Language of document : ECLI:EU:T:2014:897

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

16. Oktober 2014(*)

„Staatliche Beihilfen – Elektrizität – Vorzugstarif – Entscheidung, die Beihilfe für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären und ihre Rückforderung anzuordnen – Vorteil – Begründungspflicht – Höhe der Beihilfe – Neue Beihilfe“

In der Rechtssache T‑177/10

Alcoa Trasformazioni Srl mit Sitz in Portoscuso (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Siragusa, T. Müller-Ibold, F. Salerno, G. Scassellati Sforzolini und G. Rizza,

Klägerin,

unterstützt durch

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch V. Di Bucci und É. Gippini Fournier als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2010/460/EG der Kommission vom 19. November 2009 über die staatlichen Beihilfen C 38/A/04 (ex NN 58/04) und C 36/B/06 (ex NN 38/06), die Italien zugunsten von Alcoa Trasformazioni gewährt hat (ABl. 2010, L 227, S. 62)

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias, der Richterin M. Kancheva und des Richters C. Wetter (Berichterstatter),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2013

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, die Alcoa Trasformazioni Srl, ist eine Gesellschaft italienischen Rechts, der zwei Werke zur Herstellung von Primäraluminium gehören, die sich in Portovesme/Sardinien (Italien) und in Fusina/Venetien (Italien) befinden. Diese Werke wurden ihr von der Alumix SpA im Rahmen von deren Privatisierung übertragen.

2        Mit der der Italienischen Republik bekannt gegebenen und am 1. Oktober 1996 veröffentlichten Mitteilung gemäß Artikel [88] Absatz 2 [EG] an die anderen Mitgliedstaaten und Dritte bezüglich einer staatlichen Beihilfe Italiens an Alumix (ABl. C 288, S. 4, im Folgenden: Alumix-Entscheidung) hielt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Prüfung verschiedener Maßnahmen, die Alumix bei ihrer Privatisierung gewährt worden waren – darunter die Gewährung eines Vorzugsstromtarifs, den die Ente nazionale per l’energia elettrica (ENEL), der traditionelle Stromversorger in Italien, den von der Klägerin erworbenen Werken eingeräumt hatte –, diesen Vorzugstarif, der bis zum 31. Dezember 2005 galt, nicht für eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG. Insoweit war die Kommission u. a. der Auffassung, dass „[d]urch die Berechnung eines Tarifs für die Erzeugung von Primäraluminium [in den von der Klägerin erworbenen Werken], der die Grenzkosten deckt und einen Beitrag zur Deckung der Fixkosten leistet, … sich ENEL nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten [verhält], da diese Tarife die Versorgung seiner größten Industriekunden in Regionen ermöglichen, in denen erhebliche Überkapazitäten für die Stromerzeugung vorhanden sind“.

3        Mit der Entscheidung Nr. 204/99 vom 29. Dezember 1999 übertrug die Autorità per l’energia elettrica e il gas (italienische Aufsichtsbehörde für elektrische Energie und Gas, im Folgenden: AEEG) den örtlichen Stromversorgern die Verwaltung des Stromtarifs. Die Stromversorgung der Klägerin wurde daher von ENEL, ihrem örtlichen Stromversorger, zum Standardtarif und nicht mehr zu dem Tarif gemäß Art. 2 des Decreto ministeriale vom 19. Dezember 1995 (GURI Nr. 39 vom 16. Februar 1996, S. 8, im Folgenden: Dekret von 1995) berechnet, der, wie in der vorstehenden Randnummer angegeben, bis zum 31. Dezember 2005 galt. Zum Ausgleich des Unterschieds zwischen den Tarifen gewährte ENEL der Klägerin eine auf ihrer Stromrechnung ausgewiesene Erstattung, die durch eine steuerähnliche Abgabe finanziert wurde, die alle Stromverbraucher in Italien zu entrichten hatten.

4        Mit der Entscheidung Nr. 148/04 der AEEG vom 9. August 2004 wurde die staatliche Cassa Conguaglio per il settore elettrico (Ausgleichskasse für den Stromsektor, im Folgenden: Ausgleichskasse) anstelle der örtlichen Stromversorger mit der Verwaltung des Stromtarifs betraut. Dabei wurde der Klägerin der Unterschiedsbetrag zwischen dem ihr von ENEL in Rechnung gestellten Tarif und dem Tarif nach dem Dekret von 1995 von der Ausgleichskasse selbst unter Rückgriff auf dieselbe steuerähnliche Abgabe erstattet.

5        Ferner wurden zunächst das Dekret des Präsidenten des Ministerrats vom 6. Februar 2004 (GURI Nr. 93 vom 21. April 2004, S. 5, im Folgenden: Dekret von 2004), und sodann das Decreto-legge Nr. 35 vom 14. März 2005 (GURI Nr. 111 vom 14. Mai 2005, S. 4), nach Änderung umgewandelt in das Gesetz Nr. 80 vom 14. Mai 2005 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 91 vom 14. Mai 2005, im Folgenden: Gesetz von 2005), erlassen. Nach Art. 1 des Dekrets von 2004 sollte der Vorzugsstromtarif u. a. auf die Portovesme Srl und die Eurallumina SpA ausgeweitet werden. Obwohl diese Bestimmung auch dahin verstanden werden konnte, dass sie den für die Klägerin geltenden Vorzugstarif bis Juni 2007 verlängern sollte, wurde sie in praxi nicht auf die Klägerin angewandt, für die bis zum Inkrafttreten von Art. 11 Abs. 11 des Gesetzes von 2005, durch den der für die beiden Werke der Klägerin geltende Vorzugstarif bis 31. Dezember 2010 verlängert wurde, weiterhin das Dekret von 1995 galt.

6        Der genannte Tarif wurde von der AEEG jährlich überprüft. Nach Entscheidung der AEEG Nr. 217/05 vom 13. Oktober 2005 konnte der Vorzugstarif ab dem 1. Januar 2006 nach Maßgabe etwaiger an den Börsen in Frankfurt am Main (Deutschland) und Amsterdam (Niederlande) verzeichneter Preissteigerungen bis zu 4 % jährlich erhöht werden.

7        Weder das Dekret von 2004 noch Art. 11 Abs. 11 des Gesetzes von 2005 wurden der Kommission notifiziert.

8        Mit Entscheidung, die der Italienischen Republik mit Schreiben vom 19. Juli 2006 mitgeteilt wurde, leitete die Kommission in Bezug auf die Staatliche Beihilfe C 36/06 (ex NN 38/06) – Sonderstromtarif für energieintensive Industriezweige in Italien (zusammengefasst in ABl. C 214, S. 5, im Folgenden: Entscheidung vom 19. Juli 2006) das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG ein.

9        Am 29. November 2006 erhob die Klägerin beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung, soweit sie den ihren beiden Primäraluminiumwerken eingeräumten Stromtarif betraf, hilfsweise, auf Nichtigerklärung der Entscheidung, soweit dieser Tarif von der Kommission als rechtswidrige neue Beihilfe eingestuft wurde.

10      Mit Urteil vom 25. März 2009, Alcoa Trasformazioni/Kommission (T‑332/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wies das Gericht die Klage ab. Dieses Urteil wurde durch Urteil des Gerichtshofs vom 21. Juli 2011, Alcoa Trasformazioni/Kommission (C‑194/09 P, Slg. 2011, I‑6311) bestätigt.

11      Das förmliche Prüfverfahren führte zum Erlass der Entscheidung 2010/460/EG der Kommission vom 19. November 2009 über die staatlichen Beihilfen C 38/A/04 (ex NN 58/04) und C 36/B/06 (ex NN 38/06) Italiens zugunsten von Alcoa Trasformazioni (ABl. 2010, L 227, S. 62, im Folgenden: angefochtene Entscheidung), in deren Art. 1 die staatliche Beihilfe, die die Italienische Republik der Klägerin seit dem 1. Januar 2006 zu Unrecht gewährt habe, für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird.

12      Die Kommission vertrat in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung, dass sowohl ihre Analyse in der Alumix-Entscheidung als auch die von den italienischen Behörden und der Klägerin vorgelegten Berechnungen, nach denen der der Klägerin eingeräumte Vorzugstarif die in der Alumix-Entscheidung niedergelegten Kriterien erfülle, unerheblich seien. Der Betrag der zu erstattenden Beihilfe entspreche der Summe aller von der Ausgleichskasse an die Klägerin gezahlten Kompensationsbeträge.

