Language of document : ECLI:EU:T:1998:104

URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer)

14. Mai 1998 (1)

„Wettbewerb - Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag - Eingeständnis tatsächlicher oder rechtlicher Gesichtspunkte während des Verwaltungsverfahrens - Auswirkungen - Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung - Informationsaustausch - Anordnung - Geldbuße - Begründung - Mildernde Umstände“

In der Rechtssache T-354/94

Stora Kopparbergs Bergslags AB, Gesellschaft schwedischen Rechts mit Sitz in Falun (Schweden), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Alexander Riesenkampff, Heinz-Joachim Freund und Stefan Lehr, Frankfurt am Main, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts René Faltz, 6, rue Heinrich Heine, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Julian Currall und Richard Lyal, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton, ABl. L 243, S. 1)

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie des Richters C. P. Briët, der Richterin P. Lindh und der Richter A. Potocki und J. D. Cooke,

Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni bis zum 8. Juli 1997,

folgendes

Urteil

Sachverhalt

1.
    Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton, ABl. L 243, S. 1), die vor ihrer Veröffentlichung durch eine Entscheidung der Kommission vom 26. Juli 1994 (K[94] 2135 endg.) berichtigt wurde (im folgenden: Entscheidung). In der Entscheidung wurden gegen 19 Kartonhersteller und -lieferanten aus der Gemeinschaft wegen Verstößen gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages Geldbußen festgesetzt.

2.
    Mit Schreiben vom 22. November 1990 legte die British Printing Industries Federation (BPIF), eine Branchenorganisation der Mehrzahl der britischen Kartonbedrucker, bei der Kommission eine informelle Beschwerde ein. Sie machte geltend, daß die das Vereinigte Königreich beliefernden Kartonhersteller eine Reihe gleichzeitiger und einheitlicher Preiserhöhungen vorgenommen hätten, und ersuchte die Kommission, das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zu prüfen. Um ihr Vorgehen publik zumachen, gab die BPIF eine Pressemitteilung heraus. Deren Inhalt wurde von der Fachpresse im Dezember 1990 verbreitet.

3.
    Am 12. Dezember 1990 reichte die Fédération française du cartonnage bei der Kommission ebenfalls eine informelle Beschwerde mit Behauptungen betreffend den französischen Kartonmarkt ein, die ähnlich wie die BPIF-Beschwerde lautete.

4.
    Am 23. und 24. April 1991 nahmen Beamte der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), in den Geschäftsräumen verschiedener Unternehmen und Branchenorganisationen des Kartonsektors ohne Vorankündigung gleichzeitig Nachprüfungen vor.

5.
    Im Anschluß an diese Nachprüfungen richtete die Kommission an alle Adressaten der Entscheidung Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 und ersuchte um die Vorlage von Dokumenten.

6.
    Aufgrund der im Rahmen dieser Nachprüfungen und Ersuchen um Auskünfte und Vorlage von Dokumenten erlangten Informationen kam die Kommission zu dem Ergebnis, daß sich die betreffenden Unternehmen von etwa Mitte 1986 bis (in den meisten Fällen) mindestens April 1991 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligt hätten.

7.
    Sie beschloß daher, ein Verfahren gemäß dieser Bestimmung einzuleiten. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1992 richtete sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an alle fraglichen Unternehmen. Sämtliche Adressaten antworteten darauf schriftlich. Neun Unternehmen baten um eine mündliche Anhörung. Ihre Anhörung fand vom 7. bis zum 9. Juni 1993 statt.

8.
    Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung, die folgende Bestimmungen enthält:

Artikel 1

Buchmann GmbH, Cascades S.A., Enso-Gutzeit Oy, Europa Carton AG, Finnboard - the Finnish Board Mills Association, Fiskeby Board AB, Gruber & Weber GmbH & Co. KG, Kartonfabriek .De Eendracht' NV (unter der Firma BPB de Eendracht handelnd), NV Koninklijke KNP BT NV (ehemals Koninklijke Nederlandse Papierfabrieken NV), Laakmann Karton GmbH & Co. KG, Mo Och Domsjö AB (MoDo), Mayr-Melnhof Gesellschaft mbH, Papeteries de Lancey S.A., Rena Kartonfabrik A/S, Sarrió SpA, SCA Holding Ltd (ehemals Reed Paper & Board (UK) Ltd), Stora Kopparbergs Bergslags AB, Enso Española S.A. (früher Tampella Española S.A.) und Moritz J. Weig GmbH & Co. KG haben gegen Artikel 85 Absatz 1 des EG-Vertrages verstoßen, indem sie sich

-    im Falle von Buchmann und Rena von etwa März 1988 bis mindestens Ende 1990,

-    im Falle von Enso Española von mindestens März 1988 bis mindestens Ende April 1991 und

-    im Falle von Gruber & Weber von mindestens 1988 bis Ende 1990,

-    in den [übrigen] Fällen von Mitte 1986 bis mindestens April 1991,

an einer seit Mitte 1986 bestehenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft

-    sich regelmäßig an einer Reihe geheimer und institutionalisierter Sitzungen zwecks Erörterung und Festlegung eines gemeinsamen Branchenplans zur Einschränkung des Wettbewerbs trafen;

-    sich über regelmäßige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder Landeswährung verständigten;

-    gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft planten und durchführten;

-    sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten;

-    in zunehmendem Maße ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen sicherzustellen;

-    als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten.

...

Artikel 3

Gegen die nachstehenden Unternehmen werden für den in Artikel 1 festgestellten Verstoß folgende Geldbußen festgesetzt:

...

xvii)    gegen Stora Kopparbergs Bergslags AB eine Geldbuße in Höhe von 11 250 000 ECU;

...“

9.
    Der Entscheidung zufolge geschah die Zuwiderhandlung im Rahmen einer aus mehreren Gruppen oder Ausschüssen bestehenden Organisation namens „Produktgruppe Karton“ (im folgenden: PG Karton).

10.
    Im Rahmen dieser Organisation sei Mitte 1986 ein Ausschuß namens „Presidents' Working Group“ (PWG) eingesetzt worden, der aus hochrangigen Vertretern der (etwa acht) führenden Kartonlieferanten der Gemeinschaft bestanden habe.

11.
    Der PWG habe sich u. a. mit der Erörterung und Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise und Kapazitäten beschäftigt. Er habe insbesondere umfassende Beschlüsse über die zeitliche Folge und die Höhe der von den Herstellern vorzunehmenden Preiserhöhungen gefaßt.

12.
    Der PWG habe der „Präsidentenkonferenz“ (PK) Bericht erstattet, an der (mehr oder weniger regelmäßig) fast alle Generaldirektoren der betreffenden Unternehmen teilgenommen hätten. Die PK habe im maßgeblichen Zeitraum zweimal pro Jahr getagt.

13.
    Ende 1987 sei das „Joint Marketing Committee“ (JMC) eingesetzt worden. Die Hauptaufgabe des JMC habe darin bestanden, zum einen zu ermitteln, ob und, wenn ja, wie sich Preiserhöhungen durchsetzen ließen, und zum anderen die vom PWG beschlossenen Preisinitiativen nach Ländern und wichtigsten Kunden im Detail auszuarbeiten, um zu einem einheitlichen Preissystem in Europa zu gelangen.

14.
    Schließlich habe die „Wirtschaftliche Kommission“ (WK) unter anderem die Preisentwicklung auf den nationalen Märkten und die Auftragslage erörtert und dem JMC oder - bis Ende 1987 - dessen Vorgänger, dem „Marketing Committee“, über die Ergebnisse ihrer Arbeit berichtet. Die WK habe aus Vertriebs- und/oder Verkaufsleitern der meisten fraglichen Unternehmen bestanden und sei mehrmals pro Jahr zusammengetreten.

15.
    Aus der Entscheidung geht ferner hervor, daß die Tätigkeiten der PG Karton nach Ansicht der Kommission durch einen Informationsaustausch über die Treuhandgesellschaft FIDES mit Sitz in Zürich (Schweiz) unterstützt wurden. In der Entscheidung heißt es, die meisten Mitglieder der PG Karton hätten der FIDES regelmäßig Berichte über Auftragslage, Produktion, Verkäufe und Kapazitätsauslastung geliefert. Diese Berichte seien im Rahmen des FIDES-Systems bearbeitet worden, und die Teilnehmer hätten die zusammengefaßten Daten erhalten.

16.
    Die Klägerin war bereits Eigentümerin von Kopparfors, einem der größten europäischen Kartonhersteller, als sie 1990 den deutschen PapierkonzernFeldmühle-Nobel (im folgenden: FeNo) erwarb, zu dem die Kartonfabrik Feldmühle gehörte (Randnr. 11 der Entscheidung). Zu dieser Zeit war Feldmühle bereits Eigentümerin der Papeteries Béghin-Corbehem (im folgenden: CBC).

17.
    Der Entscheidung zufolge haben sich Feldmühle, Kopparfors und CBC während des gesamten Zeitraums, der Gegenstand der Entscheidung ist, am Kartell beteiligt. Außerdem hätten Feldmühle und CBC an Sitzungen des PWG teilgenommen.

18.
    Die ehemaligen Kartonfabriken Kopparfors und Feldmühle wurden später zusammengefaßt und bilden jetzt den Geschäftsbereich Billerud des Stora-Konzerns.

19.
    Randnummer 158 der Entscheidung lautet: „Stora übernimmt die Verantwortung für die Beteiligung ihrer Tochtergesellschaften Feldmühle, Kopparfors und CBC an den Wettbewerbsverstößen für den Zeitraum sowohl vor als auch nach deren Erwerb.“ Außerdem kam die Kommission zu dem Schluß, daß die Klägerin aufgrund der Teilnahme von Feldmühle und CBC an den Sitzungen des PWG zu den „Anführern“ des Kartells gehört habe und als solche eine besondere Verantwortung trage.

Verfahren

20.
    Mit Klageschrift, die am 24. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

21.
    Sechzehn der achtzehn anderen für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemachten Unternehmen haben ebenfalls Klage gegen die Entscheidung erhoben (Rechtssachen T-295/94, T-301/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94, T-311/94, T-317/94, T-319/94, T-327/94, T-334/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94, T-348/94 und T-352/94).

22.
    Die Klägerin in der Rechtssache T-301/94, die Laakmann Karton GmbH, hat ihre Klage mit Schreiben, das am 10. Juni 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgenommen; durch Beschluß vom 18. Juli 1996 in der Rechtssache T-301/94 (Laakmann Karton/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist diese Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen worden.

23.
    Vier finnische Unternehmen, die als Mitglieder der Wirtschaftsvereinigung Finnboard gesamtschuldnerisch für die Zahlung der gegen diese festgesetzten Geldbuße haftbar gemacht wurden, haben ebenfalls gegen die Entscheidung geklagt (verbundene Rechtssachen T-339/94, T-340/94, T-341/94 und T-342/94).

24.
    Schließlich hat der Verband CEPI-Cartonboard, der nicht zu den Adressaten der Entscheidung gehört, Klage erhoben. Er hat sie jedoch mit Schreiben, das am 8. Januar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgenommen; durchBeschluß vom 6. März 1997 in der Rechtssache T-312/94 (CEPI-Cartonboard/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist diese Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen worden.

25.
    Mit Schreiben vom 5. Februar 1997 hat das Gericht die Parteien zu einer informellen Sitzung geladen, in der sie sich u. a. zu einer etwaigen Verbindung der Rechtssachen T-295/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94, T-311/94, T-317/94, T-319/94, T-327/94, T-334/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94, T-348/94, T-352/94 und T-354/94 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung äußern sollten. In dieser Sitzung, die am 29. April 1997 stattfand, haben sich die Parteien mit einer solchen Verbindung einverstanden erklärt.

