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SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 19. Januar 2017(1)

Rechtssache C‑436/15

Lietuvos Respublikos aplinkos ministerijos Aplinkos projektų valdymo agentūra

gegen

UAB „Alytaus regiono atliekų tvarkymo centras“

(Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas [Oberstes Verwaltungsgericht von Litauen])

„Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union – Unregelmäßigkeiten bei Auszahlungen aus Gemeinschaftsfonds aufgrund von strukturpolitischen Instrumenten für beitrittswillige Länder – Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 – Verjährungsfrist – Begriff ‚mehrjähriges Programm‘ – Begriff der andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten“






1.        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften(2). Das vorlegende Gericht ersucht insbesondere um Klärung der Bedeutung des in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung enthaltenen Ausdrucks „mehrjähriges Programm“. Es möchte in Erfahrung bringen, ob die finanzielle Unterstützung eines Vorhabens zum Bau eines Abfallentsorgungssystems für die Region Alytus unter diesen Ausdruck fällt und, wenn ja, wie die in dieser Bestimmung niedergelegte Verjährungsfrist zu handhaben ist.

2.        Gemäß den Bestimmungen über die Gewährung von Unterstützung aus dem Kohäsionsfonds und den Maßnahmen, die zur Unterstützung von Bewerberländern erlassen worden sind, hat die Europäische Kommission vor dem Beitritt Litauens zur Europäischen Union eine Entscheidung zur Gewährung von finanzieller Unterstützung für dieses Vorhaben erlassen. Das Vorabentscheidungsersuchen ist im Laufe des Verfahrens zwischen der Lietuvos Respublikos aplinkos ministerijos Aplinkos projektų valdymo agentūra (Agentur für die Verwaltung von Umweltvorhaben des litauischen Umweltministeriums, im Folgenden: EPMA) und der UAB „Alytaus regiono atliekų tvarkymo centras“, der zum Betrieb des Zentrums für Abfallentsorgung gegründeten privaten Gesellschaft (im Folgenden: Gesellschaft), gestellt worden.

 Rechtsrahmen

 Vertrag über die Europäische Union

3.        Eine der Aufgaben, die der Kommission gemäß Art. 17 Abs. 1 EUV obliegen, ist die Ausführung des Haushaltsplans und die Verwaltung der Programme.

 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

4.        Art. 312 Abs. 1 AEUV regelt u. a., dass bei der Aufstellung des jährlichen Haushaltsplans der mehrjährige Finanzrahmen einzuhalten ist, in dem die jährlichen Höchstbeträge („Obergrenzen“), die für verschiedene Politikbereiche („Ausgabenkategorien“) ausgegeben werden dürfen, für jedes Jahr eines bestimmten Zeitraums (derzeit der Zeitraum von 2014 bis 2020) festgelegt werden. Der gemäß Art. 177 AEUV errichtete Kohäsionsfonds trägt zu Vorhaben in den Bereichen Umwelt und transeuropäische Netze auf dem Gebiet der Verkehrsinfrastruktur finanziell bei(3).

 Charta der Grundrechte der Europäischen Union

5.        Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union(4) garantiert u. a. das Recht jeder Person darauf, dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden.

 Verordnung Nr. 2988/95

6.        Übergreifendes Ziel der Verordnung Nr. 2988/95 ist es, die finanziellen Interessen der Europäischen Union, wie sie im Gesamthaushaltsplan der Union, der von der Kommission nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Haushaltsführung ausgeführt wird, niedergelegt sind, zu schützen(5). Die Erwägungsgründe sehen in diesem Zusammenhang vor, dass i) den Empfängern über die Mitgliedstaaten über die Hälfte der Gemeinschaftsausgaben gezahlt werden, ii) in allen Bereichen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften zu bekämpfen sind und iii) die Kommission und die Mitgliedstaaten nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet sind, die zweckentsprechende Verwendung der Haushaltsmittel der Gemeinschaften zu überprüfen(6).

7.        Art. 1 Abs. 1 der Verordnung sieht zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union die Festlegung einer Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Unionsrecht vor. Art. 1 Abs. 2 definiert den Tatbestand der „Unregelmäßigkeit“ als gegeben bei „jedem Verstoß gegen eine Bestimmung [der Union] als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers …, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der [Europäischen Union] oder die Haushalte, die von [ihr] verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der [Europäischen Union] erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe“.

8.        Art. 3 Abs. 1 bestimmt:

„Die Verjährungsfrist für die Verfolgung beträgt vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit nach Artikel 1 Absatz 1. Jedoch kann in den sektorbezogenen Regelungen eine kürzere Frist vorgesehen werden, die nicht weniger als drei Jahre betragen darf.

Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird. Bei den mehrjährigen Programmen läuft die Verjährungsfrist auf jeden Fall bis zum endgültigen Abschluss des Programms.

Die Verfolgungsverjährung wird durch jede der betreffenden Person zur Kenntnis gebrachte Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung der zuständigen Behörde unterbrochen. Nach jeder eine Unterbrechung bewirkenden Handlung beginnt die Verjährungsfrist von neuem.

Die Verjährung tritt jedoch spätestens zu dem Zeitpunkt ein, zu dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die Verjährungsfrist, abläuft, ohne dass die zuständige Behörde eine Sanktion verhängt hat; ausgenommen sind die Fälle, in denen das Verwaltungsverfahren gemäß Artikel 6 Absatz 1 ausgesetzt worden ist.“(7)

9.        Nach Art. 3 Abs. 3 behalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine längere Verjährungsfrist als die in Art. 3 Abs. 1 vorgesehenen vier Jahre anzuwenden.

 Kohäsionsfonds

10.      Als die Kommission im Dezember 2001 eine Entscheidung zur Gewährung von finanzieller Unterstützung für ein Vorhaben zur Schaffung eines Abfallentsorgungssystems für die Region Alytus erließ(8), waren die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 des Rates zur Errichtung des Kohäsionsfonds(9) in Kraft. Die finanzielle Unterstützung von Bewerberländern bestimmte sich nach der Verordnung (EG) Nr. 1267/1999 des Rates über ein strukturpolitisches Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt(10).

 Verordnung Nr. 1164/94

11.      Die Verordnung Nr. 1164/94 sollte u. a. sicherstellen, dass im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Kohäsionsfonds Vorkehrungen (im Folgenden auch: Fonds) für wirksame Methoden zur Bewertung, Begleitung und Kontrolle der Gemeinschaftsaktionen getroffen werden, wobei vorzusehen war, welche Maßnahmen bei Unregelmäßigkeiten oder bei Nichterfüllung von für die Gewährung der Fondsbeteiligung geltenden Bedingungen zu treffen sein würden(11).

12.      Durch Art. 1 Abs. 1 der Verordnung wurde ein Kohäsionsfonds errichtet. Gemäß Art. 1 Abs. 3 war ein Finanzierungsbeitrag aus dem Fonds möglich bei Vorhaben oder Vorhabenphasen oder mit einer deutlich erkennbaren Strategie verbundenen Gruppen von Vorhaben, die ein geschlossenes Ganzes bilden. Gemäß Art. 2 Abs. 1 sollte der Fonds einen finanziellen Beitrag zu Vorhaben „in den Bereichen Umwelt und transeuropäische Verkehrsinfrastrukturnetze in den Mitgliedstaaten“ leisten. Litauen konnte gemäß Art. 2 Abs. 5 ab dem Tag seines Beitritts zur Europäischen Union (dem 1. Mai 2004) bis zum 31. Dezember 2006 Unterstützung aus dem Fonds beanspruchen(12).

13.      Art. 3 hatte den Titel „Förderungswürdige Maßnahmen“. Gemäß Art. 3 Abs. 1 bildeten Umweltvorhaben, die zur Erreichung der Ziele des Vertrags beitragen, insbesondere Vorhaben, die gemäß dem Fünften Aktionsprogramm „Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung“ zu den Prioritäten der gemeinschaftlichen Umweltpolitik zählen, förderungswürdige Maßnahmen, die der Fonds unterstützen konnte (im Folgenden: Kohäsionsfondsmaßnahmen). Der Fonds konnte außerdem Vorstudien, die sich auf förderungswürdige Vorhaben bezogen, und Maßnahmen der technischen Hilfe wie etwa Werbe- und Informationskampagnen gemäß Art. 3 Abs. 2 finanziell unterstützen.

14.      Gemäß Art. 4 waren dem Fonds für den Zeitraum der Jahre 2000 bis 2006 finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Vorhaben waren gemäß den in Art. 10 niedergelegten Bestimmungen zu genehmigen. Die im Rahmen des Fonds zu finanzierenden Vorhaben waren von der Kommission in Abstimmung mit dem begünstigten Mitgliedstaat, der den Antrag auf finanzielle Unterstützung nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 1 und 2 zu stellen hatte, festzulegen. Gemäß Art. 10 Abs. 6 waren u. a. in den Entscheidungen der Kommission über die Genehmigung der Vorhaben die Höhe der finanziellen Unterstützung, der Finanzierungsplan sowie die für die Durchführung der Vorhaben notwendigen Bestimmungen und Bedingungen festzulegen. Nach Art. 10 Abs. 7 wurden die wichtigsten Punkte der Kommissionsentscheidungen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.

15.      Art. 11 Abs. 1 bestimmte, dass die im Haushaltsplan veranschlagten Mittel für Verpflichtungsermächtigungen (d. h. rechtsverbindliche Zusagen für Zahlungen, die nicht notwendig in demselben Jahr, sondern über mehrere Haushaltsjahre hinweg getätigt würden) auf der Grundlage der Entscheidungen über die Genehmigung der betreffenden Aktionen gemäß Art. 10 bewilligt werden sollten. Mittelbindungen für Kohäsionsfondsmaßnahmen waren in der Regel in Jahrestranchen vorzunehmen. Die Kommission konnte jedoch bei ihrer Entscheidung über die Gewährung einer Unterstützung in geeigneten Fällen die Mittelbindung in Höhe des Gesamtbetrags der Unterstützung vornehmen (vgl. Art. 11 Abs. 2).

16.      Die Finanzkontrollen, die die Mitgliedstaaten durchzuführen hatten, waren in Art. 12 Abs. 1 niedergelegt. Sie umfassten u. a. Folgendes:

„…

d)      Sie bescheinigen, dass die der Kommission vorgelegten Ausgabenerklärungen korrekt sind und gewährleisten, dass sie auf Buchführungssystemen beruhen, die sich auf überprüfbare Belege stützen.

e)      Sie beugen Unregelmäßigkeiten vor, decken sie auf …

f)      Sie legen der Kommission beim Abschluss einer jeden Vorhabensstufe, eines jeden Vorhabens oder jeder Vorhabensgruppe einen Vermerk vor, der von einer in ihrer Funktion von der benannten Behörde unabhängigen Person oder Stelle erstellt worden ist …

…“

17.      Art. 16a wurde durch die Beitrittsakte eingefügt. Er sah vor: „Maßnahmen, die am Tag des Beitritts … Litauens … Gegenstand von Kommissionsbeschlüssen über Unterstützung gemäß der [Verordnung Nr. 1267/1999] … waren und deren Durchführung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war, gelten als gemäß der Verordnung der Kommission genehmigt. Sofern unter den Absätzen 2 bis 5 nicht anders angegeben, gelten für derartige Maßnahmen die Bestimmungen zur Durchführung von Maßnahmen, die gemäß dieser Verordnung genehmigt wurden.“

18.      Die Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 1164/94 waren im Anhang II, der eine Reihe von Artikeln mit den Bezeichnungen „A“ bis „K“ umfasste, niedergelegt. Ein „Vorhaben“ war in Art. A Abs. 2 Buchst. a des Anhangs II definiert als „eine Gesamtheit von wirtschaftlich nicht zu trennenden Arbeiten, die eine genaue technische Funktion erfüllen und klar ausgewiesene Ziele verfolgen, so dass beurteilt werden kann, ob dieses Vorhaben das Kriterium nach Artikel 10 Absatz 5 erster Gedankenstrich erfüllt“(13).