13      In Bezug auf das Werk in Venetien stellte die Kommission in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung fest, dass sich die Rückforderung der Beihilfe auf den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 19. November 2009, dem Tag der Annahme der angefochtenen Entscheidung, beziehe. Für das Werk auf Sardinien ordnete die Kommission nur eine teilweise Wiedereinziehung an, wobei sich die Rückforderung auf den Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2006 und dem 18. Januar 2007 bezog.

14      Aus Anhang 1 A der Klageschrift geht hervor, dass die angefochtene Entscheidung der Klägerin am 12. Februar 2010 bekannt gegeben worden ist.

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

15      Mit Klageschrift, die am 19. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

16      Mit besonderem Schriftsatz, der am 22. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung beantragt, soweit diese die Beihilfe C 36/B/2006 (ex NN 38/2006) betrifft, und in diesem Zusammenhang auch beantragt, der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

17      Die Italienische Republik hat mit Schriftsatz, der am 8. Juli 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, im vorliegenden Verfahren zur Unterstützung der Anträge der Klägerin als Streithelferin zugelassen zu werden.

18      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 9. Juli 2010, Alcoa Trasformazioni/Kommission (T‑177/10 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen und die Kostentscheidung vorbehalten worden.

19      Am 4. August 2010 hat die Kommission die Klagebeantwortung bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

20      Mit Beschluss vom 13. September 2010 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts die Italienische Republik als Streithelferin zugelassen.

21      Am 26. November 2010 hat die Italienische Republik bei der Kanzlei des Gerichts den Streithilfeschriftsatz eingereicht.

22      Die Erwiderung in ihrer bereinigten Fassung ist am 1. Dezember 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden.

23      Am 1. Februar 2011 hat das Gericht die Stellungnahme der Klägerin zum Streithilfeschriftsatz erhalten.

24      Die Gegenerwiderung und die Stellungnahme der Kommission zum Streithilfeschriftsatz sind am 1. März 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

25      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2011, Alcoa Trasformazioni/Kommission (C‑446/10 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist das Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 9. Juli 2010, Alcoa Trasformazioni/Kommission, zurückgewiesen worden.

26      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt worden, der die Rechtssache dementsprechend zugewiesen worden ist. Anschließend ist die Rechtssache einem neuen Berichterstatter in derselben Kammer zugewiesen worden.

27      Nach der teilweisen Neubesetzung des Gerichts ist der Berichterstatter der Achten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache daher erneut zugewiesen worden ist.

28      Das Gericht (Achte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

29      Die Klägerin und die Kommission haben in der Sitzung vom 12. Dezember 2013 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. Obwohl die Italienische Republik ordnungsgemäß als Streithelferin geladen war, ist sie, ohne das Gericht davon zu unterrichten, nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen.

30      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als die staatliche Beihilfe C 36/B/06 (ex NN 38/06) betroffen ist;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

31      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

32      Die Italienische Republik beantragt, der Klage stattzugeben.

 Rechtliche Würdigung

33      Die Klägerin stützt ihre Klage auf sechs Klagegründe.

34      Mit diesen macht sie im Wesentlichen geltend: erstens, Rechtswidrigkeit der Einstufung als staatliche Beihilfe mangels eines Vorteils für die Klägerin, zweitens, für den Fall, dass das Gericht an der Einstufung als staatliche Beihilfe festhalten sollte, Rechtswidrigkeit aufgrund falscher Bestimmung der Höhe der Beihilfe, drittens, weiterhin unter der Voraussetzung, dass an der genannten Einstufung festgehalten werden sollte, Rechtswidrigkeit aufgrund fehlerhafter Einstufung als Betriebsbeihilfe, da es sich um eine mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Regionalbeihilfe handele, und, selbst wenn es sich um eine Betriebsbeihilfe gehandelt haben sollte, aufgrund der Förderfähigkeit einer solchen Beihilfe nach den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (ABl. 1998, C 74, S. 9), viertens, Rechtswidrigkeit aufgrund Verstoßes gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und die Vorschriften des Vertrags über mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Regionalbeihilfen, fünftens, Rechtswidrigkeit aufgrund Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und, sechstens, eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften.

35      Das Gericht hält es für angezeigt, zunächst den sechsten Klagegrund, mit dem eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften geltend gemacht wird, zu prüfen.

 Zum sechsten Klagegrund: Verletzung wesentlicher Formvorschriften

36      Als Erstes ist über die von der Kommission in Frage gestellte Zulässigkeit des sechsten Klagegrundes zu entscheiden.

37      Nach Auffassung der Kommission ist dieser Klagegrund so wenig substantiiert, dass er nicht die Voraussetzungen von Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erfülle. Aus der Prüfung der Klageschrift und der Erwiderung ergibt sich jedoch, dass die Klägerin, auch sehr knapp ausgeführt, einen Klagegrund vorträgt, der aus zwei Teilen besteht, die eindeutig erkennbar sind und von denen sich der eine auf die Folgen der vermeintlich fehlenden Gültigkeit der Entscheidung vom 19. Juli 2006 für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung (Rn. 271 der Klageschrift) und der andere auf einen Begründungsmangel dieser Entscheidung (Rn. 272 der Klageschrift sowie Rn. 73 und 74 der Erwiderung) bezieht. Der vorliegende Klagegrund ist daher zulässig.

38      Demnach sind als Zweites nacheinander die beiden Teile des sechsten Klagegrundes zu prüfen.

 Erster Teil des sechsten Klagegrundes: Verfahrensfehler aufgrund fehlender Gültigkeit der Entscheidung vom 19. Juli 2006

39      Die Klägerin macht geltend, dass „[ein] endgültiger Beschluss nach Art. 108 Abs. 2 AEUV… nur rechtmäßig erlassen werden [kann], wenn die Entscheidung zur Einleitung der kontradiktorischen förmlichen Untersuchung gültig war“ und „in dem Fall, dass die Einleitungsentscheidung für nichtig erklärt wird, diese Nichtigkeit sich auch auf die angefochtene Entscheidung auswirkt, der ein wesentliches Formerfordernis fehlen würde“.

40      Die Klägerin hat jedoch in der mündlichen Verhandlung auf die Aufforderung zur Stellungnahme zu den Konsequenzen, die ihrer Ansicht aus dem Urteil vom 25. März 2009, Alcoa Trasformazioni/Kommission (bestätigt durch Urteil vom 21. Juli 2011, Alcoa Trasformazioni/Kommission), zu ziehen sind, in dem die volle Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 19. Juli 2006 anerkannt worden ist, erklärt, dass sie den ersten Teil ihres sechsten Klagegrundes fallen lasse; dies ist im Protokoll der mündlichen Verhandlung festgehalten worden.

 Zweiter Teil des sechsten Klagegrundes: Verstoß gegen die Begründungspflicht

41      Mit dem zweiten Teil des sechsten Klagegrundes rügt die Klägerin einen Verstoß gegen die Begründungspflicht. Sie stellt insoweit fest, dass „die [angefochtene] Entscheidung … in wesentlichen Gesichtspunkten mit mehreren schweren Begründungsmängeln behaftet [ist]“ (Rn. 272 der Klageschrift) und verweist auf die „Ausführungen zu den ersten vier Klagegründen“ (ebd.).

42      Vorab ist die Einrede der Unzulässigkeit gegen den zweiten Teil des vorliegenden Klagegrundes zurückzuweisen, mit der die Kommission geltend macht, dass die Argumente der Klägerin nur die Relevanz der Klagegründe, nicht aber die Frage beträfen, ob die Begründung ausreichend sei. Die Frage der Begründungspflicht wird zunächst in den Rn. 69 bis 74 sowie 78 und 79 der Klageschrift behandelt, in denen gerügt wird, es fehle an einer ökonomischen Wertung, auf deren Grundlage das Vorliegen eines Vorteils für die Klägerin dargetan würde.