26.
    Mit Beschluß vom 4. Juni 1997 hat der Präsident der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts die genannten Rechtssachen wegen ihres Zusammenhangs gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden und einem Antrag der Klägerin in der Rechtssache T-334/94 auf vertrauliche Behandlung stattgegeben.

27.
    Mit Beschluß vom 20. Juni 1997 hat er einem Antrag der Klägerin in der Rechtssache T-337/94 auf vertrauliche Behandlung eines in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts vorgelegten Dokuments stattgegeben.

28.
    Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat prozeßleitende Maßnahmen getroffen, indem es die Parteien ersucht hat, einige schriftliche Fragen zu beantworten und bestimmte Dokumente vorzulegen. Die Parteien sind diesen Ersuchen nachgekommen.

29.
    Die Parteien in den in Randnummer 25 genannten Rechtssachen haben in der Sitzung, die vom 25. Juni bis zum 8. Juli 1997 stattfand, mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

30.
    Die Klägerin beantragt,

-    die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie sich auf sie bezieht;

-    hilfsweise, die Geldbuße für nichtig zu erklären oder herabzusetzen;

-    der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

31.
    Die Kommission beantragt,

-    den ersten Klagegrund als unzulässig, hilfsweise, als unbegründet zurückzuweisen;

-    die übrigen Klagegründe als unbegründet zurückzuweisen;

-    der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung

32.
    Die Klägerin macht nur einen Klagegrund geltend, der dahin geht, daß sie nicht die richtige Adressatin der Entscheidung sei.

Zulässigkeit des Klagegrundes

Vorbringen der Parteien

33.
    Die Kommission weist darauf hin, daß die Klägerin im vorprozessualen Verfahren bestrebt gewesen sei, sie durch ihr Verhalten zu veranlassen, keine anderen möglichen Adressaten der Entscheidung als sie selbst in Betracht zu ziehen. Außerdem sei der Klägerin aufgrund ihrer Haltung während des Verwaltungsverfahrens ein beträchtlicher Bußgeldnachlaß gewährt worden. In Anbetracht dessen dürfe ihr nicht gestattet werden, vor dem Gericht eine gegenteilige Position einzunehmen. Insoweit könne der in den Ländern des Common law geltende Billigkeitsgrundsatz analog angewandt werden, nach dem sich ein Anspruchsteller selbst einwandfrei verhalten haben müsse.

34.
    Die ersten Schreiben gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 seien nicht an die Klägerin gerichtet worden, sondern an drei andere Gesellschaften des Konzerns. Im Schreiben des von der Klägerin beauftragten Rechtsanwalts vom 19. August 1991 und in der alleinigen Antwort der Klägerin vom 30. August 1991 (Anlagen 34 und 35 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) sei diese jedoch als Gesprächspartner präsentiert worden, der den Konzern im fraglichen Verfahren vertrete. Diesen beiden Unterlagen lasse sich entnehmen, daß die Geschäftsführung der Klägerin beschlossen habe, mit der Kommission zusammenzuarbeiten, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wer der richtige Adressat des Verfahrens sei. Ihr Ziel - das sie im übrigen erreicht habe - habe somit darin bestanden, die Kommission dazu zu bewegen, sie aufgrund ihrer kooperativen Haltung bevorzugt zu behandeln.

35.
    Dieses Vorgehen der Klägerin habe sich dahin gehend ausgewirkt, daß alle nachfolgenden Schreiben einschließlich der Schreiben gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 an sie gerichtet worden seien. Die von ihr gegebenen Antworten hätten den nach dem ursprünglichen Schriftwechsel gewonnenen Eindruck bestätigt, denn sie habe sich weiterhin als der richtige Adressat des Verfahrens und gegebenenfalls der Endentscheidung präsentiert.

36.
    Aus diesem Grund habe die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die an die Klägerin gerichtet worden sei, ausgeführt, daß diese die Verantwortung für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften übernehme (siehe auch Randnr. 158 der Entscheidung). Das Fehlen einer Entgegnung auf diese Behauptung in der Erwiderung auf die Beschwerdepunkte müsse daher unter den Umständen des vorliegenden Falles als echtes Eingeständnis verstanden werden.

37.
    Überdies habe sich der Stora-Konzern nach außen stets als einheitlich handelnde Gruppe dargestellt. Daß sich die Klägerin als alleiniger Gesprächspartner der Kommission präsentiert habe, entspreche voll und ganz dieser Politik.

38.
    Schließlich habe das Gericht implizit anerkannt, daß ein Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen an den gegenüber der Kommission eingenommenen Standpunkt gebunden sein könne, so daß es diesen Standpunkt anschließend vor Gericht nicht ändern könne (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439).

39.
    Die Klägerin bestreitet, ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt zu haben, daß sie die richtige Adressatin der Entscheidung sei. Die Kommission habe die ersten Schreiben gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 zu Recht an ihre Tochtergesellschaften gesandt, und in der Antwort der Klägerin auf diese Schreiben habe nichts darauf hingedeutet, daß sie in eigenem Namen antworte. Im Schreiben vom 19. August 1991 habe ihr Rechtsanwalt ausdrücklich mitgeteilt, daß er im Auftrag der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaften handele. Sie habe natürlich beschlossen, daß ihre Rechtsabteilung angesichts des besonderen Charakters der Angelegenheit die Behandlung der Ermittlungen gegen die einzelnen Gesellschaften des Konzerns koordinieren solle.

40.
    Sie sei nicht verpflichtet gewesen, auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu antworten. In ihrer Erwiderung habe sie ausgeführt, daß sie nicht auf die rechtliche Beurteilung durch die Kommission eingehen wolle. Sie sei berechtigt gewesen, ihre Erwiderung auf einige Sachfragen zu beschränken, so daß nichts darauf schließen lasse, daß sie damit irgendeine Verantwortung für die angeblichen Zuwiderhandlungen übernommen habe.

Würdigung durch das Gericht

41.
    Die Klägerin hat unstreitig nie ausdrücklich anerkannt, die richtige Adressatin der Mitteilung der Beschwerdepunkte oder der Entscheidung zu sein.

42.
    Es ist zu prüfen, ob sie stillschweigend anerkannt hat, die richtige Adressatin dieser

Rechtsakte zu sein.

43.
    Im Anschluß an Auskunftsverlangen, die gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 u. a. an mehrere Tochtergesellschaften der Klägerin gerichtet wurden, hat ihrRechtsanwalt in einem Schreiben an die Kommission vom 19. August 1991 (Anlage 34 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) folgendes ausgeführt:

„In der obigen Rechtssache wurde unsere Kanzlei von Stora Kopparbergs Bergslags AB (.Stora') beauftragt, sie und ihre verschiedenen Tochtergesellschaften, u. a. die mit der Herstellung und dem Vertrieb von Karton befaßten Firmen Billerud, Kopparfors und Feldmühle, zu vertreten; Stora und ihre fraglichen Tochtergesellschaften in der Kartonbranche werden im Rahmen dieser Rechtssache als Stora-Gruppe bezeichnet.

Die Geschäftsführung von Stora hat mich angewiesen, der Kommission mitzuteilen, daß sie die Schwere der in den Entscheidungen der Kommission gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 17 (über Nachprüfungen an Ort und Stelle) und in ihren Schreiben gemäß Artikel 11 dieser Verordnung (Auskunftsverlangen) behaupteten Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln anerkennt und daß sie eine Überprüfung der entsprechenden Vorgehensweisen und Praktiken der einzelnen Tochtergesellschaften der Stora-Gruppe eingeleitet hat. Aus ersten Ergebnissen dieser Überprüfung hat Stora geschlossen, daß Unternehmen der Stora-Gruppe gewisse Vorgehensweisen und Praktiken angewandt haben, die vermutlich gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen.

...

In der Zwischenzeit werden die Antworten auf die verschiedenen Auskunftsverlangen, die elf Unternehmen der Stora-Gruppe übersandt wurden, vervollständigt; sie werden der Kommission in Kürze vorgelegt.“

44.
    In ihrer ersten Aussage vom 30. August 1991 (Anlage 35 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) führte die Klägerin sodann aus:

„Dieses Schriftstück enthält die Antworten der Cartonnerie Béghin Corbehem SA (CBC), der Feldmühle AG (Feldmühle) und der Kopparfors AB (Kopparfors) (zusammen als Stora-Hersteller bezeichnet) auf das erste Verlangen gemäß Artikel 11, das die Kommission am 11. Juni 1991 an die Hersteller richtete. Eigentümer aller Stora-Hersteller ist die Stora Kopparbergs Bergslags AB (Stora), die die Antworten auf die an ihre Tochtergesellschaften gerichteten Verlangen gemäß Artikel 11 zusammengefaßt hat. Alle Stora-Hersteller haben die in diesen Antworten enthaltenen Informationen geliefert ...“

45.
    Schließlich wurde in den späteren Aussagen der Klägerin (Anlagen 38, 39, 43 und 44 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) nicht angegeben, in wessen Namen sie gemacht wurden. Sie enthalten Bezugnahmen auf „Stora“ und auf die „Stora-Hersteller“ („Stora Producers“).

46.
    Aufgrund dieser Unterlagen war die Kommission zu der Annahme berechtigt, daß die Klägerin angesichts ihrer mehrdeutigen Haltung in dem Abschnitt desVerwaltungsverfahrens, der vor der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte lag, nicht beabsichtigte, ihre Verantwortung für das rechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaften zu leugnen. In diesem Stadium hätte die Kommission die Haltung der Klägerin auch dahin gehend verstehen können, daß sie sich als alleiniger Gesprächspartner präsentierte, der zur Zusammenarbeit bei der Klärung des den Unternehmen der Stora-Gruppe zur Last gelegten rechtswidrigen Verhaltens bereit war, ohne jedoch stillschweigend anzuerkennen, daß sie die richtige Adressatin der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der etwaigen späteren Entscheidung sei.

47.
    In bezug auf die Zeit danach ist festzustellen, daß es in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die an die Klägerin gerichtet wurde, heißt: „Stora übernimmt die Verantwortlichkeit für die Beteiligung [ihrer] Tochtergesellschaften Feldmühle, Kopparfors und CBC an den Wettbewerbsverstößen sowohl für den Zeitraum vor als auch nach deren Erwerb.“ Als die Klägerin beschloß, nur auf einige der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Behauptungen zu antworten, hat sie sich somit bewußt dafür entschieden, zur ausdrücklichen Behauptung der Kommission, daß sie für das wettbewerbswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaften verantwortlich sei, nicht Stellung zu nehmen.

48.
    Auch wenn ihr diese Reaktion nicht vorgeworfen werden kann, da ein Unternehmen nicht verpflichtet ist, auf die ihm übersandte Mitteilung der Beschwerdepunkte zu antworten (Urteil Hilti/Kommission, Randnrn. 37 und 38), war die Kommission unter diesen Umständen angesichts der oben in den Randnummern 43 bis 47 dargestellten Gegebenheiten berechtigt, aus der Haltung der Klägerin abzuleiten, daß sie sich als die richtige Adressatin der zu erlassenden Entscheidung betrachtete und dies vor Gericht nicht in Frage stellen würde.

49.
    Trotz dieses Ergebnisses ist der vorliegende Klagegrund jedoch für zulässig zu erklären.

50.
    Das ausdrückliche oder stillschweigende Eingeständnis tatsächlicher oder rechtlicher Gesichtspunkte durch ein Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission kann nämlich zwar ein Beweismittel bei der Beurteilung der Begründetheit einer Klage darstellen; es kann jedoch nicht die Ausübung des Rechts, gemäß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages vor dem Gericht Klage zu erheben, als solche einschränken. Mangels einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage würde eine solche Einschränkung gegen die tragenden Grundsätze der Rechtmäßigkeit und der Wahrung der Verteidigungsrechte verstoßen.

51.
    Im vorliegenden Fall werden das Verhalten der Klägerin im Verwaltungsverfahren vor der Kommission und insbesondere der Inhalt der gegenüber der Kommission gemachten Aussagen bei der Prüfung der Begründetheit der Klage zu würdigen sein.