19.      Gemäß Art. C Abs. 1 waren die Mittelbindungen auf der Grundlage der Kommissionsentscheidungen über die Genehmigung der betreffenden Aktionen vorzunehmen. Die Mittelbindungen für Umweltvorhaben, die innerhalb von zwei oder mehr Jahren durchgeführt werden sollten, waren in der Regel in Jahrestranchen vorzunehmen. Die erste Jahrestranche wurde gebunden, wenn die Kommission die Entscheidung zur Gewährung der Gemeinschaftsbeteiligung erließ. Die darauffolgenden Jahrestranchen wurden entsprechend dem ursprünglichen oder dem geänderten Finanzierungsplan des Vorhabens grundsätzlich zu Beginn eines jeden Haushaltsjahrs gebunden (vgl. Art. C Abs. 2 Buchst. a). Die Modalitäten der Mittelbindung wurden in den Entscheidungen der Kommission über die Genehmigung der betreffenden Aktionen festgelegt (vgl. Art. C Abs. 4).

20.      Art. D Abs. 1 bestimmte: „Die Zahlungen für finanzielle Beteiligungen werden in Übereinstimmung mit den Mittelbindungen an die [zuständige nationale] Behörde … geleistet. Die Zahlungen können in Form von Vorschüssen, Zwischenzahlungen oder Restzahlungen geleistet werden. Die Zwischenzahlungen und Restzahlungen betreffen die tatsächlich getätigten Ausgaben, die durch quittierte Rechnungen oder gleichwertige Buchungsunterlagen zu belegen sind.“ Gemäß Art. D Abs. 2 Buchst. d war der auf der Grundlage der bescheinigten und tatsächlich getätigten Ausgaben berechnete Restbetrag der Gemeinschaftsunterstützung unter der Voraussetzung an die zuständige nationale Behörde zu zahlen, dass bestimmte Bedingungen erfüllt waren, darunter dass der Kommission innerhalb von sechs Monaten nach dem Abschluss des Vorhabens ein Schlussbericht über das Vorhaben vorgelegt worden war (vgl. Art. D Abs. 2 Buchst. d dritter Gedankenstrich). Wenn dieser Bericht der Kommission nicht innerhalb von 18 Monaten nach der in der Entscheidung zur Gewährung der Beteiligung genannten Frist für den Abschluss der Arbeiten und der Zahlungen vorgelegt wurde, war gemäß Art. D Abs. 3 der Teil der Beteiligung zu annullieren, der dem Restbetrag für das Vorhaben entsprach(14).

21.      Laut Art. D Abs. 5 konnten Zahlungen an die von den Mitgliedstaaten benannte Behörde oder Einrichtung geleistet werden und sollten in der Regel spätestens zwei Monate nach Eingang eines zulässigen Antrags auf Auszahlung erfolgen(15).

22.      Die Behörden der Mitgliedstaaten waren gemäß Art. G Abs. 3 des Anhangs II verpflichtet, für einen Zeitraum von drei Jahren nach der Zahlung des Restbetrags durch die Kommission Belege aufzubewahren. Gemäß Art. H Abs. 1 des Anhangs II war die Kommission verpflichtet, Finanzkorrekturen vorzunehmen, wenn sie zu dem Schluss gelangte, dass es in Bezug auf die Kohäsionsfondsunterstützung zu einer Unregelmäßigkeit gekommen war.

 Verordnung Nr. 1267/1999

23.      Zum maßgeblichen Zeitpunkt war im Rahmen der Heranführungsstrategie der Union ein strukturpolitisches Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt („ISPA“) in Gestalt der Verordnung Nr. 1267/1999 vorgesehen. Es folgte dem Ansatz des Kohäsionsfonds. Die folgenden in den Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 1267/1999 angegebenen Ziele sind besonders relevant. Erstens umfasste die Heranführungsstrategie die Bereitstellung eines Instruments, das dazu diente, die Bewerberländer den gemeinschaftlichen Standards im Infrastrukturbereich anzunähern, und das eine finanzielle Beteiligung an „Umweltmaßnahmen und Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen“ vorsah. Zweitens sollte die Gemeinschaftsunterstützung im Rahmen von ISPA die Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstands auf dem Umweltsektor durch die Bewerberländer erleichtern und zu einer nachhaltigen Entwicklung in diesen Ländern beitragen. Drittens bedurfte es im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung der im Rahmen von ISPA gewährten Gemeinschaftsunterstützung wirksamer Methoden zur Ex-ante-Bewertung, Begleitung, Ex-post-Bewertung und Kontrolle der Maßnahmen. Dabei war vorzusehen, welche Maßnahmen bei Unregelmäßigkeiten oder bei Nichterfüllung einer für die Gewährung der Unterstützung im Rahmen von ISPA geltenden Bedingung zu treffen waren(16).

24.      Durch Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1267/1999 wurde ISPA geschaffen.

25.      Art. 2 hatte den Titel „Förderfähige Maßnahmen“. Art. 2 Abs. 1 sah vor, dass die im Rahmen von ISPA gewährte Gemeinschaftsunterstützung technisch und finanziell unabhängige Projektabschnitte z. B. „im Bereich von Umwelt“ einschließt. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a ermöglichte im Rahmen von ISPA die Gewährung einer Unterstützung, die die begünstigten Länder in die Lage versetzen würde, die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften im Umweltbereich und die Ziele der Beitrittspartnerschaften zu erfüllen(17). Gemeinschaftsunterstützung im Rahmen von ISPA wurde von 2000 bis 2006 gewährt(18).

26.      Die Kommission konnte die Entscheidungen über die im Rahmen von ISPA gemäß Art. 7 Abs. 1 zu finanzierenden Maßnahmen nach dem Verfahren des Art. 14 erlassen(19).

27.      Art. 8 Abs. 1 sah vor, dass die Ausgaben im Rahmen von ISPA von der Kommission gemäß der Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften(20) auf der Grundlage einer zwischen der Kommission und dem begünstigten Land zu schließenden Finanzierungsvereinbarung abgewickelt werden sollten. Die in Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1267/1999 enthaltenen Bestimmungen betreffend Mittelbindungen und Zahlungen gaben den Inhalt der Bestimmungen des Art. C Abs. 2 des Anhangs II zur Verordnung Nr. 1164/94 wieder.

28.      Gemäß Art. 9 Abs. 1 hatte die Kommission die begünstigten Länder aufzufordern, regelmäßig nachzuprüfen, ob die von der Gemeinschaft finanzierten Aktionen ordnungsgemäß ausgeführt worden waren, Unregelmäßigkeiten vorzubeugen und infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit verloren gegangene Beträge zurückzufordern(21). Gemäß Art. 9 Abs. 5 hatte die Kommission sicherzustellen, dass die Grundsätze der wirtschaftlichen Haushaltsführung unter besonderer Berücksichtigung der in Anhang III zur Verordnung Nr. 1267/1999 genannten Punkte beachtet werden würden. Zu diesen Punkten gehörte die Verpflichtung, eine zentrale Stelle zu benennen, über die die Mittel der Gemeinschaft aus dem ISPA weitergeleitet werden sollten. Die zuständigen Behörden hatten die Belege über die Ausgaben für jedes Projekt so lange aufzubewahren, bis nach Tätigung der letzten Zahlung für das jeweilige Projekt fünf Jahre vergangen waren. Schließlich hatte die mit jedem begünstigten Land zu schließende Finanzierungsvereinbarung Bestimmungen betreffend Finanzkorrekturen zu enthalten(22).

 Beschluss 2002/89/EG

29.      Den Rahmen des Beitrittsprozesses bilden Beitrittspartnerschaften. In ihnen sind die wichtigsten prioritären Bereiche, in denen Bewerberländer Fortschritte erzielen müssen, und Einzelheiten der Heranführungsunterstützung ausgewiesen(23). Jedes Bewerberland stellt zudem ein nationales Programm zur Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands auf. Die Grundsätze, Prioritäten, Zwischenziele und Bedingungen für Litauen wurden im Anhang zum Beschluss 2002/89/EG des Rates festgelegt(24). Unter der „Prioritäten und Zwischenziele“ betitelten Nr. 4 des Anhangs ist in Bezug auf den Umweltschutz bestimmt, dass die besagten Ziele eine „Vollendung der Übernahme des Besitzstands“ umfassen und dass es einer „weitere[n] Umsetzung des Besitzstands, namentlich [im Bereich] … Abfallentsorgung“ bedarf.

 Verordnung Nr. 1386/2002

30.      Gemäß Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1386/2002 der Kommission vom 29. Juli 2002 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1164/94 des Rates in Bezug auf die Verwaltungs- und Kontrollsysteme bei Kohäsionsfondsinterventionen und das Verfahren für die Vornahme von Finanzkorrekturen(25) schlossen die einschlägigen Verwaltungs- und Kontrollsysteme Verfahren ein, um die Richtigkeit der in Rechnung gestellten Ausgaben zu prüfen und die Durchführung des Vorhabens sicherzustellen.

31.      Art. 8 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i sah vor, dass die Zahlstelle, bevor sie eine Ausgabenerklärung (gemäß Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1164/94 und Art. D Abs. 2 Buchst. d vierter Gedankenstrich des Anhangs II hierzu) bescheinigt, sich vergewissert, dass die Ausgabenerklärung nur Ausgaben enthält, die während des in der Bewilligungsentscheidung der Kommission festgesetzten Förderzeitraums tatsächlich getätigt wurden und durch quittierte Rechnungen oder gleichwertige Buchungsunterlagen belegt werden können.

 Verordnung Nr. 16/2003

32.      Die Verordnung (EG) Nr. 16/2003 der Kommission(26) enthielt die gemeinsamen Regeln für die Zuschussfähigkeit von Ausgaben, die im Rahmen der in ihrem Art. 1 beschriebenen Kohäsionsfondsmaßnahmen getätigt werden. Die für die Durchführung zuständige Stelle war gemäß Art. 2 die – private oder öffentliche – Einrichtung, die die mit einem Vorhaben verbundenen Ausschreibungen vornimmt. Diese Stelle wurde in der Entscheidung der Kommission über die Gewährung einer Kohäsionsfondsunterstützung benannt (Art. 2).

33.      Art. 4 bestimmte, dass alle von der für die Durchführung zuständigen Stelle getätigten Ausgaben auf rechtsverbindlichen Verträgen, Vereinbarungen und/oder Dokumenten beruhen mussten. Es mussten geeignete Belege vorgelegt werden.

34.      Art. 5 Abs. 1 bestimmte:

„Die Ausgaben, die für die Zahlung des Gemeinschaftszuschusses zu berücksichtigen sind, müssen gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der [Verordnung Nr. 1386/2002 der Kommission] während des in der Kommissionsentscheidung [über die Gewährung einer Kohäsionsfondsunterstützung] festgesetzten Förderzeitraums tatsächlich getätigt worden sein und in direktem Zusammenhang mit dem Vorhaben stehen. Sie müssen sich auf Zahlungen beziehen, die vom betreffenden Mitgliedstaat bescheinigt und von diesem selbst oder auf dessen Rechnung … tatsächlich getätigt worden und die durch quittierte Rechnungen oder gleichwertige Buchungsbelege nachgewiesen sind.

Unter ‚gleichwertigen Buchungsbelegen‘ sind alle Unterlagen zu verstehen, die von der für die Durchführung zuständigen Stelle aufbewahrt werden und mit denen diese nachweist, dass die Eintragung in der Buchhaltung wirklichkeitsgetreu ist, die tatsächlichen Vorgänge widerspiegelt und den geltenden Buchführungsvorschriften entspricht.“

35.      Gemäß Art. 7 Abs. 1 war eine getätigte Ausgabe vom Zeitpunkt des Eingangs des vollständigen Unterstützungsantrags bei der Kommission an zuschussfähig. Gemäß Art. 7 Abs. 2 war der Beginn der Zuschussfähigkeit in der Entscheidung der Kommission über die Genehmigung des Vorhabens festgelegt. Gemäß Art. 8 betraf der Endtermin der Zuschussfähigkeit (der durch die Kommissionsentscheidung festgelegt war) die Zahlungen, die von der für die Durchführung zuständigen Stelle getätigt wurden(27).

