Language of document : ECLI:EU:T:2012:605

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

16. November 2012(*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Wettbewerb – Veröffentlichung einer Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Ablehnung des Antrags auf vertrauliche Behandlung von Informationen, die der Kommission gemäß der Kronzeugenmitteilung übermittelt wurden – Antrag auf einstweilige Anordnungen – Dringlichkeit – Fumus boni iuris – Interessenabwägung“

In der Rechtssache T‑345/12 R

Akzo Nobel NV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande),

Akzo Nobel Chemicals Holding AB mit Sitz in Nacka (Schweden),

Eka Chemicals AB mit Sitz in Bohus (Schweden),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Swaak und R. Wesseling,

Antragstellerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch C. Giolito, M. Kellerbauer und G. Meessen als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses C(2012) 3533 final der Kommission vom 24. Mai 2012, mit dem ein von Akzo Nobel NV, Akzo Nobel Chemicals Holding AB und Eka Chemicals AB nach Art. 8 des Beschlusses 2011/695/EU des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren gestellter Antrag auf vertrauliche Behandlung abgelehnt wurde (Sache COMP/38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat) sowie einstweiliger Anordnungen zwecks Beibehaltung der für bestimmte Angaben zu den Antragstellerinnen hinsichtlich der Entscheidung 2006/903/EG der Kommission vom 3. Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen gegen Akzo Nobel NV, Akzo Nobel Chemicals Holding AB, EKA Chemicals AB, Degussa AG, Edison SpA, FMC Corporation, FMC Foret S.A., Kemira OYJ, L’Air Liquide SA, Chemoxal SA, Snia SpA, Caffaro Srl, Solvay SA/NV, Solvay Solexis SpA, Total SA, Elf Aquitaine SA und Arkema SA (Sache COMP/F/C.38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat) (ABl. L 353, S. 54) gewährten vertraulichen Behandlung,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

 Vorgeschichte des Rechtsstreits, Verfahren und Anträge der Parteien

1        Gegenstand des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Beschluss C(2012) 3533 der Kommission vom 24. Mai 2012, mit dem ein von der Akzo Nobel NV, der Akzo Nobel Chemicals Holding AB und der Eka Chemicals AB nach Art. 8 des Beschlusses 2011/695/EU des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren gestellter Antrag auf vertrauliche Behandlung abgelehnt wurde (Sache COMP/38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

2        Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte die Europäische Kommission den Antrag auf Beibehaltung der im September 2007 auf der Internetseite der Generaldirektion „Wettbewerb“ veröffentlichten nichtvertraulichen Fassung der Entscheidung 2006/903/EG der Kommission vom 3. Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen gegen Akzo Nobel, Akzo Nobel Chemicals Holding, EKA Chemicals, Degussa AG, Edison SpA, FMC Corporation, FMC Foret S.A., Kemira OYJ, L’Air Liquide SA, Chemoxal SA, Snia SpA, Caffaro Srl, Solvay SA/NV, Solvay Solexis SpA, Total SA, Elf Aquitaine SA und Arkema SA (Sache COMP/F/C.38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat) (ABl. L 353, S. 54, im Folgenden: Entscheidung aus 2006) ab.

3        In der Entscheidung aus 2006 hatte die Kommission eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt, die von den Antragstellerinnen, Akzo Nobel, Akzo Nobel Chemicals Holding und Eka Chemicals, sowie von 14 weiteren Unternehmen zwischen 1994 und 2000 im Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) in Bezug auf Wasserstoffperoxid und Perborat begangen wurde. Für eine der Antragstellerinnen, Eka Chemicals, verminderte sich die Geldbuße, die sonst verhängt worden wäre, um 40 %, da sie das zweite Unternehmen war, das im März 2003 mit der Kommission gemäß der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Kronzeugenmitteilung) Kontakt aufnahm und der Kommission Beweismittel lieferte, die einen erheblichen Mehrwert gegenüber den Beweismitteln aufwiesen, die bereits im Besitz der Kommission waren. Daher wurden die drei Antragstellerinnen gesamtschuldnerisch mit einer Geldbuße von 25,2 Mio. Euro belegt.

4        Unter Berücksichtigung der Anträge auf vertrauliche Behandlung, die von den Adressaten der Entscheidung aus 2006 gestellt worden waren, veröffentlichte die Kommission im September 2007 eine nichtvertrauliche Langfassung dieser Entscheidung auf ihrer Internetseite. Die Antragstellerinnen beanstandeten diese Veröffentlichung nicht.

5        Mit Schreiben vom 28. November 2011 teilte die Kommission den Antragstellerinnen mit, dass sie beabsichtige, aus Gründen der Transparenz eine erweiterte nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung aus 2006 zu veröffentlichen, und gab ihnen Gelegenheit, etwaige vertrauliche Angaben im vorgeschlagenen Text zu benennen. Nachdem die Antragstellerinnen festgestellt hatten, dass ein Großteil der vorgeschlagenen erweiterten Fassung Informationen enthielt, die gemäß der Kronzeugenmitteilung übermittelt worden und im September 2007 aus Gründen der Vertraulichkeit nicht veröffentlicht worden waren, sprachen sie sich förmlich gegen den Vorschlag der Kommission aus und machten zur Begründung geltend, dieser schade ihren Interessen in schwerer und nicht wiedergutzumachender Weise. Sie legten jedoch unter Vorbehalt eine Liste mit Vertraulichkeitsanträgen vor, in der sie die Passagen der vorgeschlagenen erweiterten Fassung hervorhoben, die in jedem Fall vertraulich bleiben müssten.

6        Mit Schreiben vom 15. März 2012 teilte die Kommission den Antragstellerinnen ihre Absicht mit, ihren Widerspruch zu übergehen, und übermittelte ihnen einen überarbeiteten Entwurf der erweiterten Fassung der Entscheidung aus 2006. Sie ließ sie wissen, dass dieser überarbeitete Entwurf ihren endgültigen Standpunkt zu den Vertraulichkeitsanträgen widerspiegle, da alle Angaben, aus denen die Herkunft der im Zusammenhang mit der Kronzeugenmitteilung gelieferten Informationen ermittelt werden könne, geschwärzt worden seien. Für den Fall, dass die Antragstellerinnen nicht einverstanden seien, stellte die Kommission ihnen anheim, sich gemäß dem Beschluss 2011/695/EU des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren (ABl. L 275, S. 29) an den Anhörungsbeauftragten zu wenden.

