Language of document : ECLI:EU:T:2018:679

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

15. Oktober 2018(*)

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Unionswortmarke MINERAL MAGIC – Ältere nationale Wortmarke MAGIC MINERALS BY JEROME ALEXANDER – Relatives Eintragungshindernis – Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 3 der Verordnung [EU] 2017/1001)“

In der Rechtssache T‑7/17

John Mills Ltd mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigter: S. Malynicz, QC,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Lukošiūtė und D. Hanf als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

Jerome Alexander Consulting Corp. mit Sitz in Surfside, Florida (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: T. Bamford und C. Rani, Solicitors,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 5. Oktober 2016 (Sache R 2087/2015‑1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Jerome Alexander Consulting und John Mills

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Prek (Berichterstatter) sowie der Richter E. Buttigieg und B. Berke,

Kanzler: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 5. Januar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 31. März 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 3. April 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2018,

aufgrund des Beschlusses vom 13. März 2018, das mündliche Verfahren wiederzueröffnen,

aufgrund der schriftlichen Frage des Gerichts an die Parteien und ihrer am 30. März und am 4. April 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Antworten auf diese Frage,

aufgrund der Entscheidung vom 11. April 2018, das mündliche Verfahren zu schließen,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 18. September 2013 meldete die Klägerin, die John Mills Ltd, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Wortzeichen:

MINERAL MAGIC

3        Die Marke wurde für „Haarwasser; Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren; Ätherische Öle; Kosmetika; Präparate zur Reinigung und Pflege von Haut, Kopfhaut und Haaren; Deodorants für den persönlichen Gebrauch (Parfümerieartikel)“ in Klasse 3 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Die Anmeldung der Unionsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 2014/14 vom 23. Januar 2014 veröffentlicht.

5        Am 23. April 2015 erhob die Streithelferin, die Jerome Alexander Consulting Corp., gemäß Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 46 der Verordnung 2017/1001) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren.

6        Der Widerspruch war auf folgende ältere Marken gestützt:

–        die amerikanische Wortmarke MAGIC MINERALS BY JEROME ALEXANDER Nr. 4274584 für „mineralhaltigen Gesichtspuder“;

–        die nicht eingetragene amerikanische Wortmarke MAGIC MINERALS für „Kosmetika“.

7        Der Widerspruch wurde mit dem Eintragungshindernis in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001) begründet.

8        Mit Entscheidung vom 18. August 2015 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zurück.

9        Am 15. Oktober 2015 legte die Streithelferin gemäß den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001) gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde beim EUIPO ein.

10      Mit Entscheidung vom 5. Oktober 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf und wies die Markenanmeldung auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 zurück.

11      Die Beschwerdekammer stellte erstens fest, dass die Streithelferin darauf verzichte, ihren Widerspruch auf die nicht eingetragene amerikanische Marke MAGIC MINERALS zu stützen und sich somit nur auf die amerikanische Wortmarke MAGIC MINERALS BY JEROME ALEXANDER berufe.

12      Zweitens führte die Beschwerdekammer den Zweck von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 – den Missbrauch einer Marke durch den Agenten des Markeninhabers zu verhindern – und die Voraussetzungen an, die erfüllt sein müssten, damit ein Widerspruch auf der Grundlage dieser Bestimmung Erfolg habe: Der Widersprechende müsse Inhaber der älteren Marke sein, der Anmelder der Marke müsse Agent oder Vertreter des Markeninhabers sein oder gewesen sein, der Agent oder Vertreter des Markeninhabers müsse ohne dessen Zustimmung die Marke auf seinen eigenen Namen angemeldet haben, ohne dass es die Handlungsweise des Agenten oder Vertreters rechtfertigende Gründe gebe, und die Anmeldung müsse identische oder ähnliche Zeichen und Waren betreffen.

