Language of document : ECLI:EU:T:2023:640

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

18. Oktober 2023(*)

„Handelspolitik – Verordnung (EU) 2020/502 – Maßnahmen, die von den Vereinigten Staaten in Bezug auf die Einfuhr bestimmter derivativer Aluminiumerzeugnisse und bestimmter derivativer Stahlerzeugnisse eingeführt wurden – Entscheidung der Union, Handelszugeständnisse und sonstige gleichwertige Verpflichtungen auszusetzen – Zusätzliche Zölle auf Einfuhren von Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten – Nichtigkeitsklage – Klagebefugnis – Zulässigkeit – Grundsatz der guten Verwaltung – Recht auf rechtliches Gehör“

In der Rechtssache T‑402/20,

Zippo Manufacturing Co. mit Sitz in Bradford, Pennsylvania (Vereinigte Staaten),

Zippo GmbH mit Sitz in Emmerich am Rhein (Deutschland),

Zippo SAS mit Sitz in Paris (Frankreich),

vertreten durch Rechtsanwälte R. MacLean und D. Sevilla Pascual,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch J. Flett, G.‑D. Balan und M. Mataija als Bevollmächtigte,

Beklagte,


erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten G. De Baere, der Richterin G. Steinfatt und des Richters K. Kecsmár (Berichterstatter),

Kanzler: M. Zwozdziak-Carbonne, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        des Beschlusses vom 6. Mai 2021, mit dem die Entscheidung über die von der Kommission mit am 18. September 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz erhobene Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten wird,

–        der prozessleitenden Maßnahme vom 12. Juli 2022 und der am 9. und 10. August 2022 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antworten der Beteiligten,

–        der Maßnahme der Beweisaufnahme vom 21. September 2022 und der am 26. September 2022 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antwort der Kommission,

auf die mündliche Verhandlung vom 29. September 2022,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragen die Klägerinnen, die Zippo Manufacturing Co. (im Folgenden: ZMC), die Zippo GmbH und die Zippo SAS, die Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) 2020/502 der Kommission vom 6. April 2020 über bestimmte handelspolitische Maßnahmen in Bezug auf bestimmte Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika (ABl. 2020, L 109, S. 10, im Folgenden: angefochtene Verordnung), soweit sie die Klägerinnen betrifft.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und Sachverhalt nach Klageerhebung

2        Die Klägerinnen gehören derselben Unternehmensgruppe an. Sie sind im Bereich der Herstellung, des Vertriebs und der Vermarktung von mechanischen Sturmfeuerzeugen aus Metall unter der Marke Zippo sowie im Kundendienst für diese Waren tätig. Die Waren werden von ZMC, die sich als einzige bekannte Herstellerin dieser Art von Waren in den Vereinigten Staaten bezeichnet, hergestellt.

3        Die Gesellschaft ZMC führt einen Teil ihrer Waren in die Europäische Union aus. Sie unterliegen ab ihrem Eintritt in das Zollgebiet der Union den Zöllen in der Unterposition 9613 80 00 der Kombinierten Nomenklatur (im Folgenden: KN-Code 9613 80 00), die durch die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) eingeführt wurde. Der KN-Code 9613 80 00 betrifft „andere Feuerzeuge und Anzünder“, die zu den Waren „Feuerzeuge und andere Anzünder (ausgenommen Anzünder der Position 3603), auch mechanisch oder elektrisch, und Teile davon, ausgenommen Feuersteine und Dochte“, gehören.

4        Die in Rede stehenden Waren werden von ZMC an ihre Tochtergesellschaften, die Zippo GmbH und die Zippo SAS, sowie an zugelassene unabhängige Vertriebshändler zu ihrer Vermarktung im Unionsgebiet verkauft. Diese Waren werden auf der Basis Free-on-board (FOB) verkauft, so dass die mit ihnen verbundenen Gefahren zu dem Zeitpunkt, zu dem die Waren an den Hafen oder Flughafen der Vereinigten Staaten geliefert werden, um ausgeführt zu werden, auf die – verbundenen oder unabhängigen – Vertriebshändler übergehen. Auch nach den Vertriebsvereinbarungen zwischen ZMC und den Vertriebshändlern tragen Letztere die Kosten für alle Zölle.

5        Am 24. Januar 2020 führten die Vereinigten Staaten von Amerika unbefristete Maßnahmen in Form einer Erhöhung von Zöllen auf die Einfuhr bestimmter derivativer Aluminiumerzeugnisse und bestimmter derivativer Stahlerzeugnisse mit Wirkung vom 8. Februar 2020 ein.

6        Diese Maßnahmen, die von den Vereinigten Staaten von Amerika als Sicherheitsmaßnahmen eingestuft wurden, stellen nach Ansicht der Europäischen Kommission Schutzmaßnahmen dar, die zur Beschränkung der Einfuhren mit dem Zweck eingeführt wurden, den heimischen Wirtschaftszweig vor ausländischer Konkurrenz zu schützen und so seine wirtschaftliche Prosperität zu sichern. Nach Ansicht der Kommission waren daher Maßnahmen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 654/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Ausübung der Rechte der Union in Bezug auf die Anwendung und die Durchsetzung internationaler Handelsregeln und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 3286/94 des Rates zur Festlegung der Verfahren der Gemeinschaft im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik zur Ausübung der Rechte der Gemeinschaft nach internationalen Handelsregeln, insbesondere den im Rahmen der Welthandelsorganisation vereinbarten Regeln (ABl. 2014, L 189, S. 50) einzuführen.

7        Am 6. März 2020 ersuchte die Kommission die betroffenen Parteien gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 654/2014 über ein auf der Website der Generaldirektion (GD) für Handel der Kommission zur Verfügung gestelltes Formular um eine Stellungnahme. Die Einholung von Informationen endete am 13. März 2020. Die Kommission wies darauf hin, dass zu den nach der Einholung von Informationen in Betracht gezogenen Maßnahmen die Möglichkeit gehöre, zusätzliche Zölle auf bestimmte Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten, u. a. in einer ersten Stufe auf die unter den KN-Code 9613 80 00 fallenden Waren anzuwenden. Unter den Parteien ist unstrittig, dass die Klägerinnen an dieser Einholung von Informationen nicht teilgenommen haben.

8        Am 6. April 2020 erließ die Kommission die angefochtene Verordnung, die am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, dem 7. April 2020, in Kraft trat.

9        Art. 1 der Verordnung bestimmt:

„(1)      Die Kommission setzt den WTO-Rat für Warenverkehr unverzüglich, in jedem Fall spätestens am 7. April 2020, schriftlich davon in Kenntnis, dass die Union im Handel mit den Vereinigten Staaten ab dem 8. Mai 2020 die Anwendung von Zugeständnissen bei den Einfuhrzöllen nach [dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen] 1994 auf die in Absatz 2 aufgeführten Waren aussetzt, sofern der Rat für Warenverkehr dagegen keine Einwände hat.

