URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)
28. September 1999 (1)
„Bananen Einfuhren aus AKP- und Drittstaaten Antrag auf Einfuhrlizenzen
Härtefall Übergangsmaßnahmen Verordnung (EWG) Nr. 404/93“
In der Rechtssache T-254/97
Fruchthandelsgesellschaft mbH Chemnitz, Gesellschaft deutschen Rechts mit Sitz
in Chemnitz (Deutschland), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Jürgen Mielke
und Thorsten W. Albrecht, Hamburg, Zustellungsanschrift: Kanzlei der
Rechtsanwälte Entringer und Niedner, 34 A, rue Philippe II, Luxemburg,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Klaus-Dieter
Borchardt und Hubert van Vliet, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre
Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
unterstützt durch
Königreich Spanien, vertreten durch Abogado del Estado Rosario Silva de
Lapuerta, Dienst für Verfahren beim Gerichtshof, als Bevollmächtigte,
Zustellungsanschrift: Spanische Botschaft, 4-6, boulevard Emmanuel Servais,
Luxemburg,
und
Französische Republik, vertreten durch Kareen Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin
in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige
Angelegenheiten, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Französische Botschaft,
8 B, boulevard Joseph II,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 9. Juli 1997
(VI/6251/97/DE), mit der der Antrag der Klägerin auf Zuteilung zusätzlicher
Einfuhrlizenzen im Rahmen der Übergangsmaßnahmen im Sinne von Artikel 30
der Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die
gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1) abgelehnt wurde,
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten J. D. Cooke sowie des Richters
R. García-Valdecasas und der Richterin P. Lindh,
Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20.
April 1999,
folgendes
Urteil
- 1.
- Die Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die
gemeinsame Marktorganisation für Bananen (ABl. L 47, S. 1) führte eine
gemeinsame Einfuhrregelung für Bananen ein, die an die Stelle der verschiedenen
nationalen Regelungen trat. Um eine zufriedenstellende Vermarktung der in der
Gemeinschaft geernteten Bananen und der Erzeugnisse aus den Staaten Afrikas,
der Karibik und des Pazifischen Raums (AKP-Staaten) sowie anderen Drittländern
zu gewährleisten, sieht die Verordnung Nr. 404/93 die Eröffnung eines jährlichen
Zollkontingents für Einfuhren von „Drittlandsbananen“ und „nichttraditionellen
AKP-Bananen“ vor. Die nichttraditionellen AKP-Bananen entsprechen den von den
AKP-Staaten ausgeführten Mengen, die die traditionell von jedem einzelnen dieser
Staaten ausgeführten Mengen, wie sie im Anhang der Verordnung Nr. 404/93
festgesetzt sind, übersteigen.
- 2.
- Jährlich wird eine Bedarfsvorausschätzung der Erzeugung und des Verbrauchs in
der Gemeinschaft sowie der Ein- und Ausfuhren erstellt. Das anhand dieser
Bedarfsvorausschätzung festgesetzte Zolltarifkontingent wird unter den in der
Gemeinschaft niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmern aufgeteilt nach Maßgabe
der Herkunft und der Durchschnittsmengen von Bananen, die sie in den letzten
drei Jahren abgesetzt haben, für die statistische Angaben verfügbar sind. Aufgrund
dieser Aufteilung werden Einfuhrlizenzen ausgestellt, mit denen die
Wirtschaftsteilnehmer Bananen abgabenfrei oder zu Präferenzzolltarifen einführen
können.
- 3.
- Die zweiundzwanzigste Begründungserwägung der Verordnung Nr. 404/93 lautet
wie folgt:
„Dadurch, daß die gemeinsame Marktorganisation mit Inkrafttreten dieser
Verordnung an die Stelle der verschiedenen nationalen Regelungen tritt, könnten
sich auf dem Binnenmarkt Störungen ergeben. Daher sollte die Kommission ab 1.
Juli 1993 die Möglichkeit haben, Übergangsmaßnahmen zu treffen, um etwaige
Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Durchführung der neuen Regelung
beheben zu können.“
- 4.
- Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 lautet:
„Erweisen sich besondere Maßnahmen ab Juli 1993 als notwendig, um den
Übergang von den vor Inkrafttreten dieser Verordnung gültigen Regelungen zu der
durch diese Verordnung eingeführten Regelung zu erleichtern und insbesondere
ernsthafte Schwierigkeiten zu überwinden, so trifft die Kommission ... alle für
erforderlich erachteten Übergangsmaßnahmen.“
Sachverhalt und Verfahren
- 5.
- Die Klägerin ist eine Gesellschaft, die Fruchthandel betreibt, die aus der VEB-Großhandelsgesellschaft OGS Karl-Marx-Stadt (im folgenden:
Großhandelsgesellschaft), einem Volkseigenen Betrieb der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik (DDR), hervorgegangen ist. Die Großhandelsgesellschaft
wurde unter der Bezeichnung „Fruchthandelsgesellschaft mbH Chemnitz“
privatisiert und durch die Treuhandanstalt, eine Einrichtung des öffentlichen
Rechts, die die Umstrukturierung der Unternehmen der ehemaligen DDR zur
Aufgabe hat, verwaltet.
- 6.
- 1990 ließ die Treuhandanstalt die veralteten Reifungsanlagen des Unternehmens
umbauen und modernisieren. In diesen neuen Anlagen, die eine Jahreskapazität
von 14 750 t ermöglicht hätten, wurden von 1991 bis 1993 nur 5 000 t Bananen
gereift. Im April 1993 beschloß die Treuhandanstalt, den Betrieb der
Reifungsanlage einzustellen.
- 7.
