Language of document : ECLI:EU:T:2024:218

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

10. April 2024(*)

„Unionsmarke – Verfahren zur Erklärung des Verfalls – Unionswortmarke Rebell – Teilweiser Verfall – Ernsthafte Benutzung der Marke – Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/1001 – Anspruch auf rechtliches Gehör – Begründungspflicht – Art. 94 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001“

In der Rechtssache T‑161/23,

Schönegger Käse-Alm GmbH mit Sitz in Prem (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwältin M.‑C. Seiler,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch T. Klee als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:

Jumpseat3D plus Germany GmbH mit Sitz in Berlin (Deutschland),

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Spielmann, des Richters R. Mastroianni (Berichterstatter) und der Richterin M. Brkan,

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und der Entscheidung gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Schönegger Käse-Alm GmbH, die Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 13. Januar 2023 (Sache R 295/2022‑1) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 7. August 2002 meldete die Klägerin beim EUIPO das Wortzeichen Rebell als Unionsmarke an.

3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klasse 29 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Milch und Milchprodukte, insbesondere Butter, Butterzubereitungen, Butterschmalz, Butteröl, Käse, Käseprodukte, Quark, Quarkspeisen, Milcherzeugnisse, Trockenmilcherzeugnisse, diätetische Lebensmittel unter Verwendung von Milch und Milchprodukten“.

4        Am 28. November 2005 wurde die Marke unter der Nummer 2810950 für die oben in Rn. 3 genannten Waren als Unionsmarke eingetragen.

5        Am 10. Juni 2020 beantragte die Jumpseat3D plus Germany GmbH beim EUIPO gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) die Erklärung des Verfalls, da die genannte Marke innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht ernsthaft benutzt worden sei. Dieser Antrag bezog sich auf alle oben in Rn. 3 genannten Waren.

6        Am 17. Dezember 2021 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Erklärung des Verfalls teilweise zurück und stellte fest, dass die angegriffene Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren mit Ausnahme von „Milch“, für die die Marke für verfallen erklärt wurde, weiterhin eingetragen bleiben könne.

7        Am 15. Februar 2022 legte Jumpseat3D plus Germany beim EUIPO eine Beschwerde nach den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein und beantragte, die angegriffene Marke insgesamt für verfallen zu erklären.

8        Mit der angefochtenen Entscheidung gab die Beschwerdekammer der Beschwerde teilweise statt und hob infolgedessen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung teilweise auf. Die Beschwerdekammer war im Wesentlichen der Auffassung, dass die von der Klägerin vorgelegten Nachweise die ernsthafte Benutzung der angegriffenen Marke nur für „Käse und Käseprodukte“ belegten, wobei diese eine ausreichend große und genaue Unterkategorie der allgemeinen Kategorie „Milch und Milchprodukte“ darstellten. Dagegen belegten die von der Klägerin vorgelegten Nachweise nicht die Verwendung für Milch und andere Milchprodukte, die über Käse und Käseprodukte hinausgingen. Die Beschwerdekammer kam daher zu dem Ergebnis, dass die angegriffene Marke ausschließlich für „Käse und Käseprodukte“ eingetragen bleibe, und erklärte ihren Verfall für alle anderen oben in Rn. 3 genannten Waren.

 Anträge der Parteien

9        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit die angegriffene Marke für „Milchprodukte, insbesondere Butter, Butterzubereitungen, Butterschmalz, Butteröl, Quark, Quarkspeisen, Milcherzeugnisse, Trockenmilcherzeugnisse, diätetische Lebensmittel unter Verwendung von Milch und Milchprodukten“ für verfallen erklärt wurde;

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Klägerin auferlegt wurden;

–        dem EUIPO die Kosten des Beschwerde- sowie des Klageverfahrens aufzuerlegen.