13      Drittens prüfte die Beschwerdekammer konkret, ob die Kriterien erfüllt waren, um dem Widerspruch auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 stattgeben zu können. Zunächst hob sie zum Bestehen einer Agent-Auftraggeber-Beziehung hervor, dass die Begriffe „Agent“ und „Vertreter“ weit auszulegen seien. Im vorliegenden Fall sehe die Vertriebsvereinbarung zwischen den Parteien vor, dass die Klägerin den Vertrieb der Waren der Streithelferin innerhalb der Union übernehme. Die Vereinbarung enthalte auch Bestimmungen über ihren ausschließlichen Charakter, eine Wettbewerbsverbotsklausel sowie Bestimmungen zu den Rechten des geistigen Eigentums der Streithelferin. Die von der Streithelferin vorgelegten Nachweise in Form von Bestellungen, wovon eine ein zwei Monate vor der Anmeldung der Marke liegendes Datum trage, belegten, dass eine über das bloße normale Verhältnis zwischen Lieferant und Händler hinausgehende bedeutende Geschäftsbeziehung vorgelegen habe. Somit habe zum Zeitpunkt der Markenanmeldung eine tatsächliche, effektive und dauerhafte Geschäftsbeziehung bestanden, die zu einer allgemeinen Treue- und Loyalitätspflicht geführt habe, und die Klägerin sei Agentin im Sinne von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009.

14      Viertens hob die Beschwerdekammer hervor, dass Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 neben den Fällen, in denen die verglichenen Waren oder Dienstleistungen identisch seien, auch Fälle erfasse, in denen sie ähnlich seien. Im vorliegenden Fall seien die von den einander gegenüberstehenden Zeichen erfassten Waren identisch (da zu den von der angemeldeten Marke erfassten „Kosmetika“ der von der älteren Marke erfasste „mineralhaltige Gesichtspuder“ gehöre) oder ähnlich (da es zwischen den übrigen von der angemeldeten Marke erfassten Waren und den von der älteren Marke erfassten Waren Verbindungen gebe, weil sie dieselben Bestandteile enthalten könnten, oft von denselben Unternehmen hergestellt würden und in Drogerien und den gleichen Regalreihen von Einzelhandelsgeschäften zusammen angeboten würden).

15      Die Zeichen wurden von der Beschwerdekammer als ähnlich eingestuft. Die ersten beiden Wortbestandteile („magic“ und „minerals“) der älteren Marke und die Wortbestandteile der angemeldeten Marke seien auffallend ähnlich. Die ältere Marke könne von den maßgeblichen Verkehrskreisen der Union als ein aus zwei Bestandteilen zusammengesetztes Zeichen wahrgenommen werden: Der Bestandteil „by jerome alexander“ werde als Bezeichnung des Stammhauses, d. h. des für das Produkt verantwortlichen Unternehmens, wahrgenommen, und der Bestandteil „magic minerals“ werde wahrscheinlich als Bezeichnung des Produkts selbst oder der Produktlinie wahrgenommen. Dass das United States Patent and Trademark Office (USPTO, Patent- und Markenamt der Vereinigten Staaten) trotz der Existenz der Marke MINERAL MAGIC COSMETICS keine Einwände gegen die Eintragung der Marke MAGIC MINERALS BY JEROME ALEXANDER erhoben habe, bedeute nicht, dass zwischen ihnen keine Verwechslungsgefahr bestehe. Der Inhaber der Marke MINERAL MAGIC COSMETICS hätte nämlich insoweit Widerspruch erheben müssen. In Anbetracht dieser Gesichtspunkte gab die Beschwerdekammer dem auf Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 gestützten Widerspruch statt.

 Verfahren und Anträge der Parteien

16      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen;

17      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage insgesamt abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten des EUIPO aufzuerlegen.