- Mit Vertrag vom 17. Dezember 1993 wurde die Fruchthandelsgesellschaft mbH
Chemnitz an die Peter Vetter GmbH Fruchtimport + Agentur verkauft. Nach dem
Kaufvertrag sollten namentlich die Firma des Unternehmens fortgeführt und
sämtliche Arbeitnehmer übernommen werden. Außerdem wurde vereinbart, daß
sich der Käufer verpflichtet, bis zum 31. Dezember 1996 keine wesentlichen
Betriebsgrundlagen des Betriebsteils ohne Zustimmung der Treuhandanstalt zu
veräußern und den Geschäftsbetrieb mit dem derzeitigen Geschäftsgegenstand für
eine Dauer von mindestens drei Jahren ab dem Übernahmestichtag fortzuführen.
Schließlich verpflichtete sich der Erwerber, Investitionen in Höhe von insgesamt 1
Million DM zu tätigen.
- 8.
- Der Bau neuer Anlagen, einschließlich einer Bananenreifungsanlage, begann 1995.
Er erforderte Investitionen von insgesamt etwa 8,5 Millionen DM und ermöglichte
eine Produktionskapazität von jährlich 10 500 t Bananen.
- 9.
- Nach der Fertigstellung der neuen Bananenreifungsanlage stellte die Klägerin bei
der Kommission mit Schreiben vom 18. Dezember 1996 einen Antrag auf
Gewährung zusätzlicher Einfuhrlizenzen für Bananen im Rahmen des
Zollkontingents gemäß Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93.
- 10.
- Die Kommission lehnte diesen Antrag mit Entscheidung (VI/6251/97/DE) vom 9.
Juli 1997 (im folgenden: angefochtene Entscheidung) ab.
- 11.
- In dieser Entscheidung heißt es insbesondere:
„Die Fruchthandelsgesellschaft hat folgenden Sachverhalt geltend gemacht: Das
Unternehmen sei am 1. Januar 1994 gegründet worden und aus einem
Treuhandbetrieb hervorgegangen, der durch einen Beschluß der Treuhandanstalt
im April 1993 geschlossen worden sei. Die Bananenreifungsanlagen des
Vorgängerbetriebs seien von der Treuhandanstalt 1994 veräußert worden. Das
Unternehmen habe im Dezember 1994 von der Treuhandanstalt ein Grundstück
erworben und darauf eine Bananenreifungsanlage errichtet. Die Bananenreifung
in dieser Anlage habe im Juli 1996 in dieser Anlage beginnen können. Die
Reifungskapazität dieser Anlage betrage 10 500 jato.
... Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 gibt der Kommission die Befugnis und
verpflichtet sie gegebenenfalls zur Regelung von Härtefällen, die dadurch auftreten,
daß Importeure von Drittlandsbananen oder nichttraditionellen AKP-Bananen in
existenzielle Schwierigkeiten geraten, weil ihnen auf der Grundlage der nach
Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung zu berücksichtigenden Referenzjahre ein
ungewöhnlich niedriges Kontingent zugeteilt worden ist, wenn diese Schwierigkeiten
untrennbar mit dem Übergang von den vor Inkrafttreten dieser Verordnung
bestehenden nationalen Regelung[en] zur gemeinsamen Marktorganisation
verbunden und nicht auf mangelnde Sorgfalt der betroffenen Marktbeteiligten
zurückzuführen sind.
...
Die Verordnung (EWG) Nr. 404/93 war am 25. Februar 1993 im Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden und ist am 1. Juli 1993 in
Kraft getreten. Der Vorschlag zur Einführung der gemeinsamen Marktorganisation
für Bananen war am 10. September 1992 veröffentlicht worden.
Die Fruchthandelsgesellschaft war nach den oben genannten Zeitpunkten
gegründet worden. Daher konnte die Fruchthandelsgesellschaft ihre Maßnahmen
nicht getroffen haben, ohne voraussehen zu können, welche Folgen diese
Maßnahme nach Inkrafttreten der gemeinsamen Marktorganisation haben würde.
Von der Treuhandanstalt vor dem Zeitpunkt der Gründung der
Fruchthandelsgesellschaft getroffene Maßnahmen können nicht als von der
Fruchthandelsgesellschaft getroffen angesehen werden.
In Anwendung der vom Gerichtshof angelegten Kriterien kann der Fall der
Fruchthandelsgesellschaft nicht als Härtefall anerkannt werden, weswegen die
Zuteilung zusätzlicher Einfuhrlizenzen abzulehnen ist.
...“
Verfahren und Anträge der Parteien
- 12.
- Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 17. September 1997 eingereicht worden
ist, die vorliegende Klage erhoben.
- 13.
- Das Königreich Spanien und die Französische Republik haben am 16. Januar bzw.
17. Februar 1998 beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelfer zur
Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Diesen
Anträgen ist mit Beschlüssen des Präsidenten der Vierten Kammer vom 17. Juni
1998 stattgegeben worden. Das Königreich Spanien und die Französische Republik
haben am 30. Juli bzw. 3. September 1998 ihre Streithilfeschriftsätze eingereicht.
- 14.
- Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche
Verhandlung zu eröffnen. Die Kommission ist durch prozeßleitende Verfügung im
Sinne von Artikel 64 der Verfahrensordnung aufgefordert worden, den Bericht des
Ständigen Berufungsgremiums (Standing Appelate Body) der
Welthandelsorganisation (WTO) vom 9. September 1997 betreffend die
gemeinsame Marktorganisation für Bananen vorzulegen.
- 15.
- Die Parteien und das Königreich Spanien als Streithelfer haben in der öffentlichen
Sitzung vom 20. April 1999 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts
beantwortet.
- 16.
- Die Klägerin beantragt,
die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 17.
- Die beklagte Kommission beantragt,
die Klage abzuweisen;
der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
- 18.
