Language of document : ECLI:EU:T:2012:613

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

21. November 2012(*)

„Fischerei – Maßnahmen zur Erhaltung der Fischereiressourcen – Art. 105 der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 – Abzüge von den Quoten für ein bestimmtes Jahr wegen Überschreitung der für die vorangegangenen Jahre zugeteilten Quoten – Zeitliche Anwendung – Rechtssicherheit – Auslegung, mit der die Beachtung des Primärrechts gewährleistet wird – Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen – Rückwirkungsverbot“

In der Rechtssache T‑76/11

Königreich Spanien, vertreten durch N. Díaz Abad, abogado del Estado,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch F. Jimeno Fernández und D. Nardi als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Verordnung (EU) Nr. 1004/2010 der Kommission vom 8. November 2010 über Abzüge von bestimmten Fangquoten für 2010 wegen Überfischung im vorangegangenen Jahr (ABl. L 291, S. 31)

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz (Berichterstatter), der Richterin I. Labucka und des Richters D. Gratsias,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2012

folgendes

Urteil

1        Mit der vorliegenden Klage begehrt das Königreich Spanien die Nichtigerklärung der Verordnung (EU) Nr. 1004/2010 der Kommission vom 8. November 2010 über Abzüge von bestimmten Fangquoten für 2010 wegen Überfischung im vorangegangenen Jahr (ABl. L 291, S. 31, im Folgenden: angefochtene Verordnung).

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 23 der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 des Rates vom 12. Oktober 1993 zur Einführung einer Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik (ABl. L 261, S. 1) lautet:

„(1)      Hat die Kommission festgestellt, dass ein Mitgliedstaat die ihm für einen Bestand oder für eine Bestandsgruppe zugewiesene Quote oder Zuteilung bzw. seinen Anteil überschritten hat, so kürzt [sie] die jährliche Quote oder Zuteilung bzw. den jährlichen Anteil, die bzw. der von dem betreffenden Mitgliedstaat überschritten wurde. Die Abzüge werden nach dem Verfahren des Artikels 36 beschlossen.

(2)      Der Rat erlässt mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission im Einklang mit den Zielen und Bewirtschaftungsplänen gemäß Artikel 8 der Verordnung (EWG) Nr. 3760/92 Vorschriften für den Abzug, wobei in erster Linie folgenden Variablen Rechnung getragen wird:

–        Umfang der Überschreitung;

–        etwaige Überschreitungen beim selben Bestand im vorangegangenen Jahr;

–        biologische Lage des betroffenen Bestands.“

3        Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 847/96 des Rates vom 6. Mai 1996 zur Festlegung zusätzlicher Bestimmungen für die jahresübergreifende Verwaltung der TACs und Quoten (ABl. L 115, S. 3) bestimmt:

„(1)      Außer bei den in Absatz 2 genannten Beständen werden alle Anlandungen, die die betreffenden zulässigen Anlandungen überschreiten, von der Quote des entsprechenden Bestands für das folgende Jahr abgezogen.

(2)      Kommt es bei den in Artikel 2 dritter Gedankenstrich genannten Beständen zu einer Überfischung der zulässigen Anlandungen, so wird von der betreffenden Quote für das folgende Jahr ein Abzug vorgenommen, der wie folgt zu berechnen ist:

Höhe der Überfischung der zulässigen Anlandungen

Abzug

die ersten 10 %

Überschreitung x 1,00

die folgenden 10 % bis zu 20 % insgesamt

Überschreitung x 1,10

die folgenden 20 % bis zu 40 % insgesamt

Überschreitung x 1,20

jede weitere Überfischung von mehr als 40 %

Überschreitung x 1,40


Bei jeder Überfischung zulässiger Anlandungen von bis zu 100 Tonnen wird indes ein Abzug vorgenommen, der der Höhe der Überfischung x 1,00 entspricht.

Für jedes weitere Jahr, in dem die zulässigen Anlandungen um mehr als 10 % überschritten werden, werden zusätzliche 3 % von der über die zulässigen Anlandungen hinaus gefischten Menge abgezogen.“

4        Art. 23 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (ABl. L 358, S. 59) lautet:

„Stellt die Kommission fest, dass ein Mitgliedstaat die ihm zugeteilten Fangmöglichkeiten überschritten hat, so reduziert sie die künftigen Fangmöglichkeiten dieses Mitgliedstaats.“

5        Art. 105 der Verordnung (EG) Nr. 1224/2009 des Rates vom 20. November 2009 zur Einführung einer gemeinschaftlichen Kontrollregelung zur Sicherstellung der Einhaltung der Vorschriften der gemeinsamen Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen Nr. 847/96, Nr. 2371/2002, (EG) Nr. 811/2004, (EG) Nr. 768/2005, (EG) Nr. 2115/2005, (EG) Nr. 2166/2005, (EG) Nr. 388/2006, (EG) Nr. 509/2007, (EG) Nr. 676/2007, (EG) Nr. 1098/2007, (EG) Nr. 1300/2008, (EG) Nr. 1342/2008 sowie zur Aufhebung der Verordnungen Nr. 2847/93, (EG) Nr. 1627/94 und (EG) Nr. 1966/2006 (ABl. L 343, S. 1) sieht vor:

„(1)      Stellt die Kommission fest, dass ein Mitgliedstaat die ihm zugeteilten Quoten überschritten hat, so kürzt sie die künftigen Quoten dieses Mitgliedstaats.

(2)      Hat ein Mitgliedstaat über die ihm für einen Bestand oder eine Bestandsgruppe in einem bestimmten Jahr zugewiesene Quote oder Zuteilung bzw. seinen Anteil hinaus gefischt, so kürzt die Kommission im folgenden Jahr oder in den folgenden Jahren die jährliche Quote oder Zuteilung oder den jährlichen Anteil des betreffenden Mitgliedstaats unter Anwendung nachstehender Multiplikationsfaktoren:

Umfang der Überschreitung im Vergleich zu den zulässigen Anlandungen

Multiplikationsfaktor

bis zu 5 %

Überschreitung * 1,0

über 5 % bis zu 10 %

Überschreitung * 1,1

über 10 % bis zu 20 %

Überschreitung * 1,2

über 20 % bis zu 40 %

Überschreitung * 1,4

über 40 % bis zu 50 %

Überschreitung * 1,8

Überschreitung von mehr als 50 %

Überschreitung * 2,0


Bei jeder Überschreitung der zulässigen Anlandung von bis zu 100 Tonnen wird jedoch ein Abzug vorgenommen, der der Höhe der Überschreitung * 1,00 entspricht.