10      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        die Klägerin im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

 Rechtliche Würdigung

11      Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin drei Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung (EU) 2018/625 der Kommission vom 5. März 2018 zur Ergänzung der Verordnung 2017/1001 und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1430 (ABl. 2018, L 104, S. 1), da die Beschwerdekammer ihre Prüfungsbefugnis überschritten habe. Mit dem zweiten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 94 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2017/1001, da die Beschwerdekammer ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe und die angefochtene Entscheidung mit einem Begründungsmangel behaftet sei. Mit dem dritten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 Satz 3 und Art. 10 Abs. 3 der Delegierten Verordnung 2018/625, da die Beschwerdekammer den Umfang der Benutzung der angegriffenen Marke fehlerhaft bestimmt habe.

 Zu dem in zeitlicher Hinsicht auf den Rechtsstreit anwendbaren Recht

12      Zunächst gelten in Anbetracht des Tages der Einreichung des fraglichen Antrags auf Erklärung des Verfalls – vorliegend ist das der 10. Juni 2020 –, der für die Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts maßgebend ist, für den vorliegenden Rechtsstreit die materiell-rechtlichen Vorschriften der Verordnung 2017/1001 (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Juni 2019, Deichmann/EUIPO, C‑223/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:471, Rn. 2, und vom 3. Juli 2019, Viridis Pharmaceutical/EUIPO, C‑668/17 P, EU:C:2019:557, Rn. 3).

13      Folglich sind im vorliegenden Fall die Bezugnahmen der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung und des EUIPO in der Klagebeantwortung, insbesondere auf Art. 50 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke [ABl. 2009, L 78, S. 1] in geänderter Fassung, ihrerseits ersetzt durch die Verordnung 2017/1001), so zu verstehen, dass sie sich auf den inhaltlich identischen Art. 58 der Verordnung 2017/1001 beziehen.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2018/625

14      Die Klägerin macht geltend, die Beschwerdekammer habe ihre Prüfungsbefugnis überschritten, als sie entschieden habe, die angegriffene Marke nur für „Käse und Käseprodukte“ aufrechtzuerhalten, da diese Waren nur ein Beispiel für Milchprodukte seien, für die die Marke eingetragen sei. Außerdem werde der Umfang der Beschwerde gemäß Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Delegierten Verordnung 2018/625 durch die Beschwerdeschrift bestimmt. Da Jumpseat3D plus Germany darin den Verfall der angegriffenen Marke für alle Waren beantragt habe, habe die Beschwerdekammer, indem sie die Marke nur für bestimmte Waren für verfallen erklärt habe, die Grenzen ihrer Kompetenz überschritten und etwas entschieden, was bei ihr nicht beantragt worden sei.

15      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

16      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass sich der Antrag von Jumpseat3D plus Germany auf Erklärung des Verfalls gegen alle in der Eintragung der angegriffenen Marke benannten Waren richtete und dass dieser Antrag von der Nichtigkeitsabteilung zurückgewiesen wurde, soweit er sich gegen „Milchprodukte, insbesondere Butter, Butterzubereitungen, Butterschmalz, Butteröl, Käse, Käseprodukte, Quark, Quarkspeisen, Milcherzeugnisse, Trockenmilcherzeugnisse, diätetische Lebensmittel unter Verwendung von Milch und Milchprodukten“ richtete (vgl. Nr. 3 des verfügenden Teils der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung). Außerdem war die von Jumpseat3D plus Germany gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung eingelegte Beschwerde ausdrücklich gegen Nr. 3 des verfügenden Teils der Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung gerichtet.

17      Aus Art. 58 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 58 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 ergibt sich, dass sich der Nachweis der ernsthaften Benutzung grundsätzlich auf alle Waren oder Dienstleistungen beziehen muss, für die eine angegriffene Marke eingetragen ist. Wird der Nachweis der ernsthaften Benutzung nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen erbracht, für die eine angegriffene Marke eingetragen ist, und sind die übrigen Voraussetzungen von Art. 58 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2017/1001 erfüllt, so kann die Marke für Waren oder Dienstleistungen, für die der Nachweis der ernsthaften Benutzung nicht erbracht wurde bzw. überhaupt kein Nachweis der Benutzung erbracht wurde, für verfallen erklärt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Oktober 2016, August Storck/EUIPO – Chiquita Brands [Fruitfuls], T‑367/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:615, Rn. 21).