- Das Königreich Spanien als Streithelfer beantragt, die Klage abzuweisen.
- 19.
- Die Französische Republik als Streithelferin beantragt, die Klage abzuweisen.
Klageantrag auf Nichtigerklärung
- 20.
- Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Grund, mit dem sie einen Verstoß
gegen Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 und Ermessensmißbrauch geltend
macht. In ihrer Erwiderung hat sie ausgeführt, daß ihre Klage durch die
Auswirkungen des Berichtes des Ständigen Berufungsgremiums der WTO vom 9.
September 1997, der vom Streitbeilegungsgremium der WTO vom 25. September
1997 angenommen worden sei, gegenstandslos geworden sein könne. In der
mündlichen Verhandlung hat sie erklärt, sie habe immer noch Interesse an der
Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung, und diese Nichtigerklärung
könne möglicherweise auf die Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums gestützt
werden.
Zu den Auswirkungen des Berichtes des Ständigen Berufungsgremiums vom 9.
September 1997 und der Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums über die
Annahme dieses Berichtes
Vorbringen der Parteien
- 21.
- Die Klägerin macht geltend, in dem am 9. September 1997 vom Ständigen
Berufungsgremium abgegebenen und vom Streitbeilegungsgremium am 25.
September 1997 angenommenen Bericht sei festgestellt worden, daß das durch die
Verordnung Nr. 404/93 eingeführte System der Einfuhrlizenzen für
Drittlandsbananen in verschiedener Hinsicht gegen das Allgemeine Zoll- und
Handelsabkommen (im folgenden: GATT) verstoße und in seiner gegenwärtigen
Konzeption nicht in einer dem GATT konformen Weise durchgeführt werden
könne.
- 22.
- Die bindenden Entscheidungen des Streitbeilegungsgremiums könnten eineunmittelbare Auswirkung auf die Gemeinschaftsrechtsordnung haben.
- 23.
- Die Kommission macht geltend, selbst wenn man der Entscheidung des
Streitbeilegungsgremiums unmittelbare Wirkung beilege, habe diese keine
Auswirkung auf die Situation der Klägerin. Denn diese Entscheidung stelle das
Bestehen des Zollkontingents für Drittlandsbananen und nichttraditionelle AKP-Bananen nicht in Frage. Jedenfalls wäre selbst dann, wenn das gegenwärtige
Einfuhrlizenzensystem nicht angewandt würde, nicht sicher, ob und inwieweit die
Klägerin Einfuhrlizenzen im Rahmen des Zollkontingents als
Bananenreifungsunternehmen zugeteilt erhalten könne. Die Klägerin könne daher
ein subjektives Recht auf Teilhabe am Zollkontingent weder aus den GATT-Regeln
noch aus der Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums, noch aus den
Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts herleiten.
- 24.
- In der mündlichen Verhandlung hat das Königreich Spanien zur Unterstützung des
Standpunkts der Kommission namentlich ausgeführt, die Feststellung des Ständigen
Berufungsgremiums, daß eine Maßnahme mit einem WTO-Übereinkommen
unvereinbar sei, bewirke nur, daß dem betreffenden Mitglied empfohlen werde,
seine Regelung in Einklang mit dem Übereinkommen zu bringen. Diese
Feststellung verpflichte das betreffende Mitglied nicht, seine Regelung zu ändern,
denn Artikel 22 der Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von
Streitigkeiten (ABl. L 336, S. 234) sehe für die beschwerdeführende Partei auch die
Möglichkeit vor, eine Entschädigung oder die Aussetzung von Zugeständnissen zu
erhalten.
- 25.
- Im übrigen habe der Gerichtshof entschieden, daß das GATT seiner Natur nach
keine unmittelbare Wirkung entfalte und es nicht ermögliche, die Gültigkeit einer
Gemeinschaftsbestimmung in Frage zu stellen. Andernfalls würde es zudem zu
einer Durchbrechung des Rechtsprechungsmonopols des Gerichtshofes gemäß
Artikel 164 EG-Vertrag (jetzt Artikel 220 EG) kommen.
Würdigung durch das Gericht
- 26.
- Der vom Streitbeilegungsgremium am 25. September 1997 angenommene Bericht
des Ständigen Berufungsgremiums vom 9. September 1997 stellt das System der
Zollkontingente nicht als solches in Frage. Denn dieser Bericht gelangt zu dem
Ergebnis, daß das durch die Verordnung Nr. 404/93 eingeführte System bestimmte
diskriminierende Elemente enthalte, erklärt aber das System nicht für insgesamt
unvereinbar mit dem GATT oder dem Allgemeinen Übereinkommen über den
Handel mit Dienstleistungen (GATS). Daher hat die Gemeinschaft Änderungen an
der durch die Verordnung Nr. 404/93 eingeführten Regelung vorgenommen, um
diesem Bericht und der Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums nachzukommen
(vgl. Verordnung [EG] Nr. 1637/98 des Rates vom 20. Juli 1998 zur Änderung der
Verordnung Nr. 404/93 [ABl. L 210, S. 28]).
- 27.
- Somit kann sich die Klägerin für ihre Ansicht, das System der gemeinsamen
Marktorganisation im Bananensektor bestehe nicht mehr, nicht auf diesen Bericht
und diese Entscheidung berufen.
- 28.
- Im übrigen hat die Klägerin keinen rechtlichen Zusammenhang zwischen der
Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums und ihrer Klage dargetan.
- 29.
