmen muss, kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Hauptziele der Kontrolle von Zusammenschlüssen nicht erreicht werden könnten, wenn beim Austausch von Vermögenswerten pauschal getrennte Zusammenschlüsse angenommen würden.

111    Zusammenfassend hat die Kommission, da im vorliegenden Fall eine der beiden Voraussetzungen für das Vorliegen eines einzigen Zusammenschlusses nicht erfüllt ist, nämlich jene betreffend das Ergebnis, zu Recht die Zusammenschlüsse M.8870, M.8871 und B8‑28/19 nicht als Teile eines einzigen Zusammenschlusses betrachtet.

112    Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

2.      Zweiter Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler

113    Mit dem zweiten Klagegrund, mit dem offensichtliche Beurteilungsfehler gerügt werden, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass der Zusammenschluss mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, obwohl sie den Zusammenschluss gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 für mit dem Binnenmarkt unvereinbar hätte erklären müssen.

a)      Vorbemerkungen

114    Nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 139/2004 sind Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar zu erklären.

115    Zu den Beweisanforderungen ergibt sich aus dem Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala (C‑413/06 P, EU:2008:392, Rn. 50 bis 53), dass die Kommission grundsätzlich entweder für die Genehmigung des Zusammenschlusses, mit dem sie befasst ist, oder für dessen Untersagung Stellung zu beziehen hat, je nachdem, welche wirtschaftliche Entwicklung des Zusammenschlusses sie für die wahrscheinlichste hält. Es handelt sich daher um eine Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten und nicht um eine Verpflichtung der Kommission, ohne vernünftige Zweifel nachzuweisen, dass ein Zusammenschluss keine Wettbewerbsprobleme aufwirft (Urteil vom 11. Dezember 2013, Cisco Systems und Messagenet/Kommission, T‑79/12, EU:T:2013:635, Rn. 47).

116    Vor diesem Hintergrund ist es Sache der Kommission, das Ergebnis des zur Beurteilung der Wettbewerbssituation herangezogenen Indizienbündels insgesamt zu bewerten. Dabei kann es sein, dass bestimmte Umstände privilegiert und andere außer Acht gelassen werden. Die Prüfung und die entsprechende Begründung sind Gegenstand der vom Gericht über die Entscheidungen der Kommission im Fusionsbereich ausgeübten Rechtmäßigkeitskontrolle (Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 136).

117    Nach ständiger Rechtsprechung räumen außerdem die Grundregeln der Verordnung Nr. 139/2004 und insbesondere ihr Art. 2 der Kommission vor allem bei wirtschaftlichen Beurteilungen ein gewisses Ermessen ein, so dass die von den Gerichten vorzunehmende Kontrolle der Ausübung eines solchen – für die Aufstellung der Regeln über Zusammenschlüsse wesentlichen – Ermessens unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums erfolgen muss, der den Bestimmungen wirtschaftlicher Art, die Teil der Regelung von Zusammenschlüssen sind, zugrunde liegt (vgl. Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

118    Daher beschränkt sich die Kontrolle einer Entscheidung der Kommission im Bereich der Zusammenschlüsse durch die Unionsgerichte auf die Nachprüfung der materiellen Richtigkeit des Sachverhalts und das Fehlen offensichtlicher Beurteilungsfehler (vgl. Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 144 und die dort angeführte Rechtsprechung).

119    Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Unionsgerichte eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen müssen. Sie müssen nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (Urteile vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 39, und vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 54).

120    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die inhaltliche Beurteilung, ob der in Rede stehende Zusammenschluss hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 keine Probleme aufwerfe, auf das Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers zu prüfen ist. Zur Überprüfung, ob sich die Kommission beim Erlass ihres Beschlusses zu Recht auf die genannte Bestimmung gestützt hat, ist somit zu prüfen, ob sie bei der Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb keinen offensichtlichen Fehler begangen hat (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 48).

121    Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

122    Der zweite Klagegrund ist in zwei Teile aufgegliedert. Mit dem ersten Teil wird eine fehlerhafte Definition der relevanten Märkte geltend gemacht, mit dem zweiten die fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses.

123    Vor der Prüfung dieser beiden Teile ist jedoch auf die von der Kommission bei ihrer Prüfung berücksichtigten Gesichtspunkte einzugehen.

b)      Gesichtspunkte, die die Kommission bei ihrer Prüfung berücksichtigt hat

1)      Angaben, die von den am Zusammenschluss Beteiligten übermittelt wurden, und Gesamtheit der relevanten Daten

124    Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission bei der Prüfung des Zusammenschlussvorhabens erkennbar unzureichende Tatsachengrundlagen herangezogen habe und jedenfalls die falschen Schlüsse aus den ihr vorliegenden Informationen und Daten gezogen habe. Hierdurch habe sie die wettbewerbsrechtlichen Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens falsch bewertet und sei somit irrig zu dem Schluss gekommen, dass das Zusammenschlussvorhaben keine negativen Auswirkungen auf den Markt haben werde. Schließlich habe die Kommission die Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten übernommen, ohne sie kritisch zu hinterfragen.

125    Die Kommission habe hierzu schon zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses über Informationen verfügt, die die negativen Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb deutlich aufzeigten. Ihr habe insbesondere bereits das bei der LBD Beratungsgesellschaft mbH in Auftrag gegebene Gutachten zu den Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens (im Folgenden: LBD-Studie) vorgelegen. Die Kommission habe die LBD-Studie jedoch entweder komplett ignoriert oder die falschen Rückschlüsse daraus gezogen. Außerdem stünden die Ergebnisse der Studie der Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH (BET) vom Oktober 2020 mit dem Titel „Kurzgutachten zu den Ergebnissen der Marktbefragung im Zusammenhang mit der Neuaufteilung der Geschäftsfelder zwischen E.ON und RWE/innogy“ (im Folgenden: BET-Studie) und des ebenfalls von BET erstellten Gutachtens vom 13. Januar 2021 mit dem Titel „Expert Report concerning the consequences of acquisition of Innogy’s retail supply, consumer solutions and distribution business“ (Sachverständigengutachten zu den Auswirkungen des Erwerbs der Sparten Einzelhandel, Kundenlösungen und Verteilung von Innogy, im Folgenden: BET-Gutachten) im Widerspruch zu dem von der Kommission festgestellten Sachverhalt.

126    Die Kommission bestreitet die Argumente der Klägerin und macht geltend, dass sie die Entscheidung nicht auf eine unzureichende Tatsachengrundlage gestützt habe und dass sie alle erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen fehlerfrei durchgeführt habe. Darüber hinaus sei es der Klägerin verwehrt, die Tatsachengrundlage der Kommission mit Hilfe einer eigenen Marktbefragung zu ersetzen. Außerdem handele es sich bei der Studie der LBD Beratungsgesellschaft um eine neue Fassung der LBD-Studie vom 25. Januar 2021 (im Folgenden: neue LBD-Studie). Diese neue LBD-Studie und die BET-Studie seien verspätet und unzulässig. In jedem Fall hätten diese Studien im Vergleich zu den Marktbefragungen der Kommission beschränkte Aussagekraft und seien auch nicht geeignet, detaillierte Ergebnisse zu liefern. Schließlich weist die Kommission hilfsweise auf methodische Mängel dieser Studien hin.

127    In einem ersten Schritt wird das Gericht die allgemeine Rüge prüfen, wonach die Kommission andere öffentlich zugängliche Informationen oder von Dritten übermittelte Informationen nicht berücksichtigt und sich auf die von den am Zusammenschluss Beteiligten zur Verfügung gestellten Informationen gestützt habe, ohne diese kritisch zu hinterfragen. In einem zweiten Schritt wird sich das Gericht mit der Zulässigkeit, der Einschlägigkeit, der Kohärenz und der Belastbarkeit der von der Klägerin vorgelegten Studien befassen, soweit diese belegen sollen, dass die Kommission bei ihrer Prüfung der Auswirkungen des Zusammenschlusses nicht alle maßgeblichen Tatsachen berücksichtigt habe.

128    Als Erstes ist zum Vorbringen der Klägerin, wonach sich die Kommission auf die Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten gestützt habe, ohne diese kritisch zu hinterfragen, und weitere Erkenntnisquellen ausgeblendet habe, festzustellen, dass die Klägerin keine Rechtsvorschrift nennt, die es der Kommission untersagen würde, sich auf die von den am Zusammenschluss Beteiligten selbst im Rahmen des Verwaltungsverfahrens gelieferten Daten zu stützen, oder die sie im Gegenteil dazu verpflichten würde, eine eigene, von den Daten der am Zusammenschluss Beteiligten unabhängige Marktuntersuchung durchzuführen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 126).

129    Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission angesichts des Beschleunigungsgebots und der strengen Fristen, die sie in einem Fusionskontrollverfahren einhalten muss, nicht verpflichtet sein kann, alle bei ihr eingehenden Informationen zu überprüfen, sofern keine Indizien für die Unrichtigkeit der mitgeteilten Informationen vorliegen. Denn auch wenn die der Kommission in einem solchen Verfahren obliegende Verpflichtung zur Durchführung einer sorgfältigen und unparteiischen Prüfung es ihr nicht erlaubt, sich auf Umstände oder Informationen zu stützen, die nicht als wahr angesehen werden können, hat das Beschleunigungsgebot doch zur Folge, dass sie die Glaubhaftigkeit und Zuverlässigkeit aller ihr übermittelten Informationen nicht selbst in allen Einzelheiten überprüfen kann, da das Fusionskontrollverfahren zwangsläufig in gewissem Maß Vertrauen voraussetzt (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2021, Polskie Linie Lotnicze „LOT“/Kommission, T‑240/18, EU:T:2021:723, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

130    In den Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Fusionskontrolle sind verschiedene Maßnahmen vorgesehen, die von der Übermittlung unrichtiger und irreführender Informationen abhalten und diese ahnden sollen. Es sind nämlich nicht nur die Anmelder gemäß Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (ABl. 2004, L 133, S. 1) ausdrücklich verpflichtet, der Kommission wahrheitsgemäß und vollständig die Tatsachen und Umstände mitzuteilen, die für die Entscheidung von Bedeutung sind, wobei diese Verpflichtung in Art. 14 der Verordnung Nr. 139/2004 mit Sanktionen bewehrt ist, sondern die Kommission kann die Entscheidung über die Vereinbarkeit gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. a und Art. 8 Abs. 6 Buchst. a der Verordnung Nr. 139/2004 auch widerrufen, wenn sie auf unrichtigen Angaben beruht, die von einem der beteiligten Unternehmen zu vertreten sind, oder wenn sie durch Irreführung herbeigeführt worden ist (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2021, Polskie Linie Lotnicze „LOT“/Kommission, T‑240/18, EU:T:2021:723, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

131    Die Kommission wird also durch nichts daran gehindert, sich auf die Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten zu stützen, sofern keine Indizien für die Unrichtigkeit dieser Angaben vorliegen und sie alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen sind.

132    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss, dass sich die Kommission teilweise auf die Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten gestützt hat. Eine Gesamtbetrachtung des angefochtenen Beschlusses zeigt jedoch, dass sich die Kommission nicht unkritisch auf die Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten verlassen hat. Vielmehr ist, sofern die Klägerin die Zuverlässigkeit der von den am Zusammenschluss Beteiligten an die Kommission übermittelten Angaben in Abrede stellt, darauf hinzuweisen, dass diese Angaben anhand anderer der Kommission zur Verfügung stehenden Informationen bestätigt wurden. Zum Beispiel hat die Kommission in den Rn. 81 ff. des angefochtenen Beschlusses die Erläuterungen der am Zusammenschluss Beteiligten zur Definition des geografischen Stromeinzelhandelsmarktes einer kritischen Prüfung unterzogen. Ebenso hat sie in Rn. 230 dieses Beschlusses die Aussagen der am Zusammenschluss Beteiligten zu ihrem Wettbewerbsverhältnis im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen für Strom- und Gaskonzessionen mit der Sichtweise bestimmter Wettbewerber verglichen. Zudem hat die Kommission in Rn. 293 des angefochtenen Beschlusses die Informationen, die sie mittels ihrer Marktuntersuchung zur möglichen Verdrängung von Wettbewerbern von Preisvergleichsportalen im Internet zusammengetragen hat, mit ihrer eigenen Kenntnis des Marktes abgeglichen. Im Übrigen hat sie in Rn. 191 des angefochtenen Beschlusses Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten verwendet, gleichzeitig aber andere einschlägige Informationen wie Berichte des Bundeskartellamts über den erheblichen Aufpreis an Tankstellen entlang von Autobahnen im Vergleich zu Tankstellen in unmittelbarer Nähe von Autobahnen bzw. abseits von Autobahnen berücksichtigt.

133    Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Kommission die Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten im Licht aller ihr zur Verfügung stehenden Informationen geprüft hat. Die Gesamtheit der von der Kommission berücksichtigten Informationen bestand also nicht nur aus den Angaben der am Zusammenschluss Beteiligten, sondern auch aus anderen öffentlich zugänglichen Informationen und aus von Dritten mittels Auskunftsverlangen, Marktbefragungen oder im Rahmen von Zusammenkünften erlangten Informationen, wie es beispielsweise den Rn. 12, 13, 21 oder 58 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen ist.

134    Folglich ist, ohne an diesem Punkt der Frage vorzugreifen, ob die Kommission tatsächlich in allen Teilen ihrer Prüfung alle für den jeweiligen Teil erheblichen Tatsachen berücksichtigt hat, der Schluss zu ziehen, dass sie im Allgemeinen versucht hat, alle entscheidungserheblichen Beweise zusammenzutragen, die es ihr ermöglichen könnten, die Auswirkungen des Zusammenschlusses vorherzusehen, und dass sie sie abgeglichen hat.

135    Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass es Sache der Kommission ist, zu beurteilen, ob die ihr vorliegenden Informationen für die wettbewerbliche Bewertung ausreichen (Urteil vom 13. Mai 2015, Niki Luftfahrt/Kommission, T‑162/10, EU:T:2015:283, Rn. 109), und das Ergebnis des zur Beurteilung der Wettbewerbssituation herangezogenen Indizienbündels insgesamt zu bewerten. In Anwendung dieser Gesamtbeurteilung kann die Kommission bestimmte Umstände privilegieren und andere außer Acht lassen. Das Gericht prüft die Rechtmäßigkeit dieser Prüfung und ihre Begründung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 136).

136    Insoweit beschränkt sich die Klägerin im Wesentlichen auf die Aussage, dass die Kommission den Sachverhalt falsch oder unvollständig festgestellt habe, indem sie bestimmte Beweise ignoriert habe. Dem angefochtenen Beschluss kann jedoch eindeutig entnommen werden, dass die Kommission alle ihr zur Verfügung stehenden Beweise berücksichtigt und im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums einige privilegiert und andere außer Acht gelassen hat, indem sie die Beweise miteinander verglichen und allgemein ihre Gründe für die Nichtbeachtung bestimmter Angaben erläutert hat.

137    Als Zweites ist zu den drei von der Klägerin übermittelten und oben in Rn. 125 genannten Studien darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen ist (vgl. Urteile vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission, C‑501/11 P, EU:C:2013:522, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 260 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere ist nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung in Wettbewerbssachen anhand der Informationen zu beurteilen, über die die Kommission bei Erlass der Entscheidung verfügen konnte (vgl. Urteil vom 27. Januar 2021, KPN/Kommission, T‑691/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:43, Rn. 141 und die dort angeführte Rechtsprechung).

138    Der angefochtene Beschluss ist folglich anhand der tatsächlichen Umstände zu prüfen, die zum Zeitpunkt seines Erlasses vorlagen, und nicht unter Berücksichtigung von nach seinem Erlass liegender tatsächlicher Umstände (Urteil vom 4. Juli 2006, easyJet/Kommission, T‑177/04, EU:T:2006:187, Rn. 204).

139    Es ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss am 17. September 2019 erlassen wurde und dass feststeht, dass die BET-Studie vom Oktober 2020 datiert, das BET-Gutachten vom 13. Januar 2021 und die neue LBD-Studie, die die Klägerin vorgelegt hat, vom 25. Januar 2021. Diese drei Studien stammen also aus einer Zeit nach Erlass des angefochtenen Beschlusses.

140    Die Kommission kann sich indessen nicht allgemein auf die Rechtsprechung berufen, nach der bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses abzustellen ist (Urteil vom 21. September 2005, EDP/Kommission, T‑87/05, EU:T:2005:333, Rn. 158).

141    Soweit die Vorlage einer Anlage nämlich nicht den Versuch darstellt, den der Kommission zuvor im Hinblick auf den Erlass des angefochtenen Beschlusses unterbreiteten rechtlichen und tatsächlichen Rahmen zu ändern, sondern eine Zusammenstellung von Argumenten im Rahmen der bloßen Wahrnehmung der Verteidigungsrechte, ist diese Anlage als zulässig anzusehen (Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 63).

142    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die drei Studien speziell dazu erstellt wurden, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen. Gemäß der oben in Rn. 141 genannten Rechtsprechung kann die Kommission nicht verlangen, diese Studien allein deshalb für unzulässig zu erklären, weil sie nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses erstellt wurden, ohne dass ihr Inhalt analysiert wurde, um zu prüfen, ob es sich bei ihnen um einen Versuch handelt, den zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bestehenden rechtlichen oder tatsächlichen Rahmen zu ändern.

143    Die Kommission kann sich in Bezug auf spezifische Punkte allerdings damit verteidigen, dass eine Anlage die ausdrücklichen Erklärungen oder die Auslassungen der Parteien im Verwaltungsverfahren verkennt (Urteil vom 21. September 2005, EDP/Kommission, T‑87/05, EU:T:2005:333, Rn. 158). Ebenso kann die in einer Anlage enthaltene Analyse hinsichtlich eines bestimmten Punktes aber auf Informationen basieren, die im Sinne der oben in Rn. 140 angeführten Rechtsprechung im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bereits vorhanden waren. Anders ausgedrückt wird ein Kläger durch nichts daran gehindert, im Rahmen der Ausübung seiner Verteidigungsrechte auf eine in einer Anlage enthaltene Analyse zu verweisen, die nach Erlass des angefochtenen Rechtsakts durchgeführt wurde, sofern diese Analyse auf Tatsachen basiert, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Rechtsakts verfügbar waren.

144    Erstens ist zur BET-Studie auszuführen, dass sich diese in ihrem Abschnitt 2 kritisch zur von der Kommission im Rahmen der ersten Marktbefragung verwendeten Methodik äußert. Diese Kritik ist als integraler Bestandteil des Vorbringens der Klägerin im Rahmen ihrer Verteidigungsrechte zu werten. Dieser Abschnitt der BET-Studie ist daher zulässig.

145    Abschnitt 3 der BET-Studie widmet sich hingegen den Ergebnissen einer Marktbefragung, die gemäß Rn. 41 in diesem Abschnitt 3 der Studie zwischen dem 29. Juli und dem 18. August 2020, also fast ein ganzes Jahr nach Erlass des angefochtenen Beschlusses, von BET durchgeführt wurde.

146    Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen und noch nicht einmal geltend gemacht hat, dass die teilnehmenden Unternehmen die gleiche Meinung verträten, die sie bei einer Befragung zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses vertreten hätten. Unter Berücksichtigung der Dynamik des Energiemarktes ist außerdem vernünftigerweise davon auszugehen, dass sich die Antworten der Unternehmen, die an der Marktbefragung im Rahmen der BET-Studie teilgenommen haben, fast ein Jahr nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses parallel zur Entwicklung des Energiemarktes verändert haben. Im Übrigen stammen die Antworten aus einer Zeit nach der Durchführung des Zusammenschlusses. Die Analyse dieser Antworten erfolgte also auf der Grundlage von Tatsachen, die der Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses nicht bekannt sein konnten. Die Kommission konnte nämlich nicht wissen, welche Ansicht die Marktteilnehmer fast ein Jahr später, insbesondere nach der Durchführung des Zusammenschlusses, vertreten würden.

147    Da die Lage auf dem Energiemarkt zum Zeitpunkt der Marktbefragung im Rahmen der BET-Studie zwangsläufig eine andere war als zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission ihre eigenen Befragungen durchgeführt hat, sind Einschlägigkeit und Beweiswert der in dieser Studie auf der Basis jüngerer Daten durchgeführten Analysen bestenfalls beschränkt. Die Verwendung dieser Daten erfolgt nämlich nicht nur im Rahmen der Zusammenstellung von Argumenten zur Wahrnehmung der Verteidigungsrechte der Klägerin, sondern stellt zumindest zum Teil einen Versuch im Sinne der oben in Rn. 141 angeführten Rechtsprechung dar, den zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses der Kommission bestehenden tatsächlichen Rahmen zu ändern.

148    Ebenso ergibt sich aus dem BET-Gutachten, dass ein großer Teil der zu seiner Erstellung verwendeten Zahlen von Ende 2019 und aus dem Jahr 2020 und somit aus einer Zeit nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses stammt. Rn. 5 dieses Gutachtens kann entnommen werden, dass die in diesem Gutachten enthaltenen Analysen namentlich auf die Marktbefragung der BET-Studie gestützt wurden, die zwischen dem 29. Juli und dem 18. August 2020 von BET durchgeführt wurde, sowie auf umfangreiche Daten der Bundesnetzagentur (BNetzA, Deutschland), des Bundeskartellamts und privater Datenbankbetreiber.

149    Insoweit geht aus diesem Gutachten klar hervor, dass BET über Daten aus dem Zeitraum der Marktbefragung der Kommission verfügte. Obwohl also diese Daten hätten verwendet werden können, wurden hauptsächlich Daten von Ende 2019 und aus dem Jahr 2020 herangezogen.