7        Mit Schreiben vom 10. April 2012 teilten die Antragstellerinnen dem Anhörungsbeauftragten mit, dass sie mit der Veröffentlichung einer nichtvertraulichen Fassung der Entscheidung aus 2006, die ausführlicher sei als die im September 2007 veröffentlichte Fassung, nicht einverstanden seien, und ersuchten ihn, die Veröffentlichung jeglicher auf der Grundlage der Kronzeugenmitteilung gelieferten Informationen zu verhindern. Hierzu machten sie einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes geltend, da eine nichtvertrauliche Fassung nach gegenseitiger Abstimmung bereits im Jahr 2007 veröffentlicht worden sei. Außerdem behaupten sie, auf die vertrauliche Behandlung der freiwillig gemäß der Kronzeugenmitteilung gelieferten Informationen vertraut zu haben, da die Kommission daran gehindert sei, mit rückwirkender Wirkung von ihrer alten Praxis, nämlich die Vertraulichkeit solcher Informationen zu schützen, abzuweichen.

8        In der angefochtenen Entscheidung, die „[f]ür die Kommission“ unterzeichnet wurde, lehnte der Anhörungsbeauftragte den von den Antragstellerinnen gestellten Antrag auf vertrauliche Behandlung ab. Er wies darauf hin, dass sein Tätigwerden darauf beschränkt sei, zu ermitteln, ob die in Rede stehenden Informationen offengelegt werden dürften, weil sie weder Geschäftsgeheimnisse noch sonstige vertrauliche Angaben enthielten oder weil ein übergeordnetes Interesse an der Offenlegung bestehe. Außerdem führte er an, dass die Antragstellerinnen nicht behaupteten, die erweiterte Fassung der Entscheidung aus 2006 enthalte vertrauliche Informationen oder Geschäftsgeheimnisse, sondern mit der Veröffentlichung dieser Fassung allein deshalb nicht einverstanden seien, weil sie gemäß der Kronzeugenmitteilung gelieferte Informationen enthalte, obwohl sie nicht nachgewiesen hätten, dass die Offenlegung dieser Informationen ihnen schweren Schaden zufügen könnte, was die Kommission übrigens, selbst wenn dies der Fall wäre, nicht daran hindern würde, die geplante Veröffentlichung vorzunehmen.

9        Der angefochtene Beschluss wurde den Antragstellerinnen am 28. bzw. 29. Mai 2012 zugestellt.

10      Mit E-Mail vom 31. Mai 2012 ließ die Kommission die Antragstellerinnen wissen, dass der angefochtene Beschluss ihren endgültigen Standpunkt zu dieser Frage darstelle.

11      Mit Klageschrift, die am 3. August 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Antragstellerinnen Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses erhoben, und zwar nicht nur insoweit, als die Kommission in diesem Beschluss ihren Antrag auf vertrauliche Behandlung zurückgewiesen habe, sondern auch als der Beschluss dahin zu verstehen sei, dass er auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) Zugang zu bestimmten Informationen gewährt habe. Zur Begründung dieser Klage machen sie im Wesentlichen geltend, dass die streitige Veröffentlichung die Verpflichtung zur Vertraulichkeit, der die Kommission nach Art. 339 AEUV unterliege, sowie die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verletze, soweit die erweiterte Fassung der Entscheidung aus 2006 Informationen enthalte, die sie der Kommission übermittelt hätten, um in den Genuss der Kronzeugenregelung zu kommen.

12      Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht wurde, haben die Antragstellerinnen den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, in dem sie im Kern beantragen,

–        den Vollzug des angefochtenen Beschlusses gemäß Art. 105 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts bis zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, jedenfalls aber bis zur Entscheidung in der Hauptsache, auszusetzen,

–        soweit dieser Beschluss der Kommission gestattet, eine ausführlichere nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung aus 2006 zu veröffentlichen, und zu diesem Zweck der Kommission aufzugeben, die Veröffentlichung einer solchen Fassung zu unterlassen,

–        soweit dieser Beschluss nach der Verordnung Nr. 1049/2001 den Zugang zum vollständigen Wortlaut der Entscheidung aus 2006 gewähren sollte, und zu diesem Zweck der Kommission aufzugeben, die Gewährung eines solchen Zugangs zu unterlassen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

13      Mit Beschluss vom 7. August 2012 hat der Präsident des Gerichts die von den Antragstellerinnen beantragten einstweiligen Anordnungen gemäß Art. 105 § 2 der Verfahrensordnung erlassen.

14      In ihrer Stellungnahme zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, die am 26. September 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission beantragt,

–        den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen;

–        den Antragstellerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

15      Die Antragstellerinnen räumen zwar ein, dass sie nicht wissen, ob die Kommission tatsächlich einen Beschluss über den Zugang zum vollständigen Wortlaut der Entscheidung aus 2006 nach der Verordnung Nr. 1049/2001 erlassen habe, sind aber der Auffassung, dass der angefochtene Beschluss so ausgelegt werden könne, dass er eine stillschweigende Zugangsgewährung nach dieser Verordnung enthalte. Daher betreffe ihr Antrag auf einstweilige Anordnung den angefochtenen Beschluss nicht nur, soweit er die streitige Veröffentlichung gestatte, sondern auch, soweit er so aufgefasst werden könne, dass er nach der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang zu den vertraulichen Informationen gewähre, die sie der Kommission gemäß der Kronzeugenmitteilung geliefert hätten.

16      Die Kommission stellt klar, dass bis dato kein Beschluss vorliege, mit dem sie Zugang zu den streitigen Informationen nach der Verordnung Nr. 1049/2001 gewährt habe. Was den angefochtenen Beschluss betreffe, so sei er ausdrücklich nur auf die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) und den Beschluss 2011/695 gestützt.

17      Hierzu kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nur feststellen, dass weder der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnung noch die Klage einen Beschluss zum Gegenstand haben, der bereits von der Kommission nach der Verordnung Nr. 1049/2001 erlassen worden wäre. Nur aus reiner Vorsicht versuchen die Antragstellerinnen somit, den für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter zu veranlassen, der Kommission den Erlass eines solchen Beschlusses zu untersagen, was auf eine präventive Klage hinausläuft, die die Kommission am Handeln hindern soll. Die Befugnisse des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters beschränken sich darauf, eine gerichtliche Kontrolle über die von der Kommission bereits erlassenen Verwaltungshandlungen auszuüben, erstrecken sich aber nicht auf die Beurteilung von Fragen, zu denen dieses Organ noch nicht Stellung genommen hat. Eine solche Befugnis würde nämlich der Erörterung der sachlichen Probleme vorgreifen und das Verwaltungsverfahren mit dem gerichtlichen Verfahren vermischen; dies wäre mit dem System der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und den Gerichten der Europäischen Union unvereinbar (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 12. Juli 1996, Sogecable/Kommission, T‑52/96 R, Slg. 1996, II‑797, Randnr. 39). Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann demnach die Kommission von der Ausübung ihrer Verwaltungsbefugnisse, noch bevor sie die endgültige Handlung erlassen hat, deren Vollzug die Antragstellerinnen verhindern möchten, nur unter außergewöhnlichen Umständen abhalten (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 5. Dezember 2001, Reisebank/Kommission, T‑216/01 R, Slg. 2001, II‑3481, Randnr. 52), deren Vorliegen von den Antragstellerinnen hier nicht nachgewiesen worden ist.

