Language of document : ECLI:EU:T:2022:421

URTEIL DES GERICHTS (Sechste erweiterte Kammer)

6. Juli 2022(*)

„Institutionelles Recht – Mitglied des Parlaments – Weigerung des Präsidenten des Parlaments, gewählten Kandidaten die Eigenschaft als Europaabgeordnete und die damit verbundenen Rechte zuzuerkennen – Nichtigkeitsklage – Nicht anfechtbare Handlung – Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑388/19,

Carles Puigdemont i Casamajó, wohnhaft in Waterloo (Belgien),

Antoni Comín i Oliveres, wohnhaft in Waterloo,

vertreten durch Rechtsanwälte P. Bekaert, G. Boye und S. Bekaert sowie B. Emmerson, QC,

Kläger,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch N. Görlitz, T. Lukácsi und C. Burgos als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli sowie der Richter S. Frimodt Nielsen, J. Schwarcz, C. Iliopoulos (Berichterstatter) und R. Norkus,

Kanzler: I. Pollalis, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragen die Kläger, Carles Puigdemont i Casamajó und Antoni Comín i Oliveres, zum einen die Nichtigerklärung der Weisung des Präsidenten des Europäischen Parlaments vom 29. Mai 2019, mit der ihnen der Anspruch auf die den neuen Europaabgeordneten angebotenen Empfangs- und Unterstützungsleistungen und die Gewährung einer einstweiligen Akkreditierung verweigert wurde, und zum anderen der im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthaltenen Weigerung des Präsidenten des Parlaments, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen.

 Rechtlicher Rahmen

 Protokoll (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union

2        Art. 9 des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (ABl. 2010, C 83, S. 266, im Folgenden: Protokoll Nr. 7) lautet wie folgt:

„Während der Dauer der Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments

a)      steht seinen Mitgliedern im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zu,

b)      können seine Mitglieder im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden.

Die Unverletzlichkeit besteht auch während der Reise zum und vom Tagungsort des … Parlaments.

…“

 Wahlakt

3        Art. 5 des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Parlaments (ABl. 1976, L 278, S. 5) im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976 (ABl. 1976, L 278, S. 1) in der durch den Beschluss 2002/772/EG, Euratom des Rates vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 geänderten Fassung (ABl. 2002, L 283, S. 1, im Folgenden: Wahlakt) sieht vor:

„(1)      Der Fünfjahreszeitraum, für den die Mitglieder des … Parlaments gewählt werden, beginnt mit der Eröffnung der ersten Sitzung nach jeder Wahl.

(2)      Das Mandat eines Mitglieds des … Parlaments beginnt und endet zur gleichen Zeit wie der in Absatz 1 genannte Zeitraum.“

4        Art. 7 des Wahlakts bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedschaft im … Parlament ist unvereinbar mit der Eigenschaft als

–        Mitglied der Regierung eines Mitgliedstaats;

–        Mitglied der [Europäischen] Kommission …;

–        Richter, Generalanwalt oder Kanzler des Gerichtshofs [der Europäischen Union] …;

–        Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank;

–        Mitglied des [Europäischen] Rechnungshofs;

–        [Europäischer] Bürgerbeauftragter …;

–        Mitglied des [Europäischen] Wirtschafts- und Sozialausschusses …;

–        Mitglied des Ausschusses der Regionen;

–        Mitglied von Ausschüssen und Gremien, die auf Grund der Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft Mittel der Gemeinschaften verwalten oder eine dauernde unmittelbare Verwaltungsaufgabe wahrnehmen;

–        Mitglied des Verwaltungsrats oder des Direktoriums oder Bediensteter der Europäischen Investitionsbank;

–        im aktiven Dienst stehender Beamter oder Bediensteter der Organe der Europäischen [Union] oder der ihnen angegliederten Einrichtungen, Ämter, Agenturen und Gremien oder der Europäischen Zentralbank.

(2)      Ab der Wahl zum … Parlament im Jahr 2004 ist die Mitgliedschaft im … Parlament unvereinbar mit der Eigenschaft als Abgeordneter eines nationalen Parlaments.

(3)      Ferner kann jeder Mitgliedstaat nach Artikel 8 innerstaatlich geltende Unvereinbarkeiten ausweiten.

…“

5        Art. 8 des Wahlakts bestimmt:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Akts bestimmt sich das Wahlverfahren in jedem Mitgliedstaat nach den innerstaatlichen Vorschriften.

Diese innerstaatlichen Vorschriften, die gegebenenfalls den Besonderheiten in den Mitgliedstaaten Rechnung tragen können, dürfen das Verhältniswahlsystem insgesamt nicht in Frage stellen.“

6        Art. 12 des genannten Akts sieht Folgendes vor:

„Das … Parlament prüft die Mandate seiner Mitglieder. Zu diesem Zweck nimmt [es] die von den Mitgliedstaaten amtlich bekannt gegebenen Wahlergebnisse zur Kenntnis und befindet über die Anfechtungen, die gegebenenfalls auf Grund der Vorschriften dieses Akts – mit Ausnahme der innerstaatlichen Vorschriften, auf die darin verwiesen wird – vorgebracht werden könnten.“

7        Art. 13 des Wahlakts lautet:

„(1)      Ein Sitz wird frei, wenn das Mandat eines Mitglieds des … Parlaments im Falle seines Rücktritts oder seines Todes oder des Entzugs erlischt.

(2)      Vorbehaltlich der sonstigen Vorschriften dieses Akts legt jeder Mitgliedstaat für den Fall des Freiwerdens eines Sitzes die geeigneten Verfahren fest, um diesen Sitz für den Rest des in Artikel 5 genannten Fünfjahreszeitraums zu besetzen.

(3)      Ist in den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats ausdrücklich der Entzug des Mandats eines Mitglieds des … Parlaments vorgesehen, so erlischt sein Mandat entsprechend diesen Rechtsvorschriften. Die zuständigen einzelstaatlichen Behörden setzen das … Parlament davon in Kenntnis.

…“

 Geschäftsordnung des Parlaments (2019-2024)

8        Art. 3 („Prüfung der Mandate“) der Geschäftsordnung des Parlaments für die 9. Wahlperiode (2019-2024) (im Folgenden: Geschäftsordnung) lautet:

„1.      Im Anschluss an die allgemeinen Wahlen zum … Parlament fordert der Präsident [des Parlaments] die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten auf, dem Parlament unverzüglich die Namen der gewählten Mitglieder mitzuteilen, damit sämtliche Mitglieder ihre Sitze im Parlament ab der Eröffnung der ersten Sitzung im Anschluss an die Wahlen einnehmen können.

Gleichzeitig macht der Präsident [des Parlaments] die genannten Behörden auf die einschlägigen Bestimmungen des [Wahla]kts … aufmerksam und ersucht sie, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um jedweder Unvereinbarkeit mit der Ausübung eines Mandats als Mitglied des … Parlaments vorzubeugen.

2.      Die Mitglieder, deren Wahl dem Parlament bekannt gegeben worden ist, geben vor der Einnahme des Sitzes im Parlament eine schriftliche Erklärung dahingehend ab, dass sie kein Amt innehaben, das im Sinne des Artikels 7 Absätze 1 und 2 des [Wahla]kts … mit der Ausübung eines Mandats als Mitglied des … Parlaments unvereinbar ist. Nach allgemeinen Wahlen ist diese Erklärung, soweit möglich, spätestens sechs Tage vor der ersten auf die Wahlen folgenden Sitzung des Parlaments abzugeben. Solange das Mandat eines Mitglieds nicht geprüft oder über eine Anfechtung noch nicht befunden worden ist, nimmt das Mitglied unter der Voraussetzung, dass es zuvor die vorgenannte schriftliche Erklärung unterzeichnet hat, an den Sitzungen des Parlaments und seiner Organe mit vollen Rechten teil.

Steht aufgrund von Tatsachen, die anhand öffentlich zugänglicher Quellen nachprüfbar sind, fest, dass ein Mitglied ein Amt innehat, das im Sinne des Artikels 7 Absätze 1 oder 2 des [Wahla]kts … mit der Ausübung eines Mandats als Mitglied des … Parlaments unvereinbar ist, stellt das Parlament nach Unterrichtung durch seinen Präsidenten das Freiwerden des Sitzes fest.

3.      Auf der Grundlage eines Berichts seines zuständigen Ausschusses prüft das Parlament unverzüglich die Mandate und entscheidet über die Gültigkeit der Mandate jedes seiner neu gewählten Mitglieder sowie über etwaige Anfechtungen, die aufgrund der Bestimmungen des [Wahla]kts … geltend gemacht werden, mit Ausnahme derjenigen, die aufgrund dieses Akts ausschließlich unter die innerstaatlichen Vorschriften fallen, auf die sich der Akt bezieht.

Der Bericht des Ausschusses stützt sich auf die offizielle Mitteilung sämtlicher Mitgliedstaaten über die Gesamtheit der Wahlergebnisse unter genauer Angabe der gewählten Kandidaten und ihrer etwaigen Stellvertreter sowie ihrer Rangfolge aufgrund des Wahlergebnisses.

Das Mandat eines Mitglieds kann nicht für gültig erklärt werden, wenn das Mitglied die schriftlichen Erklärungen nicht abgegeben hat, zu denen es aufgrund dieses Artikels und der Anlage I dieser Geschäftsordnung verpflichtet ist.

…“

9        In Art. 8 („Dringliche Maßnahmen des Präsidenten [des Parlaments] zur Bestätigung der Immunität“) der Geschäftsordnung heißt es:

„1.      In dringenden Fällen kann der Präsident [des Parlaments], falls ein Mitglied unter mutmaßlichem Verstoß gegen seine Vorrechte und seine Immunität festgenommen oder in seiner Bewegungsfreiheit beschränkt wurde, nach Rücksprache mit dem Vorsitz und dem Berichterstatter des zuständigen Ausschusses von sich aus tätig werden, um die Vorrechte und die Immunität des betreffenden Mitglieds zu bestätigen. Der Präsident [des Parlaments] teilt dem Ausschuss seine Maßnahme mit und unterrichtet das Parlament.

…“

10      Art. 9 („Immunitätsverfahren“) der Geschäftsordnung sieht Folgendes vor:

„1.      Jeder an den Präsidenten [des Parlaments] gerichtete Antrag einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates, die Immunität eines Mitglieds aufzuheben, oder eines Mitglieds oder ehemaligen Mitglieds, Vorrechte und Immunität zu schützen, wird dem Parlament mitgeteilt und an den zuständigen Ausschuss überwiesen.

2.      Mit Zustimmung des betroffenen Mitglieds oder ehemaligen Mitglieds kann der Antrag von einem anderen Mitglied gestellt werden, das das betroffene Mitglied oder ehemalige Mitglied in sämtlichen Stadien des Verfahrens vertritt.

…“

11      Schließlich bestimmt Art. 4 Abs. 1 der Anlage I („Verhaltenskodex für die Mitglieder des Europäischen Parlaments im Bereich finanzielle Interessen und Interessenkonflikte“) der Geschäftsordnung:

„Aus Gründen der Transparenz geben die Mitglieder des … Parlaments in eigener Verantwortung bis zum Ende der ersten Tagung nach der Wahl zum … Parlament (oder innerhalb von dreißig Tagen nach dem Antritt eines Mandats im Parlament während der laufenden Wahlperiode) beim Präsidenten eine Erklärung über die finanziellen Interessen in einem vom Präsidium gemäß Artikel 9 festgelegten Formular ab. Sie unterrichten den Präsidenten von etwaigen Änderungen, die sich auf ihre Erklärung auswirken, jeweils vor Ende des Monats, der auf das Eintreten der Änderung folgt.“

 Spanisches Wahlgesetz

12      In Art. 224 der Ley orgánica 5/1985 de Régimen Electoral General (Gesetz 5/1985 über die allgemeine Regelung für Wahlen) vom 19. Juni 1985 (BOE Nr. 147 vom 20. Juni 1985, S. 19110, im Folgenden: spanisches Wahlgesetz) heißt es:

„(1)      Die Junta Electoral Central [(Zentrale Wahlkommission, Spanien)] nimmt bis spätestens zum zwanzigsten Tag nach den Wahlen die Auszählung aller Stimmen auf nationaler Ebene vor, verteilt die Sitze auf die Bewerber und gibt die Gewählten bekannt.