36.      Art. 23 Abs. 1 sah vor, dass Ausgaben für den Erwerb oder die Herstellung von dauerhaft installierten Anlagen unter der Voraussetzung zuschussfähig waren, dass sie als langlebige Ausrüstungsgüter der für die Durchführung zuständigen Stelle inventarisiert und nach den allgemein anerkannten Buchführungsgrundsätzen als Investitionsausgaben behandelt wurden.

 Guidelines on the Closure of Cohesion Fund and Ex-ISPA projects 2000-2006

37.      Die Guidelines on the Closure of Cohesion Fund and Ex-ISPA projects 2000-2006 (im Folgenden: Closure Guidelines)(28) gelten für alle nach dem 1. Januar 2000 beschlossenen Kohäsionsfonds- und früheren ISPA-Vorhaben. Der Begriff „Abschluss von Vorhaben“ bezeichnet „die finanzielle Abwicklung noch bestehender Mittelbindungen [der Union] durch Zahlung des Restbetrags an die benannte Stelle oder die Ausstellung einer Belastungsanzeige und die Aufhebung eines nicht in Anspruch genommenen Teils der Mittelbindung“. In dem Dokument wird weiter ausgeführt, dass der Abschluss die Verpflichtung der zuständigen Stelle und der nationalen Behörden unberührt lässt, alle Belege betreffend die Ausgaben und Kontrollen für einen Zeitraum von drei Jahren nach der Zahlung des Restbetrags durch die Kommission zur Verfügung zu halten.

 Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

38.      Die EPMA ist die für die Umsetzung der Entwicklung eines Abfallentsorgungssystems für die Region Alytus in Litauen (im Folgenden: Vorhaben oder Bauvorhaben) zuständige Stelle. Sie ist im erstinstanzlichen Verfahren die Beklagte (Rechtsmittelführerin vor dem vorlegenden Gericht) und war die Vergabebehörde im Sinne der Beschaffungsverträge betreffend das Bauvorhaben. Die Gesellschaft ist im erstinstanzlichen Verfahren die Klägerin (Rechtsmittelgegnerin vor dem vorlegenden Gericht) sowie die Endbegünstigte der von der Kommission gewährten Förderung.

39.      Am 13. Dezember 2001 erließ die Kommission eine Entscheidung zur Gewährung von Unterstützung für das Bauvorhaben (im Folgenden: ursprüngliche ISPA-Entscheidung). Am selben Tag unterzeichnete sie außerdem die zugehörige Finanzierungsvereinbarung (im Folgenden: Finanzierungsvereinbarung). Litauen unterzeichnete das Dokument am 14. März 2002. Gemäß der Finanzierungsvereinbarung war der 31. Dezember 2004 als das Enddatum des Vorhabens festgelegt, und für die Durchführung des Vorhabens von der EPMA zu leistende Zahlungen waren spätestens bis zum 31. Dezember 2006 zu erbringen. Der Landesprüfungsbericht des nationalen Rechnungshofs, der eingereicht werden musste, damit die Restzahlung der finanziellen Unterstützung durch die Kommission erfolgen konnte, war der Kommission spätestens sechs Monate nach diesem Termin von den litauischen Behörden vorzulegen.

40.      Am 10. November 2004 unterzeichneten die EPMA und die Gesellschaft die Vereinbarung zur Umsetzung des ISPA/Kohäsionsprogramms betreffend die Zuweisung von Aufgaben und Verantwortung an die EPMA und die Gesellschaft im Hinblick auf die Verwaltung der Mittel aus dem Kohäsionsfonds bei der Umsetzung des Bauvorhabens. Am 27. Dezember 2004 erließ die Kommission eine Entscheidung, mit der die Finanzierungsvereinbarung geändert wurde, und zwar u. a. durch Ergänzung des Art. 2 durch folgenden Absatz: „(5) Projektbezogene Ausgaben sind bis zum 31. Dezember 2008 zuschussfähig.“ Art. 2 der Finanzierungsvereinbarung wurde entsprechend wie folgt geändert: „Enddatum: 31. Dezember 2008“.

41.      Der Antrag auf Förderung aus dem Kohäsionsfonds wurde vom Finanzministerium und der EPMA eingereicht. Die EPMA organisierte in ihrer Eigenschaft als Vergabebehörde ein Auftragsvergabeverfahren betreffend das Vorhaben. Zwischen dem 22. April 2004 und dem 6. Dezember 2006 unterzeichneten die EPMA, die Gesellschaft und bestimmte andere private Auftragnehmerinnen Beschaffungsverträge(29).

42.      Am 17. Dezember 2009 erstellte der nationale Rechnungshof Litauens den Landesprüfungsbericht.

43.      Am 28. März 2013 gab die EPMA aufgrund des Umstands, dass die Gesellschaft es versäumt hatte, den Erwerb langfristiger und kurzfristiger Vermögenswerte nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 23 der Verordnung Nr. 16/2003 sowie Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1386/2002 (im Folgenden: Durchführungsverordnungen) zu belegen, vier „Schlussfolgerungen“ zur Zuschussfähigkeit bestimmter Projektausgaben gemäß den Beschaffungsverträgen bekannt. Am 29. März 2013 erließ der Direktor der EPMA Entscheidungen (im Folgenden: angefochtene Entscheidungen), mit denen die Gesellschaft verpflichtet wurde, die für nicht zuschussfähig befundenen Zahlungen zurückzuzahlen.

44.      Am 31. Mai 2013 reichte das litauische Finanzministerium bei der Kommission eine aktualisierte Aufforderung zur Zahlung des Restbetrags für das Vorhaben ein, mit der um die Restzahlung von 826 069,28 Euro ersucht wurde. Das Finanzministerium teilte der Kommission mit, dass aufgrund im Zusammenhang mit dem Vorhaben anhängiger Gerichtsverfahren betreffend das Bauvorhaben Ausgaben in Höhe von 40 276,31 Euro, die möglicherweise nicht zuschussfähig seien, nicht von der aktualisierten Aufforderung zur Zahlung des Restbetrags für das Vorhaben abgezogen worden seien.

45.      Am 5. November 2013 erhob die Gesellschaft Klage auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen. Dieser Klage wurde in der ersten Instanz mit der Begründung stattgegeben, dass die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 festgelegte Verjährungsfrist von vier Jahren anwendbar sei. Da die Verjährungsfrist am 31. Dezember 2008 (dem in Art. 2 der geänderten Finanzierungsvereinbarung angegebenen Enddatum des Vorhabens) zu laufen begonnen habe, sei die Verjährungsfrist am 31. Dezember 2012 und damit vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidungen abgelaufen.

46.      Die EPMA legte gegen diese Entscheidung am 28. Mai 2014 vor dem vorlegenden Gericht Rechtsmittel ein. Mit Schreiben vom 14. Juli 2014 legte das Finanzministerium der Kommission eine Aktualisierung des Prüfungsberichts (vom 17. Dezember 2009) sowie die Abschlusserklärung (beide Schriftstücke datierten vom 25. Juni 2014) vor(30).

47.      Im Rechtsmittelverfahren erließ das vorlegende Gericht einen Beschluss, mit dem die EPMA und die Gesellschaft aufgefordert wurden, Daten und Informationen betreffend den Abschluss des Vorhabens zur Verfügung zu stellen, und zwar zusammen mit einer Klarstellung und mit Argumenten betreffend die Anwendung der Verordnung Nr. 2988/95. Laut dem vorlegenden Gericht seien insbesondere die folgenden Sachverhaltsumstände unklar: i) das Datum des Abschlusses des Vorhabens, ii) der zur Zahlung offene Restbetrag und der Zeitpunkt seiner Fälligkeit sowie iii) die Bedeutung der Begriffe „Programm“, „Maßnahme“ und „Vorhaben“, die in den beim vorlegenden Gericht eingereichten Schriftstücken synonym verwendet würden.

48.      In Reaktion auf diesen Beschluss stellte die EPMA dem vorlegenden Gericht neue Unterlagen zur Verfügung. Insbesondere legte die EPMA ein Schreiben des Finanzministeriums vom 30. April 2015 vor. Diesem Schreiben zufolge war der Restbetrag für das Vorhaben noch nicht von der Kommission eingegangen.

49.      In dem Verfahren vor dem vorlegenden Gericht macht die EPMA geltend, dass das Vorhaben noch nicht abgeschlossen sei und die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 festgelegte Verjährungsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Sie verweist zudem auf den oben unter Nr. 37 definierten Begriff des „Abschlusses von Vorhaben“.

50.      Mit Schreiben vom 26. Juni 2015 brachte die Kommission das Vorhaben zum Abschluss. Sie gelangte zu dem Ergebnis, dass insgesamt 106 225,67 Euro nicht förderfähige Ausgaben darstellten. Die Kommission führte ergänzend aus: „…angesichts einer ausreichenden Überbuchung haben die Unregelmäßigkeiten darstellenden Ausgaben keine Auswirkung auf die Berechnung der Restzahlung. Soweit es den Haushalt der Union angeht, können die Verfahren betreffend Unregelmäßigkeiten folglich beendet werden. Der Restbetrag der [Kohäsionsfonds‑]Mittel wird in voller Höhe ausgezahlt werden.“(31)

51.      Das vorlegende Gericht gelangte zu dem Schluss, dass es für die Streitentscheidung im Ausgangsverfahren Hilfestellung bei der Beantwortung der Frage benötige, ob die finanzielle Gemeinschaftsunterstützung für das Bauvorhaben unter den Begriff des „mehrjährigen Programms“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 fällt, ob die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 festgelegte Verjährungsfrist im Ausgangsverfahren anwendbar und, wenn ja, ob sie abgelaufen war. Es hat dem Gerichtshof deshalb am 10. Juli 2015 folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Was stellt ein „mehrjähriges Programm“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 dar?

2.      Fallen Vorhaben wie das im Ausgangsverfahren unter den in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 verwendeten Begriff „mehrjähriges Programm“?

3.      Falls die zweite Frage bejaht wird: Welcher Zeitpunkt ist als Beginn der Verjährungsfrist für die Verfolgung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 zu betrachten?

52.      Die griechische und die litauische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und in der Sitzung vom 7. September 2016 mündliche Erklärungen abgegeben.

 Würdigung

 Vorbemerkungen

53.      Die ursprüngliche ISPA-Entscheidung wurde am 13. Dezember 2001 erlassen, und die Finanzierungsvereinbarung wurde am 14. März 2002 unterzeichnet. Das Vorhaben wurde demgemäß vor dem am 1. Mai 2004 erfolgten Beitritt Litauens zur Europäischen Union ins Leben gerufen. Da das Bauvorhaben bis zu diesem Datum jedoch nicht abgeschlossen worden war, unterliegen sein Abschluss und insbesondere die finanzielle Abwicklung – noch bestehender Mittelbindungen durch Zahlung des Restbetrags an die EPMA aus dem Haushalt der Europäischen Union – den in der Verordnung Nr. 1164/94 enthaltenen Kohäsionsfondsbestimmungen(32).

54.      Ferner führt das vorlegende Gericht in Bezug auf die Beschaffungsverträge(33) aus, es sei zu der Feststellung gelangt, dass die Gesellschaft keine Belege vorgelegt habe, die nachweisen, dass die Ausgaben (in dem in der ursprünglichen ISPA-Entscheidung festgelegten Zeitraum der Förderfähigkeit) tatsächlich in Übereinstimmung mit den Art. 5 Abs. 1 und 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 16/2003 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 1386/2002 getätigt wurden(34).

55.      Die Gesellschaft ist ein Wirtschaftsteilnehmer im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95(35). Ausgaben entgegen der Verpflichtung aus den Durchführungsverordnungen nicht zu bescheinigen, stellt eine Verletzung des Unionsrechts dar, die „einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan [der Gemeinschaften] bewirkt hat bzw. haben würde“.

56.      Art. 12 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1164/94 schreibt vor, dass die Ausgabenerklärung korrekt sein und gewährleisten muss, dass sie auf Buchführungssystemen beruht, die sich auf überprüfbare Belege stützen. Ferner bestimmt Art. D Abs. 2 Buchst. d des Anhangs II zu dieser Verordnung in Bezug auf den Abschluss von Vorhaben, dass der Restbetrag der Gemeinschaftsunterstützung auf der Grundlage der bescheinigten und tatsächlich getätigten Ausgaben zu berechnen ist.

