Language of document : ECLI:EU:T:2023:719

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

15. November 2023(*)

„Unionsmarke – Internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union – Wortmarke THE SCIENCE OF CARE – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 – Begründungspflicht – Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001“

In der Rechtssache T‑97/23,

Medela Holding AG mit Sitz in Baar (Schweiz), vertreten durch Rechtsanwälte M. Hartmann, S. Fröhlich und H. Lerchl,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Ringelhann und M. Eberl als Bevollmächtigte,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli, des Richters J. Schwarcz (Berichterstatter) und der Richterin V. Tomljenović,

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und der Entscheidung gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Medela Holding AG, die Aufhebung der Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 2. Dezember 2022 (Sache R 1163/2022-4) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 24. August 2021 wurde für die Klägerin beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) unter der Nr. 1635852 für die Wortmarke THE SCIENCE OF CARE eine internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union vorgenommen. Die internationale Registrierung beruhte auf der Eintragung Nr. 786185 in der Schweiz.

3        Der Markenschutz wurde beim EUIPO u. a. für folgende Dienstleistungen der Klasse 44 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Vermietung von Brustpumpen und Vakuumpumpen; Beratungs- und Informationsdienstleistungen zu medizinischen Produkten; Beratungsdienste in Bezug auf medizinische Apparate und Instrumente“.

4        Mit Entscheidung vom 9. Juni 2022 verweigerte der Prüfer zum Teil den beantragten Schutz der Marke, u. a. für die oben in Rn. 3 genannten Dienstleistungen, auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, Rn. 1).

5        Am 1. Juli 2022 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers beim EUIPO Beschwerde ein.

6        Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer die Beschwerde mit der Begründung zurück, die angemeldete Marke habe keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 u. a. für die oben in Rn. 3 genannten Dienstleistungen der Klasse 44 sowie für die Dienstleistungen „Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; Beratungs- und Informationsdienstleistungen zu medizinischen Produkten; medizinische Beratung; fachliche Beratung im Bereich der Medizintechnik, medizinischen Chirurgie und Orthopädie“, die ebenfalls der Klasse 44 angehörten. Da die maßgeblichen Verkehrskreise aus englischsprachigen Verbrauchern der Europäischen Union bestünden, stellte die Beschwerdekammer insbesondere fest, dass die Struktur der angemeldeten Marke grammatikalisch korrekt und syntaktisch nicht ungewöhnlich sei. Die Beschwerdekammer kam unter Berufung auf die Definition der Wörter „science“ und „care“ zu dem Ergebnis, dass die angemeldete Marke eine rein anpreisende Information enthalte, die darauf hinweise, dass es sich bei den in Rede stehenden Dienstleistungen um Gesundheitsdienstleistungen handle, die von fachkundigem Personal des Gesundheitswesens zum Nutzen von Kranken erbracht würden. Nach Ansicht der Beschwerdekammer nehmen die maßgeblichen Verkehrskreise die angemeldete Marke in Bezug auf die in Rede stehenden Dienstleistungen nicht als eine Herkunftsangabe wahr, sondern allein als eine gewöhnliche anpreisende Botschaft von großer Banalität, die keine Interpretationsbemühungen erfordere bzw. keine kognitiven Prozesse bei den betroffenen Verkehrskreisen in Gang setze und daher nicht unterscheidungskräftig sein könne.

7        Nachdem die angefochtene Entscheidung ergangen war, informierte die WIPO das EUIPO mit Mitteilung vom 20. Januar 2023 darüber, dass das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der angemeldeten Marke im Anschluss an die teilweise Zurückweisung der schweizerischen Markenanmeldung, die der internationalen Registrierung zugrunde lag, eingeschränkt worden war.