(3)      Zusätzlich zu dem in Absatz 2 genannten Multiplikationsfaktor wird ein Multiplikationsfaktor von 1,5 angewendet, wenn

a)      ein Mitgliedstaat die ihm für einen Bestand oder für eine Bestandsgruppe zugewiesene Quote oder Zuteilung bzw. seinen Anteil in den vorausgegangenen zwei Jahren wiederholt überschritten hat und für diese Überschreitungen Kürzungen gemäß Absatz 2 vorgenommen wurden,

b)      die verfügbaren wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Gutachten und insbesondere [die] Berichte des STECF zu dem Schluss kommen, dass die Überschreitung eine ernste Bedrohung für die Erhaltung des betreffenden Bestands darstellt, oder

c)      für den Bestand ein Mehrjahresplan gilt.

(4)      Hat ein Mitgliedstaat in früheren Jahren über die ihm für einen Bestand oder eine Bestandsgruppe zugewiesene Quote oder Zuteilung bzw. seinen Anteil hinaus gefischt, so kann die Kommission nach Anhörung des betreffenden Mitgliedstaats nach dem Verfahren gemäß Artikel 119 Quotenabzüge von künftigen Quoten dieses Mitgliedstaats vornehmen, um dem Umfang der Überschreitung Rechnung zu tragen.

(5)      Wenn eine Kürzung gemäß den Absätzen 1 und 2 nicht an der für den überfischten Bestand oder die überfischte Bestandsgruppe zugewiesenen Quote oder Zuteilung bzw. dem betreffenden Anteil vorgenommen werden kann, weil der betreffende Mitgliedstaat nicht mehr oder nicht in ausreichendem Maße über eine Quote oder Zuteilung bzw. einen Anteil für einen Bestand oder eine Bestandsgruppe verfügt, kann die Kommission nach Anhörung des betreffenden Mitgliedstaats im folgenden Jahr oder in den folgenden Jahren nach Maßgabe von Absatz 1 Quotenabzüge für andere Bestände oder Bestandsgruppen in demselben geografischen Gebiet oder für Bestände oder Bestandsgruppen von gleichem Marktwert vornehmen, für die diesem Mitgliedstaat Quoten zugewiesen wurden.

(6)      Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel und insbesondere zur Festsetzung der betreffenden Mengen können nach dem Verfahren gemäß Artikel 119 erlassen werden.“

6        Nach ihrem Art. 124 gilt die Verordnung Nr. 1224/2009 ab dem 1. Januar 2010.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

7        Die angefochtene Verordnung gehört zu einer Reihe von Durchführungsverordnungen der Europäischen Kommission, mit denen diese wegen vorheriger Quotenüberschreitungen Abzüge von den für ein bestimmtes Jahr zugeteilten Fangquoten vorgenommen hat. Diese Verordnungen lassen sich in vier Gruppen einteilen.

8        In den Jahren 2002 und 2003 erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 2000/2002 vom 8. November 2002 zur Anpassung bestimmter Fangquoten für 2002 gemäß der Verordnung Nr. 847/96 (ABl. L 308, S. 13) und die Verordnung (EG) Nr. 728/2003 vom 25. April 2003 zur Anpassung bestimmter Fangquoten für 2003 gemäß der Verordnung Nr. 847/96 (ABl. L 105, S. 3). Mit diesen auf die Verordnungen Nrn. 2847/93 und 847/96 gestützten Verordnungen nahm sie Abzüge von den für ein bestimmtes Jahr zugeteilten Quoten wegen Quotenüberschreitungen im jeweils vorangegangenen Jahr vor.

9        In den Jahren 2004 bis 2008 erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 762/2004 vom 23. April 2004 zur Anpassung bestimmter Fangquoten für 2004 gemäß der Verordnung Nr. 847/96 (ABl. L 120, S. 8), die Verordnung (EG) Nr. 776/2005 vom 19. Mai 2005 zur Anpassung bestimmter Fangquoten für 2005 gemäß der Verordnung Nr. 847/96 (ABl. L 130, S. 7), die Verordnung (EG) Nr. 742/2006 vom 17. Mai 2006 zur Anpassung bestimmter Fangquoten für 2006 gemäß der Verordnung Nr. 847/96 (ABl. L 130, S. 7), die Verordnung (EG) Nr. 609/2007 vom 1. Juni 2007 zur Anpassung bestimmter Fangquoten für 2007 gemäß der Verordnung Nr. 847/96 (ABl. L 141, S. 33) und die Verordnung (EG) Nr. 541/2008 vom 16. Juni 2008 zur Anpassung bestimmter Fangquoten für 2008 gemäß der Verordnung Nr. 847/96 (ABl. L 157, S. 23). Mit diesen auf die Verordnungen Nrn. 2371/2002 und 847/96 gestützten Verordnungen nahm die Kommission Abzüge von den für ein bestimmtes Jahr zugeteilten Quoten wegen Quotenüberschreitungen im jeweils vorangegangenen Jahr vor. Aus den Anhängen dieser Verordnungen geht hervor, dass die Kommission in einigen Fällen Abzüge nicht in dem durch die Überschreitungen gerechtfertigten Maß vornehmen konnte, da die Höhe der entsprechenden Abzüge die Höhe der für das jeweilige Jahr zugeteilten Quoten überschritten hätte. In diesen Fällen hat sich die Kommission darauf beschränkt, die jeweiligen Quoten für das entsprechende Jahr auf Null herabzusetzen, ohne indessen den Restbetrag auf das folgende Jahr zu übertragen.

10      Da die Zahl der Fälle zugenommen hatte, in denen die Kommission Abzüge nicht in dem durch die Überschreitungen der für das vorangegangene Jahr zugeteilten Quoten gerechtfertigten Maß vornehmen konnte, änderte sie ihren Ansatz in der Verordnung (EG) Nr. 649/2009 vom 23. Juli 2009 zur Anpassung bestimmter Fangquoten für 2009 im Rahmen der jahresübergreifenden Verwaltung der TAC und Quoten (ABl. L 192, S. 14). Diese Verordnung ist wie die in den Jahren 2004 bis 2008 erlassenen Verordnungen auf die Verordnungen Nrn. 2371/2002 und 847/96 gestützt. Im neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 649/2009 hat die Kommission jedoch ausgeführt, dass es angezeigt sei, die Quoten um den vollen Umfang der Abzüge, die durch die Überschreitungen der für das Jahr 2008 zugeteilten Quoten gerechtfertigt seien, zu kürzen und die Abzüge, die nicht im Jahr 2009 vorgenommen werden könnten, von den für das Jahr 2010 und gegebenenfalls weitere Folgejahre zugeteilten Quoten vorzunehmen. Im Übrigen hat sie die Differenz zwischen der Höhe der wegen der Überschreitungen im Jahr 2008 gerechtfertigten Abzüge und der Höhe der für das Jahr 2009 zugeteilten Quoten in einer mit „Restabzug“ überschriebenen Spalte in einer Tabelle in Anhang II dieser Verordnung angegeben.

