Language of document : ECLI:EU:T:2021:645

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

6. Oktober 2021(*)

„Staatliche Beihilfen – Polnischer Strommarkt – Kapazitätsmechanismus – Entscheidung, keine Einwände zu erheben – Beihilferegelung – Art. 108 Abs. 2 und 3 AEUV – Begriff der Bedenken – Art. 4 Abs. 3 und 4 der Verordnung (EU) 2015/1589 – Ernsthafte Schwierigkeiten – Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV – Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014‑2020 – Verfahrensrechte der Beteiligten – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑167/19,

Tempus Energy Germany GmbH mit Sitz in Berlin (Deutschland),

T Energy Sweden AB mit Sitz in Göteborg (Schweden),

Prozessbevollmächtigte: D. Fouquet und J. Derenne, avocats,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch K. Herrmann und P. Němečková als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

durch

PGE Polska Grupa Energetyczna S.A. mit Sitz in Warschau (Polen), Prozessbevollmächtigte: A. Ryan und A. Klosok, Solicitors, T. Janssens und K. Bojarojć-Bartnicka, avocats,

durch

Enel X Polska z o.o. mit Sitz in Warschau, Prozessbevollmächtigte: V. Cannizzaro, S. Ventura und L. Caroli, avocats,

und durch

Enspirion sp. z o.o., mit Sitz in Danzig (Polen), Prozessbevollmächtigter: A. Czech, avocat,

Streithelferinnen,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2018) 601 final der Kommission vom 7. Februar 2018, keine Einwände gegen die Beihilferegelung zum Kapazitätsmarkt in Polen zu erheben, da die Regelung gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sei (staatliche Beihilfe SA.46100 [2017/N]),

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. M. Collins, des Richters V. Kreuschitz (Berichterstatter) und der Richterin G. Steinfatt,

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil(1)

I.      Vorgeschichte des Rechtsstreits

A.      Die Klägerinnen

1        Die Klägerinnen, die Tempus Energy Germany GmbH und die T Energy Sweden AB (im Folgenden zusammen: Tempus), vertreiben eine Technologie zur Steuerung der Stromnachfrage, die sogenannte „Demand-Side Response“ (DSR), bei Privatpersonen und Gewerbetreibenden u. a. auf den Strommärkten der Bundesrepublik Deutschland und des Königreichs Schweden.

2        Das Angebot, das Tempus ihren Kunden unterbreitet, ist darauf gerichtet, die Kosten in der Stromangebotskette durch Verbindung der DSR-Technologie mit den Dienstleistungsangeboten eines Stromversorgers zu senken. Tempus verkauft Strom und hilft ihren Kunden dabei, den Stromverbrauch, der keinen zeitlichen Zwängen unterliegt, in Zeiträume zu verschieben, in denen die Großhandelspreise niedrig sind, entweder weil die Nachfrage gering ist oder weil sehr viel Strom aus erneuerbaren Energien vorhanden ist und somit preiswerter angeboten wird.

B.      Verwaltungsverfahren und angefochtener Beschluss

3        Mit ihrer Klage beantragt Tempus die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2018) 601 final der Europäischen Kommission vom 7. Februar 2018, keine Einwände gegen die Beihilferegelung zum Kapazitätsmechanismus in Polen (im Folgenden: Beihilferegelung), die den Kapazitätsanbietern vier Milliarden polnische Zloty (PLN) jährlich über einen Zeitraum von zehn Jahren zur Verfügung stellt, zu erheben, da die Regelung gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sei (staatliche Beihilfe SA.46100 [2017/N]) (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

[nicht wiedergegeben]

D.      Beihilferegelung

10      Mit der Beihilferegelung wird ein Kapazitätsmechanismus oder ‑markt eingeführt, der die erwartete Lücke zwischen Nachfrage und Kapazität schließen und somit eine nachhaltige Versorgungssicherheit auf dem Strommarkt in Polen gewährleisten soll, da dieser nach Schätzung der polnischen Behörden im Jahr 2020 in Bezug auf den Ressourcen‑ oder Kapazitätsbedarf ein kritisches Niveau erreichen könnte. Konkret sei aufgrund des umfassenden Programms zur schrittweisen Abschaffung und Außerbetriebnahme alter Produktionseinheiten bis 2020 mit Kapazitätsengpässen zu rechnen, die von den Marktkräften allein nicht ausgeglichen werden könnten, was als „Missing Money Problem“ bezeichnet wird (Erwägungsgründe 6 bis 8 des angefochtenen Beschlusses). Zum Nachweis dieses Marktversagens stützten sich die polnischen Behörden u. a. auf die Daten und mittelfristigen Prognosen der PSE zum Kapazitätsbedarf (im Folgenden: Beurteilung des Kapazitätsbedarfs durch PSE), die im Wesentlichen in den Jahren 2020, 2025 und 2030 ein Erzeugungsdefizit voraussahen, das über den Zuverlässigkeitsstandard einer Unterbrechung von drei Stunden pro Jahr (im Folgenden: in Rede stehender Zuverlässigkeitsstandard) hinausgeht, der ein Systemsicherheitsniveau von 99,97 % gewährleisten soll (31. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Daten wurden dem Europäischen Netz der Übertragungsnetzbetreiber (European Network of Transmission System Operators for Electricity, im Folgenden: ENTSO‑E) zur Erstellung seines Berichts von 2017 „Mid-term Adequacy Forecast (MAF) 2017“ (im Folgenden: Bericht MAF 2017) vorgelegt, und die Prognosen von PSE wurden einer unabhängigen Prüfung durch eine Beratungsgesellschaft unterzogen (Erwägungsgründe 9 bis 13 des angefochtenen Beschlusses). Wie aus den Erwägungsgründen 15 und 16 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, verpflichteten sich die polnischen Behörden, die Preissignale in Zeiten der Knappheit durch eine Reihe von Maßnahmen zu verbessern, u. a. durch die Zusicherung, dass die DSR-Anbieter ab dem 1. Januar 2021 in gleicher Weise wie andere Marktteilnehmer an den Großhandelsmärkten für Strom und Ausgleichsenergie teilnehmen könnten (16. Erwägungsgrund Buchst. f des angefochtenen Beschlusses).

11      Der Betrieb des Kapazitätsmarkts obliegt PSE, zu deren Hauptaufgaben es gehört, landesweite Auktionen für die Bereitstellung der benötigten Kapazität zu organisieren. Diese Auktionen stehen grundsätzlich bestehenden und neuen Erzeugern, DSR-Anbietern und Speicherbetreibern mit Sitz in Polen oder im Kontrollbereich benachbarter europäischer ÜNB offen (vierter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die erfolgreichen Anbieter erhalten während der Laufzeit des gewährten Kapazitätsvertrags eine feste Vergütung (im Folgenden: Kapazitätsvergütung) im Gegenzug zu der Verpflichtung, auf Verlangen von PSE Kapazitäten bereitzustellen, wenn eine hohe Netzbelastung besteht (im Folgenden: Kapazitätsverpflichtung). Liefern die erfolgreichen Anbieter die ihrer Kapazitätsverpflichtung entsprechende Energiemenge nicht, drohen ihnen Geldstrafen. Die Kapazitätsvergütungen werden durch eine Abgabe für Stromlieferungen (im Folgenden: Kapazitätsabgabe) finanziert, die vom Endverbraucher auf der Grundlage des jährlichen Stromverbrauchs oder des Stromverbrauchs zu „ausgewählten Tageszeiten“ erhoben wird.

[nicht wiedergegeben]

13      Der polnische Kapazitätsmechanismus wurde durch die Ustawa o rynku mocy (Dz. U. von 2018, Position 9) (polnisches Kapazitätsmarktgesetz vom 8. Dezember 2017, im Folgenden: Gesetz) eingeführt, die am 18. Januar 2018 in Kraft trat. Auf der Grundlage von Art. 34 dieses Gesetzes erließ der polnische Minister für Energie Durchführungsverordnungen, die die Bestimmungen über die Arbeitsweise des Kapazitätsmarkts festlegen. Am 30. März 2018 genehmigte der Präsident des Urzęd Regulacji Energetyki (Energieregulierungsbehörde, Polen) diese Durchführungsverordnungen. Am 24. August 2018 erließ der polnische Minister für Energie die Durchführungsverordnung betreffend die Auktionsparameter für den Lieferzeitraum von 2021 bis 2023.

14      Das Gesetz soll die Sicherheit der Stromversorgung für die Verbraucher mittel- und langfristig zu den niedrigsten Kosten und in nicht diskriminierender und nachhaltiger Weise gewährleisten (Art. 1 Abs. 2). Der Zweck des polnischen Kapazitätsmarkts besteht darin, Kapazitätsverpflichtungen zu schaffen und zu verhandeln, d. h. die Verpflichtung eines Betreibers, die Bereitstellung von Kapazitäten in Lieferzeiten und ihre tatsächliche Bereitstellung im Notfall zu gewährleisten. Diese Kapazitäten können entweder durch die Erzeugung und Bereitstellung von Strom oder im Fall der DSR durch die Senkung der Nachfrage in Zeiten hoher Netzbelastung zur Verfügung gestellt werden. Den Auktionen, mit denen die Kapazitätsverpflichtungen vergeben werden, geht ein Registrierungs- und Zertifizierungsverfahren voraus (Art. 11 bis 28 des Gesetzes; Erwägungsgründe 20 bis 26 des angefochtenen Beschlusses), wobei es Besonderheiten bei der Zertifizierung von DSR-Anbietern gibt (Erwägungsgründe 27 und 28 des angefochtenen Beschlusses). Die Kapazitätsanbieter nehmen an den Auktionen und am polnischen Kapazitätsmarkt als Kapazitätsmarkteinheiten (Capacity Market Units, im Folgenden: CMU) teil, bei denen es sich namentlich um Erzeuger- oder DSR-CMU handeln kann und die aus einer oder mehreren physischen Einheiten bestehen können, die sich zum Zweck der Gebotsabgabe zu einer Gruppe zusammenschließen (Art. 16 des Gesetzes; 17. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Um als CMU zugelassen zu werden, müssen die physischen Erzeuger- oder DSR-CMU, auch die ausländischen, eine Mindestkapazität (netto) von zwei Megawatt (MW) erreichen (Art. 16 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 und 6 des Gesetzes). Für die Gruppen physischer Erzeuger- oder DSR-CMU, auch für ausländische, beträgt die Höchstkapazität 50 MW, und die einzelnen physischen Einheiten dürfen eine maximale (Netto‑)Kapazität von zehn MW nicht überschreiten (Art. 16 Abs. 1 Nr. 3, 4, 7 und 8 des Gesetzes).