(2)      Innerhalb von fünf Tagen nach ihrer Bekanntgabe müssen die gewählten Kandidaten vor der [Zentralen Wahlkommission] einen Eid oder ein Gelöbnis auf die [spanische] Verfassung leisten. Nach Ablauf dieser Frist erklärt die [Zentrale Wahlkommission] die Sitze der Abgeordneten des … Parlaments, die sich der [spanischen] Verfassung nicht unterworfen haben, für vakant und setzt alle ihnen aufgrund ihres Amtes etwa zustehenden Vorrechte aus, bis eine entsprechende Erklärung abgegeben wurde.

…“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und Sachverhalt nach Klageerhebung

13      Zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Ley 19/2017 del Parlamento de Cataluña, reguladora del referéndum de autodeterminación (Gesetz 19/2017 des Parlaments von Katalonien über das Referendum über die Selbstbestimmung) vom 6. September 2017 (DOGC Nr. 7449A vom 6. September 2017, S. 1) und der Ley 20/2017 del Parlamento de Cataluña, de transitoriedad jurídica y fundacional de la República (Gesetz 20/2017 des Parlaments von Katalonien über den Rechtsübergang und die Gründung der Republik) vom 8. September 2017 (DOGC Nr. 7451A vom 8. September 2017, S. 1) sowie zum Zeitpunkt der am 1. Oktober 2017 erfolgten Durchführung des Referendums über die Selbstbestimmung gemäß dem erstgenannten Gesetz, dessen Bestimmungen in der Zwischenzeit durch eine Entscheidung des Tribunal Constitucional (Verfassungsgericht, Spanien) außer Vollzug gesetzt worden waren, war Herr Puigdemont i Casamajó Präsident der Generalitat de Cataluña (Regionalregierung von Katalonien, Spanien) und war Herr Comín i Oliveres Mitglied des Gobierno autonómico de Cataluña (Autonome Regierung von Katalonien, Spanien).

14      Nach dem Erlass dieser Gesetze und der Durchführung dieses Referendums leiteten das Ministerio Fiscal (Staatsanwaltschaft, Spanien), der Abogado del Estado (Vertreter des öffentlichen Interesses, Spanien) und die politische Partei VOX ein Strafverfahren gegen mehrere Personen, u. a. gegen die Kläger, ein und vertraten dabei die Auffassung, dass die fraglichen Personen Taten begangen hätten, die u. a. die Straftatbestände des „Aufruhrs“ und der „Veruntreuung von öffentlichen Geldern“ erfüllten.

15      Mit Beschluss vom 9. Juli 2018 stellte das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) nach der Flucht der Kläger aus Spanien deren Nichterscheinen fest und setzte das gegen sie eingeleitete Strafverfahren bis zu ihrer Wiederauffindung aus.

16      Indessen kandidierten die Kläger bei den Wahlen zum Parlament, die am 26. Mai 2019 in Spanien stattfanden (im Folgenden: Wahlen vom 26. Mai 2019) auf der Liste des von ihnen geführten Bündnisses Lliures per Europa (Junts).

17      Bei den Wahlen vom 26. Mai 2019 erhielt die genannte Liste 1 018 435 Stimmen und erlangte zwei Sitze im Parlament.

18      Am 29. Mai 2019 erteilte der zu diesem Zeitpunkt amtierende Parlamentspräsident (im Folgenden: ehemaliger Präsident des Parlaments) dem Generalsekretär des Organs eine interne Anweisung (im Folgenden: Anweisung vom 29. Mai 2019), allen in Spanien gewählten Kandidaten den Zugang zum „welcome village“ sowie die Unterstützung, die das Organ neu ins Parlament gewählten Kandidaten gewährt (im Folgenden: besonderer Empfangsdienst), zu verweigern und ihre Akkreditierung auszusetzen, bis das Parlament gemäß Art. 12 des Wahlakts die amtliche Bestätigung ihrer Wahl erhalten habe. Aufgrund dieser Anweisung konnten die Kläger nicht in den Genuss des besonderen Empfangsdienstes kommen, so dass ihnen der Zugang zum „welcome village“ sowie die Gewährung einer einstweiligen Akkreditierung und einer vorläufigen Zugangskarte verweigert wurden.

19      Am 13. Juni 2019 erließ die Junta Electoral Central (Zentrale Wahlkommission, Spanien) eine Entscheidung über die „Bekanntgabe der bei den Wahlen zum Europäischen Parlament vom 26. Mai 2019 gewählten Abgeordneten“ (BOE Nr. 142 vom 14. Juni 2019, S. 62477, im Folgenden: Bekanntgabe vom 13. Juni 2019). In der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 hieß es, dass die Zentrale Wahlkommission gemäß Art. 224 Abs. 1 des spanischen Wahlgesetzes und auf der Grundlage der von den einzelnen regionalen Wahlausschüssen übermittelten konsolidierten Wahlergebnisse die bei den Wahlen vom 26. Mai 2019 abgegebenen Stimmen erneut ausgezählt, den einzelnen Kandidaten die entsprechenden Sitze zugeteilt und die gewählten Kandidaten, zu denen die Kläger gehörten, namentlich bekannt gegeben habe. In der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 wurde auch darauf hingewiesen, dass die Sitzung, in der die gewählten Kandidaten den nach Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes erforderlichen Eid auf die spanische Verfassung leisten würden, am 17. Juni 2019 stattfinden werde.

20      Mit Schreiben vom 14. Juni 2019 ersuchten die Kläger den ehemaligen Präsidenten des Parlaments im Wesentlichen darum, die Ergebnisse der Wahlen vom 26. Mai 2019, die sich aus der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 ergäben, zur Kenntnis zu nehmen, seine Anweisung vom 29. Mai 2019 zurückzunehmen, um Zugang zu den Räumlichkeiten des Parlaments erhalten und den besonderen Empfangsdienst in Anspruch nehmen zu können, und die Dienststellen des Parlaments anzuweisen, es ihnen zu gestatten, ihre Sitze einzunehmen und die mit ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Parlaments verbundenen Rechte ab dem 2. Juli 2019, dem Datum der ersten Plenarsitzung nach den Wahlen vom 26. Mai 2019, auszuüben.

21      Am 15. Juni 2019 wies der Ermittlungsrichter des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) einen Antrag der Kläger auf Aufhebung der nationalen Haftbefehle zurück, die von den spanischen Strafgerichten gegen sie erlassen worden waren, damit sie sich im Rahmen des oben in Rn. 14 genannten Strafverfahrens vor Gericht verantworten.

22      Am 17. Juni 2019 übermittelte die Zentrale Wahlkommission dem Parlament die Liste der in Spanien gewählten Kandidaten (im Folgenden: Mitteilung vom 17. Juni 2019), in der die Namen der Kläger nicht aufgeführt waren.

23      Am 20. Juni 2019 verweigerte die Zentrale Wahlkommission den Klägern im Wesentlichen die Möglichkeit, den nach Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes vorgeschriebenen Eid auf die spanische Verfassung im Wege einer schriftlichen Erklärung vor einem Notar in Belgien oder durch Vertreter zu leisten, die mittels einer in Belgien errichteten notariellen Urkunde benannt wurden, und führte zur Begründung aus, dass dieser Eid eine Handlung sei, die persönlich vor der Zentralen Wahlkommission vorzunehmen sei.

24      Am nämlichen Tag übermittelte die Zentrale Wahlkommission dem Parlament eine Entscheidung, in der sie feststellte, dass die Kläger nicht den Eid auf die spanische Verfassung geleistet hätten; sie erklärte gemäß Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes die den Klägern zugewiesenen Sitze im Parlament für vakant und setzte alle ihnen aufgrund ihres Amtes etwa zustehenden Vorrechte bis zur Eidesleistung aus.

25      Mit Schreiben vom 20. Juni 2019 ersuchten die Kläger den ehemaligen Präsidenten des Parlaments, auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung dringend alle zur Bestätigung ihrer Vorrechte und ihrer Immunität erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und insbesondere diese Vorrechte und diese Immunität zu schützen, festzustellen, dass die gegen sie erlassenen nationalen Haftbefehle die ihnen nach Art. 9 des Protokolls (Nr. 7) zustehenden Vorrechte und Befreiungen verletzten, festzustellen, dass Art. 9 Abs. 2 dieses Protokolls die Europaabgeordneten vor jeder gerichtlichen Einschränkung ihrer Freizügigkeit schütze, die sie daran hindern könne, die für die Übernahme ihres Amtes erforderlichen Formalitäten zu erledigen, und schließlich seine Entscheidung unverzüglich den zuständigen spanischen Behörden zu übermitteln.

26      Mit Schreiben vom 24. Juni 2019 wiederholten die Kläger im Wesentlichen alle Anträge, die sie zuvor in ihren unbeantwortet gebliebenen Schreiben vom 14. und 20. Juni 2019 (vgl. oben, Rn. 20 und 25) gestellt hatten.

27      Mit Schreiben vom 27. Juni 2019 antwortete der ehemalige Präsident des Parlaments auf die Schreiben der Kläger vom 14., 20. und 24. Juni 2019 und teilte ihnen im Wesentlichen mit, dass er sie nicht als künftige Mitglieder des Parlaments behandeln könne, da ihre Namen nicht in der von den spanischen Behörden offiziell übermittelten Liste der gewählten Kandidaten aufgeführt seien (im Folgenden: Schreiben vom 27. Juni 2019).

28      Auf diese Antwort hin erhoben die Kläger am 28. Juni 2019 die vorliegende Nichtigkeitsklage (im Register unter der Rechtssachennummer T‑388/19 eingetragen), die zum einen gegen die Anweisung vom 29. Mai 2019 und zum anderen gegen mehrere im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthaltene Handlungen gerichtet ist, nämlich im Wesentlichen erstens gegen die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, die Ergebnisse der Wahl vom 26. Mai 2019 zur Kenntnis zu nehmen, zweitens gegen die vom ehemaligen Präsidenten des Parlaments abgegebene Feststellung des Freiwerdens des den Klägern jeweils zugewiesenen Sitzes, drittens gegen die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, ihnen das Recht zuzuerkennen, ihr Amt anzutreten, das Mandat als Europaabgeordneter auszuüben und ab der Eröffnung der ersten Sitzung im Anschluss an die Wahlen ihre Sitze im Parlament einzunehmen, sowie viertens gegen die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung eine dringliche Maßnahme zu ergreifen, um ihre Vorrechte und ihre Immunität zu bestätigen.

29      Am selben Tag stellten die Kläger außerdem einen unter der Rechtssachennummer T‑388/19 R in das Register eingetragenen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz.

30      Am 2. Juli 2019 wurde die erste Sitzung des nach den Wahlen vom 26. Mai 2019 neu gewählten Parlaments eröffnet.

31      Mit E‑Mail vom 10. Oktober 2019 unterbreitete die Europaabgeordnete Riba i Giner in Vertretung der Kläger dem am 3. Juli 2019 neu gewählten Präsidenten des Parlaments (im Folgenden: neuer Präsident des Parlaments) sowie dem Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Parlaments einen Antrag von 38 Europaabgeordneten verschiedener Nationalitäten und politischer Parteien, darunter auch ihrer selbst, der u. a. darauf gerichtet war, dass das Parlament auf der Grundlage von Art. 9 der Geschäftsordnung die parlamentarische Immunität der Kläger gemäß Art. 9 Abs. 1 und 2 des Protokolls (Nr. 7) schütze.

32      Am 14. Oktober 2019 erließ der Ermittlungsrichter der Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) einen nationalen Haftbefehl, einen Europäischen Haftbefehl und einen internationalen Haftbefehl gegen Herrn Puigdemont i Casamajó, damit er sich im Rahmen des oben in Rn. 14 genannten Strafverfahrens vor Gericht verantworte. Am 4. November 2019 erließ der Ermittlungsrichter der Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) ebensolche Haftbefehle gegen Herrn Comín i Oliveres. Daraufhin wurden die Kläger am 17. Oktober bzw. am 7. November 2019 in Belgien inhaftiert und noch am selben Tag unter Auflagen freigelassen.

33      Mit zwei gleichlautenden Schreiben vom 10. Dezember 2019, von denen das eine an Frau Riba i Giner und das andere an alle 38 Abgeordneten gerichtet war, beantwortete der neue Präsident des Parlaments den oben in Rn. 31 angeführten Antrag. Im Wesentlichen machte der neue Präsident des Parlaments insbesondere geltend, dass er die Kläger, da über ihre Wahl seitens der spanischen Behörden keine offizielle Mitteilung im Sinne des Wahlakts erfolgt sei, nicht als Mitglieder des Parlaments ansehen könne.

34      Am 20. Februar 2020 legten die Kläger eine Nichtigkeitsklage gegen das Schreiben des neuen Präsidenten des Parlaments an Frau Riba i Giner vom 10. Dezember 2019 (vgl. oben, Rn. 33) ein; diese Klage wurde unter der Rechtssachennummer T‑115/20 in das Register eingetragen.