18      Daher ist der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnung insoweit für unzulässig zu erklären, als er zum einen bezweckt, dass der Vollzug des angefochtenen Beschlusses ausgesetzt wird, soweit dieser nach der Verordnung Nr. 1049/2001 den Zugang zum vollständigen Wortlaut der Entscheidung aus 2006 gewähren soll, und zum anderen darauf gerichtet ist, der Kommission aufzugeben, die Gewährung eines solchen Zugangs zu unterlassen.

 Zur Begründetheit

19      Nach den Art. 278 AEUV und 279 AEUV in Verbindung mit Art. 256 Abs. 1 AEUV kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

20      Gemäß Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann somit die Aussetzung des Vollzugs anordnen und einstweilige Anordnungen treffen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne sind, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu erlassen und wirksam werden zu lassen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. Februar 2001, Österreich/Rat, C‑445/00 R, Slg. 2001, I‑1461, Randnr. 73).

21      Im Rahmen dieser Gesamtprüfung verfügt der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter über ein weites Ermessen und kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Rechtsvorschrift ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Juli 1995, Kommission/Atlantic Container Line u. a., C‑149/95 P[R], Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 23, und vom 3. April 2007, Vischim/Kommission, C‑459/06 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

22      Die Aktenstücke enthalten alle für die Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz erforderlichen Informationen. Es besteht somit kein Anlass zu einer vorherigen mündlichen Anhörung der Verfahrensbeteiligten.

23      Unter den Umständen des vorliegenden Falles sind zunächst die Interessen gegeneinander abzuwägen und ist zu prüfen, ob die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt ist.

 Zur Abwägung der Interessen und zur Dringlichkeit

24      Nach ständiger Rechtsprechung hat der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter bei der Abwägung der verschiedenen vorhandenen Interessen zu ermitteln, ob das Interesse der die einstweiligen Anordnungen beantragenden Partei an deren Erlass schwerer wiegt als das Interesse an einem sofortigen Vollzug des streitigen Rechtsakts, indem er prüft, ob die etwaige Nichtigerklärung dieses Rechtsakts durch das Gericht in der Hauptsache die Umkehrung der Lage erlauben würde, die durch seinen sofortigen Vollzug entstünde, und – umgekehrt – ob die Aussetzung des Vollzugs dieses Rechtsakts dessen volle Wirksamkeit behindern könnte, falls die Klage abgewiesen würde (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 11. Mai 1989, RTE u. a./Kommission, 76/89 R, 77/89 R und 91/89 R, Slg. 1989, 1141, Randnr. 15, und vom 26. Juni 2003, Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 R und C‑217/03 R, Slg. 2003, I‑6887, Randnr. 142).

25      Was speziell die erforderliche Umkehrbarkeit der durch eine einstweilige Anordnung geschaffenen Rechtslage betrifft, so ist zu berücksichtigen, dass der Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes allein darin besteht, die volle Wirksamkeit der künftigen Entscheidung zur Hauptsache zu gewährleisten (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. September 2004, Kommission/Akzo und Acros, C‑7/04 P[R], Slg. 2004, I‑8739, Randnr. 36). Dieses Verfahren steht somit in einem bloß akzessorischen Verhältnis zum Verfahren zur Hauptsache (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 12. Februar 1996, Lehrfreund/Rat und Kommission, T‑228/95 R, Slg. 1996, II‑111, Randnr. 61), mit der Folge, dass die Entscheidung des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters vorläufiger Natur sein muss und die Entscheidung zur Hauptsache weder vorwegnehmen noch ihr die praktische Wirksamkeit nehmen und sie dadurch sinnlos machen darf (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. Mai 1991, CIRFS u. a./Kommission, C‑313/90 R, Slg. 1991, I‑2557, Randnr. 24, und des Präsidenten des Gerichts vom 12. Dezember 1995, Connolly/Kommission, T‑203/95 R, Slg. 1995, II‑2919, Randnr. 16).

26      Daraus ergibt sich notwendig, dass das Interesse eines Verfahrensbeteiligten nicht schutzwürdig ist, soweit es darauf gerichtet ist, eine Entscheidung des für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richters zu erwirken, die nicht nur vorläufiger Natur wäre, sondern die Entscheidung zur Hauptsache vorwegnehmen und ihr die praktische Wirksamkeit nehmen und dadurch sinnlos machen würde. Aus demselben Grund wurde der auf „vorläufige“ Offenlegung angeblich vertraulicher Angaben der Kommission gerichtete Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz als unzulässig zurückgewiesen, da ein Beschluss, der diesem Antrag stattgegeben hätte, die Folgen der später zu treffenden Entscheidung zur Hauptsache vorweggenommen hätte (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 23. Januar 2012, Henkel und Henkel France/Kommission, T‑607/11 R, Randnrn. 23 bis 25).

27      Im vorliegenden Fall wird das Gericht im Verfahren zur Hauptsache zu entscheiden haben, ob der angefochtene Beschluss – durch den die Kommission das Begehren der Antragstellerinnen zurückgewiesen hat, die Veröffentlichung der streitigen Angaben zu unterlassen – insbesondere wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses nach Art. 339 AEUV und wegen Verkennung der Vertraulichkeit der Angaben, die die Antragstellerinnen der Kommission lieferten, um in den Genuss der Kronzeugenmitteilung zu kommen, für nichtig zu erklären ist. Dabei ist die praktische Wirksamkeit eines diesen Beschluss für nichtig erklärenden Urteils offensichtlich nur dann gewahrt, wenn die Antragstellerinnen in der Lage sind, die Kommission am Vollzug einer (rechtswidrigen) Veröffentlichung der streitigen Angaben zu hindern. Ein künftiges Nichtigkeitsurteil wäre hinfällig und verlöre seine praktische Wirksamkeit, wenn der vorliegende Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen würde, da der Kommission folglich die sofortige Veröffentlichung der betreffenden Angaben gestattet und somit de facto die Entscheidung zur Hauptsache im Sinne einer Abweisung der Nichtigkeitsklage vorweggenommen würde.