- Nach der Gemeinschaftsrechtsprechung kann eine Bestimmung einer Entscheidung,
die nicht an den Betroffenen gerichtet ist, nur dann ihm gegenüber unmittelbare
Wirkung entfalten, wenn diese Bestimmung ihrem Adressaten eine unbedingte und
hinreichend eindeutige, klare Verpflichtung gegenüber dem Betroffenen auferlegt
(vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 6. Oktober 1970 in der Rechtssache 9/70, Grad,
Slg. 1970, 825, Randnr. 9, vom 26. Oktober 1982 in der Rechtssache 104/81,
Kupferberg, Slg. 1982, 3641, Randnrn. 22 und 23, und vom 5. Oktober 1994 in der
Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Randnr. 110).
- 30.
- Die Klägerin hat jedoch nichts dafür vorgetragen, daß diese Kriterien erfüllt wären.
Die Argumentation der Klägerin mit den Auswirkungen des Berichtes des
Ständigen Berufungsgremiums und der Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums
ist daher als unbegründet zurückzuweisen, ohne daß zu prüfen ist, ob die
bindenden Entscheidungen des Streitbeilegungsgremiums unmittelbare Wirkung
haben.
Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 und eines
Ermessensmißbrauchs
Vorbringen der Parteien
- 31.
- Die Klägerin macht geltend, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen die
Verordnung Nr. 404/93, insbesondere deren Artikel 30, und die Kommission habe
sich eines Ermessensmißbrauchs schuldig gemacht.
- 32.
- So habe die Kommission die im Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1996
in der Rechtssache C-68/95 (T. Port, Slg. 1996, I-6065) für die Annahme eines
Härtefalls aufgestellten Voraussetzungen nicht beachtet.
- 33.
- Erstens macht die Klägerin geltend, in der angefochtenen Entscheidung werde der
Sachverhalt insoweit falsch gewürdigt, als dort ausgeführt werde, daß ihre
Schwierigkeiten auf ihr Verhalten zurückzuführen seien. Die Weisung der
Treuhandanstalt, die Bananenreifung im April 1993 zu unterbrechen, stelle einen
außergewöhnlichen Umstand dar, der ihr nicht zugerechnet werden könne. Diese
Unterbrechung dürfe bei der Festlegung ihrer Rechte im Rahmen der Zuteilung
von Einfuhrlizenzen nicht berücksichtigt werden, da sie Nachfolgerin der
Großhandelsgesellschaft sei. Angesichts der besonderen Situation der neuen
Bundesländer sei ihr Bananenkontingent auf der Grundlage der Kapazität dieses
Unternehmens zu berechnen.
- 34.
- Im übrigen sei die Schließung der Reifungsanlage im April 1993 nicht beschlossen
worden, um langfristigen geschäftlichen Zielen zu dienen, sondern um mögliche
Investoren anzulocken. Da die Modernisierung nicht den gewünschten Erfolg
gebracht habe, sei die Klägerin im Januar 1993 innerhalb der Treuhandanstalt von
der Abteilung „Abwicklung“ geführt worden, deren Sachbearbeiter die einzige
Aufgabe gehabt hätten, Sozialpläne für die Arbeitnehmer zu erstellen und die
Sachwerte des Unternehmens zu veräußern.
- 35.
- Weiter führt die Klägerin aus, der Bau der Reifungsanlage für Bananen sei für sie
unabdingbare Voraussetzung für ein langfristiges Bestehen am Markt gewesen. Sie
sei der einzige Großhändler im Umkreis von 100 km, der über ein volles Sortiment
verfüge, und sie habe stets die Grundversorgung der Bevölkerung ihrer Region mit
Obst und Gemüse sichergestellt, was sie durch die Zeugenaussage eines
Angestellten eines ihrer Abnehmer belegen könne.
- 36.
- Die großen Fruchthandelshäuser und Großhändler der alten Bundesländer, die ein
vollständiges Sortiment anböten, verfügten alle über ihre eigene Bananenreifung.
Soweit die Kommission dies bestreite, berufe die Klägerin sich zum Beweis auf das
Gutachten eines Sachverständigen.
- 37.
- Schließlich habe die Kommission das Bestehen einer ununterbrochenen
Reifungstätigkeit seit der Privatisierung der Großhandelsgesellschaft dadurch
anerkannt, daß sie als Referenzmengen im Rahmen der Zuteilung von
Einfuhrlizenzen die in der ehemaligen Bananenreifungsanlage 1991, 1992 und 1993
gereiften Mengen Bananen herangezogen habe.
- 38.
- Daher ist die Klägerin der Ansicht, ihr könne nicht vorgehalten werden, daß sie zur
Zeit der Errichtung ihrer neuen Reifungsanlage 1995 Kenntnis von der Verordnung
Nr. 404/93 gehabt habe. Wenn die Anwendung dieser Verordnung sie gezwungen
hätte, ihre Reifungstätigkeit endgültig einzustellen, wäre dies einem Berufsverbot
gleichgekommen, das ihre Existenz bedroht und zur Entlassung zahlreicher
Mitarbeiter, die im wesentlichen auf Tätigkeiten bei der Bananenreifung
spezialisiert gewesen seien, geführt hätte. Damit würden letztlich alle traditionellen
Fruchthandelshäuser aus der ehemaligen DDR, die in den Jahren zwischen 1990
und 1995 umstrukturiert und modernisiert worden seien, auf Dauer vom
Bananenreifungsgeschäft ausgeschlossen, was einem Protektionismus innerhalb der
Gemeinschaft gleich käme.
- 39.
- Zweitens macht die Klägerin geltend, ihre Schwierigkeiten beruhten auf der
Einführung der gemeinsamen Marktorganisation im Bananensektor. Denn der nach
diesem System festgelegte Referenzzeitraum sei ein diskriminierendes Kriterium,
da sie in den berücksichtigten Jahren keine Möglichkeit gehabt habe, nennenswerte
Umsätze zu tätigen. Trotzdem werde sie genauso behandelt wie die anderen
Fruchthandelsunternehmen der Gemeinschaft.
- 40.