11      Schließlich hat die Kommission im Laufe des Jahres 2010 die angefochtene Verordnung erlassen, die am 9. November 2010 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde. Diese Verordnung ist auf Art. 105 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1224/2009 gestützt.

12      Ihre Erwägungsgründe 5 und 8 lauten:

„(5)      Mit der Verordnung … Nr. 649/2009 … wurden Abzüge von den Fangquoten für 2009 wegen Überfischung der Quoten im Jahr 2008 vorgenommen. Allerdings waren die vorzunehmenden Abzüge bei einigen Mitgliedstaaten höher als ihre entsprechende Quote für 2009, so dass die Abzüge in dem Jahr nicht vollständig vorgenommen werden konnten. Um sicherzustellen, dass in solchen Fällen die Abzüge in voller Höhe vorgenommen werden, sollten die verbleibenden Mengen bei den Abzügen von den Quoten für das Jahr 2010 berücksichtigt werden.

(8)      Da sich aber die vorzunehmenden Abzüge auf Überfischung beziehen, die im Jahr 2009 und somit zu einer Zeit stattgefunden hat, zu der die Verordnung … Nr. 1224/2009 noch nicht anwendbar war, ist es aus Gründen der Rechtssicherheit zweckmäßig, keine höheren Abzüge vorzunehmen als die, die sich aus der Anwendung der zu dieser Zeit gültigen Vorschriften ergeben hätten, nämlich aus Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung … Nr. 847/96 zur Festlegung zusätzlicher Bestimmungen für die jahresübergreifende Verwaltung der TAC und Quoten“.

13      Art. 1 Abs. 1 der angefochtenen Verordnung bestimmt:

„Die Fangquoten, die in den Verordnungen (EG) Nr. 1226/2009, (EG) Nr. 1287/2009, (EG) Nr. 1359/2008 und (EU) Nr. 53/2010 festgelegt sind, werden nach den Angaben im Anhang gekürzt.“

14      Der Anhang der angefochtenen Verordnung enthält eine Spalte „Verbleibende Abzüge aus 2009 (Verordnung [EG] Nr. 649/2009)“, in der bestimmte in der Spalte „Restabzug“ des Anhangs II der Verordnung Nr. 649/2009 angeführte Beträge wieder aufgenommen werden.

15      Im Übrigen enthält der Anhang der angefochtenen Verordnung, wie es bei der Verordnung Nr. 649/2009 der Fall war, selbst eine Spalte „Restabzug“, in der die Abzüge angegeben sind, die die Kommission nicht vornehmen konnte, weil die Höhe der Abzüge die der für das Jahr 2010 zugeteilten Quoten überstieg.

 Verfahren und Anträge der Parteien

16      Mit Klageschrift, die am 2. Februar 2010 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat das Königreich Spanien gemäß Art. 263 AEUV Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung erhoben.

17      Das Gericht (Dritte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen und die Kommission im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts um die Beantwortung von Fragen zu ersuchen. Die Kommission hat diesem Ersuchen innerhalb der festgesetzten Frist entsprochen.

18      In der Sitzung vom 23. April 2012 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

19      Das Königreich Spanien beantragt,

–        die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

20       Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

21      Mit der angefochtenen Verordnung hat die Kommission Abzüge von bestimmten Fangquoten der Mitgliedstaaten für das Jahr 2010 vorgenommen. Sie hat diese Verordnung auf Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 gestützt, die seit dem 1. Januar 2010 gilt. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Kommission, wenn sie feststellt, dass ein Mitgliedstaat die ihm für ein Jahr zugeteilten Fangquoten überschritten hat, die künftigen Fangquoten dieses Mitgliedstaats kürzt. Sie erlaubt ihr somit Abzüge nicht nur von den Quoten für das Jahr nach der Überschreitung, sondern auch von Quoten für spätere Jahre. Die Kommission kann daher in einer Verordnung, mit der die für ein bestimmtes Jahr zugeteilten Quoten gekürzt werden, Kürzungen nicht nur wegen Quotenüberschreitungen im vorangegangenen Jahr vornehmen, sondern auch wegen Quotenüberschreitungen in früheren Jahren, soweit für diese noch keine entsprechenden Abzüge vorgenommen worden sind.

22      Die Nichtigkeitsklage des Königreichs Spanien ist auf vier Klagegründe gestützt. Mit dem ersten Klagegrund wird geltend gemacht, dass Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009, auf den die Kommission die angefochtene Verordnung gestützt hat, in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar gewesen sei. Mit dem zweiten und dem dritten Klagegrund wirft das Königreich Spanien der Kommission vor, gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen, den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Verbot der Rückwirkung weniger günstiger repressiver Bestimmungen verstoßen zu haben, indem sie die Quoten für das Jahr 2010 wegen der Überschreitungen von Quoten nicht nur für das Jahr 2009, sondern auch für das Jahr 2008 gekürzt habe, obwohl die vor Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 geltende Regelung nur wegen der Überschreitungen von Quoten für das Jahr 2009 Kürzungen zugelassen habe. Mit dem vierten Klagegrund trägt das Königreich Spanien vor, dass es der Kommission nicht zugestanden werden könne, die anwendbare Regelung in Abhängigkeit von dem Zeitpunkt zu wählen, zu dem sie beschließe, mit der Prüfung eines Verhaltens zu beginnen.

 Zum ersten Klagegrund: fehlende zeitliche Anwendbarkeit von Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009

23      Das Königreich Spanien wirft der Kommission vor, dass sie die angefochtene Verordnung auf Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 gestützt habe. Mit der angefochtenen Verordnung würden bestimmte Quoten aufgrund von Quotenüberschreitungen vor dem Jahr 2010 gekürzt. Folglich könne sie nicht auf Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 gestützt werden, die seit dem 1. Januar 2010 gelte.

24      In diesem Zusammenhang ist einleitend darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1224/2009 keine speziellen Regelungen hinsichtlich der zeitlichen Anwendbarkeit ihres Art. 105 enthält.

25      Somit sind die allgemeinen Regelungen über die zeitliche Anwendbarkeit von Normen heranzuziehen, die zwischen Verfahrensvorschriften und materiell-rechtlichen Vorschriften unterscheiden (Urteile des Gerichtshofs vom 12. November 1981, Meridionale Industria Salumi u. a., 212/80 bis 217/80, Slg. 1981, 2735, Randnr. 9, vom 6. Juli 1993, CT Control [Rotterdam] und JCT Benelux/Kommission, C‑121/91 und C‑122/91, Slg. 1993, I‑3873, Randnr. 22, und vom 9. März 2006, Beemsterboer Coldstore Services, C‑293/04, Slg. 2006, I‑2263, Randnrn. 19 bis 21). Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 legt die Regelung über Quotenkürzungen fest und ist daher eine materiell-rechtliche Vorschrift.