18      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage insgesamt abzuweisen;

–        die angefochtene Entscheidung zu bestätigen;

–        der Klägerin ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Streithelferin und des EUIPO aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

19      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf einen einzigen, aus drei Rügen bestehenden Klagegrund, mit dem sie die Verletzung von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend macht. Die erste Rüge beruht darauf, dass die Beschwerdekammer die Klägerin zu Unrecht als Agentin oder Vertreterin der Inhaberin der älteren Marke im Sinne dieser Bestimmung angesehen habe. Im Rahmen der zweiten Rüge wird geltend gemacht, die Beschwerdekammer habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 für anwendbar erachtet habe, obwohl die einander gegenüberstehenden Zeichen nur ähnlich und nicht identisch seien. Die dritte Rüge geht dahin, dass die Beschwerdekammer die Anwendbarkeit der genannten Bestimmung zu Unrecht bejaht habe, obwohl die von der älteren Marke und die von der angemeldeten Marke erfassten Waren nicht identisch seien.

20      Das Gericht hält es für angebracht, zuerst die zweite Rüge zu prüfen, mit der geltend gemacht wird, bei ähnlichen Zeichen dürfe Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht zur Anwendung kommen.

21      Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer sei fälschlich davon ausgegangen, für die Geltendmachung von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 genüge es, dass die ältere Marke der angemeldeten Marke nur ähnlich und nicht mit ihr identisch sei. Außerdem habe die Beschwerdekammer zu Unrecht die Wahrnehmung der Verkehrskreise der Union berücksichtigt, obwohl die relevanten Verkehrskreise für die ältere amerikanische Wortmarke aus dem amerikanischen Publikum bestünden.

22      Das EUIPO, unterstützt von der Streithelferin, weist das Vorbringen der Klägerin zurück. Eine streng am Wortlaut orientierte Auslegung von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 würde bedeuten, dass diese Bestimmung nur angewandt werden könnte, wenn die Zeichen identisch seien, was darauf hinauslaufen würde, dass sie ins Leere ginge. Der Anmelder einer Marke könnte sich ihrer Anwendung nämlich dadurch entziehen, dass er die ältere Marke leicht verändere; dies würde die Interessen des Inhabers der älteren Marke schwer beeinträchtigen. Würde die Marke trotz der Ähnlichkeit der beiden Zeichen eingetragen, könnte der Anmelder der streitigen Marke jede weitere Eintragung und jede Benutzung der älteren Marke durch den ursprünglichen Inhaber verhindern. Der Zweck von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 bestehe aber gerade darin, den Missbrauch einer Marke durch den Agenten des Markeninhabers zu verhindern, da der Agent die Kenntnisse und die Erfahrung, die er während der Geschäftsbeziehung erworben habe, ausnutzen und damit ungerechtfertigt Vorteile aus den Anstrengungen und Investitionen des Inhabers der älteren Marke ziehen könnte. Die Bestimmung sei, um den rechtmäßigen Inhaber wirksam vor unfairen Praktiken seiner Vertreter zu schützen, in der Weise nuanciert auszulegen, dass sie auch dann Anwendung finde, wenn keine völlige Identität bestehe. Der nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) vorzunehmende Vergleich der Zeichen stimme nicht zwangsläufig mit dem Vergleich nach Art. 8 Abs. 3 der Verordnung überein. Beim Vergleich der Zeichen gemäß Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 stünden die Interessen des Inhabers der älteren Marke im Mittelpunkt. Im vorliegenden Fall habe die Beschwerdekammer nicht das Kriterium der Ähnlichkeit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 angewandt, sondern anhand der spezifischen Natur der Zeichen geprüft, ob sie als „im Wesentlichen“ ähnlich angesehen werden könnten, mit der Folge, dass die legitimen Interessen des Markeninhabers beeinträchtigt würden und die Klägerin ungerechtfertigt Vorteile aus ihrer Beziehung zum Markeninhaber ziehen könnte. Somit finde Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 im vorliegenden Fall angesichts der spezifischen Natur der in Rede stehenden Zeichen auch bei nicht identischen Zeichen Anwendung.