- In ihrer Erwiderung fügt sie hinzu, die Traditionsunternehmen der ehemaligen
DDR dürften auch nicht gleichbehandelt werden wie diejenigen, die sich erst in den
neuen Bundesländern niedergelassen hätten. Entgegen der Auffassung der
Kommission sei es ein erheblicher Unterschied, ob ein traditionelles ehemaliges
DDR-Unternehmen aufgrund der Schwierigkeiten nach der Wiedervereinigung in
seiner Reifungstätigkeit behindert werde und diese vorübergehend einstellen müsse
oder ob ein Marktbeteiligter völlig neu anfange. Im Gegensatz zu diesem sei die
Klägerin vor dem Inkrafttreten der Marktorganisation im Bananensektor
langfristige Lieferverpflichtungen eingegangen und habe einen erheblichen
Personalbestand vorgehalten. Der neue Wirtschaftsteilnehmer trage ein sehr viel
geringeres wirtschaftliches Risiko, denn er könne seine Personalpolitik davon
abhängig machen, in welchem Umfang ihm Lizenzen zugeteilt würden.
- 41.
- Drittens macht die Klägerin geltend, die angefochtene Entscheidung beeinträchtige
ihre Eigentumsrechte und ihr Recht auf freie Berufsausübung. Denn die
Weigerung, ihr zusätzliche Lizenzen zu gewähren, gefährde die Fortsetzung ihrer
Tätigkeit, und als Vollsortimenter sei sie auf Anlagen zur Bananenreifung dringend
angewiesen.
- 42.
- Die Kommission macht geltend, die Entscheidung der Treuhandanstalt, die
Bananenreifungsanlage zu schließen, sei eine unternehmerische Entscheidung, die
diese als Inhaberin der Fruchthandelsgesellschaft mbH Chemnitz getroffen habe.
Diese Entscheidung sei nicht im Hinblick auf das bevorstehende Inkrafttreten der
gemeinsamen Marktorganisation für Bananen getroffen worden. In den besonderen
Schwierigkeiten der Fruchthandelsgesellschaft mbH Chemnitz in der Zeit von 1989
bis April 1993 könne daher kein Härtefall gesehen werden.
- 43.
- Als Härtefall könne die Klägerin allenfalls den Umstand geltend machen, daß sie
in den Jahren 1995 und 1996 unter Einsatz erheblicher Investitionsmittel eine neue
Bananenreifungsanlage mit einer Kapazität von 10 500 t Bananen pro Jahr gebaut
habe, die nicht ausgelastet und rentabel sein könne, da ihr die Einfuhrlizenzen
fehlten, die sie dafür nach der durch die Verordnung Nr. 404/93 eingeführten
Regelung benötige.
- 44.
- Die der Klägerin aufgrund dieser Situation entstandenen Schwierigkeiten beruhten
auf einem Außerachtlassen der gebotenen Sorgfalt durch diese, da sie noch 1 1/2
Jahre nach dem Inkrafttreten der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen
und in voller Kenntnis der Referenzregeln eine neue Bananenreifungsanlage gebaut
habe, von der sie nicht gewußt habe, wie sie sie werde auslasten können.
- 45.
- In diesem Zusammenhang weist die Kommission das Argument der Klägerin
zurück, sie habe auf eine Sonderregelung vertraut, die die besondere Situation der
neuen Bundesländer berücksichtigen werde. Die Klägerin habe bereits im
Dezember 1993, als sie die unter Treuhandregie bestehende
Fruchthandelsgesellschaft mbH Chemnitz erworben habe, gewußt, daß der
Tätigkeitsbereich „Bananenreifung“ aufgegeben worden sei und daß sie 1996 nicht
mehr würde geltend machen können, die Errichtung einer neuen
Bananenreifungsanlage sei die Fortführung der Reifungstätigkeit der
Großhandelsgesellschaft oder der unter Treuhandregie stehenden
Fruchthandelsgesellschaft mbH Chemnitz.
- 46.
- Die Klägerin habe zwar Einfuhrlizenzen auf der Grundlage der in der alten
Bananenreifungsanlage 1991, 1992 und 1993 vor deren Schließung gereiften
Mengen Bananen erhalten.
- 47.
- Dies bedeute jedoch nicht, daß sich die Klägerin auf die früheren
Reifungstätigkeiten der Großhandelsgesellschaft berufen könne. Die Rechte seien
nur im Referenzzeitraum auf sie übergegangen.
- 48.
- Zum Argument der Klägerin, daß für sie als Vollsortimenter
Bananenreifungsanlagen zwingend notwendig seien, meint die Kommission, daß aus
diesem Umstand keine rechtlich relevante Stellung auf dem Markt abzuleiten sei.
Überdies behaupte die Klägerin zu Unrecht, daß die Bananenreifung eine
unabdingbare Voraussetzung darstelle, um sich langfristig auf dem Markt zu halten,
denn die gemeinsame Marktorganisation für Bananen reglementiere nicht die
Geschäftstätigkeit der Bananenreifereien. Diese könnten nämlich, wenn sie nicht
selbst Bananen aus Drittländern oder nichttraditionelle AKP-Bananen einführen
und anschließend reifen könnten, ohne jede rechtliche Beschränkung „fremde“,
d. h. durch andere Importeure eingeführte Bananen reifen.
- 49.
- Zum angeblich diskriminierenden Charakter des Referenzzeitraums führt die
Kommission aus, die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Privatisierung der
Großhandelsgesellschaft versetzten die Klägerin nicht in eine besondere Situation,die eine andere Behandlung als die der übrigen Fruchthandelsunternehmen
rechtfertigen könne. Denn in bezug auf den Sektor „Bananenreifung“ befinde sich
die Klägerin in der gleichen Situation wie jedes andere Fruchthandelsunternehmen
auch, das unter der Geltung der Regeln der Marktorganisation für Bananen
ebenfalls diese Tätigkeit aufgenommen habe.