35      Mit Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), entschied der Gerichtshof u. a., dass bei einer Person, deren Wahl ins Parlament amtlich bekannt gegeben worden ist, der aber nicht gestattet wurde, bestimmten Anforderungen nachzukommen, die nach innerstaatlichem Recht nach einer solchen Bekanntgabe vorgesehen sind, und sich zum Parlament zu begeben, um an dessen erster Sitzung teilzunehmen, davon auszugehen ist, dass sie nach Art. 9 Abs. 2 des Protokolls (Nr. 7) Immunität genießt.

36      In der Plenarsitzung vom 13. Januar 2020 nahm das Parlament im Anschluss an das Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), zur Kenntnis, dass die Kläger mit Wirkung vom 2. Juli 2019 ins Parlament gewählt worden sind (im Folgenden: Kenntnisnahme vom 13. Januar 2020).

 Verfahren und Anträge der Parteien

37      Mit Klageschrift, die am 28. Juni 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

38      Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger nach den Art. 278 und 279 AEUV einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, der unter der Rechtssachennummer T‑388/19 R in das Register eingetragen worden ist.

39      Mit Beschluss vom 1. Juli 2019, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament (T‑388/19 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:467), hat der Präsident des Gerichts den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten. Die Kläger haben gegen diesen Beschluss ein Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt, das unter der Rechtssachennummer C‑646/19 P(R) in das Register eingetragen worden ist.

40      Mit Beschluss vom 20. Dezember 2019, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament (C‑646/19 P[R], nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1149), hat die Vizepräsidentin des Gerichtshofs den Beschluss vom 1. Juli 2019, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament (T‑388/19 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:467), aufgehoben, die Rechtssache an das Gericht zurückverwiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

41      Mit Schriftsatz, der am 10. September 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Königreich Spanien beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelfer zugelassen zu werden.

42      Mit gesondertem Schriftsatz gemäß Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts, der am 19. September 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Parlament zum einen einen Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache für einen Teil der Klage gestellt und zum anderen eine Einrede der Unzulässigkeit für die Klage im Übrigen erhoben; die Kläger haben hierzu am 4. November 2019 Stellung genommen.

43      Mit Schriftsatz, der am 20. Januar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Parlament beantragt, die Klage insgesamt für erledigt zu erklären. Die Kläger haben zu diesem Antrag am 7. Februar 2020 Stellung genommen.

44      Mit Beschluss vom 19. März 2020, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament (T‑388/19 R-RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:114), hat der Präsident des Gerichts nach Zurückverweisung an das Gericht im Anschluss an den oben in Rn. 40 angeführten Beschluss vom 20. Dezember 2019, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament (C‑646/19 P[R], nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1149), den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund der Kenntnisnahme vom 13. Januar 2020 für erledigt erklärt und die Kostenentscheidung vorbehalten.

45      Mit Beschluss vom 29. Juli 2020 hat das Gericht (Sechste Kammer) die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit und die Anträge auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache vom 19. September 2019 und 20. Januar 2020 dem Endurteil vorbehalten.

46      Mit Entscheidung vom 11. September 2020 hat der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts das Königreich Spanien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments zugelassen.

47      Das Parlament hat seine Klagebeantwortung am 11. September 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

48      Das Königreich Spanien hat seinen Streithilfeschriftsatz am 8. Januar 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

49      Die Kläger haben ihre Erwiderung am 11. Januar 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

50      Das Parlament hat seine Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des Königreichs Spanien am 4. März 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

51      Die Kläger haben am 11. März 2021 ihre Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des Königreichs Spanien bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

52      Das Parlament hat seine Gegenerwiderung am 11. März 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

53      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Sechste Kammer) das mündliche Verfahren eröffnet und den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen gestellt, die sie fristgerecht beantwortet haben.

54      Das Gericht hat die Rechtssache auf Vorschlag der Sechsten Kammer gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen.

55      In der Sitzung vom 21. Januar 2022 haben die Parteien mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. Bei dieser Gelegenheit hat das Parlament seine Anträge auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache vom 19. September 2019 und 20. Januar 2020 zurückgenommen.

56      Die Kläger beantragen im Wesentlichen,

–        die Einrede der Unzulässigkeit vom 19. September 2019 zurückzuweisen;

–        die Anweisung vom 29. Mai 2019 für nichtig zu erklären;

–        die im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthaltene Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, die vom Königreich Spanien amtlich bekannt gegebenen Ergebnisse der Wahlen vom 26. Mai 2019 zur Kenntnis zu nehmen, für nichtig zu erklären;

–        die vom ehemaligen Präsidenten des Parlaments im Schreiben vom 27. Juni 2019 vorgenommene Feststellung des Freiwerdens ihrer Sitze für nichtig zu erklären;

–        die im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthaltene Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, ihnen das Recht zuzuerkennen, ihr Amt anzutreten, ihr Mandat auszuüben und ab der Eröffnung der ersten Sitzung im Anschluss an die Wahlen vom 26. Mai 2019 ihre Sitze im Parlament einzunehmen, für nichtig zu erklären;

–        die im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthaltene Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, gemäß Art. 8 der Geschäftsordnung eine dringliche Maßnahme zur Bestätigung ihrer Vorrechte und ihrer Immunität zu ergreifen, für nichtig zu erklären;

–        dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

57      Das Parlament, im Wesentlichen unterstützt durch das Königreich Spanien, beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, die Klage als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet abzuweisen;

–        höchst hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

58      Zur Stützung der Klage machen die Kläger fünf Klagegründe geltend. Der erste Klagegrund betrifft die Anweisung vom 29. Mai 2019 und bezieht sich auf einen Verstoß gegen Art. 20, Art. 21 und Art. 39 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie gegen Art. 3 Abs. 2 der Geschäftsordnung. Der zweite Klagegrund betrifft die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, die vom Königreich Spanien amtlich bekannt gegebenen Ergebnisse der Wahl vom 26. Mai 2019 zur Kenntnis zu nehmen, und rügt im Wesentlichen einen Verstoß gegen Art. 39 Abs. 2 der Charta, gegen Art. 5 Abs. 1 und Art. 12 des Wahlakts, gegen Art. 2, Art. 10 Abs. 2 und 4 sowie Art. 14 Abs. 3 EUV und gegen Art. 3 Abs. 1 der Geschäftsordnung. Der dritte Klagegrund betrifft die behauptete Feststellung des Freiwerdens der Sitze der Kläger durch den ehemaligen Präsidenten des Parlaments und wird im Wesentlichen auf einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2, Art. 8 und Art. 13 des Wahlakts in Verbindung mit Art. 39 Abs. 2 der Charta sowie mit Art. 10 Abs. 2 und 3 EUV gestützt. Der vierte Klagegrund betrifft die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, den Klägern das Recht zuzuerkennen, ihr Amt anzutreten, ihr Mandat auszuüben und ab der Eröffnung der ersten Sitzung im Anschluss an die Wahlen vom 26. Mai 2019 ihre Sitze im Parlament einzunehmen, und bezieht sich auf eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 und Art. 12 des Wahlakts in Verbindung mit Art. 39 Abs. 2 der Charta und mit Art. 10 Abs. 1 und 2 sowie Art. 14 Abs. 2 und 3 EUV und von Art. 3 Abs. 2 der Geschäftsordnung. Der fünfte Klagegrund schließlich betrifft die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung die Vorrechte und die Immunität der Kläger zu bestätigen, und wird auf einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung, Art. 39 Abs. 2 der Charta, die Begründungspflicht und den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung gestützt.

59      Das Parlament, unterstützt durch das Königreich Spanien, macht in erster Linie geltend, die Klage sei unzulässig, weil zum einen die Klageschrift in Bezug auf bestimmte Handlungen, deren Nichtigerklärung beantragt werde, unklar sei und zum anderen keine anfechtbaren Handlungen vorlägen.

60      Die Kläger beantragen, die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen. Zum einen machen sie geltend, dass die Handlungen, deren Nichtigerklärung sie beantragen, in der Klageschrift klar bezeichnet seien. Zum anderen richte sich die Klage gegen Handlungen, die Gegenstand einer Klage nach Art. 263 AEUV sein könnten.

61      Daher ist die Zulässigkeit der von den Klägern erhobenen Klage zu prüfen.

 Vorbemerkung zum Gegenstand des Verfahrens

62      Erstens ist festzustellen, dass die Kläger in Beantwortung von Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zum einen bestätigt haben, dass sich ihre Klage nach wie vor gegen die Anweisung vom 29. Mai 2019 richte (vgl. oben, Rn. 56 zweiter Gedankenstrich).

63      Zum anderen haben die Kläger erklärt, dass sie die oben in Rn. 56 genannten Anträge zwar aufrechterhielten, im Wesentlichen aber die im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthaltene Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments anföchten, ihnen ab der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen.

64      Die vorgenannte Weigerung habe mehrere rechtliche Folgen nach sich gezogen, nämlich u. a. die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, ihnen das Recht zuzuerkennen, ihr Amt anzutreten, ihr Mandat auszuüben und ihre Sitze im Parlament einzunehmen, sowie die Weigerung dieses Parlamentspräsidenten, auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung eine dringliche Maßnahme zur Bestätigung ihrer Vorrechte und ihrer Immunität zu ergreifen.

65      Schließlich haben die Kläger bestätigt, dass, falls das Gericht entgegen ihrem Vorbringen zu dem Schluss kommen sollte, dass die Rechtmäßigkeit der Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, nicht in Frage gestellt werden könne, die Rechtmäßigkeit der oben in Rn. 56 genannten Handlungen nicht gesondert zu prüfen sei.

66      In Anbetracht der oben in den Rn. 63 bis 65 wiedergegebenen Erläuterungen der Kläger ist im Wesentlichen davon auszugehen, dass sie nicht die Nichtigerklärung der oben in Rn. 56 dritter, vierter, fünfter und sechster Gedankenstrich genannten Handlungen beantragen, sondern nur die Nichtigerklärung der Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, woraus sich in der Folge die vorgenannten Handlungen ergeben hätten.

67      Zweitens hat das Parlament in der Gegenerwiderung eine Unzulässigkeitsrüge gegen den von den Klägern erstmals in der Erwiderung geltend gemachten Antrag vorgebracht, der darauf gerichtet ist, zum einen die angebliche Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, auf der Grundlage der Art. 7 und 9 der Geschäftsordnung ihre Vorrechte und ihre Immunität zu schützen, und zum anderen die vermeintliche Entscheidung dieses Präsidenten, ihren angeblichen Antrag auf Schutz der Vorrechte und der Immunität nicht dem zuständigen parlamentarischen Ausschuss mitzuteilen, für nichtig zu erklären.

68      In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts (vgl. oben, Rn. 53) haben die Kläger angegeben, sie begehrten nicht die Nichtigerklärung eines etwaigen Beschlusses des Parlaments, mit dem abgelehnt worden sei, auf der Grundlage der Art. 7 und 9 der Geschäftsordnung ihre Vorrechte und ihre Immunität zu verteidigen, zumal ein solcher Beschluss nie ergangen sei. Sie hätten lediglich beanstandet, dass der ehemalige Präsident des Parlaments ihren Antrag auf Schutz der Vorrechte und der Immunität unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 der Geschäftsordnung nicht dem Parlament mitgeteilt und ihn nicht an den zuständigen Ausschuss überwiesen habe. Im Wesentlichen haben die Kläger klargestellt, dass es sich auch hierbei um eine Rechtsfolge handele, die sich aus der Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments ergebe, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen.

69      Folglich haben die Kläger in der Erwiderung weder die Nichtigerklärung einer etwaigen Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, auf der Grundlage der Art. 7 und 9 der Geschäftsordnung ihre Vorrechte und ihre Immunität zu schützen, noch die Nichtigerklärung einer etwaigen Entscheidung des Präsidenten beantragt, ihren angeblichen Antrag auf Schutz der Vorrechte und der Immunität dem Parlament mitzuteilen und an den zuständigen parlamentarischen Ausschuss zu überweisen.

70      Nach alledem ist festzustellen, dass die vorliegende Klage im Wesentlichen auf die Nichtigerklärung zum einen der Anweisung vom 29. Mai 2019 und zum anderen der im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthaltenen Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments gerichtet ist, den Klägern die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen (im Folgenden zusammen: angefochtene Handlungen).