18      Der Wortlaut von Art. 58 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 sieht nämlich ausdrücklich vor, dass das Vorliegen eines Verfallsgrundes nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen zur Erklärung des Verfalls nur für diese Waren oder Dienstleistungen führt.

19      Daraus folgt, dass die Beschwerdekammer – unbeschadet der Prüfung der Begründung und der Begründetheit der angefochtenen Entscheidung – ihre Prüfungsbefugnis nicht überschritten hat, als sie entschieden hat, die angegriffene Marke nur für „Käse und Käseprodukte“ aufrechtzuerhalten.

20      Unter diesen Umständen ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 94 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2017/1001

21      Als Erstes trägt die Klägerin vor, die Beschwerdekammer habe ihre Ausführungen über den Zweck oder die Bestimmung der in Rede stehenden Waren zum Nachweis, dass „Käse und Käseprodukte“ Teil der einheitlichen Warenkategorie „Milchprodukte“ seien und keine eigene Untergruppe derselben darstellten, weder erwähnt noch berücksichtigt. Die Beschwerdekammer habe folglich den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, da die angefochtene Entscheidung nur auf Gründe hätte gestützt werden dürfen, zu denen sich die Beteiligten hätten äußern können. Als Zweites habe die Beschwerdekammer ihre Feststellung in Rn. 78 der angefochtenen Entscheidung, wonach „Käse und Käseprodukte“ eine eigene, selbständige Untergruppe von Milchprodukten darstellten, nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung enthalte nämlich keine Gründe oder Anhaltspunkte dafür, nach welchen Kriterien die Beschwerdekammer zu dieser Schlussfolgerung gelangt sei.

22      Das EUIPO hält dem als Erstes entgegen, dass die Beschwerdekammer in Rn. 24 der angefochtenen Entscheidung die Argumente von Jumpseat3D plus Germany für das Vorliegen einer eigenständigen Unterkategorie „Käse und Käseprodukte“ angeführt habe. Diese Argumente seien der Klägerin bekannt gewesen, da ihr die Beschwerdebegründung, die diese Argumente enthalte, im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Der Umstand, dass der entsprechende Vortrag der Klägerin nicht explizit in der angefochtenen Entscheidung erwähnt worden sei, bedeute nicht, dass er von der Beschwerdekammer bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt worden sei. Als Zweites macht das EUIPO geltend, die Beschwerdekammer habe sich, indem sie in Rn. 78 der angefochtenen Entscheidung festgestellt habe, dass „Käse und Käseprodukte“ eine ausreichend große und genaue Unterkategorie der weit gefassten Kategorie der Milchprodukte darstellten, implizit die Argumente von Jumpseat3D plus Germany zu diesem Punkt zu eigen gemacht und daher gleichzeitig das gegenteilige Vorbringen der Klägerin zurückgewiesen. Unter diesen Umständen dürfe die Begründung der Beschwerdekammer auch implizit erfolgen.

23      Was als Erstes das Vorbringen der Klägerin betrifft, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungen des EUIPO nach Art. 94 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2017/1001 nur auf Gründe gestützt werden dürfen, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Diese Bestimmung gewährleistet im Rahmen des Markenrechts der Europäischen Union den allgemeinen Grundsatz des Schutzes der Verteidigungsrechte. Nach diesem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts muss jede Person, die durch eine Entscheidung einer Behörde beschwert wird, Gelegenheit erhalten haben, vor Erlass dieser Entscheidung ihren Standpunkt gebührend darzulegen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör erstreckt sich auf alle tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte, die die Grundlage dieser Entscheidung bilden, nicht aber auf den endgültigen Standpunkt, den die Verwaltung einnehmen will (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Dezember 2010, Storck/HABM [Form einer Schokoladenmaus], T‑13/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2010:552, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 1. Juni 2016, Grupo Bimbo/EUIPO [Form eines Riegels mit vier Kreisen], T‑240/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:327, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, dass die Klägerin Gelegenheit hatte, ihre Argumente zum Umfang der Benutzung der angegriffenen Marke vor dem EUIPO geltend zu machen.