43      Genauer ist sodann vor allem die Erwiderung, in der ein Verstoß gegen die Begründungspflicht darauf gestützt wird, dass es an einer wirtschaftlichen Analyse, auf deren Grundlage das Vorliegen eines Vorteils für die Klägerin dargetan würde, dem Marktpreis, einer Berücksichtigung der regionalen Entwicklung und einer Begründung für die Aufgabe des Programms zur Errichtung eines virtuellen Kraftwerks (Virtual Power Plant; im Folgenden: VPP-Programm) fehle. Da außerdem ein Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht geltend gemacht wird, von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Urteile des Gerichtshofs vom 1. Juli 1986, Usinor/Kommission, 185/85, Slg. 1986, 2079, Rn. 19, und vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Rn. 67), ist er zulässig, auch wenn er erstmals in der Erwiderung geltend gemacht wird (Urteil des Gerichtshofs vom 20. Februar 1997, Kommission/Daffix, C‑166/95 P, Slg. 1997, I‑983, Rn. 21 und 25, und Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2011, i-content/HABM [BETWIN], T‑258/09, Slg. 2011, II‑3797, Rn. 47). Dies gilt erst recht, wenn der Klagegrund, der in der Klageschrift zwar erwähnt, aber nicht hinreichend präzisiert ist, im Rahmen der Erwiderung ergänzt wird.

44      Daher ist einerseits die Klageschrift im Licht der Erwiderung zu lesen und andererseits davon auszugehen, dass die Klägerin der Kommission im Rahmen des sechsten Klagegrundes nicht vorwirft, sie habe die genannten Gesichtspunkte nicht berücksichtigt, sondern sie habe sie in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt. Die Zulässigkeit des zweiten Teils des sechsten Klagegrundes an sich ist somit gegeben.

45      Es ist zunächst der bloße Verweis im Rahmen des zweiten bis vierten Klagegrundes auf materielle Gründe zu prüfen; sodann sind die von der Klägerin in der Klageschrift (im Rahmen des ersten Klagegrundes, auf den der sechste Klagegrund verweist) erhobenen und in der Erwiderung ergänzten Rügen zu untersuchen.

46      Was den ersten Gesichtspunkt betrifft, ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung der Klagegrund eines Verstoßes gegen den seinerzeit anwendbaren Art. 253 EG, mit dem eine fehlende oder unzureichende Begründung gerügt wird, eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Art. 230 EG darstellt (Urteil Kommission/Sytraval und Brink’s France, Rn. 67, und Urteil des Gerichts vom 13. Januar 2004, Thermenhotel Stoiser Franz u. a./Kommission, T‑158/99, Slg. 2004, II‑1, Rn. 97). Anders verhält es sich mit Rügen, mit denen eigentlich keine fehlende oder unzureichende Begründung gerügt wird, sondern die in Wirklichkeit mit der Beanstandung in Bezug auf die sachliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung und somit in Bezug auf die materielle Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts zusammenfallen (Urteile des Gerichts Thermenhotel Stoiser Franz u. a./Kommission, Rn. 97, und vom 14. Januar 2009, Kronoply/Kommission, T‑162/06, Slg. 2009, II‑1, Rn. 23). Diese können im Rahmen eines solchen Klagegrundes nur zurückgewiesen werden (Urteile des Gerichts Thermenhotel Stoiser Franz u. a./Kommission, Rn. 97 und 98, und vom 27. September 2012, Italien/Kommission, T‑257/10, Rn. 53).

47      In Bezug auf den zweiten Gesichtspunkt ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die nach Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann.

48      Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Anforderungen von Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. Insbesondere braucht die Kommission nicht auf alle Argumente einzugehen, die die Betroffenen vor ihr geltend gemacht haben, sondern es reicht aus, wenn sie die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anführt, denen innerhalb der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Februar 1990, Delacre u. a./Kommission, C‑350/88, Slg. 1990, I‑395, Rn. 16; Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, Technische Glaswerke Ilmenau/Kommission, T‑198/01, Slg. 2004, II‑2717, Rn. 59 und 60, und vom 28. März 2012, Ryanair/Kommission, T‑123/09, Rn. 178).

49      Anhand der vorstehenden Erwägungen ist zu prüfen, ob die Kommission die angefochtene Entscheidung hinsichtlich erstens der wirtschaftlichen Analyse, auf deren Grundlage sie auf das Vorliegen eines Vorteils für die Klägerin geschlossen hat, zweitens des zugrunde zu legenden Marktpreises, drittens der Durchführung der Prüfung, ob die Beihilfe vor dem Hintergrund der regionalen Entwicklung zugelassen werden könne, und viertens der Aufgabe des VPP-Programms ausreichend begründet hat.

50      So ergibt sich aus der Prüfung der angefochtenen Entscheidung erstens hinsichtlich der wirtschaftlichen Analyse, auf deren Grundlage die Kommission auf das Vorliegen eines Vorteils für die Klägerin geschlossen hat, dass die Kommission zunächst den wirtschaftlichen Zusammenhang dargestellt hat, in dem die Alumix-Entscheidung ergangen war (Erwägungsgründe 33 bis 38 der angefochtenen Entscheidung), sodann auf die erheblichen Veränderungen hingewiesen hat, die danach für den italienischen Strommarkt kennzeichnend gewesen seien (Erwägungsgründe 39 bis 43 der angefochtenen Entscheidung), und schließlich einen ganzen Abschnitt (Ziff. 6.2.1. [„Vorliegen eines Vorteils“] der angefochtenen Entscheidung) der Analyse des Marktes gewidmet hat, in den die Klägerin eingegriffen habe (Erwägungsgründe 145 bis 158 der angefochtenen Entscheidung). Unter Hinweis u. a. darauf, dass die Alumix-Entscheidung, die in einem monopolistischen Umfeld ergangen sei, nicht auf einen liberalisierten Strommarkt übertragen werden könne (150. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), hob die Kommission im Einklang mit dem Urteil vom 21. Juli 2011, Alcoa Trasformazioni/Kommission (Rn. 71), hervor, dass die „Bedingungen auf dem realen Markt“ (146. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) heranzuziehen seien. Sie ging auch auf die Besonderheit des sardischen Marktes ein (Erwägungsgründe 155 und 226 bis 231 der angefochtenen Entscheidung).

51      Was zweitens den Marktpreis betrifft, stellte die Kommission fest, dass der Preis, den die Klägerin erhalten habe, aufgrund des Eingreifens des italienischen Staates unter dem Preis gelegen habe, den sie unter realen Marktbedingungen erzielt hätte, denn hätte sie diesen Preis direkt von einem Stromversorger in den entsprechenden Regionen erhalten können, wäre dieses Eingreifen nicht erforderlich gewesen (145. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). In den Erwägungsgründen 146 bis 152 der angefochtenen Entscheidung führte sie die Gründe an, aus denen sie die von der Klägerin vorgenommene Berechnung des Marktpreises zurückweisen müsse, und stellte darüber hinaus in den Erwägungsgründen 153 und 154 der angefochtenen Entscheidung fest, dass diese Berechnung fehlerhaft sei, da sie den Erzeugungsgrenzkosten der Grundlastkraftwerke, d. h. der wirtschaftlichsten Kraftwerke, entspreche. Solche Preise seien jedoch auf dem Markt nur zu den Spitzenlastzeiten erhältlich, wohingegen die Klägerin Strom nicht nur zu diesen Zeiten, sondern rund um die Uhr verbrauche. Schließlich ging die Kommission näher auf den Marktpreis auf Sardinien ein (230. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und führte dazu aus, dass, selbst angenommen, dass die in der Alumix-Entscheidung niedergelegten Kriterien anzuwenden seien, der Tarif, der der Klägerin zugute gekommen sei, diese Kriterien nicht erfülle (155. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

52      In Bezug auf die Zulässigkeit der Beihilfe vor dem Hintergrund der regionalen Entwicklung ergibt sich drittens aus den Erwägungsgründen 60 bis 67 der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission diese Möglichkeit entgegen dem Vorbringen der Klägerin auf der Grundlage der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung geprüft hat (60. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), nach denen Venetien nicht zu den Fördergebieten gehöre (61. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), so dass eines der Werke der Klägerin von einer Förderung ausgeschlossen sei. Zu dem zweiten, auf Sardinien ansässigen Werk stellte die Kommission fest, dass diese Region zwar bis zum 31. Dezember 2006 (62. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), nicht mehr jedoch gemäß den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007–2013 (ABl. 2006, C 54, S. 13) Fördergebiet gewesen sei, es sei denn, der Klägerin käme der Übergangszeitraum von zwei Jahren „für den linearen Abbau der bestehenden Betriebsbeihilfen“ zugute (66. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission untersuchte daher, ob die Beihilfe notwendig gewesen sei (63. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und den regionalen Nachteilen in einem angemessenen Verhältnis entsprochen habe (64. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), und verneinte dies. Darüber hinaus enthalte die Beihilfe real keine degressive Staffelung (65. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), da es insgesamt nicht angebracht sei, „eine Betriebsbeihilfe für wenige Monate einzuführen“ und dann „schrittweise wieder auslaufen zu lassen“, nicht zuletzt „angesichts der bereits geäußerten Zweifel und des wettbewerbsverzerrenden Charakters der Beihilfe“ (66. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission äußerte schließlich Zweifel an der Möglichkeit einer Genehmigung des Vorzugstarifs für die Klägerin „als Regionalbeihilfe oder auf einer anderen Rechtsgrundlage“ (67. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