 Zur Rechtsnatur der angefochtenen Handlungen

71      In seiner Einrede der Unzulässigkeit macht das Parlament erstens geltend, das Schreiben vom 27. Juni 2019 sei eine Handlung mit rein informativem Charakter, die sich darauf beschränke, die Kläger darauf hinzuweisen, dass sie nach dem geltenden Rechtsrahmen nicht als neue Europaabgeordnete für die 9. Wahlperiode behandelt werden könnten. Zweitens trägt das Parlament vor, dass die Anweisung vom 29. Mai 2019 keine Rechtswirkungen gegenüber Dritten im Sinne von Art. 263 Abs. 1 AEUV entfalte, und fordert das Gericht auf, sich von Amts wegen mit der Frage zu befassen, ob sie eine anfechtbare Handlung darstelle.

72      Die Kläger beantragen, das Vorbringen des Parlaments zurückzuweisen. Erstens machen sie im Wesentlichen geltend, dass die im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthaltene Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, keinen informativen Charakter habe. Diese Weigerung habe nämlich zu einer Änderung ihrer Rechtsstellung geführt, da sie sie u. a. daran gehindert habe, ihr Amt anzutreten, ihr Mandat auszuüben und ihre Sitze im Parlament einzunehmen. Sie stelle daher eine beschwerende Maßnahme im Sinne von Art. 263 Abs. 1 AEUV dar. Zweitens sei die Anweisung vom 29. Mai 2019 eine anfechtbare Handlung, da sie sie daran gehindert habe, die für ihren Amtsantritt erforderlichen Schritte zu unternehmen.

73      Das Königreich Spanien ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die Klage unzulässig sei, weil die von den Klägern behaupteten negativen Auswirkungen der angefochtenen Handlungen nicht auf diese Handlungen, sondern auf Entscheidungen der spanischen Behörden zurückzuführen seien.

74      Nach ständiger Rechtsprechung sind alle Handlungen der Organe, die – unabhängig von ihrer Rechtsnatur oder Form – dazu bestimmt sind, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, die die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung berühren können, als anfechtbare Handlungen im Sinne von Art. 263 AEUV anzusehen (Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9, und vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑362/08 P, EU:C:2010:40, Rn. 51; vgl. auch Urteil vom 25. Oktober 2017, Rumänien/Kommission, C‑599/15 P, EU:C:2017:801, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Dagegen sind alle Handlungen, die keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugen, wie etwa vorbereitende Maßnahmen, Bestätigungs- und reine Durchführungshandlungen, bloße Empfehlungen und Stellungnahmen sowie grundsätzlich auch Dienstanweisungen von der in Art. 263 AEUV vorgesehenen gerichtlichen Kontrolle ausgenommen (vgl. Urteil vom 12. September 2006, Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, EU:C:2006:541, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 14. Mai 2012, Sepracor Pharmaceuticals [Irland]/Kommission, C‑477/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:292, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 23. November 1995, Nutral/Kommission, C‑476/93 P, EU:C:1995:401, Rn. 30). Darüber hinaus können Handlungen mit rein informativem Charakter weder die Interessen des Adressaten beeinträchtigen noch dessen Rechtsstellung gegenüber derjenigen vor Annahme dieser Handlungen ändern (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2012, Sina Bank/Rat, T‑15/11, EU:T:2012:661, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      In Anbetracht der Rechtsprechung ist bei der Prüfung, ob eine Handlung geeignet ist, Rechtswirkungen zu erzeugen, und ob sie folglich Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV sein kann, auf ihr Wesen abzustellen und sind ihre Wirkungen anhand objektiver Kriterien wie z. B. des Inhalts der Handlung zu beurteilen, wobei gegebenenfalls der Zusammenhang ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs der Union zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil vom 20. Februar 2018, Belgien/Kommission, C‑16/16 P, EU:C:2018:79, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzung des Vorliegens einer anfechtbaren Handlung zu den unverzichtbaren Prozessvoraussetzungen gehört, die das Gericht gegebenenfalls von Amts wegen prüfen kann (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 14. Januar 1992, ISAE/VP und Interdata/Kommission, C‑130/91, EU:C:1992:7, Rn. 11, und vom 19. Oktober 2016, E‑Control/ACER, T‑671/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:626, Rn. 91; Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Kommission/Irland u. a., C‑89/08 P, EU:C:2009:298, Nr. 62, und in der Rechtssache BSH/HABM, C‑43/15 P, EU:C:2016:129, Nr. 52).

78      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob zum einen die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, den Klägern die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, und zum anderen die Anweisung vom 29. Mai 2019 anfechtbare Handlungen im Sinne von Art. 263 AEUV sind.

 Zur Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, den Klägern die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen

79      Die Kläger tragen im Wesentlichen vor, dass die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, mehrere Rechtswirkungen gehabt habe; dazu zählten etwa erstens die Unmöglichkeit, ihr Amt anzutreten, ihr Mandat auszuüben und ab der Eröffnung der ersten Sitzung nach den Wahlen vom 26. Mai 2019 ihre Sitze im Parlament einzunehmen, zweitens die Feststellung des Freiwerdens ihrer Sitze durch den ehemaligen Präsidenten des Parlaments, drittens dessen Weigerung, auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung eine dringliche Maßnahme zur Bestätigung ihrer Vorrechte und ihrer Immunität zu ergreifen, und viertens das Versäumnis, ihren Antrag auf Schutz der Vorrechte und der Immunität auf der Grundlage von Art. 9 der Geschäftsordnung dem Parlament mitzuteilen und an den zuständigen parlamentarischen Ausschuss zu überweisen.

80      Das Parlament, unterstützt vom Königreich Spanien, macht geltend, dass, selbst wenn man unterstelle, dass die von den Klägern behaupteten Wirkungen erwiesen seien, diese nicht auf die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments zurückzuführen seien, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen.

–       Zum Inhalt des Schreibens vom 27. Juni 2019

81      Im Schreiben vom 27. Juni 2019 wies der ehemalige Präsident des Parlaments die Kläger zunächst darauf hin, dass ihm die spanischen Behörden am 17. und am 20. Juni 2019 die offiziellen Ergebnisse der Europawahlen in Spanien mitgeteilt hätten. Sodann wies er die Kläger darauf hin, dass nach Art. 12 des Wahlakts „das Parlament die von den Mitgliedstaaten amtlich bekannt gegebenen Wahlergebnisse zur Kenntnis nimmt und dass es in erster Linie Sache der nationalen Gerichte ist, über die Rechtmäßigkeit der nationalen Bestimmungen und Wahlverfahren zu befinden“. Schließlich wies der ehemalige Präsident des Parlaments darauf hin, dass die Namen der Kläger nicht in der dem Parlament von den spanischen Behörden offiziell übermittelten Liste der gewählten Kandidaten aufgeführt seien und dass er „bis zum Erhalt einer neuen Mitteilung der spanischen Behörden … derzeit nicht in der Lage [ist], sie als künftige Mitglieder des [Parlaments] zu behandeln, wie sie dies in ihrem Schreiben vom 14. Juni 2019 beantragt haben“.

82      Aus dem Wortlaut des Schreibens vom 27. Juni 2019 geht somit hervor, dass der ehemalige Präsident des Parlaments nichts anderes getan hat, als die Rechtsstellung der Kläger, von der er durch die spanischen Behörden im Wege der Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 offiziell unterrichtet worden war, zur Kenntnis zu nehmen.

83      Außerdem geht aus dem Wortlaut des Schreibens vom 27. Juni 2019 ausdrücklich hervor, dass sich der vom ehemaligen Präsidenten des Parlaments vertretene Standpunkt hätte ändern können, wenn er von den spanischen Behörden neue Informationen erhalten hätte.

84      Der Inhalt des Schreibens vom 27. Juni 2019 zeigt daher ausdrücklich, dass der darin zum Ausdruck gebrachte Standpunkt des ehemaligen Präsidenten des Parlaments weder Entscheidungscharakter hatte, noch dass er endgültig war.

–       Zu den behaupteten Rechtswirkungen aus dem Schreiben vom 27. Juni 2019

i)      Vorbemerkungen

85      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), zwischen der Eigenschaft als Europaabgeordneter und der Ausübung des entsprechenden Mandats unterschieden hat.

86      So hat der Gerichtshof nach dem Hinweis darauf, dass nach Art. 5 Abs. 1 und 2 des Wahlakts das Mandat eines Europaabgeordneten mit dem Fünfjahreszeitraum zusammenfällt, der mit der Eröffnung der ersten Sitzung nach jeder Wahl beginnt, so dass es zu gleicher Zeit wie dieser Fünfjahreszeitraum beginnt und endet, festgestellt, dass im Unterschied zur Eigenschaft als Mitglied des Parlaments, die zum einen zu dem Zeitpunkt erworben wird, zu dem die Wahl einer Person amtlich bekannt gegeben wird, und zum anderen eine Verbindung zwischen dieser Person und dem Organ herstellt, dem sie nunmehr angehört, das Mandat eines Mitglieds des Parlaments eine Verbindung zwischen dieser Person und der Legislaturperiode herstellt, für die sie gewählt worden ist. Diese Legislaturperiode beginnt indessen erst zum Zeitpunkt der Eröffnung der ersten nach der Wahl abgehaltenen Sitzung des „neuen“ Parlaments, die definitionsgemäß nach der amtlichen Bekanntgabe der Wahlergebnisse durch die Mitgliedstaaten stattfindet (Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies, C‑502/19, EU:C:2019:1115, Rn. 72 und 74).

87      Zweitens hat der Gerichtshof im Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115, Rn. 70, 71 und 81), entschieden, dass die Art. 8 und 12 des Wahlakts dahin zu verstehen sind, dass eine Person, deren Wahl ins Europäische Parlament amtlich bekannt gegeben worden ist, aufgrund dieser Bekanntgabe und ab diesem Zeitpunkt für die Zwecke von Art. 9 des Protokolls (Nr. 7) die Eigenschaft als Mitglied dieses Organs erworben hat und dementsprechend die in Abs. 2 dieses Artikels vorgesehene Immunität genießt.

88      Insoweit hat der Gerichtshof klargestellt, dass die in Art. 9 Abs. 2 des Protokolls (Nr. 7) vorgesehene Unverletzlichkeit der Mitglieder des Parlaments auch während der Reise zu und von seinem Tagungsort besteht, also u. a. dann, wenn sie sich zur ersten Sitzung begeben, die nach der amtlichen Bekanntgabe der Wahlergebnisse stattfindet, damit die konstituierende Sitzung der neuen Legislaturperiode stattfinden kann und die Mandate der Mitglieder geprüft werden können. Diese Mitglieder genießen somit die fragliche Immunität, bevor ihr Mandat beginnt (Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies, C‑502/19, EU:C:2019:1115, Rn. 80).

89      Drittens ergibt sich implizit, aber zwangsläufig aus Rn. 89 des Urteils vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), dass die amtliche Bekanntgabe der Ergebnisse der in Spanien abgehaltenen Wahl vom 26. Mai 2019 in der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 besteht.

90      Nach alledem ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Kläger, deren Namen in der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 aufgeführt waren, ab diesem Zeitpunkt die Eigenschaft als Europaabgeordnete erworben haben und daher allein aus diesem Grund die Immunität nach Art. 9 Abs. 2 des Protokolls (Nr. 7) genießen. Die Parteien sind sich im Übrigen nunmehr in diesem Punkt einig.

91      Außerdem ergibt sich aus der oben in den Rn. 86 und 87 angeführten Rechtsprechung, dass sich der Erwerb der Eigenschaft als Europaabgeordneter und folglich der damit verbundenen Immunität nach Art. 9 Abs. 2 des Protokolls (Nr. 7) ausschließlich aus der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 ergibt und daher weder vom ehemaligen Präsidenten des Parlaments noch vom Parlament selbst in Frage gestellt werden konnte.

92      Auch wenn die Frage der Immunität der Kläger im Schreiben vom 27. Juni 2019 nicht thematisiert wurde, ist somit festzustellen, dass die darin enthaltene Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, den Klägern die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, jedenfalls nicht bewirkt hat, dass ihnen die Immunität nach Art. 9 Abs. 2 des Protokolls (Nr. 7) genommen wurde, die die nationalen Behörden bereits aufgrund der amtlichen Bekanntgabe der Ergebnisse der Europawahlen zu beachten hatten.

