Language of document : ECLI:EU:C:2011:132

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

Juliane Kokott

vom 10. März 2011(1)

Rechtssache C‑396/09

Interedil Srl, in Liquidation

gegen

Fallimento Interedil Srl,

Intesa Gestione Crediti SpA

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale di Bari, Italien)

„Vorabentscheidungsersuchen – Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 – Insolvenzverfahren – Internationale Zuständigkeit – Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 – Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners – Vermutung zugunsten des Ortes des satzungsmäßigen Sitzes – Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat – Art. 3 Abs. 2 und Art. 2 Buchst. h der Verordnung Nr. 1346/2000 – Begriff der ‚Niederlassung‘ – Befugnis eines unterinstanzlichen Gerichts, den Gerichtshof anzurufen“





I –     Einleitung

1.        Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren(2) (im Folgenden: Insolvenzverordnung) bestimmt die Mitgliedstaaten, deren Gerichte bei grenzüberschreitenden Binnenmarktsachverhalten(3) für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig sind. Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, den Begriff des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ weiter zu präzisieren.

2.        Die vorliegende Rechtssache ist dadurch gekennzeichnet, dass eine italienische Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz von Italien in das Vereinigte Königreich verlegte. Über ein Jahr nach Abwicklung und Löschung der Gesellschaft aus dem britischen Unternehmensregister stellte eine Gläubigerin in Italien Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das vorlegende Gericht hegt Zweifel, ob es sich in dem ihm unterbreiteten Fall für international zuständig halten darf.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

3.        In Art. 2 der Insolvenzverordnung wird der Begriff der „Niederlassung“ wie folgt definiert:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bedeutet

h)      ‚Niederlassung‘ jeden Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt.“

4.        Art. 3 der Insolvenzverordnung betrifft die internationale Zuständigkeit und bestimmt:

„(1) Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist.

(2) Hat der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Gebiet eines Mitgliedstaats, so sind die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befugt, wenn der Schuldner eine Niederlassung im Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats hat. Die Wirkungen dieses Verfahrens sind auf das im Gebiet dieses letzteren Mitgliedstaats belegene Vermögen des Schuldners beschränkt.

[…].“

5.        Im 13. Erwägungsgrund der Insolvenzverordnung heißt es:

„Als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen sollte der Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist.“

B –    Nationales Recht

6.        Das vorlegende Gericht verweist darauf, dass nach Art. 382 des italienischen Codice di procedura civile (Zivilprozessordnung) und der hierzu ergangenen ständigen Rechtsprechung die Zwischenentscheidung der Corte di Cassazione über die Frage der Zuständigkeit für das unterinstanzliche Gericht, das in der Sache zu entscheiden hat, endgültig und verbindlich ist.

III – Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

7.        Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich folgender Sachverhalt.

8.        Interedil Srl wurde in Italien mit Sitz in Monopoli gegründet. Am 18. Juli 2001 verlegte sie ihren satzungsmäßigen Sitz nach London. Sie wurde in das Register der englischen Handelskammer(4) mit dem Vermerk „FC“ (Foreign Company) eingetragen. Ebenfalls am 18. Juli 2001 wurde sie aus dem italienischen Unternehmensregister(5) gestrichen(6).

9.        Gemäß dem Vorlagebeschluss habe Interedil darauf hingewiesen, dass sie zum Zeitpunkt der Sitzverlegung, d. h. am 18. Juli 2001, in London gesellschaftsbezogene Transaktionen getätigt habe, in deren Rahmen die britische Gruppe Canopus Interedil Srl erworben habe und Verträge über den Verkauf des Betriebs verhandelt und geschlossen worden seien. Außerdem seien einige Monate später die in Taranto (Italien) belegenen Immobilien als Bestandteile des übertragenen Betriebs auf die Windowmist Limited übertragen worden.

10.      Am 22. Juli 2002 wurde Interedil Srl laut dem Vorlagebeschluss „geschlossen“ und aus dem Unternehmensregister im Vereinigten Königreich „gestrichen“.(7)

11.      Im Oktober 2003 beantragte die Intesa Gestione Crediti Spa beim Tribunale di Bari, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Interedil Srl zu eröffnen.