[nicht wiedergegeben]

III. Rechtliche Würdigung

A.      Zulässigkeit

[nicht wiedergegeben]

35      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 40 Abs. 4 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach Art. 53 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, mit den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden können. Der Streithelfer muss zudem nach Art. 142 Abs. 3 der Verfahrensordnung den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befindet. Auch wenn diese Bestimmungen den Streithelfer daher nicht daran hindern, neue oder andere Argumente als die von ihm unterstützte Partei vorzutragen, dürfen diese Argumente den Rahmen des Rechtsstreits nicht verändern (vgl. Urteil vom 20. März 2013, Andersen/Kommission, T‑92/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:143, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 20. Juni 2019, a&o hostel and hotel Berlin/Kommission, T‑578/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:437, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Zwar ist die Frage, ob ein Streithelfer die Einrede der Unzulässigkeit der Klage erheben kann, wenn die Hauptpartei dies nicht getan hat, und ob eine solche Einrede außerhalb des durch die Anträge der Hauptpartei bestimmten Streitgegenstands liegt, vom Gerichtshof noch nicht entschieden worden (Urteile vom 10. November 2016, DTS Distribuidora de Televisión Digital/Kommission, C‑449/14 P, EU:C:2016:848, Rn. 121, und vom 4. Juni 2020, Ungarn/Kommission, C‑456/18 P, EU:C:2020:421, Rn. 22 bis 24). Da es sich bei der Zulässigkeit jedoch um eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung handelt, hat das Gericht sie in jedem Fall von Amts wegen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. Juni 2016, Magic Mountain Kletterhallen u. a./Kommission, T‑162/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:341, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 20. Juni 2019, a&o hostel and hotel Berlin/Kommission, T‑578/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:437, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37      Hinsichtlich der Klagebefugnis im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist festzustellen, dass Tempus, anders als von der Republik Polen, PGE und Enspirion ausgeführt, „Beteiligter“ im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV oder „Beteiligter“ im Sinne von Art. 1 Buchst. h der Verordnung 2015/1589 ist. Daher ist ihre Klage, einschließlich aller Klagegründe und Rügen, die zur Stützung der Klage vorgebracht wurden, um darzutun, dass die Kommission Bedenken oder ernsthafte Schwierigkeiten hätte haben müssen, die sie zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV hätten verpflichten müssen, zulässig, soweit ihr Ziel ist, die Tempus nach dieser Bestimmung eingeräumten Verfahrensrechte zu schützen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, EU:C:2011:341, Rn. 59 und 63 bis 65 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, vom 3. September 2020, Vereniging tot Behoud van Natuurmonumenten in Nederland u. a./Kommission, C‑817/18 P, EU:C:2020:637, Rn. 81, und vom 20. Juni 2019, a&o hostel and hotel Berlin/Kommission, T‑578/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:437, Rn. 45, 46 und 49).

38      Art. 1 Buchst. h der Verordnung 2015/1589 definiert den Begriff „Beteiligter“, der gleichbedeutend mit dem Begriff „Beteiligter“ im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV ist, nämlich dahin gehend, dass er sich u. a. auf „Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, deren Interessen aufgrund der Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt sein können, insbesondere [den] Beihilfeempfänger, Wettbewerber und Berufsverbände“, bezieht. Die Verwendung des Begriffs „insbesondere“ weist darauf hin, dass diese Bestimmung nur eine nicht abschließende Aufzählung der Personen enthält, die als Beteiligte eingestuft werden können, so dass sich dieser Begriff auf eine unbestimmte Vielzahl von Adressaten bezieht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. November 1984, Intermills/Kommission, 323/82, EU:C:1984:345, Rn. 16, vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, EU:C:2011:341, Rn. 63, und vom 13. Juni 2019, Copebi, C‑505/18, EU:C:2019:500, Rn. 34).

39      In Anbetracht dieser Definition hat der Unionsrichter den Begriff des Beteiligten weit ausgelegt. So folgt aus der Rechtsprechung, dass Art. 1 Buchst. h der Verordnung 2015/1589 es nicht ausschließt, dass ein Unternehmen, das kein direkter Wettbewerber des Beihilfeempfängers ist, als Beteiligter betrachtet wird, sofern es geltend macht, dass seine Interessen durch die Gewährung der Beihilfe beeinträchtigt werden könnten, und dass es hierfür ausreicht, dass es in rechtlich hinreichender Weise dartut, dass sich die Beihilfe auf seine Situation konkret auswirken kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, EU:C:2011:341, Rn. 63 bis 65 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ebenso kann eine Gewerkschaft als „Beteiligte“ im Sinne von Art. 108 Abs. 2 AEUV betrachtet werden, wenn sie dartut, dass sie selbst oder ihre Mitglieder durch die Gewährung einer Beihilfe eventuell in ihren Interessen verletzt sind, vorausgesetzt, sie legt in rechtlich hinreichender Weise dar, dass sich die Beihilfe auf ihre Situation oder die der von ihr vertretenen Mitglieder konkret auswirken könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2009, 3F/Kommission, C‑319/07 P, EU:C:2009:435, Rn. 33).

40      Folglich kann dem Vorbringen von PGE und der Republik Polen, Tempus komme nicht als Beteiligte in Betracht, da sie kein „direkter Wettbewerber“ auf dem polnischen Kapazitätsmarkt sei oder keine hinreichend konkreten Pläne zum Eintritt in diesen Markt erstellt habe, nicht gefolgt werden. Tempus hat in rechtlich hinreichender Weise dargetan, dass ihre Interessen durch die Beihilferegelung beeinträchtigt werden könnten und sich die Gewährung sowohl der Kapazitätsvereinbarungen als auch der Kapazitätsvergütungen auf ihre Situation konkret auswirken könnte. Sie hat somit plausibel dargelegt, zumindest ein potenzieller Wettbewerber auf dem polnischen Kapazitätsmarkt zu sein, da sie fest entschlossen sei, in naher Zukunft in diesen Markt einzutreten, und hierzu aus eigener Kraft in der Lage sei, und die Beihilferegelung Hindernisse aufwerfe, die diesen Markteintritt erschwerten (vgl. zum Begriff „potenzieller Wettbewerb“ Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 36 bis 58). Darüber hinaus wird der Status von Tempus als Beteiligter durch ihre Eigenschaft als aktiver Wirtschaftsteilnehmer auf den benachbarten deutschen und schwedischen Strommärkten bekräftigt, die es ihr ermöglicht, sich über die Verbindungsleitungen oder im Fall des schwedischen Marktes durch Marktkopplung (siehe oben, Rn. 9) am polnischen Kapazitätsmarkt zu beteiligen. Dem steht nicht entgegen, dass sich Tempus weder an den nationalen Konsultationsverfahren noch an den Voranmelde- und Vorprüfverfahren vor der Kommission beteiligt hat, in deren Rahmen sie, wie von der Kommission zu Recht hervorgehoben, ohnehin über keine eigenen Verfahrensrechte verfügt, die es ihr gestattet hätten, Stellungnahmen abzugeben.

41      Jedenfalls ist die Klage nicht allein deshalb unzulässig, weil der Gründungsrechtsakt von Tempus Energy Germany vom 26. Juli 2018 datiert, also mehr als fünf Monate nach dem Erlass des angefochtenen Beschlusses, so dass sie zwangsläufig nicht an einem förmlichen Prüfverfahren nach einem am selben Tag erlassenen Eröffnungsbeschluss hätte teilnehmen können. Da T Energy Sweden, mit der sie die vorliegende Klage gemeinsam erhoben hat, die Stellung eines Beteiligten hat und klagebefugt im Sinne der oben in Rn. 39 genannten Rechtsprechung ist, braucht die Stellung von Tempus Energy Germany nicht gesondert geprüft zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. Juni 2016, Magic Mountain Kletterhallen u. a./Kommission, T‑162/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:341, Rn. 40 und 41 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 20. September 2019, Le Port de Bruxelles und Région de Bruxelles-Capitale/Kommission, T‑674/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:651, Rn. 36).

42      Die vorliegende Klage ist daher für zulässig zu erklären.

B.      Begründetheit

1.      Streitgegenstand und Kontrolle der materiellen Rechtmäßigkeit

43      Tempus stützt ihre Klage auf zwei Nichtigkeitsgründe.

44      Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß der Kommission gegen ihre Verpflichtung zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens und damit eine Verletzung der Verfahrensrechte geltend gemacht, die Tempus als Beteiligter nach Art. 108 Abs. 2 AEUV und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 zustünden. Dieser Klagegrund besteht aus zwei Hauptteilen, von denen insbesondere der zweite mehrere Teile, Unterteile und Rügen umfasst, mit denen das Bestehen von Bedenken im Sinne von Art. 4 Abs. 3 und 4 der Verordnung 2015/1589 oder von ernsthaften Schwierigkeiten im Sinne der Rechtsprechung dargetan werden soll, die die Kommission bei ihrer vorläufigen Prüfung hätte haben müssen.