Begründetheit

52.
    Der Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil macht die Klägerin einen Verstoß gegen die Pflicht zur Begründung der Entscheidung geltend. Im zweiten Teil trägt sie vor, die Zuwiderhandlung sei ihr nicht zuzurechnen.

Erster Teil: Unzureichende Begründung

- Vorbringen der Parteien

53.
    Die Klägerin weist darauf hin, daß die Kommission die Entscheidung grundsätzlich an die auf der Mitgliederliste der PG Karton stehenden Unternehmen gerichtet habe. Davon abweichend habe sie die Entscheidung jedoch an den - von der Muttergesellschaft vertretenen - Konzern selbst gerichtet, wenn mehr als ein Unternehmen des Konzerns an dem Verstoß beteiligt gewesen sei oder ausdrückliche Beweise dafür vorgelegen hätten, daß die Muttergesellschaft in die Kartellteilnahme der Tochtergesellschaft verwickelt gewesen sei (Randnr. 143 der Entscheidung). Für beide Ausnahmeregelungen gebe es jedoch keine gemeinschaftsrechtliche Grundlage. Die einzige Begründung für die Übersendung der Entscheidung an die Klägerin sei ihre angebliche Übernahme der Verantwortung für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften (Randnr. 158 der Entscheidung). Dies sei keine echte Begründung, so daß die Entscheidung nicht den im Urteil des Gerichts vom 28. April 1994 in der Rechtssache T-38/92 (AWS Benelux/Kommission, Slg. 1994, II-211, Randnr. 30) aufgestellten Anforderungen entspreche, wonach aus einer gemäß Artikel 85 des Vertrages in bezug auf mehrere Adressaten getroffenen Entscheidung die Gründe hervorgehen müßten, aus denen die betreffenden Zuwiderhandlungen den verschiedenen Adressaten zugerechnet worden seien.

54.
    Im übrigen sei die These der Kommission zurückzuweisen, daß sie in der Entscheidung nicht auf Argumente einzugehen brauche, die im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht worden seien. Im Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81 (Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 14), auf das sich die Kommission berufen habe, habe der Gerichtshof ausgeführt, daß die Kommission die Erwägungen angeben müsse, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlaßt hätten.

55.
    Die Kommission trägt vor, die Randnummern 140 ff. der Entscheidung enthielten eine Darstellung der allgemeinen Grundsätze, auf die sie sich gestützt habe. Die Randnummern 147 ff., die der Frage des richtigen Adressaten in den einzelnen Fällen gewidmet seien, stellten nur die konkrete Anwendung dieser Grundsätze dar. Sie sei jedenfalls nicht verpflichtet gewesen, eine vollständige Begründung in bezug auf Gesichtspunkte zu geben, die ihr gegenüber nicht einmal angesprochen worden seien (vgl. Urteil Michelin/Kommission, Randnrn. 14 und 15).

- Würdigung durch das Gericht

56.
    Nach ständiger Rechtsprechung muß die Begründung einer beschwerenden Entscheidung eine wirksame Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit ermöglichen und dem Betroffenen die erforderlichen Hinweise geben, anhand deren er erkennen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet ist. Ob eine Begründung ausreicht, ist anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts der Maßnahme, der Art der vorgetragenen Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten an Erläuterungen haben können. Um diese Funktionen zu erfüllen, muß eine ausreichende Begründung die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, klar und unzweideutig wiedergeben. Betrifft eine Entscheidung über die Anwendung von Artikel 85 oder 86 des Vertrages wie im vorliegenden Fall mehrere Adressaten und stellt sich die Frage, wem die Zuwiderhandlung zuzurechnen ist, so muß sie in bezug auf jeden Adressaten ausreichend begründet sein, insbesondere aber in bezug auf diejenigen, denen die Zuwiderhandlung in der Entscheidung zur Last gelegt wird (vgl. u. a. Urteil AWS Benelux/Kommission, Randnr. 26).

57.
    Im vorliegenden Fall werden die allgemeinen Kriterien, auf die sich die Kommission bei der Ermittlung der Adressaten der Entscheidung gestützt hat, in den Randnummern 140 bis 146 der Entscheidung hinreichend klar dargelegt.

58.
    Gemäß Randnummer 143 hat die Kommission die Entscheidung grundsätzlich an die in der Mitgliederliste der PG Karton genannte Firma gerichtet, ausgenommen folgende Fälle:

„1.    War mehr als ein Unternehmen eines Konzerns an dem Verstoß beteiligt oder

2.    [lagen] ausdrückliche Beweise dafür vor, daß die Muttergesellschaft oder der Konzern in die Kartellteilnahme der Tochtergesellschaft verwickelt war,

so war der (von der Muttergesellschaft vertretene) Konzern der Adressat.“

59.
    In den Fällen des Übergangs von Unternehmen ermittelte die Kommission die Adressaten der Entscheidung insbesondere anhand des folgenden, in Randnummer 145 Absatz 3 genannten Kriteriums: „[W]enn die übertragene Tochtergesellschaft weiterhin dem Kartell angehörte, [wird es] auf die jeweiligen Umstände ankommen, ob bei einem Verfahren wegen dieser Beteiligung der Adressat die Tochtergesellschaft als solche oder der übernehmende Konzern sein sollte.“

60.
    Ferner hat sie in den Randnummern 147 bis 160 der Entscheidung dargelegt, wie sie die oben genannten allgemeinen Kriterien in jedem Einzelfall angewandt hat.

61.
    In bezug auf die Klägerin heißt es in Randnummer 158 der Entscheidung zwar lediglich: „Stora übernimmt die Verantwortung für die Beteiligung ihrerTochtergesellschaften Feldmühle, Kopparfors und CBC an den Wettbewerbsverstößen für den Zeitraum sowohl vor als auch nach deren Erwerb.“

62.
    Wie das Gericht bereits festgestellt hat (siehe oben, Randnr. 48), kann der Kommission jedoch kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie die Haltung der Klägerin im Verwaltungsverfahren so verstand, daß diese ihre Verantwortung für die festgestellte Zuwiderhandlung nicht bestreiten wolle.

63.
    Da die Klägerin zu der unmißverständlichen Behauptung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, daß sie die Verantwortung für das wettbewerbswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaften übernehme, nicht ausdrücklich Stellung nahm, war die Kommission folglich nicht verpflichtet, eine besondere Begründung für die Anwendung der zugrunde gelegten allgemeinen Kriterien auf den speziellen Fall der Klägerin zu geben.

64.
    Außerdem enthält die Einzeldarstellung zur Mitteilung der Beschwerdepunkte mehrere Abschnitte, die sich auf die Gründe beziehen, die die Kommission dazu veranlaßten, diese Mitteilung an die Klägerin zu richten. Insbesondere heißt es dort (S. 7): „Die Verantwortung von Feldmühle für ihre Beteiligung vor dem Erwerb durch Stora geht auf den Gesamtkonzern über. Die gleichen Erwägungen gelten für das Verhalten von CBC, bevor sie zu Feldmühle gehörte. Stora kann jedenfalls nicht geltend machen, daß ihr als .unschuldiger' Erwerberin eines wettbewerbswidrig handelnden Herstellers die Verantwortung auferlegt worden sei: Kopparfors war von Anfang an ein aktives Vollmitglied des Kartells, und das Verhalten von Feldmühle und CBC wurde vom neuen Zusammenschluß fortgesetzt.“

65.
    Da die Erwägungen der Kommission somit aus der Mitteilung der Beschwerdepunkte mit ausreichender Klarheit hervorgingen, ist davon auszugehen, daß die Klägerin über alle Hinweise verfügte, anhand deren sie erkennen konnte, ob die Entscheidung zu Recht an sie gerichtet wurde (vgl. analog dazu Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73, 55/73, 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnr. 230).

66.
    Die Frage der Rechtmäßigkeit der von der Kommission angewandten allgemeinen Kriterien gehört zur Prüfung des Inhalts der Entscheidung. Daher ist festzustellen, daß das Vorbringen der Klägerin zur Rechtswidrigkeit der in Randnummer 143 der Entscheidung genannten Kriterien im vorliegenden Zusammenhang unerheblich ist.

67.
    Dem ersten Teil des Klagegrundes kann daher nicht gefolgt werden.

Zweiter Teil: Fehlende Verantwortlichkeit der Klägerin für die Zuwiderhandlung

- Vorbringen der Parteien

68.
    Die Klägerin trägt erstens vor, sie sei für die fragliche Zuwiderhandlung nicht als Rechtsnachfolgerin der Gesellschaften, die sie begangen hätten, verantwortlich, da diese Gesellschaften immer noch bestünden.

69.
    Zweitens seien auch die Voraussetzungen dafür, daß ihr die Verantwortung für innerhalb des Konzerns begangene Zuwiderhandlungen auferlegt werde, nicht erfüllt.

70.
    Nach der Entscheidungspraxis der Kommission und der Rechtsprechung müßten drei Voraussetzungen vorliegen, damit eine Zuwiderhandlung von Tochtergesellschaften der Muttergesellschaft unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Einheit zugerechnet werde, und zwar a) eine aus dem Besitz von Anteilen resultierende Verbindung zwischen den Gesellschaften, b) eine Teilidentität der Führungskräfte der an den wettbewerbswidrigen Praktiken beteiligten Unternehmen und c) die fehlende Autonomie der Tochtergesellschaften aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer zentral geführten Unternehmensgruppe oder aufgrund von Verflechtungen in der Leitung der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft (vgl. u. a. Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, und des Gerichts vom 1. April 1993 in der Rechtssache T-65/89, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1993, II-389).

71.
    In dem Zeitraum, der Gegenstand der Entscheidung sei, habe sie aber die Handelspolitik der drei betreffenden Gesellschaften nicht tatsächlich kontrolliert.

72.
    Kopparfors sei seit 1986 ihre 100%ige Tochtergesellschaft. Aufgrund der dezentralen Struktur der Stora-Gruppe sei Kopparfors jedoch auf dem Kartonmarkt weiterhin als eigenständiges Rechtssubjekt aufgetreten und habe ihre Handelspolitik weitgehend selbst bestimmt, da sie damals die einzige in der Kartonbranche tätige Gesellschaft der Gruppe gewesen sei. Im übrigen habe sie über ihren eigenen Vorstand sowie über Vertreter nach außen verfügt.

73.
    Was Feldmühle anbelange, so habe die Klägerin selbst im April 1990 Verträge über den Erwerb von etwa 75 % der Anteile am FeNo-Konzern geschlossen, zu dem Feldmühle gehört habe. Die tatsächliche Übertragung der Anteile sei jedoch erst im September 1990 erfolgt. Ende 1990 habe sie Anteile von Kleinaktionären erworben, so daß sie im April 1991 97,84 % der Anteile an FeNo gehalten habe. Auch wenn ihr also am Ende des von der Entscheidung erfaßten Zeitraums die Mehrheit des Kapitals von Feldmühle gehört habe, habe sie jedoch nicht über die Kontrolle verfügt, die erforderlich gewesen wäre, um ihr die Verantwortung für ein Verhalten zuschreiben zu können, für das in erster Linie die Tochtergesellschaft verantwortlich sei.

74.
    Sie habe die Vorstandsmitglieder von Feldmühle nicht durch Führungskräfte der Stora-Gruppe ersetzen können, da eine Abberufung der Vorstandsmitglieder nach § 84 des deutschen Aktiengesetzes nur unter bestimmten Umständen möglich gewesen wäre, die nicht vorgelegen hätten. Sie habe somit vor der Beendigung der Zuwiderhandlung die Handelspolitik von Feldmühle nicht beeinflussen können, da sie erst im Herbst 1991 begonnen habe, das Kartongeschäft von Feldmühle in ihren Kartonbereich einzugliedern.