12.      Interedil Srl in Liquidation (im Folgenden: Interedil) rügte die Zuständigkeit dieses italienischen Gerichts und beantragte im Dezember 2003 eine Vorabentscheidung der italienschen Corte di Cassazione über die Zuständigkeitsfrage. Da der satzungsmäßige Sitz des Unternehmens von Italien in das Vereinigte Königreich verlegt wurde, seien die italienischen Gerichte nicht mehr für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zuständig.

13.      Da es die Einrede der Unzuständigkeit der italienischen Gerichte für offensichtlich unbegründet hielt und die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens als erwiesen ansah, eröffnete das Tribunale di Bari im Mai 2004 – ohne den Ausgang des Verfahrens vor der Corte di Cassazione zur Zuständigkeitsfrage abzuwarten – das Insolvenzverfahren über das Vermögen der „Interedil srl, in Liquidation, jetzt mit Sitz in London, Chelsea Chambers 262 Fulham Road“.

14.      Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2004 legte Interedil gegen diesen Eröffnungsbeschluss Widerspruch ein.

15.      Mit Beschluss Nr. 10606/2005 vom 20. Mai 2005 erklärte die Corte di Cassazione die italienischen Gerichte für zuständig. Folgende Umstände reichten aus, um die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1346/2000, wonach der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners dem satzungsmäßigen Sitz der Gesellschaft entspreche, als widerlegt anzusehen: die Belegenheit von Immobilien der Interedil in Italien, ein Mietvertrag über zwei Hotelkomplexe und ein Vertrag mit einem Geldinstitut sowie das Versäumnis, dem Unternehmensregister in Bari die Verlegung des Geschäftssitzes nach London mitzuteilen.

16.      Das Tribunale di Bari hat in Anbetracht des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache Eurofood(8) Zweifel an dieser Beurteilung der Corte di Cassazione. Es hat daher beschlossen, das Ausgangsverfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist der Begriff „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht oder dem nationalen Recht auszulegen und – falls die erste Alternative zu bejahen sein sollte – was besagt dieser Begriff und welches sind die entscheidenden Faktoren oder Elemente zur Bestimmung des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“?

2.      Kann die Vermutung nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000, wonach bei Gesellschaften bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist, durch die Feststellung widerlegt werden, dass die Gesellschaft in einem anderen Staat als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes einer tatsächlichen Tätigkeit nachgeht, oder ist zur Widerlegung der Vermutung die Feststellung erforderlich, dass die Gesellschaft in dem Staat ihres satzungsmäßigen Sitzes keine geschäftliche Tätigkeit entfaltet hat?

3.      Sind die Belegenheit von Immobilien der Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes, das Bestehen eines Mietvertrags zwischen der Schuldnergesellschaft und einer anderen Gesellschaft über zwei Hotelkomplexe sowie eines Vertrags der Gesellschaft mit einem Geldinstitut Elemente oder Faktoren, die ausreichen, um die Vermutung nach Art. 3 der Verordnung Nr. 1346/2000 zugunsten des „satzungsmäßigen Sitzes“ der Gesellschaft zu widerlegen, und rechtfertigen derartige Umstände die Annahme, dass die Gesellschaft „eine Niederlassung“ in diesem Staat im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 hat?

4.      Steht, wenn die Entscheidung der Corte di Cassazione über die Zuständigkeit in ihrem Beschluss Nr. 10606/2005 auf einer Auslegung von Art. 3 der Verordnung Nr. 1346/2000 beruht, die von der des Gerichtshofs abweicht, Art. 382 der italienischen Zivilprozessordnung, wonach die Corte di Cassazione über die Zuständigkeit endgültig und verbindlich entscheidet, der Anwendung des genannten Artikels in der Auslegung des Gerichtshofs entgegen?

IV – Rechtliche Würdigung

A –    Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

17.      Bevor auf die Vorlagefragen eingegangen wird, ist in einem ersten Schritt zu klären, ob das Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale di Bari zulässig ist.

1.      Beschränkte Vorlageberechtigung der Gerichte nach Art. 68 EG

18.      Das Tribunale di Bari hat seine Fragen dem Gerichtshof mit Beschluss vom 6. Juli 2009, eingegangen beim Gerichtshof am 13. Oktober 2009, vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag von Lissabon noch nicht in Kraft getreten.