 Anträge der Parteien

8        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit mit ihr die Beschwerde in Bezug auf die Dienstleistungen „Vermietung von Brustpumpen und Vakuumpumpen; Beratungs- und Informationsdienstleistungen zu medizinischen Produkten; Beratungsdienste in Bezug auf medizinische Apparate und Instrumente“ zurückgewiesen wurde;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

9        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Streitgegenstand

10      Die Klägerin beantragt, die angefochtene Entscheidung teilweise aufzuheben, soweit darin der Schutz der angemeldeten Marke in Bezug auf die oben in Rn. 3 genannten Dienstleistungen, nämlich die „Vermietung von Brustpumpen und Vakuumpumpen; Beratungs- und Informationsdienstleistungen zu medizinischen Produkten; Beratungsdienste in Bezug auf medizinische Apparate und Instrumente“ der Klasse 44, versagt wurde.

11      In der Klageschrift führt die Klägerin aus, dass die der internationalen Registrierung zugrundeliegende schweizerische Marke bereits vor Erlass der angefochtenen Entscheidung in der Klasse 44 eingeschränkt worden sei. Diese Einschränkung habe u. a. eine Änderung der Beschreibung „Beratungs- und Informationsdienstleistungen zu medizinischen Produkten; Beratungsdienste in Bezug auf medizinische Apparate und Instrumente“ zur Folge gehabt, die nun wie folgt laute: „Beratungs- und Informationsdienstleistungen in Bezug auf Saug- und Therapiegeräte für medizinische Zwecke, Vakuumpumpen für medizinische Zwecke, medizinische Geräte für Druckluft, Vakuum, Sauerstoff und andere medizinische Gase, Diagnosegeräte für medizinische Zwecke, Analysegeräte für medizinische Zwecke, einschließlich Analysegeräte für Muttermilch, Geburtshilfegeräte, Saugglocken, Geburtszangen, Inkubatoren für Neugeborene, Lampen, Ultraviolettlampen und Fototherapielampen für medizinische Zwecke, Brustpumpen und deren Bestandteile, Brustpumpenmembranen, Brusthauben, Brustpumpenventile, Beutel und Behälter zum Auffangen, Einfrieren, Aufbewahren, Transportieren, Aufwärmen und Verfüttern von Muttermilch für medizinische Zwecke, Flaschensauger, Flaschensauger für medizinische Zwecke, Apparate, Instrumente und Hilfsmittel zur Aufnahme von Nahrung und Medikamenten insbesondere für Frühgeborene, Säuglinge und Kinder für medizinische Zwecke, Brustwarzenschutz, Brustwarzenformer, Brusthütchen, Brustpflegeprodukte für medizinische Zwecke, Beutel und Behälter zum Dampfreinigen und Sterilisieren für medizinische Zwecke, Kühlbeutel für medizinische Zwecke, Schnuller; Clips für Schnuller, Schnullerbänder, Schnullerketten, Beißringe zum Erleichtern des Zahnens, Beißringe zum Erleichtern des Zahnens für medizinische Zwecke, Milch- und Schoppenflaschen sowie dazugehörige Accessoires, Saugflaschen, Saugflaschenverschlüsse, Medizinlöffel, Thermometer für medizinische Zwecke, Nasenpümpchen, Griffe für Babyflaschen“.

12      Grundsätzlich kann sich eine Einschränkung des Verzeichnisses der von einer Markenanmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen, die nach dem Erlass der vor dem Gericht angefochtenen Entscheidung der Beschwerdekammer erfolgt, nicht auf die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung auswirken; nur über diese Entscheidung wird vor dem Gericht gestritten (vgl. Urteil vom 22. November 2018, The Vianel Group/EUIPO – Viania Dessous [VIANEL], T‑724/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:825, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