150    Da die im BET-Gutachten vorgenommene Analyse weitgehend auf Daten von Ende 2019 und aus dem Jahr 2020 basiert, die also aus einer Zeit nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses stammen, ist – ohne der Frage vorzugreifen, ob ein bestimmter Gesichtspunkt dieser Analyse als Argument im Rahmen der bloßen Wahrnehmung der Verteidigungsrechte dienen kann – festzustellen, dass die Verwendung dieser Daten zumindest zum Teil einen Versuch im Sinne der oben in Rn. 141 angeführten Rechtsprechung darstellt, den tatsächlichen Rahmen zu ändern, der der Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses zur Verfügung stand. Folglich sind Einschlägigkeit und Beweiswert dieser Analysen selbst unter der Annahme, dass sie zulässig sind, bestenfalls beschränkt.

151    Zweitens ist jedoch zur neuen LBD-Studie festzustellen, dass der Großteil der in dieser Studie verwendeten Daten von der Klägerin zur Verfügung gestellt wurde und aus den Jahren vor Erlass des angefochtenen Beschlusses stammt. Die Kommission hat die Fassung dieser Studie, die ihr vorlag, in den Rn. 81, 83, 84 und 86 sowie den Fn. 79, 80, 84, 85, 90 bis 92 und 315 des angefochtenen Beschlusses nämlich ausdrücklich erwähnt.

152    Die von der Klägerin vorgelegten Studien führen keine Daten an, deren Berücksichtigung die Kommission beim Erlass des angefochtenen Beschlusses unterlassen hätte. Der Klägerin gelingt daher mittels dieser Studien nicht der Nachweis, dass die Kommission bestimmte Daten nicht berücksichtigt hat.

2)      Erste Marktbefragung der Kommission

153    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die erste Marktbefragung keine aussagekräftigen und repräsentativen Ergebnisse liefern könne, weil sie unter unzulänglichen Rahmenbedingungen stattgefunden habe und insbesondere die Teilnehmer nicht sachgerecht ausgewählt worden seien, so dass die Ergebnisse die konkrete Marktsituation nicht korrekt wiedergegeben hätten.

154    Als Erstes habe die Kommission einen Stichprobenrahmen zugrunde gelegt, der zu klein sei, den Adressatenkreis zu weitläufig ziehe und die charakteristischen Merkmale der relevanten Märkte nicht angemessen wiedergebe. Da nur 161 Unternehmen geantwortet hätten, könnten sich jeweils nur sehr wenige stellvertretend für ihre Wettbewerbsgruppe geäußert haben. Die Kommission habe auch nur 383 der 2 200 Energieversorger in Deutschland kontaktiert.

155    Als Zweites habe die Kommission den Aussagegehalt der Ergebnisse überbewertet. Erstens sei die erste Marktbefragung an einen sehr breiten, unspezifischen Adressatenkreis gerichtet gewesen, und es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Unternehmen des RWE-Konzerns bzw. des E.ON-Konzerns voreingenommene Antworten abgegeben und die Gegebenheiten des Marktes beschönigend dargestellt hätten. Zweitens habe die Kommission eine sehr kurze Bearbeitungszeit vorgesehen, und der ausschließlich in englischer Sprache verfasste Fragebogen sei sprachlich und inhaltlich schwer zu verstehen gewesen.

156    Als Drittes seien die Einschätzungen der Kommission hinsichtlich der ersten Marktbefragung nicht nachvollziehbar. Da sie erstens nicht angegeben habe, wie hoch die Beteiligungsquote bei den einzelnen Fragen gewesen sei und wie sich diese auf die einzelnen Fragen verteilt hätte, könne die Aussagekraft der Einschätzungen der Kommission nicht überprüft werden. Zweitens wäre es zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses erforderlich, die einzelnen Ergebnisse der ersten Marktbefragung ebenso wie die Bewertung der einzelnen Ergebnisse durch die Kommission offenzulegen, gegebenenfalls in anonymisierter Form.

157    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und macht geltend, dass die erste Marktbefragung umfassend und fehlerfrei durchgeführt worden sei.

158    Was als Erstes die für die erste Marktbefragung herangezogene Stichprobe betrifft, geht aus Fn. 52 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass 161 Unternehmen an der ersten Marktbefragung tatsächlich teilgenommen haben, darunter neben den großen Wettbewerbern EnBW und Vattenfall mehr als 50 Stadtwerke unterschiedlicher Größe, Energiegenossenschaften von Stadtwerken, Gesellschaften, bei denen alle Anteile von Kommunen oder deren Kommunalwerken gehalten werden, Gesellschaften, an denen Stadtwerke und unabhängige Energieversorger Anteile halten, Gesellschaften, an denen nur unabhängige Energieversorger Anteile halten, unabhängige Energieversorger sowie neue Marktteilnehmer.

159    In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erläutert, wie sie angesichts des Umstands, dass der Energiesektor über 2 000 Akteure zähle, die Zielunternehmen ausgewählt habe. Die am Zusammenschluss Beteiligten haben ihr Adressen von Unternehmen übermittelt, an die die Marktbefragung gesandt werden sollte. Die Kommission hat sodann unter diesen Unternehmen kleine und mittlere sowie große Unternehmen ausgewählt, die in allen Bereichen des Energiemarktes oder einem seiner Teile tätig sind.

160    Die Kommission hat für die Beantwortung ihrer Marktbefragung also ein großes Spektrum an Marktteilnehmern ausgewählt.

161    Zur Bestimmung der angemessenen Größe der Stichprobe für eine Marktbefragung sind drei Faktoren zu berücksichtigen: erstens die Größe der Gruppe, in der die Umfrage durchgeführt wird, zweitens das Konfidenzniveau (der Prozentsatz, der ausdrückt, mit welcher Sicherheit die Gruppe eine Antwort zwischen zwei bestimmten Werten wählen wird) und drittens die Fehlermarge (entspricht dem Prozentsatz, der ausdrückt, inwieweit die Ergebnisse der Umfrage geeignet sind, die Ansicht der gesamten Gruppe widerzuspiegeln).

162    Im vorliegenden Fall besteht die Gruppe insgesamt aus etwa 2 500 Unternehmen, deren Meinung von Nutzen sein könnte. Um ein Konfidenzniveau von 95 % – was dem Industriestandard entspricht – und eine Fehlermarge von 10 % zu erreichen, muss eine angemessene Stichprobe 93 Antworten umfassen. Durch die Befragung von 383 Unternehmen auf dem Energiemarkt, von denen erwartungsgemäß eine bestimmte Anzahl nicht antworten würde, hat die Kommission also versucht, eine hinreichend repräsentative Stichprobe zugrunde zu legen.

163    Ebenso wenig kann der Kommission mit Erfolg vorgeworfen werden, nur 383 Unternehmen kontaktiert zu haben, da die Logistik und Organisation einer derartigen Befragung sowie die anschließende Verarbeitung der Informationen einen enormen Aufwand bedeuten, und zwar umso mehr, wenn die beschränkten Ressourcen der Kommission sowie das im Rahmen der Kontrolle von Zusammenschlüssen geltende Beschleunigungsgebot berücksichtigt werden. Im Hinblick auf das in Verfahren zur Kontrolle von Zusammenschlüssen geltende Beschleunigungsgebot vertritt das Gericht daher die Ansicht, dass angesichts des Umstands, dass 161 der 383 kontaktierten Unternehmen tatsächlich auf die erste Marktbefragung geantwortet haben, die Stichprobe als hinreichend repräsentativ betrachtet werden und als dazu geeignet erachtet werden kann, signifikante Ergebnisse zu liefern, die die Kommission ihren Schlussfolgerungen zugrunde legen konnte.

164    Als Zweites kritisiert die Klägerin, dass der Fragebogen auf Englisch übermittelt worden sei. Hierzu steht fest, dass die Fragen auf Englisch gestellt wurden, die Unternehmen, an die diese Fragen gerichtet waren, aber durch nichts davon abgehalten wurden, auf Deutsch zu antworten.

165    Im Urteil vom 12. Juli 2018, Brugg Kabel und Kabelwerke Brugg/Kommission (T‑441/14, EU:T:2018:453), machten die Klägerinnen geltend, die Kommission habe ihr Recht auf ein faires Verfahren und ihre Verteidigungsrechte verletzt, indem sie ihnen die Auskunftsverlangen und die Mitteilung der Beschwerdepunkte im Rahmen eines Kartellverfahrens ausschließlich auf Englisch zugestellt habe, obwohl eine der Klägerinnen mehrfach darum gebeten habe, auf Deutsch zu kommunizieren. In den Rn. 46 bis 50 jenes Urteils kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Weigerung der Kommission, die Auskunftsverlangen auf Deutsch an die Brugg Kabel AG zu richten, diese nicht davon abgehalten habe, ihren Standpunkt zu den von der Kommission angeforderten Informationen sachdienlich zu äußern, insbesondere da die Kommission keineswegs von Brugg Kabel gefordert habe, die Auskunftsverlangen auf Englisch zu beantworten.

166    Unter Heranziehung dieser Rechtsprechung gelangt das Gericht zu dem Schluss, dass es erst recht zulässig war, den Fragebogen der ersten Marktbefragung auf Englisch zu verfassen, der für sich genommen nicht geeignet war, zu Sanktionen gegen die Unternehmen zu führen, an die er sich richtete. Außerdem hätten die Unternehmen bei Übersetzungsproblemen beantragen können, die Frist aus Gründen der Sprache zu verlängern. Schließlich ist festzustellen, dass die Unternehmen durch nichts davon abgehalten wurden, ihren Standpunkt sachdienlich zu äußern, da sie die auf Englisch gestellten Fragen auf Deutsch beantworten konnten.

167    Unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots kann also überdies nicht von der Kommission verlangt werden, die Fragen in die von den befragten Unternehmen gewünschten Sprachen zu übersetzen.

168    Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass diese Vorgehensweise umso mehr dem Gebot der Vernunft entsprach, als die Kommission auf den verschiedenen geografischen Märkten, die betroffen waren, Befragungen durchgeführt hat, darunter in der Tschechischen Republik, Ungarn, der Slowakei und dem Vereinigten Königreich. Zu verlangen, dass die Kommission ihre Fragebögen in die Sprachen der Mitgliedstaaten übersetzt, auf deren Gebiet sie ihre Marktbefragungen durchführt, wäre angesichts der Kosten für die Dienststellen der Kommission unverhältnismäßig und nicht mit dem für die Kommission geltenden Beschleunigungsgebot vereinbar.

169    Als Drittes sind die Komplexität des Fragebogens und die von der Kommission gesetzte Antwortfrist zu prüfen. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Notwendigkeit der Durchführung einer vollständigen Befragung zur Erlangung aller relevanten Informationen für ihre Beurteilung mit dem von ihr zu beachtenden Beschleunigungsgebot in Einklang bringen muss. Daher kann der Kommission zum einen nicht vorgehalten werden, dass sie 228 Fragen gestellt habe. Dass trotz einer kurzen Antwortfrist 161 Unternehmen innerhalb der Frist geantwortet haben und dass die Unternehmen eine Verlängerung der Frist beantragen konnten, was die Klägerin im vorliegenden Fall getan hat, genügt, um daraus folgern zu können, dass die Kommission in dieser Hinsicht nicht gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen hat.

170    Nach alledem wurde die erste Marktbefragung korrekt durchgeführt. Sie kann daher als solche nicht als mit offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet betrachtet werden.

171    Im Übrigen ist zur Kritik der Klägerin, wonach im Wesentlichen der angefochtene Beschluss nicht genügend Informationen zur ersten Marktbefragung enthalte, so dass die darauf gestützten Einschätzungen der Kommission nicht nachvollziehbar seien, darauf hinzuweisen, dass die Klägerin der Kommission damit vorwirft, im Rahmen des angefochtenen Beschlusses die Ergebnisse der ersten Marktbefragung nicht ausreichend detailliert dargelegt zu haben.

172    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Anforderungen, die an die Präzision der Begründung einer Entscheidung zu stellen sind, in Bezug auf die tatsächlichen Möglichkeiten sowie die technischen und zeitlichen Bedingungen verhältnismäßig sein müssen, unter denen die Entscheidung zu ergehen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 167).

173    Von der Kommission zu verlangen, die von der Klägerin geforderten Präzisierungen vorzunehmen, stünde offensichtlich zu den tatsächlichen Möglichkeiten der Kommission sowie den technischen und zeitlichen Bedingungen außer Verhältnis, unter denen der angefochtene Beschluss zu erlassen war.

174    Es kann nämlich nicht von der Kommission gefordert werden, dass sie für jeden im angefochtenen Beschluss behandelten Gesichtspunkt die Höhe der Beteiligungsquote der einzelnen Frage angibt und darlegt, wie sich diese auf die einzelnen Antworten verteilt hat, da sich anderenfalls das Verfassen, der Erlass und die Veröffentlichung des angefochtenen Beschlusses noch weiter verspäten würden.

175    Außerdem wurde die Klägerin nicht davon abgehalten, im Rahmen ihrer Schriftsätze beim Gericht den Erlass einer prozessleitenden Maßnahme zu beantragen, um die Kommission zu veranlassen, punktuell diese Art von Informationen präzise zu bestimmten konkreten Fragen zu liefern, um der Klägerin eine Stellungnahme zu ermöglichen. Dies hat die Klägerin aber nicht getan, sondern sie hat sich damit begnügt, allgemein und nicht spezifisch substantiiert die Genauigkeit des angefochtenen Beschlusses im Hinblick auf die erste Marktbefragung zu beanstanden.

176    Zum Urteil vom 16. Januar 2019, Kommission/United Parcel Service (C‑265/17 P, EU:C:2019:23, Rn. 55), ist der Kommission schließlich darin beizupflichten, dass es nicht dahin auszulegen ist, dass von der Kommission verlangt wird, dass sie die Ergebnisse der ersten Marktbefragung im Sinne der Klägerin detailliert darlegt. In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, wurde der Kommission nämlich vorgeworfen, bei der Erarbeitung der ökonometrischen Modelle, die für die Untersuchung der voraussichtlichen Auswirkungen eines Zusammenschlusses verwendet wurden, nicht ausreichend transparent gewesen zu sein.

177    Somit kann diese Rüge jedenfalls nicht durchgreifen.

c)      Erster Teil des zweiten Klagegrundes: fehlerhafte Definition der relevanten Märkte

178    Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Abschnitt 7.1 des angefochtenen Beschlusses die Definition der relevanten Märkte in Deutschland vorgenommen. Sie hat insbesondere die Definition der Produktmärkte und der geografischen Märkte in folgenden Bereichen untersucht: Stromerzeugung und Stromgroßhandel (Abschnitt 7.1.1), Stromverteilung oder Stromnetze (Abschnitt 7.1.2), Stromlieferungen an Endkunden (Abschnitt 7.1.3), Heizstromlieferungen an Endkunden (Abschnitt 7.1.4), Gasverteilung oder Gasnetze (Abschnitt 7.1.5), Gaslieferungen an Endkunden (Abschnitt 7.1.6), Messdienstleistungen (Abschnitt 7.1.7) und Elektromobilität (Abschnitt 7.1.8).

1)      Erste Rüge: fehlerhafte Definition der Märkte für Strom- und Gaseinzelhandel

179    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission den Sachverhalt im Bereich der Energielieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden mangelhaft ermittelt und die Strom- und Gaseinzelhandelsmärkte offenkundig fehlerhaft definiert habe.

180    Als Erstes habe die Kommission den relevanten Produktmarkt insofern unzutreffend definiert, als sie die Sicht der Verbraucher nicht ausreichend berücksichtigt habe. Folglich habe sie zu Unrecht angenommen, dass der Markt für Energielieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung vom Markt für Energielieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen zu unterscheiden sei.

181    Als Zweites habe die Kommission die räumliche Marktabgrenzung des Marktes für Energielieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden falsch beurteilt, indem sie auf der Grundlage von Postleitzahlen zu Unrecht angenommen habe, dass es sich um einen nationalen und nicht um einen lokalen Markt handele.

182    Die Kommission, unterstützt durch E.ON, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

183    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission insbesondere die Definition der Märkte für Strom- und Gaslieferungen an Endkunden in den Abschnitten 7.1.3 und 7.1.6 des angefochtenen Beschlusses geprüft hat. In Rn. 91 des angefochtenen Beschlusses hat sie für die Zwecke dieses Beschlusses Folgendes festgelegt:

–        Der Markt für Stromlieferungen an Industriegroßkunden wird als nationaler Markt betrachtet;

–        der Markt für Stromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung wird als separater Produktmarkt und als lokaler Markt betrachtet, der auf das betroffene Grundversorgungsgebiet beschränkt ist;

–        der Markt für Stromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen wird als separater Produktmarkt sowie als nationaler Markt mit lokalen Elementen betrachtet.

184    In Rn. 129 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission festgestellt, dass Struktur und Funktionsweise des Gaseinzelhandelsmarktes jenen des Stromeinzelhandelsmarktes sehr ähnlich seien.

i)      Definition des relevanten Produktmarktes

185    Was den relevanten Produktmarkt betrifft, hat die Kommission in Abschnitt 7.1.3.2 (Rn. 52 bis 62) des angefochtenen Beschlusses den Produktmarkt für Stromlieferungen an Endkunden und in Abschnitt 7.1.6.1 (Rn. 130 bis 133) des angefochtenen Beschlusses jenen für Gaslieferungen an Endkunden untersucht.

186    Vorab ist festzustellen, dass dem angefochtenen Beschluss entnommen werden kann, dass die Kommission mehrere Informationsquellen herangezogen hat, um die Produktmärkte für Strom- und Gaslieferungen an Endkunden zu definieren. Sie hat also nicht nur die Sichtweise der am Zusammenschluss Beteiligten geprüft (Rn. 51, 55, 58 und 132), sondern auch ihre frühere Entscheidungspraxis und jene des Bundeskartellamts und der BNetzA (Rn. 52 bis 54, 58, 130 und 131) berücksichtigt und außerdem Informationen des Bundeskartellamts (Rn. 50), aus den anwendbaren Rechtsvorschriften (Rn. 47, 51, 56 und 133), aus einem Bericht der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) (Rn. 59) und aus Antworten der Wettbewerber auf die erste Marktbefragung (Rn. 58 und 60) sowie interne Dokumente der am Zusammenschluss Beteiligten (Rn. 61) herangezogen. Die Kommission hat also die relevanten Beweise berücksichtigt, über die sie verfügte. Die Klägerin wirft der Kommission jedoch vielmehr vor, nicht zu den gleichen Schlussfolgerungen gelangt zu sein wie sie. Das Problem besteht nämlich nicht so sehr darin, dass die Kommission relevante Beweise ignoriert haben soll, sondern darin, dass die Klägerin der Analyse dieser Beweise durch die Kommission nicht zustimmt.

187    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission, indem sie zwischen dem Markt für Strom- und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung und jenem im Rahmen von Sonderverträgen unterschieden hat, auf eine engere Definition der relevanten Märkte gestützt hat, als wenn sie nicht zwischen Grundversorgung und Sonderverträgen unterschieden hätte. Hierzu ist im Übrigen festzustellen, dass aus den Rn. 55 und 132 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, dass die am Zusammenschluss Beteiligten im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ebenfalls die Meinung vertraten, dass eine Unterscheidung zwischen Grundversorgung und Sonderverträgen nicht angemessen sei.

188    Was erstens die Berücksichtigung der Austauschbarkeit aus Verbrauchersicht betrifft, ist die Klägerin zunächst der Ansicht, dass die Tarife für Sonderverträge und die Tarife der Grundversorgung aus Verbrauchersicht komplett austauschbar seien, dass die Trägheit der Kunden kein reines Grundversorgungsphänomen sei, sondern allen Kundengruppen gleichermaßen inhärent sei, und schließlich dass der Grund für die niedrigen Wechselzahlen zwischen Grundversorgung und Sonderverträgen nicht in der fehlenden Empfänglichkeit der Endkunden liege, sondern in der Tatsache, dass die Kundenzufriedenheit beim regionalen Versorger sehr hoch sei und viele Endkunden des Grundversorgers schlicht nicht wüssten, wie der Stromversorger gewechselt werden könne.

189    Im vorliegenden Fall hat die Kommission im Licht der oben in Rn. 186 genannten Beweise einige aus Nachfragesicht entscheidende Gesichtspunkte geprüft.

190    So hat die Kommission auf dem Produktmarkt zwischen Grundversorgungskunden und Sondervertragskunden unterschieden, da die Nachfrage nicht substituierbar sei. Obwohl der Prozentsatz von Haushaltskunden mit Strom zu Grundversorgungstarifen konstant abnehme und von etwa 59 % im Jahr 2007 auf 37 % im Jahr 2012, auf 31 % im Jahr 2016 und auf 28 % im Jahr 2017 gesunken sei (Rn. 50 des angefochtenen Beschlusses), war die Kommission der Ansicht, dass die Sondervertragstarife die Grundversorgungstarife für Strom und Gas sachlich nicht einschränken würden, so dass folglich die zwei Arten von Verträgen zwei verschiedene Produktmärkte darstellten (Rn. 62 und 133 des angefochtenen Beschlusses).