19.      Die Insolvenzverordnung ist auf der Grundlage der Art. 61 Buchst. c und 67 Abs. 1 EG erlassen worden. Es handelt sich bei ihr folglich um einen Rechtsakt, hinsichtlich dessen nach Art. 68 EG unterinstanzliche Gerichte nicht vorlageberechtigt waren. Wie die Kommission ausführte, stehen gegen Entscheidungen des vorlegenden Gerichts grundsätzlich nationale Rechtsmittel(9) zur Verfügung. Nach Art. 68 EG war das vorlegende Gericht somit nicht vorlageberechtigt.

20.      Mit Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags am 1. Dezember 2009 ist Art. 68 EG allerdings entfallen, so dass die Beschränkung der Vorlageberechtigung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr besteht(10). Wie der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache Weryński entschieden hat, ist in einem solchen Fall die Vorlageberechtigung nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsersuchen zu beurteilen und nicht nach derjenigen zum Zeitpunkt des Eingangs des Ersuchens.(11) Der Gerichtshof ist daher seit dem 1. Dezember 2009 zuständig für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen von Gerichten, deren Entscheidungen mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, und zwar auch dann, wenn das Ersuchen vor diesem Zeitpunkt eingegangen ist.(12) Das Vorabentscheidungsersuchen ist somit nicht wegen mangelnder Vorlageberechtigung unzulässig.

2.      Unzulässigkeit wegen Nichtbestehens der Gesellschaft

21.      In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof betonte Interedil (in Liquidation), die Vorlagefragen seien hypothetisch und damit unzulässig, da Interedil seit der Löschung aus dem Register der englischen Handelskammer nicht mehr existiere und die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen somit hypothetischer Natur seien. Dieses Problem hat auch die Kommission in ihrem Schriftsatz aufgezeigt.

22.      Insofern ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof es nur dann ablehnen kann, über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage zu befinden, wenn die Auslegung der Unionsvorschriften, um die das nationale Gericht ersucht, offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.(13)

23.      Aus den Angaben des Vorabentscheidungsersuchens ergibt sich nicht in offensichtlicher Weise, dass die vorgelegten Fragen in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehen. Selbst wenn Interedil nicht mehr existiert, ist nicht ausgeschlossen, dass das italienische Recht für diesen Fall Möglichkeiten der Gläubigerbefriedigung im Wege einer Nachtragsliquidation vorsieht und das vorlegende Gericht aus diesem Grund ein Insolvenzverfahren eröffnen möchte.

3.      Einwände der Beklagten des Ausgangsverfahrens gegen die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens und Beantwortung der vierten Vorlagefrage

24.      Die Beklagten des Ausgangsverfahrens sind der Ansicht, dass das Vorabentscheidungsersuchen aus drei weiteren Gründen unzulässig ist. Sie verweisen auf die Entscheidung der italienischen Corte di Cassazione, die in einem Zwischenstreit die Zuständigkeit der italienischen Gerichte für das Insolvenzverfahren bereits verbindlich festgestellt habe. Diese Entscheidung sei in Rechtskraft erwachsen. Daher gebe es zum einen keinen anhängigen Rechtsstreit mehr im Sinne des Art. 267 AEUV.

25.      Darüber hinaus kritisieren die Beklagten des Ausgangsverfahrens die Formulierung der Vorlagefragen: Die erste und vierte Frage lasse keinen Widerspruch zwischen den unionsrechtlichen Bestimmungen und ihrer Anwendung durch die nationalen Gerichte erkennen. Die zweite und dritte Frage fordere den Gerichtshof auf, die Unionsbestimmungen auf den konkreten Fall anzuwenden.

26.      Mit seinen ersten drei Fragen möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, wie der Begriff des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen in Art. 3 der Insolvenzverordnung auszulegen ist. Dies ist zulässiger Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens.

27.      Im Folgenden ist daher nur auf die ersten beiden Einwände der Beklagten des Ausgangsverfahrens zur Zulässigkeit einzugehen, die auf die rechtskräftige Entscheidung der Corte di Cassazione abstellen.