13      Jedoch kann die Erklärung des Anmelders einer Marke nach dem Erlass der Entscheidung der Beschwerdekammer, er ziehe seinen Antrag für bestimmte zunächst erfasste Waren zurück, als Erklärung, dass die angefochtene Entscheidung nur insoweit angegriffen werde, als sie die verbleibenden in Rede stehenden Waren erfasse, oder in einem Fall, in dem diese Erklärung in einem fortgeschrittenen Stadium des Verfahrens vor dem Gericht abgegeben wurde, als Teilrücknahme ausgelegt werden, wodurch der Streitgegenstand nicht geändert wird. So ist eine solche Einschränkung vom Gericht insofern zu berücksichtigen, als bei ihm beantragt wird, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beschwerdekammer nicht, soweit sie die aus diesem Verzeichnis zurückgezogenen Waren oder Dienstleistungen betrifft, sondern nur insoweit zu prüfen, als sie die übrigen in diesem Verzeichnis verbliebenen Waren oder Dienstleistungen betrifft (vgl. Urteil vom 1. Februar 2018, Aldi Einkauf/EUIPO – Schwamm & Cie. [Le Coq de France], T‑457/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:56, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

14      Wenn aber die Einschränkung des Verzeichnisses der von einer Unionsmarkenanmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen die vollständige oder teilweise Änderung der Beschreibung dieser Waren oder Dienstleistungen zum Gegenstand hat, ist nicht auszuschließen, dass sich diese Änderung auf die Prüfung der fraglichen Marke auswirkt, die die Dienststellen des EUIPO im Lauf des Verwaltungsverfahrens durchgeführt haben. Die betreffende Änderung im Stadium der Klage vor dem Gericht zuzulassen, hieße unter diesen Umständen, den Streitgegenstand im laufenden Verfahren zu ändern, was nach Art. 188 der Verfahrensordnung des Gerichts unzulässig ist (vgl. Urteil vom 1. Februar 2018, Le Coq de France, T‑457/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:56, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

15      Im vorliegenden Fall kann die dem EUIPO nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgeteilte, oben in den Rn. 7 und 11 beschriebene Einschränkung nicht als Ausschluss bestimmter, von der angemeldeten Marke ursprünglich erfasster Dienstleistungen ausgelegt werden, sondern stellt eine Änderung der Beschreibung dieser Dienstleistungen dar. Da nicht auszuschließen ist, dass sich eine solche Änderung auf die Prüfung der angemeldeten Marke auswirkt, kommt sie einer Änderung des Streitgegenstands vor der Beschwerdekammer gleich und kann daher im Verfahren vor dem Gericht nicht zugelassen werden. Das Gericht darf sie somit bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Februar 2018, Le Coq de France, T‑457/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:56, Rn. 24).

16      Für die Zwecke des vorliegenden Rechtsstreits beanstandet die Klägerin die angefochtene Entscheidung somit in Bezug auf folgende Dienstleistungen: „Vermietung von Brustpumpen und Vakuumpumpen; Beratungs- und Informationsdienstleistungen zu medizinischen Produkten; Beratungsdienste in Bezug auf medizinische Apparate und Instrumente“.

 Zur Zulässigkeit der erstmals vor dem Gericht vorgelegten Dokumente

17      Das EUIPO macht geltend, dass die Anlage K 8 zur Klageschrift ein neues Dokument sei, das erstmals vor dem Gericht vorgelegt worden sei. Daher sei dieses Dokument unzulässig.

18      Die Anlage K 8 besteht aus einem Auszug aus dem Medizinprodukterecht‑Durchführungsgesetz (MPDG), in dem der „Medizinprodukteberater“ definiert wird.

19      Dieses Dokument, das erstmals vor dem Gericht vorgelegt worden ist, kann nicht berücksichtigt werden. Denn die Klage beim Gericht ist auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 72 der Verordnung 2017/1001 gerichtet, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen. Somit ist das genannte Dokument zurückzuweisen, ohne dass seine Beweiskraft geprüft zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, EU:T:2005:420, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zur Begründetheit

20      Die Klägerin macht im Wesentlichen zwei Klagegründe geltend, und zwar erstens einen Verstoß gegen Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001

21      Nach Ansicht der Klägerin hat die Beschwerdekammer nicht alle Dienstleistungen der Klasse 44 geprüft, die von der angemeldeten Marke erfasst sind. Sie habe sie lediglich einer pauschalen Prüfung unterzogen, indem sie abstrakt auf den allgemeinen Begriff der „Gesundheitsdienstleistungen“ abgestellt habe. Eine pauschale Begründung sei jedoch nur dann zulässig, wenn zwischen den oben in Rn. 3 genannten Dienstleistungen und den Dienstleistungen „Medizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; medizinische Beratung; fachliche Beratung im Bereich der Medizintechnik, medizinischen Chirurgie und Orthopädie“ ein hinreichend direkter und konkreter Zusammenhang bestehe, was jedoch von der Beschwerdekammer nicht substantiiert festgestellt worden sei.