53      Zudem enthält die angefochtene Entscheidung einen ganzen Abschnitt (Ziff. 6.5.1. [„Vereinbarkeit mit den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (Sardinien)“]), der in 20 Erwägungsgründen den Standpunkt der Kommission zu diesem Thema, insbesondere zur Frage des „Beitrags zur regionalen Entwicklung“ (Ziff. 6.5.1.2 und Erwägungsgründe 232 bis 237 der angefochtenen Entscheidung) zusammenfasst (Erwägungsgründe 220 bis 240).

54      Viertens wird in der angefochtenen Entscheidung auch das VPP-Programm an mehreren Stellen erwähnt. Die Kommission nennt es im Rahmen der zeitlichen Abfolge des Rechtsstreits, wobei sie feststellt, sie habe die „Möglichkeit [zur Einführung]“ dieses Programms erkundet (18. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und darüber einen Schriftwechsel mit der Italienischen Republik geführt (Erwägungsgründe 18 bis 20 der angefochtenen Entscheidung). Auch hätten Treffen mit diesem Mitgliedstaat stattgefunden (ebd.). Vor allem enthält die angefochtene Entscheidung einen in zwei Teile gegliederten Abschnitt zu dieser Frage (Ziff. 6.5.3 [„Der Vorschlag eines virtuellen Kraftwerks (Sardinien)]“), in denen es um die „Beschreibung des italienischen VPP“ (Ziff. 6.5.3.1 der angefochtenen Entscheidung) und die „Vereinbarkeit des Tarifs auf der Grundlage des VPP“ (Ziff. 6.5.3.2 der angefochtenen Entscheidung) geht. In diesem Abschnitt (Erwägungsgründe 246 bis 259 der angefochtenen Entscheidung) werden das VPP-Programm sowie die Gründe, aus denen die Kommission „zu der Schlussfolgerung gelangt [ist], dass das VPP im vorliegenden Fall keine hinreichende Grundlage für die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt bildet, weder für einen Übergangszeitraum nach der Einführung des VPP noch für den Zeitraum vor der Einführung des VPP“ (253. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), im Einzelnen dargelegt.

55      Damit enthält die angefochtene Entscheidung, die bei Weitem nicht unvollständig ist, eine ausführliche und aussagekräftige Begründung zu den vier von der Klägerin speziell vorgetragenen Gesichtspunkten, so dass die Klägerin ihr die Gründe für die Entscheidung entnehmen und das Gericht der Europäischen Union seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann.

56      Der zweite Teil des sechsten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen. Angesichts der Rücknahme des ersten Teils dieses Klagegrundes ist damit der Klagegrund zurückzuweisen.

57      An dieser Stelle ist der fünfte Klagegrund der Klägerin zu prüfen, da diese Prüfung das Gericht zu einer Klärung der genauen Tragweite der Alumix-Entscheidung veranlassen wird.

 Fünfter Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

58      Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung den Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt habe. Es ist darauf hinzuweisen, dass, wie im Übrigen auch die Klägerin einräumt, einige der Argumente, die sie im Rahmen dieses Klagegrundes vorträgt, „dem Gericht bereits im Rahmen der Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung [vom 19. Juli 2006] vorlagen“ (Rn. 225 der Klageschrift) und dass „[es] diesen nicht stattgegeben hat“ (ebd.). Die Klägerin beantragt insbesondere aufgrund der größeren Tragweite dieser Argumente und des Umstands, dass die angefochtene Entscheidung anderer Art sei als die Entscheidung vom 19. Juli 2006, deren Überprüfung. Folglich ist unter Berücksichtigung der Entscheidung des Gerichts und der anschließenden Entscheidung des Gerichtshofs, jedoch ohne Beschränkung darauf, auf die fünf Teile des fünften Klagegrundes einzugehen, mit denen Folgendes geltend gemacht wird: erstens, ein berechtigtes Vertrauen der Italienischen Republik und der Klägerin, dass es sich bei der fraglichen Beihilfe wegen ihrer kontinuierlichen Wirkungen für die Klägerin um eine bestehende und keine neue Beihilfe handele, so dass die angefochtene Entscheidung gegen Art. 88 EG (der von der Klägerin herangezogene Art. 108 AEUV ist in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar) verstoße, zweitens, ein berechtigtes Vertrauen aufgrund des Ausbleibens einer Reaktion der Kommission, die nach Auffassung der Klägerin von der Änderung der Rechtslage nach dem Ablauf der in dem Dekret von 1995 vorgesehenen Frist unterrichtet gewesen sei, auf den Erlass der neuen Vorschriften des italienischen Rechts, wodurch die Klägerin in der Annahme gelassen worden sei, dass die fragliche Beihilfe als bestehende Beihilfe anzusehen sei, drittens, die Unbefristetheit der Alumix-Entscheidung, viertens, das berechtigte Vertrauen aufgrund des Umstands, dass der sich aus dem Dekret von 1995 ergebende Tarif nicht als staatliche Beihilfe betrachtet worden sei, und, fünftens, die Bekräftigung des berechtigten Vertrauens der Klägerin durch die Haltung der Kommission im förmlichen Prüfverfahren, die insbesondere in einem Schreiben vom 19. Januar 2007 zum Ausdruck gekommen sei.

59      Vor der Prüfung der verschiedenen Teile des vorliegenden Klagegrundes ist in Erinnerung zu rufen, was unter dem Grundsatz des berechtigten Vertrauens zu verstehen ist und welche Voraussetzungen für seine Anwendung erfüllt sein müssen.

60      Als fundamentaler Grundsatz des Rechts der Europäischen Union (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Oktober 1999, Atlanta/Europäische Gemeinschaft, C‑104/97 P, Slg. 1999, I‑6983, Rn. 52) ermöglicht es der Grundsatz des Vertrauensschutzes jedem Wirtschaftsteilnehmer, bei dem ein Organ begründete Erwartungen geweckt hat, sich auf diesen Grundsatz zu berufen (Urteile des Gerichtshofs vom 11. März 1987, Van den Bergh en Jurgens und Van Dijk Foods Products [Lopik]/EWG, 265/85, Slg. 1987, 1155, Rn. 44, und vom 24. März 2011, ISD Polska u. a./Kommission, C‑369/09 P, Slg. 2011, I‑2011, Rn. 123; Urteil des Gerichts vom 27. September 2012, Producteurs de légumes de France/Kommission, T‑328/09, Rn. 18). Ist ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer jedoch in der Lage, den Erlass einer Unionsmaßnahme vorauszusehen, die seine Interessen berühren kann, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf diesen Grundsatz berufen (Urteil des Gerichtshofs vom 1. Februar 1978, Lührs, 78/77, Slg. 1978, 169, Rn. 6, und Urteil vom 25. März 2009, Alcoa Trasformazioni/Kommission, Rn. 102). Der Anspruch auf Vertrauensschutz hängt von drei kumulativen Voraussetzungen ab. Erstens muss die Unionsverwaltung dem Betroffenen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite gegeben haben. Zweitens müssen diese Zusicherungen geeignet sein, bei dem Adressaten begründete Erwartungen zu wecken. Drittens müssen die Zusicherungen im Einklang mit den anwendbaren Rechtsnormen stehen (vgl. Urteil Producteurs de légumes de France/Kommission, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61      Was insbesondere die Geltung dieses Grundsatzes im Bereich der staatlichen Beihilfen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass angesichts der grundlegenden Rolle, die die Notifizierungspflicht für die Wirksamkeit der Überwachung staatlicher Beihilfen durch die Kommission, bei der es sich um ein zwingendes Erfordernis handelt, spielt, dürfen die von einer Beihilfe begünstigten Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit der genannten Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn diese unter Einhaltung des in Art. 88 EG vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde; ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer muss regelmäßig in der Lage sein, sich zu vergewissern, dass dieses Verfahren eingehalten wurde. Insbesondere kann der Empfänger einer Beihilfe, die ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission durchgeführt wurde, so dass sie gemäß Art. 88 Abs. 3 EG rechtswidrig ist, damit kein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit ihrer Gewährung haben (vgl. in diesem Sinne Urteil Producteurs de légumes de France/Kommission, Rn. 20 und 21 und die dort angeführte Rechtsprechung), es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor (Urteil des Gerichts vom 30. November 2009, Frankreich und France Télécom/Kommission, T‑427/04 und T‑17/05, Slg. 2009, II‑4315, Rn. 263).