26      Im Hinblick auf die Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sind materiell-rechtliche Vorschriften nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich so auszulegen, dass sie nur für nach ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte gelten. Allerdings können materiell-rechtliche Vorschriften auch auf vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte angewandt werden, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass sie auch für solche Sachverhalte gelten sollen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 15. Juli 1993, GruSa Fleisch, C‑34/92, Slg. 1993, I‑4147, Randnr. 22, und Beemsterboer Coldstore Services, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 21).

27      Somit ist zu prüfen, ob sich aus dem Aufbau der Verordnung Nr. 1224/2009 und den mit ihr verfolgten Zielen ergibt, dass ihr Art. 105 als Rechtsgrundlage der angefochtenen Verordnung zu dienen hat, obwohl mit dieser Verordnung bestimmte Quoten für das Jahr 2010 aufgrund von Quotenüberschreitungen vor dem Beginn der zeitlichen Geltung dieses Artikels am 1. Januar 2010 gekürzt werden.

28      In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass die Kommission nach der anwendbaren Regelung vor dem 15. Januar 2010 nicht in der Lage war, die für das Jahr 2010 zugeteilten Quoten zu kürzen.

29      Zum einen wurden die Quoten für das Jahr 2010 mit der Verordnung (EU) Nr. 53/2010 des Rates vom 14. Januar 2010 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände und Bestandsgruppen in den EU-Gewässern sowie für EU-Schiffe in Gewässern mit Fangbeschränkungen und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1359/2008, (EG) Nr. 754/2009, (EG) Nr. 1226/2009 und (EG) Nr. 1287/2009 (ABl. L 21, S. 1, Berichtigung in ABl. L 24, S. 14) zugeteilt.

30      Zum anderen verfügte die Kommission erst ab dem 15. Januar 2010 über alle Daten über den Fischfang im Jahr 2009. Aus Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1224/2009 geht nämlich hervor, dass die Mitgliedstaaten ihre Daten über den Fischfang im Dezember 2009 erst bis zum 15. Januar 2010 zu übermitteln hatten.

31      Sodann ist festzustellen, dass die Kommission im Jahr 2010 die angefochtene Verordnung nicht mehr auf die Rechtsgrundlagen stützen konnte, die in der vor Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 geltenden Regelung vorgesehen waren, d. h. Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 und Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96. Nach Art. 121 Abs. 2 Buchst. b und Art. 121 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1224/2009 waren die genannten Vorschriften ab dem 1. Januar 2010 nämlich nicht mehr in Kraft.

32      Die einzige Rechtsgrundlage, auf die die Kommission die angefochtene Verordnung stützen konnte, war daher Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009. Eine Auslegung dieses Artikels dahin gehend, dass er auf Quotenüberschreitungen vor dem 1. Januar 2010 keine Anwendung findet, hätte zur Folge, dass diese Überschreitungen nicht zu Abzügen führen könnten und damit folgenlos blieben. Ein solches Ergebnis stünde aber offenkundig im Widerspruch zu den mit der Verordnung Nr. 1224/2009 verfolgten Zielen, insbesondere dem im 43. Erwägungsgrund genannten Ziel, sicherzustellen, dass die Begrenzung der Fangmöglichkeiten uneingeschränkt eingehalten wird.

33      Die Kommission hat die angefochtene Verordnung somit rechtsfehlerfrei auf Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 gestützt.

34      Dieser Schluss wird nicht durch das Vorbringen des Königreichs Spanien in Frage gestellt, die Anwendung von Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 auf vor seinem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte könnte zu Ergebnissen führen, die im Widerspruch zum Grundsatz der Rechtssicherheit stünden. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist die Kommission nämlich verpflichtet, den klaren Anweisungen des Unionsgesetzgebers zu folgen und Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 ab dem 1. Januar 2010 anzuwenden. Soweit sich die Anwendung dieses Artikels auf vor seinem Inkrafttreten oder vor seinem Geltungsbeginn entstandene Sachverhalte im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit als problematisch erweisen sollte, hätte sie ihn restriktiv auszulegen, um die Beachtung dieses primärrechtlichen Grundsatzes zu gewährleisten.

35      Der erste Klagegrund – fehlende zeitliche Anwendbarkeit von Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 – ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen

36      Mit dem zweiten Klagegrund wirft das Königreich Spanien der Kommission vor, sie habe gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen verstoßen.

 Zum Grundsatz der Rechtssicherheit

37      Das Königreich Spanien wirft der Kommission vor, sie habe gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, indem sie die angefochtene Verordnung auf Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 gestützt und damit eine neue, weniger günstige Regelung auf einen Sachverhalt angewandt habe, der unter der Geltung der vorherigen Regelung entstanden sei.

38      Es rügt demnach keine rückwirkende Anwendung im eigentlichen Wortsinn, dass also eine Norm Rechtsfolgen für die Zeit vor ihrem Inkrafttreten vorsieht.

39      Wie das Königreich Spanien zu Recht vorträgt, kann allerdings auch die Anwendung einer neuen Regelung auf einen Sachverhalt, der vor ihrem Inkrafttreten unter der Geltung der alten Regelung entstanden ist, Probleme im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit aufwerfen. In einem solchen Fall werden nämlich Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft an einen vergangenen Sachverhalt angeknüpft, der als solcher nicht mehr geändert werden kann. Aus diesem Grund steht der Grundsatz der Rechtssicherheit der Anwendung einer neuen, strikteren Regelung auf einen Sachverhalt entgegen, der unter der Geltung einer früheren, günstigeren Regelung entstanden ist, soweit sich die betroffene Person hinsichtlich der früheren Regelung auf ein berechtigtes Vertrauen berufen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Beemsterboer Coldstore Services, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 24).

40      Was die angefochtene Verordnung betrifft, mit der bestimmte für das Jahr 2010 zugeteilte Quoten wegen Überschreitungen in früheren Jahren gekürzt werden, ist festzustellen, dass die Kommission, indem sie diese Verordnung auf Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 gestützt hat, die seit dem 1. Januar 2010 gilt, eine neue Regelung auf einen Sachverhalt angewandt hat, der unter der Geltung der vorangegangenen Regelung entstanden ist.

41      Zu prüfen ist somit, ob die Kommission diese Überschreitungen einer Regelung unterworfen hat, die weniger günstig ist als die, die zum Zeitpunkt ihres Eintretens galt.

42      In diesem Zusammenhang ist erstens festzustellen, dass die in Art. 105 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1224/2009 für die Berechnung der Abzüge vorgesehenen Koeffizienten weniger günstig sind als die, die in Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 vorgesehen waren. Wie sich aus dem achten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ergibt, hat die Kommission indessen diese weniger günstigen Koeffizienten nicht angewandt. Sie hat insoweit also eine Auslegung von Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 vorgenommen, mit der die Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit gewährleistet werden soll (vgl. oben, Randnr. 34).