28      Diesen Erwägungen steht nicht entgegen, dass den Antragstellerinnen auch nach einer Veröffentlichung der streitigen Angaben voraussichtlich ein Rechtsschutzinteresse in Bezug auf die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses im Verfahren zur Hauptsache zuerkannt würde. Der Grund hierfür liegt u. a. darin, dass jede andere Auslegung die Zulässigkeit der Klage von der Verbreitung dieser Informationen durch die Kommission abhängig machen und ihr ermöglichen würde, durch die Schaffung vollendeter Tatsachen die Nichtigkeitsklage unzulässig zu machen und sich so der gerichtlichen Kontrolle zu entziehen, indem sie eine solche Verbreitung, obwohl sie rechtswidrig wäre, vornähme (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Oktober 2007, Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse/Kommission, T‑474/04, Slg. 2007, II‑4225, Randnrn. 39 bis 41). Dieses formal fortbestehende Rechtsschutzinteresse im Verfahren zur Hauptsache ändert aber nichts daran, dass ein Nichtigkeitsurteil nach Veröffentlichung der fraglichen Informationen für die Antragstellerinnen keine praktische Wirksamkeit mehr hätte.

29      Das Interesse der Kommission an einer Zurückweisung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz muss deshalb hinter dem Interesse der Antragstellerinnen zurücktreten, zumal der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnungen lediglich auf eine Aufrechterhaltung des langjährigen Status quo für einen begrenzten Zeitraum hinausliefe (vgl. in diesem Sinne Beschluss RTE u. a./Kommission, Randnr. 15; vgl. auch Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 16. November 2012, Evonik Degussa/Kommission, T‑341/12 R, Randnr. 24).

30      Der Schutz des von den Antragstellerinnen verfolgten Interesses erscheint dringlich, wenn ihnen bei Zurückweisung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen könnte. Insoweit tragen die Antragstellerinnen im Wesentlichen vor, dass die aus der Veröffentlichung der erweiterten Fassung resultierende Situation nicht mehr umkehrbar wäre. Wenn die vertraulichen Angaben einmal veröffentlicht seien, könnte eine spätere Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses wegen Verletzung des durch Art. 339 AEUV geschützten Berufsgeheimnisses die Wirkungen der Veröffentlichung nicht mehr rückgängig machen. Folglich wäre das Recht der Antragstellerinnen auf wirksamen Rechtsschutz nur eine „leere Hülle“, wenn die streitigen Informationen übermittelt würden, bevor der Rechtsstreit zur Hauptsache entschieden sei.

31      Dazu ist festzustellen, dass die Antragstellerinnen – falls sich im Verfahren zur Hauptsache herausstellen sollte, dass die von der Kommission geplante Veröffentlichung Angaben vertraulicher Natur enthält, deren Preisgabe gegen den Schutz des Berufsgeheimnisses verstößt – diese Bestimmung, die ihnen einen grundrechtlich untermauerten Anspruch verschafft, gegen diese Veröffentlichung geltend machen könnten.

32      Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Februar 2008, Varec (C‑450/06, Slg. 2008, I‑581, Randnrn. 47 f.), unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt hat, kann es zur Wahrung des Grundrechts eines Unternehmens auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) und Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2010, C 83, S. 389, im Folgenden: Grundrechtecharta) in der Tat erforderlich sein, die Veröffentlichung bestimmter, als vertraulich eingestufter Informationen zu untersagen, wobei der Begriff „Privatleben“ nicht dahin ausgelegt werden darf, dass die geschäftliche Tätigkeit einer juristischen Person hiervon ausgeschlossen wäre. Der Gerichtshof hat im Übrigen entschieden, dass dem betreffenden Unternehmen ein „außerordentlich schwerer Schaden“ entstehen könnte, wenn bestimmte Informationen zu Unrecht offengelegt würden (vgl. in diesem Sinne Urteil Varec, Randnr. 54).

33      Da die Kommission bei Zurückweisung des vorliegenden Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz die unverzügliche Veröffentlichung der streitigen Informationen vornehmen könnte, wäre in Bezug auf diese Angaben eine völlige Aushöhlung des Grundrechts der Antragstellerinnen auf Schutz ihres Berufsgeheimnisses gemäß Art. 339 AEUV, Art. 8 EMRK und Art. 7 der Grundrechtecharta zu erwarten. Gleichzeitig bestünde für die Antragstellerinnen die Gefahr einer Beeinträchtigung des in Art. 6 EMRK und Art. 47 der Grundrechtecharta verbürgten Grundrechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, wenn die Kommission diese Angaben veröffentlichen dürfte, bevor das Gericht zur Hauptsache entschieden hat. Die Antragstellerinnen könnten somit einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden in ihrer Grundrechtsposition erleiden. Vorbehaltlich der Prüfung der Voraussetzung eines etwaigen fumus boni iuris (vgl. zur engen Verbindung zwischen dieser zuletzt genannten Voraussetzung und der Voraussetzung der Dringlichkeit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 8. April 2008, Zypern/Kommission, T‑54/08 R, T‑87/08 R, T‑88/08 R und T‑91/08 R bis T‑93/08 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 56 f.) erscheint daher der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnungen dringend geboten (vgl. auch Beschluss Evonik Degussa/Kommission, Randnrn. 26 bis 28).

 Zum fumus boni iuris

34      Nach ständiger Rechtsprechung ist ein fumus boni iuris gegeben, wenn das Vorbringen des Antragstellers zumindest hinsichtlich eines einzigen Klagegrundes auf den ersten Blick erheblich und jedenfalls nicht ohne Grundlage erscheint, da er komplexe rechtliche Fragen aufwirft, die prima facie nicht für irrelevant erklärt werden können, sondern einer eingehenden Prüfung bedürfen, die nicht von dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter vorgenommen werden kann, sondern Gegenstand des Verfahrens zur Hauptsache sein muss, oder wenn ausweislich des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten eine bedeutsame rechtliche Kontroverse besteht, deren Lösung sich nicht ohne Weiteres aufdrängt (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 19. September 2012, Griechenland/Kommission, T‑52/12 R, Randnr. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. auch in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 8. Mai 2003, Kommission/Artegodan u. a., C‑39/03 P-R, Slg. 2003, I‑4485, Randnr. 40).