62      Angesichts der vorstehenden Erwägungen sind nacheinander der dritte, der zweite, der vierte, der erste und der fünfte Teil des vorliegenden Klagegrundes zu prüfen.

 Zum dritten Teil des fünften Klagegrundes: Unbefristetheit der Alumix-Entscheidung

63      Da sich die Kommission mit der Alumix-Entscheidung zur Vereinbarkeit der mit dem Dekret von 1995, dessen Gültigkeit ausdrücklich am 31. Dezember 2005 endete, eingeführten Beihilfe mit dem Gemeinschaftsrecht geäußert hat, konnte ihre Entscheidung keine längere zeitliche Geltung aufweisen als die fragliche Maßnahme. Wie die Kommission in der Klagebeantwortung zutreffend ausführt, findet sich diese Überlegung bereits im Urteil vom 25. März 2009, Alcoa Trasformazioni/Kommission (Rn. 105 und 106). Dieses wurde vom Gerichtshof bestätigt, der befunden hat, dass die Feststellungen der Kommission in der Alumix-Entscheidung der Klägerin keinen berechtigten Anlass zu der Annahme geben konnten, dass sich die Schlussfolgerungen dieser Entscheidung auf den in der Entscheidung vom 19. Juli 2006 geprüften Tarif erstrecken würden (Urteil vom 21. Juli 2011, Alcoa Trasformazioni/Kommission, Rn. 134) und dass demzufolge das Gericht zu Recht festgestellt hat, dass die Alumix-Entscheidung bei der Klägerin kein berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand der darin enthaltenen Schlussfolgerungen habe hervorrufen können (Urteil vom 21. Juli 2011, Alcoa Trasformazioni/Kommission, Rn. 135).

64      Daher ist der dritte Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des fünften Klagegrundes: berechtigtes Vertrauen aufgrund des Ausbleibens einer Reaktion der Kommission auf den Erlass der neuen Vorschriften des italienischen Rechts

65      Es ist festzustellen, dass zwar einerseits die Alumix-Entscheidung nur während der Dauer der mit dem Dekret von 1995 eingeführten Beihilfe galt, andererseits aber das Ausbleiben einer Reaktion der Kommission nicht dahin ausgelegt werden kann, dass es bei der Klägerin einen Vertrauensschutz entstehen lassen konnte.

66      Erstens nämlich beruht die Argumentation der Klägerin auf einer falschen Prämisse, da sie vorträgt, die streitigen Vorschriften seien der Kommission bekannt gewesen, während es hier um die Frage geht, ob sie ihr von der Italienischen Republik notifiziert worden waren. In Bezug auf das Dekret von 2004 geht aus der angefochtenen Entscheidung hervor (Erwägungsgründe 1 bis 3 dieser Entscheidung), dass die Italienische Republik der Kommission, die durch eine Reihe von Presseartikeln aufmerksam geworden war, auf deren Ersuchen Auskünfte erteilt hat. Was das Gesetz von 2005 betrifft, ergibt sich aus den Akten auch, dass, wie in der mündlichen Verhandlung bestätigt, Art. 11 Abs. 11 dieses Gesetzes der Kommission nicht wie sein Art. 11 Abs. 12 notifiziert worden ist, was der Gerichtshof im Übrigen bereits festgestellt hatte (Urteil vom 21. Juli 2011, Alcoa Trasformazioni/Kommission, Rn. 16). Daher ist die vorstehend in Rn. 61 genannte Rechtsprechung anzuwenden, nach der der Beihilfeempfänger nicht auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe vertrauen kann, wenn diese ohne vorherige Notifizierung bei der Kommission durchgeführt wurde.

67      Genauso wenig kann behauptet werden, dass die Kommission untätig gewesen sei, da ihr die fraglichen Informationen im Rahmen der von ihr eingeleiteten Verfahren übermittelt worden sind. Da weder die Untätigkeit noch die Notifizierung nachgewiesen sind, konnte unter diesen Umständen kein Vertrauensschutz aus einer Untätigkeit der Kommission nach einer Notifizierung entstehen.

68      Zweitens fehlt es vorliegend jedenfalls an konkreten, nicht an Bedingungen geknüpften und übereinstimmenden Zusicherungen.

69      Auch der zweite Teil des fünften Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Zum vierten Teil des fünften Klagegrundes: berechtigtes Vertrauen aufgrund des Umstands, dass der sich aus dem Dekret von 1995 ergebende Tarif nicht als staatliche Beihilfe betrachtet worden sei

70      Aus den Feststellungen im Zusammenhang mit der Prüfung des dritten Teils des fünften Klagegrundes ergibt sich, dass das Dekret von 1995, um das es in der Alumix-Entscheidung ging und das, da es am 31. Dezember 2005 auslief, befristet war, nur für den betreffenden Zeitraum keine staatliche Beihilfe darstellen konnte. Wie der Gerichtshof zu der vom Gericht insoweit vorgenommenen Prüfung festgestellt hat (Urteil vom 21. Juli 2011, Alcoa Trasformazioni/Kommission, Rn. 135), konnte bei die Klägerin kein berechtigtes Vertrauen auf den Fortbestand der in dieser Entscheidung enthaltenen Schlussfolgerungen geweckt werden.

71      Folglich ist der vierte Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zum ersten Teil des fünften Klagegrundes: berechtigtes Vertrauen, dass es sich bei der fraglichen Beihilfe wegen ihrer kontinuierlichen Wirkungen für die Klägerin um eine bestehende Beihilfe handele

72      Aus der in den Rn. 60 und 61 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung geht hervor, dass ein Wirtschaftsteilnehmer einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes nur geltend machen kann, wenn er hinreichend vorsichtig, aufmerksam und sorgfältig war. Unter diesen Voraussetzungen musste die Klägerin einerseits beachten, dass der Vorzugstarif, der ihr nach dem Dekret von 1995 zugute kam und der als solcher gegenüber dem Normalpreis Ausnahmecharakter hatte, für eine Dauer von zehn Jahren vorgesehen war und sie keineswegs mit seiner Verlängerung rechnen konnte. Andererseits konnte sie das Verfahren zur Bestimmung des Vorzugstarifs, über den sie ursprünglich verfügte, nicht außer Acht lassen und demzufolge auch nicht unberücksichtigt lassen, dass dieser verschiedene Entwicklungen durchlaufen hatte, zu denen die Kommission noch nicht Stellung bezogen hatte. Zudem ist es gerade wegen dieser Entwicklungen falsch, von einer kontinuierlichen Wirkung des durch das Dekret von 1995 eingeführten Vorzugstarifs auszugehen, da dieser mehrere Änderungen, insbesondere aufgrund des Gesetzes von 2005 in seiner Auslegung durch die AEEG eine jährliche, auf 4 % des Tarifs begrenzte Anpassung, erfahren hat (siehe oben, Rn. 6 und Erwägungsgründe 49 und 50 der angefochtenen Entscheidung).

73      Nach alledem konnte die Klägerin als hinreichend vorsichtiger, aufmerksamer und sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass der ursprüngliche Tarif von dauerhafter Wirkung sei und als bestehende Beihilfe angesehen werde, insbesondere da er sich seit der Alumix-Entscheidung erheblich weiterentwickelt hatte, und zwar selbst dann nicht, wenn ihr weiterhin ein Vorzugstarif zugute kam.