- 50.
- Ferner würden die Schwierigkeiten aller Unternehmen der ehemaligen DDR, die
nach der Wiedervereinigung im Zuge der Privatisierung aufgetreten seien, nicht von
Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 erfaßt, da, wie der Gerichtshof im Urteil
T. Port ausgeführt habe, die Voraussetzungen, unter denen auf der Grundlage
dieses Artikels Härtefallregelungen getroffen werden könnten, ausschließlich
individualrechtlich ausgestaltet seien. Insoweit bezieht sich die Kommission ferner
auf den Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 21. März 1997 in der
Rechtssache T-79/96 R (Camar/Kommission, Slg. 1997, II-403).
- 51.
- Zum Vortrag der Klägerin, daß durch den Übergang zur gemeinsamen
Marktorganisation für Bananen ihr Grundrecht auf freie Berufsausübung als
Bananenimporteurin beeinträchtigt worden sei, stellt die Kommission fest, daß die
wirtschaftliche Betätigungsfreiheit zwar nach ständiger Rechtsprechung zu den
allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehöre, jedoch keine
uneingeschränkte Geltung beanspruchen könne und im Hinblick auf ihre soziale
Funktion gesehen werden müsse (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996
in der Rechtssache T-521/93, Atlanta u. a./Rat und Kommission, Slg. 1996, II-1707,
Randnr. 62). Zudem könne der Schutz der Wirtschaftsteilnehmer keinesfalls auf
bloße kaufmännische Interessen oder Chancen ausgedehnt werden, deren
Ungewißheit zum Wesen wirtschaftlicher Tätigkeit gehöre (vgl. Urteil des
Gerichtshofes vom 14. Mai 1974 in der Rechtssache 4/73, Nold u. a./Kommission,
Slg. 1974, 491, Randnr. 14). Die von der Klägerin zur Sicherung ihres
Geschäftsvolumens geforderten Lizenzen seien deshalb vom Schutzbereich des
Grundrechts auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit nicht mehr gedeckt.
- 52.
- Was schließlich das von der Klägerin in Anspruch genommene Recht auf Schutz
des Eigentums angehe, so könne zwar die Anwendung der Regeln der
gemeinsamen Marktorganisation für Bananen tatsächlich die Existenz des gesamten
Betriebes in Frage stellen, doch sei diese Gefahr auf die Entscheidung der Klägerin
selbst zurückzuführen, die in voller Kenntnis der durch die gemeinsame
Marktorganisation für Bananen vorgegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen
dennoch Investitionen in Form der Errichtung einer neuen Bananenreifungsanlage
getätigt habe, ohne daß deren Rentabilität sichergestellt gewesen wäre.
- 53.
- Das Königreich Spanien führt zur Unterstützung der Anträge der Kommission
insbesondere aus, daß mit der in Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93
vorgesehenen Möglichkeit des Erlasses von Übergangsmaßnahmen nach der
zweiundzwanzigsten Begründungserwägung der Verordnung Störungen des
Binnenmarktes begegnet werden solle, die sich daraus ergeben könnten, daß die
gemeinsame Marktorganisation an die Stelle der verschiedenen nationalen
Regelungen trete. Sie solle jedoch nicht die Probleme verschiedenster Art lösen,
die aus anderen Gründen bei den im Bananensektor tätigen Unternehmen
entstehen könnten.
- 54.
- Konkret seien die Schwierigkeiten, die die Klägerin anführe, nicht auf das
Inkrafttreten der gemeinsamen Marktorganisation für Bananen zurückzuführen,
und ihre Lösung entspreche nicht dem Ziel, das mit den in Artikel 30 der
Verordnung Nr. 404/93 vorgesehenen Übergangsmaßnahmen verfolgt werde.
- 55.
- Die Nichtbeachtung der in Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 aufgestellten
Voraussetzungen für den Erlaß von Übergangsmaßnahmen könne das gesamte
System der Einfuhr von Bananen in die Gemeinschaft erschüttern, die Rechte der
Marktbeteiligten dieses Sektors beeinträchtigen und auf diese Weise das
Interessengleichgewicht stören, das die einschlägigen agrarpolitischen Vorschriften
über die gemeinsame Marktorganisation wahren sollten (vgl. Beschluß
Camar/Kommission, Randnr. 47).
- 56.
- Entgegen der Auffassung der Klägerin liege auch kein Ermessensmißbrauch vor,
da im vorliegenden Fall die Kommission die angefochtene Entscheidung nicht etwa
zu einem anderen als dem vorgesehenen Zweck erlassen, sondern nur Artikel 30
der Verordnung Nr. 404/93 so angewandt habe, wie er vom Gerichtshof ausgelegt
worden sei.
- 57.
- In bezug auf den Gleichheitssatz vertritt das Königreich Spanien die Ansicht, die
Kommission habe im Einklang mit diesem Grundsatz die Klägerin zu Recht
genauso behandelt wie alle Unternehmen, die Drittlands- und nichttraditionelle
AKP-Bananen vermarkteten.
- 58.
- Die Französische Republik weist zunächst darauf hin, daß aus dem Wortlaut des
Antrags der Klägerin hervorgehe, daß ihre Schwierigkeiten nicht die
Voraussetzungen für das Eingreifen des Artikels 30 der Verordnung Nr. 404/93
erfüllten, wie sie vom Gemeinschaftsrichter klargestellt worden seien, sondern ihren
Ursprung in einer Entscheidung des Unternehmens nach dem Inkrafttreten der
gemeinsamen Marktorganisation hätten.
- 59.