35      Im vorliegenden Fall weisen die Antragstellerinnen darauf hin, dass die nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung aus 2006, wie sie im Jahr 2007 veröffentlicht worden sei, das Ergebnis eines langwierigen Prozesses gewesen sei, in dessen Verlauf die Kommission zum einen das Berufsgeheimnis sowie das berechtigte Vertrauen von Unternehmen, die in den Genuss der Kronzeugenmitteilung gekommen seien, und zum anderen das öffentliche Interesse an Transparenz berücksichtigt habe, und machen geltend, dass die Kommission mit der Veröffentlichung einer erweiterten Fassung der Entscheidung aus 2006, die Informationen enthalte, die gemäß der Kronzeugenmitteilung übermittelt worden seien, gegen die Verpflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses nach Art. 339 AEUV, Art. 30 der Verordnung Nr. 1/2003 und Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 AEUV] und [102 AEUV] (ABl. L 123, S. 18) verstoße.

36      Unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofs vom 7. November 1985, Adams/Kommission (145/83, Slg. 1985, 3539, Randnr. 34), vertreten die Antragstellerinnen die Auffassung, dass freiwillig von Unternehmen mit der Bitte um Vertraulichkeit gemäß der Kronzeugenmitteilung erteilte Auskünfte tatsächlich unter den Schutz des Berufsgeheimnisses nach Art. 339 AEUV fielen. Im Urteil Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse/Kommission (Randnrn. 64 und 66) habe das Gericht klargestellt, dass die Kronzeugenmitteilung diesen Informationen als Berufsgeheimnissen Schutz gewähre. Die Kommission sei selbst in mehreren Rechtssachen für die vertrauliche Behandlung solcher Informationen eingetreten. Die Kommission habe eingeräumt, dass die Verbreitung von Informationen, die aus Anträgen auf Anwendung der Kronzeugenregelung stammten, geeignet sei, die Antragsteller schwer zu schädigen, da es sie bei gegen sie eingeleiteten Schadensersatzverfahren wesentlich benachteilige, und vor dem Gericht (Urteil vom 15. Dezember 2011, CDC Hydrogene Peroxide/Kommission, T‑437/08, Slg. 2011, II‑8251, Randnr. 57) wie auch vor dem Gerichtshof (Urteil vom 28. Juni 2012, Kommission/Éditions Odile Jacob, C‑404/10 P, Randnr. 115) darauf hingewiesen, dass das Interesse an der Nichtverbreitung dieser Informationen insoweit schutzwürdig sei, als es grundlegend für das Funktionieren ihres Kronzeugenprogramms und ihrer Politik der Kartellbekämpfung sei.

37      Die Antragstellerinnen werfen der Kommission vor, auch insofern gegen die Kronzeugenmitteilung verstoßen zu haben, als diese in den Randnrn. 29, 32 und 33 garantiere, dass die von Unternehmen im Rahmen eines Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung gelieferten Informationen durch das Berufsgeheimnis geschützt seien und diese Unternehmen dabei berechtigte Erwartungen geltend machen könnten. Da die Kommission durch diese Mitteilung gebunden sei, verletze der Beschluss, eine erweiterte Fassung der Entscheidung aus 2006 zu veröffentlichen und somit Informationen bekannt zu geben, die aus dem Antrag der Antragstellerinnen auf Anwendung der Kronzeugenregelung stammten, den durch die Kronzeugenmitteilung verliehenen Schutz.

38      Nach Ansicht der Antragstellerinnen erfülle bereits die im September 2007 veröffentlichte Fassung der Entscheidung aus 2006 den Zweck, die Öffentlichkeit über die der Vorgehensweise der Kommission zugrunde liegenden Gründe zu informieren. Folglich bestehe „weder ein nennenswertes Interesse noch eine Rechtfertigung“ für die geplante erweiterte Veröffentlichung, die den berechtigten Erwartungen der Antragstellerinnen hinsichtlich der Bestandskraft der im Jahr 2007 veröffentlichten Fassung und der vertraulichen Behandlung der Informationen aus ihrem Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung vorgehen könnte. Die Veröffentlichung einer erweiterten Fassung mehr als vier Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung verstoße auch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Wenn die Kommission ihre frühere Praxis, die Vertraulichkeit der Informationen aus den Anträgen auf Anwendung der Kronzeugenregelung zu schützen, ändern wolle, müsse sie dies bei den künftigen Anträgen tun und nicht rückwirkend, wenn die betreffende Entscheidung wie im vorliegenden Fall bereits vor mehr als vier Jahren veröffentlicht worden sei.

39      Die Kommission entgegnet, sie habe bereits in ihrem Schreiben vom 28. November 2011 (siehe oben, Randnr. 5) entschieden, die streitige Veröffentlichung aus Gründen der Transparenz vorzunehmen. Hätten die Antragstellerinnen die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung geltend machen wollen, so hätten sie innerhalb der Frist des Art. 263 Abs. 6 AEUV Nichtigkeitsklage erheben müssen. Dies hätten die Antragstellerinnen jedoch unterlassen. Jedenfalls sei der Voraussetzung des fumus boni iuris nicht Genüge getan, da kein konkreter Anhaltspunkt auf den ersten Blick für die Begründetheit der von den Antragstellerinnen erhobenen Nichtigkeitsklage spreche.

40      Unter Berufung u. a. auf das Urteil des Gerichts vom 30. Mai 2006, Bank Austria Creditanstalt/Kommission (T‑198/03, Slg. 2006, II‑1429, Randnr. 78), und das Urteil Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse/Kommission (Randnr. 72) macht die Kommission geltend, dass die Antragstellerinnen leicht hätten in Erfahrung bringen können, dass es ihr nach Art. 30 der Verordnung Nr. 1/2003 und ständiger Rechtsprechung zu dieser Vorschrift grundsätzlich gestattet sei, den gesamten Inhalt einer endgültigen Wettbewerbsentscheidung zu veröffentlichen. Somit seien im vorliegenden Fall weder das Berufsgeheimnis der Antragstellerinnen, noch die Kronzeugenmitteilung, noch die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verletzt worden. Die Verbreitung der streitigen Informationen könne den Antragstellerinnen keinen ernsthaften Schaden zufügen, da die geltend gemachte ungünstigere Position in Schadensersatzverfahren, die gegen sie infolge der geplanten Veröffentlichung eingeleitet würden, die legitime Folge ihres Zuwiderhandelns sei. Außerdem verdiene das Interesse der Antragstellerinnen an der Geheimhaltung der Einzelheiten der Mitwirkung an der Zuwiderhandlung keinen besonderen Schutz angesichts des Interesses der Öffentlichkeit, möglichst umfassende Kenntnis von den Gründen jedes Handelns der Kommission zu erhalten, und des Interesses der durch die Zuwiderhandlung geschädigten Personen daran, deren Einzelheiten zu erfahren, um gegebenenfalls ihre Rechte gegenüber den mit der Sanktion belegten Unternehmen geltend machen zu können.