75.
    Das Vorbringen zum mangelnden Einfluß auf Feldmühle gelte auch für CBC, da diese zum Zeitpunkt des Erwerbs von FeNo bereits eine 100%ige Tochtergesellschaft von Feldmühle gewesen sei.

76.
    Schließlich treffe die Auffassung der Kommission nicht zu, daß eine Muttergesellschaft allein deshalb für das wettbewerbswidrige Verhalten einer Tochtergesellschaft verantwortlich gemacht werden könne, weil diese ihr zu 100 % gehöre. Insbesondere die Auslegung des Urteils AEG/Kommission durch die Kommission sei falsch, denn der Grund dafür, daß der Gerichtshof keinen zusätzlichen Beweis für den Einfluß von AEG auf eine ihrer Tochtergesellschaften verlangt habe, bestehe darin, daß dieses Unternehmen nicht bestritten habe, daß es in der Lage gewesen sei, die Preispolitik seiner Tochtergesellschaft entscheidend zu beeinflussen (Randnr. 50 des Urteils). Außerdem habe AEG hinsichtlich der fraglichen Zuwiderhandlung, die in der Ein- und Durchführung eines von ihr selbst entwickelten selektiven Vertriebssystems bestanden habe, starken Einfluß auf ihre Tochtergesellschaften ausgeübt. Schließlich widersprächen die Schlußanträge des Generalanwalts und Randnummer 49 des Urteils der Auffassung der Kommission. Sie stehe ferner im Widerspruch zu den Urteilen des Gerichts in der Rechtssache BPB Industries und British Gypsum/Kommission und vom 12. Januar 1995 in der Rechtssache T-102/92 (Viho/Kommission, Slg. 1995, II-17). In bezug auf Feldmühle gehe die Auffassung der Kommission ohnehin fehl, da die Beteiligung der Klägerin an diesem Unternehmen auch derzeit nur 98,3 % betrage.

77.
    Die Kommission führt aus, selbst wenn man annehme, daß Feldmühle, Kopparfors und CBC bis heute als eigenständige Rechtssubjekte fortbestünden, sei dies unerheblich. Aus dem Urteil AEG/Kommission (Randnr. 49) gehe hervor, daß sie bei einer 100%igen Tochtergesellschaft ohne weiteres berechtigt sei, die Entscheidung wie hier an die Muttergesellschaft zu richten. In einem solchen Fall werde die Kontrolle der Muttergesellschaft über die Handelspolitik unterstellt. Diese Rechtsprechung sei durch die Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-11/89 (Shell/Kommission, Slg. 1992, II-757, Randnr. 312) und des Gerichtshofes vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-310/93 P (BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1995, I-865) bestätigt worden. Daher müsse eine tatsächliche Kontrolle nur dann bewiesen werden, wenn es sich nicht um eine 100%ige Tochtergesellschaft handele.

- Würdigung durch das Gericht

78.
    Wie bereits ausgeführt, ist zur Würdigung der Gründe, die die Kommission dazu veranlaßt haben, die Entscheidung an die Klägerin zu richten, die Einzeldarstellung zur Mitteilung der Beschwerdepunkte heranzuziehen. Aus ihr geht hervor, daß der Klägerin das Verhalten von Kopparfors, Feldmühle und CBC in ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft der Stora-Gruppe zugerechnet wurde.

79.
    Nach ständiger Rechtsprechung schließt der Umstand, daß die Tochtergesellschaft eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, noch nicht aus, daß ihr Verhalten der Muttergesellschaft zugerechnet werden kann; dies gilt insbesondere dann, wenn die Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt (vgl. u. a. Urteil ICI/Kommission, Randnrn. 132 und 133).

80.
    Da die Klägerin im vorliegenden Fall nicht bestritten hat, daß sie in der Lage war, die Preispolitik von Kopparfors entscheidend zu beeinflussen, braucht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht geprüft zu werden, ob sie von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht hat. Da Kopparfors seit 1. Januar 1987 eine 100%ige Tochtergesellschaft der Klägerin ist, befolgt sie zwangsläufig eine Politik, die von denselben satzungsmäßigen Organen festgelegt wird wie die Politik ihrer Muttergesellschaft (vgl. Urteil AEG/Kommission, Randnr. 50). Die Klägerin hat jedenfalls keinen Beweis für ihre Behauptung vorgelegt, daß Kopparfors auf dem Kartonmarkt als eigenständiges Rechtssubjekt aufgetreten sei, ihre Handelspolitik weitgehend selbst bestimmt habe und über ihren eigenen Vorstand sowie über Vertreter nach außen verfügt habe.

81.
    In bezug auf Feldmühle und CBC ist darauf hinzuweisen, daß Feldmühle im Lauf der Jahre 1988 und 1989 sämtliche Anteile an CBC erwarb, so daß dieses Unternehmen zur 100%igen Tochtergesellschaft von Feldmühle wurde. Ferner ist unstreitig, daß die Klägerin im April 1990 Verträge über den Erwerb von etwa 75 % der Anteile am FeNo-Konzern schloß, zu dem Feldmühle gehörte, wobei die tatsächliche Übertragung der Anteile allerdings erst im September 1990 erfolgte. Schließlich hat die Klägerin selbst ausgeführt, daß sie Ende 1990 Anteile von Kleinaktionären erwarb, so daß ihr 97,84 % der Anteile an FeNo gehörten.

82.
    Darüber hinaus bestreitet die Klägerin nicht, daß zu der Zeit, als sie die Mehrheit der Anteile am FeNo-Konzern erwarb, zwei Unternehmen dieses Konzerns, Feldmühle und CBC, an einer Zuwiderhandlung mitwirkten, an der sich auch Kopparfors, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Klägerin, beteiligte. Da der Klägerin das Verhalten von Kopparfors zuzurechnen ist, hat die Kommission in der Einzeldarstellung zur Mitteilung der Beschwerdepunkte zu Recht darauf hingewiesen (siehe oben, Randnr. 64), daß der Klägerin das wettbewerbswidrige Verhalten von Feldmühle und CBC bekannt sein mußte.

83.
    Unter diesen Umständen konnte die Kommission der Klägerin das Verhalten von Feldmühle und CBC für die Zeit vor und nach deren Erwerb durch die Klägerinzurechnen. Es war Sache der Klägerin, in ihrer Eigenschaft als Muttergesellschaft alles zu tun, um die Fortsetzung der ihr bekannten Zuwiderhandlung zu verhindern.

84.
    Das Vorbringen der Klägerin, daß sie nach deutschem Recht keine Möglichkeit gehabt habe, die Handelspolitik von Feldmühle und damit von CBC entscheidend zu beeinflussen, ändert an diesem Ergebnis nichts. Die Klägerin hat nämlich nicht einmal behauptet, daß sie versucht habe, die fragliche Zuwiderhandlung z. B. dadurch abzustellen, daß sie den Vorstand von Feldmühle schlicht dazu aufforderte.

85.
    Nach alledem war die Kommission berechtigt, der Klägerin das Verhalten der fraglichen Unternehmen zuzurechnen. Diese Feststellung wird durch das Verhalten der Klägerin während des Verwaltungsverfahrens gestützt, in dem sie sich hinsichtlich der Unternehmen der Stora-Gruppe als alleinige Gesprächspartnerin der Kommission für die betreffende Zuwiderhandlung präsentierte (vgl. analog dazu Urteil des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1989 in der Rechtssache 374/87, Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283, Randnr. 6). Schließlich ist festzustellen, daß die Wahl der Klägerin als Adressatin der Entscheidung den von der Kommission in Randnummer 143 der Entscheidung aufgestellten allgemeinen Kriterien (siehe oben, Randnr. 58) entspricht, da mehrere Unternehmen der Stora-Gruppe an der Zuwiderhandlung beteiligt waren, die Gegenstand der Entscheidung ist.

86.
    Folglich geht der zweite Teil des vorliegenden Klagegrundes fehl, so daß der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen ist.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung

Vorbringen der Parteien

87.
    Die Klägerin macht geltend, daß das Verbot eines künftigen Informationsaustauschs rechtswidrig sei.

88.
    Sie trägt erstens vor, Artikel 2 der Entscheidung enthalte keine hinreichend genauen Angaben zu den Informationen, deren Austausch künftig untersagt sei. Artikel 2 der Entscheidung sei so ungenau gefaßt, daß jeder Informationsaustausch als nach dieser Bestimmung verboten angesehen werden könnte. Insbesondere scheine nach Artikel 2 der Entscheidung jeder Informationsaustausch untersagt zu sein, der unter Umständen wettbewerbswidrigen Zwecken dienen könnte.

89.
    Zweitens verbiete Artikel 2 der Entscheidung bestimmte Formen des Informationsaustauschs, die nicht wettbewerbswidrig seien. Aus der Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen (ABl. 1968, C 75, S. 3, berichtigt im ABl. 1968, C 84, S. 14), und aus dem Siebten Bericht über die Wettbewerbspolitik (Nr. 7) gehe hervor, daß ein Austausch rein statistischer Daten, die keine Einzelinformationen überbestimmte Unternehmen beträfen, nicht verboten sei. Artikel 2 der Entscheidung gehe daher zu weit, denn er verbiete jeden Austausch selbst allgemeiner Geschäftsinformationen sowie jeden Austausch wettbewerbsrelevanter Daten.

90.
    Die Tragweite des in Artikel 2 der Entscheidung enthaltenen Verbotes könne auch ihrer Begründung nicht entnommen werden. Da die Kommission in der Entscheidung nicht geprüft habe, inwieweit das Informationsaustauschsystem als solches gegen Artikel 85 des Vertrages verstoße, enthielten die Gründe der Entscheidung keine zur Bestimmung der Tragweite ihres Artikels 2 hinreichend genauen Angaben. In diesem Punkt unterscheide sich die Entscheidung von früheren Rechtssachen (Urteile des Gerichts vom 27. Oktober 1994 in der Rechtssache T-34/92, Fiatagri und New Holland Ford/Kommission, Slg. 1994, II-905, und vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755). In den „Polypropylen-Urteilen“ sei diese Frage nicht angesprochen worden (vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711).

91.
    Drittens schließlich habe die Kommission kein berechtigtes Interesse daran gehabt, die in Artikel 2 der Entscheidung enthaltene Anordnung an sie zu richten. Ihre Kooperation mit der Kommission und die Durchführung eines Programms zur Befolgung des Wettbewerbsrechts hätten gezeigt, daß sie jede künftige Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verhindern wolle. Unter diesen Umständen sei die Kommission nicht zum Erlaß der fraglichen Anordnung berechtigt gewesen (Urteil des Gerichtshofes vom 2. März 1983 in der Rechtssache 7/82, GVL/Kommission, Slg. 1983, 483).

92.
    Die Kommission weist darauf hin, daß sie den Unternehmen nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 aufgeben könne, tatsächlich festgestellte Zuwiderhandlungen abzustellen. Die Tragweite der Anordnung dürfe sich nach den Handlungen der Unternehmen in der Vergangenheit richten. Die Entscheidung enthalte detaillierte Angaben zur Funktionsweise des Kartells, die es ermöglichten, die Tragweite von Artikel 2 der Entscheidung genau zu ermitteln (vgl. insbesondere Randnrn. 49 und 69). Aus dieser Bestimmung ergebe sich, welche Art von Informationen unter welchen Umständen nicht ausgetauscht werden dürfe.