„(2)      Infolgedessen erhebt die Union auf die Einfuhren der nachstehend aufgeführten Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten in die Union folgende zusätzliche Zölle:

a)      In der ersten Stufe werden ab dem 8. Mai 2020 zusätzliche Wertzölle von 20 % beziehungsweise 7 % auf die Einfuhren der wie folgt festgelegten Ware erhoben:

KN-Code

Zusätzlicher Wertzoll

9613 80 00

20 %

3926 30 00

7 %

…“

10      Art. 2 der Verordnung bestimmt:

„Die Union wendet die in Artikel 1 festgelegten zusätzlichen Zölle so lange und in dem Ausmaß an, wie die Vereinigten Staaten ihre Schutzmaßnahmen so anwenden oder wiederanwenden, dass Waren aus der Union betroffen sind. Die Kommission veröffentlicht eine Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Union zur Bekanntgabe des Datums, an dem die Vereinigten Staaten die Anwendung ihrer Schutzmaßnahmen eingestellt haben.“


11      Mit Schreiben vom 22. Mai 2020 verlangten die Klägerinnen von der Kommission nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) alle vorläufigen Mitteilungen und Arbeitsdokumente im Hinblick auf den Erlass der angefochtenen Verordnung. Im Anschluss an die Antwort der Kommission vom 24. Juli 2020 und den Zweitantrag der Klägerinnen vom 14. August 2020 gewährte die Kommission am 27. November 2020 für mehrere der in Rede stehenden Dokumente vollständigen Zugang, für einige Dokumente teilweisen Zugang und lehnte die Anträge auf Zugang für die restlichen Dokumente ab.

12      Außerdem beantragten die Klägerinnen mit Schreiben vom 2. Juni 2020 bei der Kommission die Ausnahme ihrer Waren vom Anwendungsbereich der angefochtenen Verordnung gemäß deren 19. Erwägungsgrund. Mit Schreiben vom 16. Juni 2020 lehnte die Kommission diesen Antrag ab.

13      Nach der Ankündigung der Vereinigten Staaten von Amerika, ihre Schutzmaßnahmen ab dem 1. Januar 2022 zu ändern, erließ die Kommission die Durchführungsverordnung (EU) 2021/2083 vom 26. November 2021 zur Aussetzung der mit den Durchführungsverordnungen (EU) 2018/886 und (EU) 2020/502 eingeführten handelspolitischen Maßnahmen in Bezug auf bestimmte Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika (ABl. 2021, L 246, S. 41). Diese Verordnung setzt u. a. die in der angefochtenen Verordnung vorgesehenen zusätzlichen Wertzölle, die auf die unter den KN-Code 9613 80 00 fallenden Waren erhoben wurden, vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2023 aus.

 Anträge der Parteien

14      Die Klägerinnen beantragen,

–        die angefochtene Verordnung, insbesondere Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und Art. 2 der Verordnung für nichtig zu erklären, soweit diese Bestimmungen sie betreffen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

15      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen;

–        hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

16      Mit ihrer gemäß Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts erhobenen Einrede macht die Kommission geltend, dass die Klägerinnen von der angefochtenen Verordnung nicht individuell betroffen seien. Bei der Verordnung handele es sich um einen Rechtsakt der Union mit allgemeiner Geltung, der die Klägerinnen aufgrund der in ihm objektiv umschriebenen Situation in Verbindung mit seiner Zielsetzung betreffe, nämlich der Wiederherstellung des Handelsgleichgewichts gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika, nachdem diese ihre Schutzmaßnahmen auf bestimmte derivative Aluminiumerzeugnisse und bestimmte derivative Stahlerzeugnisse erweitert hatten. Somit sei die Klage unzulässig.

17      Die Kommission hat ihre Einwände gegen das Vorbringen, dass die Klägerinnen im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung einem geschlossenen Kreis von Wirtschaftsteilnehmern angehörten, in der mündlichen Verhandlung wiederholt. Nichtsdestotrotz hat sie eingeräumt, dass sie im Lauf des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung gewusst habe, dass die in der Verordnung in Bezug auf die unter den KN-Code 9613 80 00 fallenden Waren vorgesehene Maßnahme überwiegend auf die Waren der Klägerinnen Anwendung finden werde. Demgegenüber hat sie bestritten, im Lauf des Verfahrens gewusst zu haben, dass die Klägerinnen die einzigen betroffenen Unternehmen seien. Darüber hinaus hat die Kommission hervorgehoben, dass die Ausfuhren der Klägerinnen in die Union entgegen ihrem Vortrag in ihren Schriftsätzen seit der in Rede stehenden Einführung der zusätzlichen Zölle zugenommen hätten.

18      Die Klägerinnen tragen vor, dass sie durch die angefochtene Verordnung individuell und unmittelbar wie der Adressat eines solchen Rechtsakts betroffen seien und dass die Klage daher für zulässig zu erklären sei.

19      Es ist darauf hinzuweisen, dass die Zulässigkeit einer Klage, die von einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung erhoben wird, nach Art. 263 Abs. 4 AEUV unter der Bedingung steht, dass dieser Person eine Klagebefugnis zuerkannt wird, die in zwei Fällen vorliegt. Zum einen kann eine derartige Klage erhoben werden, wenn diese Handlung die Person unmittelbar und individuell betrifft. Zum anderen kann eine solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft (vgl. Urteil vom 3. Dezember 2020, Changmao Biochemical Engineering/Distillerie Bonollo u. a., C‑461/18 P, EU:C:2020:979, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).


20      Die in dieser Bestimmung vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind im Licht des Grundrechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, wie er in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) niedergelegt ist, auszulegen, ohne dass dies den Wegfall der im AEU-Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen zur Folge hätte (vgl. Urteil vom 3. Dezember 2020, Changmao Biochemical Engineering/Distillerie Bonollo u. a., C‑461/18 P, EU:C:2020:979, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Es ist auch darauf hinzuweisen, dass der normative Charakter einer angefochtenen Handlung nicht ausschließt, dass diese bestimmte natürliche oder juristische Personen unmittelbar und individuell betreffen kann (Urteil vom 18. Mai 1994, Codorniu/Rat, C‑309/89, EU:C:1994:197, Rn. 19; vgl. auch Urteil vom 28. Februar 2019, Rat/Growth Energy und Renewable Fuels Association, C‑465/16 P, EU:C:2019:155, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 14. September 1995, Antillean Rice Mills u. a./Kommission, T‑480/93 und T‑483/93, EU:T:1995:162, Rn. 66).

 Zur Voraussetzung der individuellen Betroffenheit

22      Nach ständiger Rechtsprechung erlaubt es Art. 263 Abs. 4 AEUV natürlichen und juristischen Personen nur dann, eine Klage gegen einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung wie eine Verordnung zu erheben, wenn dieser Rechtsakt sie nicht nur unmittelbar betrifft, sondern sie auch wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten eines Beschlusses. Mit anderen Worten müssen die von der klagenden Partei behaupteten Verstöße geeignet sein, sie in ähnlicher Weise zu individualisieren, wie dies beim Adressaten des Rechtsakts der Fall wäre (vgl. Urteil vom 18. Mai 2022, Uzina Metalurgica Moldoveneasca/Kommission, T‑245/19, EU:T:2022:295, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Als Erstes sind die Einwände der Kommission zurückzuweisen, die sich auf die Natur der angefochtenen Verordnung stützen.

24      Der Umstand, dass die angefochtene Verordnung ihrem Wesen nach Ergaomnes‑Wirkung entfaltet, schließt nämlich nicht aus, dass ein solcher Rechtsakt Maßnahmen enthalten kann, die individuell für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer gelten (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 30. April 2003, VVG International u. a./Kommission, T‑155/02, EU:T:2003:125, Rn. 40 bis 42). Obwohl die Anwendung der angefochtenen Verordnung aufgrund einer objektiv bestimmten Situation erfolgt, können die Klägerinnen daher gleichwohl Umstände geltend machen, die geeignet sind, sie in ähnlicher Weise zu individualisieren wie den Adressaten des Rechtsakts.


25      Als Zweites behaupten die Klägerinnen, dass ZMC die einzige bekannte ausführende Herstellerin der den fraglichen zusätzlichen Zöllen unterliegenden Waren in den Vereinigten Staaten sei. Die Klägerinnen stützen sich auf die Daten von Eurostat, die auch von der Kommission für den Erlass der angefochtenen Verordnung verwendet worden seien, und machen geltend, dass der Wert der von ZMC getätigten Ausfuhren der in Rede stehenden Waren in die Union, nachdem die Kosten für die Luftfracht, die Beförderung auf dem Landweg und die Versicherung sowie die anderen damit zusammenhängenden Versandkosten hinzugefügt worden und der geltende Wechselkurs angewandt worden sei, sehr nah am Gesamtwert der Einfuhren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten unter dem KN-Code 9613 80 00 für das Jahr 2019 liege.