23      In Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 heißt es: „Auf Widerspruch des Markeninhabers ist von der Eintragung auch eine Marke ausgeschlossen, die der Agent oder Vertreter des Markeninhabers ohne dessen Zustimmung auf seinen eigenen Namen anmeldet …“

24      In dieser Bestimmung wird nicht ausdrücklich erwähnt, dass die Marke des Inhabers mit der vom Agenten oder Vertreter angemeldeten Marke identisch oder ihr ähnlich sein muss.

25      Der Zweck von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 ist jedoch darin zu sehen, den Missbrauch der Marke des Inhabers durch dessen Agenten oder Vertreter zu verhindern, da diese die Kenntnisse und die Erfahrung, die sie während der Geschäftsbeziehung zwischen dem Inhaber und ihnen erworben haben, ausnutzen und dadurch ungerechtfertigt Vorteile aus den vom Markeninhaber selbst erbrachten Anstrengungen und Investitionen ziehen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. November 2012, Adamowski/HABM – Fagumit [FAGUMIT], T‑537/10 und T‑538/10, EU:T:2012:634, Rn. 22). Diese Bestimmung verlangt somit im Wesentlichen, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Marke des Inhabers und der vom Agenten oder Vertreter auf seinen eigenen Namen angemeldeten Marke besteht. Ein solcher Zusammenhang ist nur denkbar, wenn die fraglichen Marken einander entsprechen.

26      Insoweit lassen sich der Entstehungsgeschichte der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke nützliche Aufschlüsse zu den Absichten des Gesetzgebers entnehmen; sie spricht für die Auslegung, dass die ältere Marke und die angemeldete Marke identisch – und nicht nur ähnlich – sein müssen, damit Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 Anwendung finden kann.

27      Der Unionsgesetzgeber hatte nämlich, wie die Klägerin ausführt, ursprünglich im Vorentwurf der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke erwogen, die Anwendbarkeit der betreffenden Bestimmung auch auf ähnliche Zeichen zu erstrecken. Diese Möglichkeit wurde jedoch nicht in die Endfassung von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) übernommen.

28      Außerdem wies die Arbeitsgruppe des Rates der Europäischen Union für die Verordnung über die Gemeinschaftsmarke im Dokument Nr. 11035/82 vom 1. Dezember 1982, das eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe enthält, ausdrücklich darauf hin, dass sie den Vorschlag einer Delegation, wonach die betreffende Bestimmung auch bei „ähnlichen“ Marken für „ähnliche“ Waren angewandt werden sollte, nicht angenommen habe.

29      Hierzu hat das EUIPO in seiner Antwort auf die schriftliche Frage des Gerichts ausgeführt, dieser Auszug aus den Vorarbeiten könne allein in dem Sinne ausgelegt werden, dass der Rat es lediglich abgelehnt habe, „positiv“ festzustellen, dass die betreffende Bestimmung anzuwenden sei, wenn die Marken identisch oder ähnlich seien, und er sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Dienststellen der Europäischen Kommission im Vorentwurf der Verordnung vorgeschlagen hätten, die Worte „identisch oder ähnlich“ zu verwenden. Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.

30      Erstens belegt nämlich der Umstand, dass der Gesetzgeber zweimal davon abgesehen hat, explizit zu erwähnen, dass die betreffende Bestimmung auch bei ähnlichen Marken Anwendung finden sollte – zum ersten Mal bei der Änderung des Vorentwurfs der Verordnung in diesem Punkt und zum zweiten Mal bei der ausdrücklichen Zurückweisung des Antrags einer Delegation – hinreichend seine entsprechende Absicht.

31      Zweitens ergibt sich aus der Formulierung im Dokument Nr. 11035/82, dass der Vorschlag der betreffenden Delegation, die Bestimmung auch auf ähnliche Marken anzuwenden, als solcher zurückgewiesen wurde und nicht nur, anders als das EUIPO suggeriert, der Vorschlag, in die Bestimmung die Worte „identisch oder ähnlich“ aufzunehmen.