25      Die Klägerin weist nämlich selbst darauf hin, dass sie in ihrem Schriftsatz vom 30. Oktober 2020 ihre Erwägungen zum Zweck und zur Bestimmung der in Rede stehenden Waren sowie zu deren Zugehörigkeit zu derselben einheitlichen Warenkategorie, nämlich der der Milchprodukte, ausführlich dargelegt habe. Außerdem bestreitet die Klägerin nicht, dass sie zum Vorbringen von Jumpseat3D plus Germany Stellung nehmen konnte.

26      Es ist festzustellen, dass die Klägerin sowohl vor der Nichtigkeitsabteilung als auch vor der Beschwerdekammer tatsächlich Gelegenheit hatte, ihren Standpunkt gebührend darzulegen.

27      Das Vorbringen zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

28      Was als Zweites das Vorbringen der Klägerin betrifft, die angefochtene Entscheidung leide an einem Begründungsmangel, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 die Entscheidungen des EUIPO mit Gründen zu versehen sind. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass diese Verpflichtung den gleichen Umfang wie die aus Art. 296 Satz 2 AEUV hat und dass die nach dem genannten Artikel vorgeschriebene Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss. Denn die Pflicht des EUIPO, seine Entscheidungen zu begründen, dient dem doppelten Ziel, zum einen die Beteiligten über die Gründe für die erlassene Maßnahme zu unterrichten, damit sie ihre Rechte verteidigen können, und zum anderen es dem Unionsrichter zu ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen (Urteile vom 21. Oktober 2004, KWS Saat/HABM, C‑447/02 P, EU:C:2004:649, Rn. 64 und 65, und vom 23. September 2015, Mechadyne International/HABM [FlexValve], T‑588/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:676, Rn. 57).

29      Im Übrigen ist die Beschwerdekammer nicht verpflichtet, ausdrücklich und erschöpfend auf jedes einzelne Argument der am Verfahren vor ihr Beteiligten einzugehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Mai 2012, Rubinstein und L’Oréal/HABM, C‑100/11 P, EU:C:2012:285, Rn. 112, und vom 6. September 2012, Storck/HABM, C‑96/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:537, Rn. 88), sofern sie den Sachverhalt und die rechtlichen Erwägungen darstellt, denen im Aufbau der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. Urteil vom 24. November 2015, Intervog/HABM [meet me], T‑190/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:874, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Art. 58 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 verhindern soll, dass eine teilweise benutzte Marke nur deshalb einen weitgehenden Schutz genießt, weil sie für eine breite Palette von Waren oder Dienstleistungen eingetragen ist. Bei der Anwendung dieser Bestimmung ist daher die Größe der Gruppen von Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen worden ist, im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, deren ernsthafte Benutzung tatsächlich nachgewiesen worden ist, und insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit zur Beschreibung dieser Gruppen allgemeine Formulierungen verwendet wurden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 14. Juli 2005, Reckitt Benckiser [España]/HABM – Aladin [ALADIN], T‑126/03, EU:T:2005:288, Rn. 42 bis 44).