93.
    Die Entscheidung 86/398/EWG der Kommission vom 23. April 1986 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/31.149 - Polypropylen, ABl. L 230, S. 1; im folgenden: Polypropylen-Entscheidung) und die Entscheidung 92/163/EWG der Kommission vom 24. Juli 1991 in einem Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag (Sache IV/31.043 - Tetra Pak II, ABl. 1992, L 72, S. 1) enthielten ähnliche Anordnungen, die vom Gericht gebilligt worden seien. Außerdem habe das Gericht auch in den Urteilen vom 27. Oktober 1994 in der Rechtssache T-35/92 (Deere/Kommission, Slg. 1994, II-957) und in der Rechtssache Fiatagri und New Holland Ford/Kommission im Zusammenhang mit einer den Informationsaustausch unter Konkurrenten betreffenden Anordnung eine ähnliche Argumentation wie dievon Stora zurückgewiesen. Die Kommission habe das Informationsaustauschsystem nicht als eigenständige Zuwiderhandlung einstufen müssen, da es als Mittel zur Anwendung einer rechtswidrigen Vereinbarung benutzt worden sei. In der Polypropylen-Entscheidung sei sie ebenso verfahren.

94.
    Schließlich habe sie durchaus ein berechtigtes Interesse daran gehabt, die Anordnung an die Klägerin zu richten.

Würdigung durch das Gericht

95.
    Artikel 2 der Entscheidung lautet:

„Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a)    durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen, oder

b)    durch den auch ohne Offenlegung individueller Informationen eine gemeinsame Reaktion der Branche auf wirtschaftliche Verhältnisse hinsichtlich der Preise oder der Kontrolle der Produktion gefördert oder erleichtert wird, oder

c)    durch die die Teilnehmer in die Lage versetzt werden könnten, die Erfüllung oder Beachtung ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarungen betreffend die Preise oder die Marktaufteilung in der Gemeinschaft zu überwachen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß es nicht nur alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln läßt, sondern auch alle Daten über den gegenwärtigen Stand der Auftragseingänge und der Auftragslage, die erwartete Kapazitätsausnutzung (in beiden Fällen auch in globaler Form) oder die Produktionskapazität jeder Maschine ausschließt.

Ein eventueller Informationsaustausch beschränkt sich auf die Beschaffung und Verbreitung von Produktions- und Verkaufsstatistiken in globaler Form, die nicht dazu benutzt werden können, ein gemeinsames Geschäftsverhalten zu fördern oder zu erleichtern.

Die Unternehmen nehmen außerdem von jedem Austausch weiterer wettbewerbsrelevanter Informationen über den zulässigen Informationsaustausch hinaus sowie von allen Treffen oder sonstigen Kontakten zur Erörterung des Aussagegehalts der ausgetauschten Informationen oder der möglichen oder wahrscheinlichen Reaktion der Branche oder einzelner Hersteller auf diese Informationen Abstand.

Für die notwendigen Änderungen an einem etwaigen Informationsaustauschsystem wird eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung eingeräumt.“

96.
    Wie sich aus Randnummer 165 der Entscheidung ergibt, wurde Artikel 2 der Entscheidung gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 erlassen. Nach dieser Bestimmung kann die Kommission u. a. dann, wenn sie eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 des Vertrages feststellt, die beteiligten Unternehmen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen.

97.
    Nach ständiger Rechtsprechung kann die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 das Verbot umfassen, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder Sachverhalte fortzuführen oder fortdauern zu lassen, deren Rechtswidrigkeit festgestellt worden ist (Urteile des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 45, und vom 6. April 1995 in den Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P, RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, Randnr. 90), aber auch das Verbot, sich künftig ähnlich zu verhalten (Urteil Tetra Pak/Kommission, Randnr. 220).

98.
    Da die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 der festgestellten Zuwiderhandlung angepaßt sein muß, ist die Kommission außerdem befugt, den Umfang der Verpflichtungen anzugeben, die die betroffenen Unternehmen erfüllen müssen, damit die Zuwiderhandlung abgestellt wird. Derartige den Unternehmen auferlegte Verpflichtungen dürfen jedoch nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Zieles - Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften - angemessen und erforderlich ist (Urteil RTE und ITP/Kommission, Randnr. 93; in diesem Sinne auch Urteile des Gerichts vom 8. Juni 1995 in den Rechtssachen T-7/93, Langnese Iglo/Kommission, Slg. 1995, II-1533, Randnr. 209, und T-9/93, Schöller/Kommission, Slg. 1995, II-1611, Randnr. 163).

99.
    Im vorliegenden Fall ist zunächst das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, daß die Kommission von der Befugnis, gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 Anordnungen an sie zu richten, keinen Gebrauch machen dürfe, weil sie gezeigt habe, daß sie jede künftige Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verhindern wolle. Hierzu genügt die Bemerkung, daß die Klägerinden sachlichen Umfang der in Artikel 2 der Entscheidung enthaltenen Anordnungen in Frage stellt; dies zeigt, daß die Kommission ein berechtigtes Interesse daran hatte, das Ausmaß der den Unternehmen und u. a. der Klägerin obliegenden Verpflichtungen klarzustellen (in diesem Sinne auch Urteil GVL/Kommission, Randnrn. 26 bis 28).

100.
    Um sodann festzustellen, ob die Anordnung in Artikel 2 der Entscheidung - wie die Klägerin behauptet - zu weit geht, ist der Umfang der verschiedenen Verbote zu prüfen, die den Unternehmen damit auferlegt werden.

101.
    Das Verbot in Artikel 2 Absatz 1 Satz 2, wonach die Unternehmen künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen absehen müssen, mit denen gleiches oder ähnliches wie mit den in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen bezweckt oder bewirkt wird, soll die Unternehmen nur daran hindern, die Verhaltensweisen zu wiederholen, deren Rechtswidrigkeit festgestellt wurde. Folglich hat die Kommission mit der Aufstellung dieses Verbotes die ihr durch Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 verliehenen Befugnisse nicht überschritten.

102.
    Die Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a, b und c betreffen Einzelheiten zum Verbot des künftigen Austauschs von Geschäftsinformationen.

103.
    Die Anordnung in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a, der für die Zukunft jeden Austausch von Geschäftsinformationen verbietet, der es den Teilnehmern ermöglicht, unmittelbar oder mittelbar individuelle Informationen über die Konkurrenzunternehmen zu erlangen, setzt voraus, daß die Kommission in der Entscheidung die Rechtswidrigkeit eines derartigen Informationsaustauschs im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages festgestellt hat.

104.
    In Artikel 1 der Entscheidung heißt es nicht, daß der Austausch individueller Geschäftsinformationen als solcher gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstößt.

105.
    Dort wird in allgemeinerer Form ausgeführt, daß die Unternehmen gegen diesen Artikel des Vertrages verstoßen hätten, indem sie sich an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligt hätten, durch die sie u. a. „als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten“.

106.
    Da der verfügende Teil der Entscheidung im Licht ihrer Gründe auszulegen ist (Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 122), ist jedoch darauf hinzuweisen, daß es in Randnummer 134 Absatz 2 der Entscheidung heißt:

„Der von den Herstellern in Sitzungen der PG Karton (vor allem des JMC) praktizierte Austausch von normalerweise vertraulichen und sensitiven individuellen Informationen über Auftragslage, Abstellzeiten und Produktionshöhe waroffenkundig wettbewerbsfeindlich, da mit ihm bezweckt wurde, möglichst günstige Voraussetzungen für die Durchführung der vereinbarten Preisinitiativen zu schaffen.“

107.
    Da die Kommission somit in der Entscheidung ordnungsgemäß ihre Ansicht geäußert hat, daß im Austausch individueller Geschäftsinformationen als solchem ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zu sehen sei, erfüllt das Verbot, künftig einen derartigen Informationsaustausch vorzunehmen, die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17.

108.
    Die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung aufgestellten Verbote des Austauschs von Geschäftsinformationen sind im Licht der Absätze 2, 3 und 4 dieses Artikels zu prüfen, die ihren Inhalt näher ausgestalten. In diesem Kontext ist zu ermitteln, ob und, wenn ja, inwieweit die Kommission den fraglichen Austausch als rechtswidrig angesehen hat, da der Umfang der den Unternehmen auferlegten Verpflichtungen auf das zur Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erforderliche Maß zu beschränken ist.

109.
    Die Entscheidung ist dahin auszulegen, daß die Kommission den Verstoß des FIDES-Systems gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darin sah, daß es das festgestellte Kartell stützte (Randnr. 134 Absatz 3 der Entscheidung). Diese Auslegung wird durch den Wortlaut von Artikel 1 der Entscheidung bestätigt, aus dem hervorgeht, daß die Geschäftsinformationen zwischen den Unternehmen „als Absicherung“ der als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehenen Maßnahmen ausgetauscht wurden.

110.
    Im Licht dieser Auffassung der Kommission zur Frage der Vereinbarkeit des FIDES-Systems mit Artikel 85 des Vertrages im vorliegenden Fall ist die Tragweite der in die Zukunft gerichteten Verbote in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung zu beurteilen.

111.
    Die fraglichen Verbote beschränken sich zum einen nicht auf den Austausch individueller Geschäftsinformationen, sondern betreffen auch den Austausch bestimmter globaler statistischer Daten (Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 der Entscheidung). Zum anderen verbietet Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung den Austausch bestimmter statistischer Informationen, um dem Aufbau einer möglichen Stütze potentieller wettbewerbswidriger Verhaltensweisen vorzubeugen.

112.
    Da ein solches Verbot den Austausch rein statistischer Informationen, die nicht den Charakter individueller oder individualisierbarer Informationen haben, mit der Begründung verhindern soll, daß die ausgetauschten Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden könnten, überschreitet es das zurWiederherstellung der Rechtmäßigkeit der festgestellten Verhaltensweisen erforderliche Maß. Zum einen geht nämlich aus der Entscheidung nicht hervor, daß die Kommission den Austausch statistischer Daten als solchen als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehen hat. Zum anderen führt die bloße Tatsache, daß ein System des Austauschs statistischer Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden kann, nicht zu seiner Unvereinbarkeit mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages; vielmehr sind unter derartigen Umständen seine konkreten wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu bestimmen.

113.
    Daher ist Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung mit Ausnahme folgender Passagen für nichtig zu erklären:

„Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a)    durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln läßt, ausschließt.“

Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße

114.
    Die Klägerin beruft sich nur auf einen Klagegrund, mit dem sie eine Verletzung von Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 geltend macht. Dieser Klagegrund besteht aus fünf Teilen, die einzeln zu prüfen sind.

Erster Teil: Verletzung der Pflicht zur Begründung der Höhe der Geldbußen

Vorbringen der Parteien

115.
    Die Klägerin trägt vor, die Kommission hätte in der Entscheidung erläutern müssen, wie die Höhe der gegen die einzelnen Unternehmen festgesetzten Geldbußen ermittelt worden sei. In Randnummer 167 würden zwar die herangezogenen Kriterien angegeben, aber die Entscheidung enthalte keine Angaben zur Bedeutung, die jedem dieser Kriterien beigemessen worden sei. Des weiteren hätten die von der Kommission in ihrer Klagebeantwortung gegebenenErläuterungen zu dem bei der Bestimmung der Höhe der Geldbuße angewandten Prozentsatz in der Entscheidung enthalten sein müssen.

116.
    Die Kommission macht geltend, sie habe in den Randnummern 167 ff. der Entscheidung die bei der Bußgeldbemessung angewandten Kriterien hinreichend dargelegt. Diese Kriterien seien den in der Polypropylen-Entscheidung zugrunde gelegten und vom Gericht gebilligten Kriterien sehr ähnlich.

Würdigung durch das Gericht

117.
    Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 51).

118.
     Handelt es sich um eine Entscheidung, mit der wie im vorliegenden Fall gegen mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft Geldbußen festgesetzt werden, so ist bei der Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, daß die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müßten (Beschluß des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54).

119.
    Außerdem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der einzelnen Geldbußen über ein Ermessen und ist nicht verpflichtet, insoweit eine genaue mathematische Formel anzuwenden (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59).