26      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Tatsache, dass die ZMC die wichtigste ausführende Herstellerin der den in Rede stehenden Maßnahmen unterliegenden Waren ist, zwar für sich genommen nicht geeignet ist, sie zu individualisieren, aber gleichwohl nicht ohne Relevanz ist, weil diese Tatsache zu einer Reihe von Umständen gehört, die eine besondere Situation begründen, die die Klägerin im Hinblick auf die in Rede stehende Maßnahme aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Mai 2022, Uzina Metalurgica Moldoveneasca/Kommission, T‑245/19, EU:T:2022:295, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Im vorliegenden Fall ist die Kommission in der mündlichen Verhandlung dazu aufgefordert worden, zu den von den Klägerinnen vorgelegten Zahlenangaben Stellung zu nehmen. Auch wenn die Kommission Vorbehalte zu dem Umstand geäußert hat, dass ZMC die einzige ausführende Herstellerin der in Rede stehenden Waren sei, so hat sie dennoch eingeräumt, dass die von den Klägerinnen vorgelegten Daten und die Daten von Eurostat nah beieinander lägen. Daraus ist zu schließen, dass die Kommission keine Beweise vorgelegt hat, die gegen die von den Klägerinnen in dieser Hinsicht vorgetragenen Anhaltspunkte sprechen.

28      Was darüber hinaus den von der Kommission gegen das Vorliegen eines geschlossenen Kreises von Wirtschaftsteilnehmern vorgebrachten Einwand betrifft, dass jeder im Gebiet der Vereinigten Staaten ansässige tatsächliche oder potenzielle Ausführer von Waren, die unter den KN‑Code 9613 80 00 fielen, von der angefochtenen Verordnung ebenfalls betroffen sei, ist das Bündel von Umständen zu ermitteln, das eine Individualisierung der klägerischen Partei im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung kennzeichnen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 1991, Extramet Industrie/Rat, C‑358/89, EU:C:1991:214, Rn. 17 und vom 18. Mai 2022, Uzina Metalurgica Moldoveneasca/Kommission, T‑245/19, EU:T:2022:295, Rn. 66).


29      In diesem Zusammenhang ist erstens festzustellen, dass die angefochtene Verordnung zusätzliche Zölle für Waren unter dem KN‑Code 9613 80 00 mit Ursprung in den Vereinigten Staaten festlegt und dass diese Waren Gegenstand der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerinnen sind. Zweitens stammen alle von ZMC in die Union ausgeführten Waren aus den Vereinigten Staaten. Drittens haben die Klägerinnen, ohne dass die Kommission dem substantiiert widersprochen hätte, Beweisdokumente, insbesondere zwei Bescheinigungen von Berufsverbänden, und Zahlenmaterial zum Beleg vorgelegt, dass ZMC die einzige ausführende Herstellerin von unter den KN‑Code 9613 80 00 fallenden Waren aus den Vereinigten Staaten in die Union ist. Viertens stimmen die von der Kommission für den Erlass der angefochtenen Verordnung verwendeten Daten, die von Eurostat stammen, mit den von den Klägerinnen im Hinblick auf ZMC vorgelegten Daten überein. Fünftens hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass das Verfahren für den Erlass von Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts keine formelle Stufe zur Bestimmung der möglicherweise von den Maßnahmen betroffenen Hersteller oder Ausführer vorsehe, jedoch hat sie eingeräumt, dass sie während des Erlassverfahrens der angefochtenen Verordnung von der Existenz von „Zippo“ als „großem amerikanischen Ausführer“ von dem KN‑Code 9613 80 00 unterstehenden Waren gewusst habe und dass ihr daher bewusst gewesen sei, dass ein Großteil der Ausfuhren, die dieser Tarifposition unterfielen, auf die die angefochtene Verordnung Bezug nehme, Ausfuhren von „Zippo“ seien. Sechstens hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung zudem ausgeführt, dass die Auswahl der Waren, die Gegenstand der Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts gewesen seien, u. a. mit dem Zweck getroffen worden sei, „die andere Partei, im vorliegenden Fall die Vereinigten Staaten von Amerika, dazu zu bewegen, auf ihre mit dem WTO-Abkommen unvereinbare Schutzmaßnahmen zu verzichten“, und dass sie in diesem Rahmen die Vereinigten Staaten als Staat berücksichtigt habe, in dem die Waren ihren Ursprung hätten. Siebtens machen die Klägerinnen, ohne dass die Kommission ihnen in diesem Punkt widerspricht, geltend, dass der Staat Pennsylvania, in dem ZMC ihren Sitz habe, einen der Staaten der Vereinigten Staaten darstelle, der bei der Auswahl mit einbezogen worden sei.

30      Unter diesen Umständen und im Licht der oben in Rn. 20 genannten Rechtsprechung ist festzustellen, dass sich aus dem Akteninhalt, der von den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, ergibt, dass es eine Reihe von tatsächlichen und rechtlichen Umständen gibt, die eine besondere Situation begründen, die eine der Klägerinnen, nämlich ZMC, im Hinblick auf die angefochtene Verordnung aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer heraushebt und somit eine individuelle Betroffenheit im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV belegt.

31      Daher ist festzustellen, dass ZMC von der angefochtenen Verordnung individuell betroffen ist.

 Zur Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit

32      Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannte Voraussetzung, wonach eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Entscheidung unmittelbar betroffen sein muss, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirkt, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessen lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (Urteile vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 42 und vom 3. Dezember 2020, Changmao Biochemical Engineering/Distillerie Bonollo u. a., C‑461/18 P, EU:C:2020:979, Rn. 58).

33      Darüber hinaus ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis eines Rechtsakts, der keine Durchführungsmaßnahmen enthält, nicht mit der Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit verwechselt werden darf, und zum anderen darauf, dass im Rahmen der Prüfung der unmittelbaren Betroffenheit das bloße Vorhandensein von Durchführungsmaßnahmen nicht ausreicht, um diese Betroffenheit auszuschließen, weil das maßgebliche rechtliche Kriterium darin besteht, dass den Adressaten des in Rede stehenden Rechtsakts, die mit dessen Durchführung betraut sind, kein Ermessen eingeräumt wird (vgl. Urteil vom 18. Mai 2022, Uzina Metalurgica Moldoveneasca/Kommission, T‑245/19, EU:T:2022:295, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob ZMC, die von der angefochtenen Verordnung individuell betroffen ist, auch unmittelbar von ihr betroffen ist.

35      Als Erstes ist festzustellen, dass sich u. a. aus Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der angefochtenen Verordnung ergibt, dass die Union im Handel mit den Vereinigten Staaten von Amerika ab dem 8. Mai 2020 die Anwendung von Zugeständnissen bei den Einfuhrzöllen nach dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (ABl. 1994, L 336, S. 11, im Folgenden: GATT 1994) auf die dem KN‑Code 9613 80 00 unterstehenden Waren aussetzt und zusätzliche Wertzölle in Höhe von 20 % auf die Einfuhren der genannten Waren erhebt, sofern der Rat für Warenverkehr der Welthandelsorganisation (WTO) dagegen keine Einwände hat. Darüber hinaus bestimmt Art. 2 der Verordnung, dass die Union diese zusätzlichen Zölle so lange und in dem Ausmaß anwendet, wie die Vereinigten Staaten von Amerika die Schutzmaßnahmen so anwenden oder wiederanwenden, dass Waren aus der Union betroffen sind.

