Language of document : ECLI:EU:T:2016:296

Rechtssache T‑468/14

Holistic Innovation Institute, SLU

gegen

Europäische Kommission

„Finanzieller Beitrag – Forschung – Siebtes Rahmenprogramm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2007-2013) – Projekt eDIGIREGION – Beschluss der Kommission, die Teilnahme eines Unternehmens abzulehnen – Nichtigkeitsklage – Klagefrist – Beginn – Unzulässigkeit – Außervertragliche Haftung – Immaterieller Schaden – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 12. Mai 2016

1.      Nichtigkeitsklage – Fristen – Zwingendes Recht – Prüfung von Amts wegen durch den Unionsrichter

(Art. 263 Abs. 6 AEUV; Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 102 § 2)

2.      Gerichtliches Verfahren – Klagefristen – Per Fernkopie erhobene Klage – Frist für die Einreichung der unterzeichneten Urschrift – Beginn – Tag des Zugangs des Telefax und nicht der des Ablaufs der Klagefrist

(Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 43 § 6)

3.      Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Fehlende Vorlage des unterzeichneten Originals der Klageschrift vor Ablauf der Klagefrist – Unzulässigkeit

(Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 44 § 6)

4.      Gerichtliches Verfahren – Klagefristen – Ausschlusswirkung – Entschuldbarer Irrtum – Begriff – Erhebung einer Klage ohne Unterzeichnung der Klageschrift durch einen Rechtsanwalt – Ausschluss

(Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 43 § 1 Unterabs. 1)

5.      Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Handschriftliche Unterschrift eines Anwalts – Wesentliche Vorschrift, die strikt anzuwenden ist – Möglichkeit einer nachträglichen Behebung des Mangels – Fehlen – Verstoß gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Fehlen

(Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 43 § 1 Unterabs. 1)

6.      Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Rechtswidrigkeit – Schaden – Kausalzusammenhang – Kumulative Voraussetzungen – Nichtvorliegen einer dieser Voraussetzungen – Abweisung der Schadensersatzklage in vollem Umfang

(Art. 340 Abs. 2 AEUV)

7.      Schadensersatzklage – Selbständigkeit gegenüber der Nichtigkeitsklage – Klage auf Aufhebung einer bestandskräftig gewordenen Einzelfallentscheidung – Unzulässigkeit

(Art. 268 AEUV und 340 Abs. 2 AEUV)

8.      Gerichtliches Verfahren – Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens – Voraussetzungen – Erweiterung eines bereits vorgetragenen Angriffs- oder Verteidigungsmittels – Zulässigkeit

(Verfahrensordnung des Gerichts [1991], Art. 44 § 1 Buchst. c und 48 § 2)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 25)

2.      Nach Art. 43 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 ist der Tag, an dem eine Kopie der unterzeichneten Urschrift eines Schriftsatzes mittels Telefax oder E‑Mail bei der Kanzlei des Gerichts eingeht, nur dann für die Wahrung der Verfahrensfristen maßgebend, wenn die unterzeichnete Urschrift des Schriftsatzes spätestens zehn Tage nach Eingang des Telefax oder der E‑Mail bei der Kanzlei eingereicht wird.

(vgl. Rn. 28)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 31)

4.      Der Begriff des entschuldbaren Irrtums ist eng auszulegen und kann sich nur auf Ausnahmefälle beziehen. Insoweit ist im Fall einer Klageerhebung, ohne dass die Klageschrift durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist, ein Vorbringen, dem zufolge der begangene Fehler entschuldbar ist, da im nationalen Recht das Fehlen der Unterzeichnung der Klageschrift durch den Anwalt behoben werden könne, zurückzuweisen. Vorbereitung, Überwachung und Prüfung der bei der Kanzlei einzureichenden Verfahrensstücke liegen in der Verantwortung des Anwalts der betreffenden Partei.

(vgl. Rn. 32)

5.      Die Tatsache, dass das Fehlen der Unterzeichnung der Klageschrift durch den Anwalt im Unionsrecht nicht geheilt werden kann, stellt das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nicht in Frage. Die strikte Anwendung dieser Verfahrensvorschriften entspricht nämlich dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Rechtspflege zu vermeiden. Wenngleich die Voraussetzungen für die Einreichung von Klageschriften und die Klagefristen das Recht auf Zugang zu einem Gericht einschränken, stellt diese Beschränkung keine Beeinträchtigung der Substanz des Grundrechts auf wirksamen Rechtsschutz dar, zumal die betreffenden Regelungen klar sind und bei der Auslegung keine besonderen Schwierigkeiten bereiten.

(vgl. Rn. 33)

6.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 41-44)

7.      Eine Schadensersatzklage nach Art. 340 Abs. 2 AEUV ist im unionsrechtlichen System der Klagemöglichkeiten ein selbständiger Rechtsbehelf, so dass die Unzulässigkeit eines Nichtigkeitsantrags nicht bereits als solche zur Unzulässigkeit eines Schadensersatzantrags führt.

Allerdings kann eine Partei zwar mit einer Schadensersatzklage vorgehen, ohne durch irgendeine Vorschrift gezwungen zu sein, die Nichtigerklärung der rechtswidrigen Maßnahme, die ihr einen Schaden verursacht hat, zu betreiben, sie kann auf diesem Wege aber nicht die Unzulässigkeit einer Klage umgehen, die sich auf dieselbe Rechtswidrigkeit bezieht und dieselben finanziellen Ziele verfolgt.

Daher ist eine Schadensersatzklage für unzulässig zu erklären, wenn mit ihr in Wirklichkeit die Aufhebung einer bestandskräftig gewordenen Einzelfallentscheidung begehrt wird und sie, falls ihr stattgegeben würde, zur Folge hätte, dass die Rechtswirkungen dieser Entscheidung beseitigt würden. Dies ist dann der Fall, wenn der Kläger mit einer Schadensersatzklage ein Ergebnis erreichen möchte, das dem entspricht, das er erreicht hätte, wenn die Nichtigkeitsklage erfolgreich gewesen wäre, die er nicht rechtzeitig eingereicht hat.

Zudem könnte eine Schadensersatzklage auch die Rechtswirkungen einer bestandskräftig gewordenen Entscheidung beseitigen, wenn der Kläger eine umfassendere Leistung beantragt, die jedoch jene enthält, die er aufgrund eines Nichtigkeitsurteils erhalten hätte. In einem solchen Fall ist es jedoch nötig, das Vorhandensein eines engen Zusammenhangs zwischen der Schadensersatzklage und der Nichtigkeitsklage festzustellen, damit die Unzulässigkeit Ersterer festgestellt werden kann.

(vgl. Rn. 45-48)

8.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 79)