45      Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstoß der Kommission gegen ihre Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV gerügt.

46      Was den ersten Klagegrund und den Umfang der Rechtmäßigkeitskontrolle betrifft, die das Gericht insoweit vorzunehmen hat, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 108 Abs. 3 AEUV und Art. 4 der Verordnung 2015/1589 eine Phase der vorläufigen Prüfung angemeldeter Beihilfemaßnahmen einführen. Am Ende dieser Phase stellt die Kommission fest, dass diese Maßnahme entweder keine Beihilfe darstellt oder in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt. In letzterem Fall kann die Maßnahme keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt geben oder aber im Gegenteil solche Bedenken aufwerfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex, C‑83/09 P, EU:C:2011:341, Rn. 43).

47      Erlässt die Kommission, wie im vorliegenden Fall, am Ende der Vorprüfungsphase eine Entscheidung, mit der sie feststellt, dass eine staatliche Maßnahme keine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe darstelle, lehnt sie es implizit ab, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten. Dies gilt sowohl dann, wenn die Entscheidung nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 ergeht, weil die Kommission die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt vereinbar hält (sogenannte „Entscheidung, keine Einwände zu erheben“), als auch dann, wenn die Kommission im Sinne von Art. 4 Abs. 2 dieser Verordnung der Auffassung ist, die Maßnahme falle nicht in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV und stelle daher keine staatliche Beihilfe dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2019, Ja zum Nürburgring/Kommission, T‑373/15, EU:T:2019:432, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 16. März 2021, Kommission/Polen, C‑562/19 P, EU:C:2021:201, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Wenn die Kommission dagegen nach einer ersten Prüfung im Verfahren nach Art. 108 Abs. 3 AEUV nicht zu der Überzeugung gelangen kann, dass die in Rede stehende staatliche Beihilfemaßnahme keine „Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt oder, falls sie als Beihilfe eingestuft wird, mit dem AEU‑Vertrag vereinbar ist, oder wenn dieses Verfahren es der Kommission nicht gestattet hat, die ernsthaften Schwierigkeiten hinsichtlich der Beurteilung der Vertragskonformität der betreffenden Maßnahme zu überwinden, ist sie nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet, das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten, ohne hierbei über ein Ermessen zu verfügen. Diese Verpflichtung entspricht derjenigen nach Art. 4 Abs. 4 der Verordnung 2015/1589, der vorsieht, dass die Kommission das Verfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einleiten muss, wenn die fragliche Maßnahme Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Juni 2019, a&o hostel and hotel Berlin/Kommission, T‑578/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:437, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Der Begriff der ernsthaften Schwierigkeiten deckt sich mit dem der Bedenken (Urteil vom 9. September 2020 in der Rechtssache T‑745/17, Kerkosand/Kommission, EU:T:2020:400, Rn. 106 und die dort angeführte Rechtsprechung) und ist seinem Wesen nach objektiv. Ob solche Schwierigkeiten vorliegen, ist nicht nur anhand der Umstände des Erlasses der Vorprüfungsentscheidung der Kommission zu beurteilen, sondern auch anhand der Erwägungen, auf die sie sich gestützt hat. Daraus folgt, dass die Rechtmäßigkeit einer auf Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 gestützten Entscheidung, keine Einwände zu erheben, davon abhängt, ob die Beurteilung der Informationen und Angaben, über die die Kommission in der Vorprüfungsphase der angemeldeten Maßnahme verfügte, objektiv Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit dem Binnenmarkt hätte geben müssen, da solche Bedenken zur Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens führen müssen, an dem sich die Beteiligten im Sinne von Art. 1 Buchst. h dieser Verordnung beteiligen können (vgl. Urteil vom 3. September 2020, Vereniging tot Behoud van Natuurmonumenten in Nederland u. a./Kommission, C‑817/18 P, EU:C:2020:637, Rn. 79 und 80 sowie die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 20. Juni 2019, a&o hostel and hotel Berlin/Kommission, T‑578/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:437, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Die Rechtsprechung hat nämlich insoweit auch klargestellt, dass die Rechtmäßigkeit einer solchen Entscheidung anhand der Informationen zu beurteilen ist, über die die Kommission bei Erlass der Entscheidung verfügen konnte, wobei die Informationen, über die die Kommission „verfügen konnte“, diejenigen sind, die für die vorzunehmende Beurteilung erheblich erschienen und die sie im Vorprüfungsverfahren auf ihr Ersuchen hin hätte erhalten können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. September 2017, Kommission/Frucona Košice, C‑300/16 P, EU:C:2017:706, Rn. 70 und 71).

51      Der Beweis für das Bestehen ernsthafter Schwierigkeiten oder Bedenken obliegt der Klägerin. Sie kann diesen Beweis durch ein Bündel übereinstimmender Anhaltspunkte erbringen, und zwar insbesondere dadurch, dass sie geltend macht und nachweist, dass die von der Kommission im Vorprüfungsverfahren vorgenommene Prüfung unzureichend oder unvollständig war (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. September 2020, Vereniging tot Behoud van Natuurmonumenten in Nederland u. a./Kommission, C‑817/18 P, EU:C:2020:637, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 20. Juni 2019, a&o hostel and hotel Berlin/Kommission, T‑578/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:437, Rn. 59 und 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Im Licht dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist die Begründetheit des ersten Klagegrundes zu prüfen.

2.      Erster Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen ihre Verpflichtung, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen

[nicht wiedergegeben]

a)      Erster Teil des ersten Klagegrundes: Bedenken in Bezug auf den Ablauf und die Dauer des Verfahrens

[nicht wiedergegeben]

2)      Würdigung durch das Gericht

63      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen von Tempus im Rahmen des ersten Teils ihres ersten Klagegrundes im Großen und Ganzen auf den Erwägungen in den Rn. 78 bis 115 des Urteils vom 15. November 2018, Tempus Energy und Tempus Energy Technology/Kommission (T‑793/14, EU:T:2018:790), beruht. Zwar hat das Gericht in den Rn. 90 und 91 dieses Urteils die Auffassung vertreten, dass es nicht Gegenstand der Vorabkontakte ist, die Vereinbarkeit einer besonders komplexen und neuartigen Maßnahme mit dem Binnenmarkt zu beurteilen, und dass die Kommission diese – eventuell vorangehende – Phase nicht mit der Phase der Prüfung der Anmeldung verwechseln darf, die zuerst als vorläufige Prüfung und gegebenenfalls anschließend als förmliche Prüfung durchgeführt wird, falls dies erforderlich ist, damit die Kommission alle Informationen, die sie für die Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfe benötigt, und Stellungnahmen der Beteiligten hierzu anfordern kann.

64      Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die Kommission generell davon absehen soll, die Vereinbarkeit eines Beihilfevorhabens mit dem Binnenmarkt im Rahmen der Voranmeldephase zu prüfen, und sei es auch nur vorläufig. Diese Feststellung entspricht inhaltlich den Nrn. 11, 12 und 16 des Verhaltenskodex, durch dessen Erlass und Veröffentlichung die Kommission sich selbst bei der Ausübung ihres Ermessens hinsichtlich der Organisation ihrer Verfahren beschränkt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2020, Vereniging tot Behoud van Natuurmonumenten in Nederland u. a./Kommission, C‑817/18 P, EU:C:2020:637, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung). Danach dienen die Vorabkontakte im Wesentlichen gerade dazu, die Kommissionsdienststellen und den betreffenden Mitgliedstaat in die Lage zu versetzen, auch in besonders neuartigen oder komplexen Fällen wesentliche wettbewerbsrechtliche Fragen zu erörtern und zu prüfen, welche ökonomischen Analysen und gegebenenfalls Beiträge externer Sachverständiger erforderlich sind, um „die Vereinbarkeit eines Beihilfevorhabens mit dem [Binnenmarkt]“ nachzuweisen. Insoweit machen die Republik Polen und Enel X zu Recht geltend, dass die Kommission in dieser Phase notwendigerweise in der Lage sein müsse, diese Informationen zu bewerten, um festzustellen, ob sie nach der förmlichen Anmeldung ausreichten, um eine vollständige Prüfung der Vereinbarkeit der geplanten Beihilfe mit dem Binnenmarkt vornehmen zu können. Dies gilt umso mehr, als die Kommission andernfalls entgegen Nr. 16 dieses Kodex am Ende der Voranmeldephase nicht einmal in der Lage wäre, den nationalen Behörden insoweit eine informelle und nicht bindende vorläufige Einschätzung dieses Vorhabens mitzuteilen.

65      Tempus räumt ein, dass sie der Kommission nicht vorwerfe, die angemeldete Beihilferegelung im Rahmen der nach der vollständigen Anmeldung durch die polnischen Behörden eingeleiteten vorläufigen Prüfung, die im Einklang mit Art. 4 Abs. 5 der Verordnung 2015/1589 nur zwei Monate gedauert habe, übermäßig lange geprüft zu haben, ist aber der Ansicht, dass die geltend gemachte übermäßig lange Dauer der Voranmeldephase ein Anhaltspunkt für das Bestehen von Bedenken oder ernsthaften Schwierigkeiten sei. Es ist jedoch festzustellen, dass die Kommission die Voranmeldephase zwar nicht dazu missbrauchen darf, um sich den u. a. zeitlichen Zwängen der vorläufigen Prüfung zu entziehen oder sie zu umgehen (vgl. die oben in Rn. 63 angeführte Rechtsprechung zu einem Fall, in dem der Entwurf des Beschlusses zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits vorlag), dass die Vorabkontakte aber in schwierigen Fällen ausnahmsweise mehrere Monate dauern können (vgl. Nr. 14 des Verhaltenskodex).