120.
     Die zur Ermittlung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen und der Höhe der individuellen Geldbußen herangezogenen Kriterien finden sich in den Randnummern 168 und 169 der Entscheidung. Zudem führt die Kommission in bezug auf die individuellen Geldbußen in Randnummer 170 aus, daß die Unternehmen, die an den Sitzungen des PWG teilgenommen hätten, grundsätzlich als „Anführer“ des Kartells und die übrigen Unternehmen als dessen „gewöhnliche Mitglieder“ angesehen worden seien. Schließlich weist sie in den Randnummern 171 und 172 darauf hin, daß die gegen Rena und die Klägerin festgesetztenGeldbußen erheblich niedriger auszufallen hätten, um deren aktiver Zusammenarbeit mit der Kommission Rechnung zu tragen, und daß acht andere Unternehmen ebenfalls in den Genuß einer in geringerem Umfang herabgesetzten Geldbuße kommen könnten, da sie in ihren Erwiderungen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht angefochten hätten.

121.
    In ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen und in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission erläutert, daß die Geldbußen auf der Grundlage des von den einzelnen Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet worden seien. Gegen die als „Anführer“ des Kartells angesehenen Unternehmen seien Geldbußen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbußen mit einem Basissatz von 7,5 % festgesetzt worden. Schließlich habe die Kommission gegebenenfalls dem kooperativen Verhalten bestimmter Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens Rechnung getragen. Bei zwei Unternehmen seien die Geldbußen aus diesem Grund um zwei Drittel und bei anderen Unternehmen um ein Drittel herabgesetzt worden.

122.
    Im übrigen ergibt sich aus einer von der Kommission vorgelegten Tabelle, die Angaben zur Festlegung der Höhe aller individuellen Geldbußen enthält, daß diese zwar nicht durch streng mathematische Anwendung allein der oben genannten Zahlen ermittelt wurden, daß diese Zahlen jedoch bei der Berechnung der Geldbußen systematisch herangezogen wurden.

123.
    In der Entscheidung wird aber nicht erläutert, daß die Geldbußen auf der Grundlage des von den einzelnen Unternehmen auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet wurden. Auch die zur Berechnung der festgesetzten Geldbußen angewandten Basissätze von 9 % für die als „Anführer“ angesehenen Unternehmen und von 7,5 % für die „gewöhnlichen Mitglieder“ sind in der Entscheidung nicht zu finden. Gleiches gilt für den Umfang der Herabsetzung bei Rena und der Klägerin einerseits und bei acht anderen Unternehmen andererseits.

124.
    Im vorliegenden Fall ist erstens davon auszugehen, daß die Randnummern 169 bis 172 der Entscheidung bei einer Auslegung im Licht der in der Entscheidung zu findenden eingehenden Darstellung der jedem ihrer Adressaten zur Last gelegten Sachverhalte ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten enthalten, die bei der Beurteilung der Schwere und der Dauer der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnr. 264).

125.
    Zweitens würde, wenn die Höhe der jeweiligen Geldbußen wie hier auf der Grundlage der systematischen Heranziehung einiger ganz bestimmter Daten ermittelt wird, die Angabe all dieser Faktoren in der Entscheidung denUnternehmen die Beurteilung der Frage erleichtern, ob die Kommission bei der Festlegung der Höhe der individuellen Geldbuße Fehler begangen hat und ob die Höhe jeder individuellen Geldbuße in Anbetracht der angewandten allgemeinen Kriterien gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall wäre mit der Angabe der fraglichen Faktoren - Referenzumsatz, Referenzjahr, angewandte Basissätze und Umfang der Herabsetzung der Geldbußen - in der Entscheidung keine möglicherweise gegen Artikel 214 des Vertrages verstoßende implizite Preisgabe des genauen Umsatzes der Adressaten der Entscheidung verbunden gewesen. Denn der Endbetrag der individuellen Geldbußen ergibt sich, wie die Kommission selbst ausgeführt hat, nicht aus einer streng mathematischen Anwendung dieser Faktoren.

126.
    Die Kommission hat im übrigen in der Verhandlung eingeräumt, daß sie in der Entscheidung die systematisch berücksichtigten und in einer Pressekonferenz des für die Wettbewerbspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds am Tag ihres Erlasses bekanntgegebenen Faktoren durchaus hätte aufzählen können. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Begründung einer Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung in der Entscheidung selbst enthalten sein muß und daß nachträgliche Erläuterungen der Kommission nur unter außergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden können (vgl. Urteil des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 131; in diesem Sinne auch Urteil Hilti/Kommission, Randnr. 136).

127.
    Gleichwohl ist festzustellen, daß die Begründung zur Festlegung der Höhe der Geldbußen in den Randnummern 167 bis 172 der Entscheidung mindestens ebenso detailliert ist wie die Begründung in früheren Entscheidungen der Kommission, die ähnliche Zuwiderhandlungen betrafen. Zwar ist der Klagegrund eines Begründungsmangels von Amts wegen zu berücksichtigen, doch hatte der Gemeinschaftsrichter zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung noch in keinem Fall die Praxis der Kommission bei der Begründung der festgesetzten Geldbußen gerügt. Erst im Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-148/89 (Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 142) und in zwei anderen Urteilen vom selben Tag in den Rechtssachen T-147/89 (Société métallurgique de Normandie/Kommission, Slg. 1995, II-1057, abgekürzte Veröffentlichung) und T-151/89 (Société des treillis et panneaux soudés/Kommission, Slg. 1995, II-1191, abgekürzte Veröffentlichung) hat es das Gericht erstmals als wünschenswert bezeichnet, daß die Unternehmen die Berechnungsweise der gegen sie verhängten Geldbuße im einzelnen in Erfahrung bringen können, ohne zu diesem Zweck gerichtlich gegen die Entscheidung der Kommission vorgehen zu müssen.

128.
    Folglich muß die Kommission, wenn sie in einer Entscheidung eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststellt und gegen die daran beteiligten Unternehmen Geldbußen verhängt und wenn sie systematisch bestimmte Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen heranzieht, diese Elemente in der Entscheidung selbst angeben, um es deren Adressaten zuermöglichen, die Richtigkeit der Höhe der Geldbuße zu überprüfen und festzustellen, ob eine Diskriminierung vorliegt.

129.
    Unter den zuvor in Randnummer 127 genannten besonderen Umständen und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Kommission bereit war, im gerichtlichen Verfahren alle Auskünfte über den Berechnungsmodus der Geldbußen zu geben, kann das Fehlen einer speziellen Begründung für den Berechnungsmodus der Geldbußen in der Entscheidung im vorliegenden Fall nicht als Verstoß gegen die Begründungspflicht angesehen werden, der die völlige oder teilweise Nichtigerklärung der festgesetzten Geldbußen rechtfertigt.

130.
    Dem ersten Teil des Klagegrundes kann daher nicht gefolgt werden.

Zweiter Teil: Die Klägerin hätte nicht zu den „Anführern“ des Kartells gezählt werden dürfen

131.
    Die Klägerin trägt vor, sie sei in Randnummer 170 der Entscheidung zu Unrecht aufgrund ihrer Beteiligung am PWG als einer der „Anführer“ des Kartells angesehen worden. Sie sei für das Verhalten von Feldmühle und CBC nicht verantwortlich. Es gebe deshalb keine Grundlage dafür, ihr wegen einer angeblichen Beteiligung am PWG eine besondere Verantwortung zuzuschreiben.

132.
    Hierzu genügt die Feststellung, daß sowohl Feldmühle als auch CBC an den Sitzungen des PWG teilnahmen und daß die Klägerin nicht bestreitet, daß die Teilnehmer an den Sitzungen dieses Gremiums als „Anführer“ des Kartells anzusehen sind. Da die Kommission der Klägerin das Verhalten von Feldmühle und CBC zu Recht zugerechnet hat (siehe oben, Randnrn. 78 ff.), durfte sie sie folglich zu den „Anführern“ des Kartells zählen.

133.
    Der zweite Teil des Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

Dritter Teil: Die Kommission habe die Auswirkungen des Kartells falsch beurteilt

Vorbringen der Parteien

134.
    Die Klägerin führt aus, der Entscheidung zufolge (Randnr. 168, siebter Gedankenstrich) sei das Kartell, was die Erreichung seiner Ziele betreffe, weitgehend erfolgreich gewesen; dies sei bei der Festlegung der Höhe der Geldbuße als erschwerender Umstand berücksichtigt worden. Ihre Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte habe dagegen eine eingehende Darstellung der Marktbedingungen und der Gründe enthalten, aus denen sich die Vereinbarungen über die Preiserhöhungen nur sehr begrenzt auf die tatsächlich angewandten Preise ausgewirkt hätten. Die Kommission habe diese Gesichtspunkte jedoch in der Entscheidung nicht geprüft und sich auf die Annahme beschränkt, daß das Kartell, was die Erreichung seiner Ziele betreffe, „weitgehend erfolgreich“ gewesen sei. Eine solche Vorgehensweise stelle einen Ermessensmißbrauch dar.

135.
    Die Kommission weist darauf hin, daß sie berechtigt gewesen sei, die Auswirkungen der Zuwiderhandlung als Gesichtspunkt bei der Beurteilung ihrer Schwere heranzuziehen. Dabei habe sie sich auf Schlüsse stützen dürfen, die aus den feststellbaren Tatsachen gezogen worden seien, und alle schriftlichen Beweise berücksichtigen können, die zeigten, daß die Teilnehmer selbst das Kartell als erfolgreich angesehen hätten.

136.
    Aus den Angaben über die Kapazitätsauslastung und die Gewinnspannen (Randnrn. 15 und 16 der Entscheidung), der Tatsache, daß die meisten Hersteller an dem Kartell mitgewirkt hätten, das sich auf fast den gesamten Markt erstreckt habe (Randnr. 168 der Entscheidung), den Vorwürfen, die den Kartellmitgliedern gemacht worden seien, wenn sie sich nicht an die Preiserhöhungen gehalten hätten (Randnrn. 82 und 136 der Entscheidung), sowie den Unterlagen, aus denen hervorgehe, daß die Mitglieder der PG Karton das Kartell als erfolgreich angesehen hätten (Randnrn. 101 und 137 der Entscheidung), ergebe sich, daß sie die Wirkungen des Kartells im Hinblick auf die Festlegung der Höhe der Geldbußen ordnungsgemäß nachgewiesen habe.

Würdigung durch das Gericht

137.
    Gemäß Randnummer 168, siebter Gedankenstrich, der Entscheidung hat die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen u. a. berücksichtigt, daß das Kartell, „was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich“ war. Es ist unstreitig, daß mit dieser Erwägung auf die Auswirkungen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung auf den Markt Bezug genommen wird.

138.
    Zur Überprüfung der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung braucht nach Ansicht des Gerichts nur die Beurteilung der Auswirkungen der Preisabsprache untersucht zu werden. Erstens geht nämlich aus der Entscheidung hervor, daß die Feststellung, wonach die Ziele weitgehend erreicht worden seien, im wesentlichen auf den Auswirkungen der Preisabsprache beruht. Während diese Auswirkungen in den Randnummern 100 bis 102, 115 und 135 bis 137 der Entscheidung analysiert werden, wird die Frage, ob die Absprachen über die Marktanteile und über die Abstellzeiten Auswirkungen auf den Markt hatten, darin nicht gesondert geprüft.

139.
    Zweitens kann durch die Untersuchung der Auswirkungen der Preisabsprache jedenfalls zugleich festgestellt werden, ob das Ziel der Absprache über die Abstellzeiten erreicht wurde, da mit ihr verhindert werden sollte, daß die konzertierten Preisinitiativen durch ein Überangebot gefährdet würden.

140.
    Drittens macht die Kommission hinsichtlich der Absprache über die Marktanteile nicht geltend, daß die an den Sitzungen des PWG teilnehmenden Unternehmen das völlige Einfrieren ihrer Marktanteile bezweckt hätten. Nach Randnummer 60Absatz 2 der Entscheidung war die Vereinbarung über die Marktanteile keine statische Regelung, „sondern wurde in regelmäßigen Abständen angepaßt und neu ausgehandelt“. Angesichts dieser Klarstellung kann der Kommission somit kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie die Ansicht vertreten hat, daß das Kartell, was die Erreichung seiner Ziele betreffe, weitgehend erfolgreich gewesen sei, ohne daß sie den Erfolg dieser Absprache über die Marktanteile in der Entscheidung gesondert geprüft hat.