57.      Es besteht Einigkeit darüber, dass die Verjährungsfrist für frühere ISPA- oder Kohäsionsfondsvorhaben keinen spezifisch sektorbezogenen Regelungen unterliegt. Ich vertrete daher den Standpunkt, dass das Versäumnis der Gesellschaft, Ausgaben im Zusammenhang mit den Beschaffungsverträgen in Übereinstimmung mit den Durchführungsverordnungen zu bescheinigen, eine Unregelmäßigkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 darstellt. Daher sind die Regelungen über die Handhabung der in Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung festgelegten Verjährungsfrist anwendbar.

 Zu den Fragen 1 und 2

58.      Mit der Frage 1 ersucht das vorlegende Gericht um Klärung, wie der Begriff „mehrjähriges Programm“ in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 auszulegen ist. Mit der Frage 2 soll geklärt werden, ob das Vorhaben ein Programm im Sinne dieser Bestimmung ist. Da die Fragen eng miteinander zusammenhängen, betrachte ich sie gemeinsam.

59.      Ich vertrete den Standpunkt, dass der Begriff „mehrjähriges Programm“ angesichts des Fehlens einer Definition desselben in der Verordnung Nr. 2988/95 zunächst einmal unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem er verwendet wird, und der Ziele der Verordnung ausgelegt werden sollte(36).

60.      Der Begriff „mehrjähriges Programm“ hat keinen umgangssprachlichen Charakter. Er scheint mir eher ein technischer Fachbegriff zu sein, der in einem Bereich wie dem Gesamthaushaltsplan der Union und dort im Rahmen der Haushaltsplanung Anwendung finden könnte.

61.      In diesem Zusammenhang ist der Begriff des mehrjährigen Programms von dem (in Art. 312 AEUV erwähnten) mehrjährigen Finanzrahmen zu unterscheiden(37). Der allgemeine Begriff „mehrjähriges Programm“ bezieht sich auf eine große Bandbreite von Unionspolitiken, die durch Fonds umgesetzt werden, die Begünstigten über die Mitgliedstaaten finanzielle Unterstützung zukommen lassen. Die Kohäsionsfonds- und früheren ISPA-Vorhaben sind Beispiele für solche „Programme“. Was ist nun unter dem qualifizierenden Adjektiv „mehrjährig“ zu verstehen?

62.      Die Kommission macht geltend, dass das Wort „mehrjährig“ auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr verweist.

63.      Auch wenn dies nicht anders als zutreffend sein kann, scheint mir der hier in Rede stehende Zeitraum für die Zwecke des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 doch einer von mindestens zwei Jahren zu sein. Erstens passt ein Zeitraum von einem Jahr zuzüglich eines Teils des darauffolgenden Jahres weniger gut zu dem Begriff „mehrjährig“. Zweitens findet diese Bewertung einen Anhalt in der gesetzgeberischen Planvorstellung von der Vornahme von Mittelbindungen(38). Gemäß der Verordnung Nr. 1164/94 wurden Mittelbindungen für über zwei oder mehr Jahre hinweg durchgeführte Vorhaben im Allgemeinen in mehreren Jahrestranchen vorgenommen. Die Mittelbindungen betreffend die erste Tranche wurden vorgenommen, als von der Kommission die Entscheidung über die Gewährung finanzieller Unterstützung erlassen wurde. Die Mittelbindungen für die nachfolgenden Jahrestranchen basierten auf der Finanzierungsvereinbarung für das betreffende Vorhaben(39). Dieses Modell der Mittelbindungen wird in dem Vorschlag der Kommission über die Schaffung eines strukturpolitischen Instruments zur Vorbereitung auf den Beitritt als eine „einfachere und effizientere Regelung“ beschrieben, die in Bezug auf „mehrjährige Vorhaben“ gilt(40).

64.      Der Begriff „Programm“ hat eine ausreichend weit gefasste Bedeutung, um sowohl den Bereich der Unionspolitiken (die ISPA-Strategie und den Kohäsionsfonds) als auch Maßnahmen wie etwa Bauvorhaben zu umfassen, die zur Umsetzung dieser Politiken in den Mitgliedstaaten ergriffen werden.

65.      Fallen beide Arten von Programmen unter Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95?

66.      Meines Erachtens ist dies nicht der Fall.

67.      In Art. 1 Abs. 2 dieser Verordnung ist eine Unregelmäßigkeit als ein Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers definiert, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften bewirkt hat bzw. haben würde. Hiermit wird auf die Maßnahmen Bezug genommen, die in den Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Unionspolitiken durch Gewährung von Unterstützung an Begünstigte getroffen werden. Die am Ausgangsverfahren beteiligte Gesellschaft ist ein Beispiel für die hier ins Auge gefasste Art einer Begünstigten.

68.      Die Erwägungsgründe 1, 2 und 3 der Verordnung Nr. 2988/95 stützen die Beurteilung, dass der in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 erwähnte Begriff „mehrjähriges Programm“ auf Vorhaben Bezug nimmt, die zur Umsetzung der Unionspolitiken in Angriff genommen werden(41). Die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten verwalteten Unionsmittel werden in Bezug auf solche Vorhaben an Begünstigte ausgezahlt.

69.      Auf dieser Ebene greift die Verordnung Nr. 2988/95. Sie zielt meines Erachtens nicht auf die Ebene ab, auf der der mehrjährige Finanzrahmen die Ausgaben für die verschiedenen Programme, die der Umsetzung der Unionspolitiken dienen, darunter der Kohäsionsfonds, bestimmt.

70.      Das vorlegende Gericht möchte insbesondere wissen, ob die Begriffe „Maßnahme“ und „Vorhaben“ unter den in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 enthaltenen Begriff des mehrjährigen Programms fallen.

71.      Meines Erachtens sind beide vom Begriff eines „mehrjährigen Programms“ umfasst.

72.      In Bezug auf den Kohäsionsfonds bestätigt Art. 1 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1164/94, dass Unterstützung für Vorhaben, Vorhabenphasen und Gruppen von Vorhaben gewährt werden kann. In Art. 3 sind die förderungsfähigen Maßnahmen festgelegt. Aus Art. 3 Abs. 2 geht hervor, dass Unterstützung nicht nur für Vorhaben, sondern auch für begleitende Maßnahmen wie etwa Vorstudien, die sich auf förderungswürdige Vorhaben beziehen, und für Maßnahmen der technischen Hilfe, darunter Werbe- und Informationskampagnen, gewährt werden kann(42).

73.      Dem Begriff „Maßnahme“ kommt in der gesetzgeberischen Planvorstellung der Verordnung Nr. 1164/94 somit eine umfassendere Bedeutung als dem Begriff „Vorhaben“ zu. Er deckt Vorhaben, Vorhabenphasen und Gruppen von Vorhaben nebst den in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung aufgeführten begleitenden Maßnahmen ab(43).

74.      Gemäß dem vorlegenden Gericht sind die Begriffe „Maßnahme“, „Vorhaben“ und „Programm“ in der ursprünglichen ISPA-Entscheidung, der Änderungsentscheidung vom 27. Dezember 2004 und in der Finanzierungsvereinbarung austauschbar verwendet worden. Die Verwendung einer stringenten und einheitlichen Terminologie hätte hier zu einer eindeutigeren Ausdrucksweise beigetragen. Gleichwohl kann den Rechtsvorschriften entnommen werden, dass sowohl die „Maßnahme“ als auch das „Vorhaben“ vom Begriff des „Programms“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 umfasst sind.

75.      Was die Frage angeht, ob das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bauvorhaben vom Begriff eines „mehrjährigen Programms“ im Sinne dieser Bestimmung abgedeckt ist, scheint mir, dass dies aus den folgenden Gründen der Fall ist.

76.      Erstens handelt es sich um ein Umweltvorhaben im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1164/94 (siehe auch Art. A Abs. 2 Buchst. a des Anhangs II). Die Art des in Rede stehenden Vorhabens – die Errichtung eines Abfallentsorgungssystems für die Region Alytus – genügt insofern den Anforderungen des Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1267/1999, als es Litauen in die Lage versetzte, den gemeinschaftlichen Besitzstand im Umweltbereich, und zwar insbesondere in Bezug auf die Abfallentsorgung und die Ziele der Beitrittspartnerschaft, zu erfüllen(44).

77.      Zweitens wurde das Vorhaben gemäß Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1267/1999 ins Leben gerufen. In der ursprünglichen ISPA-Entscheidung vom 13. Dezember 2001 wurde das Enddatum des Bauvorhabens auf den 31. Dezember 2004 geschätzt. Demnach sollte es innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren (zuzüglich weiterer zwei Jahre, in denen Zahlungen zu leisten waren) abgeschlossen werden. Am 27. Dezember 2004 erließ die Kommission jedoch eine Entscheidung, durch die die Finanzierungsvereinbarung geändert wurde, und zwar dahin gehend, dass der 31. Dezember 2008 als das geschätzte Enddatum des Bauvorhabens angegeben wurde. Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1267/1999 wären die Mittelbindungen im Zeitraum ab Erlass dieser Entscheidung bis zum Enddatum in Jahrestranchen vorgenommen worden. Es bestanden also Mittelbindungen für einen Zeitraum, der sich vom Erlass der ursprünglichen ISPA-Entscheidung am 13. Dezember 2001 bis zum 31. Dezember 2008 erstreckte. Hierbei handelt es sich eindeutig um einen mehrjährigen Zeitraum.

78.      Um im Sinne einer Gewährung von Gemeinschaftsunterstützung förderfähig gemäß der Verordnung Nr. 1267/1999 zu sein, musste das Bauvorhaben schließlich groß genug angelegt sein, um sich in nachhaltiger Weise auf den Umweltschutz auszuwirken(45). Dies zusammen mit dem in den Kommissionsentscheidungen zur Gewährung von Unterstützung und in der Finanzierungsvereinbarung (in ihrer jeweils aktuell geltenden Fassung) angegebenen Zeitraum bestätigt, dass das Bauvorhaben unter den Begriff eines mehrjährigen Programms fällt.

79.      Meines Erachtens ist ein Vorhaben dann, wenn finanzielle Gemeinschaftsunterstützung gemäß der Verordnung Nr. 1267/1999 für ein Vorhaben gewährt worden ist, das i) eine förderfähige Maßnahme im Sinne des Art. 2 Abs. 2 der besagten Verordnung darstellt, ii) gemäß einer Kommissionsentscheidung und einer zwischen der Kommission und den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats getroffenen Finanzierungsvereinbarung zustande gekommen ist und iii) über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren durchgeführt wurde, vom Begriff eines mehrjährigen Programms im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 umfasst. Dementsprechend kann ein Vorhaben dieser Art vorbehaltlich einer Nachprüfung des vorlegenden Gerichts, dass ein Vorhaben wie die Entwicklung eines Abfallentsorgungssystems für die Region Alytus in Litauen diese Voraussetzungen erfüllt, ein mehrjähriges Programm gemäß der Verordnung Nr. 2988/95 darstellen.

 Zur dritten Frage

 Allgemeine Anmerkungen

80.      Für den Fall, dass die Entwicklung eines Abfallentsorgungssystems für die Region Alytus unter den Begriff eines mehrjährigen Programms im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 fällt, fragt das vorlegende Gericht in der Frage 3, zu welchem Zeitpunkt die in dieser Bestimmung festgelegte Verjährungsfrist zu laufen beginnt.

81.      Im Rahmen der in Art. 267 AEUV geregelten Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gerichten der Europäischen Union und den nationalen Gerichten ist es grundsätzlich Aufgabe der Letzteren festzustellen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer Unionsbestimmung in der bei ihnen anhängigen Sache erfüllt sind, während der Gerichtshof, wenn er eine Vorabentscheidung erlässt, dem nationalen Gericht soweit angezeigt klärende Hinweise für seine Auslegung erteilen kann(46). Somit ist es Sache des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine hilfreiche Antwort zu geben, die es Letzterem ermöglicht, in der ihm vorliegenden Sache zu entscheiden. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren(47). Es ist Aufgabe des nationalen Gerichts, Feststellungen zu dem Sachverhalt zu treffen, der Anlass zu dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit gegeben hat, und zu beurteilen, welche Auswirkungen der festgestellte Sachverhalt auf das von ihm zu erlassende Urteil hat.