36      Es ist daher festzustellen, dass die mit der Durchführung der angefochtenen Verordnung betrauten Mitgliedstaaten keinerlei Ermessen hinsichtlich des in Rede stehenden zusätzlichen Zolltarifs auf die Einfuhren in die Union und der Einführung dieser Zölle auf die in Rede stehenden Waren haben und dass das zweite oben in Rn. 32 genannte Kriterium daher erfüllt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 2014, Crown Equipment [Suzhou] und Crown Gabelstapler/Rat, T‑643/11, EU:T:2014:1076, Rn. 28 [nicht veröffentlicht]; vom 3. Mai 2018, Distillerie Bonollo u. a./Rat, T‑431/12, EU:T:2018:251, Rn. 50 und Beschluss vom 10. September 2020, Kambodscha und CRF/Kommission, T‑246/19, EU:T:2020:415, Rn. 66, 68 und 108).

37      Als Zweites ist, was das von der oben in Rn. 32 angeführten Rechtsprechung genannte erste Kriterium anbelangt, zunächst festzustellen, dass ZMC, wie oben in Rn. 4 beschrieben, nicht die Zahlungen für die in Rede stehenden zusätzlichen Zölle leistet.

38      Der Rechtsprechung lässt sich jedoch entnehmen, dass der Umstand, dass die genannte Klägerin die Zölle nicht entrichtet, nicht entscheidend ist und dass die Feststellung der unmittelbaren Betroffenheit auf andere Umstände gestützt werden kann (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. September 2020, Kambodscha und CRF/Kommission, T‑246/19, EU:T:2020:415, Rn. 107).

39      Im vorliegenden Fall ist erstens der Umstand zu berücksichtigen, dass die unter den KN‑Code 9613 80 00 fallenden Waren vor dem Inkrafttreten der angefochtenen Verordnung einem gebundenen Zollsatz in Höhe von 2,7 % unterlagen, der sich u. a. aus der Anwendung der multilateralen Zugeständnisse nach dem GATT 1994 ergab. Zweitens wurden diese Zugeständnisse durch die angefochtene Verordnung vorübergehend ausgesetzt und zusätzliche Wertzölle in Höhe von 20 % auf die Waren erhoben. Drittens wurden die Zölle gemäß Art. 2 der angefochtenen Verordnung und bis zu deren Aussetzung durch die Durchführungsverordnung 2021/2083 von der Union so lange und in dem Ausmaß angewandt, wie die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Schutzmaßnahmen so anwandten oder wiederanwandten, dass Waren mit Ursprung in der Union betroffen waren. Viertens war die Kommission, wie sich aus den Erwägungsgründen 9 und 11 der angefochtenen Verordnung ergibt, der Ansicht, dass die angemessenen Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts handelspolitische Maßnahmen darstellen sollten, die u. a. in der Einführung von zusätzlichen Zöllen bestehen, die in einem angemessenen Verhältnis zu den Auswirkungen der Schutzmaßnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika stehen, ohne diese zu übersteigen. Fünftens entsprachen die Zölle den Schutzmaßnahmen der Vereinigten Staaten von Amerika, die, wie sich aus den Erwägungsgründen 7 und 8 der angefochtenen Verordnung ergibt, beträchtliche negative wirtschaftliche Auswirkungen auf die betroffenen Wirtschaftszweige der Union haben konnten. Sechstens machen die Klägerinnen, wie oben in Rn. 29 erwähnt, geltend, dass ZMC die einzige bekannte in den Vereinigten Staaten ansässige ausführende Herstellerin von unter den KN‑Code 9613 80 00 fallenden Waren sei, die den in Rede stehenden zusätzlichen Zöllen unterlägen. Siebtens werden die Waren insbesondere von den Tochtergesellschaften von ZMC, die die Zölle schulden, in die Union eingeführt. Achtens geht aus den von den Klägerinnen in Beantwortung einer prozessleitenden Maßnahme eingereichten Schriftstücken hervor, dass im Jahr 2021, in dem diese Zolltarife in Kraft waren, der Anteil der von diesen Tochtergesellschaften in die Union importierten Waren mehr als 80 % des von ZMC in die Union importierten Warenvolumens ausmachte.

40      Daher ist festzustellen, dass die durch die angefochtene Verordnung eingeführten Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts entsprechend den von den Vereinigten Staaten von Amerika eingeführten Schutzmaßnahmen durch die Anwendung der zusätzlichen Zölle, die in einem angemessenen Verhältnis zu den Auswirkungen der Schutzmaßnahmen stehen, negative wirtschaftliche Auswirkungen auf die Tätigkeit der amerikanischen Unternehmen hervorrufen sollen, die die Waren, auf die diese Maßnahmen Anwendung finden, in die Union ausführen und zu denen ZMC in ihrer Eigenschaft als einzige ausführende Herstellerin der unter den KN‑Code 9613 80 00 fallenden Waren aus den oben in Rn. 29 dargelegten Gründen zählt. Darüber hinaus sind die Auswirkungen auf ZMC im vorliegenden Fall aufgrund ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft der Gesellschaften, die mehr als 80 % des Volumens der genannten Waren aus den Vereinigten Staaten in die Union importieren und daher den Großteil der Zahlungen der durch die angefochtene Verordnung eingeführten zusätzlichen Zölle leisten, verschärft. In Bezug auf die unter den KN‑Code 9613 80 00 fallenden Waren ist ZMC von den von der Kommission mit dem Erlass der angefochtenen Verordnung bezweckten negativen Auswirkungen daher unmittelbar betroffen.

41      Zum anderen beeinträchtigt die angefochtene Verordnung, indem sie die Anwendung des gebundenen Zollsatzes in Höhe von 2,7 % auf die Einfuhr der unter den KN‑Code 9613 80 00 fallenden Waren aussetzt und auf diese Waren zusätzliche Wertzölle in Höhe von 20 % erhebt, das Recht auf Zugang zum Unionsmarkt, das den Waren bis zum Inkrafttreten der zusätzlichen Wertzölle gewährt wurde (vgl. entsprechend Beschluss vom 10. September 2020, Kambodscha und CRF/Kommission, T‑246/19, EU:T:2020:415, Rn. 60 und 61). Da die Stellung von ZMC als einzige in den Vereinigten Staaten ansässige ausführende Herstellerin der Waren von der Kommission nicht wirksam widerlegt worden ist, ist somit festzustellen, dass die angefochtene Verordnung auch das Recht auf Zugang zum Unionsmarkt für die Waren von ZMC beeinträchtigt und dass die Verordnung daher unmittelbare Rechtswirkung sie entfaltet.

42      Der von der Kommission vorgebrachte Umstand, wonach das Volumen der von ZMC in das Gebiet der Union exportierten Waren nach dem Inkrafttreten der angefochtenen Verordnung zugenommen habe, ändert nichts an diesem Ergebnis. Die Klägerinnen machen nämlich zum einen geltend, dass sich die Zunahme u. a. aus einer Umstrukturierung des Vertriebs ihrer Waren und aus einer Zunahme der Verkaufsstellen auf dem Unionsmarkt ergebe. Außerdem wäre die Zunahme ohne die Auferlegung von Zöllen durch die angefochtene Verordnung möglicherweise stärker gewesen. Zudem ist festzustellen, dass die in Rede stehenden Zölle während eines relativ kurzen Zeitraums, vom 8. Mai 2020 bis zum 31. Dezember 2021, erhoben wurden. Zum anderen ist der Umstand, dass die negativen Auswirkungen, die mit dem Erlass einer Verordnung wie der angefochtenen, mit der Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts eingeführt werden, bezweckt wurden, nicht festgestellt werden können, für die Bewertung des Kriteriums der unmittelbaren Betroffenheit nicht entscheidend, da es reicht, dass die in Rede stehende Handlung die Rechtsstellung der Klägerin automatisch und sofort ändert. Aus den oben in den Rn. 40 und 41 genannten Gründen hat die angefochtene Verordnung damit automatisch und sofort unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsstellung von ZMC.