66      Nach Ansicht des Gerichts ist im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen, dass die Dauer einer Voranmeldephase von etwa einem Jahr einen Anhaltspunkt dafür bietet, dass ein solcher Missbrauch oder eine Umgehung vorliegt, noch, dass diese Dauer ein Indiz für Bedenken darstellt, auch wenn es sich um einen schwierigen Fall handelt. Paradoxerweise vertritt Tempus selbst die Ansicht, dass die Beihilferegelung so komplex gewesen sei, dass sie einer eingehenden Prüfung im Rahmen eines förmlichen Prüfverfahrens bedurft habe. Nach Nr. 14 des Verhaltenskodex durfte die Kommission jedoch in einem so schwierigen Fall den voraussichtlichen Zeitrahmen von zwei Monaten überschreiten und die Voranmeldephase über „mehrere Monate“ erstrecken, um sicherzustellen, dass der Mitgliedstaat eine vollständige Anmeldung übermittelt, damit sie ihre vorläufige Prüfung in voller Kenntnis der Sachlage durchführen kann. Im vorliegenden Fall war der Gesetzentwurf nämlich, wie die Kommission feststellt, während der Voranmeldung noch nicht endgültig und hatte noch mehrere Phasen des polnischen Gesetzgebungsverfahrens, einschließlich einer öffentlichen Anhörung, zu durchlaufen, bevor er schließlich am 8. Dezember 2017, d. h. nur zwei Tage nach seiner förmlichen Anmeldung, vom polnischen Parlament angenommen wurde. Um die Beihilfevorschriften einzuhalten und die Empfehlungen in den Nrn. 10 bis 18 des Verhaltenskodex zu befolgen, hatten die polnischen Behörden bereits in einem frühen Stadium des internen Entscheidungsprozesses Vorabkontakte mit der Kommission aufgenommen, um vorläufige Stellungnahmen dieses Organs während dieses gesamten Verfahrens berücksichtigen zu können und um sicherzustellen, dass der schließlich angemeldete Entwurf die Vereinbarkeitskriterien gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV und den Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014‑2020 (ABl. 2014, C 200, S. 1, im Folgenden: Leitlinien) erfüllt. Da es im vorliegenden Fall auch keine sonstigen Hinweise auf Missbräuchlichkeit gibt (siehe unten, Rn. 67 und 68), kann diese auf Zusammenarbeit zwischen den polnischen Behörden und der Kommission beruhende Vorgehensweise, die vom Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV geleitet ist, als solche nicht zu Bedenken oder ernsthaften Schwierigkeiten Anlass geben.

67      Darüber hinaus machen die Kommission und die Streithelferinnen zu Recht geltend, dass im vorliegenden Fall im Gegensatz zu dem Verfahren betreffend den britischen Kapazitätsmarkt, das Gegenstand des Urteils vom 15. November 2018, Tempus Energy und Tempus Energy Technology/Kommission (T‑793/14, EU:T:2018:790, Rn. 101 bis 105), war, keine Anzeichen dafürsprechen, dass die geplante Beihilferegelung im Laufe der Verfahren auf nationaler Ebene oder vor der Kommission, insbesondere während der von den polnischen Behörden nach seiner Voranmeldung eingeleiteten öffentlichen Anhörung zu dem Gesetzentwurf, von den Beteiligten und insbesondere von den DSR-Anbietern in Frage gestellt wurde. Tempus selbst behauptet nicht, an dieser Anhörung teilgenommen oder eine Stellungnahme oder Beschwerde bei der Kommission eingereicht zu haben, anders als es die Klägerinnen in jener anderen Rechtssache betreffend den Kapazitätsmarkt des Vereinigten Königreichs als Mitglieder der UK Demand Response Association (UKDRA) (Verband der DSR‑Industrie des Vereinigten Königreichs) getan hatten.

68      Insoweit kann sich Tempus nicht auf das Fehlen von Verfahrensgarantien für die Beteiligten während der Phase der Voranmeldung und der vorläufigen Prüfung berufen, da von einem umsichtigen und sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer, der in einen sich in einer tiefgreifenden Reform befindenden nationalen Strommarkt eintreten will, erwartet wird, dass er – wie die Klägerinnen in der Rechtssache betreffend den britischen Kapazitätsmarkt – alle erforderlichen Schritte unternimmt, um seine geschäftlichen Interessen vor den zuständigen Behörden zu verteidigen. Somit konnte sich die Kommission im Rahmen ihrer vorläufigen Prüfung nicht nur auf die Ergebnisse ihrer Sektoruntersuchung der Kapazitätsmärkte von elf Mitgliedstaaten stützen, zu denen Polen bereits gehörte, sondern auch – in Ermangelung detaillierter Einwände – auf die Ergebnisse der öffentlichen Anhörung, die zu einer Vielzahl von Stellungnahmen interessierter Kreise, u. a. der polnischen DSR-Anbieter wie die Streithelferinnen Enel X und Enspirion, geführt hatte. Hinzu kommt ihre Erfahrung bei der Beurteilung des britischen Kapazitätsmarkts, dessen Ausgestaltung nach eigener Aussage von Tempus bestimmte Ähnlichkeiten mit der des polnischen Kapazitätsmarkts aufweist.

[nicht wiedergegeben]

71      Schließlich kann entgegen dem Vorbringen von Tempus die Größenordnung oder die Höhe der auf der Grundlage der Beihilferegelung zu gewährenden Beihilfen an sich nicht als Anhaltspunkt für Bedenken oder ernsthafte Schwierigkeiten gewertet werden. Insoweit macht die Kommission zu Recht geltend, dass, wie sich auch aus den Nrn. 10 bis 18 des Verhaltenskodex ergibt, selbst Beihilfevorhaben von gewisser Größe, Komplexität oder Neuartigkeit verfahrensrechtlich grundsätzlich genauso zu behandeln sind wie weniger bedeutsame Vorhaben, da die Bestimmungen des AEU‑Vertrags, der Verordnung 2015/1589 und dieses Kodex insoweit keine Unterscheidung vornehmen.

72      Daher ist der erste Teil des ersten Klagegrundes, mit dem Bedenken in Bezug auf den Ablauf und die Dauer des Verfahrens geltend gemacht werden, als unbegründet zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

b)      Zweiter Teil des ersten Klagegrundes: Bedenken in Bezug auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses

1)      Vorbemerkungen

i)      Bedenken oder ernsthafte Schwierigkeiten, die in Anbetracht der Bestimmungen der Leitlinien hätten vorliegen müssen

75      Im zweiten Teil des ersten Klagegrundes macht Tempus im Wesentlichen geltend, dass die Kommission, wie ein Vergleich der Begründung des angefochtenen Beschlusses mit den verfügbaren Informationen über den polnischen Kapazitätsmarkt zeige, in Anbetracht von Art. 107 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen, insbesondere Abschnitt 3.9 der Leitlinien, Bedenken oder ernsthafte Schwierigkeiten hinsichtlich der Vereinbarkeit der Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt hätte haben müssen. Sie habe es jedoch versäumt, sorgfältig und unparteiisch alle einschlägigen Informationen zu prüfen und einzuholen, um diese Bedenken auszuräumen. Insbesondere habe sie erstens das Ziel von gemeinsamem Interesse und die Erforderlichkeit staatlicher Maßnahmen (erster Teil), zweitens die Geeignetheit der Beihilferegelung (zweiter Teil), drittens den Anreizeffekt (dritter Teil), viertens die Angemessenheit der Beihilfen (vierter Teil) und fünftens die Vermeidung übermäßiger negativer Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten (fünfter Teil) unzureichend und unvollständig geprüft.

ii)    Rechtsnatur der Leitlinien und Umfang der diesbezüglichen Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Unionsrichter

76      Was die Rechtsnatur der Leitlinien und den Umfang der vom Unionsrichter anhand ihrer Bestimmungen vorzunehmenden Rechtmäßigkeitskontrolle betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission dadurch, dass sie Verhaltensregeln erlässt und durch ihre Veröffentlichung ankündigt, dass sie diese von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, selbst die Ausübung ihres Ermessens beschränkt und grundsätzlich nicht von diesen Normen abweichen kann, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde (Urteil vom 3. September 2020, Vereniging tot Behoud van Natuurmonumenten in Nederland u. a./Kommission, C‑817/18 P, EU:C:2020:637, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77      Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechungsgrundsätze sind die einzelnen Teile des zweiten Teils des ersten Klagegrundes zu prüfen.

2)      Erster Teil: Angeblich unvollständige Beurteilung des Ziels von gemeinsamem Interesse und der Erforderlichkeit staatlichen Eingreifens

i)      Erster Unterteil: Ziel von gemeinsamem Interesse

78      Tempus macht geltend, dass mehrere Gesichtspunkte bei der Kommission angesichts von Rn. 220 der Leitlinien Bedenken hätten hervorrufen müssen. Dabei stelle sie das mit dem polnischen Kapazitätsmechanismus verfolgte Ziel von gemeinsamem Interesse, nämlich die Gewährleistung einer ausreichenden Stromversorgung der polnischen Endverbraucher, nicht in Frage. Mit den Leitlinien werde jedoch das „allgemeine Ziel“ verfolgt, „ein wettbewerbsfähiges, nachhaltiges und sicheres Energiesystem in einem gut funktionierenden Energiemarkt der Union zu gewährleisten“ (Rn. 30), und anerkannt, dass „Beihilfen zur Förderung der angemessenen Stromerzeugung … im Widerspruch zu dem Ziel der schrittweisen Abschaffung umweltgefährdender Subventionen, u. a. für die Stromerzeugung auf der Basis fossiler Brennstoffe, stehen [können]“ (Rn. 220). Daraus ergebe sich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die angemessene Stromerzeugung nicht als isoliertes Ziel zu betrachten, sondern als eines, das sich in das allgemeinere Ziel einfüge, „den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen emissionsarmen Wirtschaft mit effizientem Ressourceneinsatz [zu] befördern“ (Rn. 30). Diese Lesart sei auch angesichts von Art. 194 Abs. 1 AEUV geboten, in dem neben der Energieversorgungssicherheit das Funktionieren des Energiemarkts, die Energieeffizienz, die Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen und die Förderung der Interkonnexion als Ziele der Union festgelegt seien.