93      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die von den Klägern geltend gemachten, oben in Rn. 79 wiedergegebenen Rechtswirkungen darauf zurückzuführen sind, dass der ehemalige Präsident des Parlaments sich geweigert hat, den Klägern die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen.

ii)    Zur Unmöglichkeit für die Kläger, ihr Amt anzutreten, ihr Mandat auszuüben und ihre Sitze im Parlament einzunehmen

94      Das Parlament, unterstützt durch das Königreich Spanien, macht im Wesentlichen geltend, dass es keine Rechtsakte mit Rechtswirkung gegenüber den Klägern erlassen könne, da es gemäß Art. 12 des Wahlakts und gemäß der einschlägigen Rechtsprechung an die Liste der gewählten Kandidaten gebunden sei, die ihm von den spanischen Behörden durch die Mitteilung vom 17. Juni 2019 offiziell mitgeteilt worden sei. Insoweit weist das Parlament darauf hin, dass es in Anbetracht der im Wahlakt verankerten Aufteilung der Zuständigkeiten Sache der Mitgliedstaaten sei, die Bedingungen für die Ausübung des Mandats eines Europaabgeordneten festzulegen. Daher sei das Parlament gemäß den Art. 8 und 12 des Wahlakts in Verbindung mit dem in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet gewesen, den anwendbaren Bestimmungen des spanischen Wahlrechts, wie sie in den Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 zum Ausdruck kämen, in vollem Umfang Wirkung zu verleihen. Im Übrigen trägt das Parlament im Wesentlichen vor, dass sich aus den vorgenannten Bestimmungen und aus Art. 3 der Geschäftsordnung ergebe, dass die offiziellen Mitteilungen, die ihm von den zuständigen nationalen Wahlorganen übermittelt würden, die einzigen maßgeblichen Informationsquellen in Bezug auf die Rechtsstellung der Europaabgeordneten nach innerstaatlichem Recht seien und dass sie ein unverzichtbares Instrument für den Wahlprozess darstellten. Im Ergebnis ist das Parlament der Auffassung, dass es am 27. Juni 2019 in Anbetracht aller von der Zentralen Wahlkommission übermittelten Informationen nicht davon habe ausgehen können, dass die Kläger „bedingungsfrei [den Status] künftiger Mitglieder des Parlaments [erworben]“ hätten, und dass es daher nicht befugt gewesen sei, ihnen im Wesentlichen das Recht zuzuerkennen, ihr Amt anzutreten, ihr Mandat auszuüben und ab dem 2. Juli 2019 ihre Sitze im Parlament einzunehmen.

95      Die Kläger treten diesem Vorbringen entgegen. Im vorliegenden Fall stelle sich hauptsächlich die Frage, ob das Parlament an die Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 oder die Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 gebunden gewesen sei. In diesem Zusammenhang machen die Kläger geltend, dass sich aus Art. 12 des Wahlakts ergebe, dass der Begriff der „amtlich bekannt gegebenen Wahlergebnisse“ ein autonomer Begriff des Unionsrechts sei. Im vorliegenden Fall stimmten diese Ergebnisse mit den nach Art. 224 Abs. 1 des spanischen Wahlgesetzes bekannt gegebenen überein, wie der Gerichtshof in Rn. 89 des Urteils vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), festgestellt habe, d. h. mit den Ergebnissen der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019. Im Übrigen machen die Kläger im Wesentlichen geltend, dass das Königreich Spanien nicht befugt gewesen sei, für die Ausübung des Mandats von Europaabgeordneten Bedingungen wie die in Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes vorgesehene Voraussetzung festzulegen, den Eid auf die spanische Verfassung zu leisten. Diese Auslegung sei durch das Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), bestätigt worden, in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass die „erforderlichen Formalitäten“, um einen Sitz als Mitglied des Parlaments einnehmen zu können, vor diesem Organ zu erfüllen seien. Schließlich behaupten die Kläger, dass das Parlament gewusst habe, dass die spanischen Behörden ihm nicht die vollständigen Ergebnisse der Wahlen vom 26. Mai 2019 mitgeteilt hätten, da sie dem Parlament selbst eine Kopie dieser Ergebnisse übersandt hätten. Das Versäumnis der spanischen Behörden, die vollständigen Ergebnisse dieser Wahlen mitzuteilen, habe das Parlament nicht seiner Verpflichtung enthoben, diese Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen.

96      Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob der ehemalige Präsident des Parlaments befugt war, die Mitteilung vom 17. Juni 2019 in Frage zu stellen, mit der ihm die spanischen Behörden offiziell die Liste der bei den Wahlen vom 26. Mai 2019 gewählten Kandidaten übermittelt haben, in der die Namen der Kläger nicht enthalten waren, obwohl ihre Namen in der amtlichen Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 aufgeführt waren.

97      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Parlament gemäß Art. 5 Abs. 1 EUV und Art. 13 Abs. 2 EUV innerhalb der Grenzen der ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse handelt. Die Grundsätze des institutionellen Gleichgewichts und der begrenzten Einzelermächtigung, wie sie in Art. 13 Abs. 2 EUV verankert sind, gebieten nämlich, dass jedes Organ nach Maßgabe der ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse nach den Verfahren, Bedingungen und Zielen handelt, die in den Verträgen festgelegt sind (Urteil vom 3. Dezember 2020, Changmao Biochemical Engineering/Distillerie Bonollo u. a., C‑461/18 P, EU:C:2020:979, Rn. 102).

98      Was die Wahl der Europaabgeordneten angeht, so wird mit dem Wahlakt eine Zuständigkeitsverteilung zwischen dem Parlament und den Mitgliedstaaten eingeführt.

99      So bestimmt sich zum einen nach Art. 8 Abs. 1 des Wahlakts das Wahlverfahren in jedem Mitgliedstaat vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Akts nach den innerstaatlichen Vorschriften.

100    Zum anderen prüft das Parlament nach Art. 12 des Wahlakts die Mandate seiner Mitglieder. Zu diesem Zweck nimmt es die von den Mitgliedstaaten amtlich bekannt gegebenen Wahlergebnisse zur Kenntnis und befindet über die Anfechtungen, die gegebenenfalls auf Grund der Vorschriften dieses Akts – mit Ausnahme der innerstaatlichen Vorschriften, auf die darin verwiesen wird – vorgebracht werden könnten.

101    Aus Art. 12 Satz 2 des Wahlakts ergibt sich, dass die Prüfungsbefugnis des Parlaments zwei wichtigen Einschränkungen unterliegt (Urteil vom 30. April 2009, Italien und Donnici/Parlament, C‑393/07 und C‑9/08, EU:C:2009:275, Rn. 52).

102    Erstens nimmt das Parlament gemäß Art. 12 Satz 2 Halbsatz 1 des Wahlakts zur Prüfung der Mandate die von den Mitgliedstaaten amtlich bekannt gegebenen Wahlergebnisse zur Kenntnis (Urteil vom 30. April 2009, Italien und Donnici/Parlament, C‑393/07 und C‑9/08, EU:C:2009:275, Rn. 53).

103    Nach der Rechtsprechung ist die Verwendung des Ausdrucks „zur Kenntnis [nehmen]“ in Art. 12 des Wahlakts dahin auszulegen, dass das Parlament insoweit keinerlei Ermessen hat. Die nationalen Behörden sind nämlich dafür zuständig, die künftigen Mitglieder des Parlaments nach dem Wahlverfahren zu benennen, das sich, wie es ausdrücklich aus Art. 8 des Wahlakts hervorgeht, nach den innerstaatlichen Vorschriften bestimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2009, Italien und Donnici/Parlament, C‑393/07 und C‑9/08, EU:C:2009:275, Rn. 55 und 56 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und Beschluss vom 8. Oktober 2020, Junqueras i Vies/Parlament, C‑201/20 P[R], nicht veröffentlicht, EU:C:2020:818, Rn. 66).

104    Somit bedeutet der Vorgang, die „amtlich bekannt gegebenen Wahlergebnisse zur Kenntnis“ zu nehmen, dass sich das Parlament bei der Prüfung der Mandate seiner Mitglieder auf die amtliche Bekanntgabe der Wahlergebnisse stützen muss, wie sie sich aus einem mit den nationalen Verfahren im Einklang stehenden Entscheidungsprozess ergibt, durch den die mit dieser Bekanntgabe zusammenhängenden Rechtsfragen entschieden worden sind; diese Bekanntgabe stellt daher eine bereits bestehende Rechtslage dar, die für das Parlament verbindlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2009, Italien und Donnici/Parlament, C‑393/07 und C‑9/08, EU:C:2009:275, Rn. 55).

105    Zweitens befindet das Parlament gemäß Art. 12 Satz 2 Halbsatz 2 des Wahlakts über Anfechtungen, die gegebenenfalls aufgrund der Vorschriften dieses Akts – mit Ausnahme der innerstaatlichen Vorschriften, auf die darin verwiesen wird – vorgebracht werden können (Urteil vom 30. April 2009, Italien und Donnici/Parlament, C‑393/07 und C‑9/08, EU:C:2009:275, Rn. 53).

106    Schon aus dem Wortlaut von Art. 12 des Wahlakts ergibt sich daher, dass diese Vorschrift dem Parlament nicht die Zuständigkeit einräumt, über Anfechtungen zu entscheiden, die auf der Grundlage des Unionsrechts als Gesamtheit vorgebracht werden, sondern nur über diejenigen, die auf der Grundlage der Bestimmungen des Wahlakts erhoben werden (Urteil vom 30. April 2009, Italien und Donnici/Parlament, C‑393/07 und C‑9/08, EU:C:2009:275, Rn. 54). Außerdem schließt dieser Artikel ausdrücklich die Zuständigkeit des Parlaments aus, über Anfechtungen zu entscheiden, die ihren Ursprung im innerstaatlichen Recht haben, selbst wenn im Wahlakt auf dieses Recht verwiesen wird.

107    Im Übrigen ist mit dem Parlament und Generalanwalt Szpunar in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:958, Nr. 53) darauf hinzuweisen, dass nach der amtlichen Bekanntgabe der Wahlergebnisse mehrere Ereignisse dazu führen können, dass ein Kandidat, dessen Wahl als Europaabgeordneter nach der Stimmenauszählung amtlich bekannt gegeben worden ist, sein Amt nicht antritt und das damit verbundene Mandat nicht ausübt, wie beispielsweise das Vorliegen einer Unvereinbarkeit mit dem Mandat eines Europaabgeordneten oder der Verzicht des gewählten Abgeordneten auf den Amtsantritt. Zudem sehen verschiedene parlamentarische Systeme, worauf Generalanwalt Szpunar in der Rechtssache Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:958, Rn. 48) hingewiesen hat, formale Verpflichtungen vor, die von den gewählten Kandidaten vor ihrem tatsächlichen Amtsantritt zu erfüllen sind.

108    Dies ist beim spanischen Recht der Fall, da Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes vorsieht, dass die gewählten Kandidaten innerhalb von fünf Tagen nach ihrer Bekanntgabe vor der Zentralen Wahlkommission einen Eid auf die spanische Verfassung leisten müssen. Andernfalls werden ihre Sitze im Parlament für „vakant“ erklärt und die ihnen aufgrund ihres Amtes etwa zustehenden Vorrechte bis zu dieser Eidesleistung ausgesetzt (vgl. oben, Rn. 12).

109    Angesichts der vorstehenden Ausführungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Parlament die Mandate auf der Grundlage der Liste der amtlich als gewählt bekannt gegebenen Kandidaten prüfen muss, wie diese Liste sich im Nachgang der auf Grundlage des innerstaatlichen Rechts erhobenen Anfechtungen darstellt.

110    So bestimmt Art. 3 der Geschäftsordnung, der das Verfahren zur Prüfung der Mandate regelt, dass dieses Verfahren auf der amtlichen Mitteilung der Liste der Wahlergebnisse durch die Mitgliedstaaten beruht.

111    Zunächst fordert der Präsident nach Art. 3 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Anschluss an die allgemeinen Wahlen zum Parlament die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten auf, dem Parlament unverzüglich die Namen der gewählten Mitglieder mitzuteilen, damit sämtliche Mitglieder ihre Sitze im Parlament ab der Eröffnung der ersten Sitzung im Anschluss an die Wahlen einnehmen können.

112    Sodann haben gemäß Art. 3 Abs. 2 der Geschäftsordnung die in dieser Liste namentlich aufgeführten Europaabgeordneten die Unvereinbarkeitserklärung abzugeben und können – solange ihre Mandate nicht geprüft worden sind oder noch nicht über eine etwaige, in die Zuständigkeit des Parlaments fallende Anfechtung befunden worden ist – an den Sitzungen des Parlaments und seiner Organe mit vollen Rechten teilnehmen.

113    Schließlich ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dass das Parlament die Mandate seiner neu gewählten Mitglieder auf der Grundlage eines Berichts seines zuständigen Ausschusses prüft, der sich gemäß Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 dieser Geschäftsordnung auf die offizielle Mitteilung sämtlicher Mitgliedstaaten über die Gesamtheit der Wahlergebnisse unter genauer Angabe der gewählten Kandidaten und ihrer etwaigen Stellvertreter sowie ihrer Rangfolge aufgrund des Wahlergebnisses stützt.