22      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

23      Nach Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 sind die Entscheidungen des EUIPO mit Gründen zu versehen. Diese Verpflichtung hat denselben Umfang wie jene, die sich aus Art. 296 Abs. 2 AEUV ergibt, der verlangt, dass die Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, aber nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte nennen muss, wobei die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts diesen Erfordernissen genügt, nicht nur anhand des entsprechenden Wortlauts, sondern auch anhand des Kontexts und sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu beurteilen ist (vgl. Urteil vom 28. Juni 2018, EUIPO/Puma, C‑564/16 P, EU:C:2018:509, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Wird die Eintragung einer Marke für verschiedene Waren oder Dienstleistungen beantragt, so muss die Beschwerdekammer in konkreter Weise prüfen, ob die Marke in Bezug auf jede dieser Waren oder Dienstleistungen unter keines der in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 aufgeführten Eintragungshindernisse fällt, und kann bei den betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Folglich ist die Beschwerdekammer, wenn sie die Eintragung einer Marke ablehnt, verpflichtet, in ihrer Entscheidung für jede der in der Anmeldung bezeichneten Waren und Dienstleistungen anzugeben, zu welchem Schluss sie gekommen ist, und zwar unabhängig davon, wie die Anmeldung formuliert ist. Wenn allerdings dasselbe Eintragungshindernis einer Kategorie oder einer Gruppe von Waren oder Dienstleistungen entgegengehalten wird, kann sich die zuständige Behörde auf eine globale Begründung für alle betroffenen Waren oder Dienstleistungen beschränken (vgl. Urteil vom 2. April 2009, Zuffa/HABM [ULTIMATE FIGHTING CHAMPIONSHIP], T‑118/06, EU:T:2009:100, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Bei verschiedenen Waren und Dienstleistungen ist eine globale Begründung der Beschwerdekammer nur für Waren und Dienstleistungen möglich, zwischen denen ein so hinreichend direkter und konkreter Zusammenhang besteht, dass sie eine Kategorie bilden, die so homogen ist, dass der gesamte Komplex der tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen, die die Begründung der in Rede stehenden Entscheidung darstellen, zum einen die Erwägungen der Beschwerdekammer für jede Ware oder Dienstleistung dieser Kategorie hinreichend deutlich macht und zum anderen ohne Unterschied auf jede der betreffenden Waren oder Dienstleistungen angewandt werden kann. Die bloße Tatsache, dass die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen zur selben Klasse des Nizzaer Abkommens gehören, genügt dafür nicht, da die Waren oder Dienstleistungen dieser Klassen oft sehr verschieden sind und nicht zwangsläufig ein hinreichend direkter und konkreter Zusammenhang zwischen ihnen besteht (vgl. Urteil vom 2. April 2009, ULTIMATE FIGHTING CHAMPIONSHIP, T‑118/06, EU:T:2009:100, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer in einem ersten Schritt festgestellt, dass alle in Rede stehenden Dienstleistungen, nämlich die oben in Rn. 3 genannten und die Dienstleistungen „Medizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; medizinische Beratung; fachliche Beratung im Bereich der Medizintechnik, medizinischen Chirurgie und Orthopädie“, speziell den Bereich der medizinischen Pflege von Menschen betreffen, und dann in einem zweiten Schritt, dass die angemeldete Marke dahin gehend als anpreisende Botschaft wahrgenommen werde, dass die von der Klägerin angebotenen Dienstleistungen von fürsorglichem Personal erbracht würden, das in der Lage sei, sich um kranke Menschen zu kümmern.