82.      Dem Vorlagebeschluss ist zu entnehmen, dass das vorlegende Gericht klären lassen möchte, wie die in Art. 3 Abs. 1 festgelegte Verjährungsfrist auf den Gegenstand des Ausgangsverfahrens anwendbar ist. Gemäß meinen Ausführungen unter der obigen Nr. 79 bin ich der Auffassung, dass es sich bei dem Bauvorhaben tatsächlich um ein mehrjähriges Programm im Sinne der besagten Bestimmung handelt. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 bestimmt: „Bei den mehrjährigen Programmen läuft die Verjährungsfrist auf jeden Fall bis zum endgültigen Abschluss des Programms.“ Es bedarf daher der Auslegung des Begriffs „endgültiger Abschluss“, um festzustellen, wie die besagte Verjährungsfrist hier zur Anwendung kommt. Außerdem bezeichnet der Wortlaut der Bestimmung den Ablauf und nicht den Beginn der Verjährungsfrist bei mehrjährigen Programmen als das entscheidende Ereignis.

83.      Durch eine Beantwortung der Frage des vorlegenden Gerichts, welcher Zeitpunkt als der Beginn der Verjährungsfrist zu betrachten ist, kann daher nicht festgestellt werden, ob der Direktor der EPMA die angefochtenen Entscheidungen bei einem mehrjährigen Programm im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 vor Ablauf der Verjährungsfrist erlassen hat. Es bedarf hier eines umfassenderen Herangehens an die Frage 3, indem festgestellt wird, wie die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 festgelegte Verjährungsfrist auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Unregelmäßigkeit anzuwenden ist. Um dem vorlegenden Gericht zudem umfassender zu antworten, werde ich zudem untersuchen, wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende(n) Unregelmäßigkeit(en) einzustufen ist/sind und wie die in Art. 3 Abs. 1 festgelegte Verjährungsfrist im Hinblick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles anzuwenden sein könnte (siehe unten, Nrn. 86 bis 95).

84.      Ferner ist dem Vorlagebeschluss zu entnehmen, dass der Sachverhalt des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits Unklarheiten aufweist. Die Zeitpunkte und Abfolge der Ereignisse, die zum Abschluss des hier in Rede stehenden Vorhabens geführt haben, sind festgestellt worden. Jedoch geht aus dem Vorlagebeschluss nicht eindeutig hervor, ob die litauischen Behörden mit der Kommission Regelungen hinsichtlich des Abschlusses des Vorhabens dahin gehend getroffen haben, dass die verspätete Einreichung der gesetzlich vorgeschriebenen Belege hinnehmbar war, und fehlen darin Feststellungen zu der Frage, ob (wenn ja) eine solche Regelung den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1164/94 und der Closure Guidelines genügte(48).

85.      Unter Berücksichtigung dieser Faktoren untersuche ich nun die Anwendung der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 festgelegten Verjährungsfrist.

 Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95

86.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs werden mit der Verordnung Nr. 2988/95 „Rahmenregelungen … für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das [Unionsrecht]“ eingeführt, „um in allen Bereichen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen [der Union] zu bekämpfen“(49).

87.      Die Verjährungsfrist des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 soll für die Wirtschaftsteilnehmer Rechtssicherheit gewährleisten(50). Nach diesem Grundsatz ist es insbesondere erforderlich, dass die Lage des Wirtschaftsteilnehmers im Hinblick auf seine Rechte und Pflichten gegenüber der nationalen Behörde nicht unbegrenzt offenbleiben kann. Folglich muss auf die Verfolgung einer solchen Unregelmäßigkeit eine Verjährungsfrist anwendbar sein, und diese Verjährungsfrist muss im Voraus festgelegt sein. Diesbezügliche Regelungen müssen für den Betroffenen hinreichend vorhersehbar sein(51).

88.      Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 legt in Bezug auf von mir nachfolgend so bezeichnete „gesonderte Unregelmäßigkeiten“ eine Verjährungsfrist für die Verfolgung von vier Jahren ab Begehung der Unregelmäßigkeit fest. Bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten läuft die Verjährungsfrist von vier Jahren ab dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird(52). Eine Unregelmäßigkeit ist „andauernd“, wenn die Unterlassung, die dem Verstoß gegen die Gemeinschaftsbestimmung zugrunde liegt, fortbesteht(53). Eine „wiederholte“ Unregelmäßigkeit im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn sie von einem Wirtschaftsteilnehmer begangen wird, der wirtschaftliche Vorteile aus einer Gesamtheit ähnlicher Geschäfte zieht, die gegen dieselbe Vorschrift des Unionsrechts verstoßen(54). Gesonderte Unregelmäßigkeiten müssen einen ausreichenden zeitlichen Zusammenhang aufweisen, um als wiederholte Unregelmäßigkeiten betrachtet werden zu können. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang besteht, wenn die Zeitspanne zwischen den einzelnen Unregelmäßigkeiten kürzer als die allgemeine Verjährungsfrist von vier Jahren ist(55). Nach der Regelung des Art. 3 Abs. 1 beträgt die allgemeine Verjährungsfrist vier Jahre. Hiervon abgesehen habe ich den Eindruck, dass (selbst dann, wenn die im Ausgangsverfahren in Rede stehende[n] Unregelmäßigkeit[en] nicht vom Begriff eines mehrjährigen Programms umfasst ist/sind) der Gerichtshof mangels der erforderlichen Tatsachenfeststellungen nicht in der Lage ist, zu einer weiter gehenden Klärung beizutragen, ob in der vorliegenden Angelegenheit von andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten auszugehen ist.

89.      Für mehrjährige Programme ist eine besondere Verjährungsfrist vorgesehen. Hier läuft die Frist bis zum „endgültigen Abschluss“ des Programms. Daher kann den Worten „die Verjährungsfrist“ in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 entnommen werden, dass die Verjährungsfrist bei mehrjährigen Programmen allgemein vier Jahre beträgt; sie läuft jedoch bis zum endgültigen Abschluss des betreffenden Programms weiter, wenn dieses sich über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren erstreckt. Im Hinblick darauf, dass die Verordnung Nr. 2988/95 Rahmenregelungen enthält, die (für mehrjährige Programme) für eine Reihe von Bereichen gelten, überrascht es nicht, dass der Gesetzgeber keine genaue Anzahl von Jahren angegeben hat.

90.      Diese Auslegung scheint mir dem besonderen Zweck der Regelung betreffend mehrjährige Programme in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 zu entsprechen. Bei solchen Programmen bestimmt sich der Lauf der Verjährungsfrist nicht nach dem Zeitpunkt, an dem die Unregelmäßigkeit begangen wird oder beendet ist. Auch ist die Verjährungsfrist nicht auf vier Jahre begrenzt. Anders als in der Situation, die bei gesonderten Unregelmäßigkeiten und bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten gegeben ist, hängt die Verjährungsfrist bei mehrjährigen Programmen vom endgültigen Abschluss des betreffenden Programms ab. Folglich kann sie für einen längeren Zeitraum als die allgemeine Verjährungsfrist von vier Jahren laufen.

91.      Zum Begriff „Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Verjährungsfrist wie die in dieser Bestimmung vorgesehene dem Zweck dient, Rechtssicherheit zu gewährleisten, und dass dieser Zweck nicht vollständig erfüllt würde, wenn der Lauf dieser Frist durch jede allgemeine und keinen Zusammenhang mit dem Verdacht von Unregelmäßigkeiten in Bezug auf hinreichend genau umschriebene Vorgänge aufweisende Prüfungshandlung der nationalen Behörden unterbrochen würde(56). Demnach ist Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 dahin auszulegen, dass eine Handlung, um als Ermittlungs- oder Verfolgungshandlung im Sinne dieser Bestimmung eingestuft zu werden, die Vorgänge, auf die sich der Verdacht von Unregelmäßigkeiten bezieht, hinreichend genau umschreiben muss(57).

92.      Meines Erachtens ist der Landesprüfungsbericht vom 17. Dezember 2009 seiner Art nach zu allgemein, um eine solche Handlung darzustellen.

93.      Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 2988/95 setzt der Verjährung für die Verfolgung einer Unregelmäßigkeit eine absolute Grenze. Sie tritt spätestens zu dem Zeitpunkt ein, in dem eine Frist, die doppelt so lang ist wie die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 vorgesehene Verjährungsfrist von vier Jahren, abläuft, ohne dass die zuständige Behörde eine Sanktion verhängt hat, wobei die Fälle ausgenommen sind, in denen das Verwaltungsverfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung ausgesetzt worden ist(58). Die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 2988/95 vorgesehene Frist trägt somit dazu bei, die Rechtssicherheit für die Wirtschaftsteilnehmer zu erhöhen, indem sie verhindert, dass die Verfolgungsverjährung einer Unregelmäßigkeit durch wiederholte Unterbrechungshandlungen unbegrenzt hinausgezögert werden kann(59).

94.      Da das vorlegende Gericht nicht festgestellt hat, dass nach dem Sachverhalt des ihm vorliegenden Falles von andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten auszugehen ist oder dass in dieser Sache wiederholte Unterbrechungshandlungen vorgekommen sind, ist Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 2988/95 hier nicht einschlägig.

95.      Der Gerichtshof hat in der Vergangenheit auch bereits geprüft, ob Verjährungsfristen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen, und zwar insbesondere bei der Beurteilung des Zeitrahmens, innerhalb dessen Verfahren aufgrund nationaler Bestimmungen im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2988/95 durchgeführt werden können. Er hat entschieden, dass keine Verjährungsfrist „offensichtlich über das hinausgehen darf, was zur Erreichung des Ziels, die finanziellen Interessen der Union zu schützen, erforderlich ist“(60).

 Mehrjährige Programme

96.      Ich bin der Auffassung, dass das hier in Rede stehende Bauvorhaben ein mehrjähriges Programm darstellt. Die maßgebliche Verjährungsfrist ist daher gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 festzustellen.

97.      Was bedeutet die Formulierung „die Verjährungsfrist [läuft] auf jeden Fall bis zum endgültigen Abschluss des Programms“?

98.      Die litauische Regierung hat in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht, dass es sich bei allen 53 Vorhaben der Bereiche Umweltschutz und Verkehr, die ursprünglich aus ISPA Unterstützung erhielten (und für die anschließend der Kohäsionsfonds galt), um mehrjährige Programme handelte. Das hier in Rede stehende Vorhaben ist Teil dieser Gruppe von Maßnahmen. Daher trug sie vor, dass die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 festgelegte Verjährungsfrist bis zum Abschluss aller 53 Vorhaben laufe. Da einige dieser Vorhaben noch nicht abgeschlossen seien, dauere der Lauf der Verjährungsfrist weiter an. Ich bezeichne diese Variante nachfolgend als „Option 1“.

99.      Litauen hat seinen Standpunkt in der mündlichen Phase des Verfahrens geändert. Es hat nun zugestanden, dass es keines Nachweises bedürfe, dass alle 53 Vorhaben abgeschlossen seien, um davon ausgehen zu dürfen, dass die in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 festgelegte Verjährungsfrist endgültig abgelaufen sei.

100. Ich meine, dass Litauen seinen Standpunkt zu Recht geändert hat, weil Option 1 nicht in Einklang zu bringen ist mit der Verwendung des in dieser Bestimmung enthaltenen Begriffs „Programm“ in dem Sinne, dass auf das in Rede stehende Vorhaben oder die betreffende Maßnahme anstatt auf die umfassendere Unionspolitik der Gewährung von Unterstützung für größere Infrastrukturvorhaben zur Vorbereitung auf den Beitritt Bezug genommen wird. Sie ist ebenfalls nicht damit in Einklang zu bringen, dass Wirtschaftsteilnehmern Rechtssicherheit zu gewährleisten ist, ein Grundsatz, auf dem die Handhabung der in Art. 3 Abs. 1 festgelegten Verjährungsfrist beruht. Wirtschaftsteilnehmer, die an solchen Vorhaben beteiligt sind, müssen ermitteln können, welche ihrer Geschäfte Bestand haben und welche unter Umständen Gegenstand eines Rechtsstreits sein werden. Eine Verjährungsfrist, die mit dem Abschluss von Infrastrukturvorhaben abläuft, an denen der Wirtschaftsteilnehmer nicht beteiligt ist und auf die er keinen Einfluss nehmen kann, ist mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit meines Erachtens nicht vereinbar.