43      Zweitens ist die Rüge des Königreichs Spanien zu prüfen, die Kommission habe mit der angefochtenen Verordnung Abzüge von den in Rede stehenden Quoten nicht nur aufgrund von Quotenüberschreitungen im Jahr davor, sondern auch aufgrund von Quotenüberschreitungen während eines früheren Jahres vorgenommen, obwohl dies nach der Regelung, die vor Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 gegolten habe, nicht möglich gewesen sei; diese habe Abzüge nur aufgrund von Überschreitungen im vorangegangenen Jahr ermöglicht.

44      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der letzten Bestimmung, die vor Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 in Kraft getreten ist, um Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 handelt.

45      Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung „reduziert [die Kommission] die künftigen Fangmöglichkeiten“. Diese Bestimmung ermöglicht es der Kommission demnach, wenn sie für ein bestimmtes Jahr eine Quotenüberschreitung feststellt, Abzüge nicht nur von den für das folgende Jahr zugeteilten Quoten, sondern auch von den Quoten für spätere Jahre vorzunehmen, soweit die Abzüge, die wegen Quotenüberschreitungen in einem bestimmten Jahr gerechtfertigt sind, im Rahmen der Abzüge von den für das folgende Jahr zugeteilten Quoten nicht vollständig berücksichtigt werden konnten.

46      Diese Auslegung von Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 wird durch teleologische Erwägungen bestätigt. Wie aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 hervorgeht, wird mit dieser Verordnung insbesondere die Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden aquatischen Ressourcen sowie ihre nachhaltige Nutzung bezweckt. Diesem Ziel wird allein ein Ansatz gerecht, der es erlaubt, sämtliche aufgrund von Überschreitungen in vorangegangenen Jahren gerechtfertigten Abzüge vorzunehmen.

47      Im Übrigen erlaubt nur eine solche Auslegung von Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 eine Beachtung des Diskriminierungsverbots. Wenn die Abzüge nur von den Quoten vorgenommen werden könnten, die für das auf die Überschreitungen folgende Jahr zugeteilt werden, liefen die Mitgliedstaaten, die ihre Quoten einhalten, Gefahr, gegenüber den Mitgliedstaaten, die ihre Quoten erheblich überschreiten, diskriminiert zu werden. Gesetzt den Fall, dass die Überschreitungen der für ein bestimmtes Jahr zugeteilten Quoten Abzüge rechtfertigen, deren Höhe die der für das folgende Jahr zugeteilten Quoten überschreitet, ist dann nämlich der Vorteil aufgrund der Überschreitung umso größer, je bedeutender die Überfischung ist. Es ist jedoch nicht hinnehmbar, dass ein Mitgliedstaat einen Vorteil aus einem Verhalten zieht, das nicht nur im Widerspruch zu den Zielen der Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden aquatischen Ressourcen sowie ihrer nachhaltigen Nutzung steht, sondern auch ein unlauteres Verhalten gegenüber den Mitgliedstaaten darstellt, die ihre Quoten einhalten.

48      In diesem Zusammenhang wendet das Königreich Spanien ein, dass die Abzüge bis zum Geltungsbeginn der Verordnung Nr. 1224/2009 am 1. Januar 2010 nicht in Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002, sondern in Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 geregelt gewesen seien und dass diese Vorschrift Abzüge nur von den Quoten „für das folgende Jahr“ zulasse. Nach dieser Vorschrift habe die Kommission keine Abzüge von den Quoten vornehmen können, die für ein späteres Jahr als das unmittelbar auf die fraglichen Überschreitungen folgende zugeteilt worden seien.

49      Selbst wenn man davon ausgeht, dass Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 auf diese Weise auszulegen ist, die kaum im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz stünde (vgl. oben, Randnr. 47), und somit ein Widerspruch zwischen diesem Artikel und Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 besteht, käme die Regelung des Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 und nicht die des Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 zum Tragen.

50      Es ist nämlich auf die zeitliche Abfolge hinzuweisen, in der diese Vorschriften erlassen wurden. Der Rat hat zunächst die Verordnung Nr. 2847/93 erlassen, deren Art. 23 Abs. 1 vorsieht, dass die Kommission, wenn ein Mitgliedstaat die ihm zugewiesene Quote überschritten hat, die Quoten dieses Mitgliedstaats kürzt. Sodann hat er die Regelung der Quotenkürzungen in Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 konkretisiert. Schließlich hat er die Verordnung Nr. 2371/2002 erlassen. Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 ist somit eine spätere Vorschrift als Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96.

51      In Ermangelung einer besonderen Vorschrift über das Verhältnis zwischen Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 und Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 ist die allgemeine Regel anzuwenden, wonach das spätere Gesetz dem früheren vorgeht. Soweit ein Widerspruch zwischen Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 und Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 bestehen sollte, käme demnach Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 zum Tragen. Dieser Ansatz entspricht im Übrigen dem 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2371/2002, wonach mit dieser Verordnung bezweckt wird, die wichtigsten in der Verordnung Nr. 2847/93 vorgesehenen Bestimmungen über die Fischereiüberwachung, Kontrollen und die Durchsetzung der Vorschriften der Gemeinsamen Fischereipolitik zu übernehmen und zu stärken.

52      Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien wird dieser Schluss nicht durch den 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2371/2002 in Frage gestellt, wonach die Verordnung Nr. 2847/93 in Kraft bleiben muss, bis alle erforderlichen Durchführungsbestimmungen erlassen sind. Das Königreich Spanien leitet daraus ab, dass Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 in Ermangelung von Durchführungsbestimmungen nicht anwendbar gewesen sei.

53      Selbst wenn man davon ausgeht, dass dieser Erwägungsgrund nicht nur auf die Bestimmungen der Verordnung Nr. 2847/93, sondern auch auf die der Verordnung Nr. 847/96 abzielt, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 nicht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anwendbar war. Dieser Erwägungsgrund betrifft nämlich nur Situationen, in denen, wenn die Bestimmungen der Verordnung Nr. 2371/2002 nicht hinreichend konkret sind, die Bestimmungen der vorangegangenen Regelung bis zum Erlass der erforderlichen Durchführungsbestimmungen weiterhin anzuwenden sind. Dieser Erwägungsgrund zielt somit darauf ab, eine Regelungslücke zu vermeiden.

54      Bei Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 besteht indessen keine Gefahr einer solchen Regelungslücke.

55      Da aus dieser Bestimmung hervorgeht, dass Quotenüberschreitungen in einem bestimmten Jahr Quotenkürzungen nicht nur im folgenden Jahr, sondern auch in späteren Jahren rechtfertigen können, ist diese Bestimmung hinreichend konkret. Es war damit nicht erforderlich, insoweit Durchführungsbestimmungen zu erlassen.