–       Erste Rüge

[nicht wiedergegeben]

88      Tempus stützt ihre Anfechtung auf die Hauptprämisse, dass das in der angemessenen Stromerzeugung bestehende Ziel von gemeinsamem Interesse, wie es in Rn. 220 der Leitlinien dargelegt sei, kein isoliertes Ziel sei, sondern Teil eines allgemeineren Ziels, nämlich der Beförderung des „Übergangs zu einer wettbewerbsfähigen emissionsarmen Wirtschaft mit effizientem Ressourceneinsatz“ (Rn. 30 der Leitlinien), das den in Art. 194 Abs. 1 AEUV genannten Zielen der Union entspreche, darunter das Funktionieren des Energiemarkts, die Energieeffizienz, die Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen und die Förderung der Interkonnexion, die mit dem Ziel der Energieversorgungssicherheit Hand in Hand gehen sollten.

89      Insoweit trägt Tempus zwar zutreffend vor, dass sich die Ziele von gemeinsamem Interesse, die mit Umweltschutzbeihilfen verfolgt werden sollten, aus Rn. 30 in Verbindung mit Rn. 220 der Leitlinien ergeben.

90      Im Rahmen der „Allgemeinen Vereinbarkeitskriterien“ wird unter dem Untertitel „Allgemeine Voraussetzungen“ unter dem Titel „Beitrag zu einem Ziel von gemeinsamem Interesse“ in Rn. 30 der Leitlinien ein „allgemeines Ziel“ von Umweltschutzbeihilfen, auch im Energiesektor, anerkannt, das darin besteht, „den Umweltschutz in einem Maße zu verbessern, wie es ohne Beihilfen nicht möglich wäre“. Insoweit wird auf die „Strategie Europa 2020“ hingewiesen, die „Ziele für nachhaltiges Wachstum [enthält], die den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen emissionsarmen Wirtschaft mit effizientem Ressourceneinsatz befördern sollen“. Das vorrangige Ziel von Energiebeihilfen besteht danach darin, „ein wettbewerbsfähiges, nachhaltiges und sicheres Energiesystem in einem gut funktionierenden Energiemarkt der Union zu gewährleisten“. Nach Rn. 31 der Leitlinien müssen die Mitgliedstaaten, die Umwelt- oder Energiebeihilfen gewähren wollen, „das damit verfolgte Ziel genau festlegen und den erwarteten Beitrag der Maßnahmen zu diesem Ziel erläutern“. Diese Verpflichtung zur genauen Festlegung der Ziele wird in Rn. 221 der Leitlinien für Beihilfen in Bezug auf eine angemessene Stromerzeugung bekräftigt.

91      Im Licht der vorstehenden allgemeineren Definitionen wird in den Rn. 219 und 220 der Leitlinien der Inhalt des Ziels von gemeinsamem Interesse präzisiert, das mit Beihilfen zur angemessenen Stromversorgung wie denen des vorliegenden Falls verfolgt werden soll. In Rn. 219 heißt es, dass solche Beihilfen „unterschiedliche Ziele verfolgen [können]“, beispielsweise das Abstellen auf „kurzfristige Probleme aufgrund eines Mangels an flexibler Erzeugungskapazität …, um plötzliche Schwankungen in der variablen Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie aufzufangen“, oder die Festlegung von „[Zielen] für die angemessene Stromerzeugung …, die die Mitgliedstaaten unabhängig von kurzfristigen Anliegen erreichen wollen“. Dies allein zeigt, dass die Mitgliedstaaten ein gewisses Ermessen bei der Festlegung dieser Unterziele haben, die einem Ziel von gemeinsamem Interesse entsprechen sollen.

92      Dieses Ermessen der Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Unterziele und der Abwägung dieser Ziele gegeneinander wird in Rn. 220 der Leitlinien bestätigt, in der anerkannt wird, dass Beihilfen zur Förderung der angemessenen Stromversorgung „im Widerspruch zu dem Ziel der schrittweisen Abschaffung umweltgefährdender Subventionen, u. a. für die Stromerzeugung auf der Basis fossiler Brennstoffe, stehen“ und damit von dem in Rn. 30 der Leitlinien genannten Ziel von gemeinsamem Interesse, „den Umweltschutz … zu verbessern“, abweichen können. Seine Ausübung wird jedoch durch die ebenfalls in Rn. 220 der Leitlinien enthaltene Empfehlung eingeschränkt, dass „die Mitgliedstaaten vorrangig andere Ansätze zur Sicherstellung einer angemessenen Stromerzeugung wählen [sollten], die dem Ziel der allmählichen Abschaffung umweltschädigender und wirtschaftlich nachteiliger Subventionen nicht abträglich sind, zum Beispiel eine Förderung der Nachfragesteuerung und der Ausbau der Verbindungskapazität“.

93      Daraus folgt nämlich, dass die Mitgliedstaaten die potenziell widersprüchlichen Ziele der Energieversorgungssicherheit und des Umweltschutzes unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gegeneinander abwägen sollen, um die Umweltauswirkungen der Beihilfen auf das unbedingt erforderliche und akzeptable Mindestmaß zu beschränken. Darüber hinaus steht dieses Erfordernis einer gegenseitigen Abwägung dieser Ziele in vollem Einklang zum einen mit den ebenfalls potenziell gegensätzlichen Zielen von Art. 194 Abs. 1 AEUV, wonach sowohl das Funktionieren des Energiemarkts und die Energieversorgungssicherheit in der Union gewährleistet als auch die Energieeffizienz und Energieeinsparungen, die Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen sowie die Interkonnexion gefördert werden sollen, und zum anderen mit den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 5 Abs. 4 EUV. So wird auf dieses Erfordernis unter dem Titel „Geeignetheit der Beihilfe“ in den Rn. 42 und 43 der Leitlinien hingewiesen, wonach u. a. „[e]ine Maßnahme, mit der ein Problem bezüglich der Angemessenheit der Stromerzeugung gelöst werden soll, … gegen das Umweltziel abgewogen werden [muss], umweltgefährdende oder wirtschaftlich nachteilige Subventionen, einschließlich für fossile Brennstoffe, schrittweise einzustellen“.

94      Daraus folgt, dass Tempus grundsätzlich zutreffend feststellt, dass nach dem Wortlaut von Rn. 220 der Leitlinien ein Mitgliedstaat, wenn er einen Kapazitätsmechanismus einführt, das im gemeinsamen Interesse liegende Ziel des Umweltschutzes berücksichtigen muss und dieses Ziel nicht durch eine einseitige Begünstigung von Erzeugungskapazitäten auf der Grundlage fossiler Brennstoffe vereiteln darf, sondern ihm u. a. im Wege der „Förderung der Nachfragesteuerung“ dienen muss.

95      Allerdings ergibt sich daraus angesichts des oben in den Rn. 91 und 92 dargelegten Ermessens des Mitgliedstaats, das auch hinsichtlich der Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen und der allgemeinen Struktur seiner Energieversorgung zur Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission, C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung), weder für diesen Mitgliedstaat (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 44) noch für die Kommission eine eindeutige und genaue Verpflichtung hinsichtlich der Art und Weise, wie das Potenzial von DSR zu bewerten oder zu fördern ist. Ebenso wenig kann diese Bestimmung, wie von der Kommission und den Streithelferinnen hervorgehoben, dahin ausgelegt werden, dass sie Beihilfemaßnahmen zugunsten konventioneller Erzeugungsanlagen, einschließlich solcher, die auf fossilen Brennstoffen basieren, verböte, wenn sich solche Maßnahmen als notwendig erweisen, um eine angemessene Stromerzeugung und damit die Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten, oder dass sie einen absoluten Vorrang alternativer Techniken wie DSR oder Verbindungskapazität vorschriebe.

96      Tempus macht jedoch nicht geltend, dass im vorliegenden Fall der polnische Gesetzgeber beim Erlass des Gesetzes dieses Ermessen nicht ausgeübt oder die oben in den Rn. 93 und 94 genannten potenziell widersprüchlichen Ziele nicht abgewogen hätte, sondern trägt lediglich vor, dass die in den Erwägungsgründen 138 und 163 des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Beurteilung auf dem „falschen Kriterium“ beruhe, da sie nicht, wie angeblich in Rn. 220 der Leitlinien verlangt, das tatsächliche Potenzial von DSR auf dem „reinen“ polnischen Strommarkt, d. h. ohne den Kapazitätsmarkt, bewerte.