101. Die Kommission macht geltend, dass der Zeitpunkt, in dem ihre Dienststellen ein Vorhaben abschließen, den endgültigen Abschluss eines mehrjährigen Programms darstellt. In der vorliegenden Sache wurde dieser Abschluss durch das Schreiben vom 26. Juni 2015 herbeigeführt. Ich bezeichne diese Variante nachfolgend als „Option 2“.

102. Dieser Auffassung der Kommission schließe ich mich nicht an.

103. Option 2 würde der Kommission meines Erachtens einen erheblichen Ermessensspielraum bei der Festlegung des endgültigen Abschlusses eines Vorhabens im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 einräumen. Eine solche Auslegung wäre unvereinbar mit dem Grad an Rechtssicherheit, der zur Wahrung der Interessen der Wirtschaftsteilnehmer erforderlich ist. Sie könnte die Wirtschaftsteilnehmer einer lang andauernden Ungewissheit und einem anhaltenden Risiko aussetzen, wodurch diese in eine Lage gebracht würden, in der sie den Nachweis, dass die fraglichen Geschäfte rechtmäßig waren, nicht erbringen könnten(61). Die besagte Auslegung könnte außerdem als ein Anreiz für (jedenfalls aber nicht als ein Anreiz gegen) eine verschleppende Verwaltungspraxis der Kommission verstanden werden. Dies wäre mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar, weil der Ablauf der Verjährungsfrist nicht durch den notwendigen Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union, sondern durch die Arbeitsgeschwindigkeit der Verwaltung bestimmt würde. Dies stünde auch im Widerspruch zu Art. 41 der Charta, der garantiert, dass die Angelegenheiten einer Person innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden, sowie im Widerspruch zu den Zielen der den Abschluss von [Vorhaben] betreffenden Bestimmungen in der Verordnung Nr. 1164/94 und in den Closure Guidelines.

104. Ich lehne die Option 2 daher ab.

105. Es ist schwierig, den genauen Zeitpunkt des Abschlusses eines Bauvorhabens anzugeben, da eine Reihe von verschiedenen Phasen und Prozessen zu diesem Abschluss führen(62). Dessen ungeachtet muss der Gerichtshof eine Auslegung bereitstellen, die zum Wortlaut und den Zielen der Verordnung Nr. 2988/95 passt und die zugleich im Einklang mit der Verordnung Nr. 1164/94 steht (da das Bauvorhaben den konkreten Bestimmungen der Letzteren unterliegt).

106. Daher ist es erforderlich, insbesondere die für die Zahlung des Restbetrags der finanziellen Unterstützung geltenden und in Anhang II zur Verordnung Nr. 1164/94 (und den Closure Guidelines) enthaltenen Bestimmungen stringent und im Einklang mit der in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 enthaltenen Formulierung „[bis zum] endgültigen Abschluss des Programms“ auszulegen.

107. Die Kommissionsentscheidung über die Gewährung finanzieller Unterstützung legte die Höhe der Unterstützung, den Finanzierungsplan sowie alle Bedingungen zusammen mit dem voraussichtlichen Beendigungszeitpunkt des Vorhabens, der zugleich das Enddatum der Förderfähigkeit von Ausgaben gemäß der Verordnung Nr. 1164/94 ist, fest(63). Die wichtigsten Punkte dieser Entscheidung waren im Amtsblatt zu veröffentlichen(64). Die Kohäsionsfondsbestimmungen sahen Kontrollen (Art. 12 Abs. 1) vor und begründeten außerdem die Verpflichtung, der Kommission die gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen vorzulegen. Das allgemeine Konzept der Regelungen des Art. D Abs. 2 Buchst. d des Anhangs II zur Verordnung Nr. 1164/94 legt nahe, dass der Kommission der Schlussbericht innerhalb von sechs Monaten nach dem Ablauf der Frist für den Abschluss der Arbeiten und der Zahlungen (Art. D Abs. 2 Buchst. d dritter Gedankenstrich) oder spätestens innerhalb von 18 Monaten nach der in der Entscheidung über die Gewährung der Beteiligung genannten Frist für den Abschluss der Arbeiten und der Zahlungen (Art. D Abs. 3) vorzulegen war. Zwei Monate nach Eingang eines zulässigen Antrags auf Auszahlung hatte die Kommission eine Restzahlung an die zuständige nationale Behörde zu leisten (Art. D Abs. 5). Die nationalen Behörden waren verpflichtet, alle Belege für drei Jahre zur Einsicht durch die Kommission aufzubewahren (Art. G Abs. 3).

108. Diese Bestimmungen gestatten es nicht, einen genauen Zeitplan für den Abschluss von Vorhaben zu ermitteln. Der betreffende Zeitpunkt wird je nach den Umständen des Einzelfalls variieren. Dennoch meine ich, dass der Zusammenhang zwischen dem in der Verordnung Nr. 1164/94 geregelten Verfahren zur Herbeiführung des Abschlusses von [Vorhaben] und dem endgültigen Abschluss eines Vorhabens im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 es ermöglicht, eine weitere Auslegungsvariante auszumachen, die ich nachfolgend als „Option 3“ bezeichne.

109. Um festzustellen, ob ein Kohäsionsfonds- (oder ein früheres ISPA‑)Vorhaben als endgültig abgeschlossen zu betrachten ist, muss zuerst ermittelt werden, ob die zuständigen nationalen Behörden gegenüber der Kommission einen zulässigen Auszahlungsantrag in Bezug auf das betreffende Vorhaben gestellt haben. Zweitens sind die Kommissionsentscheidung über die Gewährung von Unterstützung und das in der Finanzierungsvereinbarung angegebene Enddatum zu berücksichtigen. Drittens muss festgestellt werden, ob der Kommission der Schlussbericht in Übereinstimmung mit Art. D Abs. 2 Buchst. d zweiter Gedankenstrich oder Art. D Abs. 3 des Anhangs II zur Verordnung Nr. 1164/94 vorgelegt worden ist. Viertens hat die Kommission nach Eingang eines zulässigen Antrags in der Regel zwei Monate Zeit, um den Restbetrag zu zahlen. Fünftens müssen die sich auf das Vorhaben beziehenden Belege, soweit nicht abweichend angegeben, für drei Jahre zur Einsichtnahme durch die Kommission aufbewahrt werden, damit sie Finanzkontrollen durchführen kann(65). Mit Ablauf dieser Frist ist das Vorhaben als endgültig abgeschlossen zu betrachten.

110. Option 3 scheint mir das Ende oder, in den Worten der Verordnung Nr. 2988/95 ausgedrückt, den „Abschluss“ eines Vorhabens zu markieren. Dieser Ansatz steht im Einklang mit den allgemeinen Pflichten der Kommission aus Art. 17 Abs. 1 EUV, nämlich den Haushaltsplan auszuführen und die Programme zu verwalten, und insbesondere mit ihrer Verpflichtung gemäß der Verordnung Nr. 1164/94, Kontrollen vorzunehmen und Finanzkorrekturen durchzuführen (vgl. Art. G und H des Anhangs II zu dieser Verordnung). Option 3 ermöglicht den Mitgliedstaaten außerdem, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Diese umfassen die Vornahme der erforderlichen Finanzkontrollen wie etwa die Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten, den Nachweis, dass das Vorhaben ordnungsgemäß ausgeführt worden ist, und die Herbeiführung der Auszahlung des Restbetrags gemäß dieser Verordnung(66).

111. Wenn es auch unzweifelhaft zutrifft, dass Wirtschaftsteilnehmer leichter Kenntnis von einer Verjährungsfrist nehmen können, wenn diese als fester Zeitraum (wie etwa vier Jahre) angegeben ist und durch ein konkretes Ereignis zu laufen beginnt, lässt sich dieses Modell doch nicht ohne Weiteres mit dem Begriff eines mehrjährigen Programms, dem fließende Übergänge eigen sind, in Einklang bringen. Das Enddatum eines solchen Programms lässt sich bei seinem Beginn allenfalls schätzen. Ich bin der Auffassung, dass Option 3 sehr wohl ausreichende Rechtssicherheit gewährleistet. Sie garantiert, dass die Rechte der Wirtschaftsteilnehmer nicht zeitlich unbegrenzt in Frage gestellt werden können. Die Verjährungsfrist wird durch Heranziehung der Verordnung Nr. 1164/94 ermittelt, d. h., die Parameter für ihre Feststellung sind im Voraus festgelegt und für den betreffenden Wirtschaftsteilnehmer ausreichend vorhersehbar. Mehrjährige Programme stellen groß angelegte Unternehmungen dar. Sie werden daher in der Regel entsprechend große und kompetente Wirtschaftsteilnehmer betreffen, von denen erwartet werden kann und darf, dass sie eine gewisse Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen und Verfahren oder aber doch Zugang zu diesen haben. Option 3 hat möglicherweise sogar den Vorteil, einen Anreiz für Wirtschaftsteilnehmer zu bieten, dafür Sorge zu tragen, dass sie den zuständigen Mitgliedstaaten rechtzeitig die erforderlichen Materialien zur Verfügung stellen, damit diese die für den Abschluss notwendigen gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen zusammenstellen können.

112. Meines Erachtens ist Option 3 insofern verhältnismäßig, als sie den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1164/94 genügt, die sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten und die Kommission ihre jeweiligen Pflichten aus dieser Verordnung erfüllen. Eine Verjährungsfrist, die das Enddatum des in Rede stehenden Vorhabens, die Vorlage des Schlussberichts und einen zulässigen Auszahlungsantrag einschließlich der Frist von zwei Monaten, die die Kommission zur Zahlung hat, sowie einer Frist von drei Jahren, in der Finanzkorrekturen vorgenommen werden können, berücksichtigt, entspricht den Regelungen, die der Gesetzgeber zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union eingeführt hat, und geht nicht über das hinaus, was für diesen Zweck erforderlich ist.

113. Was geschieht, wenn der Mitgliedstaat bei der Kommission keinen zulässigen Antrag stellt (z. B., wenn der Schlussbericht der Kommission erst nach Ablauf der in Art. D Abs. 3 des Anhangs II zur Verordnung Nr. 1164/94 festgelegten Frist von 18 Monaten [wie hier möglicherweise geschehen] oder wenn überhaupt kein Schlussbericht vorgelegt wird)(67)? Ich meine, dass es unter diesen Umständen erforderlich ist, auf das in der Finanzierungsvereinbarung und Kommissionsentscheidung über die Genehmigung des Vorhabens angegebene Enddatum des Vorhabens abzustellen. Hier sollte der Zeitraum von 18 Monaten nach Ablauf der Frist für den Abschluss der Arbeiten und der von der zuständigen nationalen Stelle vorzunehmenden Zahlungen gemäß Art. D Abs. 3 des Anhangs II zur Verordnung Nr. 1164/94 als Ersatz für die tatsächliche Vorlage des Schlussberichts herangezogen werden. Liegt ein solcher Fall vor, wird die Zahlung des Restbetrags gemäß dieser Bestimmung in jedem Fall annulliert werden müssen und die Kommission zu prüfen haben, ob die Vornahme einer Finanzkorrektur angezeigt ist. Die Gesetzesvorschrift scheint insofern eine Lücke aufzuweisen, als die Mitgliedstaaten einerseits eine Verpflichtung trifft, Belege für drei Jahre nach Vornahme der Restzahlung aufzubewahren, andererseits jedoch für den Fall, dass diese Zahlung nicht geleistet wird, kein entsprechender Zeitraum angegeben ist. Es wäre mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit jedoch unvereinbar, wenn der Kommission für die Prüfung der Sachlage ein unbegrenzter Zeitraum zur Verfügung stünde. Ebenso fragwürdig wäre es, wenn die betreffende Frist kürzer als die in Art. G Abs. 3 des Anhangs II zur Verordnung Nr. 1164/94 angegebene Frist von drei Jahren wäre. Ich bin daher der Meinung, dass die besagte Frist von drei Jahren auch dann heranzuziehen ist, wenn der betreffende Mitgliedstaat bei der Kommission keinen zulässigen Antrag gestellt hat.