56      In Bezug auf die Koeffizienten zur Berechnung der Abzüge trifft es zwar zu, dass sie in Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 nicht vorgesehen sind. Auch insoweit war es indessen nicht erforderlich, Durchführungsbestimmungen zu erlassen. Da Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 keine neuen Regeln über die Berechnung der Abzüge vorsieht, sind nämlich durch diese Bestimmung die in Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 vorgesehenen besonderen Regeln über die Koeffizienten nicht in Frage gestellt worden. Mit Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 wurde somit in dieser Hinsicht keine von Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 abweichende Regelung eingeführt. Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 war somit in Verbindung mit den in Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 vorgesehenen besonderen Regelungen über die Koeffizienten konkret genug, um ohne den vorherigen Erlass von Durchführungsbestimmungen angewandt zu werden.

57      Dieser Ansatz betreffend die Auslegung des Verhältnisses zwischen diesen beiden Vorschriften wird im Übrigen durch Art. 121 der Verordnung Nr. 1224/2009 gestützt, aus dem hervorgeht, dass Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 erst zu dem Zeitpunkt aufgehoben wurde, ab dem Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009, der eine neue Koeffizientenregelung enthält, galt.

58      Demnach ist der auf den 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2371/2002 gestützte Einwand zurückzuweisen. Im Übrigen ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass, was die zeitlichen Begrenzungen der Abzüge betrifft, Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien nicht als lex specialis zu Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 angesehen werden kann.

59      Schließlich ist das vom Königreich Spanien vorgetragene Argument zu prüfen, aus der Existenz der Verordnung (EG) Nr. 338/2008 des Rates vom 14. April 2008 zur Anpassung der Polen in der Ostsee (Untergebiete 25–32, EG-Gewässer) für den Zeitraum 2008–2011 zuzuteilenden Fangquoten für Dorsch (ABl. L 107, S. 1) und der Verordnung (EG) Nr. 635/2008 der Kommission vom 3. Juli 2008 zur Anpassung der Polen in der Ostsee (Untergebiete 25–32, EG-Gewässer) für den Zeitraum 2008–2011 zuzuteilenden Fangquoten für Dorsch gemäß der Verordnung Nr. 338/2008 (ABl. L 176, S. 8) könne abgeleitet werden, dass die Kommission nach der vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1224/2009 anwendbaren Regelung nicht berechtigt gewesen sei, Abzüge von den Quoten vorzunehmen, die für ein späteres Jahr als das auf die Überschreitung folgende zugeteilt worden seien.

60      Wie aus ihrem dritten Erwägungsgrund hervorgeht, betrifft die Verordnung Nr. 338/2008 eine Situation, in der die Kommission im Juli 2007 festgestellt hat, dass die aus dem Dorschbestand durch Schiffe mit polnischer Flagge gefangenen Mengen bereits das Dreifache der ursprünglich deklarierten Mengen betrugen und dass es sich dabei um eine ganz erhebliche Überschreitung der diesem Mitgliedstaat zugeteilten Quote handelte. Im Übrigen geht aus den Erwägungsgründen 9 und 10 dieser Verordnung hervor, dass der Rat angesichts dieser Situation beschlossen hat, von der in Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 vorgesehenen Regel abzuweichen und einen Abzug von den Quoten über einen Zeitraum von vier Jahren zuzulassen.

61      Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien kann allerdings aus den oben angeführten Erwägungsgründen nicht abgeleitet werden, dass es die vor Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 geltende Regelung nicht erlaubte, die Quoten für ein späteres Jahr als das auf die Überschreitung folgende zu kürzen. Insbesondere ist hervorzuheben, dass der zehnte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 338/2008, wonach die Abweichung erforderlich war, um die sozioökonomischen Folgen „vor allem im ersten Jahr“ zu minimieren, einem solchen Verständnis entgegensteht. Wie sich aus diesem Erwägungsgrund klar ergibt, war der Unionsgesetzgeber der Ansicht, dass eine Überschreitung der Quoten in einem bestimmten Jahr nach der vor Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 geltenden Regelung Kürzungen der nicht nur für das folgende Jahr, sondern auch für spätere Jahre zugeteilten Quoten zur Folge haben konnte. Die mit der Verordnung Nr. 338/2008 vorgenommene Abweichung bezieht sich daher nicht auf diesen Aspekt.

62      Folglich betrifft die in den oben angeführten Erwägungsgründen 9 und 10 erwähnte Abweichung ein anderes Element. Wie sich aus dem zehnten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 338/2008 ergibt, wollte es der Rat vermeiden, dass die Abzüge sozioökonomischen Folgen haben, die er für übermäßig hielt. Die Abweichung betrifft somit den Höchstbetrag der Abzüge, die in einem Jahr vorzunehmen sind. Die Verordnung sieht insoweit eine Verteilung der Abzüge auf mehrere Jahre vor.

63      Somit ist der auf die Existenz der Verordnung Nr. 338/2008 gestützte Einwand zurückzuweisen.

64      Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Kommission nach der Regelung, die vor Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 galt, bereits berechtigt war, Abzüge von den für ein bestimmtes Jahr zugeteilten Quoten aufgrund von Überschreitungen nicht nur der Quoten für das vorangegangene Jahr, sondern auch von Quoten für frühere Jahre vorzunehmen.

65      Folglich ist die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit zurückzuweisen, ohne dass geprüft werden müsste, ob die Kommission in der angefochtenen Verordnung Abzüge nicht nur wegen Überschreitungen von Quoten für das vorangegangene Jahr, sondern auch wegen Überschreitungen von Quoten für ein früheres Jahr vorgenommen hat.

 Zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen

66      In Bezug auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen ist darauf hinzuweisen, dass danach jede Sanktion, selbst wenn sie keinen strafrechtlichen Charakter besitzt, auf einer klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage beruhen muss (Urteile des Gerichtshofs vom 25. September 1984, Könecke, 117/83, Slg. 1984, 3291, Randnr. 11, und vom 11. Juli 2002, Käserei Champignon Hofmeister, C‑210/00, Slg. 2002, I‑6453, Randnr. 52).

67      In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 eine klare und unzweideutige Rechtsgrundlage darstellt, die es der Kommission erlaubt, Abzüge von den für ein bestimmtes Jahr zugeteilten Quoten aufgrund von Quotenüberschreitungen vorzunehmen, zu denen es nicht nur im Jahr davor, sondern auch in früheren Jahren gekommen ist.