27      In Bezug auf „Medizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; fachliche Beratung im Bereich der Medizintechnik, medizinischen Chirurgie und Orthopädie“ beanstandet die Klägerin die angefochtene Entscheidung nicht.

28      Dennoch ist festzustellen, dass sowohl diese als auch die oben in Rn. 3 genannten Dienstleistungen einen Zusammenhang mit dem medizinischen Bereich und der menschlichen Gesundheit aufweisen.

29      Insoweit ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach die oben in Rn. 3 genannten Dienstleistungen keine Gesundheitsdienstleistungen seien, da sie, wie sich aus der Klageschrift ergebe, keine „Tätigkeiten betreffen, die Angehörige der Gesundheitsberufe typischerweise erbringen, und die sich auf die Diagnose, Vorbeugung oder Behandlung einer Krankheit und die Pflege der Gesundheit von Menschen beziehen“. Die Klägerin vertritt eine zu enge Auslegung des medizinischen Bereichs und der menschlichen Gesundheit, denn diese Begriffe können auch die Vermietung von Medizinprodukten für die Stillzeit und Beratungsdienstleistungen zum Umgang mit medizinischen Produkten, Apparaten und Instrumenten umfassen.

30      Außerdem hat die Klägerin im vorliegenden Fall nicht dargetan, dass alle im Verfahren vor der Beschwerdekammer in Rede stehenden Dienstleistungen von dieser bei der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht als eine Gruppe behandelt werden durften. Im vorliegenden Fall weisen alle diese Dienstleistungen untereinander keine solchen Unterschiede hinsichtlich ihrer Art, ihrer Merkmale und ihrer Bestimmung auf, dass sie nicht als hinreichend homogene Kategorie oder Gruppe von Dienstleistungen angesehen werden könnten, um eine derartige globale Begründung zu erlauben.

31      Daher ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer entgegen dem Vorbringen der Klägerin die oben in Rn. 3 genannten Dienstleistungen sowie die Dienstleistungen „Medizinische Dienstleistungen; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen; fachliche Beratung im Bereich der Medizintechnik, medizinischen Chirurgie und Orthopädie“ berücksichtigt und zu Recht festgestellt hat, dass alle diese Dienstleistungen eine hinreichende Homogenität aufweisen, um sie global prüfen zu können, ohne gegen ihre Pflicht zur Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verstoßen.

32      Daher ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001

33      Mit ihrem zweiten Klagegrund wendet sich die Klägerin gegen die Feststellung der Beschwerdekammer, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft habe. Sie ist der Ansicht, dass die Beschwerdekammer die Eintragungskriterien für Werbeslogans falsch angewendet hat.

34      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

35      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen. Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung finden die Vorschriften von Art. 7 Abs. 1 auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen.

36      Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 bedeutet, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Keine Unterscheidungskraft im Sinne der oben genannten Bestimmung haben Zeichen, die ungeeignet sind, die wesentliche Funktion der Marke zu erfüllen, nämlich auf die Herkunft der Ware oder der Dienstleistung hinzuweisen, damit der Verbraucher, der die durch die Marke bezeichnete Ware oder Dienstleistung erwirbt, bei einem späteren Erwerb seine Entscheidung davon abhängig machen kann, ob er gute oder schlechte Erfahrungen gemacht hat (vgl. Urteil vom 17. Januar 2017, Netguru/EUIPO [NETGURU], T‑54/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:9, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das ist namentlich bei Zeichen der Fall, die bei der Vermarktung der betreffenden Waren oder Dienstleistungen üblicherweise verwendet werden (vgl. Urteil vom 30. Juni 2004, Norma Lebensmittelfilialbetrieb/HABM [Mehr für Ihr Geld], T‑281/02, EU:T:2004:198, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2011, Freixenet/HABM, C‑344/10 P und C‑345/10 P, EU:C:2011:680, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Darüber hinaus ist nach ständiger Rechtsprechung die Eintragung einer Marke, die aus Zeichen oder Angaben besteht, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen, auf die sich diese Marke bezieht, verwendet werden, nicht schon wegen dieser Verwendung ausgeschlossen. Jedoch ist eine Marke, die wie ein Werbeslogan andere Funktionen als die einer Marke im herkömmlichen Sinne erfüllt, nur dann unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001, wenn sie unmittelbar als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden kann, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Waren und Dienstleistungen des Markeninhabers ohne Verwechslungsgefahr von denen anderer betrieblicher Herkunft unterscheiden können (vgl. Urteil vom 22. März 2018, Dometic Sweden/EUIPO [MOBILE LIVING MADE EASY], T‑235/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:162, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer erstens im Wesentlichen festgestellt, dass sich die von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen der Klasse 44, darunter die im vorliegenden Fall in Rede stehenden, oben in Rn. 3 genannten, sowohl an die breite Öffentlichkeit als auch an den Fachverkehr mit jeweils erhöhter Aufmerksamkeit richten.