191    Die Kommission hat einen großen Teil ihrer Analyse auf die Verbraucherträgheit gestützt. In der Einleitung des Abschnitts 7.1.3.1 des angefochtenen Beschlusses hat sie das Konzept der Trägheit der Kunden erläutert. Diese Trägheit zeichne sich dadurch aus, dass nach der Liberalisierung des Strommarktes in Deutschland im Jahr 1998 ein großer Teil der Kunden, insbesondere Haushalte und kleine Unternehmen, trotz neuer, konkurrenzfähigerer Angebote dem herkömmlichen Versorger treu geblieben sei. Dies treffe auf den Großteil der europäischen Stromeinzelhandelsmärkte zu (Rn. 48 des angefochtenen Beschlusses). Der Kommission zufolge ist dieser Effekt des herkömmlichen Versorgers besonders ausgeprägt bei Kunden, die immer im Rahmen von Grundversorgungsverträgen beliefert wurden, die den Versorger nicht wechseln möchten und die sich mit den teureren Grundversorgungstarifen des herkömmlichen Versorgers begnügen (Rn. 50 des angefochtenen Beschlusses). Sie geht davon aus, dass sich ein Zusammenschluss wie der in diesem Fall in Rede stehende zunächst nur beschränkt oder gar nicht auf diese Verbraucher auswirken werde (Rn. 49 des angefochtenen Beschlusses). Nach Ansicht der Kommission gelten diese Ausführungen auch für den Gasmarkt (Rn. 133 des angefochtenen Beschlusses).

192    Obwohl die Kommission die Homogenität von Strom und Gas, die sie nicht in Frage stellt, nicht erwähnt, hat sie angemerkt, dass im Jahr 2017 trotz der stetig sinkenden Zahl an Grundversorgungsverträgen und trotz allgemein günstigerer Bedingungen für Sonderverträge 28 % der Haushaltskunden ihren Strom nach wie vor auf der Basis eines Grundversorgungsvertrags bezogen hätten.

193    Zum Argument der Klägerin, dass die Trägheit alle Kundengruppen betreffe, genügt die Feststellung, dass Kunden mit Sonderverträgen zumindest einmal den Vertrag wechseln mussten, um aus der Grundversorgung auszusteigen, was von ihrem Bestreben zeugt, Konditionen zu suchen, die besser sind als das Standardangebot. Der Klägerin zufolge besteht der Grund für die niedrigen Wechselzahlen zwischen Grundversorgung und Sonderverträgen nicht in der fehlenden Empfänglichkeit der Endkunden, sondern in der Tatsache, dass die Kundenzufriedenheit beim regionalen Versorger sehr hoch sei und viele Endkunden des Grundversorgers schlicht nicht wüssten, wie der Stromversorger gewechselt werden könne.

194    Es ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass viele Kunden mit Grundversorgungsvertrag ihren Vertrag nicht wechseln, entweder weil sie trotz besserer Konditionen für Sonderverträge mit ihrem Grundversorger zufrieden sind oder weil sie nicht wissen, was zu tun wäre, tatsächlich zeigt, dass sich bei den Kunden durchaus eine Trägheit ausmachen lässt und sie infolgedessen in der Grundversorgung verbleiben. Hierzu hat die Kommission in Rn. 59 des angefochtenen Beschlusses, basierend auf dem oben in Rn. 186 genannten Bericht von ACER, ausgeführt, dass die geringe Ersparnis, die sich Verbraucher vom Wechsel des Versorgers erwarten, das mangelnde Vertrauen in neue Versorger, die angenommene Komplexität des Wechsels und die Zufriedenheit mit dem Versorger die wichtigsten Faktoren der Wechselhemmungen der Verbraucher darstellten. Folglich hält unabhängig davon, dass der Wechsel des Versorgers genauso leicht ist wie von der Klägerin ausgeführt, eine große Anzahl an Kunden trotz theoretischer Vorteile an ihrem Grundversorgungsvertrag fest.

195    Vor diesem Hintergrund ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission eine gewisse Trägheit der Kunden der Grundversorgung aufgezeigt hat, deren Nachfrage unelastischer ist, was sich daran zeigt, dass ein Teil davon trotz vorteilhafterer Bedingungen von Sonderverträgen einem Vertragswechsel immer zurückhaltend gegenübersteht.

196    Es trifft zu, dass die stetig sinkende Zahl an Grundversorgungsverträgen aufgrund des Abschlusses von Sonderverträgen durch die Kunden auf ein gewisses Maß an Nachfragesubstituierbarkeit zwischen Grundversorgungsverträgen und Sonderverträgen hindeutet. Die Kommission kann jedoch im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums darauf hinweisen, dass es nach wie vor viele Grundversorgungsverträge gibt, was darauf hindeutet, dass ein separater Produktmarkt besteht. Dass sich die Kommission nicht darauf beschränkt hat, festzustellen, dass die objektiven Merkmale von Strom und Gas homogen sind, sondern dass sie auch die Wettbewerbsverhältnisse und insbesondere die Struktur von Angebot und Nachfrage auf dem Markt untersucht hat, stellt also keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler dar. Dieses Argument ist somit zurückzuweisen.

197    Zweitens vertritt die Klägerin zum „small but significant non-transitory increase of price“-Test (kleine, aber signifikante und anhaltende Preiserhöhung, im Folgenden: SSNIP-Test) die Ansicht, dass eine Erhöhung der Preise um 5‑10 % die Kunden der Grundversorgung dazu bewegen würde, auf Sonderverträge umzusteigen, was bestätige, dass die Trägheit der Kunden allen Kundengruppen inhärent sei. Hierzu gingen beinahe alle Marktteilnehmer, die an der ersten Marktbefragung teilgenommen hätten, davon aus, dass eine Preiserhöhung der Grundversorgung von 5‑10 % die Wechselquote beeinflussen würde; einzig über die Intensität dieses Einflusses bestehe jedoch Uneinigkeit.

198    Es ist darauf hinzuweisen, dass mit dem SSNIP-Test die Frage gemäß Rn. 17 der Bekanntmachung der Kommission vom 9. Dezember 1997 über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (ABl. 1997, C 372, S. 5, im Folgenden: Bekanntmachung über die Marktdefinition) beantwortet werden soll, ob eine Preiserhöhung im Bereich von 5‑10 % Grundversorgungskunden zu einem Umstieg auf Sonderverträge bewegen würde.

199    Hierzu hat die Kommission in Rn. 60 des angefochtenen Beschlusses unter Bezugnahme auf die erste Marktbefragung ausgeführt, dass in einem gewissen Teil der Antworten zwar angegeben worden sei, dass eine solche Preiserhöhung bei den Grundversorgungsverträgen zu einem vermehrten Wechsel auf Sonderverträge hätte führen können, dass aber fast 70 % der Wettbewerber geantwortet hätten, dass die Zunahme von Vertragswechseln wahrscheinlich geringfügig oder vernachlässigbar gewesen wäre. Eine Mehrheit der Marktteilnehmer hat also die Ansicht vertreten, dass der SSNIP-Test keine Nachfragesubstituierbarkeit zeige. Dieses Ergebnis bestätigt, dass Verbraucher mit Grundversorgungsverträgen träge sind.

200    Es trifft zwar zu, dass die Kommission keine quantitative oder groß angelegte Analyse durchgeführt hat, die über die Antworten der Wettbewerber hinausging, jedoch ist darauf hinzuweisen, dass es Sache der Kommission ist, zu beurteilen, ob die ihr vorliegenden Informationen für die wettbewerbliche Bewertung ausreichen (Urteil vom 13. Mai 2015, Niki Luftfahrt/Kommission, T‑162/10, EU:T:2015:283, Rn. 109).

201    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass zwischen „technischen Beweisen“ und „nicht technischen Beweisen“ keine Rangordnung geschaffen werden soll, es aber Sache der Kommission ist, das Ergebnis des zur Beurteilung der Wettbewerbssituation herangezogenen Indizienbündels insgesamt zu bewerten, und dass in diesem Zusammenhang bestimmte Umstände privilegiert und andere außer Acht gelassen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 2015, Deutsche Börse/Kommission, T‑175/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:148, Rn. 133).

202    Unter Berücksichtigung der Einschätzungen der Mehrheit der Marktteilnehmer, die auf die erste Marktbefragung geantwortet haben, hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie die Auffassung vertrat, dass die Informationen, über die sie verfügte, für eine wettbewerbliche Analyse der Substituierbarkeit von Grundversorgungsverträgen und Sonderverträgen aufgrund einer kleinen, aber signifikanten und anhaltenden Preiserhöhung bei den Grundversorgungsverträgen ausreichten.

203    Drittens ist hinsichtlich der Versorgerwechselquote zu berücksichtigen, dass der Klägerin zufolge nicht nur Wechsel von der Grundversorgung zu Sonderverträgen stattfanden und berücksichtigt wurden, sondern auch umgekehrt. Hierzu genügt die Feststellung, dass die Klägerin ihre Behauptungen durch nichts untermauert hat.

204    Im Übrigen macht die Klägerin geltend, dass 34 % aller deutschen Haushaltsstromkunden von der Grundversorgung zu Sonderverträgen gewechselt hätten. Im Vergleich dazu hätten nur 46 % aller deutschen Haushaltskunden seit der Liberalisierung Mitte der 1990er Jahre jemals ihren Stromanbieter gewechselt. Das zeige, dass die Trägheit alle Kunden betreffe. Selbst unter der Annahme, dass diese Zahlen korrekt sind, genügt der Hinweis, dass Kunden, die sich entschieden haben, von einem Grundversorgungsvertrag auf einen Sondervertrag zu wechseln, damit bereits mindestens einmal ihren Vertrag wechseln mussten, was zeigt, dass diese Kunden nicht mit jenen vergleichbar sind, die immer ihren Grundversorgungsvertrag beibehalten haben, so dass diese beiden Kundengruppen nicht gleich träge sind.

205    Insoweit lässt sich nicht geltend machen, dass die von der Kommission festgestellte Trägheit der Kunden der Grundversorgung, wo die Konditionen spürbar weniger günstig sind als bei Sonderverträgen, tatsächlich mit der Situation von Sondervertragskunden vergleichbar wäre, die ja bereits von einem wettbewerbsfähigeren Tarif profitieren. Die Treue der Sondervertragskunden könnte beispielsweise dadurch erklärt werden, dass sie einen guten Tarif haben, was auf Kunden mit Grundversorgungsverträgen, die trotz ungünstigerer Konditionen an ihrem Grundversorgungsvertrag festhalten, nicht zutrifft. Dieses Argument ist somit zurückzuweisen.

206    Viertens macht die Klägerin geltend, dass es zwischen der Grundversorgung und Sonderverträgen keinen signifikanten Preisunterschied gebe. Zunächst habe die Kommission Preisunterschiede von 30‑50 % zwischen Grundversorgungsverträgen und Sonderverträgen angenommen. Die Unterschiede seien im Abnahmefall mit der größten Repräsentanz, d. h. ein durchschnittlicher Haushalt in Deutschland mit einer Abnahmemenge von circa 3 500 kWh, aber deutlich geringer. Sodann habe die Kommission zu Unrecht unterstellt, dass sich die Preisdynamik der beiden Vertragstypen wesentlich unterscheide, obwohl zum einen nur 24,7 % des Endpreises von den Versorgern steuerbar seien, während der Rest auf verpflichtende Abgaben entfalle, und zum anderen eine Erhöhung der verpflichtenden Abgaben sich in beiden Vertragsarten niederschlage, weil sie zueinander in Wettbewerb stünden. Schließlich resultiere der marginale Preisunterschied nicht aus signifikanten Unterschieden in den Produkteigenschaften oder unterschiedlichen Nachfrageprofilen der Kunden, sondern aus dem höheren Risikoprofil der Kunden und aus höheren Kosten aufgrund der theoretischen Versorgungspflicht für alle Haushalte.

207    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Rn. 51 und 60 des angefochtenen Beschlusses in der Tat ausgeführt hat, dass die Rechtsvorschriften zum Abschluss von Grundversorgungsverträgen und jene betreffend Sonderverträge unterschiedlich seien. In Deutschland ist nämlich gesetzlich vorgesehen, dass es pro Versorgungsgebiet nur einen Grundversorger geben kann und dass das Unternehmen, das die Rolle des Grundversorgers übernimmt, alle drei Jahre vom zuständigen VNB zu bestimmen ist. Die Grundversorgung unterliegt somit speziellen Rechtsvorschriften. Der Grundversorger ist gesetzlich verpflichtet, Grundversorgungsverträge abzuschließen. Er kann einen Grundversorgungsvertrag nur unter außergewöhnlichen Umständen kündigen, während der Kunde den Vertrag jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von lediglich zwei Wochen auflösen kann. Außerdem sind die Grundversorger gesetzlich verpflichtet, nicht wiedereinbringliche gesetzlich vorgesehene Kosten, z. B. Steuern, Konzessionsabgaben, Zuschläge und Umlagen (mit Ausnahme von Netzentgelten), weiterzugeben, und unterliegen in Bezug auf Preiserhöhungen Beschränkungen, da Erhöhungen der Gewinnspanne nicht erlaubt sind. Preisschwankungen auf dem Großhandelsmarkt können also im Verbraucherpreis der Grundversorgung nur eingeschränkt abgebildet werden.

208    Daraus ergibt sich, dass Preisbildung und Tarifpolitik für Grundversorgung und Sonderverträge letztlich nicht vergleichbar sind und dass die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass die Unterscheidung zwischen Grundversorgungstarifen und Sondervertragstarifen auch daraus hervorgehe, dass die am Zusammenschluss Beteiligten für beide Arten von Tarifen verschiedene Preis- und Preisbereinigungspolitiken verfolgten. Zur Stützung ihrer Ausführungen hat sich die Kommission nicht nur auf unterschiedliche Rechtsvorschriften, sondern auch auf interne Dokumente der am Zusammenschluss Beteiligten gestützt, die gemäß der Praxis der Kommission normalerweise privilegierte Beweise mit einer hohen Glaubhaftigkeit darstellen, da sie von den am Zusammenschluss Beteiligten nicht den Erfordernissen des Zusammenschlusses angepasst wurden, sondern unverarbeitete Informationen enthalten.

209    Zu den von der Kommission festgestellten und von der Klägerin beanstandeten Preisunterschieden von 30‑50 % zwischen Grundversorgungsverträgen und Sonderverträgen ist im Übrigen anzumerken, dass die Kommission, um sich ein Bild der Preisunterschiede für alle Kunden zu machen, den Verbrauch aller Haushalts- und Kleingewerbekunden berücksichtigt und sich im Gegensatz zur Klägerin nicht auf den Verbrauch des Durchschnittskunden (Verbrauch von 3 500 kWh) beschränkt hat. Für das Gericht stellt dieser Ansatz keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler dar. Im Gegenteil: Mit diesem Ansatz hat sich die Kommission statt eines begrenzten Einblicks einen umfassenden Überblick über die Lage auf dem Markt für Stromlieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden verschafft. Durch die Verwendung von Nettopreisen, die keine Steuern oder andere verpflichtenden Abgaben beinhalten, wird die Wettbewerbssituation ebenfalls zuverlässiger abgebildet, als dies bei der Verwendung von Bruttopreisen der Fall wäre, da die Versorger nur im Hinblick auf den Teil des Preises kompetitiv sein können, den sie steuern. In einem so stark regulierten Markt wie dem Energiemarkt, in dem der wettbewerbsfähige Teil des Tarifs klein ist, ist dies umso wichtiger. Beim Vergleich der verschiedenen Tarife kann ein Unterschied bei den Abgaben oder Steuern zu einer Verzerrung führen, die den Vergleich des Teils des Tarifs, der dem Wettbewerb unterliegt, verhindert. Auch dieses Argument ist daher zurückzuweisen.

210    Fünftens bringt die Klägerin zu den regulatorischen Besonderheiten vor, dass nach Art. 36 Abs. 2 Satz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 7. Juli 2005 (BGBl. I, S. 1970 und 3621) in der durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I, S. 2808, 2018 I S. 472) geänderten Fassung Grundversorger jeweils das Energieversorgungsunternehmen sei, das die meisten Haushaltskunden in einem bestimmten Gebiet beliefere, und zwar unabhängig von der Identität des Versorgers und unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt der Berechnung der Anzahl der in einem Gebiet belieferten Haushalte die Lieferung auf der Grundlage eines Grundversorgungs- oder eines Sondervertrags erfolge, so dass der Grundversorger ein erhebliches Interesse daran habe, neben Grundvertragskunden auch Sondervertragskunden zu gewinnen und zu halten, was der Annahme getrennter Märkte entgegenstehe.

211    Das Gericht vertritt zunächst die Ansicht, dass die von der Kommission festgestellten, oben in Rn. 207 dargelegten regulatorischen Unterschiede auf einen Unterschied aus Angebotssicht hindeuten. Hierzu hat die Klägerin auf die Rn. 54 ff. der neuen LBD-Studie verwiesen. Aus Rn. 55 dieser Studie ergibt sich, dass der Grundversorger lieber eine niedrigere Marge in Kauf nehme, als einen Kunden an einen Wettbewerber zu verlieren und gar keine Marge mehr zu haben. Der Grundversorger stelle damit sicher, dass er seine Stellung als Grundversorger behalte. In der obigen Rn. 195 wurde jedoch dargelegt, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie festgestellt hat, dass Kunden mit Grundversorgungsverträgen träge seien und trotz günstigerer Konditionen von Sonderverträgen ihren Vertrag nicht wechseln würden. Im Übrigen bedeutet der Umstand, dass der Grundversorger einen gewissen Anreiz hat, im Hinblick auf Sonderverträge kompetitiv zu sein, um seine Stellung als Grundversorger beizubehalten, nicht, dass die Grundversorgungsverträge Wettbewerbsdruck auf die Sonderverträge ausüben und umgekehrt. Zum einen gibt es nämlich, wie oben in Rn. 207 ausgeführt, bedeutende regulatorische Unterschiede zwischen den beiden Vertragsarten. Zum anderen würde sich ein Kunde mit Sondervertrag eher nach einem anderen Sondervertrag bei einem anderen Versorger umsehen. Sofern von einem Wettbewerbsdruck auf die Sonderverträge auszugehen ist, ist er jedenfalls nicht auf die Konditionen der Grundverträge zurückzuführen, sondern auf das Bestreben des Grundversorgers, seine Stellung beizubehalten. Das Bestehen von Anreizen für Grundversorger, auf dem Markt für die Belieferung von Kunden im Rahmen von Sonderverträgen kompetitiv zu sein, steht der Unterscheidung dieser beiden Produktmärkte also nicht entgegen.

212    Sechstens macht die Klägerin geltend, dass der angefochtene Beschluss mit Fehlern behaftet sei, da die Kommission durch die Unterscheidung zwischen Grundversorgungskunden und Sondervertragskunden bei der Definition des in Rede stehenden Produktmarktes von ihrer bisherigen Entscheidungspraxis abgewichen sei. So habe sie im Beschluss C(2015) 9088 final vom 8. Dezember 2015 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.7778 – Vattenfall/ENGIE/GASAG) die Ansicht vertreten, dass Stromsonderverträge einen starken Wettbewerbsdruck auf die Grundversorger ausübten.

213    Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission in den Rn. 52 bis 54 ihre frühere Entscheidungspraxis sowie jene des Bundeskartellamts analysiert.

214    Hierzu ist den Rn. 53 und 133 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen, dass sich die Kommission in der Vergangenheit nicht ausdrücklich festgelegt hat, ob Sonderverträge und Grundversorgungstarife separaten Märkten zuzuordnen sind. So hat sie im Beschluss C(2015) 9088 final der Kommission vom 8. Dezember 2015 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.7778 – Vattenfall/ENGIE/GASAG) die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf Haushalts‑ und Kleingewerbekunden beurteilt, wobei sie auf nationaler Ebene zum einen Grundversorgungskunden und Sondervertragskunden ohne Unterscheidung berücksichtigt hat und zum anderen Sondervertragskunden separat betrachtet hat. Die Frage nach der Definition des Produktmarktes hat die Kommission dort jedoch offengelassen.  Sie hat in Rn. 19 des Beschlusses in der Sache M.7778 nämlich ausgeführt, dass die Frage nach der genauen Definition des in Rede stehenden Produktmarktes in diesem Fall offenbleiben könne, da der geplante Zusammenschluss unabhängig von der erwogenen Definition keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gebe.

215    Daraus ergibt sich, dass der Kommission im vorliegenden Fall nicht vorgeworfen werden kann, von ihrer früheren Entscheidungspraxis abgewichen zu sein. Vielmehr hat sie ihre früheren Erwägungen als maßgebliches Element ihrer Analyse berücksichtigt. Unter Wahrnehmung ihres Beurteilungsspielraums hat die Kommission in den Rn. 56 bis 62 und 133 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die Marktbedingungen zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses eine engere Definition des Produktmarktes erforderten.

216    Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass, wenn die Kommission über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt anhand einer diesem Zusammenschluss eigenen Anmeldung und Aktenlage entscheidet, ein Kläger gegen die Feststellungen der Kommission nicht einwenden kann, dass sie von früher in einer anderen Sache anhand einer anderen Anmeldung und anderer Unterlagen getroffenen Feststellungen abwichen; dies gilt selbst dann, wenn die betreffenden Märkte in den beiden Fällen ähnlich oder sogar identisch sind. Somit ist das Vorbringen der Klägerin, insofern es sich auf Analysen der Kommission in einem früheren Beschluss stützt, unbeachtlich (vgl. Urteil vom 18. Mai 2022, Wieland-Werke/Kommission, T‑251/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:296, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung).

217    Die Kommission ist jedenfalls nicht durch Sachfeststellungen und wirtschaftliche Beurteilungen in einer früheren Entscheidung gebunden; das Gleiche gilt umso mehr noch für das Gericht. Würde im Übrigen angenommen, dass die Analyse im angefochtenen Beschluss anders sei als jene in einem früheren Beschluss, ohne dass dieser Unterschied objektiv gerechtfertigt wäre, müsste das Gericht den angefochtenen Beschluss im vorliegenden Verfahren nur dann für nichtig erklären, wenn dieser und nicht der frühere fehlerhaft wäre. Es ist daher immer Sache des Klägers, nachzuweisen, inwiefern die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Beurteilungen für sich genommen und unabhängig von jenen in dem früheren Beschluss falsch sind (Urteil vom 18. Mai 2022, Wieland-Werke/Kommission, T‑251/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:296, Rn. 79).