43      Somit ist festzustellen, dass ZMC durch die angefochtene Verordnung unmittelbar betroffen und daher nach Art. 263 Abs. 4 AEUV klagebefugt ist.

44      Nach ständiger Rechtsprechung, die auf Erwägungen der Prozessökonomie gründet, ist in dem Fall, dass eine Handlung von mehreren Klägern angefochten wird und einer dieser Kläger erwiesenermaßen klagebefugt ist, die Klagebefugnis der übrigen Kläger nicht zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 37 und vom 24. Oktober 2019, EPSU und Goudriaan/Kommission, T‑310/18, EU:T:2019:757, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

45      Im vorliegenden Fall ist unter Berücksichtigung des Ergebnisses, dass ZMC zur Erhebung der Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung befugt ist, nicht mehr zu prüfen, ob die Zippo GmbH und die Zippo SAS die erforderliche Klagebefugnis für eine gegen die Verordnung gerichtete Klage nach Art. 263 AEUV besitzen.

46      Außerdem ist festzustellen, dass die Klägerinnen ein Rechtsschutzinteresse gegenüber der angefochtenen Verordnung haben, was im Übrigen von der Kommission nicht bestritten wird.

47      In diesem Zusammenhang wirkt sich der Umstand, dass die in Rede stehenden zusätzlichen Zölle nach Klageerhebung nach dem Inkrafttreten der angefochtenen Verordnung durch die Durchführungsverordnung 2021/2083 ausgesetzt wurden, nicht auf das Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen im Hinblick auf den Klagegegenstand aus. Die Durchführungsverordnung hat die angefochtene Verordnung nämlich weder aufgehoben noch aus der Rechtsordnung der Union entfernt, deren Bestandteil sie daher weiterhin ist. Darüber hinaus bestimmt die Durchführungsverordnung 2021/2083, dass die Aussetzung bis zum 31. Dezember 2023 andauert. Die Klägerinnen haben weiterhin ein Rechtsschutzinteresse, um zu verhindern, dass sich die gerügten Rechtsverstöße in Zukunft wiederholen, insbesondere im Kontext einer möglichen Aufrechterhaltung der in Rede stehenden zusätzlichen Zölle (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Dezember 2015, Parlament/Rat, C‑595/14, EU:C:2015:847, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 3. Mai 2018, Distillerie Bonollo u. a./Rat, T‑431/12, EU:T:2018:251, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Nach alledem ist die Klage zulässig.

 Zur Begründetheit

49      Die Klägerinnen führen fünf Klagegründe an.

50      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst den fünften Klagegrund zu prüfen, der den Vorwurf des Verstoßes gegen den Grundsatz der guten Verwaltung betrifft.

51      Die Klägerinnen machten geltend, dass das Verfahren der Kommission zur Einholung von Informationen, auf das im zehnten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung verwiesen werde, gegen den Grundsatz der guten Verwaltung verstoße. Zunächst sei dieses Verfahren intransparent gewesen, da es in einem Bereich der Website der GD Handel durchgeführt worden sei, der beinahe nicht sichtbar und schwer zugänglich gewesen sei. Sodann hätte eine Veröffentlichung der Information über das Verfahren im Amtsblatt der Europäischen Union, auch wenn die Kommission dazu nicht verpflichtet gewesen sei, den Grundsatz der guten Verwaltung gewahrt. Schließlich sei den Klägerinnen in dem Verfahren nicht die Möglichkeit gegeben worden, vor dem Erlass der angefochtenen Verordnung gehört zu werden, und im Hinblick auf die Strenge der beabsichtigten Maßnahmen gegenüber ihren Interessen sei unter Verletzung von Art. 41 Abs. 2 der Charta gegen ihr Recht auf rechtliches Gehör verstoßen worden.

52      Die Kommission trägt vor, dass das im Rahmen der Vorbereitung der angefochtenen Verordnung durchgeführte Verfahren zur Einholung von Informationen den Anforderungen von Art. 9 der Verordnung Nr. 654/2014 vollumfänglich entsprochen habe. Die Kommission weist darauf hin, dass sie die Beiträge von den betroffenen Parteien erhalten habe, wodurch die Wirksamkeit der Kommunikation rund um dieses Verfahren bestätigt werde. Überdies verpflichte das Recht auf rechtliches Gehör die Kommission nicht, jedes Unternehmen, dessen wirtschaftliche Tätigkeit durch die Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts beeinträchtigt sein könnte, einzeln zu kontaktieren. Dieses Recht sei durch die Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Internet, die es den betroffenen Parteien ermögliche, sich zu informieren und ihr Interesse zu bekunden, einschließlich der Möglichkeit, Informationen, Rat oder Unterstützung einzuholen, ausreichend geschützt.

53      Als Erstes ist die Kritik der Klägerinnen an der Wahl und der fehlenden Transparenz des Kommunikationsmittels zurückzuweisen, das die Kommission gewählt hat, um die in Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 vorgesehene Einholung von Informationen vor dem Erlass der angefochtenen Verordnung zu organisieren.

54      Beabsichtigt die Kommission nämlich, einen Durchführungsakt auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 zu erlassen, um insbesondere das Gleichgewicht der Zugeständnisse in den Handelsbeziehungen mit Drittländern gemäß Art. 3 Buchst. c der Verordnung wiederherzustellen, bestimmt Art. 9 Abs. 1 der Verordnung zum einen, dass sie im Wege einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union oder durch andere geeignete öffentliche Kommunikationsmittel Informationen und Stellungnahmen zu den wirtschaftlichen Interessen der Union in Bezug auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen oder auf bestimmte Sektoren einholt, unter Angabe der Frist, innerhalb derer die Angaben vorzulegen sind, und zum anderen, dass sie den erhaltenen Angaben Rechnung trägt.

55      Wie die Klägerinnen selbst einräumen, war die Kommission somit gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 nicht verpflichtet, die betroffenen Parteien über die Einholung von Informationen ausschließlich durch die Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zu informieren, und konnte die Veröffentlichung dieser Einholung auch „durch andere geeignete öffentliche Kommunikationsmittel“ sicherstellen.

56      Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass in Bezug auf die angefochtene Verordnung die nach Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 vorgesehene Veröffentlichung der Einholung von Informationen vor dem Erlass der Verordnung auf einer Webseite der Website GD Handel mit der Überschrift „Beratungen“ vorgenommen wurde. Über die Webseite hatte die Öffentlichkeit Zugang zu den Informationen in Bezug auf die von den Diensten der Kommission im Bereich der Handelspolitik geführten Beratungen, um insbesondere einen Beitrag leisten zu können.

57      Darüber hinaus ist den Akten zu entnehmen, dass die Kommission vor dem Erlass der angefochtenen Verordnung von den betroffenen Parteien Informationen im Wege eines Formulars angefordert hat, das von ihnen auszufüllen und auf der Webseite der GD Handel zugänglich war. Das einführende Dokument, an das das Formular angehängt war, befasste sich u. a. mit dem Hintergrund der in Rede stehenden Einholung von Informationen, den im Anschluss von der Kommission in Erwägung gezogenen Maßnahmen und der Frist, innerhalb derer die betroffenen Parteien ihr per E‑Mail die Informationen und Stellungnahmen, nämlich bis spätestens 13. März 2020, 12.00 Uhr Ortszeit Brüssel (Belgien), zu übermitteln hatten. Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerinnen nicht an der Beratung teilgenommen haben, jedoch hat die Kommission in Beantwortung der ihr in der mündlichen Verhandlung vom Gericht gestellten Fragen bestätigt, Beiträge von sechs betroffenen Parteien erhalten zu haben, die jedoch keine unter den KN‑Code 9613 80 00 fallende Waren betrafen.