114    Daraus folgt, dass sich das Parlament bei der Prüfung der Mandate seiner Mitglieder auf die von den nationalen Behörden offiziell mitgeteilte Liste der gewählten Kandidaten stützen muss, für die davon auszugehen ist, dass sie anhand der amtlich bekannt gegebenen Wahlergebnisse, und nachdem etwaige, auf die Anwendung des innerstaatlichen Rechts gestützte Anfechtungen durch diese Behörden geregelt worden sind, erstellt wird.

115    Im Licht dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Kläger zu prüfen.

116    Erstens machen die Kläger im Wesentlichen geltend, das Parlament sei weder durch die Mitteilung vom 17. Juni 2019 noch durch die Mitteilung vom 20. Juni 2019 gebunden gewesen, was es selbst eingeräumt habe, da es ihnen nach der Kenntnisnahme vom 13. Januar 2020 gestattet habe, ihr Amt anzutreten, ihr Mandat auszuüben und ihre Sitze im Parlament einzunehmen. Im Übrigen habe das Parlament gewusst, dass die spanischen Behörden ihm nicht die vollständigen Ergebnisse der Wahlen vom 26. Mai 2019 mitgeteilt hätten, da sie dem Parlament selbst eine Kopie dieser Ergebnisse übersandt hätten. Die Kläger machen somit im Wesentlichen geltend, das Parlament sei nach Art. 3 Abs. 1 der Geschäftsordnung verpflichtet gewesen, die spanischen Behörden aufzufordern, ihm die vollständigen Ergebnisse der Wahlen vom 26. Mai 2019 zu übermitteln. Schließlich tragen die Kläger unter Berufung auf die Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:958, Nr. 51) vor, dass die Tatsache, dass die spanischen Behörden die Wahlergebnisse, wie sie sich aus der Bekanntgabe an das Parlament vom 13. Juni 2019 ergeben hätten, nie mitgeteilt hätten, das Parlament nicht seiner Verpflichtung enthebe, sie gemäß Art. 12 des Wahlakts zur Kenntnis zu nehmen.

117    Im vorliegenden Fall ist zum einen zwischen den Parteien unstreitig, dass die Kläger das in Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes vorgesehene Erfordernis nicht erfüllt haben und dass ihre Namen aus diesem Grund nicht in die Mitteilung vom 17. Juni 2019 aufgenommen wurden, mit der die spanischen Behörden dem Parlament offiziell die Liste der bei den Wahlen vom 26. Mai 2019 gewählten Kandidaten übermittelt haben.

118    Zum anderen war der ehemalige Präsident des Parlaments nicht dafür zuständig, die Begründetheit der Nichtberücksichtigung bestimmter gewählter Kandidaten in der vorgenannten, von den spanischen Behörden nach Art. 3 Abs. 1 der Geschäftsordnung offiziell mitgeteilten Liste zu überprüfen. Diese Liste spiegelt nämlich die offiziellen Ergebnisse der Wahlen vom 26. Mai 2019 wider, wie sie gegebenenfalls nach der Klärung etwaiger auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts erhobener Anfechtungen festgestellt worden sind (vgl. oben, Rn. 97 bis 106).

119    Die Kläger können daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass der ehemalige Präsident des Parlaments nach Art. 3 Abs. 1 der Geschäftsordnung die spanischen Behörden hätte auffordern müssen, ihm die in der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 enthaltenen vollständigen Ergebnisse der Wahlen vom 26. Mai 2019 zu übermitteln.

120    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben in Rn. 76 angeführten Rechtsprechung bei der Prüfung, ob eine Handlung geeignet ist, Rechtswirkungen zu erzeugen, und ob sie folglich Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV sein kann, auf ihr Wesen abzustellen ist und ihre Wirkungen anhand objektiver Kriterien wie des Inhalts der Handlung zu beurteilen sind, wobei gegebenenfalls der Zusammenhang ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs zu berücksichtigen sind.

121    Daher kann der Umstand, dass das Parlament den Klägern in Anbetracht des Urteils vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), und nach der Kenntnisnahme vom 13. Januar 2020 gestattet hat, ihre Sitze im Parlament einzunehmen und die mit dem Status als Europaabgeordneten verbundenen Rechte in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen, ohne dass eine offizielle Mitteilung des Mitgliedstaats vorlag, die Erwägungen in den obigen Rn. 82 bis 84 und 100 bis 114 nicht in Frage stellen.

122    Überdies hat das Parlament in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass es angesichts der Rechtsunsicherheit über den Status der Kläger nach dem Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), und dem Beschluss vom 20. Dezember 2019, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament (C‑646/19 P[R]), nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1149), entschieden habe, den Klägern auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu gestatten, ihr Amt anzutreten und ihre Sitze im Parlament einzunehmen, ohne jedoch eine Prüfung ihrer Mandate vorzunehmen, da hierfür die vorherige offizielle Mitteilung ihrer Wahl durch die nationalen Behörden erforderlich gewesen sei.

123    Das oben in Rn. 116 wiedergegebene Vorbringen der Kläger ist daher zurückzuweisen.

124    Was schließlich den Verweis der Kläger auf die Schlussanträge von Generalanwalt Szpunar in der Rechtssache Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:958) betrifft, ist daran zu erinnern, dass es in dieser Rechtssache im Wesentlichen um die Frage ging, ob eine Person, deren Wahl amtlich bekannt gegeben wurde, die in Art. 9 Abs. 2 des Protokolls (Nr. 7) vorgesehene Immunität genießt, um die für ihren Amtsantritt erforderlichen Formalitäten und Anforderungen erfüllen zu können.

125    In Nr. 50 der Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:958) hat der Generalanwalt eingeräumt, dass die in Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes vorgesehene Anforderung eine Voraussetzung für den tatsächlichen Amtsantritt der zu Europaabgeordneten gewählten Kandidaten in Europa sein könne. Nach Auffassung von Generalanwalt Szpunar kann diese Anforderung jedoch keine Voraussetzung für den Erwerb der Eigenschaft als Europaabgeordneter und der mit dieser Eigenschaft einhergehenden Vorrechte wie der Immunität sein, da sonst eine ordnungsgemäß als Europaabgeordneter gewählte Person daran gehindert würde, die für ihren Amtsantritt erforderlichen Formalitäten und Anforderungen zu erfüllen.

126    In diesem Zusammenhang ist Nr. 51 der Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:958) zu lesen, wonach es zwar logisch sei, dass das Parlament über das Ergebnis der Wahlen durch die in Art. 3 Abs. 1 der Geschäftsordnung genannte offizielle Mitteilung der Mitgliedstaaten unterrichtet werde, diese Mitteilung aber im Wesentlichen nicht den Erwerb der Eigenschaft als Europaabgeordneter zu begründen vermöge.

127    Somit kann die von Generalanwalt Szpunar in Nr. 51 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:958) zum Ausdruck gebrachte Auffassung nicht zur Unterstützung des Vorbringens der Kläger herangezogen werden, wonach das Parlament zum Zweck der Prüfung der Mandate verpflichtet gewesen wäre, die in der Bekanntgabe vom 13. Juni 2019 enthaltenen Ergebnisse der Wahlen vom 26. Mai 2019 anstelle der von den spanischen Behörden am 17. Juni 2019 offiziell mitgeteilten Ergebnisse zu berücksichtigen.

128    Zweitens machen die Kläger geltend, dass die spanischen Behörden nicht befugt gewesen seien, die Anforderung gemäß Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes aufzustellen. Die Voraussetzung, den Eid auf die spanische Verfassung zu leisten, falle nämlich nicht unter das „Wahlverfahren“ der Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 8 des Wahlakts und werde daher nicht von dem in diesem Artikel vorgenommenen Verweis auf die innerstaatlichen Rechtsvorschriften erfasst. Nach Art. 223 Abs. 2 AEUV sei es zudem Sache des Parlaments, die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Wahrnehmung der Aufgaben seiner Mitglieder festzulegen, da diese Zuständigkeit nicht auf die Mitgliedstaaten übertragen worden sei. Wenn also ein Europaabgeordneter diesen Status im Anschluss an die Bekanntgabe der Ergebnisse der Europawahlen erwerbe, fielen alle nachfolgenden Formalitäten unter die im vorgenannten Artikel vorgesehene Zuständigkeit.

129    Aus den Rn. 97 bis 109 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass das Parlament nicht dafür zuständig ist, über Anfechtungen zu entscheiden, die ihren Ursprung in Vorschriften des innerstaatlichen Rechts haben, auf die im Wahlakt nicht verwiesen wurde, wie z. B. die in Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes vorgesehene Anforderung.

130    Daraus folgt, dass der ehemalige Präsident des Parlaments selbst dann, wenn das Königreich Spanien nicht dafür zuständig gewesen wäre, in seinem nationalen Recht die vorgenannte Anforderung einzuführen, keinerlei Befugnis hatte, diese Unzuständigkeit festzustellen, und erst recht nicht befugt war, die Rechtmäßigkeit der von den spanischen Behörden am 17. Juni 2019 offiziell mitgeteilten Liste der gewählten Kandidaten in Frage zu stellen.

131    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch das Gericht nicht dafür zuständig ist, zum einen zu beurteilen, ob das Königreich Spanien im Hinblick auf Art. 223 Abs. 2 AEUV und Art. 8 des Wahlakts dafür zuständig war, die in Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes vorgesehene Anforderung einzuführen, und zum anderen zu beurteilen, ob diese Anforderung mit dem Unionsrecht vereinbar ist, da diese Fragen in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte und gegebenenfalls des Gerichtshofs fallen, falls dieser mit einer Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV oder auf der Grundlage von Art. 267 AEUV mit einer Auslegungsfrage zur Vorabentscheidung befasst wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2009, Italien und Donnici/Parlament, C‑393/07 und C‑9/08, EU:C:2009:275, Rn. 65, und Beschluss vom 8. Oktober 2020, Junqueras i Vies/Parlament, C‑201/20 P[R], nicht veröffentlicht, EU:C:2020:818, Rn. 60).

132    Des Weiteren legt das Parlament nach Art. 223 Abs. 2 AEUV aus eigener Initiative gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen nach Anhörung der Kommission und mit Zustimmung des Rates der Europäischen Union die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Wahrnehmung der Aufgaben seiner Mitglieder fest.

133    Die „allgemeinen Bedingungen für die Wahrnehmung der Aufgaben der Mitglieder des Parlaments“ sind jedoch Gegenstand von Titel I („Regelungen und allgemeine Bedingungen für die Wahrnehmung der Aufgaben der Abgeordneten des Europäischen Parlaments“) des Beschlusses 2005/684/EG, Euratom des Europäischen Parlaments vom 28. September 2005 zur Annahme des Abgeordnetenstatuts des Europäischen Parlaments (ABl. 2005, L 262, S. 1) und betreffen im Wesentlichen die Modalitäten der Ausübung des Amtes von Europaabgeordneten und nicht die Formalitäten vor dem Amtsantritt.

134    Folglich verleiht Art. 223 Abs. 2 AEUV dem Parlament eine ausschließliche Zuständigkeit für die Festlegung des Statuts der Europaabgeordneten und – in diesem Rahmen – der „allgemeinen“ Bedingungen für die Ausübung des Mandats von Europaabgeordneten. Dagegen geht aus diesem Artikel nicht ausdrücklich hervor, dass das Parlament ebenfalls über eine solche ausschließliche Zuständigkeit für die Festlegung der vor dem Amtsantritt der Europaabgeordneten bestehenden Voraussetzungen oder Anforderungen verfügt.

135    Daher ist das Vorbringen der Kläger, dass das Königreich Spanien nicht für den Erlass der in Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes vorgesehenen Anforderung, durch die eine Voraussetzung für die Ausübung des Mandats der Europaabgeordneten begründet werde, zuständig gewesen sei, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

136    Drittens ist in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen auch das Vorbringen der Kläger als ins Leere gehend zurückzuweisen, wonach die Vizepräsidentin des Gerichtshofs in Rn. 74 des Beschlusses vom 20. Dezember 2019, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament (C‑646/19 P[R], nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1149), entschieden habe, dass die Erfüllung jeglicher Formalität, die auf das Ergebnis der Auszählung der von den Wählern abgegebenen Stimmen nachfolge, nicht Bestandteil des Wahlverfahrens sei.