32      Drittens hat die Arbeitsgruppe im Dokument Nr. 11035/82 hervorgehoben, dass sie ihre Zustimmung zur Auslegung der betreffenden Bestimmung als international gültig im Sinne von Art. 6septies der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883 in revidierter und geänderter Fassung erteilt habe.

33      Hierzu ist festzustellen, dass die Union Partei des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) vom 15. April 1994 (ABl. 1994, L 336, S. 214) in Anhang 1 C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) (ABl. 1994, L 336, S. 3) ist und dass Art. 2 des erstgenannten Übereinkommens auf mehrere materielle Bestimmungen der Pariser Verbandsübereinkunft, u. a. auf Art. 6septies, verweist. Deshalb ist die Union, wie das EUIPO im Übrigen in seiner Antwort auf die Frage des Gerichts selbst betont hat, verpflichtet, Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 im Rahmen des Möglichen im Licht des Wortlauts und des Zwecks dieses Übereinkommens auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. November 2004, Anheuser-Busch, C‑245/02, EU:C:2004:717, Rn. 42) und damit im Licht von Art. 6septies der Pariser Verbandsübereinkunft.

34      Nach diesem Artikel ist, wenn der Agent oder der Vertreter dessen, der in einem der Verbandsländer Inhaber einer Marke ist, ohne die Zustimmung des Inhabers die Eintragung „dieser“ Marke auf seinen eigenen Namen in einem oder mehreren dieser Länder beantragt, der Inhaber berechtigt, der beantragten Eintragung zu widersprechen. Diese Bestimmung kann nach ihrem Wortlaut nicht anders ausgelegt werden als dahin, dass die Marke des Inhabers die gleiche ist wie die vom Agenten oder Vertreter angemeldete Marke. Hinzuzufügen ist, dass auch die englische Fassung der Bestimmung so zu verstehen ist, dass die Marke des Inhabers und die von seinem Agenten oder Vertreter angemeldete Marke identisch sein müssen. In dieser Fassung wird nämlich auf den Inhaber „einer“ Marke („the proprietor of a mark“) Bezug genommen, und dann ist von der Anmeldung „der“ Marke („the registration of the mark“) die Rede, so dass Letztere nur die Marke des Inhabers sein kann.

35      Da der Wortlaut von Art. 6septies der Pariser Verbandsübereinkunft eindeutig ist, kann das EUIPO sein Vorbringen, dass auch dieser Artikel so auszulegen sei, dass er die Fälle bloßer Ähnlichkeit der Zeichen erfasse, nicht auf die Entstehungsgeschichte der Übereinkunft stützen.

36      Viertens versucht das EUIPO aus der Tatsache, dass in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 von „Identität oder Ähnlichkeit“ die Rede ist, während diese Angabe in Art. 8 Abs. 3 fehlt, abzuleiten, dass dessen Anwendungsbereich nicht auf die Fälle völliger Identität der betreffenden Marken beschränkt sei. Das Fehlen dieser Angaben deutet aber eher darauf hin, dass es für den Gesetzgeber auf der Hand lag, dass diese Bestimmung Fälle betraf, in denen es sich bei der vom Agenten angemeldeten Marke um die per definitionem identische Marke des Markeninhabers handelt, so dass es ihm unnötig erschien, dies klarzustellen.

37      Nach alledem kann Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 nach der Intention des Unionsgesetzgebers nur Anwendung finden, wenn die Marke des Inhabers und die von dessen Agenten oder Vertreter angemeldete Marke identisch und nicht nur ähnlich sind.

38      Insoweit erscheint hinsichtlich der Anforderungen an das Vorliegen identischer Zeichen der Hinweis angebracht, dass ein Zeichen nach der Rechtsprechung mit einem anderen identisch ist, wenn es ohne Änderung oder Hinzufügung alle seine Bestandteile wiedergibt oder wenn es, als Ganzes betrachtet, so geringfügige Unterschiede aufweist, dass sie einem Durchschnittsverbraucher, der selten die Möglichkeit hat, die Zeichen unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern sich auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das er im Gedächtnis behalten hat, entgehen können (Urteil vom 3. Dezember 2015, TrekStor/HABM – Scanlab [iDrive], T‑105/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:924, Rn. 62).