141.
    Bei der Preisabsprache hat die Kommission die allgemeinen Auswirkungen beurteilt.

142.
    Wie die Kommission in der Verhandlung bestätigt hat, ist der Entscheidung zu entnehmen, daß zwischen drei Arten von Auswirkungen unterschieden wurde. Außerdem hat sich die Kommission darauf gestützt, daß die Hersteller selbst die Preisinitiativen im wesentlichen als Erfolg gewertet hätten.

143.
    Die erste von der Kommission berücksichtigte und von der Klägerin nicht in Abrede gestellte Art von Auswirkungen besteht darin, daß die vereinbarten Preiserhöhungen den Kunden tatsächlich angekündigt wurden. Die neuen Preise dienten somit als Referenz bei der individuellen Aushandlung der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Kunden (vgl. u. a. Randnrn. 100 und 101 Absätze 5 und 6 der Entscheidung).

144.
    Die zweite Art von Auswirkungen besteht darin, daß die Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise der Entwicklung der angekündigten Preise folgte. Hierzu führt die Kommission aus, daß „sich die Hersteller nicht darauf [beschränkten], die vereinbarten Preiserhöhungen anzukündigen, sondern ... - mit wenigen Ausnahmen - auch alles [taten], um sicherzustellen, daß sie bei den Kunden durchgesetzt wurden“ (Randnr. 101 Absatz 1 der Entscheidung). Sie räumt ein, daß den Kunden bisweilen Zugeständnisse hinsichtlich des Termins des Inkrafttretens der Erhöhungen gemacht oder - vor allem bei Großaufträgen - individuelle Rabatte oder Skonti gewährt worden seien und daß „die durchschnittliche Netto-Preiserhöhung, die nach allen Nachlässen, Rabatten und sonstigen Zugeständnissen erzielt wurde, stets geringer [war] als der volle Betrag der angekündigten Preisanhebung“ (Randnr. 102 letzter Absatz der Entscheidung). Unter Bezugnahme auf Schaubilder in einer Wirtschaftsstudie, die im Zusammenhang mit dem Verfahren vor der Kommission im Auftrag mehrerer Adressaten der Entscheidung erstellt wurde (im folgenden: LE-Bericht), macht sie jedoch geltend, in dem von der Entscheidung erfaßten Zeitraum habe es einen „engen linearen Zusammenhang“ zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise - ausgedrückt in Landeswährung oder umgerechnet in Ecu - gegeben. Sie zieht daraus folgenden Schluß: „Die erzielten Netto-Preiserhöhungen vollzogen die Preisankündigungen - wenngleich mit etwas zeitlichem Abstand - nach. Der Verfasser des Berichts räumte bei der mündlichen Anhörung selbst ein, daß dies für die Jahre 1988 und 1989 zutrifft“ (Randnr. 115 Absatz 3 der Entscheidung).

145.
    Bei der Beurteilung dieser zweiten Art von Auswirkungen war die Kommission zweifellos zu der Annahme berechtigt, daß die Existenz eines linearen Zusammenhangs zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise den Beweis für eine Auswirkung der Preisinitiativen auf die letztgenannten Preise entsprechend dem von den Herstellern verfolgten Ziel darstellte. Denn unstreitig hat die Praxis individueller Verhandlungen mit den Kunden auf dem fraglichen Markt zur Folge, daß die tatsächlichen Verkaufspreise im allgemeinen nicht mit den angekündigten Preisen übereinstimmen. Es war daher nicht zu erwarten, daß der Anstieg der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Erhöhungen der angekündigten Preise übereinstimmen würde.

146.
    Hinsichtlich des Bestehens einer Wechselbeziehung zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und dem Anstieg der tatsächlichen Verkaufspreise hat die Kommission zu Recht auf den LE-Bericht Bezug genommen, da in diesem die Entwicklung des Kartonpreises in dem von der Entscheidung erfaßten Zeitraum unter Heranziehung der von mehreren Herstellern gemachten Angaben untersucht wird.

147.
    Dieser Bericht bestätigt jedoch in zeitlicher Hinsicht nur teilweise, daß es einen „engen linearen Zusammenhang“ gab. Bei der Prüfung des Zeitraums von 1987 bis 1991 ergeben sich nämlich drei gesonderte Abschnitte. Während der Anhörung vor der Kommission hat der Verfasser des LE-Berichts seine Schlußfolgerungen hierzu wie folgt zusammengefaßt: „Es gibt keinen engen Zusammenhang, auch nicht in zeitlichem Abstand, zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und den Marktpreisen zu Beginn des Zeitraums, von 1987 bis 1988. 1988/89 besteht ein solcher Zusammenhang, und dann löst sich der Zusammenhang auf und verhält sich im Zeitraum 1990/91 recht seltsam [oddly]“ (Anhörungsprotokoll, S. 28). Ferner führte er aus, daß diese Veränderungen im Lauf der Zeit eng mit den Nachfrageschwankungen zusammenhingen (vgl. u. a. Anhörungsprotokoll, S. 20).

148.
    Diese mündlichen Schlußfolgerungen des Verfassers stimmen mit der in seinem Bericht vorgenommenen Analyse und insbesondere mit den Schaubildern überein, in denen die Entwicklung der angekündigten Preise mit der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise verglichen wird (LE-Bericht, Schaubilder 10 und 11, S. 29). Somit ist festzustellen, daß die Kommission nur teilweise nachgewiesen hat, daß es den von ihr geltend gemachten „engen linearen Zusammenhang“ gab.

149.
    In der Verhandlung hat die Kommission erklärt, daß sie noch eine dritte Art von Auswirkungen der Preisabsprache berücksichtigt habe, die darin bestehe, daß die tatsächlichen Verkaufspreise stärker gestiegen seien, als wenn es keinerlei Absprache gegeben hätte. Hierzu hat die Kommission unter Hinweis darauf, daß Zeitpunkt und Reihenfolge der Ankündigungen von Preiserhöhungen vom PWG festgelegt worden seien, in der Entscheidung die Ansicht vertreten, es sei „unter solchen Umständen undenkbar, daß die abgestimmten Preisankündigungen keineAuswirkungen auf das tatsächliche Preisniveau hatten“ (Randnr. 136 Absatz 3 der Entscheidung). Im LE-Bericht (Abschnitt 3) wurde jedoch eine Modellrechnung vorgenommen, die die Vorhersage des Preisniveaus ermöglicht, das sich aus den objektiven Marktbedingungen ergibt. Nach diesem Bericht hätte sich das anhand objektiver wirtschaftlicher Faktoren in der Zeit von 1975 bis 1991 ermittelte Preisniveau mit unerheblichen Abweichungen ebenso entwickelt wie das Niveau der tatsächlichen Verkaufspreise; dies gilt auch für den von der Entscheidung erfaßten Zeitraum.

150.
    Trotz dieser Ergebnisse läßt die im Bericht vorgenommene Analyse nicht den Schluß zu, daß die konzertierten Preisinitiativen es den Herstellern nicht ermöglicht haben, höhere tatsächliche Verkaufspreise als bei freiem Wettbewerb zu erzielen. Insoweit ist es möglich, wie die Kommission in der Verhandlung ausgeführt hat, daß die bei dieser Analyse herangezogenen Faktoren durch die Existenz der Absprache beeinflußt wurden. So hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, daß das abgesprochene Verhalten z. B. den Anreiz für die Unternehmen verringern konnte, ihre Kosten zu senken. Sie hat jedoch keinen direkten Fehler in der im LE-Bericht enthaltenen Analyse gerügt und auch keine eigenen wirtschaftlichen Analysen zur hypothetischen Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise bei Fehlen jeder Abstimmung vorgelegt. Unter diesen Umständen geht ihre Behauptung, daß die tatsächlichen Verkaufspreise ohne die Absprache zwischen den Herstellern niedriger gewesen wären, fehl.

151.
    Folglich gibt es für die Existenz dieser dritten Art von Auswirkungen der Preisabsprache keinen Beweis.

152.
    Auf die vorstehenden Feststellungen hat die subjektive Einschätzung der Hersteller keinen Einfluß, auf die die Kommission ihre Annahme gestützt hat, daß das Kartell, was die Erreichung seiner Ziele betreffe, weitgehend erfolgreich gewesen sei. Dabei hat die Kommission auf eine von ihr in der Verhandlung vorgelegte Liste von Schriftstücken Bezug genommen. Selbst wenn man unterstellt, daß sie ihre Beurteilung des möglichen Erfolges der Preisinitiativen auf Schriftstücke stützen konnte, in denen die subjektiven Empfindungen einiger Hersteller zum Ausdruck kommen, ist aber festzustellen, daß mehrere Unternehmen, zu denen auch die Klägerin gehört, in der Sitzung zu Recht auf zahlreiche andere Aktenstücke verwiesen haben, in denen von den Problemen die Rede ist, die die Hersteller bei der Durchführung der vereinbarten Preiserhöhungen hatten. Unter diesen Umständen reicht die Bezugnahme der Kommission auf Erklärungen der Hersteller selbst nicht aus, um zu dem Ergebnis zu kommen, daß das Kartell, was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich war.

153.
    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen sind die von der Kommission geltend gemachten Auswirkungen der Zuwiderhandlung nur teilweise bewiesen. Das Gericht wird die Tragweite dieses Ergebnisses im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung von Geldbußen bei der Beurteilung der Schwere derim vorliegenden Fall festgestellten Zuwiderhandlung prüfen (siehe unten, Randnr. 170).

Vierter Teil: Die Kommission hätte das von der Klägerin durchgeführte Programm zur Befolgung des Wettbewerbsrechts als mildernden Umstand berücksichtigen müssen

Vorbringen der Parteien

154.
    Die Klägerin trägt vor, sie habe seit 1991 ein Programm zur Befolgung des Wettbewerbsrechts in der gesamten Stora-Gruppe eingeführt und angewandt. Die Geldbußen hätten insofern präventive Funktion, als ihre Festsetzung die zuwiderhandelnden Unternehmen u. a. dazu bringen solle, sich künftig an das Wettbewerbsrecht zu halten. Das 1991 eingeführte Befolgungsprogramm beweise, daß sie tatsächlich gewillt sei, künftige Zuwiderhandlungen möglichst zu verhindern. Nach ihrer früheren Praxis hätte die Kommission als mildernden Umstand berücksichtigen müssen, daß dieses Programm so schnell eingeführt worden sei (vgl. u. a. Entscheidung 91/532/EWG der Kommission vom 5. Juni 1991 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag [Sache Nr. IV/32.879 - Viho/Toshiba], ABl. L 287, S. 39). Dieser Umstand sei von ihrer Kooperation während des Verfahrens vor der Kommission zu trennen, die darin bestanden habe, daß sie Angaben zu den angeblich begangenen Zuwiderhandlungen gemacht habe, während das Befolgungsprogramm zur Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen gedient habe. Die Berücksichtigung dieses Programms hätte somit entgegen der Auffassung der Kommission nicht dazu geführt, daß sie für denselben Sachverhalt zweimal belohnt worden wäre.

155.
    Die Kommission führt aus, sie habe die Kooperation der Klägerin bereits belohnt, und da das Befolgungsprogramm Teil der Politik sei, die die Klägerin zur Kooperation veranlaßt habe, würde sie doppelt belohnt, wenn die Geldbuße wegen dieses Programms herabgesetzt würde. Außerdem sei ein Befolgungsprogramm nur ein Mittel zur Sicherstellung der Rechtstreue. Jedes Unternehmen müsse sich aber stets rechtstreu verhalten.

Würdigung durch das Gericht

156.
    Wie bereits ausgeführt, ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müßten (Beschluß SPO u. a./Kommission, Randnr. 54).