28.      In diesem Zusammenhang bietet es sich auch an, die vierte Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts zu erörtern. Mit dieser möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es an die nach nationalem Recht verbindliche Entscheidung der Corte di Cassazione, mit der die internationale Zuständigkeit der italienischen Gerichte bejaht wird, auch dann gebunden ist, wenn sich diese Entscheidung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs als unvereinbar erweisen sollte. Wenn dies der Fall wäre, wären die übrigen Fragen für den Ausgangsrechtsstreit ohne Bedeutung und daher unzulässig.

29.      Gemäß Art. 382 der italienischen Zivilprozessordnung ist ein unterinstanzliches Gericht an die von der Corte di Cassazione im Rahmen eines Zwischenstreits getroffene Entscheidung über die Zuständigkeit gebunden.

30.      Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass eine nationale Verfahrensvorschrift, nach der ein Gericht, das nach der Zurückverweisung durch ein im Rechtsmittelverfahren angerufenes höheres Gericht in der Sache zu entscheiden hat, an die rechtliche Beurteilung des höheren Gerichts gebunden ist, nicht das Recht unterinstanzlicher Gerichte in Frage stellen kann, dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen, wenn sie Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts haben.(14)

31.      Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten, in dem es um eine nationale Verfahrensvorschrift geht, die die Bindungswirkung von Entscheidungen eines höheren Gerichts im Rahmen eines Zwischenstreits über die internationale Zuständigkeit betrifft.

32.      Schließlich ist ein nationales Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden hat, nach ständiger Rechtsprechung gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewandt lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste.(15) Hierzu kann auch eine Verfahrensvorschrift wie die hier einschlägige gehören, aus der sich die Bindungswirkung der Entscheidung des höheren Gerichts ergibt.(16)

33.      Die Entscheidung des Gerichtshofs ist somit weiterhin allein maßgebend für die Auslegung des Unionsrechts, wobei es keine Rolle spielt, ob sich ein nationales Obergericht im Rahmen eines Zwischenstreits bereits mit der Auslegung des Unionsrechts befasst hat.

4.      Zwischenergebnis

34.      Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass das Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist.

35.      Die vierte Vorlagefrage ist wie folgt zu beantworten: Es ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, dass ein nationales Gericht, das nach der bindenden Zwischenentscheidung über die Zuständigkeit durch ein höheres Gericht in der Sache zu entscheiden hat, entsprechend den nationalen Verfahrensvorschriften an die rechtliche Beurteilung des höheren Gerichts gebunden ist, wenn das nationale Gericht der Auffassung ist, dass diese Beurteilung unter Berücksichtigung der Auslegung, um die es den Gerichtshof ersucht hat, nicht dem Unionsrecht entspricht.

B –    Vorlagefragen

36.      Die erste, die zweite und die dritte Vorlagefrage betreffen die Auslegung des Begriffs des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen des Schuldners in Art. 3 Abs. 1 der Insolvenzverordnung; sie können daher gemeinsam untersucht werden (im Folgenden unter 1.). Die dritte Vorlagefrage gilt darüber hinaus der Präzisierung des Begriffs der Niederlassung gemäß Art. 3 Abs. 2 der Insolvenzverordnung (im Folgenden unter 2.).

1.      Begriff des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen in Art. 3 Abs. 1 der Insolvenzverordnung

37.      Art. 3 Abs. 1 regelt die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Danach sind für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat.

a)      Autonome Begriffsbestimmung

38.      Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht vorab wissen, ob der Begriff des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen verordnungsautonom oder unter Anknüpfung an nationales Recht zu bestimmen ist.

39.      Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Kontexts der Vorschrift und des mit der Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss.(17)

40.      Demzufolge hat der Gerichtshof auch in seinem Urteil in der Rechtssache Eurofood zu Art. 3 Abs. 1 der Insolvenzverordnung bereits festgestellt, dass der Begriff des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen der Verordnung eigen ist. Daher hat er eine autonome Bedeutung und muss deshalb einheitlich und unabhängig von nationalen Rechtsvorschriften ausgelegt werden.(18)

b)      Bestimmung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen

41.      Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist.