41      In diesem Zusammenhang macht die Klägerin geltend, dass sich die oben in Rn. 3 genannten Dienstleistungen an andere Verkehrskreise richteten als andere „klassische“ Gesundheitsdienstleistungen, bei denen hauptsächlich die Pflege und die Unterstützung von kranken Menschen im Fokus stehe. Nach Ansicht der Klägerin betreffen die Dienstleistungen, derentwegen sie sich gegen die angefochtene Entscheidung wendet, den geschulten Umgang mit einem medizinischen Apparat, Produkt oder Instrument und richten sich meist an medizinische Fachkräfte.

42      Dieses Vorbringen widerspricht nicht der oben in den Rn. 28 und 29 getroffenen Feststellung, dass die Dienstleistungen, in Bezug auf die die Klägerin die angefochtene Entscheidung beanstandet, auch selbst einen Zusammenhang mit dem medizinischen Bereich und der menschlichen Gesundheit aufweisen und sich daher an viele Patienten richten können und nicht ausschließlich an Fachkreise.

43      Dieses Vorbringen wirkt sich daher nicht auf die Feststellungen der Beschwerdekammer zu den maßgeblichen Verkehrskreisen aus.

44      Des Weiteren wendet sich die Klägerin nicht gegen die Würdigung der Beschwerdekammer, wonach sich die angemeldete Marke aus englischen Wörtern zusammensetzt und ihre Unterscheidungskraft folglich in Bezug auf die englischsprachigen Verbraucher in der Union zu prüfen ist. Im Übrigen enthalten die Akten nichts, was diese Würdigung in Frage stellen könnte.

45      Zweitens hat die Beschwerdekammer im Hinblick auf die Wortbestandteile der angemeldeten Marke das Wort „science“ mit Hilfe des Wörterbuchs Collins als „jede systematisch organisierte Gesamtheit von Wissen; Kompetenz oder Technik“ definiert. Das Wort „care“ bezeichne nach dem medizinischen Wörterbuch auf der Website „The Free Dictionary“ „die von Angehörigen der Gesundheitsberufe zum Wohl eines Patienten erbrachten Dienstleistungen“.

46      Die Beschwerdekammer hat sodann festgestellt, dass die grammatikalische Struktur des Ausdrucks der angemeldeten Marke korrekt sei und sie die syntaktischen Regeln einhalte. Unter Berücksichtigung der Definition der Wörter „science“ und „care“ sei das in Rede stehende Zeichen in seiner Gesamtheit dahin zu verstehen, dass es rein anpreisende Informationen darüber liefere, dass es sich bei den von der angemeldeten Marke umfassten Dienstleistungen um Gesundheitsdienstleistungen handle, die von kompetenten Angehörigen der Gesundheitsberufe zum Wohl von Kranken erbracht würden. Somit sei die angemeldete Marke ein Slogan, der keinen für das Verständnis notwendigen kognitiven Prozess auslöse.

