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Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de Primera Instancia nº 8 de Donostia – San Sebastián (Spanien), eingereicht am 16. November 2023 – FG/Caja Rural de Navarra SCC

(Rechtssache C-699/23)

Verfahrenssprache: Spanisch

Vorlegendes Gericht

Juzgado de Primera Instancia nº 8 de Donostia – San Sebastián

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger: FG

Beklagte: Caja Rural de Navarra SCC

Vorlagefragen

1.     Verstößt es gegen den Transparenzgrundsatz, wenn eine „Bereitstellungsprovision“ in Rechnung gestellt wird für die Erbringung von Dienstleistungen durch den Gewerbetreibenden, die weder hinsichtlich ihres Gegenstands noch hinsichtlich der für diese aufgewendeten Zeit genau bestimmt werden, so dass es für den Verbraucher nicht möglich ist, zum einen zu überprüfen, dass ihre Berechnung den Vereinbarungen oder dem entspricht, was in der Preisliste festgelegt oder jedenfalls nach der Art der Dienstleistung angemessen ist, und zum anderen, dass es zu keiner Überschneidung von Dienstleistungen kommt, dass er nicht für Dienstleistungen zahlt, deren Vergütung bereits in den Darlehenszinsen enthalten ist, und dass der Gewerbetreibende keine andere Dienstleistung doppelt in Rechnung stellt?

2.    Verstößt es gegen den Transparenzgrundsatz, wenn der Gewerbetreibende bei der Veröffentlichung des Zinssatzes, den er bei Hypothekendarlehen für Verbraucher anbot, nicht auch die „Bereitstellungsprovision“ veröffentlichte, die bei Abschluss des beworbenen Vertrags obligatorisch zu zahlen war, insbesondere wenn es sich bei dieser Provision um einen bekannten, im Voraus festgelegten und unveränderlichen Prozentsatz des gewährten Betrags handelte, unabhängig davon, wie hoch dieser Betrag war?

3.    Wenn die Prüfung des Antrags und die damit verbundenen Tätigkeiten, die Einholung und Prüfung von Informationen über die Kreditwürdigkeit und die Fähigkeit des Antragstellers, das Darlehen während der gesamten Laufzeit zurückzuzahlen, sowie die Bewertung der vorgelegten Sicherheiten zu den Dienstleistungen gehören, die im Fall der Genehmigung des Darlehensantrags und des Vertragsabschlusses über die Bereitstellungsprovision vergütet werden, und diese Dienstleistungen im Fall der Ablehnung des Darlehensantrags nicht in Rechnung gestellt werden, handelt es sich dann um Dienstleistungen, die zur Banktätigkeit gehören und Teil des Sicherheitsprotokolls sind, und sind die Kosten dann von dem Institut zu tragen, wie dies in der Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher1 festgelegt wurde?

4.    Falls mit der Bereitstellungsprovision Dienstleistungen vergütet werden, die nicht zur Tätigkeit des Darlehensgebers gehören und daher getrennt von den Darlehenszinsen zu vergüten sind, müsste der Darlehensgeber dem Verbraucher dann nicht eine entsprechende Rechnung vorlegen, in der alle erbrachten Dienstleistungen und die entsprechende Mehrwertsteuer aufgeschlüsselt sind?

5.    Verstößt es gegen den Transparenzgrundsatz, wenn der Gewerbetreibende, der die Zahlung einer Bereitstellungsprovision als Preis für eine Reihe ganz bestimmter Dienstleistungen gefordert hat, dem Verbraucher nicht vor Vertragsschluss eine Preisliste mit dem Preis/Stunde für jede dieser Dienstleistungen vorgelegt und ausgehändigt hat, damit der Verbraucher zum einen im Voraus die endgültigen Kosten seines Darlehensvertrags kennen und zum anderen den Preis dieser Dienstleistungen mit den von anderen Gewerbetreibenden angebotenen Preisen vergleichen konnte?

6.    Ist es mit dem Transparenzgrundsatz vereinbar, wenn der Gewerbetreibende eine Reihe ganz bestimmter, für den Abschluss des von beiden Parteien angestrebten Vertrags unerlässlicher Leistungen durch Abzug eines Prozentsatzes vom Gesamtbetrag des gewährten Darlehens in Rechnung gestellt hat, so dass dieselbe Dienstleistung, die von derselben Anzahl von Personen und innerhalb derselben Zeit erbracht wurde, in unterschiedlicher, von dem jeweils gewährten Darlehensbetrag abhängiger Höhe als „Bereitstellungsprovision“ in Rechnung gestellt wurde?

7.    Verstößt eine Transparenzkontrolle, bei der die Klausel über die Bereitstellungsprovision als missbräuchlich angesehen wird, je nachdem, ob ihr Betrag eine bestimmte Höhe übersteigt, die aus einer über das Internet eingeholten Statistik über Berechnungen dieser Provision entnommen wird, gegen Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG1 ?

8.    Verstößt eine nationale Rechtsprechung, wonach die Unverhältnismäßigkeit einer Bereitstellungsprovision auf der Grundlage der Beträge bestimmt wird, auf die sich die gemäß den Statistiken zum entsprechenden Zeitpunkt in Spanien angewandten Bereitstellungsprovisionen beliefen, die zu einem Zeitpunkt auferlegt wurden, zu dem die Klauseln, die diese Bereitstellungsprovision enthielten, in Spanien keiner Missbräuchlichkeitskontrolle unterzogen wurden, gegen Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG?

9.    Verstößt es gegen den Effektivitätsgrundsatz, wenn der Gewerbetreibende in Verträgen, die vor der Umsetzung der Richtlinie 2014/17/EU durch das Königreich Spanien in innerstaatliches Recht geschlossen wurden, eine Bereitstellungsprovision in Rechnung stellt, mit der die Prüfung der Kreditwürdigkeit des potenziellen Darlehensnehmers und der Durchführbarkeit des Geschäfts vergütet wird, wenn diese Prüfung nach der Umsetzung der Richtlinie für den potenziellen Darlehensnehmer keine Kosten mehr verursachen kann?

10.    Ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsprechung wie der vom Tribunal Supremo in seinem Urteil STS 816/2023 vom 29. Mai 2023 entwickelten Rechtsprechung entgegensteht, wonach im Rahmen der Missbräuchlichkeitskontrolle der Klausel über die „Bereitstellungsprovision“ nicht nachzuprüfen ist, dass in der Klausel angegeben wird, welche Dienstleistungen mit der Bereitstellungsprovision vergütet werden und zu welchem Preis sie in Rechnung gestellt werden, und sich die Missbräuchlichkeitskontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob in dieser Klausel der vom Verbraucher zu zahlende Betrag klar angegeben ist und ob er nicht die Grenze überschreitet, ab der er als unverhältnismäßig anzusehen ist?

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1     Richtlinie 2014/17/ЕU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 60, S. 34).

1     Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).