218    Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Kommission nicht an die in ihren früheren Entscheidungen vorgenommenen Beurteilungen relevanter Märkte gebunden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2017, Topps Europe/Kommission, T‑699/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:2, Rn. 93).

219    Nach alledem ist es der Klägerin nicht gelungen, nachzuweisen, dass die Kommission bei der Definition des relevanten Produktmarktes einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat. Die Rüge einer fehlerhaften Definition des relevanten Produktmarktes ist daher zurückzuweisen, soweit sie den Strom- und Gaseinzelhandel betrifft.

ii)    Definition des geografischen Marktes

220    In Rn. 90 des angefochtenen Beschlusses ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass für die Zwecke dieses Beschlusses trotz des Vorliegens lokaler Wettbewerbselemente der Markt für Stromlieferungen an Haushaltskunden im Rahmen von Sonderverträgen ein nationaler Markt sei, obwohl sie auch die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf lokaler Ebene geprüft hat und zu dem Ergebnis gelangt ist, dass auch auf lokaler Ebene der Zusammenschluss keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwerfe. In Bezug auf Gas hat die Kommission in Rn. 147 des angefochtenen Beschlusses dargelegt, dass der Markt für Gaslieferungen an Haushaltskunden im Rahmen der Grundversorgung für die Zwecke dieses Beschlusses als separater Produktmarkt und als lokaler Markt betrachtet werde, der auf das betroffene Grundversorgungsgebiet beschränkt sei, und dass der Markt für Gaslieferungen an Haushaltskunden im Rahmen von Sonderverträgen als separater, nationaler Produktmarkt betrachtet werde.

221    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass der Markt für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushaltskunden im Rahmen von Sonderverträgen als lokaler Markt hätte definiert werden sollen und nicht als nationaler Markt mit lokalen Elementen.

222    Erstens ist zu prüfen, ob die Kommission allgemein alle einschlägigen Gesichtspunkte für die Prüfung der Definition des geografischen Marktes berücksichtigt hat. Hierzu stellt das Gericht in Bezug auf Strom fest, dass die Kommission in den Rn. 63 bis 65 des angefochtenen Beschlusses auf ihre eigene Entscheidungspraxis, in den Rn. 66 und 67 auf jene des Bundeskartellamts sowie in Rn. 68 auf die Standpunkte der am Zusammenschluss Beteiligten eingegangen ist und in den Rn. 69 bis 90 ihre Analyse angestellt hat.

223    Hinsichtlich des geografischen Marktes für Stromlieferungen an Haushalts‑ und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen zum einen hat die Kommission für ihre Analyse nicht nur die Standpunkte der am Zusammenschluss Beteiligten berücksichtigt (Rn. 78, 83, 84 und 88). Sie hat nämlich auch ihre frühere Entscheidungspraxis (Rn. 69 und 70), jene des Bundeskartellamts (Rn. 69, 74, 85 und 86), die Ausführungen des Bundeskartellamts (Rn. 80, 82, 83 und 86), die anwendbaren Rechtsvorschriften (Rn. 66), die Antworten der Wettbewerber auf die erste Marktbefragung (Rn. 74 bis 76, 79 und 80), den Fragebogen an Kunden von KMU und Kleinstunternehmen in Deutschland aus der Phase der eingehenden Prüfung (Rn. 85), die Beiträge der Wettbewerber (Rn. 75, 79, 81, 84 und 87) und die LBD-Studie, die ihr zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses vorlag (Rn. 81, 84 und 87), untersucht. Außerdem hat die Kommission ihre eigene Analyse vorgenommen (Rn. 88). Daraus ergibt sich, dass sie die verschiedenen ihr zur Verfügung stehenden Informationsquellen verglichen hat, um den geografischen Stromeinzelhandelsmarkt zu definieren.

224    Hinsichtlich des geografischen Gaseinzelhandelsmarktes zum anderen hat die Kommission in den Rn. 134 und 135 des angefochtenen Beschlusses ihre eigene Entscheidungspraxis, in Rn. 136 jene des Bundeskartellamts und in Rn. 137 die Standpunkte der am Zusammenschluss Beteiligten analysiert. Zudem hat sie in den Rn. 138 bis 146 des angefochtenen Beschlusses eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorgenommen.

225    Wie bereits in Bezug auf Strom hat die Kommission für ihre Analyse nicht nur die Standpunkte der am Zusammenschluss Beteiligten berücksichtigt, sondern auch die frühere Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts (Rn. 138 und 139), die Ausführungen des Bundeskartellamts (Rn. 142 und 144), die Antworten der Wettbewerber auf die erste Marktbefragung (Rn. 138 und 143), ihre eigenen Analysen (Rn. 145) sowie die internen Dokumente der am Zusammenschluss Beteiligten (Rn. 143). Daraus ergibt sich, dass die Kommission wie für den Stromsektor die verschiedenen Informationsquellen verglichen hat, um den geografischen Gaseinzelhandelsmarkt zu definieren.

226    Folglich kann nicht geltend gemacht werden, dass die Untersuchungen der Kommission hinsichtlich der geografischen Strom- und Gaseinzelhandelsmärkte unzureichend gewesen seien.

227    Zweitens macht die Klägerin zum einen geltend, dass Endkunden nicht frei zwischen allen Versorgern wählen könnten, und zum anderen, dass es Angebote mit unterschiedlichen Preisen gebe, die nur lokal verfügbar seien.

228    Insoweit habe die Kommission auf eine rein theoretische Vielzahl an Anbietern abgestellt. Insbesondere böten gemäß dem BET-Gutachten etwa 79 % der 1 289 Versorger ihre Tarife in weniger als 10 % der Postleitzahlgebiete an. Obwohl Endkunden im Durchschnitt theoretisch unter 124 Versorgern auswählen könnten, seien der LBD-Studie zufolge nur etwa 0,005‑0,012 % der in Deutschland angebotenen Tarife in jedem Gebiet mit einer eigenen Postleitzahl verfügbar. Ebenso seien zahlreiche Versorger nicht in allen Postleitzahlgebieten innerhalb der jeweils versorgten Sektoren tätig, so dass kein Kunde frei zwischen allen Stromversorgern in Deutschland wählen könne. Schließlich werde die Bedeutung von Internet-Vergleichsportalen stetig zunehmen, insbesondere für überregionale Anbieter, die sehr günstige Preise anbieten könnten. Diese steigende Bedeutung führe allerdings nicht dazu, dass regionale Marktbarrieren beseitigt würden und ein nationaler Markt entstehe.

229    Zunächst stellt das Gericht zur Untersuchung der Kunden anhand ihrer Postleitzahl und der örtlichen Reichweite des Angebots der Versorger fest, dass die Kommission in Rn. 73 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass zwar lokale Wettbewerbselemente vorlägen, es sich beim Markt der Sonderverträge für die Stromversorgung jedoch um einen nationalen Markt mit lokalen Wettbewerbselementen handele. Insoweit hat die Kommission im Hinblick auf Strom festgestellt, dass sich die Anzahl der aktiven Versorger in jedem Netzgebiet tendenziell erhöhe (Rn. 74), dass die Versorger dazu neigten, in allen Regionen ähnliche Verkaufsstrategien anzuwenden (Rn. 75), dass 65 % der Versorger, die auf die erste Marktbefragung geantwortet hätten, mit wenigen Ausnahmen im ganzen Land den gleichen Nettopreis anböten (Rn. 76), dass die Angebotssubstituierbarkeit aufgrund der relativ einfachen und gängigen Expansionsmöglichkeiten in lokalen Gebieten beträchtlich sei (Rn. 77) und dass die durchschnittliche Anzahl an Versorgern pro Gebiet von 46 im Jahr 2008 auf 124 im Jahr 2017 gestiegen sei (Rn. 80).

230    Was Gas betrifft, hat die Kommission in Rn. 142 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der durchschnittliche Gas-Endkunde in Deutschland in seinem Netzgebiet aus nahezu 120 Versorgern wählen könne und dass über 50 Wettbewerber in ganz Deutschland tätig seien. In Rn. 143 des angefochtenen Beschlusses hat sie ausgeführt, dass nur eine Minderheit der Wettbewerber angegeben habe, dass sich die Nettopreise von Region zu Region für alle oder die Mehrheit der Produkte unterschieden, dass die internen Dokumente der am Zusammenschluss Beteiligten gezeigt hätten, dass die am Zusammenschluss Beteiligten die Tätigkeit ihrer Wettbewerber in ganz Deutschland beobachteten, ohne sich auf bestimmte Regionen oder Wettbewerber zu konzentrieren, da die Entwicklung des Wettbewerbs im Strom- und Gasbereich von den am Zusammenschluss Beteiligten gleichermaßen beobachtet und bewertet werde, dass die Angebotssubstituierbarkeit beträchtlich sei und dass sie keine erheblichen Marktzutritts‑ oder Expansionshindernisse festgestellt habe.

231    Die Kommission hat also die Art und die Eigenschaften von Strom, das Vorhandensein von Zutrittsschranken, Verbrauchergewohnheiten sowie das Preisniveau im betroffenen Gebiet im Sinne von Art. 9 Abs. 7 der Verordnung Nr. 139/2004 berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund gelangte sie zu dem Schluss, dass die Sondervertragskunden in ganz Deutschland unter einer großen Anzahl an Stromversorgern mit ähnlichen Bedingungen wählen könnten.

232    Unter Berücksichtigung der Antworten auf Frage Nr. 12 der ersten Marktbefragung hat die Kommission nämlich festgestellt, dass etwa zwei Drittel der Versorger generell einen nationalen Tarif mit identischen Nettopreisen anböten. Was Gas betrifft, haben die Antworten auf Frage Nr. 80 der ersten Marktbefragung zu der Beurteilung der Kommission geführt, dass gemäß dem Großteil der antwortenden Unternehmen die Preise im Allgemeinen bundesweit gleich seien, dass es aber gelegentlich Abweichungen zwischen den Regionen gebe. Zwar hat die Kommission keine eigenen Untersuchungen durchgeführt, um über die Suchmaschine Google oder die Internet‑Vergleichsportale „Verivox“ oder „Check24“ festzustellen, ob sich die angebotenen Preise je nach Postleitzahl unterschieden, jedoch ist es – wie es der oben in den Rn. 135 und 200 wiedergegebenen Rechtsprechung zu entnehmen ist – Sache der Kommission, zu beurteilen, ob die ihr vorliegenden Informationen für die Durchführung ihrer Prüfung ausreichen. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Kommission anhand der ersten Marktbefragung hinreichend belegt hat, dass die Mehrheit der Versorger in ganz Deutschland vergleichbare Preise anbietet. Insoweit waren zusätzliche Erhebungen mittels der genannten Internetseiten also nicht erforderlich.

233    Jedenfalls hat die Kommission in den Rn. 81 ff. des angefochtenen Beschlusses die von der Klägerin geäußerte Kritik, einschließlich jener bezüglich der ihr vorliegenden LBD-Studie, eingehend geprüft. Die Kommission hat insbesondere ausgeführt, dass die vergleichsweise hohen Preise, die lokale Strom- und Gasgrundversorger für Sonderverträge verlangen könnten (Rn. 83 und 144), auf ihren Vorteil als herkömmliche Versorger zurückzuführen seien (Rn. 85). Außerdem hat die Kommission in Rn. 84 des angefochtenen Beschlusses einen Fehler in der Methodik thematisiert. In der ihr vorliegenden LBD-Studie seien nämlich verschiedene Tochtergesellschaften der am Zusammenschluss Beteiligten als unabhängige Einheiten behandelt worden, was sich stark auf die Ergebnisse hätte auswirken können, z. B., wenn die Margen oder Preisstrategien in einer Region geprüft würden, in der ein Unternehmen der Gruppe die Grundversorgung sicherstelle, und nur die Margen oder Preise dieses Unternehmens in dieser Region berücksichtigt würden, nicht aber jene der anderen Unternehmen der Gruppe.

234    Nach alledem hat die Kommission hinsichtlich der geografischen Reichweite der Tarifkonditionen für Strom und Gas keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

235    Selbst unter der Annahme, dass die Versorger je nach Postleitzahl unterschiedliche Tarife und Bedingungen anböten, wäre dies nur ein Angebotsfaktor im Sinne von Rn. 30 der Bekanntmachung über die Marktdefinition. Andere Faktoren wie Marktzutrittsschranken wären nämlich ebenfalls relevant. Insoweit verfügt jeder Stromversorger über die Möglichkeit, deutschlandweit jeden Haushalts- oder Kleingewerbekunden mit Strom zu beliefern. Die Klägerin wendet sich weder gegen die Feststellung der Kommission, dass die Versorger, darunter die kleinen Stadtwerke, regelmäßig versuchten, sich weiterzuentwickeln und den Wettbewerb außerhalb ihres Gebiets zu stärken, noch dagegen, dass in den zwei oder drei Jahren vor Erlass des angefochtenen Beschlusses in jedes eine beliebige Postleitzahl umfassende Gebiet im Durchschnitt zwei neue Akteure in den Markt eingetreten seien und rasch nicht vernachlässigbare Marktanteile erlangt hätten (Rn. 79). Was Gas betrifft, bedeuten der aktuelle Wettbewerb und drohende Markteintritte Einschränkungen für die herkömmlichen lokalen Versorger (Rn. 145). Daher kann vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass aufgrund des Bestehens äußerst wettbewerbsfähiger Margen in Gebieten, die bestimmte Postleitzahlen umfassen, andere Versorger miteinander konkurrieren werden, um die Nachfrage zu decken. Vor diesem Hintergrund reicht das Bestehen lokaler Tarife für sich genommen nicht aus, um eine geografische Definition des Marktes als lokal zu rechtfertigen.

236    Die Anzahl der Stromversorger, die ihre Dienstleistungen bundesweit oder in über ihre Regionen hinausgehenden Gebieten anbieten, stellt einen Angebotsfaktor gemäß Rn. 30 der Bekanntmachung über die Marktdefinition dar. Nach dieser kann die Kommission, falls erforderlich, nämlich ermitteln, ob die Unternehmen in bestimmten Gebieten vor Hindernissen stehen, wenn sie ihren Absatz zu wettbewerbsfähigen Bedingungen innerhalb des gesamten geografischen Marktes ausbauen wollen. Die Anzahl und die Reichweite der Versorger stellen Indizien für diese Art von Hindernissen dar.

237    Das Argument der Klägerin, wonach die Tarifstrukturen lokalen Charakter hätten und die Versorger ihre Vertriebsstrategie an die regionalen Gegebenheiten anpassen würden, wird zum Teil auf das BET-Gutachten gestützt, dessen Beweiswert aus den oben in den Rn. 145 bis 150 dargelegten Gründen jedoch beschränkt ist. Aus Rn. 81 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich jedenfalls, dass die Kommission dieses Vorbringen geprüft hat, dass sie aber ihren Standpunkt, wonach der geografische Markt ein nationaler Markt sei, beibehalten hat. Selbst unter der Annahme, dass die Angebote der Versorger eine lokale Perspektive beinhalten, wäre dies nur ein Indiz für einen möglicherweise lokalen Markt und vereinbar mit der Schlussfolgerung der Kommission, dass der nationale Markt lokale Elemente aufweise. Es ist nämlich nicht erforderlich, dass alle Wettbewerbsparameter im gesamten Gebiet eines Mitgliedstaats identisch sind, um von einem nationalen Markt auszugehen.

238    Im Übrigen kann Rn. 81 des angefochtenen Beschlusses entnommen werden, dass die Kommission die von den am Zusammenschluss Beteiligten angebotenen lokalen Tarife, die in der LBD-Studie festgestellt wurden, berücksichtigt hat.

239    Ebenso hat sie eine eigene Untersuchung durchgeführt und ist von einer lokalen Tarifpolitik der Versorger ausgegangen. Sie hat dabei untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen der Marge eines Versorgers und seinem Anteil an der Belieferung der Gruppe der Verbraucher besteht, die keinen Sondervertrag mit dem Grundversorger haben. Hierbei handelt es sich um einen vernünftigen Ausgangspunkt, da erwartet werden kann, dass ein Unternehmen, das in einem bestimmten Bereich eine gewisse Marktmacht hat, über einen gewissen Spielraum zur Erhöhung der Preise und der Gewinnspannen verfügt. Diese Analyse der Kommission hat insbesondere ergeben, dass auf lokaler Ebene in Bezug auf Sonderverträge keine Korrelation zwischen Margen und Marktanteilen bestehe (Rn. 88 und 89 in Bezug auf Strom und Rn. 145 in Bezug auf Gas). Die Kommission ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Fehlen einer systematischen Verbindung zwischen Margen und Marktanteilen bei Kunden, die gerade den Versorger wechselten oder dies intendierten, darauf schließen lasse, dass der aktuelle Wettbewerb und drohende Eintritte Einschränkungen für lokale herkömmliche Versorger darstellten, zumindest in Bezug auf diese Gruppen von Kunden, was auf das Vorliegen eines nationalen Marktes hindeute.

240    Vor diesem Hintergrund hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie sich nicht dem Standpunkt der Wettbewerber angeschlossen hat, dass der Strom- und Gaseinzelhandel seinem Umfang nach lokal sei.

241    Drittens bringt die Klägerin vor, dass die Kommission nicht ihrer gängigen Entscheidungspraxis gefolgt sei. In ihrem Beschluss C(2009) 5111 vom 22. Juni 2009 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.5496 – Vattenfall/Nuon Energy), der ein vergleichbares Verfahren zum Gegenstand gehabt habe, habe die Kommission eingeräumt, dass es in Deutschland eine Vielzahl von lokalen Strommärkten gebe. Seit dieser Sache seien ferner keine signifikanten Veränderungen des Verhaltens der Marktteilnehmer zu beobachten gewesen.

242    Insoweit ergibt sich aus den im angefochtenen Beschluss genannten Fällen, dass sich in der durch die Kommission entwickelten Praxis für die von der Klägerin vorgeschlagene Beurteilung der geografischen Märkte keine Bestätigung finden lässt. In ihren früheren Entscheidungen hat die Kommission die Definition des geografischen Stromeinzelhandelsmarktes nämlich offengelassen, und sie vertritt die Ansicht, dass die Definition des Gasmarktes als national, regional oder lokal einzelfallbezogen erfolgt.

243    Was Strom betrifft, hat die Kommission in Rn. 63 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass sie die geografischen Märkte für Stromlieferungen an Endkunden allgemein als national definiert habe. In ihrem Beschluss C(2009) 5111 vom 22. Juni 2009 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.5496 – Vattenfall/Nuon Energy) hat die Kommission auf der Ebene des Verteilernetzes für die Stromlieferung an Kleinkunden für Deutschland auch die Möglichkeit einer engeren Definition des geografischen Marktes berücksichtigt, obgleich sie die Frage nach der Definition des Marktes im betreffenden Fall letztlich offengelassen hat. In den Rn. 64 und 65 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission jedoch angemerkt, dass sich der Stromeinzelhandelsmarkt in Deutschland seit 2009 erheblich entwickelt habe und dass sich die geografische Reichweite des Wettbewerbs vergrößert habe, was sich bereits in ihrem Beschluss C(2015) 9088 final vom 8. Dezember 2015 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.7778 – Vattenfall/ENGIE/GASAG) widerspiegelte, in dem sie die Teile des nationalen Marktes für Stromlieferungen an Haushaltskunden im Allgemeinen sowie nur an Sondervertragskunden untersucht hat, wohingegen die Definition des geografischen Marktes offengelassen wurde.

244    Betreffend Gas hat die Kommission in Rn. 134 des angefochtenen Beschlusses unter Bezugnahme auf ihren Beschluss C(2015) 9088 final vom 8. Dezember 2015 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache M.7778 – Vattenfall/ENGIE/GASAG), ihren Beschluss C(2011) 2638 final vom 11. April 2011 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.6068 – ENI/ACEGASAPS/JV) und ihren Beschluss C(2006) 5418 final vom 14. November 2006 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.4180 – Gaz de France/Suez) ausgeführt, dass sie in früheren Beschlüssen davon ausgegangen sei, dass der Gaseinzelhandelsmarkt national, regional oder lokal sein könne, jeweils beschränkt auf das Verteilernetzgebiet und abhängig von den Merkmalen des Marktes.

245    Daraus folgt, dass die Kommission nicht von ihrer bisherigen Entscheidungspraxis abgewichen ist und dass sie ihre früheren Beurteilungen bei ihrer Untersuchung als maßgebliches Element berücksichtigt hat.

246    Das Gericht weist jedenfalls darauf hin, dass die Kommission gemäß der oben in Rn. 218 wiedergegebenen Rechtsprechung nicht an die in ihren früheren Entscheidungen vorgenommenen Beurteilungen relevanter Märkte gebunden ist.

247    Die Kommission hat daher keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie in den Rn. 91 und 147 des angefochtenen Beschlusses davon ausgegangen ist, dass für die Zwecke des angefochtenen Beschlusses Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung einen lokalen Markt darstellen, der auf das betreffende Grundversorgungsgebiet begrenzt ist, und dass Strom- und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen einen nationalen Markt mit lokalen Elementen darstellen.

248    Nach alledem ist die erste Rüge, mit der eine fehlerhafte Definition der Strom- und Gaseinzelhandelsmärkte geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

2)      Zweite Rüge: fehlerhafte Definition der Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität

249    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission die Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität falsch definiert habe.

250    Als Erstes trägt die Klägerin in Bezug auf den Markt für Messdienstleistungen im Wesentlichen vor, dass die Kommission zu Unrecht zwischen gMSB und wMSB unterschieden habe, obwohl gMSB und wMSB tatsächlich identisch verwendet werden könnten und jederzeit zwischen ihnen gewechselt werden könne. Es könnten also die Ausführungen der Klägerin zu den Grundverträgen und den Sonderverträgen herangezogen werden.