74      Der erste Teil des fünften Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Fünfter Teil des fünften Klagegrundes: Bekräftigung des berechtigten Vertrauens der Klägerin durch die Haltung der Kommission im förmlichen Prüfverfahren, die insbesondere in einem Schreiben vom 19. Januar 2007 zum Ausdruck gekommen sei

75      Dass die Kommission mit Schreiben vom 19. Januar 2007 Gespräche mit der Italienischen Republik (nicht aber mit der Klägerin) über das VPP-Programm aufgenommen hatte (Erwägungsgründe 18 bis 20 der angefochtenen Entscheidung), konnte nicht nur keine Auswirkungen auf den Charakter einer bestehenden Beihilfe haben, den die Klägerin den durch die umstrittenen Vorschriften des italienischen Rechts umgesetzten Maßnahmen zuschreiben lassen wollte, und daher auf den Vertrauensschutz, den sie zu Unrecht auf die Schlussfolgerungen der Kommission in der Alumix-Entscheidung glaubte gründen zu können, sondern konnte vor allem auch, da mit diesem Schreiben Verhandlungen zu möglichen Übergangsmaßnahmen aufgenommen wurden, per definitionem keine konkreten, nicht an Bedingungen geknüpften und übereinstimmenden Zusicherungen darstellen.

76      Daraus folgt, dass der fünfte Teil des fünften Klagegrundes und daher dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen ist.

77      Die weiteren vier Klagegründe werden in der sich aus den Schriftsätzen der Klägerin ergebenden Reihenfolge geprüft.

 Zum ersten Klagegrund: rechtswidrige Einstufung als staatliche Beihilfe mangels eines Vorteils für die Klägerin

78      Der erste Klagegrund, mit dem die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 107 AEUV (in Wirklichkeit Art. 87 EG, der in zeitlicher Hinsicht anwendbar war), geltend macht, besteht aus mehreren Teilen, von denen sich der erste auf die Intensität der gerichtlichen Kontrolle im Bereich staatlicher Beihilfen und auf die Begründungspflicht bezieht, die der Kommission in diesem Bereich obliegt. Zu diesem letzten Gesichtspunkt wurde im Rahmen der Prüfung des zweiten Teils des sechsten Klagegrundes festgestellt, dass die angefochtene Entscheidung den Anforderungen von Art. 253 EG entspricht. Was die allgemeinen Überlegungen zur Kontrolle durch das Unionsgericht im Bereich staatlicher Beihilfen betrifft, fehlt es an einer konkreten Rüge, mit der die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht wird; sie sind daher als ins Leere gehend zurückzuweisen.

79      Der erste Klagegrund lässt sich in Wirklichkeit auf drei Argumente zusammenfassen: Die Kommission hätte von der Anwendbarkeit der in der Alumix-Entscheidung aufgestellten Kriterien ausgehen und daher zum selben Ergebnis wie in dieser Entscheidung, nämlich dem Nichtvorliegen einer staatlichen Beihilfe, gelangen müssen (Abschnitte D und E des ersten Klagegrundes); sie hätte eine ökonomische Wertung vornehmen müssen, um festzustellen, ob ein Vorteil für die Klägerin vorgelegen habe (Abschnitt B des ersten Klagegrundes); dies hätte jedenfalls vorausgesetzt, dass die Kommission ihren Überlegungen einen normal funktionierenden Markt zugrunde gelegt hätte (Abschnitt C des ersten Klagegrundes).

80      Diese drei Kritikpunkte sind nacheinander zu prüfen.

81      Was die Kritik daran betrifft, dass die Kommission die in der Alumix-Entscheidung aufgestellten Kriterien im vorliegenden Fall für unanwendbar gehalten habe, ist klarzustellen, dass es hierbei nicht um eine Frage des zeitlichen Geltungsbereichs dieser Entscheidung geht, auf die im Rahmen der Prüfung des fünften Klagegrundes eingegangen worden ist, sondern um die Frage, ob seitdem wirtschaftliche und rechtliche Änderungen eingetreten sind, die der Wiederholung einer solchen Entscheidung entgegenstünden. Wie die Kommission jedoch zu Recht ausführt, „[ist] eine weiter gehende Änderung als der Übergang von dem Tarif, den ein Lieferant verlangt, zu einem staatlich subventionierten Tarif … kaum vorstellbar“ (Rn. 54 der Klagebeantwortung).

82      Während im ersten Fall der der Klägerin eingeräumte Tarif dem Rabatt entsprechen könnte, den ein Lieferant sogar bei einer Monopolstellung (im vorliegenden Fall dem ENEL-Monopol) einem seiner wichtigsten Kunden eingeräumt hat (vgl. hierzu Erwägungsgründe 36 und 37 der angefochtenen Entscheidung), umfassen die in der angefochtenen Entscheidung fraglichen Maßnahmen einen von den italienischen Behörden festgelegten Preisnachlass, der durch eine steuerähnliche Abgabe finanziert wurde, wodurch der Klägerin der Unterschied zwischen dem den Unternehmen in Rechnung gestellten Normaltarif und dem ihr gewährten Vorzugstarif erstattet werden konnte. Da sich jedoch bereits aus dem eingeführten Vorzugstarif als solchem ergibt, dass der Klägerin der Unterschied zwischen dem Stromtarif, der den Fabriken von ENEL in Rechnung gestellt wird, und dem durch das Dekret von 1995 vorgesehenen Tarif von der Ausgleichskasse aus öffentlichen Mitteln erstattet wurde, steht schon deshalb fest, dass die Werke der Klägerin nicht die Gesamtlasten trugen, die sie normalerweise zu tragen gehabt hätten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. März 2009, Alcoa Trasformazioni/Kommission, Rn. 68, und Urteil vom 21. Juli 2011, Alcoa Trasformazioni/Kommission, Rn. 83).

83      Die Kommission hat daher rechtsfehlerfrei angenommen, dass die in der Alumix-Entscheidung aufgestellten Kriterien im vorliegenden Fall keine Anwendung finden könnten.

84      Zum zweiten Kritikpunkt ist festzustellen, dass die Kommission, wie bereits im Rahmen der Prüfung des zweiten Teils des sechsten Klagegrundes ausgeführt, zahlreiche die Wirtschaft betreffende Hinweise zur Entwicklung des Marktes (Ende des Monopols) und zu den Eigenheiten der Werke der Klägerin (beispielsweise Analyse des sardischen Strommarktes) gegeben hat. Sie hat daher Art. 87 EG beachtet, wonach die Kommission nachzuweisen hat, dass dem begünstigten Unternehmen ein wirtschaftlicher Vorteil eingeräumt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale und Land Nordrhein-Westfalen/Kommission, T‑228/99 und T‑233/99, Slg. 2003, II‑435, Rn. 251 und 257, und vom 3. März 2010, Bundesverband deutscher Banken/Kommission, T‑163/05, Slg. 2010, II‑387, Rn. 98). Da sich bereits aus der Beschreibung des eingeführten Verfahrens ergibt, dass der Klägerin ein Vorteil eingeräumt worden war, brauchte die Kommission dagegen keine weiteren Argumente vorzubringen. Die komplexen ökonomischen Bewertungen, die beispielsweise für die Anwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers erforderlich sind, konnten angesichts eines Ausgleichsverfahrens, das durch eine steuerähnliche Abgabe finanziert wurde, die eine Gesellschaft von der Zahlung eines Teils ihrer Stromkosten befreien sollte, die für die Herstellung der Waren, mit denen sie auf dem Unionsgebiet handelt, erforderlich waren, von keinerlei Nutzen sein. Es bedurfte daher keiner genaueren wirtschaftlichen Analyse durch die Kommission als der in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen.

85      Zum dritten Argument der Klägerin, dass die Kommission ihren Überlegungen einen normalen Markt und nicht den bestehenden Markt hätte zugrunde legen müssen, genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung eine staatliche Beihilfe als solche und nicht im Hinblick auf Ziele zu beurteilen ist, mit denen beispielsweise ein unzureichender Wettbewerbscharakter eines Marktes beseitigt werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Italien/Kommission, C‑372/97, Slg. 2004, I‑3679, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86      Der erste Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Rechtswidrigkeit aufgrund fehlender Bestimmung der Höhe der Beihilfe

87      Es ist hier darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zum einen die in Rede stehende Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt und zum anderen ihre teilweise Rückzahlung anordnet. In Bezug auf diesen letzten Gesichtspunkt stellt sich die Frage der Bestimmung der Höhe der Beihilfe.