- Weiter habe die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten, daß die Klägerin nicht
in vollem Umfang Rechtsnachfolgerin der Großhandelsgesellschaft sei. Wie die
Klägerin einräume, enthalte der am 17. Dezember 1993 mit der Treuhandanstalt
geschlossene Vertrag keine Regelung über eine Reifungsanlage.
- 60.
- Mit anderen Worten habe die Klägerin die Entscheidung für den Bau einer neuen
Reifungsanlage nach dem Inkrafttreten der gemeinsamen Marktorganisation für
Bananen in voller Kenntnis der Zollkontingentregelung dieses Systems getroffen.
Würdigung durch das Gericht
- 61.
- Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 räumt der Kommission die Befugnis ein,
besondere Übergangsmaßnahmen zu treffen, „um den Übergang von den vor
Inkrafttreten dieser Verordnung gültigen Regelungen zu der durch diese
Verordnung eingeführten Regelung zu erleichtern und insbesondere ernsthafte
Schwierigkeiten zu überwinden“, die auf diesen Übergang zurückzuführen sind.
Nach ständiger Rechtsprechung soll mit solchen Übergangsmaßnahmen Störungen
des Binnenmarktes begegnet werden, die sich dadurch ergeben, daß die
gemeinsame Marktorganisation an die Stelle der verschiedenen nationalen
Regelungen tritt; diese Maßnahmen dienen der Überwindung der Schwierigkeiten,
denen sich die Marktbeteiligten nach Einführung der gemeinsamen
Marktorganisation gegenübersehen, die ihren Ursprung jedoch in dem Zustand der
nationalen Märkte vor Erlaß der Verordnung Nr. 404/93 haben (Beschluß des
Gerichtshofes vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache C-280/93 R, Slg. 1993, I-3667,
Randnrn. 46 und 47, Urteile des Gerichtshofes T. Port, Randnr. 34, und vom 4.
Februar 1997 in den Rechtssachen C-9/95, C-23/95 und C-156/95, Belgien und
Deutschland/Kommission, Slg. 1997, I-645, Randnr. 22, sowie Beschluß
Camar/Kommission, Randnr. 42).
- 62.
- Der Gerichtshof hat entschieden, daß die Kommission auch die Lage von
Wirtschaftsteilnehmern berücksichtigen muß, die im Rahmen einer vor dem Erlaß
der Verordnung Nr. 404/93 bestehenden nationalen Regelung in einer bestimmten
Weise geschäftlich disponiert haben, ohne daß sie vorhersehen konnten, wie sich
dies nach Einführung der gemeinsamen Marktorganisation auswirken würde (Urteil
T. Port, Randnr. 37).
- 63.
- Auf dieses Kriterium stützt sich die Kommission, wenn sie in der angefochtenen
Entscheidung ausführt (siehe Randnr. 11), daß die Klägerin nach der
Veröffentlichung des Vorschlags zur Einführung der gemeinsamen
Marktorganisation für Bananen am 10. September 1992 und nach der
Veröffentlichung der Verordnung Nr. 404/93 im Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften am 25. Februar 1993 gegründet worden sei und daher ihre
Maßnahmen nicht habe treffen können, ohne voraussehen zu können, welche
Folgen diese Maßnahmen nach Inkrafttreten der gemeinsamen Marktorganisation
haben würden.
- 64.
- Die Klägerin bestreitet nicht, daß sie 1995 eine neue Bananenreifungsanlage
errichtet hat, in der die Bananenreifung im Juli 1996 aufgenommen werden konnte.
Sie hat die Kommission hiervon im übrigen in ihrem Antrag auf zusätzliche
Lizenzen vom 18. Dezember 1996 unterrichtet.
- 65.
- Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß die Errichtung
einer neuen Reifungsanlage seit langem vorgesehen gewesen sei und daß die
Schließung der alten Reifungsanlage nur eine zeitweilige Unterbrechung dieser
Tätigkeit bedeutet habe. Die Erörterungen über die Errichtung der neuen
Reifungsanlage hätten bereits 1990 begonnen, während die Entscheidung zur
Schließung der alten Reifungsanlage erst 1993 getroffen worden sei.
- 66.
- Diese Information, die der Kommission zur Zeit der angefochtenen Entscheidung
nicht vorlag, ist nicht belegt. Hierzu genügt die Feststellung, daß der Kaufvertrag
keine Klausel über die Errichtung einer neuen Reifungsanlage enthält. Im übrigen
überstiegen die Kosten für den Bau der Anlage der Fruchthandelsgesellschaft bei
weitem die Höhe der Investitionen, die zu tätigen sich der Erwerber verpflichtet
hatte.
- 67.
- Somit konnte die Klägerin, als sie ihre Entscheidung über die Errichtung einer
neuen Reifungsanlage traf, deren Folgen im Rahmen der durch die Verordnung Nr.
404/93 eingeführten gemeinsamen Marktorganisation für Bananen absehen. Die
Kommission, die im übrigen bei der Beurteilung der Notwendigkeit von
Übergangsmaßnahmen über ein weites Ermessen verfügt, hat daher den Antrag der
Klägerin vom 18. Dezember 1996 auf Gewährung zusätzlicher Einfuhrlizenzen zu
Recht abgelehnt.
- 68.
- Dem steht auch das übrige Vorbringen der Klägerin zur Begründung ihrer Klage
nicht entgegen.
- 69.
- Erstens hat die Klägerin die von ihr behauptete Notwendigkeit einer
Bananenreifungsanlage für ihre Tätigkeit nicht dargetan. Denn ein Vollsortimenter
mit Obst und Gemüse ist, wie die Kommission ausgeführt hat, kein
Wirtschaftsteilnehmer mit einer besonderen Rechtsstellung auf dem Markt. Ferner
bestreitet die Klägerin nicht, daß eine Reifungsanlage im Rahmen der
gemeinsamen Marktorganisation auch ohne Einfuhrlizenzen durch die Reifung von
Bananen betrieben werden kann, die von anderen Wirtschaftsteilnehmern
eingeführt werden.