251    Als Zweites hätte die Kommission die Frage der Definition des geografischen Marktes für Elektromobilität nicht offenlassen dürfen und hätte lokale Märkte, abgegrenzt nach Landkreisen, annehmen müssen, da Kunden ähnlich wie im Markt für Tankstellen ihre Wahl danach ausrichteten, ob sie die nächste Ladestation überhaupt erreichen könnten und welche Fahrzeit dafür benötigt werde.

252    Die Kommission, unterstützt durch E.ON, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

i)      Märkte für Messdienstleistungen

253    Wie oben in Rn. 32 dargetan, bestehen Messdienstleistungen in der Messung des Strom-, Gas-, Wasser- und Wärmeverbrauchs zum Zweck der Abrechnung, der Transparenz und der Optimierung des Verbrauchs.

254    In den Rn. 151 bis 153 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ausgeführt, dass der Betrieb von Messstellen in Deutschland bis zur Liberalisierung im Jahr 2005 den VNB oblegen habe. Das Messstellenbetriebsgesetz vom 1. September 2016 (BGBl. I, S. 2034) habe den Betrieb des Netzes und jenen der Messstellen voneinander abgekoppelt, habe die Rolle der gMSB und der wMSB geschaffen und sehe Folgendes vor:

–        erstens die ausschließlich für gMSB geltende Verpflichtung, alle Strommesssysteme in Deutschland bis 2032 durch moderne Messsysteme zu ersetzen;

–        zweitens die Verpflichtung der gMSB, intelligente Messsysteme mit verschiedenen Preisobergrenzen einzusetzen, je nach Verbrauchertyp und Höhe des Verbrauchs, wobei dieses System für kleine Kunden jedenfalls fakultativ ist; die gleiche Verpflichtung besteht für wMSB, jedoch ohne Preisobergrenzen;

–        drittens die allgemeine Verpflichtung, bestehende Messsysteme durch Gasmesssysteme zu ersetzen, die über eine Einrichtung zum gesicherten Datenaustausch – ein Smart-Meter-Gateway – verfügen, um die Übertragung der gemessenen Daten an autorisierte Marktteilnehmer zu ermöglichen.

255    Vor diesem Hintergrund hat die Kommission in Rn. 169 des angefochtenen Beschlusses die Ansicht vertreten, dass zwischen Strom‑ und Gasmessdienstleistungen durch gMSB und Strom‑ und Gasmessdienstleistungen durch wMSB zu unterscheiden sei, und zwar aus ähnlichen Gründen wie jenen, die die Unterscheidung zwischen Grundversorgungsverträgen und Sonderverträgen rechtfertigten, nämlich zunächst der Umstand, dass der Wettbewerb hauptsächlich auf dem Markt der wMSB stattfinde, weiter der Umstand, dass für gMSB und wMSB unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen bestünden, insbesondere in Bezug auf Preisobergrenzen und den verpflichtenden Einsatz von modernen und intelligenten Messsystemen, sowie schließlich der Umstand, dass der Eintritt in den nationalen Markt durch nicht dem Stromsektor zuzuordnende externe Akteure wie Deutsche Telekom oder Deutsche Bahn auf dem Markt der wMSB stattfinde. Die Kommission hat am Ende jedoch entschieden, dass die Frage, ob die Märkte für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen durch eine Trennung von gMSB und wMSB zu unterteilen seien, letztlich offenbleiben könne, da der Zusammenschluss unabhängig von der denkbaren Definition des Marktes hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt keine Bedenken aufwerfe.

256    Hierzu ist auf die Rechtsprechung hinzuweisen, nach der die Kommission die Frage nach der Definition des in Rede stehenden Produktmarktes offenlassen kann, sofern die von ihr im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründe klar und unmissverständlich zeigen, dass keine der Marktdefinitionen die Feststellung ermöglicht, dass der Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 2017, KPN/Kommission, T‑394/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:756, Rn. 60).

257    Nach alledem ist das Argument der Klägerin, wonach die Kommission den Produktmarkt durch die Trennung von gMSB und wMSB falsch definiert habe, zurückzuweisen, da sich die Kommission nicht ausdrücklich für diese engere Definition ausgesprochen hat, obgleich sie ausgeführt hat, dass eine derartige Unterscheidung angemessen sein könnte.

ii)    Märkte der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge

258    Erstens hat die Kommission zur geografischen Definition des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Schnellladestationen an Autobahnen zum einen und des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher ultraschneller Ladestationen an Autobahnen zum anderen in Rn. 197 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass eine Entfernung von 50 km einen guten Indikator für die Bestimmung der Stationen darstelle, die einen bedeutenden wettbewerblichen Druck aufeinander ausüben könnten. Dennoch hat sie in den Rn. 200 und 218 des angefochtenen Beschlusses die Frage nach der Definition des geografischen Marktes (lokaler Markt oder nationaler Markt mit lokalen Wettbewerbselementen) letztlich offengelassen, da sie unabhängig von der zugrunde gelegten Marktdefinition erhebliche Behinderungen des wirksamen Wettbewerbs festgestellt hat.

259    Hierzu hat die Kommission in den Rn. 367 und 370 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass E.ON und Innogy zusammen Verträge über die Errichtung und den Betrieb öffentlicher Schnellladestationen und ultraschneller Ladestationen für über 60‑70 % der Tankstellen der Autobahnraststätten des Unternehmens Autobahn Tank & Rast abgeschlossen hätten, das mehr als 90 % der Tankstellen entlang der Autobahnen in Deutschland betreibe.

260    Vor diesem Hintergrund hat die Kommission in den Rn. 379 und 380 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass E.ON und Innogy in Fällen, in denen sie über öffentliche Ladestationen innerhalb einer Entfernung von 50 km verfügten und sich zwischen diesen Stationen keine öffentlichen Ladestationen eines anderen Wettbewerbers befänden, in unmittelbarstem Wettbewerb zueinander stünden.

261    Somit hat die Kommission unabhängig von der geografischen Definition des Marktes – lokal oder national mit lokalen Wettbewerbselementen – eine Entfernung von 50 km als maßgebliches Element für die Prüfung festgelegt, ob wettbewerbswidrige Auswirkungen bestehen.

262    Ebenso ist festzustellen, dass die Kommission, wenn sie die Frage der Definition eines in Rede stehenden Marktes offenlassen kann, falls im Sinne der oben in Rn. 256 wiedergegebenen Rechtsprechung keine der Marktdefinitionen die Feststellung ermöglicht, dass der Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führt, sie die Frage nach der Definition eines in Rede stehenden Marktes ebenso offenlassen kann, wenn sie unabhängig von der zugrunde gelegten Definition wettbewerbswidrige Auswirkungen feststellt, und zwar sofern der Zusammenschluss infolge von durch die betroffenen Unternehmen vorgenommenen Änderungen unabhängig von der Definition des in Rede stehenden Marktes nicht mehr geeignet ist, wirksamen Wettbewerb erheblich zu behindern.

263    Die Kommission hat also dadurch, dass sie die Frage der geografischen Definition des Marktes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Schnellladestationen an Autobahnen und jenes der Errichtung und des Betriebs öffentlicher ultraschneller Ladestationen an Autobahnen offengelassen hat, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

264    Zweitens hat die Kommission zum Markt der Errichtung und des Betriebs von Ladestationen abseits von Autobahnen in Rn. 203 des angefochtenen Beschlusses die Frage nach der geografischen Definition des Marktes offengelassen, da der Zusammenschluss unabhängig von der denkbaren Marktdefinition keine Bedenken aufwerfe, da – wie den Rn. 381 bis 387 des angefochtenen Beschlusses zu entnehmen ist – die am Zusammenschluss Beteiligten sehr wenige ultraschnelle Ladestationen betrieben und es auf dem Markt eine bedeutende Anzahl von Wettbewerbern sowie mehrere andere große Wettbewerber mit Expansionsplänen gebe.

265    Die Kommission hat mithin explizit ausgeführt, dass keine der Marktdefinitionen die Feststellung ermögliche, dass der Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führe. Angesichts der oben in Rn. 256 wiedergegebenen Rechtsprechung ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie die Frage nach der Definition des Marktes hinsichtlich Ladestationen abseits von Autobahnen offengelassen hat.

3)      Ergebnis zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes

266    Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Kommission alle relevanten ihr zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigt hat und dass sie die im vorliegenden Fall relevanten Märkte identifiziert und definiert hat, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen.

267    Der erste Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem eine fehlerhafte Definition der relevanten Märkte geltend gemacht wird, ist daher zurückzuweisen.

d)      Zweiter Teil des zweiten Klagegrundes: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses

1)      Erste Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Märkte für Strom und Gaseinzelhandel

268    Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Strom‑ und Gaseinzelhandelsmärkte fehlerhaft beurteilt habe. In dieser Hinsicht führe der Zusammenschluss aufgrund der zahlreichen Beteiligungen, die E.ON erwerbe, zu einer Verstärkung ihrer beherrschenden Stellung und zum Wegfall des von Innogy als großem Wettbewerber ausgeübten Wettbewerbsdrucks. Außerdem berge er das Risiko, dass Wettbewerber vom Markt verdrängt würden und dass die Preise auf dem lokalen Markt für Sonderverträge stiegen.

269    Als Erstes habe die Kommission die Wettbewerbssituation auf dem Einzelhandelsmarkt für Energielieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung nicht zutreffend beurteilt.

270    Als Zweites macht die Klägerin geltend, dass die Kommission den Einfluss der Zusammenführung der Kundenportfolios der am Zusammenschluss Beteiligten in Bezug auf Sonderverträge nicht richtig geprüft habe.

271    Als Drittes habe die Kommission die Auswirkungen des Wegfalls des Wettbewerbs zwischen E.ON und Innogy, der sich aus der Minderheitsbeteiligung von RWE an E.ON ergebe, nicht hinreichend gewürdigt.

272    Als Viertes habe die Kommission die wachsende Finanzkraft von E.ON, die aus Wettbewerbsvorteilen entstehe, nicht ausreichend berücksichtigt. So könne E.ON dank des Synergiepotenzials, ihrer Größe, ihrer Marktanteile sowie der Quersubventionierungen als VNB und Inhaberin mehrerer Marken ihre Wettbewerber strategisch verdrängen, insbesondere durch aggressive Preisstrategien bis hin zu Predatory Pricing.

273    Die Kommission, unterstützt durch E.ON, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

274    Als Erstes ist zur angeblich fehlerhaften Beurteilung der Wettbewerbssituation auf den Märkten für Strom- und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung festzustellen, dass das Gericht bereits oben in den Rn. 219 und 247 zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Kommission dadurch, dass sie in den Rn. 91 und 147 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass die Grundversorgung mit Strom und Gas als separater Produktmarkt und als lokaler, auf das betreffende Grundversorgungsgebiet beschränkter Markt zu betrachten sei, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

275    Erstens macht die Klägerin geltend, dass die Kommission nicht berücksichtigt habe, dass E.ON durch den Zusammenschluss erheblich mehr Grundversorgungsgebiete erlangen würde. Damit sei die Marktstellung der Grundversorger in ihren jeweiligen Versorgungsgebieten nach wie vor sehr beherrschend. Ebenso sei die Kommission nicht darauf eingegangen, dass sich die Marktanteile von E.ON nach dem Zusammenschluss beträchtlich erhöhen würden und auf lokaler Ebene 69 % betragen könnten. E.ON könne als Grundversorgerin also ihre Möglichkeiten stärken, die niedrigen Wettbewerbspreise durch Gewinne aus dem großen Kundenstamm und dem Netzgeschäft zu kompensieren.

276    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nicht in Frage stellt, dass es aufgrund des Deiure‑Monopols in den Grundversorgungsgebieten keinen Wettbewerb zwischen den verschiedenen Grundversorgungsgebieten gebe und es daher zu keinen wettbewerbswidrigen Auswirkungen kommen könne. Die Klägerin erläutert nicht, wie der Umstand, dass die Marktanteile von E.ON auf lokaler Ebene in den Grundversorgungsgebieten bis zu 69 % betragen könnten, für sich allein eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs auf dem Grundversorgungsmarkt oder ein Indiz einer solchen Behinderung darstellen könne. Infolge des Zusammenschlusses sind nämlich nicht die Anteile von E.ON an einem Grundversorgungsmarkt oder in einem Grundversorgungsgebiet gestiegen, sondern vielmehr die Anzahl der Gebiete, in denen E.ON als Grundversorgerin tätig ist. Die Kommission hat also keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die unmittelbaren Auswirkungen des Zusammenschlusses auf diese Märkte allenfalls begrenzt seien.

277    Zweitens ist dem angefochtenen Beschluss zur möglichen Verringerung der Chancen der Wettbewerber, im Rahmen der alle drei Jahre stattfindenden Kontrolle zum Grundversorger aufzusteigen, da nur ein Grundversorger in der Lage ist, einen profitablen und nachhaltigen Betrieb auf Dauer zu halten, zu entnehmen, dass die Kommission, obwohl unmittelbare materielle Auswirkungen des Zusammenschlusses auf diese Märkte unwahrscheinlich seien, einen großen Teil des Abschnitts 7.2.2.1 des angefochtenen Beschlusses der Prüfung möglicher mittelbarer Auswirkungen gewidmet hat, nämlich ob der Zusammenschluss die Fähigkeit von E.ON erhöhen könne, die Position als Grundversorgerin in bestimmten lokalen Gebieten zu behalten, und dadurch die Anreize, wettbewerbsfähige Preise für Sonderverträge anzubieten, verringern könne.

278    Hierzu hat die Kommission in Rn. 266 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der Grundversorger alle drei Jahre durch den zuständigen VNB bestimmt werde und dass der Stromversorger gewählt werde, der in der Region die meisten Haushaltskunden habe, darunter Kunden mit Grundversorgungsvertrag und Kunden mit Sonderverträgen, einschließlich Heizstromkunden. Wie von der Kommission in der gleichen Randnummer des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, hängt die Ermittlung der Grundversorgung von der Anzahl der Haushaltskunden mit Sonderverträgen ab, und die Preisstrategien für Sonderverträge können sich auf den Grundversorgungsmarkt auswirken.

279    Obwohl theoretisch die am Zusammenschluss Beteiligten ihre Haushalts- und Kleingewerbekunden durch den Zusammenschluss zusammenlegen können, um ihre Chancen auf Beibehaltung der Rolle als Grundversorger zu erhöhen oder diese zu erlangen, ist festzustellen, dass – wie von der Kommission in Rn. 268 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt – für die Ermittlung der Grundversorgung nur die Kunden einer juristischen Einheit zählen, nicht die Kunden aller von einer Muttergesellschaft gehaltenen Einheiten zusammen. Die Kommission hat hierzu die Auffassung vertreten, dass, wenn sich die Strategie, bestimmte Rechtsträger auszuschlachten, um den Kundenstamm eines anderen Rechtsträgers der Gruppe zu erweitern oder diese Kunden bei einem einzigen Rechtsträger zu bündeln, lohnen würde, die Beteiligten höchstwahrscheinlich schon vor dem Zusammenschluss versucht hätten, sie umzusetzen, was sie jedoch nicht beobachtet habe.

280    Hierzu beschränkt sich die Klägerin darauf, diese mögliche Schadenstheorie geltend zu machen, ohne jedoch Beweise vorzulegen, die zeigen, dass diese Strategie von den am Zusammenschluss Beteiligten angesichts der großen Anzahl der von ihnen vor dem Zusammenschluss kontrollierten Marken und Tochtergesellschaften bereits tatsächlich umgesetzt wurde. Es ist jedoch festzustellen, dass, wenn es für die am Zusammenschluss Beteiligten einen echten Anreiz gäbe, zu versuchen, ihre Grundversorgungsgebiete zu schützen oder Zugang zu neuen Gebieten zu erlangen, sie ihre Marken oder Einheiten wahrscheinlich bereits umstrukturiert hätten, da unstreitig ist, dass sie bereits vor dem Zusammenschluss über eine große Zahl an Marken und Tochtergesellschaften verfügten. Die Klägerin äußert sich auch nicht zu den Gründen, aus denen das Risiko, dass diese Strategie zum Einsatz komme, nach dem Zusammenschluss höher sei. Aufgrund eines Mangels an Indizien für den Realitätsbezug dieser Schadenstheorie ist der Schluss zu ziehen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission mit ihrer Feststellung, dass das Risiko einer solchen mittelbaren Auswirkung begrenzt sei, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe.

281    Die Kommission hat in Rn. 269 des angefochtenen Beschlusses zum angeblich engen Wettbewerbsverhältnis von E.ON und Innogy jedenfalls festgestellt, dass die am Zusammenschluss Beteiligten selten die größte Wettbewerberin der jeweils anderen seien und dass in den meisten Fällen Stadtwerke der zweitgrößte Versorger von Haushaltskunden seien. In Rn. 270 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission außerdem ausgeführt, dass E.ON gemäß interner Dokumente Innogy nur in einem Fall als zweitgrößte Versorgerin eines Gebiets betrachtet habe. In Rn. 271 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission außerdem festgestellt, dass in Gebieten, in denen eine der am Zusammenschluss Beteiligten Grundversorgerin sei, die andere grundsätzlich nur einen kleinen Kundenanteil habe, nämlich 5 % oder weniger. Daraus ergibt sich also, dass die Strategie theoretisch zwar möglich ist, die Kommission aber hinreichend dargetan hat, dass die am Zusammenschluss Beteiligten in Anbetracht der begrenzten regionalen Überschneidung ihrer Kundenstämme davon materiell nicht profitieren würden.

282    Drittens bringt die Klägerin vor, dass sich der Zusammenschluss auch auf den Wettbewerb in den Regionen auswirke, in denen die am Zusammenschluss Beteiligten keinen relevanten Marktanteil im Grundversorgungsgebiet der jeweils anderen hielten, wie im Fall des Beschlusses C(2009) 5111 der Kommission vom 22. Juni 2009 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Binnenmarkt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.5496 – Vattenfall/Nuon Energy). Zur Anwendbarkeit der Ergebnisse des genannten Beschlusses ist darauf hinzuweisen, dass die Umstände der ihm zugrunde liegenden Sache nicht mit jenen des vorliegenden Falls vergleichbar sind. In der Sache COMP/M.5496 handelte es sich beim Zielunternehmen um einen nahen Wettbewerber des erwerbenden Unternehmens; zudem bot das Zielunternehmen sehr wettbewerbsfähige Tarife an (als „Maverick“, also als Unternehmen, das den Wettbewerb stark belebte). Jedenfalls ist die Kommission nicht an ihre frühere Entscheidungspraxis gebunden, insbesondere dann, wenn sich die Gegebenheiten auf dem Markt im Laufe der Zeit verändert haben.

283    Die Kommission konnte daher, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen, dass der Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für Strom- und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen der Grundversorgung in Deutschland nicht erheblich behindere.

284    Als Zweites ist zu den Auswirkungen der Zusammenführung der Kundenportfolios der am Zusammenschluss Beteiligten auf dem Markt für Strom- und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Bewertung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen eines Zusammenschlusses die sich aus dem Zusammenschluss ergebenden Wettbewerbsbedingungen mit dem Zustand vergleicht, wie er ohne den Zusammenschluss fortbestanden hätte (Urteil vom 23. Mai 2019, KPN/Kommission, T‑370/17, EU:T:2019:354, Rn. 115).

285    Das Bestehen erheblicher Marktanteile ist in hohem Maß bedeutsam, und das Verhältnis zwischen den Marktanteilen der am Zusammenschluss Beteiligten und denen ihrer Konkurrenten, insbesondere der nächstkleineren, ein taugliches Indiz für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung oder einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs. Außerdem legt ein besonders geringer Marktanteil einer der am Zusammenschluss Beteiligten prima facie das Fehlen einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs nahe, insbesondere wenn die anderen Wirtschaftsteilnehmer über viel größere Marktanteile verfügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission, T‑282/02, EU:T:2006:64, Rn. 201).

286    Nach Ziff. 17 der Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 2004, C 31, S. 5, im Folgenden: Leitlinien) können zum einen nur sehr hohe Marktanteile von 50 % oder mehr für sich allein ein Nachweis für das Vorhandensein einer beherrschenden Marktstellung sein und zum anderen bei einem Zusammenschluss mit einem Marktanteil von unter 50 % trotzdem Wettbewerbsbedenken hinsichtlich anderer Faktoren bestehen, wie z. B. die Stärke und Anzahl der Wettbewerber (Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 59).

287    Außerdem kann gemäß dem 32. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004 und Ziff. 18 der Leitlinien bei Zusammenschlüssen, die wegen des begrenzten Marktanteils der beteiligten Unternehmen nicht geeignet sind, wirksamen Wettbewerb zu behindern, davon ausgegangen werden, dass sie mit dem Binnenmarkt vereinbar sind. Diese Vermutung gilt insbesondere, wenn der Marktanteil der beteiligten Unternehmen im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben 25 % nicht überschreitet.

288    Es ist im vorliegenden Fall also im Licht dieser Erwägungen zu prüfen, ob die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie die Auswirkungen auf den Markt für Strom- und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen durch das Zusammenführen der Kundenportfolios der am Zusammenschluss Beteiligten falsch eingestuft hat.

289    Erstens macht die Klägerin geltend, dass die Kommission nicht ermittelt habe, wie groß der Wettbewerbsdruck auf dem Markt tatsächlich sei. Trotz einer hohen Anzahl an Stromversorgern würden 88 Versorger, also etwas mehr als 6 % aller Versorger, 71 % der Kunden beliefern. Die vier größten Wettbewerber – E.ON, Innogy, EnBW und Vattenfall – hätten im Vergleich zu den anderen Versorgern eine beherrschende Stellung. Außerdem sei die Einschätzung der Kommission, wonach E.ON und Innogy keine besonders nahen Wettbewerberinnen seien, unzutreffend.