137    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Vizepräsidentin des Gerichtshofs in Rn. 74 des Beschlusses vom 20. Dezember 2019, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament (C‑646/19 P[R], nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1149), die Auffassung vertreten hat, dass es, da die Wahl der Mitglieder des Parlaments gemäß Art. 14 Abs. 3 EUV, Art. 223 Abs. 1 AEUV, Art. 39 der Charta sowie Art. 1 des Wahlakts dem Grundsatz der allgemeinen, unmittelbaren, freien und geheimen Wahl unterliege, auf den ersten Blick nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Rechtsakt, durch den das Wahlverfahren für die Mitglieder des Parlaments abgeschlossen werde, derjenige sei, der die Ergebnisse der Auszählung der von den Wählern abgegebenen Stimmen enthalte, so dass die Erfüllung jeder nachfolgenden, durch das innerstaatliche Recht vorgeschriebenen Formalität nicht Bestandteil dieses Wahlverfahrens sei.

138    Zum einen ist jedoch festzustellen, dass diese Beurteilung im Rahmen des Rechtsmittels gegen den Beschluss vom 1. Juli 2019, Puigdemont i Casamajó und Comín i Oliveres/Parlament (T‑388/19 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:467), im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorgenommen worden ist. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Vizepräsidentin des Gerichtshofs einen endgültigen Standpunkt zu dieser Frage eingenommen hat.

139    Zum anderen könnte, selbst wenn unterstellt würde, dass das Königreich Spanien nicht dafür zuständig gewesen wäre, eine solche Formalität vorzuschreiben, eine dahin gehende Feststellung der Vizepräsidentin des Gerichtshofs aus den oben in den Rn. 97 bis 114 und 117 bis 119 dargelegten Gründen jedenfalls nicht die Befugnis des Parlaments begründen, sich zu weigern, die von den spanischen Behörden offiziell übermittelte Liste der gewählten Kandidaten zur Kenntnis zu nehmen.

140    Das Vorbringen der Kläger ist daher zurückzuweisen.

141    Viertens tragen die Kläger vor, aus dem Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), gehe hervor, dass die „erforderlichen Formalitäten“, um im Parlament einen Sitz als Europaabgeordneter einnehmen zu können, ausschließlich vor diesem Organ zu erfüllen seien.

142    Dieser Vortrag findet jedoch keine Bestätigung im Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115).

143    Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rahmen der Rechtssache, in der das Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), ergangen ist, ausschließlich mit der Frage befasst war, ob Art. 9 des Protokolls (Nr. 7) dahin auszulegen ist, dass eine Person, deren Wahl ins Europäische Parlament amtlich bekannt gegeben wurde, als sie im Rahmen eines Verfahrens wegen schwerer Straftaten in Untersuchungshaft war, der aber nicht gestattet wurde, bestimmten Anforderungen nachzukommen, die nach dem innerstaatlichen Recht nach einer solchen Bekanntgabe vorgesehen sind, und sich zum Parlament zu begeben, um an dessen erster Sitzung teilzunehmen, Immunität nach diesem Artikel genießt. Für den Fall, dass dies zu bejahen ist, wollte das vorlegende Gericht außerdem wissen, ob diese Immunität verlangt, die gegen die betreffende Person verhängte Untersuchungshaft aufzuheben, um ihr zu ermöglichen, sich zum Parlament zu begeben und dort die vorgeschriebenen Formalitäten zu erfüllen.

144    In Rn. 88 und im zweiten Gedankenstrich des Tenors des Urteils vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), hat der Gerichtshof die zweite Frage dahin beantwortet, dass die in Art. 9 Abs. 2 des Protokolls (Nr. 7) vorgesehene Immunität der betroffenen Person vorbehaltlich eines Antrags auf Aufhebung dieser Immunität ermöglichen muss, sich zum Parlament zu begeben und dort die „vorgeschriebenen Formalitäten“ zu erfüllen. In diesem Zusammenhang kann die bloße Bezugnahme auf die vor dem Parlament zu erfüllenden Formalitäten nicht dahin ausgelegt werden, dass der Gerichtshof es ausgeschlossen hätte, dass das nationale Recht den Amtsantritt eines Europaabgeordneten vom Vorliegen bestimmter Formalitäten abhängig machen konnte.

145    Das Vorbringen der Kläger ist daher zurückzuweisen.

146    Nach alledem ist festzustellen, dass die Unmöglichkeit für die Kläger, ihr Amt anzutreten, ihr Mandat auszuüben und ihre Sitze im Parlament einzunehmen nicht auf die im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthaltene Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordneter zuzuerkennen, sondern auf die Anwendung des spanischen Rechts zurückzuführen ist, wie sie in den Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 zum Ausdruck kommt, in Bezug auf die der ehemalige Präsident des Parlaments und, allgemeiner formuliert, das Parlament über keinen Ermessensspielraum verfügten.

147    Die Kläger können daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, die rechtliche Wirkung gehabt hätte, ihnen die Möglichkeit zu nehmen, ihr Amt anzutreten, ihr Mandat auszuüben und ihre Sitze im Parlament einzunehmen.

iii) Zur behaupteten Feststellung des Freiwerdens der Sitze der Kläger

148    Die Kläger machen im Wesentlichen geltend, dass die auf die Mitteilungen vom 17. und 20. Juni 2019 gestützte Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, zur Feststellung des Freiwerdens ihrer Sitze durch diesen Präsidenten geführt habe, obwohl der zur Rechtfertigung dieses Freiwerdens angeführte Grund keiner der in Art. 13 Abs. 1 des Wahlakts genannten Gründe gewesen sei.

149    Insoweit genügt es, mit dem Parlament festzustellen, dass weder der ehemalige Präsident des Parlaments noch das Parlament die Sitze der Kläger für vakant erklärt haben.

150    Daher ist die von den Klägern behauptete rechtliche Wirkung, die auf die Feststellung des Freiwerdens ihrer Sitze durch das Parlament gestützt wird, materiell inexistent.

151    Im Übrigen wird gemäß Art. 13 Abs. 1 des Wahlakts ein Sitz frei, wenn das Mandat eines Mitglieds des Parlaments im Falle seines Rücktritts oder seines Todes oder des Entzugs erlischt. Gemäß Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts setzen die einzelstaatlichen Behörden das Parlament vom Erlöschen des Mandats eines Europaabgeordneten aufgrund des im einzelstaatlichen Recht ausdrücklich vorgesehenen Entzugs dieses Mandats in Kenntnis.

152    Im vorliegenden Fall hat das Königreich Spanien in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass ungeachtet der in Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes verwendeten Terminologie die Nichtleistung des Eides nach spanischem Recht nicht dazu führe, dass die Sitze der gewählten Kandidaten im Sinne von Art. 13 des Wahlakts „frei“ würden, sondern lediglich dazu, dass diese Sitze vorübergehend nicht besetzt werden könnten. Das Königreich Spanien hat mithin bestätigt, dass diese Sitze für die gewählten Kandidaten gegebenenfalls während der gesamten Dauer der Legislaturperiode des Parlaments „reserviert“ blieben, bis sie den in Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes genannten Eid auf die spanische Verfassung leisteten.

153    Daher ergibt sich die vorübergehende Unmöglichkeit für die Kläger, ihre Sitze im Parlament einzunehmen, jedenfalls nicht aus der im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthaltenen Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, sondern aus der Anwendung des spanischen Rechts.

iv)    Zu dem Umstand, dass keine dringliche Maßnahme zur Bestätigung der Vorrechte und der Immunität der Kläger ergriffen wurde

154    Die Kläger machen im Wesentlichen geltend, die im Schreiben vom 27. Juni 2019 enthaltene Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, habe dazu geführt, dass der Präsident ihren Antrag abgelehnt habe, auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung eine Maßnahme zur Bestätigung ihrer Vorrechte und ihrer Immunität zu ergreifen (vgl. oben, Rn. 64 und 79).

155    Aus der Rechtsprechung des Gerichts ergibt sich, dass der Präsident des Parlaments keineswegs verpflichtet ist, zur Bestätigung der Vorrechte und der Immunität eines Europaabgeordneten tätig zu werden, und dass er insoweit selbst dann, wenn dieser Abgeordnete unter mutmaßlichem Verstoß gegen seine Vorrechte und seine Immunität festgenommen oder in seiner Bewegungsfreiheit beschränkt worden sein sollte, über ein Ermessen verfügt (Beschluss vom 20. Januar 2021, Junqueras i Vies/Parlament, T‑734/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:15, Rn. 44).

156    Selbst wenn also der ehemalige Präsident des Parlaments den Klägern die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuerkannt hätte, hätte er es jedenfalls ablehnen können, auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung eine Dringlichkeitsmaßnahme zu ergreifen.

157    Dass keine solche Maßnahme ergriffen wurde, kann daher nicht als eine verbindliche Rechtswirkung angesehen werden, die sich aus der Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments ergibt, den Klägern die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, sondern ist die Folge des Ermessens, das ihm insoweit durch Art. 8 der Geschäftsordnung eingeräumt wird.

158    Selbst wenn man im Übrigen annimmt, dass die Ablehnung des auf Art. 8 der Geschäftsordnung gestützten Antrags der Kläger, der ehemalige Präsident des Parlaments möge zur Bestätigung ihrer Vorrechte und ihrer Immunität tätig werden, die Folge von dessen Weigerung wäre, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichts, dass eine solche Weigerung jedenfalls keine bindenden Wirkungen gegenüber den spanischen Behörden gehabt hätte (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 20. Januar 2021, Junqueras i Vies/Parlament, T‑734/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:15, Rn. 62 und 65).

v)      Zu dem Umstand, dass der behauptete Antrag auf Schutz der Vorrechte und der Immunität der Kläger dem Parlament nicht mitgeteilt und nicht an den zuständigen parlamentarischen Ausschuss überwiesen wurde

159    Die Kläger machen geltend, dass der Umstand, dass der ehemalige Präsident des Parlaments ihren Antrag auf Schutz der Vorrechte und der Immunität unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 der Geschäftsordnung nicht dem Parlament mitgeteilt und nicht an den zuständigen Ausschuss überwiesen habe, eine Rechtswirkung sei, die sich aus seiner Weigerung ergebe, ihnen die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen (vgl. oben, Rn. 68).

160    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger in der Erwiderung geltend gemacht haben, sie hätten den ehemaligen Präsidenten des Parlaments in ihrem Schreiben vom 20. Juni 2019 ersucht, zum einen dringend zur Bestätigung ihrer Vorrechte und Befreiungen auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung tätig zu werden und zum anderen diese Vorrechte und Befreiungen auf der Grundlage von Art. 9 der Geschäftsordnung zu schützen. Darüber hinaus hätten sie Art. 8 der Geschäftsordnung in diesem Schreiben im Wesentlichen nur deshalb hervorgehoben, um die Dringlichkeitslage, mit der sie konfrontiert gewesen seien, zu betonen. Im Übrigen machen sie geltend, dass die Art. 8 und 9 der Geschäftsordnung keine getrennten Verfahren einführten und dass daher nicht zwischen einem Antrag auf dringende Bestätigung der Vorrechte und Befreiungen im Sinne von Art. 8 der Geschäftsordnung und einem Antrag auf Schutz dieser Vorrechte und dieser Immunität im Sinne von deren Art. 9 unterschieden werden müsse.

161    Nach Art. 9 Abs. 1 der Geschäftsordnung wird jeder an den Präsidenten des Parlaments gerichtete Antrag eines Mitglieds oder eines ehemaligen Mitglieds, Vorrechte und Immunität zu schützen, dem Parlament mitgeteilt und an den zuständigen Ausschuss überwiesen.

162    Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich somit, dass ihre Anwendung voraussetzt, dass ein Abgeordneter oder ein ehemaliger Abgeordneter einen Antrag auf Schutz der Vorrechte und der Immunität beim Präsidenten des Parlaments gestellt hat.

163    Im vorliegenden Fall haben die Kläger zum einen im Schreiben vom 20. Juni 2019 beim ehemaligen „Präsidenten des Parlaments [beantragt], gemäß Art. 8 Abs. 1 der [Geschäftsordnung] und nach Anhörung des Vorsitzenden des Rechtsausschusses dringend alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um [ihre] Vorrechte und [ihre] Immunität zu bestätigen“. Dieser Antrag war in Fettdruck hervorgehoben und bezog sich nicht auf die Art. 7 und 9 der Geschäftsordnung. Zum anderen haben die Kläger die oben genannten Maßnahmen aufgezählt, deren Erlass sie „insbesondere“ beantragten; hierzu gehörten der Schutz ihrer Vorrechte und ihrer Immunität (vgl. oben, Rn. 25).