47      Die Klägerin trägt vor, dass die angemeldete Marke keine banale Botschaft sei, sondern vielmehr eine originelle und prägnante Wortschöpfung, die Denkprozesse auslöse, die dieser Wortfolge das erforderliche Maß an Unterscheidungskraft verliehen. Der Ausdruck „the science of care“ habe keinen sprachlichen oder begrifflichen Bezug zu einer existierenden Wissenschaft und werde auch nicht in der Alltagssprache verwendet. Bei dem Ausdruck handle es sich um ein ungewöhnliches Sprachspiel, das zwei grundverschiedene Worte miteinander verbinde: Während „care“ ein mehrdeutiger, aber sehr gebräuchlicher Begriff sei, sei der Begriff „science“ abstrakt und akademisch. Die Begriffe „science“ und „care“ seien äußerst vage und hätten für sich genommen zahlreiche Bedeutungen. Der Ausdruck habe somit eine fantasievolle und ungewöhnliche Wirkung, die einen Interpretationsaufwand erfordere.

48      Um zu beurteilen, ob eine Marke Unterscheidungskraft hat, ist auf den von ihr hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht zunächst die einzelnen Gestaltungselemente der Marke nacheinander geprüft werden könnten. Es kann sich nämlich als zweckmäßig erweisen, im Zuge der Gesamtbeurteilung jeden einzelnen Bestandteil der betreffenden Marke zu untersuchen (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2007, Develey/HABM, C‑238/06 P, EU:C:2007:635, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Was die Wörter „science“ und „care“ der angemeldeten Marke betrifft, konnte sich die Beschwerdekammer zu Recht auf deren Definition in englischen Wörterbüchern beziehen. Die Klägerin beanstandet diese Definitionen nicht, hebt jedoch hervor, dass das Wort „care“ mehrdeutig und sehr gebräuchlich sei.

50      Das englische Wort „care“ kann zwar eine Bedeutung außerhalb des Gesundheitsbereichs haben, jedoch kann es in Verbindung mit den Dienstleistungen „Vermietung von Brustpumpen und Vakuumpumpen; Beratungs- und Informationsdienstleistungen zu medizinischen Produkten; Beratungsdienste in Bezug auf medizinische Apparate und Instrumente“ der Gesundheitspflege zugeordnet werden.

51      In Anbetracht der von der Beschwerdekammer festgestellten Definitionen könnte der Ausdruck „the science of care“, in seiner Gesamtheit und unter Berücksichtigung der vor dem EUIPO in Rede stehenden Dienstleistungen betrachtet, von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Gesamtheit des Wissensbestands in Bezug auf das Wohlbefinden und die Gesundheit einer Person verstanden werden. Diese Feststellung wird nicht durch das Vorbringen der Klägerin entkräftet, wonach der richtige englische Fachbegriff für den Bereich der Wissenschaft, der sich mit der Pflege von kranken Menschen befasse, „nursing science“ oder „medicine“ hieße.

52      Angesichts des Umstands, dass der Ausdruck „the science of care“ im Hinblick auf die syntaktischen, grammatikalischen, phonetischen oder semantischen Regeln des Englischen keinen ungewöhnlichen Charakter aufweist, enthält dieser Ausdruck daher eine einfache, klare und unzweideutige Aussage, die ihm weder eine besondere Originalität oder Prägnanz verleiht noch ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordert oder einen Denkprozess auslöst und die infolgedessen nicht geeignet ist, die maßgeblichen Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft der Dienstleistungen hinzuweisen, in Bezug auf die die Klägerin die angefochtene Entscheidung beanstandet.

53      Unter diesen Umständen hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass die angemeldete Marke ein Slogan ist, der rein anpreisende Informationen liefert und keinen für das Verständnis notwendigen kognitiven Prozess auslöst, so dass die Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 hat.

54      Der zweite Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen und die Klage somit in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

55      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

56      Die Klägerin ist zwar unterlegen, das EUIPO hat ihre Verurteilung zur Tragung der Kosten jedoch nur für den Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Da keine mündliche Verhandlung anberaumt wurde, ist zu entscheiden, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Marcoulli

Schwarcz

Tomljenović

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. November 2023.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

M. van der Woude


*      Verfahrenssprache: Deutsch.