157.
    Folglich zeigt die Einführung eines Programms zur Befolgung des Wettbewerbsrechts zwar, daß das fragliche Unternehmen gewillt ist, künftige Zuwiderhandlungen zu verhindern, und stellt somit einen Faktor dar, der derKommission die Erfüllung ihrer Aufgabe erleichtert, die u. a. darin besteht, im Bereich des Wettbewerbs die im Vertrag verankerten Grundsätze anzuwenden und die Unternehmen entsprechend anzuleiten; die bloße Tatsache, daß die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis in einigen Fällen die Einführung eines Befolgungsprogramms als mildernden Umstand berücksichtigt hat, bedeutet jedoch nicht, daß sie verpflichtet wäre, im vorliegenden Fall ebenso vorzugehen.

158.
    Die Kommission war deshalb zu der Annahme berechtigt, daß im vorliegenden Fall nur das Verhalten der Unternehmen zu belohnen sei, das es ihr ermöglichte, die betreffende Zuwiderhandlung leichter festzustellen. Da die Geldbuße der Klägerin wegen ihrer aktiven Kooperation mit der Kommission im Verwaltungsverfahren um zwei Drittel herabgesetzt wurde, kann der Kommission somit nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie die Geldbuße der Klägerin nicht noch weiter herabsetzte.

159.
    Schließlich ist es zwar bedeutsam, daß die Klägerin Maßnahmen ergriffen hat, um künftige Zuwiderhandlungen ihrer Mitarbeiter gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu verhindern, doch ändert dies nichts daran, daß die vorliegend festgestellte Zuwiderhandlung tatsächlich begangen wurde (vgl. Urteil Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 357).

160.
    Dem vierten Teil des Klagegrundes kann daher nicht gefolgt werden.

Fünfter Teil: Die Kommission habe sich bei der Festlegung der Höhe der Geldbuße auf sachfremde Erwägungen gestützt

Vorbringen der Parteien

161.
    Die Klägerin stellt fest, daß es sich um den höchsten Gesamtbetrag an Geldbußen handele, den die Kommission je festgesetzt habe. Da dieser Punkt in der Entscheidung nicht erläutert werde, könne man nur vermuten, daß sachfremde Erwägungen angestellt worden seien. Da in Randnummer 161 der Entscheidung davon die Rede sei, daß seit 1975 Vereinbarungen mit Absprachecharakter bestanden hätten, könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Geldbuße für einen 1975 beginnenden Zeitraum verhängt worden sei; dies sei nicht gerechtfertigt. Außerdem habe die Kommission in Randnummer 168 zu Unrecht erschwerend berücksichtigt, daß „das Kartell ... in einem System regelmäßiger Sitzungen institutionalisiert [wurde], in denen der Kartonmarkt in der Gemeinschaft im einzelnen reguliert wurde“, und daß „aufwendige Schritte unternommen [wurden], um die wahre Natur und das wahre Ausmaß der Absprachen zu verschleiern“. Da diese Gesichtspunkte mit der gerügten Zuwiderhandlung untrennbar verbunden seien, dürften sie nicht als erschwerende Umstände in die Bemessung der Geldbuße einfließen.

162.
    Die angebliche Warnfunktion der Polypropylen-Entscheidung stelle entgegen der Behauptung der Kommission in ihrer Klagebeantwortung kein sachgerechtes Kriterium dar, das eine Erhöhung der Geldbuße rechtfertige.

163.
    Die Kommission hält die Geldbuße angesichts der Schwere der Zuwiderhandlung nicht für unverhältnismäßig. Sie sei zu Recht höher als in früheren Rechtssachen, da die Kartellteilnehmer im Gegensatz zu einigen früheren Fällen (insbesondere der Polypropylen-Entscheidung) während der Zuwiderhandlung keine erheblichen Verluste erlitten hätten. Die Teilnehmer könnten sich jedenfalls nicht auf den geringen Erfolg des Kartells berufen. Außerdem hätte die Polypropylen-Entscheidung damals als Warnung dienen müssen. In bezug auf diese Entscheidung habe das Gericht im übrigen entschieden, daß die Zuwiderhandlung die Geldbußen bei weitem rechtfertige (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-3/89, Atochem/Kommission, Slg. 1991, II-1177, Randnr. 229).

164.
    Schließlich sei die Behauptung der Klägerin, daß die Festsetzung der Geldbuße auf „sachfremden Erwägungen“ beruht habe, eine reine Mutmaßung. Die Entscheidung bedeute keine erhebliche Änderung der Politik. Das Gericht habe bereits im Zusammenhang mit der Polypropylen-Entscheidung bestätigt, daß die Geheimhaltung und der Organisationsgrad erschwerende Umstände darstellten.

Würdigung durch das Gericht

165.
    Die Kommission hat bei der Festsetzung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen der Dauer der Zuwiderhandlung (Randnr. 167 der Entscheidung) und folgenden Erwägungen Rechnung getragen (Randnr. 168 der Entscheidung):

„-    Preis- und Marktaufteilungsabsprachen stellen als solche schwere Wettbewerbsbeschränkungen dar;

-    das Kartell erstreckte sich praktisch auf das ganze Gebiet der Gemeinschaft;

-    der EG-Kartonmarkt ist ein bedeutender Industriesektor, der jedes Jahr einen Wert von bis zu 2,5 Milliarden ECU darstellt;

-    die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen repräsentieren praktisch den gesamten Markt;

-    das Kartell wurde in einem System regelmäßiger Sitzungen institutionalisiert, in denen der Kartonmarkt in der Gemeinschaft im einzelnen reguliert wurde;

-    es wurden aufwendige Schritte unternommen, um die wahre Natur und das wahre Ausmaß der Absprachen zu verschleiern (Fehlen jeglicher offiziellen Sitzungsniederschriften oder Dokumente für den PWG und das JMC; Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen; Maßnahmen mit dem Ziel, die Zeitpunkte und die zeitliche Reihenfolge der Preiserhöhungsankündigungen so zu inszenieren, daß die Unternehmen behaupten können, einem Preisführer zu folgen usw.);

-    das Kartell war, was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich.“

166.
    Außerdem geht aus einer Antwort der Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts hervor, daß gegen die als „Anführer“ des Kartells angesehenen Unternehmen Geldbußen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbußen mit einem Basissatz von 7,5 % des von den Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes festgesetzt wurden.

167.
    Erstens ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission bei ihrer Beurteilung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen der Tatsache Rechnung tragen darf, daß offenkundige Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft immer noch verhältnismäßig häufig sind, und daß es ihr daher freisteht, das Niveau der Geldbußen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken. Folglich ist die Kommission dadurch, daß sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80, 101/80, 102/80 und 103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 105 bis 108, und Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89, ICI/Kommission, Slg. 1992, II-1021, Randnr. 385).

168.
    Zweitens hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, daß aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles kein direkter Vergleich zwischen dem allgemeinen Niveau der Geldbußen in der streitigen Entscheidung und dem Niveau nach der früheren Entscheidungspraxis der Kommission - insbesondere in der Polypropylen-Entscheidung, die die Kommission selbst als die mit dem vorliegenden Fall am besten vergleichbare Entscheidung ansieht - vorgenommen werden kann. Im Gegensatz zu dem Fall, der Gegenstand der Polypropylen-Entscheidung war, wurde hier nämlich bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen kein genereller mildernder Umstand berücksichtigt. Außerdem zeigen die zur Verschleierung der Absprache getroffenen Maßnahmen, daß sich die betreffenden Unternehmen der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens voll und ganz bewußt waren. Die Kommission konnte diese Maßnahmen folglich bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigen, da sie einen besonders schwerwiegenden Aspekt der Zuwiderhandlung darstellten, der diese von den zuvor von der Kommission aufgedeckten Zuwiderhandlungen unterscheidet.

169.
    Drittens ist auf die lange Dauer und die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages hinzuweisen, die trotz der Warnung begangen wurde, die die frühere Entscheidungspraxis der Kommission und insbesondere die Polypropylen-Entscheidung hätte darstellen müssen.

170.
    Aufgrund dieser Gesichtspunkte rechtfertigen die in Randnummer 168 der Entscheidung wiedergegebenen Kriterien das von der Kommission festgelegte allgemeine Niveau der Geldbußen. Es gibt folglich keinen Anhaltspunkt dafür, daß sich die Kommission bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen auf sachfremde Erwägungen gestützt hätte. Das Gericht hat zwar bereits festgestellt, daß die Auswirkungen der Preisabsprache, die die Kommission der Bestimmung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen zugrunde gelegt hat, nur teilweise bewiesen sind. Angesichts der vorstehenden Erwägungen kann dieses Ergebnis die Beurteilung der Schwere der festgestellten Zuwiderhandlung jedoch nicht spürbar beeinflussen. Insoweit läßt sich schon allein daraus, daß die Unternehmen die vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich angekündigt und daß die angekündigten Preise als Grundlage für die Bestimmung der individuellen tatsächlichen Verkaufspreise gedient haben, ableiten, daß die Preisabsprache eine schwere Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezweckt als auch bewirkt hat. Das Gericht ist daher im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Ansicht, daß die Feststellungen zu den Auswirkungen der Zuwiderhandlung keine Herabsetzung des von der Kommission festgelegten allgemeinen Niveaus der Geldbußen rechtfertigen.

171.
    Der fünfte Teil des Klagegrundes geht daher fehl.

172.
    Somit ist der einzige Klagegrund zurückzuweisen, der zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße geltend gemacht wird.

173.
    Nach alledem ist dem Klagegrund der Rechtswidrigkeit von Artikel 2 der Entscheidung teilweise stattzugeben; im übrigen ist die Klage abzuweisen.

Kosten

174.
    Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.    Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton) wird mit Ausnahme folgender Passagen für nichtig erklärt:

    „Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzüglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

    a)    durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.

    Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln läßt, ausschließt.“

2.    Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Vesterdorf
Briët
Lindh

            Potocki                        Cooke

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Mai 1998.

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

B. Vesterdorf

Inhaltsverzeichnis

     Sachverhalt

II -

     Verfahren

II -

     Anträge der Parteien

II -

     Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung

II -

         Zulässigkeit des Klagegrundes

II -

             Vorbringen der Parteien

II -

             Würdigung durch das Gericht

II -

         Begründetheit

II -

             Erster Teil: Unzureichende Begründung

II -

                 - Vorbringen der Parteien

II -

                 - Würdigung durch das Gericht

II -

             Zweiter Teil: Fehlende Verantwortlichkeit der Klägerin für die Zuwiderhandlung

II -

                 - Vorbringen der Parteien

II -

                 - Würdigung durch das Gericht

II -

     Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung

II -

         Vorbringen der Parteien

II -

         Würdigung durch das Gericht

II -

     Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße

II -

         Erster Teil: Verletzung der Pflicht zur Begründung der Höhe der Geldbußen

II -

             Vorbringen der Parteien

II -

             Würdigung durch das Gericht

II -

         Zweiter Teil: Die Klägerin hätte nicht zu den „Anführern“ des Kartells gezählt werden dürfen

II -

         Dritter Teil: Die Kommission habe die Auswirkungen des Kartells falsch beurteilt

II -

            Vorbringen der Parteien

II -

             Würdigung durch das Gericht

II -

         Vierter Teil: Die Kommission hätte das von der Klägerin durchgeführte Programm zur Befolgung des Wettbewerbsrechts als mildernden Umstand berücksichtigen müssen

II -

             Vorbringen der Parteien

II -

             Würdigung durch das Gericht

II -

         Fünfter Teil: Die Kommission habe sich bei der Festlegung der Höhe der Geldbuße auf sachfremde Erwägungen gestützt

II -

             Vorbringen der Parteien

II -

             Würdigung durch das Gericht

II -

     Kosten

II -


1: Verfahrenssprache: Englisch.