290    Insoweit geht im vorliegenden Fall aus den Rn. 274 und 333 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Marktanteile von E.ON auf den Märkten für Lieferungen an Haushalts‑ und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen in Deutschland 5‑10 %, nämlich [vertraulich](1), bei Strom und 5‑10 % bei Gas betragen. Die Marktanteile von Innogy belaufen sich auf 10‑20 %, nämlich [vertraulich], bei Strom und auf 5‑10 % bei Gas.

291    Hierzu hat das Gericht im Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission (T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 61), entschieden, dass die Kommission die Leitlinien nicht verkannt hat, als sie unter Berücksichtigung eines gemeinsamen Marktanteils der am Zusammenschluss Beteiligten sowohl von 35,1 % als auch von 35,5 % die Auffassung vertrat, dass der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten „moderat“ sei.

292    Der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten, der 15‑30 %, nämlich [vertraulich], bei Strom und 10‑20 % bei Gas beträgt, deutet zumindest stark darauf hin, dass der Zusammenschluss nicht geeignet ist, wirksamen Wettbewerb auf den Märkten für Strom ‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen in Deutschland zu behindern.

293    Im Übrigen hat die Kommission weitere Faktoren berücksichtigt. Sie hat insbesondere festgestellt, dass es eine große Zahl von Wettbewerbern gebe, dass die am Zusammenschluss Beteiligten keine nahen Wettbewerberinnen seien sowie dass die Marktzutrittsschranken relativ niedrig und der Wettbewerbsdruck beträchtlich seien.

294    Zunächst ergibt sich aus Rn. 275 des angefochtenen Beschlusses und aus S. 253 des Berichts des Bundeskartellamts, auf die in Fn. 281 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird, dass gemäß der Prüfung der von 808 VNB übermittelten Informationen zur Anzahl der Versorger im Jahr 2017 in über 89 % der Netzgebiete mehr als 50 Versorger tätig waren und dass in 71 % der Netzgebiete mehr als 100 Versorger tätig waren, so dass ein Kunde in Deutschland im Jahr 2017 durchschnittlich unter über 120 Versorgern auswählen konnte. Außerdem sind in Deutschland über 1 000 Stromversorger tätig, darunter EnBW und Vattenfall, deren Marktanteil jeweils 5‑10 % beträgt, sowie EWE, Mainova und Stadtwerke München, deren Marktanteil jeweils unter 5 % liegt. Die Kommission hat in den Rn. 334 und 335 des angefochtenen Beschlusses auch festgestellt, dass Gasverbraucher in Deutschland in ihrem Netzgebiet durchschnittlich unter fast 116 Gasversorgern wählen könnten, dass die durchschnittliche Anzahl an Versorgern pro Gebiet in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sei und dass die Verbraucher manchmal von außerhalb des Sektors kämen, wie es insbesondere bei Shell der Fall sei. Im Übrigen seien in Deutschland über 1 000 Gasversorger aktiv, darunter EnBW, deren Marktanteil 5‑10 % betrage, sowie EWE, Mainova, Enercity und Rheinenergie, deren Marktanteil jeweils weniger als 5 % ausmache. Aus den Rn. 276 und 336 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich, dass das Bundeskartellamt im Allgemeinen die Strom- und Gaseinzelhandelsmärkte als kompetitiv betrachtet.

295    Sodann hat die Kommission in den Rn. 277 und 337 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass es sich bei den am Zusammenschluss Beteiligten hinsichtlich Strom‑ und Gaslieferungen im Rahmen von Sonderverträgen nicht um besonders nahe Wettbewerberinnen handele. Sie hat nämlich ausgeführt, dass sich die Kunden, die sich in den jeweiligen Gebieten von E.ON oder Innogy abwendeten, selten dem jeweils anderen Unternehmen zuwendeten. Maximal 20 % der Kunden würden das andere am Zusammenschluss beteiligte Unternehmen wählen. Die Kommission hat außerdem angemerkt, dass in den internen Dokumenten der am Zusammenschluss Beteiligten nichts darauf hindeute, dass sie sich gegenseitig genauer beobachten würden als die anderen Versorger. Im Übrigen hat sie darauf hingewiesen, dass sich E.ON und Innogy bei der Tarifgestaltung gegenseitig keine besondere Aufmerksamkeit schenkten. Schließlich hat die Kommission festgestellt, dass die Mehrheit der Wettbewerber, die auf die erste Marktbefragung geantwortet habe, angegeben habe, in der Lage gewesen zu sein, Kunden der am Zusammenschluss Beteiligten anzuwerben. Ebenso kann Rn. 278 des angefochtenen Beschlusses entnommen werden, dass im Bereich Strom aus der Mehrheit der Antworten hervorgegangen sei, dass es kein Kundensegment gebe, in dem E.ON und Innogy in besonders engem Wettbewerb stünden und in dem es nur wenige andere Möglichkeiten gebe als die am Zusammenschluss Beteiligten. Die Mehrheit der antwortenden Unternehmen, die mit den am Zusammenschluss Beteiligten im Wettbewerb stünden, hätten ausgeführt, dass sie in der Lage seien, aus dem Gesamtkundenstamm der am Zusammenschluss Beteiligten Kunden abzuwerben.

296    Außerdem ist die Kommission in den Rn. 279 und 338 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gekommen, dass die auf dem Strom- und Gaseinzelhandelsmarkt bestehenden Zutrittsschranken und Expansionshemmnisse relativ gering seien.

297    Schließlich hat sie hilfsweise die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die hypothetischen lokalen Märkte für Strom- und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen geprüft, und zwar in den Rn. 281 bis 290 des angefochtenen Beschlusses für Strom und in den Rn. 339 bis 350 für Gas. Diese Prüfung erfolgte aufgrund der von den Stadtwerken geäußerten Bedenken. Da die Kommission im Übrigen, wie es oben aus den Rn. 234, 240 und 248 hervorgeht, bei der Definition des relevanten Marktes keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, war sie nicht verpflichtet, diese Prüfung anzustellen, so dass dies ergänzend erfolgt ist.

298    Zweitens macht die Klägerin geltend, dass die Kommission nicht berücksichtigt habe, dass E.ON und Innogy Minderheitsbeteiligungen an Unternehmen dieses Sektors hätten, auf deren Geschäftstätigkeit sie erheblichen Einfluss nehmen könnten, was E.ON im Anschluss an den Zusammenschluss strategische Vorteile und Optionen verschaffen würde. Das Gericht stellt fest, dass die Klägerin nicht erläutert hat, wie sich diese Beteiligungen auf die Untersuchung der mit dem Zusammenschluss verbundenen Behinderungen des Wettbewerbs auswirken könnten. Sie beschränkt sich nämlich darauf, die Zahl der Beteiligungen von Innogy und E.ON an anderen Unternehmen anzugeben, ohne zu erläutern, ob diese Unternehmen auf den betreffenden Märkten tätig sind, welche Stellung sie auf ihren Märkten einnehmen, wie ihre Beziehung zu Innogy und E.ON den Wettbewerb behindern könnte oder ob diese hypothetischen Behinderungen durch den Zusammenschluss bedingt seien.

299    Außerdem hat die Kommission bei ihrer Beurteilung des Zusammenschlusses auch die Marktanteile von Unternehmen berücksichtigt, an denen Innogy und E.ON beteiligt sind. Hierzu hat die Kommission in den Fn. 280 und 367 des angefochtenen Beschlusses für Strom bzw. Gas ausgeführt, dass sogar dann, wenn der Gesamtmarktanteil der Unternehmen, an denen die am Zusammenschluss Beteiligten eine Minderheitsbeteiligung hielten, hinzugerechnet werde, dies den gemeinsamen Marktanteil der Beteiligten um weniger als 5 % erhöhe. Die Kommission hat ergänzt, dass sie angesichts des Umstands, dass dieser Prozentsatz überschaubar sei und die tatsächliche finanzielle Beteiligung der am Zusammenschluss Beteiligten an diesen Unternehmen bei prozentualer Betrachtung überbewertet werde, davon ausgehe, dass die Minderheitsanteile der Beteiligten deren Position nach dem Zusammenschluss und damit die Beurteilung dieses Zusammenschlusses durch die Kommission nicht merklich beeinflussten.

300    Außerdem ergibt sich aus dem dritten Absatz der Rn. 287 des angefochtenen Beschlusses, dass gemäß der Prüfung der Kommission zwischen den Margen von E.ON und Innogy bei Tarifen für die aktivsten Kunden und der Position der jeweils anderen am Zusammenschluss Beteiligten auf lokaler Ebene keine klare Korrelation bestehe, was zeige, dass die am Zusammenschluss Beteiligten in gewissen lokalen Gebieten keine besonders nahen Wettbewerberinnen seien und dass der Zusammenschluss auf lokaler Ebene nicht zum Wegfall eines erheblichen Wettbewerbsdrucks führe.

301    Unter diesen Umständen ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission die Auswirkungen auf die Märkte für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen ausreichend, ja sogar erschöpfend und extensiv geprüft und dabei keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

302    Was als Drittes die Auswirkungen des Wegfalls des Wettbewerbs zwischen E.ON und Innogy betrifft, macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Kommission die Minderheitsbeteiligung von RWE an E.ON und den Umstand, dass dadurch die Wettbewerber von E.ON diskriminiert und benachteiligt würden, nicht berücksichtigt habe. Hierzu ist auf die Ergebnisse zur sechsten Rüge zu verweisen, mit der eine fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen der Gesamttransaktion geltend gemacht wird (siehe unten, Rn. 374 bis 379). Das Gericht verweist auch auf die Feststellungen in den obigen Rn. 293 ff., die zeigen, dass die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, dargetan hat, dass ein gesunder Wettbewerb existiere, dass die am Zusammenschluss Beteiligten keine nahen Wettbewerberinnen seien und dass die Zutrittsschranken und Expansionshemmnisse gering seien.

303    Als Viertes ist zur wachsenden Finanzkraft von E.ON, die ihr aus Wettbewerbsvorteilen entstehe, vorab festzustellen, dass die Kommission in den Rn. 291 bis 299 des angefochtenen Beschlusses auf die von Dritten geäußerten zusätzlichen Bedenken zu den möglichen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Stromeinzelhandelsmarkt in Deutschland eingegangen ist.

304    Zunächst ergibt sich zur Gefahr der Quersubventionierung von Grundversorgungsverträgen hin zu Sonderverträgen aus Rn. 292 des angefochtenen Beschlusses, dass die Kommission geprüft hat, ob die am Zusammenschluss Beteiligten erhebliche, auf dem Grundversorgungsmarkt erzielte Gewinne verwenden könnten, um auf dem Markt für Sonderverträge eine sehr aggressive Preispolitik zu subventionieren und zu stützen. Hierzu hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass diese Schadenstheorie wenig wahrscheinlich sei, da E.ON und Innogy diese Strategie angesichts des Umstands, dass sie schon vor dem Zusammenschluss über zwei der größten Kundenportfolios für die Grundversorgung verfügten, bereits umgesetzt hätten, wenn sie rentabel wäre. Die Kommission hat im Rahmen ihrer ersten Marktbefragung keine Anzeichen für dieses Verhalten gefunden und hat festgestellt, dass auf den Vergleichsportalen im Internet bestimmte Versorger, darunter Discounter und Stadtwerke, systematisch oder gelegentlich niedrigere Preise anböten als die am Zusammenschluss Beteiligten. Außerdem ist die Kommission angesichts kontinuierlicher Markteintritte und des Vorhandenseins einer großen Anzahl neuer Wettbewerber davon ausgegangen, dass diese Strategien nicht umgesetzt worden seien und dass sie, selbst wenn dies geschehen wäre, weder die Verdrängung von Wettbewerbern ermöglicht noch Markteintritte Dritter verhindert hätten.

305    Sodann hat die Kommission zur möglichen Verdrängung Dritter von Werbeflächen in Rn. 293 des angefochtenen Beschlusses geprüft, ob die am Zusammenschluss Beteiligten nach dem Zusammenschluss in den Rankings der Internet-Vergleichsportale alle vorderen Plätze belegen könnten. Sie hat festgestellt, dass E.ON nach dem Zusammenschluss die Preise ihrer Marken unter das optimale Niveau senken müsste, damit diese auf der ersten Seite des Internet-Vergleichsportals aufscheinen und so die Wettbewerber verdrängen würden. Es stehe fest, dass E.ON bereits vor dem Zusammenschluss über zahlreiche Marken und bedeutende finanzielle Ressourcen verfügt habe. Eine solche Strategie sei also nicht an den Zusammenschluss geknüpft.

306    Schließlich hat die Kommission angemerkt, dass es wenig glaublich sei, dass eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit der am Zusammenschluss Beteiligten auf dem deutschen Stromeinzelhandelsmarkt den Verbrauchern schaden würde (Rn. 297 des angefochtenen Beschlusses), insbesondere aufgrund des Umstands, dass der deutsche Stromeinzelhandelsmarkt zahlreiche Unternehmen angezogen habe und heute mit über 1 000 Versorgern sehr fragmentiert sei (Rn. 298 des angefochtenen Beschlusses), was eine erfolgreiche Verdrängungsstrategie äußerst unwahrscheinlich mache. Ebenso würden die niedrigsten Preise am Markt trotz der umfangreichen Mittel, über die die am Zusammenschluss Beteiligten bereits vor dem Zusammenschluss verfügten, oft von kleineren und neueren Wettbewerbern angeboten, nicht von den am Zusammenschluss Beteiligten (Rn. 299 des angefochtenen Beschlusses).

307    Die Klägerin hat somit nicht nachgewiesen, dass die Kommission hinsichtlich der Schaffung einer Kapazität oder von Anreizen für eine potenzielle Preisstrategie mit negativen Margen zur Verdrängung kleiner Wettbewerber oder zur Belegung aller vorderen Plätze im Ranking von Internet-Vergleichsportalen einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe.

308    Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Kommission die Märkte hinreichend geprüft hat und, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Zusammenschluss wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für Strom‑ und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden im Rahmen von Sonderverträgen in Deutschland nicht erheblich behindere.

309    Folglich ist die erste Rüge, mit der eine fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Märkte für Strom- und Gaslieferungen an Haushalts- und Kleingewerbekunden in Deutschland geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

2)      Zweite Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Strom und Gasverteilungsmärkte

310    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Strom‑ und Gasverteilungsmärkte unzureichend untersucht und offensichtlich auch fehlerhaft beurteilt habe. Die Kommission habe die Auswirkungen auf den Wettbewerb um die Vergabe von Leitungsrechten sowie im Hinblick auf den Bau und den Betrieb von Netzen falsch beurteilt. Außerdem werde E.ON infolge des Zusammenschlusses aufgrund der Synergieeffekte und der gesteigerten Skaleneffekte günstigere Konditionen erzielen als ihre Wettbewerber, und sie werde ihre Verhandlungsmacht bei der Beschaffung netzbezogener Güter steigern können.

311    Die Kommission, unterstützt durch E.ON, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

312    Hinsichtlich des Wettbewerbs um die Vergabe von Rechten ist festzustellen, dass die Kommission in den Rn. 224 bis 236 des angefochtenen Beschlusses eine gewisse Anzahl von hypothetischen Szenarien analysiert, in denen der Zusammenschluss den Gas- und Stromverbrauchern schaden könnte, darunter eine Verringerung des Wettbewerbs bei Konzessionsvergabeverfahren. Es steht fest, dass der Betrieb der Verteilernetze in Deutschland von den Kommunen organisiert wird, die im Wege von Konzessionsvergabeverfahren für einen durchschnittlichen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren Konzessionen für die Errichtung und den Betrieb der Strom‑und Gasverteilernetze auf ihrem Gebiet an VNB vergeben (Rn. 224 und 225 des angefochtenen Beschlusses).

313    Die Klägerin bringt eine Reihe von Argumenten zu wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf diese Konzessionen und ganz allgemein auf die Verteilungsmärkte vor.

314    Erstens macht die Klägerin geltend, dass E.ON dank ihrer Erfahrung und eventueller Synergieeffekte möglicherweise bessere Angebote für Konzessionen abgeben könne.

315    Das Gericht stellt vorab fest, dass die Klägerin hinsichtlich des Umstands, dass E.ON dank Synergien günstigere Konditionen erlangen könne als ihre Wettbewerber, auf die Rn. 315 ff. des BET-Gutachtens verweist, wonach E.ON in der Lage sein werde, immense Skaleneffekte zu realisieren und ihre Verhandlungsmacht gegenüber Versorgern und Dienstleistern auszubauen. Gemäß diesem Gutachten erlange E.ON mithin gegenüber ihren Wettbewerbern strukturelle Vorteile in Form von Kosteneinsparungen.

316    Insoweit stützt sich das BET-Gutachten auf die BET-Studie. Die Einschlägigkeit und der Beweiswert dieser Studie für die Beurteilung der Wettbewerbssituation zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sind aus den oben in den Rn. 137 bis 152 angeführten Gründen jedoch begrenzt. Zu Frage Nr. 39 vertraten 80 % der 87 antwortenden Unternehmen die Ansicht, dass es bei den am Zusammenschluss Beteiligten zu Synergieeffekten kommen könne. Es deutet jedoch nichts darauf hin, dass die Unternehmen, die auf die BET-Studie geantwortet haben, meinten, dass diese Synergien wirksamen Wettbewerb erheblich behindern würden. Die Formulierung von Frage Nr. 42 enthält den Grundgedanken, dass die Synergien zu höheren Anforderungen an die Effizienz führen würden. Dafür liefert die Studie jedoch keinen Beweis. Auf dieser Grundlage gehen 71 % der antwortenden Unternehmen davon aus, diese Anforderungen nicht erfüllen zu können. Der Studie kann jedoch nicht eindeutig entnommen werden, ob diese Anforderungen tatsächlich Realität werden sollen. Insgesamt genügt der Hinweis, dass mehr als zwei Drittel der antwortenden Unternehmen im Hinblick auf Frage Nr. 43 bestätigen, dass ihnen die Konzessionen, die sie erhalten haben, nicht von E.ON oder Innogy streitig gemacht wurden. Dies bestätigt die Schlussfolgerungen der Kommission, dass der Wettbewerb zwischen den am Zusammenschluss Beteiligten im Hinblick auf Konzessionen sehr gering ist.

317    Zu den potenziellen Vorteilen aufgrund der gesteigerten Skaleneffekte hat die Kommission in Rn. 235 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die am Zusammenschluss Beteiligten vor dem Zusammenschluss deutlich größer gewesen seien als die Mehrheit der Wettbewerber, insbesondere die Stadtwerke. Insoweit seien die am Zusammenschluss Beteiligten bei Ausschreibungen vor allem erfolgreich gewesen, wenn es sich bei ihnen um den herkömmlichen Versorger gehandelt habe; beim Erwerb neuer Konzessionen seien sie nur mäßig erfolgreich gewesen.

318    Außerdem hat die Kommission in Rn. 231 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die am Zusammenschluss Beteiligten die Konzessionsvergabeverfahren in erster Linie an Stadtwerke verloren hätten. Zumindest 90 % der Stromkonzessionen, die E.ON nicht erhalten habe, seien an öffentliche oder halböffentliche Unternehmen vergeben worden, und mindestens 80 % der Konzessionen, die Innogy nicht erhalten habe, seien an Stadtwerke gegangen. Bei den Gaskonzessionen verhalte es sich ähnlich.

319    Vor diesem Hintergrund war angesichts des Umstands, dass der Kommission kein Anhaltspunkt vorlag, dass die Stadtwerke neue Konzessionen an große Unternehmen verlören, die Schlussfolgerung angemessen, dass nicht genug darauf hindeute, dass mögliche Skaleneffekte oder frühere Erfahrungen mit der Teilnahme an solchen Ausschreibungen E.ON infolge dieses Zusammenschlusses einen wettbewerbswidrigen Vorteil verschaffen würden.

320    Die Klägerin hat also keinen ausreichend relevanten Anhaltspunkt für einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission vorgelegt, der es ermöglichen würde, davon auszugehen, dass E.ON infolge des Zusammenschlusses in der Lage wäre, bessere Angebote für Konzessionen abzugeben, geschweige denn, dass es wettbewerbswidrig sein könnte, falls dieser Fall doch eintreten würde. Im Gegenteil: Selbst wenn E.ON aufgrund des Zusammenschlusses bessere Angebote abgeben könnte, könnte sich dies positiv auf den Wettbewerb auswirken. Wettbewerbsschädigende Auswirkungen wären theoretisch nur möglich, wenn die am Zusammenschluss Beteiligten auf lange Sicht in der Lage wären, den Markt zu monopolisieren, da sich kein Wettbewerber an die Kostenstruktur dieser Unternehmen anpassen könnte, wie von der Kommission zu Recht in Rn. 234 des angefochtenen Beschlusses erläutert.

321    Zweitens ist zu den Synergien und der steigenden Verhandlungsmacht gegenüber Versorgern und Dienstleistern darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission in den Rn. 262 und 263 des angefochtenen Beschlusses mit diesen Fragen auseinandergesetzt hat.

322    Was den Vorteil von E.ON gegenüber kleineren VNB betrifft, der darin bestehe, dass Dienstleister mit begrenzter Kapazität ihr in Bezug auf Netzdienste Priorität einräumen würden, hat die Kommission zum einen keine Engpässe bei der Erbringung von Netzdiensten feststellen können. Jedenfalls hat sie in den Rn. 234 und 235 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass E.ON und Innogy bereits vor dem Zusammenschluss bedeutsamer gewesen seien als der Großteil der anderen VNB.