31      Der Normzweck des Erfordernisses, wonach eine Marke ernsthaft benutzt worden sein muss, um nach dem Unionsrecht geschützt zu sein, liegt darin, dass das Register des EUIPO nicht als ein strategisches und statisches Depot aufgefasst werden darf, das einem untätigen Rechtsinhaber auf unbestimmte Zeit ein rechtliches Monopol verschafft. Vielmehr soll dieses Register wahrheitsgetreu die Angaben widerspiegeln, die die Unternehmen tatsächlich auf dem Markt benutzen, um ihre Waren und Dienstleistungen im Wirtschaftsleben von anderen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 15. Juli 2015, Deutsche Rockwool Mineralwoll/HABM – Recticel [λ], T‑215/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:518, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Ein Verbraucher, der eine Ware oder Dienstleistung erwerben möchte, die zu einer besonders genau definierten Gruppe von Waren oder Dienstleistungen gehört, innerhalb deren es aber nicht möglich ist, eindeutige Unterteilungen vorzunehmen, wird alle zu dieser Gruppe gehörenden Waren oder Dienstleistungen mit einer für diese Gruppe von Waren oder Dienstleistungen eingetragenen Marke in Verbindung bringen, so dass diese Marke ihre Hauptfunktion, die Herkunft dieser Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, erfüllt. Unter diesen Umständen genügt es, vom Inhaber einer solchen Marke zu verlangen, den Nachweis der ernsthaften Benutzung seiner Marke für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen zu erbringen, die in diese homogene Gruppe fallen. Dagegen ist in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen, die in einer weiten Gruppe zusammengefasst sind, die in mehrere selbständige Untergruppen unterteilt werden kann, vom Inhaber einer für diese Gruppe von Waren oder Dienstleistungen eingetragenen Marke zu verlangen, dass er den Nachweis der ernsthaften Benutzung seiner Marke für jede dieser selbständigen Untergruppen erbringt; andernfalls können seine Rechte an der Marke für die selbständigen Untergruppen, für die er keinen solchen Nachweis erbracht hat, für verfallen erklärt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, ACTC/EUIPO, C‑714/18 P, EU:C:2020:573, Rn. 42 und 43).

33      Der Begriff der teilweisen Benutzung bezweckt zwar, dass Marken, die für eine bestimmte Warengruppe nicht benutzt worden sind, verfügbar bleiben; er darf jedoch nicht bewirken, dass der Inhaber der älteren Marke jeden Schutz für Waren verliert, die zwar nicht völlig mit den Waren identisch sind, für die er eine ernsthafte Benutzung hat nachweisen können, die sich jedoch von diesen nicht wesentlich unterscheiden und zu ein und derselben Gruppe gehören, bei der jede Unterteilung willkürlich wäre. Schließlich ist es dem Inhaber einer Marke praktisch unmöglich, deren Benutzung für alle denkbaren Varianten der von der Eintragung betroffenen Waren nachzuweisen. Infolgedessen kann sich der Begriff „Teil der Waren oder Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 58 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 nicht auf alle kommerziellen Ausprägungen ähnlicher Waren oder Dienstleistungen beziehen, sondern nur auf jene Waren oder Dienstleistungen, die unterschiedlich genug sind, um kohärente Gruppen oder Untergruppen bilden zu können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Juli 2005, ALADIN, T‑126/03, EU:T:2005:288, Rn. 46, und vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, EU:T:2007:46, Rn. 24).

34      In Bezug auf das oder die relevanten Kriterien, die zur Bestimmung einer kohärenten Untergruppe von Waren oder Dienstleistungen, die als selbständig angesehen werden kann, anzuwenden sind, hat der Gerichtshof im Kern festgestellt, dass das Kriterium des Zwecks und der Bestimmung der fraglichen Waren oder Dienstleistungen ein wesentliches Kriterium für die Definition einer selbständigen Untergruppe von Waren darstellt (vgl. Urteil vom 16. Juli 2020, ACTC/EUIPO, C‑714/18 P, EU:C:2020:573, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beschwerdekammer, nachdem sie festgestellt hatte, dass aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen hervorgehe, dass die angegriffene Marke für verschiedene Käse ernsthaft benutzt worden sei, in den Rn. 32 und 78 der angefochtenen Entscheidung auf die Feststellung beschränkt hat, dass „Käse und Käseprodukte“, die unter den Oberbegriff „Milch und Milchprodukte“ fielen, eine ausreichend große und genaue Unterkategorie dieses Begriffs darstellten. Die Beschwerdekammer hat daher den Verfall für alle oben in Rn. 3 genannten Milchprodukte mit Ausnahme von „Käse und Käseprodukten“ erklärt.