41      Die Kommission fügt hinzu, dass Informationen, die zwar vertraulich gewesen, aber fünf Jahre oder älter und daher als nicht mehr aktuell anzusehen seien, nicht mehr vertraulich seien, sofern nicht ausnahmsweise der Informant nachweise, dass es sich bei diesen Informationen, obwohl sie älter seien, noch immer um Kernelemente seiner Marktstellung oder der eines Dritten handle. Alle streitgegenständlichen Informationen seien älter als fünf Jahre. Auch wenn diese Informationen im Zeitpunkt ihrer Übermittlung vertraulich gewesen seien, müssten sie jetzt als nicht mehr aktuell angesehen werden, da die Antragstellerinnen nicht nachwiesen, dass es sich bei diesen Informationen ungeachtet ihres Alters noch immer um Kernelemente ihrer Marktstellung oder der eines Dritten handle.

42      Nach Ansicht der Kommission lassen die Urteile Adams/Kommission und Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse/Kommission nicht die Behauptung zu, dass die Kronzeugenmitteilung den Schutz von Informationen aus Anträgen auf Anwendung der Kronzeugenregelung aufgrund des Berufsgeheimnisses vorsieht. Die Randnrn. 32 f. dieser Mitteilung beträfen nur die Verbreitung von Unterlagen und Schriftsätzen. Die in diesen Unterlagen enthaltenen Informationen seien hingegen im Allgemeinen nicht vor der Verbreitung geschützt. Die Kommission räumt zwar ein, sich in bestimmten Fällen in der Vergangenheit gegen die Verbreitung von bestimmten „Unterlagen“ ausgesprochen zu haben, die von Unternehmen geliefert worden seien, die die Anwendung der Kronzeugenregelung beantragt hätten, wenn der Zugang zu diesen Dokumenten in anderen Ländern oder nach der Verordnung Nr. 1049/2001 die Beschränkungen der Akteneinsicht nach der Verordnung Nr. 1/2003 hätte in Frage stellen können, behauptet jedoch, niemals versichert zu haben, dass sie eine Verbreitung der in diesen Dokumenten enthaltenen „Informationen“ unterlassen würde.

43      Schließlich weist die Kommission darauf hin, dass Randnr. 32 der Kronzeugenmitteilung die Unterlagen im Zusammenhang mit der Anwendung der Kronzeugenregelung nur im Rahmen „des Zwecks [ihrer] Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten“ schütze und nicht im privaten Interesse der Unternehmen, die die Anwendung der Kronzeugenregelung beantragten, und dass Randnr. 29 der Mitteilung nur in Bezug auf den Erlass und die Ermäßigung ihrer Geldbußen in Kartellsachen, worauf sie unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch hätten, eine berechtigte Erwartung der Unternehmen begründe. Um den Anreiz ihres Kronzeugenprogramms zu wahren, könne es die Kommission in besonderen Fällen für notwendig erachten, die Unternehmen, die die Anwendung der Kronzeugenregelung beantragten, und andere Zuwiderhandelnde gleichzustellen, indem sie nach der Kronzeugenregelung abgegebene Erklärungen, mit denen diese Unternehmen sich selbst belasteten, nicht zugänglich mache. Hingegen dürften die Unternehmen, die die Anwendung der Kronzeugenregelung beantragten, im Verhältnis zu anderen Teilnehmern des Kartells nicht bevorzugt werden, indem ein Teil ihrer Zuwiderhandlung geheim gehalten würde, da diese Geheimhaltung Dritte, die durch das Kartell geschädigt worden seien und ein berechtigtes Interesse hätten, Schadensersatz einzuklagen, übermäßig benachteilige. Die Verbreitung solcher Selbstbezichtigungen gehe aber mit der Anwendung von Art. 101 AEUV einher. Die Möglichkeit der Einzelpersonen, sich darauf vor nationalen Gerichten zu berufen, die durch diese Verbreitung erleichtert werde, sei einer der Grundpfeiler, die die praktische Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts gewährleisten können.

44      Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter stellt zunächst fest, dass die Kommission mit dem Hinweis auf die angebliche Beschlussqualität ihres Schreibens vom 28. November 2011 im Rahmen des fumus boni iuris entweder die Unzulässigkeit der dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zugrunde liegenden Nichtigkeitsklage geltend macht (insoweit, als der angefochtene Beschluss den bestandskräftig gewordenen Beschluss vom 28. November 2011 lediglich bestätige) oder aber den Antragstellerinnen die Befugnis abspricht, sich im vorliegenden Zusammenhang (angeblich verspätet) auf die Vertraulichkeit der ihr gemäß der Kronzeugenmitteilung gelieferten Informationen zu berufen. Auf jeden Fall ist das Vorbringen der Kommission prima facie zurückzuweisen. In ihrem Schreiben vom 15. März 2012 (siehe oben, Randnr. 6) berief sie sich nämlich nicht auf die Bestandskraft eines Beschlusses, der den Vertraulichkeitsantrag der Antragstellerinnen bereits am 28. November 2011 abgelehnt habe, sondern verwies diese im Gegenteil für den Fall, dass sie ihren Antrag weiter verfolgen wollten, auf den Anhörungsbeauftragten. Außerdem bekräftigte die Kommission mit E‑Mail vom 31. Mai 2012 (siehe oben, Randnr. 10) ausdrücklich, dass der angefochtene Beschluss ihren endgültigen Standpunkt dazu darstelle.

45      Einer vollständigen Prüfung des fumus boni iuris der von den Antragstellerinnen erhobenen Nichtigkeitsklage steht daher nichts im Weg.

46      Wie im Rahmen der Interessenabwägung bereits dargelegt, wird die Entscheidung zur Hauptsache im Wesentlichen davon abhängen, ob der angefochtene Beschluss das Berufsgeheimnis der Antragstellerinnen nach Art. 339 AEUV, Art. 8 EMRK und Art. 7 der Grundrechtecharta deshalb verletzt, weil die von der Kommission geplante Veröffentlichung Angaben enthält, die ihr von den Antragstellerinnen auf der Grundlage der Kronzeugenmitteilung übermittelt wurden und somit wegen ihrer Herkunft als ihrem Wesen nach vertrauliche Informationen vor Veröffentlichung zu schützen sind.