323    Zum anderen ist sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kundenabschottung im Hinblick auf Zugang zu Netzdiensten der am Zusammenschluss Beteiligten unwahrscheinlich sei, da der Großteil der Netzdienste grundsätzlich lokal erbracht und eingekauft werde, so dass angesichts des Umstands, dass der Zusammenschluss geografisch komplementär sei, eine erhebliche Erhöhung des Einkaufsvolumens auf lokaler Ebene aufgrund des Zusammenschlusses wenig wahrscheinlich sei. Die Kommission hat außerdem angemerkt, dass die Dienstleistungen für VNB nur einen Teil der bestehenden Nachfrage für vorgelagerte Versorger ausmache.

324    Daraus ist abzuleiten, dass die Kommission den lokalen Charakter dieser Dienstleistungen berücksichtigt hat. Angesichts der detaillierten Prüfung der Kommission im Allgemeinen sowie der Prüfung aller Bedenken hinsichtlich der Netzdienste kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, nicht ausreichend ermittelt zu haben. In Wirklichkeit wirft die Klägerin der Kommission vielmehr vor, aus den ihr zur Verfügung stehenden Informationen und Beweisen keine anderen Schlüsse gezogen zu haben. Die Kommission hat insoweit keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

325    Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen der Klägerin zu den wettbewerbswidrigen Vorteilen, die E.ON in Bezug auf Netzdienste erlangen werde, zurückzuweisen.

326    Drittens bringt die Klägerin vor, dass E.ON in einem großen Gebiet präsent sei, Synergien des lokalen Netzbetriebs realisieren und mehr angrenzende Netzgebiete beliefern könne. Hierzu hat die Kommission in Rn. 230 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass sich die Ausschreibungen, an denen die am Zusammenschluss Beteiligten zwischen 2013 und 2017 teilgenommen hätten, nicht auf eine bestimmte Region konzentriert und nicht durchgehend Gebiete in der Nähe der VNB-Gebiete von E.ON und Innogy betroffen hätten. Die Kommission hat in Rn. 231 des angefochtenen Beschlusses, auf die oben in Rn. 318 Bezug genommen wurde, außerdem festgestellt, dass die Stadtwerke einen starken Wettbewerbsdruck ausüben würden.

327    Viertens vertritt die Klägerin die Ansicht, dass die am Zusammenschluss Beteiligten nahe Wettbewerberinnen seien. Die Kommission habe die Enge des Wettbewerbsverhältnisses der am Zusammenschluss Beteiligten nicht ausreichend untersucht, da sie nicht berücksichtigt habe, dass Ausschreibungsverfahren in der Regel anonym seien, so dass die unterlegenen Bewerber schlichtweg nicht bekannt seien. Zudem seien die vermeintlich geringen Konzessionswechsel zu relativieren, weil die Intensität des Wettbewerbs um Konzessionen insgesamt gering sei. Im Übrigen werde jeder direkte Wettbewerb zwischen E.ON und Innogy entfallen, insbesondere in aneinander angrenzende Gebiete, in denen eine der beiden VNB sei. Der indirekte Wettbewerb durch verbundene Unternehmen werde ebenfalls massiv abnehmen. Ebenso wenig habe die Kommission den potenziellen Wettbewerb zwischen E.ON und Innogy untersucht, wie sie es für die Slowakei getan hätte.

328    Hierzu genügt die Feststellung, dass die Kommission über 1 000 Konzessionsverfahren untersucht hat, die zwischen 2013 und 2017 stattgefunden haben, und in den Rn. 228 und 229 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass die am Zusammenschluss Beteiligten nicht in einem engen Wettbewerbsverhältnis stünden, da sie in weniger als 5 % der Fälle an den gleichen Ausschreibungen teilgenommen hätten. Aus Fn. 244 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich auch, dass die Kommission geprüft hat, ob die am Zusammenschluss Beteiligten mittels Unternehmen, an denen sie Minderheitsbeteiligungen hielten, an solchen Ausschreibungen teilgenommen hatten. Die Kommission hat auch hinreichend nachgewiesen, dass es zwischen den am Zusammenschluss Beteiligten in den verschiedenen Konzessionsverfahren keine erheblichen Überschneidungen gab.

329    Fünftens bringt die Klägerin vor, dass sich eine Vielzahl von Möglichkeiten und Strategien anführen ließe, die ein überregionaler und großer VNB wie E.ON nutzen könne, um sich nach dem Zusammenschluss gegen die Übernahme einer Konzession durch einen regionalen Bewerber durchzusetzen, nämlich der überhöhte Kaufpreis der Netze, Verzögerung bei der Netzübergabe, Intransparenz und Verzögerungen bei der Datenherausgabe, Senkung der Gewinne für Konkurrenten, Klagen und Verfahren gegen Gemeinden oder Mitbewerber, drohende Arbeitsplatzverluste durch Schließung von Niederlassungen, vorzeitige Verlängerung von Konzessionsverträgen, Anzweiflung versorgungstechnischer Kompetenz der Mitbewerber, Einbindung der Gemeinde in den Aktionärskreis und in Beiräte, kommunalpolitisches Engagement der Konzernmitarbeiter oder auch den Abschluss von ungünstigen Neuverträgen.

330    Hierzu hat die Kommission in Rn. 236 des angefochtenen Beschlusses analysiert, durch welche Prozesstaktiken die Übertragung von Konzessionen, die die am Zusammenschluss Beteiligten verloren hätten, absichtlich verzögert werden könne (sham litigation).

331    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht bereits entschieden hat, dass eine Klage manchmal ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung sein kann. Dazu müssen zwei Kriterien kumulativ erfüllt sein. Als Erstes darf die Klage vernünftigerweise nicht als Geltendmachung der Rechte des in Rede stehenden Unternehmens verstanden werden und daher nur dazu dienen können, den Gegner zu belästigen. Als Zweites muss sie Teil eines Planes sein, mit dem der Wettbewerb beseitigt werden soll (vgl. Urteil vom 13. September 2012, Protégé International/Kommission, T‑119/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:421, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

332    Im vorliegenden Fall ist die Kommission in Rn. 236 des angefochtenen Beschlusses zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Taktiken nicht dem Zusammenschluss angelastet werden könnten, da dieser nicht geeignet sei, den am Zusammenschluss Beteiligten zusätzliche Anreize für die Nutzung solcher Strategien zu bieten. Selbst unterstellt, dass die Verwendung solcher Taktiken erwiesen wäre, hat die Klägerin nicht erläutert, inwiefern es nach dem Zusammenschluss größere Anreize für den Einsatz solcher Taktiken durch die am Zusammenschluss Beteiligten gäbe, und hat damit keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission nachgewiesen.

333    Bei den anderen von der Klägerin angeführten Schadenstheorien handelt es sich um nicht durch Beweise belegte Hypothesen. Die Klägerin listet nämlich auf, wie der Wettbewerb auf dem Verteilungsmarkt theoretisch behindert werden könnte, versucht aber nicht, zu erläutern, inwiefern diese Hypothesen plausibel seien und inwiefern sie wirksamen Wettbewerb erheblich beeinträchtigen könnten. Die Klägerin hat also keine Beweise dafür vorgelegt, dass die Kommission in dieser Hinsicht einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe.

334    Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission auf sämtliche Bedenken der Klägerin eingegangen ist und hinsichtlich der Konzessionen keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

335    Nach alledem ist die zweite Rüge, mit der die fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Strom- und Gasverteilungsmärkte geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

3)      Dritte Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität

336    Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität nicht korrekt beurteilt habe.

337    Die Kommission, unterstützt durch E.ON, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

i)      Märkte für Messdienstleistungen

338    Zu den Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Märkte für Messdienstleistungen ist anzumerken, dass die Kommission in Rn. 355 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass der Markt für Strom- und Gasmessdienstleistungen der gMSB und die potenziellen Teilmärkte je nach gemessenem Gut auf der Ebene des Netzgebiets ebenfalls Monopole darstellten, da nur der Netzbetreiber berechtigt sei, eine Messstelle zu betreiben. Außerdem hat sie in Rn. 356 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass der Markt für Strom‑ und Gasmessdienstleistungen der wMSB in Deutschland ein aufstrebender Markt sei und dass der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten in Deutschland unter 5 % liege, auch bei einer weiteren Unterteilung der Teilmärkte. Die Kommission hat daraus geschlossen, dass sich der Zusammenschluss nicht auf diese Märkte auswirke.

339    Die Klägerin bringt mehrere Argumente zu wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Märkte für Messdienstleistungen vor.

340    Erstens macht sie geltend, dass E.ON nach dem Zusammenschluss gemäß dem BET-Gutachten fast 40 % aller Zählpunkte in Deutschland betreiben werde, wodurch sie zur mit Abstand größten Messstellenbetreiberin aufsteige.

341    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission bei der Definition des Marktes für Messdienstleistungen, wie oben in Rn. 257 ausgeführt, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat. Aus diesem Grund sind die Marktanteile der am Zusammenschluss Beteiligten als gMSB für die Prüfung des Marktes für Strom- und Gasmessdienstleistungen durch wMSB nicht relevant.

342    Jedenfalls ist festzustellen, dass sich die Klägerin auf die Verwendung ihrer eigenen Daten beschränkt, ohne zu erläutern, weshalb die von der Kommission herangezogenen Daten falsch wären.

343    Es kann aber für den Nachweis, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, nicht genügen, dass die Klägerin andere Daten verwendet als die Kommission im angefochtenen Beschluss, ohne einen konkreten Anhaltspunkt zu liefern, aus dem sich ergäbe, dass die Berücksichtigung der Daten im angefochtenen Beschluss einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2013, Spar Österreichische Warenhandels/Kommission, T‑405/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:306, Rn. 156).

344    Nach alledem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die von der Kommission verwendeten und für die Berechnung der Marktanteile relevanten Daten falsch waren. Folglich ist es ihr nicht gelungen, zu zeigen, dass die Kommission durch die Feststellung, dass der Zusammenschluss keine Auswirkungen auf die Märkte der gMSB und der wMSB habe, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

345    Hinsichtlich einer möglichen Marktdefinition ist die Kommission in Rn. 358 des angefochtenen Beschlusses außerdem zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der Zusammenschluss nicht auf den Markt für White-Label-Dienstleistungen oder potenzielle Teilmärkte auswirke. Hierzu ergibt sich aus Fn. 180 des angefochtenen Beschlusses, dass die Kommission die Auffassung vertreten hat, dass White-Label-Dienstleistungen – zumindest zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses und in naher Zukunft – wahrscheinlich hinsichtlich der Märkte eine Rolle spielen würden, auf denen gewisse Dienstleistungen verpflichtend zu erbringen seien, diese Erbringung aber ausgelagert werden könne. Folglich hat die Kommission einen Markt für White-Label-Dienstleistungen für die Messung von Gas und Strom nicht als wMSB-Markt betrachtet, da der wMSB-Markt noch am Anfang stehe und nur Akteure, die über entsprechende Eigenkapazitäten verfügten, diese Tätigkeit aufnehmen könnten. In Rn. 178 und Fn. 186 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ausgeführt, dass für gMSB und wMSB erbrachte White-Label-Dienstleistungen wahrscheinlich nationale Reichweite haben könnten, da die Mehrheit, wenn nicht alle gMSB und wMSB lokal noch Monopolstellungen innehätten und für einen Kundenstamm einer bestimmten Größe ein größeres Gebiet abgedeckt werden müsse. Außerdem hat die Kommission in Rn. 359 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten auf einem potenziellen Teilmarkt für White-Label-Dienstleistungen für die Messung von Strom und Gas nicht über 5 % betrage.

346    Die Kommission hat in den Rn. 414 bis 417 des angefochtenen Beschlusses auch die vertikalen Wirkungen zwischen dem nachgelagerten gMSB-Markt und den vorgelagerten White-Label-Dienstleistungen beurteilt. Zum einen ist sie zu dem Schluss gekommen, dass der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte Wirkungen führen werde, die auf vertikalen Verbindungen zwischen diesen beiden Märkten beruhten, da auf den nachgelagerten Märkten gMSB lokale Monopole hätten, es daher keinen Wettbewerb gebe und der Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten an White-Label-Dienstleistungen weniger als 5 % betrage. Zum anderen ändere der Zusammenschluss auf den vorgelagerten Märkten weder etwas an der Möglichkeit, Anbieter von White-Label-Dienstleistungen zu verdrängen, da die gMSB lokal bereits Monopole hätten, noch an den Anreizen zur Abschottung, da diese unter Berücksichtigung der sehr schwachen Marktstellung der am Zusammenschluss Beteiligten auf dem vorgelagerten Markt der White-Label-Dienstleistungen und der geringfügigen Verbesserung aufgrund des Zusammenschlusses nicht wesentlich zunehmen würden.

347    Ebenso hat die Kommission in den Rn. 178 und 407 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass es Markteintritte gegeben habe und dass keine Zutrittsschranken bestünden. Somit würde kein wahrnehmbares Hindernis das Angebot dieser Dienstleistungen auf eine bestimmte Region beschränken, da die meisten gMSB und wMSB auch solche White-Label-Dienstleistungen erbrächten und neue Marktteilnehmer wie Telefónica oder Deutsche Telekom, die nicht Teil dieses Sektors seien, in den nationalen Markt einträten.

348    Insoweit legt die Klägerin keinen Beweis vor, der die Schlussfolgerungen der Kommission in Bezug auf die Anbieter von White-Label-Dienstleistungen, die ihr zufolge die Bedürfnisse jener gMSB und wMSB decken könnten, die nicht über die für das ordnungsgemäße Funktionieren der Messsysteme erforderlichen Kapazitäten verfügen, in Frage zu stellen vermag.

349    Zweitens hat die Kommission zu den angeblichen Vorteilen aus den Skaleneffekten und der Finanzkraft als gMSB in den Rn. 362 und 363 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass bestimmte Annahmen, insbesondere hinsichtlich der Kosten und der Skaleneffekte für E.ON und Innogy und andere Akteure, nicht belegt worden seien. Zur Untermauerung dieser Schadenstheorie verweist die Klägerin hinsichtlich der Skaleneffekte allgemein auf die Rn. 266 ff. des BET-Gutachtens und hinsichtlich der Finanzkraft auf Rn. 273 des Gutachtens. Dennoch ergeben sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sie sich stützt, nicht zusammenhängend und verständlich aus der Klageschrift. Die Einschlägigkeit und der Beweiswert dieses Gutachtens für die Beurteilung der Wettbewerbssituation zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sind zudem aus den oben in den Rn. 137 bis 152 angeführten Gründen begrenzt. Jedenfalls erläutert die Klägerin nicht, wie durch das BET-Gutachten die Schlussfolgerungen der Kommission in Bezug auf die fehlende Betroffenheit der Märkte für Messdienstleistungen und insbesondere die mangelnde Plausibilität der Behauptungen im Zusammenhang mit den Skaleneffekten in Frage gestellt werden sollen. In Rn. 363 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission nämlich der Behauptung widersprochen, dass nur bestimmte große Akteure in der Lage seien, Dienstleistungen zum Betrieb von intelligenten Messsystemen kosteneffizient zu erbringen. Sie hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass dies unwahrscheinlich sei, weil zunächst die Hardware für Smart-Meter-Gateways und die erforderliche Infrastruktur von mehreren unabhängigen Anbietern bereitgestellt würden, außerdem der kommerzielle Betrieb ab einer Zahl von 100 000 bis 300 000 intelligenten Messsystemen möglich sei, was einem Bruchteil der Gesamtzahl von Messsystemen entspreche, weil Anbieter mit weniger Messsystemen auch zusammenarbeiten könnten, um größere Skaleneffekte zu erzielen, und schließlich der Markteintritt großer Akteure von außerhalb des Energiesektors zeige, dass der Eintritt in den Markt und damit Wettbewerb möglich seien.

350    Somit sind die Argumente der Klägerin zum Markt für Messdienstleistungen zurückzuweisen.

ii)    Markt für Elektromobilität

351    Die Klägerin bestreitet die Analyse der Kommission in Bezug auf den Bereich der Elektromobilität. Insoweit gehe als Erstes aus dem BET-Gutachten hervor, dass die neue E.ON durch den Zusammenschluss ihren bisherigen Marktanteil von 6 % auf nationaler Ebene auf insgesamt 20,3 % anheben werde, wodurch sie zur größten Anbieterin aufsteige und den nächstgrößeren Wettbewerber EnBW mit 6 % Marktanteil weit hinter sich lasse. Auf regionaler Ebene halte E.ON in mehr als 20 % der 401 Landkreise ab sofort einen Marktanteil von mehr als 40 %. In 21 dieser Landkreise erreiche sie sogar einen Marktanteil von über 80 %. Da ein Markteintritt oder die Expansion Dritter wegen der erheblichen Investitionskosten unwahrscheinlich sei, werde die neue E.ON in Zukunft keinem ernsthaften Wettbewerbsdruck ausgesetzt.

352    Hierzu merkt das Gericht zunächst an, dass die Kommission in Rn. 381 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten in Bezug auf Ladepunkte für Elektrofahrzeuge abseits von Autobahnen in Deutschland weniger als 20 % betrage, und zwar selbst dann, wenn man von separaten Märkten für Normal- bzw. Schnellladestationen ausgehe. Sodann hat die Kommission in Rn. 384 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die am Zusammenschluss Beteiligten nur sehr wenige öffentliche ultraschnelle Ladestationen abseits von Autobahnen betreiben würden und dass die Expansionspläne für ultraschnelle Ladestationen vieler großer Wettbewerber wie Allego, EnBW oder Ionity ähnlich umfassend seien wie jene der am Zusammenschluss Beteiligten oder sogar darüber hinausgingen. Außerdem hat die Kommission in Rn. 385 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass es auf nationaler Ebene mehrere gegenwärtige und zukünftige Wettbewerber wie die Deutsche Telekom oder Volkswagen gebe und dass Volkswagen ebenfalls angekündigt habe, in den Markt für Elektromobilität einsteigen zu wollen, und plane, bei ihren 4 000 Händlern und Servicepartnern in Europa öffentliche Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu schaffen. Schließlich hat die Kommission in Rn. 386 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass selbst in den 16 von ihr ermittelten lokalen Gebieten abseits von Autobahnen, in denen der gemeinsame Marktanteil der am Zusammenschluss Beteiligten über 25 % betrage bzw. der Delta-Wert des Herfindahl-Hirschman-Indexes über 150 liege, der Zusammenschluss den Wettbewerb nicht erheblich behindern könne, da es erstens andere Wettbewerber gebe, darunter auch auf Elektromobilität spezialisierte Akteure und Stadtwerke, zweitens in einigen dieser Regionen Wettbewerber Expansionspläne angekündigt hätten, drittens die mit dem Zusammenschluss verbundene Kapazitätssteigerung häufig weniger als 10 % der Marktanteile ausmache und viertens einige der Gebiete, die sich in unmittelbarer Nähe von Großstädten oder anderen Kommunen befänden, dadurch unter Wettbewerbsdruck stünden.

353    Daraus ergibt sich, dass die Kommission eine kohärente und umfassende Prüfung der Wettbewerbselemente aus der Sicht des kleinsten denkbaren Marktes vorgenommen hat, insbesondere im Licht der Marktanteile der am Zusammenschluss Beteiligten, der Enge ihres Wettbewerbsverhältnisses, der Marktstruktur und der Marktzutrittsschranken, und dabei auch die Situation abseits von Autobahnen berücksichtigt hat.

354    Als Zweites bringt die Klägerin mehrere Argumente hinsichtlich wettbewerbswidriger Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Markt für Elektromobilität vor. So macht sie auf der Grundlage des BET-Gutachtens im Wesentlichen geltend, dass erstens kleinere Anbieter kein bundesweites Ladenetz aufbauen könnten, dass zweitens die Skaleneffekte, die E.ON durch den Zusammenschluss erziele, einen Verdrängungseffekt hätten und dass drittens durch den Wegfall von Innogy der Wettbewerb weitgehend beseitigt werde.

355    Hierzu ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass insbesondere aus den oben in Rn. 352 dargelegten Gründen der Zusammenschluss nicht zu einer erheblichen Behinderung eines wirksamen Wettbewerbs durch nicht koordinierte horizontale Wirkungen führen werde, die auf Überschneidungen der Tätigkeiten der am Zusammenschluss Beteiligten auf den Märkten der Errichtung und des Betriebs von Ladestationen abseits von Autobahnen in Deutschland beruhten.

356    In Bezug auf die Feststellungen, die auf das BET-Gutachten gestützt sind, ist zur begrenzten Einschlägigkeit und zum begrenzten Beweiswert dieses Gutachtens (siehe oben, Rn. 137 bis 152) hinzuzufügen, dass die Studie, auf die das Gutachten hauptsächlich gestützt ist, die Wettbewerbssituation auf dem Markt für Elektromobilität nicht ausreichend repräsentativ darstellt, da sie nur Energieversorgungsunternehmen und VNB umfasst, obwohl in diesem Sektor auch Unternehmen aus anderen Sektoren tätig sind, wie die Deutsche Telekom, Volkswagen, Ionity, Shell oder BP, sowie auf Elektromobilität spezialisierte Unternehmen wie Fastned, eLoaded, ChargePoint oder Allego.

357    Die Klägerin beschränkt sich jedenfalls auf die Verwendung ihrer eigenen Daten, ohne zu erläutern, weshalb die von der Kommission herangezogenen Daten falsch seien. Wie oben in Rn. 343 dargelegt wurde, kann es aber für den Nachweis, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, nicht genügen, dass die Klägerin andere Daten verwendet als die Kommission im angefochtenen Beschluss, ohne einen konkreten Anhaltspunkt zu liefern, aus dem sich ergäbe, dass die Berücksichtigung der Daten im angefochtenen Beschluss einen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission darstellt. Nach alledem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die von der Kommission verwendeten Daten unzutreffend sind.