88      Nach ständiger Rechtsprechung verlangt keine Vorschrift des Unionsrechts von der Kommission, bei der Anordnung der Rückzahlung einer für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärten Beihilfe den genauen Betrag der zu erstattenden Beihilfe festzusetzen. Es genügt, dass die Entscheidung der Kommission Angaben enthält, die es ihrem Adressaten ermöglichen, diesen Betrag ohne übermäßige Schwierigkeiten selbst zu bestimmen (Urteile des Gerichtshofs vom 12. Oktober 2000, Spanien/Kommission, C‑480/98, Slg. 2000, I‑8717, Rn. 25, und vom 18. Oktober 2007, Kommission/Frankreich, C‑441/06, Slg. 2007, I‑8887, Rn. 29; Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2010, Mediaset/Kommission, T‑177/07, Slg. 2010, II‑2341, Rn. 181).

89      Die angefochtene Entscheidung genügt diesen Anforderungen, da sie, wie im Übrigen im Beschluss vom 9. Juli 2010, Alcoa Trasformazioni/Kommission (Rn. 11), festgestellt, ohne den genauen Betrag der zu erstattenden Beihilfe zu nennen, die Methode zur Berechnung dieses Betrags enthält. Dieser entspricht der Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Preis und dem Vorzugstarif und stimmt damit mit den Ausgleichszahlungen überein, die die Klägerin im fraglichen Zeitraum erhalten hat (285. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Art. 1 der angefochtenen Entscheidung nimmt ausdrücklich auf diesen Erwägungsgrund Bezug. In Art. 2 dieser Entscheidung wird klargestellt, dass dieser Betrag zu verzinsen sei, und es werden die Modalitäten der Zinsberechnung festgelegt. Aus der Prüfung dieser Vorschrift ergibt sich schließlich, dass die Kommission in Bezug auf das Werk auf Sardinien auf die Rückzahlung der Beihilfe für die Zeit vom 19. Januar 2007 bis zum 19. November 2009 verzichtet hat.

90      Somit ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: fehlerhafte Einstufung als Betriebsbeihilfe, hilfsweise, Förderfähigkeit einer solchen Beihilfe nach den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung

91      Es ist bereits an dieser Stelle auf die Beschränkung des dritten Klagegrundes hinzuweisen, der, da Venetien keine Region ist, die für die Gewährung staatlicher Beihilfen mit regionaler Zielsetzung nach Art. 87 Abs. 3 Buchst. a EG in Betracht kommt, nur das Werk auf Sardinien betrifft. Die Kommission führt in der angefochtenen Entscheidung (240. Erwägungsgrund dieser Entscheidung) und in der Klagebeantwortung aus, dass Sardinien von Ende 2006 an nicht mehr als Fördergebiet gegolten habe. Folglich sind die beiden Teile des dritten Klagegrundes nur insoweit zu prüfen, als damit die Rechtswidrigkeit der Beihilfe für das Werk auf Sardinien in der Zeit vor diesem Zeitpunkt gerügt wird.

 Fehlerhafte Einstufung der fraglichen Beihilfe als Betriebsbeihilfe

92      Die Klägerin macht im Rahmen ihrer Zweifel an der Analyse der Kommission, die fragliche Beihilfe sei mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, geltend, es habe sich nicht um eine Betriebsbeihilfe gehandelt, die als solche vom Anwendungsbereich der Leitlinien hinsichtlich der staatlichen Beihilfen mit regionaler Zielsetzung grundsätzlich ausgeschlossen sei (Ziff. 4.14 bis 4.17 der genannten Leitlinien). Sie beruft sich u. a. auf den temporären Charakter der betreffenden Maßnahme und auf deren im Wesentlichen regionale Zielsetzung. Dieses Argument vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zum einen kam der Klägerin nämlich 15 Jahre lang ein Vorzugstarif zugute (seit Inkrafttreten des Dekrets von 1995 bis zur Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung, insbesondere ihres Art. 4, nach dem die Italienische Republik alle ausstehenden Zahlungen für die fragliche Beihilfe einzustellen hatte). Zum anderen betraf der Vorzugstarif nicht nur Sardinien, sondern auch Venetien. Jedenfalls sind nach ständiger Rechtsprechung Betriebsbeihilfen Beihilfen, mit denen ein Unternehmen von den Kosten befreit werden soll, die es normalerweise im Rahmen seiner laufenden Verwaltung oder seiner üblichen Tätigkeit hätte tragen müssen (Urteile des Gerichtshofs vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C‑156/98, Slg. 2000, I‑6857, Rn. 30, und vom 21. Juli 2011, Freistaat Sachsen und Land Sachsen-Anhalt/Kommission, C‑459/10 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 34; Urteil Kronoply/Kommission, Rn. 75). Demnach war die fragliche Beihilfe, mit deren Hilfe die Klägerin die Kosten für ihren Stromverbrauch, der definitionsgemäß Teil ihrer laufenden Verwaltung war, verringern konnte, sehr wohl eine Betriebsbeihilfe. Dies gilt umso mehr, als der Stromerwerb für die Klägerin von wesentlicher Bedeutung war, da die Gewinnung von Primäraluminium besonders energieaufwändig ist (74. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

93      Der erste Teil des dritten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Hilfsweise, Förderfähigkeit der fraglichen Beihilfe nach den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung

94      Auch Betriebsbeihilfen konnten ausnahmsweise als Beihilfen zur Förderung bestimmter Gebiete nach Art. 87 Abs. 3 Buchst. a EG zugelassen werden, vorausgesetzt, dass sie aufgrund ihres Beitrags zur Regionalentwicklung und ihrer Art gerechtfertigt waren und ihre Höhe den auszugleichenden Nachteilen entsprach. Diese Beihilfen mussten zeitlich begrenzt und degressiv gestaffelt sein. Die Klägerin macht hilfsweise geltend, die Kommission hätte daher in Bezug auf ihr Werk auf Sardinien die Beihilfe für förderfähig erklären müssen. Dieses Vorbringen kann nicht durchgreifen.

95      Zunächst – und schon aus diesem Grund konnte die Kommission es ablehnen, die Förderfähigkeit der in Rede stehenden Beihilfe gemäß den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung zu bejahen – war die fragliche Beihilfe, auch wenn die Tariferhöhung auf 4 % begrenzt war, nicht degressiv gestaffelt (Erwägungsgründe 65 und 239 der angefochtenen Entscheidung). Der Ausgleichsbetrag, der dem Begünstigten des Vorzugstarifs zugute kommt, wird nämlich nicht bereits durch die Anhebung des Nominalbetrags dieses Tarifs bis zu einer Obergrenze herabgesetzt, da die tatsächlichen Stromkosten für den Wirtschaftsteilnehmer über dem Preis bleiben können, den er diesem Begünstigten aufgrund des selbst um 4 % angehobenen Vorzugstarifs in Rechnung stellt. Folglich war, wie die Kommission zutreffend und insoweit unbestritten festgestellt hat, der Vorzugstarif nur dann degressiv, wenn die Nettodurchschnittspreise in der Union real gesunken sind, in allen anderen Fällen aber progressiv.

96      Ferner gab die Kommission völlig überzeugend die Gründe an, weshalb die fragliche Beihilfe nicht dauerhaft zur regionalen Entwicklung beitrage. So hat sie in den Erwägungsgründen 235 und 236 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, die Klägerin habe selbst darauf hingewiesen, dass das Werk auf Sardinien ohne die Begünstigung durch den Vorzugstarif nicht tragfähig wäre, und dargetan, dass der ihr eingeräumte Preis selbst dann, wenn man die Auswirkungen berücksichtigte, die die Durchführung der neuen Infrastrukturprojekte (eine Gasleitung und ein Hochspannungs-Seekabel) auf den Marktpreis haben werde, demjenigen entspreche, der im übrigen Italien verlangt werde, aber in keiner Weise den Preis von 30 Euro/MWh erreichen könnte, der „notwendig ist, damit der Betrieb einer Aluminiumhütte wirtschaftlich ist“ (235. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). So hing das Werk der Klägerin, das weit davon entfernt war, dank der Beihilfe der Motor für eine künftige Entwicklung der Insel zu werden, selbst vollständig von dem Vorzugstarif ab.