97      Ein solches Erfordernis einer kontrafaktischen Prüfung des Potenzials von DSR lässt sich jedoch weder aus dieser Randnummer noch aus einer anderen einschlägigen Bestimmung der Leitlinien ableiten. In deren Rn. 30 heißt es zwar, dass Umweltschutzbeihilfen dazu bestimmt sind, „den Umweltschutz in einem Maße zu verbessern, wie es ohne Beihilfen nicht möglich wäre“, doch wird keine genaue Quantifizierung einer solchen Anhebung des Schutzniveaus, namentlich durch DSR als Technik für die wirtschaftliche und effiziente Nutzung von Energie und damit für den Umweltschutz, verlangt. Entgegen dem Vorbringen von Tempus ergibt sich ein solches Erfordernis auch nicht aus dem Wortlaut von Rn. 220 Satz 2 der Leitlinien, wonach „die Mitgliedstaaten vorrangig andere Ansätze zur Sicherstellung einer angemessenen Stromerzeugung wählen [sollen], die dem Ziel der allmählichen Abschaffung umweltschädigender und wirtschaftlich nachteiliger Subventionen nicht abträglich sind“. Dieser Satz enthält lediglich ein Verlangen gegenüber den Mitgliedstaaten, die oben in den Rn. 93 und 94 dargelegte Abwägung der potenziell widersprüchlichen Ziele vorzunehmen, in deren Rahmen empfohlen wird, solche Subventionen nicht mehr zu fördern und stattdessen Fördermaßnahmen u. a. zur Erleichterung von DSR und zur Erhöhung der Verbindungskapazitäten einzusetzen. Nur im Zusammenhang mit der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Beihilfe als solcher sehen die Rn. 69 und 70 der Leitlinien ein kontrafaktisches Szenario vor, wie es von Tempus angeführt wird.

98      Im vorliegenden Fall genügte es somit, dass die Kommission die Frage, ob die Beihilferegelung geeignet ist, DSR zu fördern, auf der Grundlage der ihr zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses vorliegenden Informationen über die tatsächliche und rechtliche Situation der DSR-Anbieter, ihr Entwicklungspotenzial und ihre voraussichtliche Entwicklung auf dem polnischen Strom- oder Kapazitätsmarkt beurteilt hat. Auf dieser Grundlage durfte die Kommission das Potenzial von DSR berücksichtigen, um ihre wahrscheinlichen Wachstumsaussichten zu bewerten und sicherzustellen, dass sie im Vergleich zu anderen traditionellen Anbietern von Kapazitäten nicht diskriminiert wird (siehe unten die Prüfung der zweiten Rüge), ohne insoweit Bedenken haben zu müssen.

99      Die erste Rüge ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

ii)    Zweiter Unterteil: Erforderlichkeit eines Eingreifens des polnischen Staates

[nicht wiedergegeben]

–       Zweite Rüge

[nicht wiedergegeben]

132    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Rn. 222 bis 224 der Leitlinien unter dem Titel „Erforderlichkeit staatlicher Maßnahmen“ keine spezifische Anforderung an die Mitgliedstaaten enthalten, die Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu fördern, sondern lediglich den Nachweis verlangen, dass die Einführung einer Beihilferegelung zur Sicherstellung einer angemessenen Stromversorgung unter Berücksichtigung u. a. der Auswirkungen bestimmter Technologien wie DSR und des aktuellen und potenziellen Bestands an Verbindungsleitungen erforderlich ist (Rn. 224 Buchst. b und c der Leitlinien). Diese angebliche Anforderung ergibt sich auch nicht aus dem „Ziel von gemeinsamem Interesse“, wie in den Rn. 219 und 220 der Leitlinien beschrieben, in Anbetracht deren Tempus erneut versucht, die Erwägungsgründe 134 bis 143 des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen (vgl. auch die erste Rüge). Zwar führen diese Bestimmungen das Ziel der schrittweisen Abschaffung umweltgefährdender Subventionen, u. a. für die Stromerzeugung auf der Basis fossiler Brennstoffe, an, enthalten aber kein klares, in Form von Kapazitätsmengen ausgedrücktes Ziel, im Gegenzug erneuerbare Energiequellen zu fördern, wie es in der Richtlinie 2009/28 niedergelegt ist. Ebenso verhält es sich mit dem vagen und wenig substantiierten Argument, das Tempus aus der Förderung der Mitverbrennung von Biomasse in den polnischen Kohlekraftwerken herleitet. Dies gilt jedoch unbeschadet der Frage, ob diese Gesichtspunkte Auswirkungen auf andere Kriterien der Leitlinien, wie die Geeignetheit der Beihilfe, im Sinne von Rn. 225 der Leitlinien haben können (siehe unten, Rn. 235 ff.).

[nicht wiedergegeben]

3)      Zweiter Teil: Unvollständige Beurteilung der Geeignetheit der Beihilferegelung

[nicht wiedergegeben]

ii)    Zweiter Unterteil: Diskriminierung von DSR

[nicht wiedergegeben]

–       Erste Rüge

[nicht wiedergegeben]

161    Nach ständiger Rechtsprechung auch zu staatlichen Beihilfen besagt der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 15. April 2008, Nuova Agricast, C‑390/06, EU:C:2008:224, Rn. 66). Die Vergleichbarkeit verschiedener Sachverhalte ist in Anbetracht aller Merkmale zu beurteilen, die sie kennzeichnen. Diese Merkmale sind u. a. anhand des Gegenstands und des Ziels der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, dem die in Rede stehende Maßnahme unterfällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Dezember 2014, Banco Privado Português und Massa Insolvente do Banco Privado Português/Kommission, T‑487/11, EU:T:2014:1077, Rn. 139).

162    Darüber hinaus ist festzustellen, dass unabhängig davon, dass es sich bei dem angefochtenen Beschluss um eine Entscheidung, keine Einwände zu erheben, handelt, die einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegt, bei der es um das Bestehen von Bedenken oder ernsthaften Schwierigkeiten geht (siehe oben, Rn. 48 bis 51), die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die Kommission eine Rechtsfrage ist, hinsichtlich deren sie über keinerlei Wertungsspielraum verfügt und die daher vom Unionsrichter in vollem Umfang überprüft werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. September 2007, Lindorfer/Rat, C‑227/04 P, EU:C:2007:490, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 17. September 2009, Kommission/Koninklijke FrieslandCampina, C‑519/07 P, EU:C:2009:556, Rn. 100 bis 103 und die dort angeführte Rechtsprechung). Unter dieser Prämisse ist zu prüfen, ob die Kommission Bedenken hinsichtlich der Einhaltung namentlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes, den sie auch bei der Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV zu beachten hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 1993, Matra/Kommission, C‑225/91, EU:C:1993:239, Rn. 41), sowie der Regelungen der Leitlinien, durch die diese Bestimmung umgesetzt werden soll, hätte haben müssen.

163    Somit muss im vorliegenden Fall die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Licht der in den Leitlinien anerkannten Ziele (vgl. Abschnitt 3.9.1. „Ziel von gemeinsamem Interesse“) erfolgen, durch die u. a. Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV in Verbindung mit Art. 194 Abs. 1 AEUV umgesetzt werden soll (siehe oben, Rn. 88 und 93).

164    Zu diesen Zielen gehört u. a. das Ziel der angemessenen Stromerzeugung, das von dem Mitgliedstaat unabhängig von kurzfristigen Anliegen festgelegt wird (Rn. 219 der Leitlinien). Insoweit ist es den Mitgliedstaaten zwar gestattet, Beihilfen zu gewähren, die „im Widerspruch zu dem Ziel der schrittweisen Abschaffung umweltgefährdender Subventionen, u. a. für die Stromerzeugung auf der Basis fossiler Brennstoffe, stehen [können]“, aber sie „[sollten] vorrangig andere Ansätze zur Sicherstellung einer angemessenen Stromerzeugung wählen, die [diesem] Ziel … nicht abträglich sind, zum Beispiel eine Förderung der Nachfragesteuerung und der Ausbau der Verbindungskapazität“ (Rn. 220 der Leitlinien). In Anbetracht dieser Ziele, verbunden mit dem Ziel, Beihilfen „ausschließlich für die Bereitstellung der Erzeugungskapazität durch die Stromerzeuger [zu gewähren]“ und nicht für den Stromverkauf (vgl. Abschnitt 3.9.3. „Geeignetheit“), sollten solche Maßnahmen „sich sowohl an etablierte als auch künftige Erzeuger sowie an Betreiber, die substituierbare Technologien (z. B. Laststeuerung oder Speicherlösungen) einsetzen, richten und für diese angemessene Anreize vorsehen“ (Rn. 225 und 226 der Leitlinien).

165    Es ist festzustellen, dass sich die DSR- und die Erzeuger-CMU, insbesondere neue und zu modernisierende CMU, in Bezug auf die vom polnischen Kapazitätsmarkt verfolgten Ziele in Bezug auf die Anwendung der CAPEX-Kriterien zur Bestimmung der Laufzeit von Kapazitätsvereinbarungen in unterschiedlichen faktischen und rechtlichen Situationen befinden, was von Tempus als solches nicht bestritten wird.

[nicht wiedergegeben]

–       Zweite Rüge

[nicht wiedergegeben]

180    Soweit sich Tempus auf Rn. 43 der Leitlinien beruft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung berücksichtigt, dass „[e]ine Maßnahme, mit der ein Problem bezüglich der Angemessenheit der Stromerzeugung gelöst werden soll, … gegen das Umweltziel abgewogen werden [muss], umweltgefährdende oder wirtschaftlich nachteilige Subventionen, einschließlich für fossile Brennstoffe, schrittweise einzustellen“. Es folgt somit daraus nicht, dass das dem Umweltbonus inhärente Umweltziel als solches absoluten Vorrang in dem Sinne genießt, dass es generell jedem Betreiber zukommen muss, der Technologien mit geringem CO2-Ausstoß, wie z. B. DSR, einsetzt. In ähnlicher Weise heißt es in Rn. 221 der Leitlinien lediglich, dass der betreffende Mitgliedstaat klar definieren soll, welches Ziel mit den Beihilfemaßnahmen zur angemessenen Stromversorgung verfolgt wird, was im vorliegenden Fall sowohl in Bezug auf das Ziel von gemeinsamem Interesse (siehe oben, Rn. 89 ff.) als auch den Umweltbonus (siehe oben, Rn. 171) der Fall ist. Schließlich ist auch das Erfordernis, durch diese Maßnahmen im Falle technisch und wirtschaftliche vergleichbarer Parameter kohlenstoffarme Erzeuger zu bevorzugen (Rn. 233 Buchst. e der Leitlinien), nicht absolut zu verstehen, sondern unterliegt ebenfalls dem vorstehend genannten Abwägungserfordernis.