114. Als natürliches Ende eines Bauvorhabens liegt der Abschluss der Bauarbeiten nahe. Ist diese mögliche Option 4 besser als Option 3?

115. Ich denke nicht.

116. Erstens enthalten die Kohäsionsfondsbestimmungen detaillierte Regelungen über den Abschluss von Vorhaben(68), während es keine vergleichbaren Vorschriften gibt, die bestimmen, wann ein Bauvorhaben abgeschlossen ist. Das Fehlen solcher Vorschriften legt nahe, dass es einen Mangel an Transparenz und auch an Rechtssicherheit gäbe, wenn der Abschluss des Bauvorhabens als der endgültige Abschluss betrachtet würde.

117. Zweitens steht es besser im Einklang mit den allgemeinen Zielen der Verordnung Nr. 2988/95, den Abschluss des Vorhabens und nicht den Zeitpunkt, in dem die Bauarbeiten abgeschlossen sind, als „Abschluss“ zu betrachten. Wenn es auch ein Ziel der Verordnung Nr. 2988/95 ist, Rechtssicherheit für die Wirtschaftsteilnehmer zu gewährleisten, besteht ihr vorrangiges Ziel doch darin, die finanziellen Interessen der Europäischen Union zu schützen, indem Unregelmäßigkeiten über die gesamte Bandbreite der Gemeinschaftspolitiken hinweg verfolgt werden(69). Hinsichtlich der Inlaufsetzung der Verjährungsfrist kommt es also darauf an, wann Unionsmittel aus dem Haushalt abfließen.

118. Ich bin daher der Ansicht, dass der Abschluss der Bauarbeiten keine plausible vierte Option darstellt.

119. Die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1164/94 schaffen einen gewissen Grad an Rechtssicherheit. Wie sie wirken, unterscheidet sich jedoch je nach den Umständen des Einzelfalls.

120. Vorliegend hat das vorlegende Gericht einige Einzelheiten zu der ursprünglichen ISPA-Entscheidung mitgeteilt(70). Allerdings liegen dem Gerichtshof fast keine Informationen darüber vor, was nach der Änderung der Finanzierungsvereinbarung durch die Kommissionsentscheidung vom 27. Dezember 2004 abgesehen davon geschehen ist, dass der 31. Dezember 2008 das neue Enddatum des Bauvorhabens wurde. Gemäß Art. D Abs. 3 des Anhangs II zur Verordnung Nr. 1164/94 hätte der Kommission der Schlussbericht spätestens bis zum 30. Juni 2010 (innerhalb der in Art. D Abs. 3 des Anhangs II zur Verordnung Nr. 1164/94 angegebenen Frist von 18 Monaten) vorgelegt werden müssen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts zu ermitteln, wann von der EPMA zu leistende Zahlungen abgeschlossen sein mussten. Zu diesem Punkt enthält der Vorlagebeschluss keine Angaben. Auch ist dem Gerichtshof nicht bekannt, ob ein zulässiger Auszahlungsantrag gestellt wurde: Falls nicht, würde die Zweimonatsfrist, mit der sich die Dinge auf den 31. August 2010 verlagern würden, nicht gelten. Dann muss die Dreijahresfrist des Art. G Abs. 3 des Anhangs II zu dieser Verordnung in die Berechnung aufgenommen werden, um es der Kommission zu ermöglichen, ihrer Pflicht zur Vornahme von Kontrollen und zur Prüfung, ob Finanzkorrekturen auferlegt werden sollten, nachzukommen.

121. Folglich würde die Verjährungsfrist dann, wenn ein zulässiger Auszahlungsantrag gestellt wurde, frühestens am 31. August 2013 ablaufen. Sie würde zwei Monate früher (also am 30. Juni 2013) enden, wenn kein derartiger Antrag gestellt wurde. In jedem Fall fallen die angefochtenen Entscheidungen vom 29. März 2013 selbst dann, wenn das Datum, an dem die EPMA die Zahlungen abzuschließen hatte, nicht nach dem 31. Dezember 2008 lag, in die Verjährungsfrist.

122. Es ist unklar, ob die litauischen Behörden und die Kommission eine Regelung getroffen hatten, die es gestattete, die gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen erheblich später als zu dem in der geänderten Finanzierungsvereinbarung angegebenen Enddatum des 31. Dezember 2008 vorzulegen(71). Ebenso unklar ist, ob, wenn dies der Fall war, eine derartige Regelung mit der Verordnung Nr. 1164/94 vereinbar gewesen wäre. Die Kommission hat keine Annullierung der Zahlung des Restbetrags wegen unterlassener Vorlage des Schlussberichts gemäß Art. D Abs. 3 des Anhangs II zu dieser Verordnung vorgenommen. Ebenso wenig hat sie den Mechanismus der Finanzkorrektur ausgelöst. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die zwischen der Kommission und den litauischen Behörden in Bezug auf den Abschluss des hier in Rede stehenden Vorhabens getroffenen Regelungen zu ermitteln und festzustellen.

123. Ich bin daher der Auffassung, dass der 30. Juni 2013 vorbehaltlich einer Prüfung der tatsächlichen Umstände durch das vorlegende Gericht als das früheste Datum anzusehen ist, an dem das Vorhaben endgültig abgeschlossen sein konnte, und dass die angefochtenen Entscheidungen folglich innerhalb der in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2988/95 niedergelegten Verjährungsfrist erlassen wurden.

124. Um zu ermitteln, wie die Verjährungsfrist im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 im Fall eines mehrjährigen Programms, das ein früheres den Bestimmungen des Anhangs II zur Verordnung Nr. 1164/94 unterliegendes ISPA-Vorhaben betrifft, zu handhaben ist, muss daher festgestellt werden, i) ob von den zuständigen nationalen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats bei der Kommission ein zulässiger Antrag auf Auszahlung im Sinne des Art. D Abs. 5 gestellt worden ist, ii) wann die in der Kommissionsentscheidung über die Gewährung der Unterstützung und in der zugehörigen Finanzierungsvereinbarung genannte Frist für den Abschluss der Arbeiten und Zahlungen abgelaufen ist, iii) ob der Kommission der nach Art. D Abs. 2 Buchst. d erforderliche Schlussbericht vorgelegt worden ist, iv) ob die in Art. D Abs. 5 festgelegte Zweimonatsfrist abgelaufen ist und v) ob seit der Restzahlung für das Vorhaben durch die Kommission ein Zeitraum von drei Jahren verstrichen ist (es sei denn, es wurde gemäß Art. G Abs. 3 eine abweichende Bestimmung getroffen). Dementsprechend ist es in Bezug auf ein Vorhaben wie die Entwicklung eines Abfallentsorgungssystems für die Region Alytus in Litauen Sache des vorlegenden Gerichts, zu diesen Punkten Feststellungen zu treffen und anhand der eigenen Feststellungen zu entscheiden, ob das mehrjährige Programm betreffend dieses Vorhaben am 30. Juni 2013 oder zu einem späteren Zeitpunkt endgültig abgeschlossen wurde.

 Ergebnis

125. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen bin ich der Auffassung, dass der Gerichtshof die vom Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht von Litauen) gestellten Fragen wie folgt beantworten sollte:

1.      Soweit gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1267/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 über ein strukturpolitisches Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt finanzielle Gemeinschaftsunterstützung für ein Vorhaben gewährt worden ist, das

–        eine förderfähige Maßnahme im Sinne des Art. 2 Abs. 2 dieser Verordnung darstellt,

–        gemäß einer Kommissionsentscheidung und einer mit den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats abgeschlossenen Finanzierungsvereinbarung geschaffen wurde und

–        über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren durchgeführt wurde,

fällt ein solches Vorhaben unter den Begriff eines mehrjährigen Programms im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften. Dementsprechend kann ein Vorhaben dieser Art vorbehaltlich einer Prüfung des vorlegenden Gerichts, dass ein Vorhaben wie die Entwicklung eines Abfallentsorgungssystems für die Region Alytus in Litauen diese Bedingungen erfüllt, ein mehrjähriges Programm im Sinne der Verordnung Nr. 2988/95 darstellen.

2.      Um zu ermitteln, wie die Verjährungsfrist im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 im Fall eines mehrjährigen Programms, das ein den Bestimmungen des Anhangs II zur Verordnung (EG) Nr. 1164/94 zur Errichtung des Kohäsionsfonds unterliegendes früheres ISPA-Vorhaben betrifft, zu handhaben ist, muss das vorlegende Gericht feststellen,

–        ob von den zuständigen nationalen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats gegenüber der Kommission ein zulässiger Auszahlungsantrag im Sinne des Art. D Abs. 5 gestellt worden ist,

–        wann die in der Kommissionsentscheidung über die Gewährung von Unterstützung und in der zugehörigen Finanzierungsvereinbarung genannte Frist für den Abschluss der Arbeiten und der Zahlungen abgelaufen ist,

–        ob der Kommission der nach Art. D Abs. 2 Buchst. d erforderliche Schlussbericht vorgelegt worden ist,

–        ob die in Art. D Abs. 5 festgelegte Zweimonatsfrist abgelaufen ist und

–        ob seit der Restzahlung für das Vorhaben durch die Kommission ein Zeitraum von drei Jahren verstrichen ist (es sei denn, es wurde gemäß Art. G Abs. 3 eine abweichende Bestimmung getroffen).

In Bezug auf ein Vorhaben wie die Entwicklung eines Abfallentsorgungssystems für die Region Alytus in Litauen ist es daher Sache des vorlegenden Gerichts, Feststellungen zu diesen Punkten zu treffen und anhand der eigenen Feststellungen zu entscheiden, ob das mehrjährige Programm betreffend dieses Vorhaben am 30. Juni 2013 oder zu einem späteren Zeitpunkt endgültig abgeschlossen wurde


1      Originalsprache: Englisch.


2 Verordnung vom 18. Dezember 1995 (ABl. 1995, L 312, S. 1).


3 Die Politik der Union zur Stärkung ihres wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts zielt im Wesentlichen darauf ab, insbesondere die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen Regionen und „den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete“ zu verringern. Vgl. hierzu Art. 174 AEUV.


4 ABl. 2010, C 83, S. 389 (im Folgenden: Charta).


5 Siehe den ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2988/95.


6 Siehe die Erwägungsgründe 2, 3 und 13 der Verordnung Nr. 2988/95.


7      Gemäß Art. 6 Abs. 1 kann die Verhängung von finanziellen Sanktionen wie Geldbußen durch Beschluss der zuständigen nationalen Behörde ausgesetzt werden, wenn gegen die betreffende Person ein Strafverfahren eingeleitet worden ist, das dieselbe Tat betrifft. Die Aussetzung des Verwaltungsverfahrens hat eine Unterbrechung der Verjährungsfrist nach Art. 3 zur Folge.


8 In den vorliegenden Schlussanträgen spreche ich von „dem maßgeblichen Zeitpunkt“.


9 Verordnung des Rates vom 16. Mai 1994 (ABl. 1994, L 130, S. 1). Diese Verordnung in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 1264/1999 des Rates (ABl. 1999, L 161, S. 57) und durch die Verordnung (EG) Nr. 1265/1999 (ABl. 1999, L 161, S. 62) geänderten Fassung galt für Vorhaben, die zum maßgeblichen Zeitpunkt in den Mitgliedstaaten durchgeführt wurden. Die Verordnung Nr. 1164/94 wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 vom 11. Juli 2006 (ABl. 2006, L 210, S. 25) aufgehoben. Der guten Ordnung halber möchte ich darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1260/1999 wie in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung angegeben allgemeine Bestimmungen über die Strukturfonds, namentlich den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung „Ausrichtung“, und das Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei, enthielt. Eine finanzielle Unterstützung aus den Strukturfonds ist nicht Gegenstand der vorliegenden Sache. Die Übergangsbestimmungen in Art. 105 der Verordnung Nr. 1083/2006 lauteten dahin gehend, dass sie weder die Fortsetzung noch die Änderung von durch den Kohäsionsfonds kofinanzierten Projekten, die von der Kommission auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1164/94 genehmigt worden waren, berührten.