36      Es ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer dadurch, dass sie nicht im Einzelnen die Gründe angegeben hat, aus denen sie „Käse und Käseprodukte“ als selbständige Untergruppe von Milchprodukten angesehen hat, und insbesondere nicht auf den Zweck oder die Bestimmung dieser Waren im Verhältnis zu den anderen von der angegriffenen Marke erfassten Milchprodukten Bezug genommen hat, nicht den gesamten Sachverhalt und die gesamten rechtlichen Erwägungen dargestellt hat, die für die Bestimmung des teilweisen Verfalls der angegriffenen Marke von wesentlicher Bedeutung sind, so dass die angefochtene Entscheidung unzureichend begründet ist.

37      Das EUIPO macht geltend, die Beschwerdekammer habe sich insoweit implizit die Argumente von Jumpseat3D plus Germany zu eigen gemacht und daher die Gegenargumente der Klägerin gleichzeitig zurückgewiesen. Dieses Vorbringen des EUIPO kann keinen Erfolg haben. Zum einen ist nämlich festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung keinerlei Bezugnahme auf die Argumente von Jumpseat3D plus Germany enthält, die sie sich zu eigen gemacht habe. Zum anderen wäre eine Begründung in Bezug auf diesen Aspekt des Rechtsstreits umso notwendiger gewesen, als die Nichtigkeitsabteilung im Gegensatz zur Beschwerdekammer die Auffassung vertreten hatte, dass die Kategorie der Milchprodukte nicht ausreichend weit sei, um mehrere Unterkategorien zu bestimmen (vgl. Rn. 11 der angefochtenen Entscheidung).

38      Unter diesen Umständen lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen, aus welchen Erwägungen die Beschwerdekammer zu dem Schluss gelangt ist, dass „Käse und Käseprodukte“ eine selbständige Untergruppe von Milchprodukten seien.

39      Ist die Begründung jedoch nicht ausreichend, um die Rechtmäßigkeit der Beurteilung der Beschwerdekammer zu überprüfen, ist es nicht Sache des Gerichts, eine auf Gründe, die nicht aus der angefochtenen Entscheidung hervorgehen, gestützte Analyse vorzunehmen oder die dem EUIPO durch die Verordnung 2017/1001 übertragenen Zuständigkeiten selbst wahrzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juni 2015, Polytetra/HABM – EI du Pont de Nemours [POLYTETRAFLON], T‑660/11, EU:T:2015:387, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Daher ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung unzureichend begründet ist.

41      Nach alledem ist, ohne dass der dritte Klagegrund geprüft zu werden braucht, dem zweiten Klagegrund stattzugeben und somit die angefochtene Entscheidung aufzuheben, soweit der Verfall der angegriffenen Marke für „Milchprodukte, insbesondere Butter, Butterzubereitungen, Butterschmalz, Butteröl, Quark, Quarkspeisen, Milcherzeugnisse, Trockenmilcherzeugnisse, diätetische Lebensmittel unter Verwendung von Milch und Milchprodukten“ erklärt wurde.

 Kosten

42      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

43      Da das EUIPO unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

44      Außerdem hat die Klägerin beantragt, dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen, die ihr im Rahmen des Beschwerdeverfahrens entstanden sind.

45      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 190 Abs. 2 der Verfahrensordnung nur die Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten gelten.

46      Insoweit wird die Beschwerdekammer im Licht des vorliegenden Urteils über die Kosten dieses Verfahrens zu entscheiden haben.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 13. Januar 2023 (Sache R 295/2022-1) wird aufgehoben, soweit die Unionswortmarke Rebell für „Milchprodukte, insbesondere Butter, Butterzubereitungen, Butterschmalz, Butteröl, Quark, Quarkspeisen, Milcherzeugnisse, Trockenmilcherzeugnisse, diätetische Lebensmittel unter Verwendung von Milch und Milchprodukten“ für verfallen erklärt wurde.

2.      Das EUIPO trägt die Kosten.

Spielmann

Mastroianni

Brkan

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. April 2024.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

M. van der Woude


*      Verfahrenssprache: Deutsch.