58      Daher ist festzustellen, dass die Kommission, indem sie wie oben in den Rn. 56 und 57 beschrieben vorgegangen ist, nicht gegen Art. 9 der Verordnung Nr. 654/2014 verstoßen hat.


59      Als Zweites ist, was den behaupteten Verstoß gegen das Recht der Klägerinnen auf rechtliches Gehör betrifft, darauf hinzuweisen, dass alle Handlungen der Union die Grundrechte achten müssen, da die Achtung dieser Rechte eine Voraussetzung für ihre Rechtmäßigkeit ist, die die Unionsgerichte im Rahmen des umfassenden Systems von Rechtsbehelfen, das der AEUV schafft, überprüfen müssen (Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 285).

60      Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Kommission verpflichtet ist, im Verwaltungsverfahren zum Schutz gegen handelspolitische Maßnahmen aus nicht zur Union gehörenden Ländern die Grundrechte der Union zu beachten, zu denen der in Art. 41 der Charta verankerte Grundsatz der guten Verwaltung gehört. Nach der Rechtsprechung zum Grundsatz der guten Verwaltung kommt der Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, in Fällen, in denen die Organe der Union über einen Beurteilungsspielraum verfügen, eine umso grundlegendere Bedeutung zu (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Mai 2012, JBF RAK/Rat, T‑555/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:262, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung; vom 25. Januar 2017, Rusal Armenal/Rat, T‑512/09 RENV, EU:T:2017:26, Rn. 189 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 12. März 2020, Eurofer/Kommission, T‑835/17, EU:T:2020:96, Rn. 143).

61      Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta das Recht auf eine gute Verwaltung das Recht jeder Person umfasst, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird (Urteil vom 5. November 2014, Mukarubega, C‑166/13, EU:C:2014:2336, Rn. 43).

62      Das Recht auf rechtliches Gehör garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen möglicherweise nachteilige Entscheidung erlassen wird. Zudem ist klarzustellen, dass das Recht auf rechtliches Gehör ein doppeltes Ziel verfolgt. Es dient zum einen der Zusammenstellung der Akten und einer möglichst genauen und zutreffenden Ermittlung des Sachverhalts und ermöglicht es zum anderen, einen wirksamen Schutz der betroffenen Person zu gewährleisten. Das Recht auf rechtliches Gehör soll insbesondere gewährleisten, dass jede beschwerende Entscheidung in Kenntnis aller Umstände getroffen wird, und soll u. a. der zuständigen Behörde erlauben, einen Fehler zu berichtigen, und der betroffenen Person, individuelle Umstände vorzutragen, die für oder gegen den Erlass oder für oder gegen einen bestimmten Inhalt der Entscheidung sprechen (vgl. Urteil vom 4. Juni 2020, SEAE/De Loecker, C‑187/19 P, EU:C:2020:444, Rn. 68 und 69 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


63      Der Gerichtshof hat die Bedeutung des Rechts auf rechtliches Gehör und seine sehr weite Geltung in der Rechtsordnung der Union bekräftigt, indem er dargelegt hat, dass dieses Recht in allen Verfahren gelten muss, die zu einer beschwerenden Maßnahme führen können. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Recht auf rechtliches Gehör auch dann zu wahren, wenn die anwendbare Regelung ein solches Verfahrensrecht nicht ausdrücklich vorsieht (vgl. Urteil vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T‑570/17, EU:T:2022:314, Rn. 326 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Da der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte, der das Recht auf rechtliches Gehör einschließt, ein fundamentaler und allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, kann seine Anwendung durch eine Verordnung weder ausgeschlossen noch eingeschränkt werden, und seine Beachtung ist daher sowohl bei völligem Fehlen einer speziellen Regelung als auch bei Vorliegen einer Regelung, die ihm nicht selbst Rechnung trägt, sicherzustellen (vgl. Urteil vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T‑570/17, EU:T:2022:314, Rn. 327 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Der Anwendungsbereich des Rechts auf rechtliches Gehör ist nämlich als Grundsatz und Grundrecht der Unionsrechtsordnung eröffnet, wenn die Verwaltung eine beschwerende Maßnahme erlassen will, nämlich eine für die Interessen der betroffenen Person oder des betroffenen Mitgliedstaats nachteilige Maßnahme, wobei seine Anwendung nicht davon abhängt, dass es dafür eine vom Sekundärrecht vorgesehene ausdrückliche Regel gibt (Urteil vom 18. Juni 2014, Spanien/Kommission, T‑260/11, EU:T:2014:555, Rn. 64).

66      Insoweit ist zum einen festzustellen, dass keine Bestimmung der Verordnung Nr. 654/2014 ausdrücklich das Recht auf rechtliches Gehör der Unternehmen ausschließt oder einschränkt, deren Waren den Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts gemäß dem von der Kommission nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung erlassenen Durchführungsakt unterliegen.

67      Darüber hinaus stellt Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014, soweit er die Pflicht der Kommission vorsieht, Informationen und Stellungnahmen zu den wirtschaftlichen Interessen der Union in Bezug auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen oder auf bestimmte Sektoren einzuholen, keine Umsetzung des Rechts auf rechtliches Gehör der Unternehmen dar. Deren Einzelinteressen stimmen nämlich nicht mit den wirtschaftlichen Interessen der Union überein, insbesondere, wenn es sich um ein Unternehmen eines Drittstaats handelt. Zwar kann, wenn ein Unternehmen an einer solchen Einholung von Informationen teilgenommen hat, nicht ausgeschlossen werden, dass es aufgrund der von ihm eingereichten Informationen oder Stellungnahmen seine Interessen oder individuellen Umstände sachdienlich und wirksam vorgetragen hat. Hat jedoch ein Unternehmen, dessen Interessen durch die Maßnahmen, die in einem von der Kommission gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung erlassenen Durchführungsakt vorgesehen sind, nachteilig betroffen sein können, nicht an einer solchen Einholung von Informationen teilgenommen, kann ein Verstoß gegen sein in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta gewährleistetes Recht auf rechtliches Gehör nicht allein deshalb verneint werden, weil die Kommission ihrer Pflicht, die Einholung gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung zu organisieren, nachgekommen ist.

68      Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die von der angefochtenen Verordnung vorgesehenen Maßnahmen auf der Grundlage von Art. 3 Buchst. c und Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 die Wiederherstellung des Gleichgewichts von Zugeständnissen in den Handelsbeziehungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika in Form von handelspolitischen Maßnahmen zum Gegenstand haben, die in der Aussetzung von Zollzugeständnissen und der Einführung von zusätzlichen Zöllen bestehen, was u. a. die unter den KN‑Code 9613 80 00 fallenden Waren betrifft.

69      Somit sind die Hersteller der von den höheren Zöllen betroffenen Waren, die von dem Drittland in die Union exportiert werden, nicht die Adressaten der in Rede stehenden Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts, die grundsätzlich Teil der Handelsbeziehungen zwischen der Union und dem Drittstaat sind.

70      Dennoch ist festzustellen, dass die Kommission gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 das Recht zur Wiederherstellung des Gleichgewichts in Form von handelspolitischen Maßnahmen ausüben kann, die gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung im Wesentlichen dem Umfang der von der Schutzmaßnahme, die vom in Rede stehenden Drittstaat erlassen wurde, betroffenen Zugeständnisse entsprechen.