47      Diese Frage lässt sich entgegen der Auffassung der Kommission keineswegs anhand der Rechtsprechung leicht und eindeutig beantworten, sondern bedarf einer eingehenden Prüfung im Rahmen des Verfahrens zur Hauptsache, zumal die Probleme, die dadurch entstehen, dass Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung vertraulich zu behandeln sind (im Folgenden: Kronzeugenproblematik), weder in der Verordnung Nr. 1/2003 noch in der Verordnung Nr. 1049/2001 ausdrücklich geregelt sind.

48      Keines der von den Verfahrensbeteiligten vorrangig erörterten Urteile in den Rechtssachen Bank Austria Creditanstalt/Kommission, Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse/Kommission, Kommission/Éditions Odile Jacob und Adams/Kommission ist nämlich zur Kronzeugenproblematik ergangen. Soweit das Gericht mit Urteil vom 22. Mai 2012, EnBW Energie Baden-Württemberg/Kommission (T‑344/08, Randnrn. 8 und 148), entschieden hat, den durch ein Kartell geschädigten Personen könne nach der Verordnung Nr. 1049/2001 der Zugang zu Kronzeugendokumenten nicht verweigert werden, weil das Interesse eines Unternehmens, das sich an einem Kartell beteiligt habe, an der Vermeidung von Schadensersatzklagen nicht schutzwürdig sei, genügt die Feststellung, dass dieses Urteil noch nicht rechtskräftig ist, da die Kommission Rechtsmittel zum Gerichtshof eingelegt hat (Rechtssache C‑365/12 P).

49      Im Übrigen hat sich der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Juni 2011, Pfleiderer (C‑360/09, Slg. 2011, I‑5161, Randnr. 30), zur Frage des generellen Zugangs eines Kartellgeschädigten zu Kronzeugendokumenten im Besitz nationaler Kartellbehörden auf den Hinweis beschränkt, das nationale Gericht habe darauf zu achten, zwischen den Interessen, die die Übermittlung der vom Kronzeugenantragsteller freiwillig vorgelegten Informationen rechtfertigten, und dem Schutz dieser Informationen abzuwägen, während Generalanwalt Mazák in seinen hierzu ergangenen Schlussanträgen vom 16. Dezember 2010 eine Einsicht in freiwillige, von Kronzeugenantragstellern abgegebene Erklärungen und damit zusammenhängende Dokumente, mit denen diese einräumten, sich tatsächlich an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV beteiligt zu haben, grundsätzlich abgelehnt hatte.

50      Die im Verfahren zur Hauptsache zu entscheidende Rechtsfrage ist somit unionsrichterlich noch nicht geklärt. Sie muss durch Auslegung aller einschlägigen Vorschriften, einschließlich der Kronzeugenmitteilung, beantwortet werden. Entgegen der Ansicht der Kommission dürfte hierbei auch die zur Verordnung Nr. 1049/2001 ergangene Rechtsprechung eine Rolle spielen, zumal die Kommission in Randnr. 32 der Kronzeugenmitteilung und in ihrem Schreiben vom 28. November 2011 (siehe oben, Randnr. 5) selbst auf diese Verordnung verweist. Zumindest wird im Verfahren zur Hauptsache zu ermitteln sein, ob die Rechtsprechung zur Verordnung Nr. 1/2003 einerseits und zur Verordnung Nr. 1049/2001 andererseits in Bezug auf die Kronzeugenproblematik möglicherweise Wertungswidersprüche erkennen lässt und, wenn ja, wie diese bereinigt werden könnten.

51      Im Verfahren zur Hauptsache wird auch die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Kommission zu prüfen sein, das Interesse der Antragstellerinnen an der Geheimhaltung der Informationen, die sie als Kronzeugenantragstellerinnen übermittelt hatten, sei deshalb nicht schutzwürdig, weil das Kronzeugenprogramm der Kommission mit dem in Aussicht gestellten Bußgelderlass generell einen hinreichenden Anreiz enthalte, so dass keine Notwendigkeit bestehe, Kronzeugenantragsteller darüber hinaus zu privilegieren. Dieses Vorbringen verkennt möglicherweise, dass ein Kronzeugenantragsteller das Risiko eingeht, trotz seines Geständnisses und der Übermittlung ihn selbst belastender Angaben keine nennenswerte Herabsetzung seiner Geldbuße zu erlangen, wenn andere Kartellunternehmen ihm bei der Kommission als Informanten zuvorgekommen sind.

52      In diesem Zusammenhang wird gegebenenfalls das Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 1992, Asociación Española de Banca Privada u. a. (C‑67/91, Slg. 1992, I‑4785, Randnrn. 52 f.), zu berücksichtigen sein, dem zufolge die im Erlass der Geldbuße bestehende Vergünstigung für ein Unternehmen, das seine Mitwirkung an einem Kartell bei der Kommission angemeldet hat, den Ausgleich für das Risiko darstellt, das das Unternehmen dadurch eingeht, dass es selbst das Kartell anzeigt, indem es nämlich damit rechnen muss, dass der beantragte Erlass der Geldbuße abgelehnt und ihm für seine vor der Anmeldung vorgenommenen Handlungen eine Geldbuße auferlegt wird. Nach Auffassung des Gerichtshofs würde die den Informantenunternehmen eingeräumte Vergünstigung erheblich geschmälert, wenn die in einer solchen Anmeldung enthaltenen Informationen von den Mitgliedstaaten als Beweise zur Begründung nationaler Sanktionen verwertet werden könnten. Der Gerichtshof hat daraus ein entsprechendes Verwertungsverbot hergeleitet.

53      Soweit die Kommission geltend macht, die streitgegenständlichen Informationen seien ausnahmslos älter als fünf Jahre, so dass sie auf jeden Fall ihre Vertraulichkeit eingebüßt hätten, kann sie sich in der Tat auf die Rechtsprechung zur vertraulichen Behandlung der einem Streithelfer in einem Gerichtsverfahren zu übermittelnden Schriftstücke gemäß Art. 116 § 2 der Verfahrensordnung berufen. Danach können unternehmensbezogene Angaben, die geheim und vertraulich waren, aber mindestens fünf Jahre alt sind, in der Regel nicht mehr als aktuell angesehen werden (vgl. Beschlüsse des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 22. Februar 2005, Hynix Semiconductor/Rat, T‑383/03, Slg. 2005, II‑621, Randnr. 60, und des Präsidenten der Achten Kammer des Gerichts vom 8. Mai 2012, Spira/Kommission, T‑108/07, Randnr. 65), da sie ihren geschäftlichen Wert verloren haben. Im Verfahren zur Hauptsache wird jedoch zu prüfen sein, ob diese Erwägung, die namentlich auf in einer wirtschaftlichen Konkurrenzsituation befindliche Verfahrensbeteiligte abzustellen scheint, auch dem vorliegenden Fall gerecht wird, in dem es um die Veröffentlichung detaillierter Angaben zu einem Wettbewerbsverstoß geht, die, auch wenn sie älter sind, für Kartellgeschädigte bedeutsam sein können, da sie möglicherweise geeignet sind, ihnen in Schadensersatzprozessen gegen die Antragstellerinnen die Substantiierung der Schadenshöhe und der Kausalität zu erleichtern.