[nicht wiedergegeben]

–       Fünfte Rüge

[nicht wiedergegeben]

196    Aus Rn. 226 der Leitlinien ergibt sich u. a., dass „[d]ie Maßnahme … sich sowohl an etablierte als auch künftige Erzeuger sowie an Betreiber, die substituierbare Technologien (z. B. Laststeuerung oder Speicherlösungen) einsetzen, richten und für diese angemessene Anreize vorsehen [sollte]“ und dass sie „deshalb über einen Mechanismus gewährt werden [sollte], der potenziell unterschiedliche Vorlaufzeiten zulässt, die der Zeit entsprechen, die neue Erzeuger, die unterschiedliche Technologien einsetzen, benötigen, um neue Investitionen zu tätigen“. Ähnlich heißt es in Rn. 232 Buchst. a der Leitlinien unter dem Titel „Vermeidung übermäßiger negativer Auswirkungen auf Wettbewerb und Handel“, dass diese Maßnahme „so ausgestaltet werden [sollte], dass alle Kapazitäten, die konkret zur Behebung des Erzeugungsdefizits beitragen können, an der Maßnahme teilnehmen können; dabei sollten insbesondere [die] Beteiligung von Stromerzeugern, die unterschiedliche Technologien einsetzen, und von Betreibern, die Maßnahmen mit vergleichbarer technischer Leistung anbieten, zum Beispiel Nachfragesteuerung, Verbindungsleitungen und Speicherung[, berücksichtigt werden]“.

197    Wie von der Kommission und den Streithelferinnen vorgetragen, sind diese Bestimmungen Ausdruck des Grundsatzes der Technologieneutralität, wonach ein Kapazitätsmechanismus nicht einseitig eine bestimmte Energieversorgungs- oder ‑erzeugungstechnologie, auch nicht diejenige auf der Grundlage fossiler Brennstoffe oder erneuerbarer Energieträger, begünstigen darf (siehe oben, Rn. 90 ff., und unten, Rn. 205). Im Sinne dieser Technologieneutralität verlangen diese Bestimmungen zur Behebung des Erzeugungsdefizits die Schaffung geeigneter Anreize, stärker von substituierbaren Technologien mit vergleichbarer technischer Leistung, wie DSR, Verbindungsleitungen und Speicherung, Gebrauch zu machen.

[nicht wiedergegeben]

iv)    Vierter Unterteil: Unzureichende Beteiligung ausländischer Kapazitäten

[nicht wiedergegeben]

219    Die Frage des fairen und diskriminierungsfreien Zugangs ausländischer Kapazitäten, einschließlich DSR, zu einem inländischen Kapazitätsmarkt ist speziell in Abschnitt 3.9.6 („Vermeidung übermäßiger negativer Auswirkungen auf Wettbewerb und Handel“) und insbesondere in Rn. 232 Buchst. b der Leitlinien geregelt, wonach „[d]ie Maßnahme … so ausgestaltet werden [sollte], dass alle Kapazitäten, die konkret zur Behebung des Erzeugungsdefizits beitragen können, an der Maßnahme teilnehmen können; dabei [sollte] insbesondere [die] Beteiligung von Betreibern aus anderen Mitgliedstaaten, wenn insbesondere im regionalen Kontext eine Beteiligung praktisch möglich ist, d. h., wenn dem Mitgliedstaat, der die Maßnahme durchführt, die Kapazität tatsächlich zur Verfügung gestellt werden kann und die mit der Maßnahme verbundenen Auflagen durchgesetzt werden können[, berücksichtigt werden]“. Daraus folgt, dass ein Mitgliedstaat, der einen Kapazitätsmarkt einführt, diesen Markt nicht sofort für ausländische Kapazitäten öffnen und diese inländischen Kapazitäten gleichstellen muss, sondern nur dann den Zugang zu diesem Markt ermöglichen muss, wenn dies zur Behebung eines Erzeugungsdefizits erforderlich ist und „wenn … eine Beteiligung praktisch möglich ist“, u. a. „wenn … die mit der [Beihilferegelung] verbundenen Auflagen durchgesetzt werden können“. Auch Rn. 233 Buchst. a der Leitlinien enthält kein Erfordernis vollkommener Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Kapazitäten, sondern verlangt lediglich in einem negativen Sinn, dass die Beihilferegelung nicht dazu führen sollte, dass „die Anreize, in Verbindungskapazität zu investieren“, verringert werden.

220    Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben einer schrittweisen Öffnung des nationalen Kapazitätsmarkts ist zu prüfen, ob die von Tempus erhobenen Einwände gegen die Einführung von Übergangs- und Ziellösungen durch den polnischen Staat (vgl. Art. 6 des Gesetzes), mit denen diese Vorgaben umgesetzt werden sollen, der Kommission hätten Anlass zu Bedenken geben müssen.

[nicht wiedergegeben]

226    Mit dem zweiten Teil des vierten Unterteils wirft Tempus der Kommission vor, sie habe die Übergangslösung vorläufig akzeptiert, obwohl sie sowohl ungeeignet als auch rechtswidrig sei. Erstens sähen sich die benachbarten ÜNB als „Torwächter“ der an den Auktionen des polnischen Strommarkts teilnehmenden CMU schwerwiegenden Interessenkonflikten gegenüber, da für sie in erster Linie ein Anreiz bestehe, die Angemessenheit der Ressourcen in ihrem Netz oder auf ihrem heimischen Markt zu schützen, nicht aber eine frühzeitige Einigung mit PSE zu erzielen, wodurch sie diese Torwächterrolle verlören. Zweitens würde ein ÜNB einer DSR-CMU nicht den Vorzug geben, da diese Engpässe im Netz und damit die Rentabilität eines Ausbaus der Kapazitätsübertragung verringern würde. Drittens habe die Kommission einen Verstoß gegen die unionsrechtlichen Vorschriften zur Entflechtung der ÜNB in Kauf genommen, da ein entflochtener ÜNB nicht einmal für eine Übergangszeit gleichzeitig die Rolle eines Erzeugers und die eines DSR-Anbieters erfüllen könne, der aktiv an den Auktionen des polnischen Kapazitätsmechanismus teilnehme.

[nicht wiedergegeben]

228    Was die angebliche Rolle der ÜNB als „Torwächter“ der CMU betrifft, genügt die Feststellung, dass das erste Argument von Tempus, der angebliche Interessenkonflikt der ÜNB, angesichts der ausführlichen entgegenstehenden Erläuterungen der Kommission und der Streithelferinnen, auch in Beantwortung der schriftlichen Frage des Gerichts, weder plausibel noch substantiiert ist. Es erscheint daher unlogisch oder sogar widersprüchlich, davon auszugehen, dass ein ausländischer ÜNB als Interkonnektor, der den Verpflichtungen nach Art. 12 der Richtlinie 2009/72 unterworfen ist, und als Bieter, der an den Auktionen des polnischen Kapazitätsmechanismus teilnimmt, nicht bestrebt ist, die Beteiligung ausländischer Kapazitäten am polnischen Kapazitätsmarkt zu erleichtern. Vielmehr ist das von diesem ÜNB im Rahmen dieser Auktionen erworbene Kapazitätsvolumen gerade dazu bestimmt, diesen ausländischen Kapazitäten vorbehalten zu werden, deren diskriminierungsfreier Zugang zu diesem Volumen gewährleistet werden muss (Art. 12 Buchst. d und f in Verbindung mit Art. 2 Nr. 18 dieser Richtlinie). Zudem sind die Erlöse aus einer solchen Beteiligung geeignet, die Marktstellung dieser ausländischen Kapazitäten im Interesse sowohl der Versorgungssicherheit auf den verbundenen Märkten als auch sicherer, verlässlicher und effizienter Stromflüsse im Netz zu stärken, wobei der Austausch mit anderen Verbundnetzen gemäß dem in Art. 12 Buchst. d der Richtlinie 2009/72 genannten Ziel berücksichtigt wird. Indem der grenzüberschreitende Handel, der sich positiv auf die angemessene Stromversorgung in den Verbundnetzen auswirken kann, zunimmt, ist auch die Beteiligung ausländischer Kapazitäten über einen ausländischen ÜNB der in Rn. 232 Buchst. d der Leitlinien genannten Marktkopplung und der Liberalisierung des Strombinnenmarktes eher förderlich und nicht umgekehrt. Auf jeden Fall konnte Tempus nicht dartun, dass eine solche Beteiligung geeignet wäre, den Beitrag ausländischer Kapazitäten zur Versorgungssicherheit in ihren eigenen Netzen oder auf ihren heimischen Märkten zu verhindern oder zu verringern.