97      Da schließlich die Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung verlangen, dass die Beihilfe, um förderfähig zu sein, in angemessenem Verhältnis zu den auszugleichenden Nachteilen steht, hat die Kommission geprüft, ob der Vorzugstarif der festzustellenden Spreizung für andere Kunden zwischen Sardinien und dem italienischen Festland entsprach. Sie hat jedoch festgestellt, dass die der Klägerin gewährte Unterstützung erheblich höher sei als jede sonst festzustellende Spreizung (238. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Unter diesen Umständen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beihilfe verhältnismäßig und daher förderfähig gewesen sei.

98      Da diese Kriterien nicht erfüllt waren, ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass dies gemäß den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung der Förderfähigkeit des Vorzugstarifs auf Sardinen entgegenstehe.

99      Daraus folgt, dass der zweite Teil des dritten Klagegrundes und somit der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen ist.

 Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und Verstoß gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV in Bezug auf das VPP-Programm

100    Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Kommission mit dem Schreiben vom 19. Januar 2007 und allgemeiner mit ihrer Haltung in der Frage der Bewertung des VPP-Programms einen schweren und offensichtlichen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV (in Wirklichkeit in Anbetracht des Zeitpunkts des Erlasses der angefochtenen Entscheidung Art. 87 Abs. 3 EG) begangen hat.

101    Zunächst ist festzustellen, dass zu den Garantien, die durch die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt werden, insbesondere der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung gehört, der die Verpflichtung umfasst, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteil des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, Slg. 1991, I‑5469, Rn. 14, und Urteil des Gerichts vom 23. September 2009, Estland/Kommission, T‑263/07, Slg. 2009, II‑3463, Rn. 99).

102    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 281. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erkannt hat, dass die Länge der 2007 aufgenommenen Diskussion um das VPP-Programm „nicht mit dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung im Einklang stand und das Verhalten des Begünstigten im Verlauf der Untersuchung beeinflusst hat“, obwohl sie zum großen Teil der späten Reaktion der Italienischen Republik auf den Vorschlag geschuldet gewesen sei.

103    Auch wenn das Gericht in keiner Weise durch die Beurteilung, die die Kommission von ihrem eigenen Verhalten haben kann, gebunden ist und seine eigene Kontrolle über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ausüben kann, ist es jedoch im Rahmen dieser Kontrolle sowohl durch den Antrag als auch den genauen Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gebunden.

104    Soweit der Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung in der Unschlüssigkeit der Kommission und ihrer zögernden Umsetzung des VPP-Programms für das Werk der Klägerin auf Sardinien besteht, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission es für angebracht gehalten hat, „für die Anlage auf Sardinien bezogen auf den Zeitraum zwischen dem Schreiben vom 19. Januar 2007 und dem Datum der [angefochtenen] Entscheidung keine Rückforderung vorzuschreiben“ (282. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Art. 2 Abs. 1 der angefochtenen Entscheidung ist Ausdruck dieser Beurteilung. Folglich ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung insoweit als teilweise ins Leere gehend zurückzuweisen, als er die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Frage der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nicht betreffen kann und keine Auswirkungen auf die Höhe der Beihilfe hat, deren Rückforderung von der Kommission für den Zeitraum nach am 18. Januar 2007 in Bezug auf das Werk auf Sardinien angeordnet worden ist.

105    Gleichwohl lässt sich aus diesem Klagegrund ablesen, dass die Klägerin ihn unter der Überschrift „Durchführung des Verwaltungsverfahrens durch die Kommission“ in einem weiteren Sinne versteht, wobei sie sich insbesondere auf die Zurückhaltung beruft, die sich aus einer Gegenüberstellung folgender Faktoren ergebe,:

–        dem Inhalt der Alumix-Entscheidung, in der die Kommission die mit dem Dekret von 1995 eingeführten Maßnahmen nicht als staatliche Beihilfe angesehen habe;

–        der Untätigkeit der Kommission, nachdem sie von den Änderungen der ursprünglichen Beihilfe erfahren habe;

–        dem Umstand, dass die Kommission in Bezug auf das Dekret von 2004 eine Untersuchung gegenüber den neuen Begünstigten des Vorzugstarifs, nicht aber gegenüber der Klägerin eingeleitet habe;

–        der Annahme der Entscheidung vom 19. Juli 2006;

–        der Annahme der angefochtenen Entscheidung unter Aufgabe eines möglichen VPP-Programms.

106    Gleichgültig ob getrennt oder zusammen betrachtet, können diese unterschiedlichen Faktoren keinen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung ergeben. Erstens ist nämlich festgestellt worden, dass die Klägerin aus der Alumix-Entscheidung nicht schließen konnte, dass deren Anwendungsbereich über die zehn Jahre hinausgehe, die das Dekret von 1995 für die Gewährung des ihr eingeräumten Vorzugstarifs vorgesehen hat. Zweitens kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht beachtet zu haben, wenn sie aufgrund eines ausschließlich einem Dritten zuzurechnenden Verhaltens an einer ordnungsgemäßen Verwaltung gehindert war. Im vorliegenden Fall konnte die Kommission jedoch unstreitig aus dem Grund, dass die Italienische Republik das Dekret von 2004 und Art. 11 Abs. 11 des Gesetzes von 2005 nicht notifiziert und sich damit rechtswidrig verhalten hat, nicht in der Weise Stellung nehmen, wie sie es bei Beachtung des Notifikationsverfahrens für staatliche Beihilfen hätte tun müssen. Zudem war die Kommission, wie vorstehend in den Rn. 65 bis 67 ausgeführt, nach dem Erlass der neuen Vorschriften durch die italienischen Stellen nicht untätig, sondern hat diese um die ihr erforderlich erscheinenden Informationen ersucht. Drittens hat sowohl das Gericht als auch der Gerichtshof festgestellt, dass die Entscheidung vom 19. Juli 2006 auch in Bezug auf die unterschiedliche Behandlung zwischen der Klägerin auf der einen und den in dem Dekret von 2004 genannten neuen Begünstigten eines Vorzugstarifs auf der anderen Seite rechtmäßig ist. Viertens wurde in der vorstehenden Rn. 104 festgestellt, dass die Kommission im Hinblick auf die Verzögerung, die durch die Aufnahme der Diskussion über das VPP-Programm und sodann dessen Aufgabe verursacht worden sei, davon ausging, dies durch Verzicht auf die Rückforderung des entsprechenden Beihilfebetrags selbst berücksichtigen zu müssen, was sicherlich keine schlechte Verwaltungsmaßnahme darstellen konnte.

107    Was schließlich den vermeintlichen Verstoß gegen Art. 87 Abs. 3 EG wegen der von der Kommission unterlassenen Prüfung der Wirkungen des VPP-Programms auf Sardinien betrifft, ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen ist, dass dieses Programm weder für einen Übergangszeitraum nach der Einführung des VPP-Programms auf Sardinien, noch für den Zeitraum vor seiner Einführung eine hinreichende Grundlage für die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt bilde (253. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Sardinien galt nämlich von Ende 2006 an nicht mehr als förderfähiges Gebiet im Sinne dieser Bestimmung, und da die Diskussion zwischen der Kommission und der Italienischen Republik Anfang 2007 aufgenommen wurde, konnte Art. 87 Abs. 3 EG nicht dadurch verletzt werden, dass die Kommission dieses Programm nicht mehr berücksichtigte, zumal nach dem in Art. 87 Abs. 1 EG aufgestellten allgemeinen Grundsatz staatliche Beihilfen verboten und Ausnahmen von diesem Grundsatz eng auszulegen sind (Urteile des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Deutschland/Kommission, C‑277/00, Slg. 2004, I‑3925, Rn. 20, und vom 23. Februar 2006, Atzeni u. a., C‑346/03 und C‑529/03, Slg. 2006, I‑1875, Rn. 79; Urteil des Gerichts vom 2. Dezember 2008, Nuova Agricast und Cofra/Kommission, T‑362/05 und T‑363/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 80).

108    Nach alledem kann auch der vierte Klagegrund nur zurückgewiesen werden.

109    Da keinem der sechs Klagegründe stattgegeben worden ist, ist die Klage insgesamt zurückzuweisen.

 Kosten

110    Da die Kommission beantragt hat, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen und die Klägerin unterlegen ist, sind ihr nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen. Nach Art. 87 § 4 der Verfahrensordnung hat die dem Rechtsstreit als Streithelferin beigetretene Italienische Republik ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Alcoa Trasformazioni Srl trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten, die der Europäischen Kommission entstanden sind, einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

3.      Die Italienische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

Gratsias

Kancheva

Wetter

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Oktober 2014.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.