54      Im Verfahren zur Hauptsache dürfte auch die Frage eine wichtige Rolle spielen, ob die Antragstellerinnen im März 2003, als sie der Kommission die in Rede stehenden Angaben im Rahmen der Kronzeugenmitteilung übermittelten, darauf vertrauen konnten, dass diese Angaben als ihrem Wesen nach vertrauliche Informationen einen dauerhaften Schutz vor Veröffentlichung genießen würden. In diesem Zusammenhang darf prima facie davon ausgegangen werden, dass die von der Kommission seinerzeit zur Kronzeugenproblematik vertretene Auffassung im Kern derjenigen entsprach, die sie in der Rechtssache CDC Hydrogene Peroxide/Kommission (Randnr. 31) wie folgt vorgetragen hat: Das Risiko der Erhebung von Schadensersatzklagen sei ein ernsthafter Nachteil, der Kartellunternehmen in Zukunft dazu veranlassen könne, nicht mehr mit ihr zu kooperieren, weshalb es nicht angehen könne, dass der Schutz des Berufsgeheimnisses von Unternehmen, die mit ihr im Rahmen eines Kartellverfahrens kooperierten, durch einen allein auf privatrechtliche Interessen gestützten Antrag auf Zugang zu Dokumenten beeinträchtigt werde. Diese Rechtsauffassung hat die Kommission in der Rechtssache, in der das Urteil EnBW Energie Baden-Württemberg/Kommission erging (Randnr. 70), auf Verfahren zur Durchführung der Verordnung Nr. 1/2003 in dem Sinne erstreckt, dass Kartellanten, die ihr freiwillig Informationen preisgäben, mit Recht darauf vertrauen dürften, dass sie die betreffenden Unterlagen nicht verbreite und dass diese nur für die Zwecke des wettbewerbsrechtlichen Verfahrens einschließlich der Überprüfung durch den Unionsrichter verwendet würden. Im Übrigen ist gerichtsbekannt, dass die Kommission noch im letzten Jahr entsprechenden Übermittlungswünschen von Gerichten aus Mitglied- und aus Drittstaaten mit ähnlicher Begründung entgegengetreten ist.

55      Der für die Hauptsache zuständige Spruchkörper wird zu prüfen haben, ob die Antragstellerinnen im März 2003 davon ausgehen durften, dass diese von der Kommission sehr nachdrücklich vertretene Rechtsauffassung zum Schutz von Kronzeugen-Informationen auch die Handhabung von Randnr. 32 der Kronzeugenmitteilung beeinflussen werde. Nach dieser Bestimmung schützt die Kommission „Unterlagen, die [sie] auf der Grundlage dieser Mitteilung erhalten hat“ vor Offenlegung im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001. Es könnte unter dem Aspekt des grundrechtlich geschützten Berufsgeheimnisses in Verbindung mit Vertrauensschutzgesichtspunkten formalistisch erscheinen, diesen Schutz auf den Zugang zu „Unterlagen“ nach der Verordnung Nr. 1049/2001 zu beschränken, obwohl der Schutzzweck in gleicher Weise die uneingeschränkte (wettbewerbsrechtliche) Veröffentlichung von Angaben und Textpassagen erfassen dürfte, die aus derartigen Unterlagen herrühren. Schließlich wird in diesem Zusammenhang zu prüfen sein, inwieweit die von der Kommission vorliegend geäußerte These, die Durchsetzung des Kartellrechts im Wege von Schadensersatzklagen gehöre zur Sanktionierung von Wettbewerbsverstößen im Sinne von Randnr. 33 der Kronzeugenmitteilung, mit der Auffassung vereinbar ist, die sie in den Rechtssachen vertreten hat, in denen die Urteile CDC Hydrogene Peroxide/Kommission und EnBW Energie Baden-Württemberg/Kommission ergangen sind.

56      Nach alledem ist festzustellen, dass der vorliegende Fall komplexe Rechtsfragen aufwirft, die prima facie nicht für irrelevant erklärt werden können, sondern einer eingehenden Prüfung bedürfen, die im Verfahren zur Hauptsache vorzunehmen ist. Es ist daher ein fumus boni iuris gegeben (vgl. auch Beschluss Evonik Degussa/Kommission, Randnrn. 38 bis 50).

57      Da sämtliche Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnungen, mit denen der Kommission die Veröffentlichung der streitigen Informationen untersagt werden soll, erfüllt sind, ist antragsgemäß zu entscheiden.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Der Vollzug des Beschlusses C(2012) 3533 final der Europäischen Kommission vom 24. Mai 2012 über die Ablehnung eines Antrags der Akzo Nobel NV, der Akzo Nobel Chemicals Holding AB und der Eka Chemicals AB auf vertrauliche Behandlung nach Art. 8 des Beschlusses 2011/695/EU des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren (Sache COMP/38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat) wird ausgesetzt.

2.      Der Europäischen Kommission wird bis auf Weiteres untersagt, eine Fassung ihrer Entscheidung 2006/903/EG vom 3. Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen gegen Akzo Nobel, Akzo Nobel Chemicals Holding, Eka Chemicals, Degussa AG, Edison SpA, FMC Corporation, FMC Foret SA, Kemira OYJ, L’Air Liquide SA, Chemoxal SA, Snia SpA, Caffaro Srl, Solvay SA/NV, Solvay Solexis SpA, Total SA, Elf Aquitaine SA und Arkema SA (Sache COMP/F/C.38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat) zu veröffentlichen, die in Bezug auf Akzo Nobel, Akzo Nobel Chemicals Holding und Eka Chemicals ausführlicher ist als die im September 2007 auf ihrer Internetseite veröffentlichte Fassung.

3.      Im Übrigen wird der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen.

4.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 16. November 2012

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Englisch.