229    Daher kann dem ersten Argument nicht gefolgt werden.

230    Es ist festzustellen, dass das zweite – vage und knappe – Argument von Tempus, dass ein ÜNB einer DSR-CMU nicht den Vorzug gebe, weil diese die Engpässe im Netz und damit die Rentabilität eines Ausbaus der Kapazitätsübertragung verringere, nicht überzeugt und keinen Erfolg haben kann. Erstens widerspricht das Vorbringen zur Einsparung von Kapazitäten im Netz, die somit für die Ausfuhr in Grenzregionen zur Verfügung stünden, dem ersten von Tempus vorgetragenen Argument (das oben in den Rn. 228 und 229 zurückgewiesen wurde), wonach für die ÜNB in erster Linie ein Anreiz bestehe, die Angemessenheit der Ressourcen in ihrem Netz oder auf ihrem heimischen Markt zu schützen. Zweitens ist eine Diskriminierung zwischen Erzeugungskapazitäten und DSR-Anbietern beim Zugang zu dem Kapazitätsvolumen, das ein ausländischer ÜNB bei den Auktionen des polnischen Kapazitätsmechanismus erworben hat, nach Art. 12 Buchst. f in Verbindung mit Art. 2 Nr. 18 der Richtlinie 2009/72 ausdrücklich untersagt. Drittens haben die Republik Polen und PGE plausibel dargelegt, dass DSR nichts an der Erforderlichkeit eines Ausbaus der Netzinfrastruktur ändere, da sie den Energiebedarf im Netz nur in Zeiten der Verknappung reduziere, die gleichzeitig zu höheren Strommarktpreisen führe, und die DSR-Anbieter in den anderen Zeiten ein normales Kundenmanagement betrieben, was daher eine angemessene Verfügbarkeit der Netzinfrastruktur erfordere. Tempus trägt nämlich nicht vor, dass DSR dazu beitrage, den Netzinfrastrukturbedarf im Fall einer stabilen und kontinuierlichen Nutzung ihrer Methoden durch die Kunden unabhängig von den Preissignalen des Strommarkts zu verringern. Eine solche Verringerung des Netzinfrastrukturbedarfs scheint nicht Gegenstand ihres derzeitigen Geschäftsmodells zu sein und könnte zum Teil ihr begrenztes Potenzial auf dem polnischen Kapazitätsmarkt erklären (siehe oben, Rn. 103 ff.). Schließlich ist es, wie von den Streithelferinnen zutreffend vorgetragen, insbesondere im Zusammenhang mit dem grenzüberschreitenden Handel nicht möglich, die Stromerzeuger und die DSR-Anbieter vollständig von der ÜNB-Tätigkeit zu trennen (siehe oben, Rn. 228).

231    Auch das zweite Argument ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

232    Was das dritte Argument von Tempus betrifft, mit dem ein Verstoß gegen die Unionsvorschriften über die Entflechtung der ÜNB und das angebliche Verbot, parallel als Erzeuger und als DSR-Anbieter an den Auktionen des polnischen Kapazitätsmechanismus teilzunehmen, geltend gemacht wird, ergibt sich aus den ausführlichen Erläuterungen der Kommission, von Enel X, von PGE und der Republik Polen in Beantwortung der schriftlichen Frage des Gerichts, dass Tempus nur sehr vage und knapp in Abrede gestellt hat, dass dieses Argument auf einer falschen Prämisse beruht.

233    Die Pflicht zur Entflechtung nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72, wonach die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Energiemärkten die Übertragungsnetze und die Erzeugungs- und Versorgungsunternehmen entflechten müssen, berührt nämlich nicht die den ÜNB als Interkonnektoren nach Art. 12 dieser Richtlinie obliegenden Aufgaben, die denjenigen entsprechen, die PSE und den ausländischen ÜNB im Rahmen der Übergangslösung zugewiesen worden sind (siehe oben, Rn. 228). Darüber hinaus haben die Kommission und diese Streithelferinnen überzeugend dargelegt, dass diese ÜNB in dieser Eigenschaft lediglich eine vermittelnde und unterstützende Tätigkeit ausüben, die ausländischen Kapazitäten einen diskriminierungsfreien Zugang zu dem Kapazitätsvolumen ermöglicht, für das ein ausländischer ÜNB in den Auktionen des polnischen Kapazitätsmechanismus den Zuschlag erhalten hat. Daher besteht entgegen den Ausführungen von Tempus für einen ÜNB keine Verwechslung zwischen seiner Eigenschaft als Netzbetreiber und Interkonnektor einerseits und Tätigkeiten der Erzeugung oder Bereitstellung von Strom der Erzeugung- und DSR-Kapazität andererseits.

234    Folglich ist auch das dritte Argument im zweiten Teil des vierten Unterteils als unbegründet zurückzuweisen sowie dieser Unterteil insgesamt.

[nicht wiedergegeben]

4)      Dritter Teil: Angeblich unvollständige Beurteilung und angebliche Außerachtlassung des Anreizeffekts der Beihilfe

i)      Erster Unterteil: Angebliche Rückwirkung der Beihilferegelung

[nicht wiedergegeben]

245    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich des Anreizeffekts der Beihilfe die Bestimmungen von Abschnitt 3.2.4 (namentlich die Rn. 49 bis 52) der Leitlinien zu berücksichtigen sind. Gemäß Rn. 49 der Leitlinien kann die Beihilferegelung nur dann als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden, wenn sie einen Anreizeffekt hat. Dies setzt voraus, dass „die Beihilfe den Empfänger veranlasst, sein Verhalten dahin gehend zu ändern, dass der Umweltschutz oder das Funktionieren eines Energiemarkts mit sicheren, erschwinglichen und nachhaltigen Energien verbessert wird, und diese Verhaltensänderung ohne Beihilfe nicht eingetreten wäre“. Sie darf außerdem „weder die Kosten einer Tätigkeit subventionieren, die ein Unternehmen ohnehin zu tragen hätte, noch das übliche Geschäftsrisiko einer Wirtschaftstätigkeit ausgleichen“. Gemäß Rn. 50 der Leitlinien wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass eine Beihilfe keinen Anreizeffekt für den Begünstigten hat und daher mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, wenn der Begünstigte seinen Beihilfeantrag bei den nationalen Behörden eingereicht hat, nachdem mit der Durchführung des Vorhabens bereits begonnen worden ist.

246    In Bezug auf Rn. 49 der Leitlinien ergibt sich aus dem Passus, „dass der Umweltschutz oder das Funktionieren eines Energiemarkts mit sicheren, erschwinglichen und nachhaltigen Energien verbessert wird“, dass der Anreizeffekt der Beihilfe für angemessene Kapazitäten mit dem einen oder dem anderen Ziel verbunden sein kann, je nachdem, welche Abwägung der Mitgliedstaat im Licht der allgemeinen Kriterien und Ziele gemäß den Rn. 30, 219 und 220 der Leitlinien vorzunehmen hat (siehe oben, Rn. 89 ff.). Dies wird in Rn. 69 der Leitlinien bestätigt, wonach „Umwelt- und Energiebeihilfen … als angemessen betrachtet [werden], wenn der Beihilfebetrag pro Beihilfeempfänger auf das zur Verwirklichung des angestrebten Umwelt- oder Energieziels erforderliche Minimum beschränkt ist“. Verfolgt der Mitgliedstaat also, wie im vorliegenden Fall, mit einem Kapazitätsmechanismus vor allem das Ziel, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und damit „das Funktionieren eines Energiemarkts mit sicheren, erschwinglichen und nachhaltigen Energien [zu verbessern]“, ist dieser Anreizeffekt in erster Linie mit den Anreizen für die Anbieter verbunden, die dafür erforderliche Erzeugungskapazität bereitzustellen, und erst in zweiter Linie mit dem Ziel des Umweltschutzes. Wie oben in den Rn. 117 ff. erläutert, basieren diese Anreize im Rahmen des polnischen Kapazitätsmechanismus auf CAPEX-Kriterien, die es den Anbietern ermöglichen, mehrjährige Kapazitätsvereinbarungen zu erhalten, die ihnen, auch um ihre Investitionen in die Schaffung oder Modernisierung der Erzeugungskapazität zu finanzieren oder zu amortisieren, die notwendige Einkommensstabilität verschaffen.

[nicht wiedergegeben]

252    Erstens verkennt dieses Argument, dass die fragliche Beihilfe, nämlich die Kapazitätsvergütung, erst nach der Genehmigung der Beihilferegelung durch die Kommission am 7. Februar 2018, dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 8. Dezember 2017 und dem Abschluss der allerersten für 2018 vorgesehenen Auktion, bei der die ersten Kapazitätsvereinbarungen für das erste Lieferjahr 2021 vergeben wurden, gewährt werden konnte. Daher kann der Zeitpunkt der Beihilfegewährung nicht vor dem Abschluss der ersten Auktion liegen, die dem erfolgreichen Bieter von Rechts wegen das Recht auf die Kapazitätsvergütung einräumt (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 21. März 2013, Magdeburger Mühlenwerke, C‑129/12, EU:C:2013:200, Rn. 40 und 41, vom 6. Juli 2017, Nerea, C‑245/16, EU:C:2017:521, Rn. 32 und 33, sowie vom 28. Oktober 2020, INAIL, C‑608/19, EU:C:2020:865, Rn. 30 bis 34). Selbst wenn man davon ausgeht, dass Tempus geltend machen möchte, dass der Anreizeffekt an das Inkrafttreten der Beihilferegelung, nämlich im Dezember 2017, zu knüpfen sei, stünde ein solches Argument ihrer eigenen Feststellung entgegen, dass die Berücksichtigung früherer Investitionsausgaben über einen Zeitraum von fünf Jahren zulässig gewesen sei und einen solchen Anreizeffekt zur Folge gehabt habe.

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Tempus Energy Germany GmbH und die T Energy Sweden AB tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten, die der Europäischen Kommission, der PGE Polska Grupa Energetyczna S.A., der Enel X Polska z o.o. und der Enspirion sp. z o.o. entstanden sind.

3.      Die Republik Polen trägt ihre eigenen Kosten.

Collins

Kreuschitz

Steinfatt

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. Oktober 2021.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.


1      Es werden nur die Randnummern wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.