42.      Das vorlegende Gericht fragt nach der Auslegung des Begriffs des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen und nach den Kriterien, mit denen die in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 aufgestellte Vermutung widerlegt werden kann.

i)      Entscheidender Zeitpunkt

43.      Die vorliegende Konstellation ist durch zwei Besonderheiten charakterisiert. Zum einen war die betroffene Gesellschaft zum Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags nach den Angaben des Vorabentscheidungsersuchens bereits seit über einem Jahr „geschlossen“ und aus dem Unternehmensregister des Vereinigten Königreichs „gestrichen“. Zum anderen hatte die Gesellschaft vor der Abwicklungsphase ihren satzungsmäßigen Sitz von Italien ins Vereinigte Königreich verlegt. Es ist daher zunächst zu erörtern, welchen Einfluss eine Sitzverlegung auf die Zuständigkeitsbestimmung hat. In einem zweiten Schritt ist dann zu klären, auf welchen Zeitpunkt für die Bestimmung des zuständigen Insolvenzforums abzustellen ist, wenn die Gesellschaft geraume Zeit vor Stellung des Insolvenzantrags bereits aus dem Unternehmensregister gelöscht wurde.

44.      Zur Sitzverlegung findet sich in der Verordnung keine explizite Regelung. Es ist daher entsprechend der allgemeinen Regelung des Art. 3 auf den letzten satzungsmäßigen Sitz abzustellen, es sei denn, die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 wird durch den Nachweis widerlegt, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen nicht dem satzungsmäßigen Sitzwechsel gefolgt, sondern im Wegzugsstaat verblieben war.

45.      Diese Folgen einer Sitzverlegung für die Bestimmung des zuständigen Insolvenzgerichts können gegebenenfalls zu Nachteilen für Gläubiger führen, die ihre rechtlichen Beziehungen mit dem Schuldner im Wegzugsstaat eingegangen waren. Denn die Gläubiger gingen zum Zeitpunkt des Eingehens von Rechtsbeziehungen mit dem Schuldner von einem Ort für die Abwicklung eines potenziellen Insolvenzverfahrens aus, der sich nach der Sitzverlegung als nicht mehr zutreffend erweist. Insofern wird also durch die Berücksichtigung einer Sitzverlegung im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung die Erwartung der Gläubiger des Wegzugsstaats enttäuscht.

46.      Die Bestimmungen der Insolvenzverordnung zur internationalen Zuständigkeit beruhen zwar gerade auf dem Zweck, es potenziellen Gläubigern eindeutig zu ermöglichen, im Voraus zu erkennen, welche Rechtsordnung eine ihre Interessen beeinträchtigende Insolvenz regelt(19). Die internationale Zuständigkeit, die gemäß Art. 4 Abs. 1 im Übrigen auch zur Anwendung der materiellen Insolvenzvorschriften des betreffenden Staates führt, knüpft an den Ort an, den die potenziellen Gläubiger des Schuldners kennen, damit die rechtlichen Risiken im Insolvenzfall kalkuliert werden können.(20)

47.      Dass sich im Fall eines Sitzwechsels die internationale Zuständigkeit für ein Insolvenzverfahren gleichwohl nachträglich verschieben kann, wird vom Verordnungsgeber jedoch bewusst in Kauf genommen. Anders als im Entwurf eines EG-Konkursübereinkommens von 1980(21) enthält sie nämlich keine spezifische Regelung für den Fall einer Sitzverlegung, nach der für eine Übergangszeit nach der Verlegung des Sitzes auch die Gerichte des Wegzugsstaats zuständig bleiben.

48.      Indem sie vielmehr allein auf den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen abstellt und dessen effektive Verlegung damit auch einen Wechsel der internationalen Zuständigkeit für ein Insolvenzverfahren zur Folge hat, berücksichtigt sie vielmehr konsequent die Grundfreiheit der Niederlassung, welche durch eine restriktivere Regelung zumindest indirekt beeinträchtigt würde. Grundsätzlich kann daher auch nicht verlangt werden, dass der neue Sitz eine bestimmte Zeit vor Stellung des Insolvenzantrags bestanden haben muss. Ob in Ausnahmefällen – unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang von Sitzverlegung und Insolvenzantragsstellung – etwas anderes gelten muss, ist hier nicht zu erörtern, da zwischen Sitzverlegung und Insolvenzantrag über ein Jahr lag.