358    Die Klägerin hat also nicht nachgewiesen, dass die Kommission in Bezug auf den Markt für Elektromobilität einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

359    Nach alledem ist die dritte Rüge, mit der eine fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

4)      Vierte Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen datengetriebener Kundenlösungen

360    Die Klägerin macht geltend, dass E.ON gemäß dem BET-Gutachten über ihre Messstellen Zugang zu einer erheblichen Menge an Kundendaten erhalten werde, was ihr bei der Entwicklung datengetriebener Energiedienstleistungen, die für intelligente Messsysteme, Ladesäuleninfrastruktur und Elektromobilität wichtig seien, erhebliche Vorteile biete.

361    Die Kommission, unterstützt durch E.ON, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

362    Es ist festzustellen, dass die Kommission in Abschnitt 7.4 des angefochtenen Beschlusses andere Schadenstheorien analysiert hat. Sie hat sich in den Rn. 422 bis 427 insbesondere mit Schadenstheorien im Zusammenhang mit dem Zugang zu Kundendaten und in den Rn. 428 bis 435 mit Bundle-Produkten für energiebezogene Dienstleistungen auseinandergesetzt.

363    Was als Erstes den Zugang zu Daten betrifft, hat die Kommission in Rn. 423 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der Zusammenschluss E.ON keinen Zugang zu unterschiedlicheren Datentypen verschaffen würde, als ihn beide Beteiligte bereits vor dem Zusammenschluss gehabt hätten, sondern lediglich Zugang zu mehr Informationen der gleichen Art. Die Kommission hat daraus abgeleitet, dass Zugang zu mehr Informationen der gleichen Art nicht zwangsläufig einen Mehrwert biete und dass die möglichen Skaleneffekte dieser Informationen gering seien. Ebenso hat die Kommission in den Rn. 424 und 425 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass sich aus der ersten Marktbefragung ergebe, dass hinsichtlich der Mindestmenge und der Art der Daten, die für die Entwicklung neuer Energielösungen erforderlich seien, große Unsicherheit bestehe. Darüber hinaus hat die Kommission die Gefahr einer Verdrängung untersucht und festgestellt, dass aus der ersten Marktbefragung hervorgehe, dass mehrere Wettbewerber, darunter auch Stadtwerke, allein oder zusammen mit anderen Akteuren bereits verschiedene datengetriebene Lösungen anböten oder entwickelten. Die erste Marktbefragung und die internen Dokumente der am Zusammenschluss Beteiligten zeigten ebenso, dass große Unternehmen wie Google, Amazon, Samsung, Bosch und Phillips bereits Smart-Home- oder datenbezogene Dienstleistungen oder Produkte anböten oder dies beabsichtigten, auch in Zusammenarbeit mit kleinen Energieeinzelhändlern. Im Übrigen hat die Kommission in Rn. 427 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass die Regulierung der Erhebung und Nutzung von Daten die Gefahr missbräuchlicher oder diskriminierender Verhaltensweisen vertikal integrierter Unternehmen verringern sollte.

364    Die Klägerin legt keinen Beweis dafür vor, dass E.ON unter Berücksichtigung des Umstands, dass sie bereits über einen umfassenden Zugang zu den Kundendaten verfügt habe, nach dem Zusammenschluss anders handeln könnte als vor dem Zusammenschluss. Die Klägerin legt auch keine Beweise dazu vor, worin der konkrete Schaden von besser auf die Kunden zugeschnittenen Angeboten bestünde. Außerdem könnten besser zugeschnittene Angebote an sich für die Verbraucher von Vorteil sein, wenn dies nicht zu einer Monopolisierung des Marktes durch Verdrängung der Wettbewerber vom Markt führt. In Ermangelung von Beweisen eines möglichen Verdrängungseffekts hat die Klägerin also nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

365    Was als Zweites die innovativen Lösungen und die Bundle-Produkte betrifft, hat die Kommission in den Rn. 432 bis 435 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass mehrere Wettbewerber, darunter einige kleine, bereits Bundle-Produkte anböten oder entwickelten und dass das Konzept der Produktbündelung in der Branche üblich sei. Sie hat darauf hingewiesen, dass diese Wettbewerber solche Lösungen allein oder in Zusammenarbeit mit anderen anböten, dass sich eine Reihe multinationaler Akteure für Bundle-Produkte und Energieplattformen interessiere und dass sie wahrscheinlich über Cross-Selling-Kapazitäten und über finanzielle Ressourcen verfügten, die mit denen der am Zusammenschluss Beteiligten vergleichbar seien. Schließlich seien einige dieser Unternehmen große, finanziell solide Unternehmen, die bereits auf den sogenannten „Business-to-Consumer“-Märkten (B2C) tätig seien, nämlich Unternehmen, die auf anderen Märkten auf bestimmte einzelne Kunden abzielten und daher bereits über einen großen Kundenstamm verfügten, für den sich Cross-Selling anbiete.

366    Insoweit macht die Klägerin keine Angaben zu Informationen, die der Kommission vor Erlass des angefochtenen Beschlusses zur Verfügung gestanden hätten und die Annahme zuließen, dass die Finanzkraft von E.ON, Bundling oder Cross-Selling oder noch allgemeiner die sich aus dem Zusammenschluss ergebenden innovativen Lösungen wettbewerbswidrige Auswirkungen haben könnten. Die Klägerin legt auch keine Beweise vor, die die Präsenz und den Markteintritt von Wettbewerbern, die Wettbewerbsdruck auf die am Zusammenschluss Beteiligten ausüben können, oder das Fehlen von Hindernissen für den Zugang oder die Expansion widerlegen würden. Ebenso wenig legt sie einen Beweis zur Stützung ihres Vorbringens vor, dass sich das Portfolio von E.ON nach dem Zusammenschluss aufgrund des Erwerbs bisher nicht verfügbarer Kapazitäten erweitern werde. Im Gegenteil: Die Portfolios von E.ON und Innogy waren vor dem Zusammenschluss geografisch komplementär, so dass E.ON nach diesem Zusammenschluss die gleichen Kapazitäten hat, nur an mehr Orten. Daraus ergibt sich, dass es sich bei den Argumenten der Klägerin um nicht belegte Annahmen handelt, die das erforderliche Beweismaß nicht erfüllen.

367    Nach alledem ist die vierte Rüge, mit der eine fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen datengetriebener Kundenlösungen geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

5)      Fünfte Rüge: von RWE und E.ON beschlossene Aufteilung der Strommärkte

368    Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass die Aufteilung der Stufen der Wertschöpfungskette im Bereich Energie zwischen E.ON und RWE eine verbotene Wettbewerbsbeschränkung darstelle, weil sie gegen Art. 101 AEUV verstoße.

369    Die Kommission, unterstützt durch RWE, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

370    Wie sich aus Art. 21 Abs. 1 der Verordnung Nr. 139/2004 ergibt, gilt diese Verordnung allein für Zusammenschlüsse im Sinne ihres Art. 3, auf die die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) grundsätzlich nicht anwendbar ist. Die letztgenannte Verordnung bleibt jedoch auf Verhaltensweisen von Unternehmen anwendbar, die zwar keinen Zusammenschluss im Sinne der Verordnung Nr. 139/2004 darstellen, aber gleichwohl zu einer gegen Art. 101 AEUV verstoßenden Koordinierung zwischen ihnen führen können und aus diesem Grund der Kontrolle durch die Kommission oder die nationalen Wettbewerbsbehörden unterliegen (Urteil vom 7. September 2017, Austria Asphalt, C‑248/16, EU:C:2017:643, Rn. 32 und 33).

371    Es ist unstreitig, dass der angefochtene Beschluss einen Zusammenschluss zum Gegenstand hat. Nach alledem geht die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV ins Leere.

6)      Sechste Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen der Gesamttransaktion

372    Die Klägerin beanstandet, dass die Kommission die Aus- und Wechselwirkungen des Zusammenschlusses weitgehend ausgeblendet habe. So habe die Kommission die Wechselwirkungen der Zusammenschlüsse B8‑28/19 und M.8871 nicht ausreichend geprüft. Eine solche Analyse wäre jedoch erforderlich gewesen, um sich eine genaue Vorstellung der Wettbewerbsverhältnisse zu verschaffen und die Folgen der Minderheitsbeteiligung von RWE an E.ON sowie die Übertragung von Innogy richtig beurteilen zu können.

373    Die Kommission, unterstützt durch RWE, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

374    Es ist darauf hinzuweisen, dass es, wenn der Kommission vorgeworfen wird, sie habe ein etwaiges Wettbewerbsproblem auf anderen Märkten als denjenigen, auf die sich die Wettbewerbsuntersuchung bezogen habe, nicht berücksichtigt, dem Kläger obliegt, zuverlässige Indizien beizubringen, mit denen auf greifbare Weise das Bestehen eines Wettbewerbsproblems bewiesen wird, das wegen seiner Auswirkungen von der Kommission hätte geprüft werden müssen. Um diesem Erfordernis zu genügen, muss der Kläger die betreffenden Märkte bezeichnen, die Wettbewerbslage ohne Zusammenschluss beschreiben und angeben, welche Auswirkungen ein Zusammenschluss vermutlich im Hinblick auf die Wettbewerbslage auf diesen Märkten hätte (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2021, Polskie Linie Lotnicze „LOT“/Kommission, T‑296/18, EU:T:2021:724, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

375    Die Beanstandungen der Klägerin sind jedoch allgemeiner Natur und beschränken sich auf die Erläuterung der Prüfung, die die Kommission nach Ansicht der Klägerin hätte durchführen müssen, ohne aber darzutun, wie diese Prüfung dazu hätte führen können, dass die Kommission den Einfluss, den RWE auf E.ON ausüben könne, und damit generell den Zusammenschluss M.8871 anders beurteilt. Zudem legt sie weder Indizien dafür vor, dass die Kommission die Auswirkungen der Zusammenschlüsse B8‑28/19 und M.8871 für die Zwecke der Prüfung des Zusammenschlusses M.8870 nicht richtig beurteilt habe, noch Beweise dafür, dass ihre Lösung adäquater wäre.

376    Das Gericht stellt jedenfalls fest, dass die Kommission in Fn. 417 des angefochtenen Beschlusses auf ihre Ergebnisse im Beschluss M.8871 verweist, die umso geeigneter sind, auf den in Rede stehenden Zusammenschluss angewendet zu werden, als RWE eine Minderheitsbeteiligung an E.ON hält, E.ON aber nicht an RWE beteiligt ist und daher nicht von Strategien profitieren wird, die die Stellung von RWE auf dem Markt stärken sollen, wie eine Strategie zur Abschottung von Kunden. Die Kommission hat außerdem darauf hingewiesen, dass diese Argumentation auch für die vertikalen Verbindungen zwischen E.ON und RWE gelte, die sich aus dem Erwerb der Minderheitsbeteiligung ergäben.

377    Das Gericht stellt außerdem fest, dass die Kommission die Auswirkungen der Minderheitsbeteiligung von RWE an E.ON (Rn. 74 bis 95 des Beschlusses M.8871) sowie die Auswirkungen des Zusammenschlusses M.8870 (Rn. 33 und 34 des Beschlusses M.8871) geprüft hat.

378    Ebenso wäre der Erwerb von Innogy, einer Tochtergesellschaft von RWE, durch E.ON nicht einmal als Zusammenschluss einzustufen, wenn – wie von der Klägerin geltend gemacht – E.ON von RWE kontrolliert würde, da es sich dann um eine gruppeninterne Transaktion handeln würde.

379    Nach alledem hat die Kommission bei der Beurteilung der Beziehung zwischen RWE und E.ON keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen. Folglich ist die sechste Rüge der Klägerin, mit der eine fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen der Gesamttransaktion geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

7)      Ergebnis zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes

380    Da das Gericht alle Rügen zurückgewiesen hat, ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes insgesamt zurückzuweisen.

e)      Ergebnis

381    Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin keine offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie davon ausging, dass der Zusammenschluss vorbehaltlich der Einhaltung der endgültigen Verpflichtungszusagen keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004 gebe.

382    Daher ist der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

3.      Dritter Klagegrund: Verletzung der Sorgfaltspflicht

383    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission unter Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht den relevanten Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt und falsche Schlüsse aus den ihr vorliegenden Informationen und Daten gezogen habe. So habe die Kommission nicht mit Umsicht und Sorgfalt die Umstände festgestellt, die sich auf das Ergebnis des Entscheidungsprozesses auswirken könnten. In diesem Sinne habe die Kommission für die wesentlichen Randnummern des angefochtenen Beschlusses ausschließlich die erste Marktbefragung berücksichtigt, bei der es sich nicht um eine geeignete Quelle handele. Schließlich habe die Kommission auch die Angaben der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen übernommen, ohne sie kritisch zu hinterfragen.

384    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

385    Nach ständiger Rechtsprechung kommt, soweit die Unionsorgane über einen Beurteilungsspielraum verfügen, wie bei der Kontrolle von Zusammenschlüssen, eine umso größere Bedeutung der Beachtung der Garantien zu, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt. Zu diesen Garantien gehören insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen, das Recht des Betroffenen, seinen Standpunkt zu Gehör zu bringen, und das Recht auf eine ausreichende Begründung der Entscheidung (Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, EU:C:1991:438, Rn. 14, und vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T‑342/07, EU:T:2010:280, Rn. 31).

386    Auf dem Gebiet der Fusionskontrolle verfügt die Kommission nach gefestigter Rechtsprechung vor allem bei wirtschaftlichen Beurteilungen über einen Beurteilungsspielraum. Der Beachtung der durch die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährten Garantien durch die Kommission, zu denen die Sorgfaltspflicht gehört, die ihr auferlegt, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen, kommt daher auf diesem Gebiet eine umso größere Bedeutung zu (vgl. Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 164 und die dort angeführte Rechtsprechung).

387    Da die Kommission bei ihrem Handeln auf diesem Gebiet die Sorgfaltspflicht zu beachten hat, muss sie mit der gebührenden Sorgfalt die für die Ausübung ihres Beurteilungsspielraums maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände feststellen, indem sie die für die Ausnutzung dieses Spielraums unerlässlichen Fakten zusammenträgt, die erhebliche Auswirkungen auf das Ergebnis des Entscheidungsprozesses haben können. Diese Verpflichtung bedeutet, dass die Kommission erstens gehalten ist, sowohl die ihr von den Anmeldern als auch die ihr von am Verfahren aktiv beteiligten Dritten mitgeteilten Fakten und Informationen zu berücksichtigen, und dass sie zweitens diese Fakten gegebenenfalls durch Marktuntersuchungen oder an die Marktteilnehmer gerichtete Auskunftsverlangen ermitteln muss (Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 165).

388    Allerdings ist auf diesem Gebiet das Erfordernis der Beachtung der durch die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährten Garantien, zu der die Kommission verpflichtet ist, und damit auch das Erfordernis der Beachtung der Sorgfaltspflicht ebenso wie das Erfordernis der Beachtung der Begründungspflicht im Einklang mit dem Beschleunigungsgebot auszulegen, das die allgemeine Systematik der Verordnung Nr. 139/2004 kennzeichnet und der Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens die Einhaltung strenger Fristen auferlegt (vgl. Urteil vom 7. Mai 2009, NVV u. a./Kommission, T‑151/05, EU:T:2009:144, Rn. 166 und die dort angeführte Rechtsprechung).

389    Im Licht der insbesondere im Rahmen des zweiten Klagegrundes getroffenen Feststellungen kann nicht geleugnet werden, dass die Kommission alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Umstände mit der gebührenden Sorgfalt geprüft hat, da sie alle Tatsachen und Informationen berücksichtigt hat, die sowohl von der Anmelderin als auch von den am Verfahren beteiligten Dritten übermittelt wurden. Die Kommission hat im Wege ihrer Marktbefragungen und durch Auskunftsverlangen an die Marktteilnehmer auch eigene Nachforschungen angestellt. Im Übrigen geht aus dem angefochtenen Beschluss klar hervor, dass die Kommission die Ergebnisse dieser Untersuchungen berücksichtigt hat.

390    Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

4.      Vierter Klagegrund: Missbrauch von Befugnissen

391    Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Kommission ihre Befugnisse missbraucht habe. Sie habe im Rahmen der Gesamttransaktion nämlich industriepolitische Erwägungen berücksichtigt. In dieser Hinsicht kehre sie von den wettbewerbsorientierten Grundprinzipien des AEU-Vertrags ab und bevorzuge „nationale Champions“.

392    Die Kommission, unterstützt durch RWE, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

393    Nach ständiger Rechtsprechung betrifft der Begriff „Missbrauch von Befugnissen“ den Fall, dass eine Verwaltungsbehörde ihre Befugnisse zu einem anderen Zweck einsetzt als demjenigen, zu dem sie ihr übertragen worden sind. Eine Entscheidung stellt nur einen Missbrauch von Befugnissen dar, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest maßgeblich zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde (vgl. Urteil vom 19. Juni 2009, Qualcomm/Kommission, T‑48/04, EU:T:2009:212, Rn. 161 und die dort angeführte Rechtsprechung).

394    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss keine Bezugnahme auf allgemeinpolitische Erwägungen enthält. Insoweit beschränkt sich die Klägerin darauf, auszuführen, dass politische Erwägungen der Billigung des Zusammenschlusses M.8870 durch die Kommission zugrunde gelegen hätten. Sie legt jedoch keinen Beweis zur Stützung ihres Vorbringens vor.

395    Der vierte Klagegrund ist daher jedenfalls zurückzuweisen.

5.      Antrag auf Vorlage von Unterlagen

396    Im Rahmen ihrer Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen von RWE und E.ON schlägt die Klägerin dem Gericht vor, der Kommission die Übermittlung einer Kopie des Investor-Relationship-Agreements aufzutragen.

397    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es Sache des Gerichts ist, die Zweckmäßigkeit prozessleitender Maßnahmen und von Beweisaufnahmen zu prüfen (vgl. Urteil vom 19. Juni 2018, Le Pen/Parlament, T‑86/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:357, Rn. 206).

398    Nach Art. 88 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts hat, wenn ein Antrag auf Erlass einer prozessleitenden Maßnahme erst nach dem ersten Schriftsatzwechsel gestellt wird, die antragstellende Partei die Gründe darzulegen, aus denen ihr eine frühere Antragstellung unmöglich war. Im vorliegenden Fall wurde der Antrag der Klägerin erst im Rahmen der Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen gestellt, und die Klägerin führt keine Gründe an, aus denen ihr eine Antragstellung im Stadium der Klageschrift unmöglich war (Urteil vom 19. Juni 2018, Le Pen/Parlament, T‑86/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:357, Rn. 207 bis 209). Folglich ist der Antrag der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen.

IV.    Kosten

399    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend den Anträgen der Kommission, von E.ON und RWE ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission, von E.ON und RWE aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Mainova AG trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission, der E.ON SE und der RWE AG.

Van der Woude

Svenningsen

Mac Eochaidh

Martín y Pérez de Nanclares

 

Stancu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. Dezember 2023.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

M. van der Woude


Inhaltsverzeichnis


I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

A. In Rede stehende Unternehmen

B. Kontext des Zusammenschlusses

C. Verwaltungsverfahren

D. Angefochtener Beschluss

1. Definition der relevanten Märkte

a) Strommarkt

b) Gasmarkt

c) Markt für Messdienstleistungen

d) Markt für Elektromobilität

2. Prüfung der nicht koordinierten horizontalen Wirkungen

3. Prüfung der nicht koordinierten vertikalen Wirkungen

4. Andere Schadenstheorien

5. Ergebnis hinsichtlich der Auswirkungen des Zusammenschlusses

6. Verpflichtungszusagen

7. Ergebnis

II. Anträge der Parteien

III. Rechtliche Würdigung

A. Zur Zulässigkeit

B. Zur Begründetheit

1. Erster Klagegrund: fehlerhafte Aufspaltung der Untersuchung der Gesamttransaktion

2. Zweiter Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler

a) Vorbemerkungen

b) Gesichtspunkte, die die Kommission bei ihrer Prüfung berücksichtigt hat

1) Angaben, die von den am Zusammenschluss Beteiligten übermittelt wurden, und Gesamtheit der relevanten Daten

2) Erste Marktbefragung der Kommission

c) Erster Teil des zweiten Klagegrundes: fehlerhafte Definition der relevanten Märkte

1) Erste Rüge: fehlerhafte Definition der Märkte für Strom- und Gaseinzelhandel

i) Definition des relevanten Produktmarktes

ii) Definition des geografischen Marktes

2) Zweite Rüge: fehlerhafte Definition der Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität

i) Märkte für Messdienstleistungen

ii) Märkte der Errichtung und des Betriebs öffentlicher Ladestationen für Elektrofahrzeuge

3) Ergebnis zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes

d) Zweiter Teil des zweiten Klagegrundes: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses

1) Erste Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Märkte für Strom und Gaseinzelhandel

2) Zweite Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Strom und Gasverteilungsmärkte

3) Dritte Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen auf die Märkte für Messdienstleistungen und Elektromobilität

i) Märkte für Messdienstleistungen

ii) Markt für Elektromobilität

4) Vierte Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen datengetriebener Kundenlösungen

5) Fünfte Rüge: von RWE und E.ON beschlossene Aufteilung der Strommärkte

6) Sechste Rüge: fehlerhafte Beurteilung der Auswirkungen der Gesamttransaktion

7) Ergebnis zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes

e) Ergebnis

3. Dritter Klagegrund: Verletzung der Sorgfaltspflicht

4. Vierter Klagegrund: Missbrauch von Befugnissen

5. Antrag auf Vorlage von Unterlagen

IV. Kosten


*      Verfahrenssprache: Deutsch.


1 Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.