71      Im vorliegenden Fall hat die Kommission, wie sich aus dem siebten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ergibt, festgestellt, dass die von den Vereinigten Staaten von Amerika erlassenen Schutzmaßnamen beträchtliche negative wirtschaftliche Auswirkungen auf die betroffenen Wirtschaftszweige der Union haben können. Unter diesen Umständen ist, wie oben in Rn. 40 ausgeführt, festzustellen, dass die durch die angefochtene Verordnung eingeführten Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts entsprechend den von den Vereinigten Staaten von Amerika eingeführten Schutzmaßnahmen durch die Anwendung der zusätzlichen Zölle, die in einem angemessenen Verhältnis zu den Auswirkungen der Schutzmaßnahmen stehen, negative wirtschaftliche Auswirkungen auf die Tätigkeit der amerikanischen Unternehmen hervorrufen sollen, die die Waren, auf die diese Maßnahmen Anwendung finden, in die Union ausführen.

72      Somit kann eine Maßnahme zur Wiederherstellung des Gleichgewichts, die nach einem auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 erlassenen Durchführungsakt vorgesehen ist, selbst wenn sie nicht nach einem Individualverfahren gegenüber Unternehmen, die die von ihr betroffenen Waren ausführen, erlassen wird, für die Interessen dieser Unternehmen nachteilig sein.

73      In der oben in Rn. 63 angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist aber das Recht auf rechtliches Gehör weit dahin ausgelegt worden, dass es jeder Person in einem Verfahren garantiert ist, das zu einer sie beschwerenden Maßnahme führen kann. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich Unternehmen, die Waren ausführen, die von Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts betroffen sind, die nach einer auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 erlassenen Verordnung u. a. in der Form von zusätzlichen Zöllen vorgesehen sind, im Rahmen des Verfahrens zum Erlass dieser Maßnahmen auf das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta gewährleistete Recht auf rechtliches Gehör berufen können.

74      Die Kommission hat in ihrer Klagebeantwortung und in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass das Verfahren zum Erlass eines Durchführungsakts gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 nicht vorsehe, dass die Hersteller oder Ausführer, deren Waren Gegenstand der Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts sein könnten, zu identifizieren seien. Jedoch ist gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta und im Hinblick auf die oben in den Rn. 62 und 63 genannte Rechtsprechung festzustellen, dass, wenn die Durchführung des Verfahrens zum Erlass des genannten Rechtsakts die Kommission dazu veranlasst, eine natürliche oder juristische Person zu identifizieren, deren Interessen durch die von diesem Akt vorgesehenen Maßnahmen nachteilig betroffen sein können, diese Person die individuellen Umstände vortragen können muss, die für oder gegen den Erlass oder für oder gegen einen bestimmten Inhalt der Entscheidung sprechen.

75      Im vorliegenden Fall hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung der Fragen des Gerichts bestätigt, dass sie im Lauf des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung nicht nur gewusst habe, dass die Waren der Klägerinnen zu denjenigen gehörten, die den in Rede stehenden zusätzlichen Zöllen unterfielen, sondern auch, dass diese Zölle die Klägerinnen überwiegend beträfen.

76      Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Identifizierung der Waren der Marke Zippo im Lauf des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung nicht auf der von der Kommission gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 durchgeführten Einholung von Informationen beruht. Wie oben in Rn. 57 erwähnt, hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sie für die unter den KN‑Code 9613 80 00 fallenden Waren keine Beiträge erhalten habe. Daher ist festzustellen, dass die Kommission die Waren der Klägerinnen aus eigener Initiative als Gegenstand der mit der angefochtenen Verordnung beabsichtigten Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts identifiziert hat.


77      Aus alledem folgt, dass die Klägerinnen unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache im Lauf des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung über das Recht auf rechtliches Gehör verfügten.

78      Nichtsdestotrotz kann das Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta Einschränkungen unterworfen werden. Dieser Artikel bestimmt:

„Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.“

79      Nach ständiger Rechtsprechung sind nämlich die Grundrechte wie das Recht auf Achtung der Verteidigungsrechte nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern die Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (vgl. Urteile vom 15. Juli 2021, Kommission/Polen [Disziplinarordnung für Richter], C‑791/19, EU:C:2021:596, Rn. 207 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Juni 2022, Algebris [UK] und Anchorage Capital Group/Kommission, T‑570/17, EU:T:2022:314, Rn. 337 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Im vorliegenden Fall macht die Kommission, die bereits das Bestehen des Rechts der Klägerinnen auf rechtliches Gehör bestreitet, nicht geltend, dass Erwägungen zur Verwirklichung von im Allgemeininteresse liegenden Zielen die Beschränkung dieses Rechts unter den Umständen des vorliegenden Falls gerechtfertigt hätten. Vielmehr beruft sie sich im Wesentlichen darauf, dass das gesamte Verfahren zum Erlass der angefochtenen Verordnung den Fristen unterliege, die sich aus den Bestimmungen von Art. 8 Abs. 2 des WTO‑Übereinkommens über Schutzmaßnahmen ergäben und dass das Sammeln von Informationen notwendigerweise in diesem Rahmen stattfinden müsse. Vor diesem Hintergrund macht die Kommission geltend, dass sie im Zusammenhang mit dem nach diesen Bestimmungen vorgesehenen Verfahren angesichts der Zeit, die sie den verschiedenen Verfahrensstufen, u. a. der Einholung von Informationen gemäß Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 654/2014 habe widmen müssen, und der nach den anwendbaren Bestimmungen des WTO‑Übereinkommens über Schutzmaßnahmen vorgeschriebenen Fristen tatsächlich nicht über ausreichend Zeit verfügt habe, um die Klägerinnen während des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung anzuhören. In der mündlichen Verhandlung hat sie zudem vorgetragen, dass die in Rede stehenden Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts am 1. April 2020 hätten erlassen werden müssen, um die Bestimmungen des WTO‑Übereinkommens über Schutzmaßnahmen einzuhalten, und dass die Einholung von Informationen innerhalb einer Woche im März 2020 das Maximum dessen gewesen sei, was sie habe tun können.

81      In diesem Zusammenhang ist, wie die Kommission geltend macht, festzustellen, dass das Verfahren zum Erlass der angefochtenen Verordnung innerhalb der sich aus den Bestimmungen von Art. 8 Abs. 2 des WTO‑Übereinkommens über Schutzmaßnahmen ergebenden Fristen zu erfolgen hatte, die u. a. vorsehen, dass die Aussetzung von Zugeständnissen auf den Handel des Drittstaats, der Schutzmaßnahmen erlassen hat, spätestens 90 Tage nach der Anwendung dieser Maßnahmen und frühestens nach Ablauf von 30 Tagen nach Eingang einer entsprechenden schriftlichen Mitteilung beim WTO‑Rat für Warenverkehr zu erfolgen hat. Somit mussten die von der Kommission erlassenen Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts nach diesen Bestimmungen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die von den Vereinigten Staaten von Amerika erlassenen Maßnahmen, auf die mit der angefochtenen Verordnung reagiert wird, am 8. Februar 2020 in Kraft traten, spätestens 90 Tage danach selbst in Kraft treten, also spätestens am 8. Mai 2020. Darüber hinaus musste die Kommission den WTO‑Rat für Warenverkehr mindestens 30 Tage vor diesem Datum, also spätestens am 7. April 2020, unterrichten.

82      Es ist festzustellen, dass die angefochtene Verordnung am 6. April 2020 erlassen wurde, um diese Fristen zu wahren.

83      Außerdem hat die Kommission, wie sich oben aus den Rn. 75 und 76 ergibt, die Waren der Marke Zippo aus eigener Initiative als von den Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts betroffen identifiziert, die in der zu diesem Zeitpunkt im Erlass befindlichen angefochtenen Verordnung vorgesehen waren.