68      Da es der Grundsatz der Rechtssicherheit der Kommission grundsätzlich verwehrt, eine neue, weniger günstige Regelung auf einen Sachverhalt anzuwenden, der unter der Geltung einer älteren, günstigeren Regelung entstanden ist, ist allerdings auch zu prüfen, ob es der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen der Kommission erlaubt, solche Abzüge unter Berufung auf die vor Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 geltende Regelung vorzunehmen.

69      In diesem Zusammenhang ist zunächst zu prüfen, ob der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen auf Abzüge, wie sie in Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 und Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 vorgesehen waren, Anwendung findet. Somit ist zu untersuchen, ob es sich bei diesen Abzügen um repressive Maßnahmen im Sinne dieses Grundsatzes handelt.

70      Einleitend ist daran zu erinnern, dass mit der Regelung über Fangquoten das Ziel verfolgt wird, eine Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen sicherzustellen. Mit den Quotenkürzungen soll die Einhaltung der Quoten durchgesetzt werden und wird somit dasselbe Ziel verfolgt. Wie das Königreich Spanien zutreffend vorträgt, lässt sich indessen allein aufgrund des Umstands, dass die Kürzungen ein solches Ziel haben, nicht ausschließen, dass es sich um Sanktionen im Sinne des oben angeführten Grundsatzes handelt, da diese Ziele auch mit repressiven Maßnahmen verfolgt werden können.

71      Allerdings stellt eine Maßnahme, mit der lediglich ein Ausgleich für einen verursachten Schaden vorgesehen und damit der status quo ante wiederhergestellt wird, keine repressive Maßnahme im Sinne des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Sanktionen dar (vgl. entsprechend Urteile des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke, C‑110/99, Slg. 2000, I‑11569, Randnr. 56, und vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C‑255/02, Slg. 2006, I‑1609, Randnr. 93). Demnach ist zu prüfen, ob sich die in Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 und Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 vorgesehenen Kürzungen darauf beschränken, den durch die Quotenüberschreitung verursachten Schaden auszugleichen, oder ob sie Elemente enthalten, die über dieses Ziel hinausgehen.

72      Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 847/96 beschränken sich darauf, Abzüge vorzusehen, die in einem bloßen Ausgleich der Quotenüberschreitung bestehen, und sehen somit keine Sanktion vor, d. h. keine über diesen Ausgleich hinausgehende Maßnahme.

73      In diesem Zusammenhang argumentiert das Königreich Spanien, bei den Abzügen handele es sich nicht um Maßnahmen, die eine unmittelbare Verbindung mit der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Fischereiressourcen aufwiesen, da die Kommission Abzüge auch dann vornehme, wenn sich herausstelle, dass die zulässigen Gesamtfangmengen für den jeweiligen Bestand auf der Ebene der Union nicht überschritten worden seien. Folglich handele es sich um eine Maßnahme, mit der das Verhalten eines Mitgliedstaats geahndet werde, und somit um eine repressive Maßnahme.

74      Dieses Argument überzeugt nicht. Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung über Fangquoten ein dezentralisiertes Kontrollsystem vorsieht, in dessen Rahmen es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu überwachen, dass die ihnen zugeteilten Quoten nicht überschritten werden. Ein Ansatz, wonach die Quoten der Mitgliedstaaten nur unter der doppelten Voraussetzung gekürzt würden, dass erstens ein Mitgliedstaat seine Quoten überschritten hat und zweitens auf der Ebene der Union die Gesamtfangmengen überschritten worden sind, brächte die Gefahr mit sich, dass gerade die Wirksamkeit der Quotenregelung in Frage gestellt würde. Ein solcher Ansatz würde es den Mitgliedstaaten nämlich erlauben, die Überschreitung ihrer Quoten mit einer nachträglichen Berufung auf den Umstand zu rechtfertigen, dass die zulässigen Gesamtfangmengen auf der Ebene der Union nicht überschritten worden seien. Dieser Ansatz könnte die Mitgliedstaaten dazu verleiten, die ihnen zugeteilten Quoten nicht strikt zu kontrollieren, da eine Überschreitung möglicherweise folgenlos bliebe. Dadurch würde die Gefahr erhöht, dass in der Folge auch die zulässigen Gesamtfangmengen auf der Ebene der Union überschritten werden. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass die Überschreitung seiner Quoten einem Mitgliedstaat einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft. Die Abzüge bewirken demnach auch einen Ausgleich im Hinblick auf die Mitgliedstaaten, die ihre Quoten eingehalten haben. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, eine Quote zu überschreiten, wenn sie einen Quotentausch mit einem anderen Mitgliedstaat aushandeln, bevor die Quote für den betroffenen Bestand erschöpft ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 20. März 1990, Kommission/Frankreich, C‑62/89, Slg. 1990, I‑925, Randnr. 20). Das Königreich Spanien hätte somit einen solchen Tausch aushandeln können, was es ihm ermöglicht hätte, die ursprüngliche Quote zu überschreiten, ohne die Gefahr zu erhöhen, dass die zulässige Gesamtfangmenge auf der Ebene der Union überschritten wird und ohne sich einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber den Mitgliedstaaten zu verschaffen, die ihre Quoten eingehalten haben.

75      Die fehlende Berücksichtigung der Gesamtfangmenge auf der Ebene der Union ist somit ein Umstand, der sich aus der Natur und dem System einer Regelung ergibt, die zum einen jedem Mitgliedstaat individuelle Quoten zuweist und zum anderen ein dezentralisiertes Kontrollsystem vorsieht. Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien lässt sich daraus nicht ableiten, dass die Abzüge keine unmittelbare Verbindung mit der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Fischereiressourcen aufweisen. Daraus folgt, dass die Abzüge von den Quoten, auch wenn sie von der Kommission ohne Berücksichtigung der Frage vorgenommen werden, ob die zulässigen Gesamtfangmengen auf der Ebene der Union überschritten worden sind, eine Ausgleichsmaßnahme und keine Sanktion darstellen.

76      In Bezug auf Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 847/96 trifft es zwar zu, dass diese Bestimmungen für die Berechnung der Abzüge Multiplikationsfaktoren vorsehen. Diese Multiplikationsfaktoren können allerdings nicht als Sanktionen angesehen werden, die über das Ziel eines Ausgleichs hinausgehen. Wie die Kommission zutreffend vorgetragen hat, sollen diese Faktoren einen vollständigen Ausgleich des durch die Quotenüberschreitung verursachten Schadens gewährleisten. Die Überfischung wirkt sich nämlich negativ auf die Reproduktionsfähigkeit des betroffenen Bestands aus, was zur Verlangsamung seiner Erholung und zu seiner Schrumpfung führen kann.