164    Daher ist davon auszugehen, dass der vorgenannte Antrag auf Schutz der Vorrechte und der Immunität nicht gesondert gestellt wurde, sondern Teil des Antrags war, auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung – dem einzigen im Schreiben vom 20. Juni 2019 ausdrücklich genannten Artikel – dringend Maßnahmen zur Bestätigung der Vorrechte und der Immunität der Kläger zu ergreifen.

165    Zum anderen ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Kläger aus der Rechtsprechung, dass zwischen einem auf Art. 8 der Geschäftsordnung gestützten Antrag und einem auf die Art. 7 und 9 dieser Geschäftsordnung gestützten Antrag auf Schutz der Vorrechte und der Immunität zu unterscheiden ist (Beschluss vom 20. Januar 2021, Junqueras i Vies/Parlament, T‑734/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:15, Rn. 42 bis 46 sowie 57 und 61).

166    Da materiell kein von den Klägern ordnungsgemäß auf die Art. 7 und 9 der Geschäftsordnung gestützter Antrag auf Schutz der Vorrechte und der Immunität vorliegt, kann die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, den Klägern die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, nicht zur Folge gehabt haben, dass dieser Antrag nicht dem Parlament mitgeteilt und nicht an den zuständigen Ausschuss überwiesen wurde.

167    Nach alledem ist festzustellen, dass die Weigerung des ehemaligen Präsidenten des Parlaments, den Klägern die Eigenschaft als Europaabgeordnete zuzuerkennen, keine Handlung ist, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die die Interessen der Kläger im Sinne der oben in Rn. 74 angeführten Rechtsprechung beeinträchtigen können.

168    Die Nichtigkeitsklage gegen diese Weigerung ist daher unzulässig.

 Zur Anweisung vom 29. Mai 2019

169    Das Parlament trägt vor, dass die Anweisung vom 29. Mai 2019 lediglich eine informelle Praxis, die nie als verbindliche rechtliche Verpflichtung des Parlaments begriffen worden sei, vorübergehend aussetze. Somit entfalte diese Anweisung keine Rechtswirkungen gegenüber Dritten im Sinne von Art. 263 Abs. 1 AEUV.

170    Die Kläger treten dieser Unzulässigkeitseinrede mit der Begründung entgegen, dass die fragliche Praxis entgegen dem Vorbringen des Parlaments einen „wesentlichen Schritt“ darstelle, um es den gewählten Kandidaten gemäß Art. 3 Abs. 2 der Geschäftsordnung im Wesentlichen zu ermöglichen, ihr Amt anzutreten und ihr Mandat auszuüben.

171    Für den Zeitraum vom Tag der Wahl an bis zum Ende der Woche der ersten Sitzung nach den Wahlen zum Parlament besteht eine Praxis dieses Organs, den neu gewählten Kandidaten in seinen Räumlichkeiten einen besonderen Empfangsdienst anzubieten.

172    Dieser Dienst soll die gewählten Kandidaten vor Beginn ihres Mandats bei ihrer ersten Kontaktaufnahme mit dem Parlament unterstützen und ihren Amtsantritt so weit wie möglich erleichtern.

173    In der mündlichen Verhandlung hat das Parlament erklärt, dass die gewählten Kandidaten im Rahmen des besonderen Empfangsdienstes zunächst entweder eine einstweilige Akkreditierung mit einer vorläufigen Zugangskarte, die ihnen den Zugang zu den Räumlichkeiten des Parlaments ermögliche, oder eine endgültige Akkreditierung mit einer endgültigen Zugangskarte erhielten, wenn der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besäßen, dem Parlament bereits die offizielle Mitteilung über die Ergebnisse der Europawahlen gemäß Art. 3 der Geschäftsordnung übersandt habe. Sodann hätten die gewählten Kandidaten Zugang zu thematischen Ständen, die ihnen Informationen u. a. zu den durchzuführenden Verwaltungsformalitäten und zu finanziellen Fragen vermittelten. Schließlich hat das Parlament darauf hingewiesen, dass es den gewählten Kandidaten obliege, sich direkt mit den Verwaltungsdienststellen des Organs in Verbindung zu setzen, um die für ihren Amtsantritt erforderlichen administrativen Schritte vorzunehmen.

174    Außerdem werde die endgültige Zugangskarte für Kandidaten, deren Wahl dem Parlament offiziell mitgeteilt worden sei, erst mit der Eröffnung der ersten Sitzung nach den Wahlen, die die neue Legislaturperiode einleite, wirksam.

175    Schließlich wies das Parlament darauf hin, dass das vom Rechtsausschuss des Parlaments auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 3 der Geschäftsordnung durchgeführte Verfahren zur Prüfung der Mandate in der Praxis ebenfalls nach der Eröffnung der ersten Sitzung nach den Wahlen beginne. Während dieses Zeitraums der Prüfung der Mandate, der mehrere Monate dauern könnte, könnten die gewählten Kandidaten dem Ausschuss jedwede zweckdienlichen Informationen oder Unterlagen, wie etwa die Unvereinbarkeitserklärung, übermitteln.

176    Hierzu hat das Parlament auf eine Frage des Gerichts bestätigt, dass Art. 3 Abs. 2 der Geschäftsordnung zwar vorsehe, dass die Unvereinbarkeitserklärung „soweit möglich“ spätestens sechs Tage vor der Eröffnung der ersten Sitzung nach den Wahlen abzugeben sei, dass es sich dabei aber keineswegs um eine Verpflichtung handele.

177    Im vorliegenden Fall hat das Parlament nach den Wahlen vom 26. Mai 2019 im „welcome village“ seiner Räumlichkeiten in Brüssel (Belgien) und in Straßburg (Frankreich) den besonderen Empfangsdienst eingerichtet; dieser bestand bis zum 4. Juli 2019.

178    Mit einer vom ehemaligen Präsidenten des Parlaments mündlich erlassenen Anweisung vom 29. Mai 2019 beschloss dieser zum einen, die Gewährung vorübergehender Akkreditierungen an die in Spanien gewählten Kandidaten einzustellen und die einigen dieser Kandidaten bereits gewährten Akkreditierungen auszusetzen, und zum anderen, ihnen den Zugang zum „welcome village“ bis zur offiziellen Mitteilung des Ergebnisses der Wahlen vom 26. Mai 2019 durch die spanischen Behörden zu versagen. Wie aus einer E‑Mail des ehemaligen Präsidenten des Parlaments vom 30. Mai 2019, die das Parlament als Anlage zur Unzulässigkeitseinrede vom 19. September 2019 vorgelegt hat, hervorgeht, bestand das Ziel dieser Anweisung darin, angesichts der Tatsache, dass die Wahlergebnisse noch nicht endgültig waren und die Auszählung der Stimmen noch nicht abgeschlossen war, nicht in das nationale Wahlverfahren einzugreifen.

179    Erstens ist in Anbetracht des Wortlauts der Anweisung vom 29. Mai 2019, wie er in der vorgenannten E‑Mail erläutert worden ist, davon auszugehen, dass der ehemalige Präsident des Parlaments eine interne Organisationsmaßnahme erlassen hat, die nur so lange vorläufige Wirkungen entfalten sollte, bis die endgültigen Ergebnisse der Wahlen in Spanien und die offizielle Mitteilung dieser Ergebnisse an das Parlament durch die spanischen Behörden vorlägen.

180    Zweitens hat die Anweisung vom 29. Mai 2019 entgegen dem Vorbringen der Kläger in keiner Weise die Entscheidung vorweggenommen, ob für die in Spanien gewählten Kandidaten die Möglichkeit besteht, eine endgültige Akkreditierung und eine endgültige Zugangskarte zu erhalten, um ab der Eröffnung der ersten Sitzung nach den Europawahlen ihre Sitze im Parlament einnehmen zu können. Aus den oben in den Rn. 117, 118, 129 und 130 dargelegten Erwägungen und den oben in den Rn. 173 bis 175 wiedergegebenen Erläuterungen des Parlaments in der mündlichen Verhandlung ergibt sich nämlich, dass die endgültige Akkreditierung und die endgültige Zugangskarte vom Parlament erst nach Erhalt der genannten offiziellen Mitteilung der Wahlergebnisse gemäß Art. 3 der Geschäftsordnung gewährt werden können.

181    Selbst wenn man drittens davon ausginge, dass die Kläger, wie sie behaupten, nicht in der Lage gewesen sein sollten, die Unvereinbarkeitserklärung und die Erklärung über die finanziellen Interessen gemäß Art 3 der Geschäftsordnung bzw. Art. 4 des Anhangs I dieser Geschäftsordnung abzugeben, da sie keinen Zugang zum „welcome village“ hatten, in dem die hierfür erforderlichen Formulare verteilt wurden, so war dieser Umstand jedenfalls nicht geeignet, ihre Möglichkeit zu beeinträchtigen, ab der Eröffnung der ersten Sitzung nach den Europawahlen ihre Sitze im Parlament einzunehmen.

182    Zum einen ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1, 2 und 3 der Geschäftsordnung, dass während des Verfahrens zur Prüfung der Mandate im Parlament nur diejenigen gewählten Kandidaten ihre Sitze im Parlament einnehmen können, deren Namen auf der von den nationalen Behörden übermittelten Liste mit den Wahlergebnissen aufgeführt sind (vgl. oben, Rn. 109 bis 114). Zum anderen kann die Unvereinbarkeitserklärung gemäß Art. 3 Abs. 2 der Geschäftsordnung, wie das Parlament in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, jedenfalls nach Eröffnung der ersten Sitzung nach den Europawahlen erfolgen (vgl. oben, Rn. 175 und 176).

183    Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Kläger nicht behauptet haben, dass die Anweisung vom 29. Mai 2019 es den in Spanien gewählten Kandidaten untersagt habe, dem Parlament die Unvereinbarkeitserklärung und die Erklärung über die finanziellen Interessen zu übermitteln. Im Übrigen richtete sich diese Anweisung nicht an die in Spanien gewählten Kandidaten, sondern an den Generalsekretär des Organs (vgl. oben, Rn. 18).

184    Entgegen dem Vorbringen der Kläger hat die Anweisung vom 29. Mai 2019 sie daher nicht daran gehindert, die in Art. 3 Abs. 2 und 3 der Geschäftsordnung genannten, für ihren Amtsantritt und ihre Mandatsausübung erforderlichen administrativen Schritte vorzunehmen, nämlich die Unvereinbarkeitserklärung und die Erklärung über die finanziellen Interessen abzugeben.

185    Nach alledem hat die Anweisung vom 29. Mai 2019 nicht dazu geführt, dass es den Klägern unmöglich gewesen wäre, ihr Amt anzutreten, ihre Sitze im Parlament einzunehmen und ihr Mandat ab der Eröffnung der ersten Sitzung nach den Wahlen, d. h. ab dem 2. Juli 2019, auszuüben. Allenfalls hat diese Anweisung den Klägern vom Zeitpunkt ihres Erlasses bis zum 17. Juni 2019, als die spanischen Behörden dem Parlament die Wahlergebnisse offiziell mitteilten, die Unterstützung des Parlaments zum Zweck ihres Amtsantritts vorenthalten.

186    Daraus folgt, dass die Anweisung vom 29. Mai 2019 in Anbetracht ihres Inhalts, ihres vorläufigen Charakters und des Kontexts ihres Erlasses keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugt hat, die die Interessen der Kläger im Sinne der oben in Rn. 74 angeführten Rechtsprechung beeinträchtigen konnten.

187    Die Nichtigkeitsklage gegen die Anweisung vom 29. Mai 2019 ist daher unzulässig.

188    Nach alledem ist festzustellen, dass die vorliegende Klage nicht gegen gemäß Art. 263 AEUV anfechtbare Handlungen gerichtet und daher als unzulässig abzuweisen ist, ohne dass über die weiteren vom Parlament vorgebrachten Unzulässigkeitseinreden entschieden zu werden braucht.

 Kosten

189    Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

190    Da die Kläger mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag des Parlaments ihre eigenen Kosten sowie die Kosten aufzuerlegen, die dem Parlament vor dem Gericht im vorliegenden Verfahren sowie in den Rechtssachen T‑388/19 R und T‑388/19 R-RENV sowie vor dem Gerichtshof in der Rechtssache C‑646/19 P(R) entstanden sind.

191    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung trägt das Königreich Spanien seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2.      Herr Carles Puigdemont i Casamajó und Herr Antoni Comín i Oliveres tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten des Europäischen Parlaments einschließlich der Kosten im Rahmen der Rechtssachen T388/19 R, C646/19 P(R) und T388/19 R-RENV.

3.      Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.

Marcoulli

Frimodt Nielsen

Schwarcz

Iliopoulos

 

      Norkus

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. Juli 2022.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Englisch.