84      Unter diesen Umständen oblag es der Kommission, zum einen für die Einhaltung der Fristen, die sich aus den Bestimmungen von Art. 8 Abs. 2 des WTO‑Übereinkommens über Schutzmaßnahmen ergeben, zu sorgen, und zum anderen, die Klägerinnen anzuhören, die, wie oben in Rn. 77 gefolgert, im Verfahren zum Erlass der angefochtenen Verordnung über das Recht auf rechtliches Gehör verfügten.

85      Im vorliegenden Fall begnügt sich die Kommission damit, auf das Vorliegen dieser Bestimmungen hinzuweisen, ohne jedoch auszuführen, inwieweit die Einhaltung der sich daraus ergebenden Fristen sie daran hinderte, die Klägerinnen anzuhören. In diesem Zusammenhang ist erstens der Umstand zu berücksichtigen, dass die Fristen und das Datum, an dem die angefochtene Verordnung zu erlassen war, der Kommission bekannt waren. Zweitens wurde die Entscheidung der Kommission, auf die von den Vereinigten Staaten von Amerika eingeführten Schutzmaßnahmen mit Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts, die gemäß der Verordnung Nr. 654/2014 erlassen wurden, zu reagieren, am 6. März 2020 durch das bei der WTO gemäß dem WTO‑Übereinkommen über Schutzmaßnahmen gestellte Ersuchen um Konsultationen formalisiert, wie sich aus der Fußnote im vierten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ergibt. Drittens hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung zwar erklärt, dass die Einholung von Informationen gemäß Art. 9 der Verordnung Nr. 654/2014 „innerhalb einer Woche im März [2020] das Maximum dessen gewesen [sei], was [sie habe] tun könne[n]“, jedoch erklärt sie nicht, inwieweit die Anhörung der Klägerinnen gemäß dem Recht auf rechtliches Gehör mehr Zeit erfordert hätte, noch, weshalb ihre Stellungnahmen nicht hätten parallel zu oder nach dieser Einholung von Informationen im Zeitraum vom 6. März 2020, dem Datum des bei der WTO gestellten Ersuchens um Konsultationen, bis zum 1. April 2020, dem Datum, an dem, wie von der Kommission angegeben, die in Rede stehenden Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts erlassen sein mussten, eingeholt werden können. Viertens hat die Kommission, wie oben in Rn. 57 ausgeführt, bei der Einholung von Informationen lediglich sechs Beiträge von den betroffenen Parteien erhalten, und es ist festzustellen, dass sie kein Argument vorbringt, um zu erklären, inwiefern sie nicht in der Lage gewesen wäre, die angefochtene Verordnung unter Einhaltung der sich aus dem WTO‑Übereinkommen über Schutzmaßnahmen ergebenden Fristen zu erlassen und dabei das Recht der Klägerinnen auf rechtliches Gehör gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta zu gewährleisten, wenn sie zusätzlich zu den vom 6. bis zum 13. März 2020 erhaltenen sechs Beiträgen die Stellungnahmen der Klägerinnen bearbeitet hätte.

86      Da die Kommission nicht den Beweis erbracht hat, dass es ihr unmöglich war, die Klägerinnen im Lauf des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung sachgerecht anzuhören, obwohl sie eingeräumt hat, dass sie sie auf eigene Initiative in diesem Rahmen identifiziert hat, ist somit festzustellen, dass sie über die erforderliche Zeit verfügte, um den Klägerinnen die Ausübung ihres Rechts auf rechtliches Gehör zu ermöglichen.

87      Zwar kann der behauptete Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung nur dann zur Nichtigerklärung der in Rede stehenden Verordnung führen, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich dieser Verstoß auf das Ergebnis des Verfahrens hätte auswirken können und damit die Verteidigungsrechte der klagenden Partei konkret beeinträchtigt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Mai 2015, Yuanping Changyuan Chemicals/Rat, T‑310/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:295, Rn. 224 und 225 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). In diesem Fall darf jedoch von der klagenden Partei nicht der Nachweis verlangt werden, dass die Entscheidung der Kommission inhaltlich anders ausgefallen wäre, sondern lediglich, dass dies nicht völlig ausgeschlossen ist, wenn sie sich ohne diesen Verfahrensfehler besser hätte verteidigen können (vgl. Urteil vom 20. Mai 2015, Yuanping Changyuan Chemicals/Rat, T‑310/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:295, Rn. 214 und die dort angeführte Rechtsprechung).


88      In diesem Zusammenhang machen die Klägerinnen in der Klageschrift u. a. geltend, dass die im Hinblick auf ihre Waren beabsichtigten Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung im Vergleich zu denjenigen, die andere Wirtschaftszweige der Vereinigten Staaten beträfen, sowohl im Hinblick auf ihren Umfang als auch auf ihren Betrag die strengste Form der beabsichtigten Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts darstellten. Sie machen außerdem auf die besondere Härte einer Maßnahme aufmerksam, die nur ein Unternehmen treffe und dieses die gesamte Wirkung der in Rede stehenden Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts spüren lasse, bzw. auf den Umstand, dass ihre Waren keinen Zusammenhang mit denjenigen aufwiesen, die den von den Vereinigten Staaten von Amerika erlassenen Schutzmaßnahmen unterlägen, so dass die von der Kommission getroffenen Maßnahmen die Wirkungen der genannten Schutzmaßnahmen nicht ausgleichen könnten. Sie tragen auch vor, dass die Kommission, indem sie speziell sie in den Blick genommen habe, eine diskriminierende Maßnahme erlassen habe, obwohl sie die Möglichkeit gehabt habe, andere Waren zu wählen, die mehrere Unternehmen betroffen hätten, und die in Rede stehenden Maßnahmen gerechter aufzuteilen.

89      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Klägerinnen, wenn sie ihr Recht auf rechtliches Gehör im Lauf des Verfahrens zum Erlass der angefochtenen Verordnung hätten ausüben können, u. a. die oben in Rn. 88 genannten Argumente hätten vorbringen können.

90      Daher kann, da ZMC aus den oben in Rn. 29 dargelegten Gründen die einzige ausführende Herstellerin der in Rede stehenden Waren ist, nicht ausgeschlossen werden, dass die angefochtene Verordnung einen anderen Inhalt gehabt hätte, wenn die Kommission die Klägerinnen vor dem Erlass der Verordnung angehört hätte.

91      Aus alledem geht somit hervor, dass die Kommission das Recht der Klägerinnen auf rechtliches Gehör und damit das Recht auf eine gute Verwaltung im Verfahren zum Erlass der angefochtenen Verordnung verkannt hat und dass sich dieser Verstoß auf das Ergebnis des Verfahrens möglicherweise ausgewirkt hat.

92      Unter diesen Umständen ist dem fünften Klagegrund stattzugeben und somit die angefochtene Verordnung, soweit sie die unter den KN‑Code 9613 80 00 fallenden Waren betrifft, für nichtig zu erklären, ohne dass die anderen Klagegründe geprüft zu werden brauchen oder dass zur Zulässigkeit der von den Klägerinnen mit Schreiben vom 10. Januar 2023 vorgelegten Beweismittel Stellung genommen werden muss.


 Kosten

93      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Durchführungsverordnung (EU) 2020/502 der Kommission vom 6. April 2020 über bestimmte handelspolitische Maßnahmen in Bezug auf bestimmte Waren mit Ursprung in den Vereinigten Staaten von Amerika wird für nichtig erklärt, soweit sie die unter den KNCode 9613 80 00 fallenden Waren betrifft.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

De Baere

Steinfatt

Kecsmár

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Oktober 2023.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.