77      Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien wird diese Überlegung nicht dadurch in Frage gestellt, dass Koeffizienten auf Quotenüberschreitungen angewandt werden, die Bestände betreffen, für die keine Maßnahmen zur Wiederauffüllung des Bestands gelten. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Pläne zur Wiederauffüllung eines Bestands Bestände betreffen, die sich unterhalb sicherer biologischer Grenzen befinden, und das Ziel verfolgen, es ihnen zu ermöglichen, diese Grenzen wieder zu erreichen. Mit den Quotenkürzungen wird hingegen das Ziel der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der Fischereiressourcen verfolgt. Mit ihnen soll demnach sichergestellt werden, dass die Bestände innerhalb sicherer biologischer Grenzen bleiben. Daraus folgt, dass die Überschreitung der Quoten für sich genommen Kürzungen rechtfertigen kann, die darauf abzielen, den durch die Quotenüberschreitung verursachten Schaden vollständig auszugleichen.

78      Folglich stellen die mit Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 und Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 vorgesehenen Kürzungen keine Sanktionen dar und unterliegen somit nicht dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen.

79      Entgegen dem Vorbringen des Königreichs Spanien wird dieser Schluss nicht durch den achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 847/96 in Frage gestellt. Zwar wird in diesem Erwägungsgrund das Ziel der Abzüge genannt, dass nämlich eine Überfischung der Quoten eine „Sanktion“ zur Folge hat. Daraus kann allerdings nicht abgeleitet werden, dass der Unionsgesetzgeber den Standpunkt vertreten hat, dass es sich um repressive Sanktionen handelt. Einem solchen Verständnis dieses Erwägungsgrundes widerspricht insbesondere der 43. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1224/2009. Auch wenn diese spätere Verordnung eine strengere Koeffizientenregelung vorsieht als die in Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 vorgesehene, geht nämlich aus ihrem 43. Erwägungsgrund hervor, dass das Ziel der Abzüge darin besteht, die den Fischereiressourcen sowie den anderen Mitgliedstaaten zugefügten Schäden zu reparieren und die zuvor bestehende Situation wiederherzustellen. Jedenfalls kann die Natur der Abzüge von den Quoten nicht vom Inhalt des achten Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 847/96 abhängen, sondern ist in Anwendung der oben in den Randnrn. 71 bis 78 genannten objektiven Kriterien zu beurteilen.

80      Sodann wäre, selbst wenn der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen auf die in Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 und Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 vorgesehenen Abzüge Anwendung fände, festzustellen, dass dieser Grundsatz es der Kommission nicht verwehrt, sich auf diese Vorschriften zu stützen, um die für ein bestimmtes Jahr zugeteilten Quoten wegen Quotenüberschreitungen zu kürzen, die nicht nur im vorangegangenen Jahr, sondern auch in früheren Jahren erfolgt sind.

81      Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 und Art. 5 der Verordnung Nr. 847/96 stellen nämlich nicht nur eine Rechtsgrundlage für solche Abzüge dar, sondern sind zudem hinreichend klar und genau. Wie oben in den Randnrn. 43 bis 64 dargelegt, lässt sich nämlich bei einer gemeinsamen Betrachtung dieser Bestimmungen erkennen, dass die Kommission spätestens ab dem Inkrafttreten von Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 berechtigt war, bei einer Quotenüberschreitung in einem bestimmten Jahr die Quoten nicht nur für das folgende Jahr, sondern auch für spätere Jahre zu kürzen. Angesichts des Wortlauts von Art. 23 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2371/2002 und des Umstands, dass nur diese Auslegung als mit dem Diskriminierungsverbot und mit den mit dieser Verordnung verfolgten Zielen im Einklang stehend angesehen werden konnte, konnte sich das Königreich Spanien insoweit nicht auf einen vernünftigen Zweifel berufen.

82      Diese Feststellung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich die Kommission im Zeitraum von 2004 bis 2008 darauf beschränkt hat, die für das Jahr nach der Überschreitung zugeteilten Quoten zu kürzen (vgl. oben, Randnr. 9). Die Klarheit und Unzweideutigkeit einer Rechtsgrundlage ist nämlich anhand objektiver Kriterien zu beurteilen und hängt demnach nicht von der Auslegung durch die Kommission ab.

83      Folglich ist auch die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen als unbegründet zurückzuweisen.

84      Der zweite Klagegrund ist daher insgesamt zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot für weniger günstige repressive Vorschriften

85      Mit seinem dritten Klagegrund rügt das Königreich Spanien, die Kommission habe gegen das Rückwirkungsverbot für weniger günstige repressive Vorschriften verstoßen, indem sie die strengere Regelung des Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 auf einen Sachverhalt angewandt habe, der unter der Geltung der vorherigen Regelung entstanden sei.

86      Auch dieser Klagegrund ist zurückzuweisen. Erstens geht aus den obigen Randnrn. 70 bis 79 hervor, dass die Quotenkürzungen nicht repressiver Natur sind. Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie oben in den Randnrn. 37 bis 65 dargelegt, keine strengere Regelung angewandt hat als die, die in der vor Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 geltenden Regelung vorgesehen war.

 Zum vierten Klagegrund: Der Kommission dürfe keine Wahlmöglichkeit in Bezug auf die anzuwendende Rechtsgrundlage gelassen werden

87      Mit dem vierten Klagegrund macht das Königreich Spanien im Wesentlichen geltend, dass die Kommission nicht befugt sein dürfe, die Vorschrift zu wählen, auf die sie einen Rechtsakt wie die angefochtene Verordnung stütze. Damit eine entsprechende Wahlmöglichkeit ausgeschlossen sei, dürfe Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 nicht auf vor dem 1. Januar 2010 erfolgte Quotenüberschreitungen angewandt werden.

88      Dieser Klagegrund ist unbegründet.

89      Wie oben in den Randnrn. 27 bis 33 dargelegt, verfügte die Kommission im Hinblick auf die Rechtsgrundlage, die den Erlass der angefochtenen Verordnung ermöglichen sollte, über keine Wahlmöglichkeit. Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 war nämlich die einzige Vorschrift, auf die sie eine Verordnung zur Kürzung der Quoten für das Jahr 2010 stützen konnte.

90      In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Kommission entgegen ihrem Vorbringen über keine Wahlmöglichkeit in Bezug auf die Zweckmäßigkeit einer Anwendung von Art. 105 der Verordnung Nr. 1224/2009 verfügt. Grundsätzlich ist sie verpflichtet, die in diesem Artikel vorgesehenen Bestimmungen anzuwenden. Nur in dem Maß, wie primärrechtliche Grundsätze wie der Grundsatz der Rechtssicherheit es gebieten, hat sie diese Vorschrift restriktiv auszulegen, um die Beachtung des Primärrechts zu gewährleisten.

91      Daher ist auch der vierte Klagegrund zurückzuweisen und somit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

92      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

93      Da das Königreich Spanien unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Das Königreich Spanien trägt die Kosten.

Czúcz

Labucka

Gratsias

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. November 2012.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Spanisch.