39      Desgleichen ist hervorzuheben, dass die Frage der Zeichenidentität indirekt auch Prüfungsgegenstand im Rahmen der Beurteilung der ernsthaften Benutzung einer Marke war. Nach Art. 15 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 18 der Verordnung 2017/1001) gilt die Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung abweicht, ebenfalls als Benutzung, wenn die abweichenden Bestandteile die Unterscheidungskraft der Marke nicht beeinflussen, unabhängig davon, ob die Marke in der benutzten Form auf den Namen des Inhabers eingetragen ist. Diese Bestimmung soll es dem Inhaber ermöglichen, Veränderungen an dem Zeichen vorzunehmen, die es, ohne die Unterscheidungskraft zu beeinflussen, gestatten, das Zeichen den Anforderungen der Vermarktung und der Förderung des Absatzes der betreffenden Waren oder Dienstleistungen besser anzupassen. Die Abweichung muss allerdings geringfügige Bestandteile betreffen, und die Zeichen müssen, so wie sie benutzt werden und eingetragen wurden, insgesamt gleichwertig sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Februar 2006, Il Ponte Finanziaria/HABM – Marine Enterprise Projects [BAINBRIDGE], T‑194/03, EU:T:2006:65, Rn. 50).

40      Deshalb ist unter Heranziehung der in dem oben in Rn. 39 angeführten Urteil vom 23. Februar 2006, BAINBRIDGE (T‑194/03, EU:T:2006:65), aufgestellten Kriterien zu klären, ob die einander gegenüberstehenden Zeichen im Sinne des oben in Rn. 38 angeführten Urteils vom 3. Dezember 2015, iDrive (T‑105/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:924), identisch sind.

41      Insoweit ergibt sich aus Rn. 33 der angefochtenen Entscheidung, dass die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die angemeldete Marke von der älteren Marke abweiche, da die Reihenfolge der Wörter „mineral“ und „magic“ umgekehrt sei und da sie weder den Buchstaben „s“ noch die Wendung „by jerome alexander“ enthalte; auf dieser Grundlage seien die einander gegenüberstehenden Zeichen als ähnlich anzusehen. Dieser Schlussfolgerung ist zuzustimmen. Es ist nämlich offensichtlich, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen im vorliegenden Fall nicht identisch sind, was im Übrigen alle Parteien in ihren Schriftsätzen bestätigen. Die fehlende Identität zwischen den Zeichen liegt im Übrigen so klar auf der Hand, dass sie sich unabhängig davon aufdrängt, ob sich die Wahrnehmung durch den relevanten Durchschnittsverbraucher je nach dem Gebiet, in dem er ansässig ist, womöglich unterscheidet.

42      Da die einander gegenüberstehenden Zeichen nicht identisch sind, ist die Beschwerdekammer zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie die Zurückweisung der Markenanmeldung auf Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 stützen könne.

43      Nach alledem ist, ohne dass auf die erste und die dritte Rüge eingegangen zu werden braucht, dem einzigen Klagegrund, mit dem die Verletzung von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009 gerügt wird, stattzugeben, so dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist.

 Kosten

44      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Unterliegen mehrere Parteien, so entscheidet nach Art. 134 Abs. 2 der Verfahrensordnung das Gericht über die Verteilung der Kosten.

45      Da im vorliegenden Fall das EUIPO und die Streithelferin unterlegen sind, sind ihnen neben ihren eigenen Kosten jeweils die Hälfte der Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 5. Oktober 2016 (Sache R 2087/20151) wird aufgehoben.

2.      Das EUIPO trägt seine eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten der John Mills Ltd.

3.      Die Jerome Alexander Consulting Corp. trägt ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten von John Mills.

Prek

Buttigieg

Berke

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Oktober 2018.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.