10 Zum maßgeblichen Zeitpunkt galt die Verordnung vom 21. Juni 1999 (ABl. 1999, L 161, S. 73) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2382/2001 des Rates vom 4. Dezember 2001 (ABl. 2001, L 323, S. 1) und die Verordnung (EG) Nr. 2500/2001 vom 17. Dezember 2001 (ABl. 2001, L 342, S. 1) geänderten Fassung. Die Verordnung Nr. 1267/1999 wurde nachfolgend durch die Verordnung (EG) Nr. 1085/2006 des Rates vom 17. Juli 2006 zur Schaffung eines Instruments für Heranführungshilfe (ISPA) (ABl. 2006, L 210, S. 82) aufgehoben. Siehe weiter hierzu unten, Nrn. 23 bis 28.


11 Siehe den 27. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1164/94.


12 Art. 2 Abs. 5 wurde durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (im Folgenden: Beitrittsakte) (ABl. 2003, L 236, S. 33) in die Verordnung Nr. 1164/94 eingefügt.


13 Art. 10 Abs. 5 erster Gedankenstrich legte das Kriterium fest, das anzuwenden war, um zu gewährleisten, dass Vorhaben, die in den Genuss einer finanziellen Unterstützung kommen sollten, eine hohe Qualität aufwiesen.


14 Gemäß Art. D Abs. 2 Buchst. d des Anhangs II waren der Kommission folgende Unterlagen vorzulegen: i) ein Antrag auf Auszahlung (zweiter Gedankenstrich), ii) ein Schlussbericht (dritter Gedankenstrich), iii) eine Ausgabenbescheinigung (vierter Gedankenstrich) und iv) eine Abschlusserklärung einschließlich des zugehörigen Abschlussberichts (fünfter Gedankenstrich in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. f). In den vorliegenden Schlussanträgen bezeichne ich die besagten Unterlagen zusammenfassend als die „gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen“.


15 Ich verstehe den in Art. D Abs. 5 erwähnten Begriff „zulässiger Antrag“ als einen Antrag, dem pflichtgemäß die gesetzlich vorgeschriebenen, d. h. insbesondere die oben unter Nr. 20 und in Fn. 14 genannten Unterlagen beigefügt waren.


16 Erwägungsgründe 4, 7 und 14.


17 Siehe Nr. 29 unten.


18 Siehe Art. 3.


19 Art. 14 sah vor, dass die Kommission von einem Ausschuss unterstützt wird, der aus Vertretern der Mitgliedstaaten besteht und in dem der Vertreter der Kommission den Vorsitz führt.


20 Als die Kommission die ursprüngliche ISPA-Entscheidung erließ, war die Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1977, L 356, S. 1) in Kraft.


21 Art. 9 Abs. 1 Buchst. b, c und d.


22 Siehe Nrn. 1, 4 und 5 des Anhangs III zur Verordnung Nr. 1267/1999.


23 Siehe Nrn. 14 und 15 der Schlussfolgerungen der Präsidentschaft des Europäischen Rates in seiner Tagung vom 12. und 13. Dezember 1997 in Luxemburg.


24 Beschluss des Rates vom 28. Januar 2002 über die Grundsätze, Prioritäten, Zwischenziele und Bedingungen der Beitrittspartnerschaft mit Litauen (ABl. 2002, L 44, S. 54).


25 ABl. 2002, L 201, S. 5. Diese Verordnung wurde aufgehoben durch die Verordnung (EG) Nr. 1828/2006 der Kommission vom 8. Dezember 2006 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und der Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (ABl. 2006, L 371, S. 1).


26 Verordnung vom 6. Januar 2003 mit besonderen Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1164/94 des Rates in Bezug auf die Zuschussfähigkeit der Ausgaben im Rahmen von aus dem Kohäsionsfonds kofinanzierten Maßnahmen (ABl. 2003, L 2, S. 7). Diese Verordnung wurde aufgehoben durch die Verordnung Nr. 1828/2006 vom 16. Januar 2007.


27 Wegen weiterer Einzelheiten zur Kommissionsentscheidung über die Genehmigung von Vorhaben siehe oben, Nrn. 14 und 26.


28 Communication to the Commission from Ms Hübner, SEC(2007) final vom 23. April 2008.


29 Die privaten Auftragnehmerinnen sind die UAB „Alkesta“, die UAB „Skirnuva“ zusammen mit der UAB „Parama“ und die UAB „Dzūkijos statyba“. Ich bezeichne die abgeschlossenen Verträge nachfolgend als „die Beschaffungsverträge“.


30 Nach Übermittlung dieser weiteren Informationen führte die EPMA eine erneute Prüfung der Unregelmäßigkeiten, die die der Kommission gemeldeten Projektausgaben betrafen, durch, und als das vorlegende Gericht beschloss, das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zu stellen, waren diesbezüglich noch zwei Gerichtsverfahren anhängig. Aus dem Vorlagebeschluss geht jedoch hervor, dass diese anderen Verfahren nicht die den Gegenstand des Ausgangsverfahrens bildenden Angelegenheiten betreffen.


31 Ich verstehe den Begriff „Überbuchung“, wie ihn die Kommission im Schreiben vom 26. Juni 2015 verwendet, so, dass damit Ausgaben gemeint sind, die über die Obergrenze für Zuschüsse hinausgehen.


32 Siehe Art. 16a der Verordnung Nr. 1164/94. Hinsichtlich des Abschlusses von Vorhaben siehe die oben unter Nr. 37 erwähnten Closure Guidelines. Während die ursprüngliche ISPA-Entscheidung aufgrund der Verordnung Nr. 1267/1999 erlassen wurde, beziehe ich mich in meiner Analyse auf die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1164/94, da die Letzteren, darunter insbesondere die im Anhang II niedergelegten Durchführungsbestimmungen, für den Abschluss des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorhabens maßgeblich sind. Ich nehme auf die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1267/1999 also nur dort Bezug, wo dies konkret erforderlich ist.


33 Siehe oben, Nr. 41 und Fn. 29.


34 Siehe die oben unter Nr. 43 erwähnten Schlussfolgerungen.


35 Als Empfängerin von Mitteln aus dem Haushalt der Europäischen Union kann die Gesellschaft als ein Wirtschaftsteilnehmer im Sinne der Verordnung Nr. 2988/95 angesehen werden. Vgl. u. a. Urteil vom 21. Dezember 2011, Chambre de commerce et d’industrie de l’Indre (C‑465/10, EU:C:2011:867, Rn. 45).


36 Vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, Maïstrellis (C‑222/14, EU:C:2015:473, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


37 Art. 312 Abs. 1 AEUV bestimmt, i) dass mit dem mehrjährigen Finanzrahmen sichergestellt werden soll, dass die Ausgaben der Union innerhalb der Grenzen ihrer Eigenmittel eine geordnete Entwicklung nehmen, ii) dass er für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren aufgestellt wird und iii) dass bei der Aufstellung des jährlichen Haushaltsplans der Union der mehrjährige Finanzrahmen einzuhalten ist. Er stimmt nicht mit dem Haushaltsplan überein. Der Begriff des mehrjährigen Finanzrahmens wurde am 1. Dezember 2009 durch den Vertrag von Lissabon in die Verträge eingeführt. Durch die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1) wurden ergänzende Bestimmungen eingeführt, um die Haushaltsordnung an die Veränderungen anzupassen, die sich durch den Vertrag von Lissabon ergeben hatten (siehe den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Haushaltsordnung für den Jahreshaushaltsplan der Europäischen Union, KOM[2010] 815 endgültig). Ich verstehe den mehrjährigen Finanzrahmen als ein Werkzeug der Haushaltsplanung und zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin, mit dem sichergestellt werden soll, dass die Gemeinschaftsausgaben vorhersehbar sind und sich innerhalb der vereinbarten Grenzen halten.


38 Rechtsverbindliche Zusagen von Zahlungen, die nicht notwendig in demselben Jahr, sondern über mehrjährige Haushaltsjahre hinweg getätigt werden. Siehe den oben unter Nr. 15 erwähnten Art. 11 der Verordnung Nr. 1164/94.


39 Siehe Art. C Abs. 2 Buchst. a des Anhangs II zur Verordnung Nr. 1164/94.


40 Vorschlag der Kommission für eine Verordnung (EG) über ein strukturpolitisches Instrument vom 18. März 1998, KOM(1998) 138 endg., S. 7.


41 Siehe oben, Nr. 6.


42 Siehe die Verordnung Nr. 1164/94, Art. 3 Abs. 2 erster und zweiter Gedankenstrich. Siehe ferner die Definition von „Vorhaben“ in Art. A Abs. 2 des Anhangs II zu dieser Verordnung.


43      Siehe z. B. Art. C Abs. 1 des Anhangs II zur Verordnung Nr. 1164/94 betreffend Mittelbindungen.


44 Vgl. Nr. 4 des Anhangs zum Beschluss 2002/89, unter der unter der Überschrift „Umweltschutz“ die Vollendung der Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands in Bezug auf den Umweltschutz angegeben ist, wobei insbesondere die weitere Umsetzung des Besitzstands in Bezug auf die Abfallentsorgung zu den Prioritäten und Zwischenzielen gehörte, die Gegenstand der Beitrittspartnerschaft mit Litauen waren.


45 Vgl. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1267/99.


46 Vgl. Urteil vom 11. November 2010, Danosa (C‑232/09, EU:C:2010:674, Rn. 33 und 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


47 Vgl. u. a. Urteil vom 17. Januar 2013, Hewlett-Packard Europe (C‑361/11, EU:C:2013:18, Rn. 35).


48 Siehe oben, Nr. 47.


49 Vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen (C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Siehe auch den dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2988/95.


50 Vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen (C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 24).


51 Vgl. Urteil vom 5. Mai 2011, Ze Fu Fleischhandel und Vion Trading (C‑201/10 und C‑202/10, EU:C:2011:282, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


52 Vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen (C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 21).


53 Vgl. Urteil vom 2. Dezember 2004, José Peix/Kommission (C‑226/03 P, EU:C:2004:768, Rn. 17).


54 Vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen (C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).


55 Vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen (C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 52).


56 Vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen (C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 41 bis 43). Hervorhebung nur hier.


57 Vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen (C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 47).


58 Vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen (C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 63).


59 Vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen (C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 64).


60 Vgl. Urteil vom 5. Mai 2011, Ze Fu Fleischhandel und Vion Trading (C‑201/10 und C‑202/10, EU:C:2011:282, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


61 Siehe Urteil vom 11. Juni 2015, Pfeifer & Langen (C‑52/14, EU:C:2015:381, Rn. 68).


62 Siehe Sonderbericht Nr. 12/2008 des Europäischen Rechnungshofs: Strukturpolitisches Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt (ISPA), 2000-2006, dort Nr. 27.


63 Vgl. Art. 10 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1164/94 und Art. 8 der Verordnung Nr. 16/2003.


64 Art. 10 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1164/94.


65 Siehe unten, Nr. 113.


66 Vgl. z. B. Art. 12 Abs. 1 Buchst. e und f der Verordnung Nr. 1164/94. Sie ermöglicht den Mitgliedstaaten außerdem die Wahrnehmung der ihnen gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2988/95 obliegenden Aufgaben.


67 Siehe Anhang 3 zu den Closure Guidelines.


68 Siehe oben, Nr. 37.


69 Siehe oben, Nr. 6.


70 Vgl. Nrn. 42 bis 44.


71 Das vorlegende Gericht teilt in seinem Vorlagebeschluss mit, dass das Finanzministerium der Kommission am 14. Juli 2014 eine Aktualisierung des Landesprüfungsberichts nebst einer aktualisierten Abschlusserklärung vorgelegt hat.