- 70.
- Selbst wenn man im übrigen unterstellte, daß eine Reifungsanlage für die Klägerin
unerläßlich gewesen wäre, hätte sie dies nicht von der Notwendigkeit befreit, vor
Baubeginn die Rentabilität der Anlage unter Berücksichtigung der durch die
gemeinsame Marktorganisation für Bananen gesetzten Bedingungen zu beurteilen.
- 71.
- Was zweitens die Zuweisung der in der alten Reifungsanlage gereiften
Bananenmengen an die Klägerin als Referenzmengen für die Berechnung ihrer
Einfuhrrechte angeht, ist den von der Kommission insbesondere in der mündlichen
Verhandlung gegebenen Erläuterungen zu folgen, wonach es sich um eine auf die
Reifungstätigkeit in den Jahren 1991, 1992 und 1993 beschränkte Übertragung von
Eigentumsrechten handelt. Dies bedeutet keineswegs, daß die Klägerin aus dieser
Übertragung das Vorliegen einer Kontinuität der Reifungstätigkeit von der
Privatisierung der Großhandelsgesellschaft bis zur Inbetriebnahme ihrer neuen
Reifungsanlage ableiten könnte.
- 72.
- Drittens genügt zum Vorwurf einer Verletzung des Gleichheitssatzes wegen der
besonders schwierigen Situation der privatisierten Unternehmen der ehemaligen
DDR die Feststellung, daß diese Schwierigkeiten nicht auf die Einführung der
gemeinsamen Marktorganisation zurückzuführen sind (vgl. die in Randnr. 61
angeführte Rechtsprechung). Daher handelt es sich um Schwierigkeiten, die nicht
in den Anwendungsbereich von Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 fallen.
- 73.
- Im übrigen hat der Gerichtshof im Urteil Deutschland/Rat vom 5. Oktober 1994
(Randnrn. 73 und 74) entschieden, daß zwar nicht alle Unternehmen von der
Verordnung Nr. 404/93 in gleicher Weise berührt werden, daß jedoch diese
unterschiedliche Behandlung naturgemäß mit dem Ziel einer Integration bisher
abgeschotteter Märkte verbunden ist, wenn man die unterschiedliche Situation
berücksichtigt, in der sich die verschiedenen Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern
vor der Einführung der gemeinsamen Marktorganisation befanden.
- 74.
- Was viertens den Vorwurf einer Verletzung des Eigentums und der Freiheit der
Berufsausübung angeht, so hat der Gerichtshof entschieden, daß kein
Wirtschaftsteilnehmer ein Eigentumsrecht an einem Marktanteil geltend machen
kann, den er zu einem Zeitpunkt vor der Einführung der gemeinsamen
Marktorganisation für Bananen besessen hat. Zudem entspricht die Beschränkung
der Möglichkeit, Drittlandsbananen einzuführen, die die Einführung des
Zollkontingents und des Mechanismus seiner Aufteilung mit sich bringt, den im
Allgemeininteresse der Gemeinschaft liegenden, mit der Errichtung der
gemeinsamen Marktorganisation verfolgten Zielen und beeinträchtigt folglich die
freie Berufsausübung traditioneller Vermarkter von Drittlandsbananen nichtunangemessen (Urteile des Gerichtshofes Deutschland/Rat vom 5. Oktober 1994,
Randnrn. 79, 82 und 87, sowie vom 10. März 1998 in der Rechtssache C-122/95,
Deutschland/Rat, Slg. 1998, I-973, Randnr. 77).
- 75.
- Daher kann die Klägerin keine Verletzung ihres Eigentums rügen. Da sie im
übrigen als Reifungsunternehmen nicht unmittelbar rechtlichen Beschränkungen
nach der gemeinsamen Marktorganisation unterliegt, kann sie auch keine
Verletzung des Rechts auf freie Berufsausübung geltend machen.
- 76.
- Schließlich ist die Ansicht der Klägerin, die Ablehnung ihres Antrags durch die
angefochtene Entscheidung stelle einen Ermessensmißbrauch dar, unbegründet.
Hierzu genügt die Feststellung, daß nach der Rechtsprechung eine Handlung nur
dann ermessensmißbräuchlich ist, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und
übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie ausschließlich oder zumindest
vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken vorgenommen worden ist
(Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-143/89, Ferriere
Nord/Kommission, Slg. 1995, II-917, Randnr. 68, und Urteil des Gerichtshofes vom
12. November 1996 in der Rechtssache C-84/94, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg.
1996, I-5755, Randnr. 69). Die Klägerin hat hierfür jedoch keinen Beweis erbracht.
- 77.
- Nach allem hat die Kommission Artikel 30 der Verordnung Nr. 404/93 richtig
angewandt und mit dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung keinen anderen als
den in diesem Artikel vorgesehenen Zweck verfolgt.
- 78.
- Daher ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne daß die von der Klägerin
beantragte Beweisaufnahme (vgl. Randnrn. 35 und 36) durchgeführt zu werden
braucht.
Kosten
- 79.
- Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag
zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen
unterlegen ist und die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind
der Klägerin deren Kosten aufzuerlegen. Nach Artikel 87 § 4 der
Verfahrensordnung tragen das Königreich Spanien und die Französische Republik
als Streithelfer ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission.
3. Das Königreich Spanien und die Französische Republik tragen ihre eigenen
Kosten.
CookeGarcía-Valdecasas
Lindh
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Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. September 1999.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
J. D. Cooke