49.      Im Folgenden bleibt zu erörtern, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, wenn eine Gesellschaft im Moment der Stellung des Insolvenzantrags bereits aus dem Unternehmensregister gelöscht ist.

50.      Der Gerichtshof hat im Zusammenhang mit einer Sitzverlegung, die nach Insolvenzantragstellung, aber noch vor der Eröffnungsentscheidung erfolgte, entschieden, dass der Wegzugsstaat für die Entscheidung über die Eröffnung dieses Verfahrens zuständig bleibt.(22) Entscheidend für die Beurteilung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen ist demnach grundsätzlich der Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags.

51.      In einer Konstellation wie der vorliegenden, in der die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags bereits seit einiger Zeit abgewickelt und aus dem Register gelöscht ist, entsteht beim Abstellen auf den Zeitpunkt des Insolvenzantrags aber prima facie das Problem, dass im Zeitpunkt der Antragstellung die Gesellschaft über gar keine Interessen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung mehr verfügt, da sie nicht mehr existiert.

52.      Dieses Problem könnte man lösen, in dem man in einem solchen Fall nur noch auf den satzungsmäßigen Sitz abstellt und die Widerlegung der Vermutung nicht mehr zulässt. Denn einen satzungsmäßigen Sitz hat eine Gesellschaft auch noch nach ihrer Abwicklung. Bei einer abgewickelten Gesellschaft wäre dann ausnahmslos der Mitgliedstaat des satzungsmäßigen Sitzes für das Insolvenzverfahren zuständig.

53.      Diese punktuelle Betrachtung vermag jedoch im Ergebnis nicht zu überzeugen. Zwar lässt sich für sie ins Feld führen, dass der satzungsmäßige Sitz auch bei einer gelöschten Gesellschaft leicht feststellbar ist und die Anknüpfung an ihn somit Rechtssicherheit gewährleistet. Gegen sie spricht jedoch, dass sie zur Konsequenz hätte, dass selbst in Fällen, in denen der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Gesellschaft vor ihrer Löschung zu keinem Zeitpunkt an ihrem satzungsmäßigen Sitz zu verorten gewesen war, dieser gleichwohl zuständigkeitsbegründend würde. Dies ist allerdings abzulehnen, da die Verordnung mit dem Begriff des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen an den Ort anknüpfen möchte, zu dem die Gesellschaft objektiv, für ihre Gläubiger erkennbar, die engsten Beziehungen aufweist. Wenn sich beispielsweise der satzungsmäßige Sitz der aktiven Gesellschaft als bloßer Briefkasten darstellte und der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen daher immer andernorts lag, wäre es nicht sachgerecht, nach der Löschung der Gesellschaft nunmehr gleichwohl an ihren satzungsmäßigen Sitz anzuknüpfen.

54.      Auch im Fall einer gelöschten Gesellschaft kann folglich die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 widerlegt werden, wenn nachgewiesen wird, dass die Gesellschaft vor der Löschung den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen nicht im Staat des Satzungssitzes hatte. Entscheidend ist dann der Ort des letzten Mittelpunkts ihrer Interessen vor der Schließung. Auf welchen Zeitraum dabei abzustellen ist, ist in einer wertenden Gesamtbetrachtung aus Gläubigerperspektive zu ermitteln.

ii)    Auslegung des Begriffs „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“

55.      Im Folgenden ist zu untersuchen, welche Kriterien den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Insolvenzverordnung determinieren.

56.      Bedauerlicherweise findet sich in Art. 2 der Verordnung, der die wichtigsten Begriffe der Verordnung definiert, keine Definition des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen. Der Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten kritisierte dies zu Recht bereits im Gesetzgebungsverfahren.(23) Einzig der 13. Erwägungsgrund der Verordnung führt aus, dass als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen „der Ort gelten sollte, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist“.

57.      Bezug nehmend auf den 13. Erwägungsgrund stellte der Gerichtshof in der Rechtssache Eurofood darauf ab, „dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen nach objektiven und zugleich für Dritte feststellbaren Kriterien zu bestimmen ist. Diese Objektivität und diese Möglichkeit der Feststellung durch Dritte sind erforderlich, um Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei der Bestimmung des für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens zuständigen Gerichts zu garantieren.“(24) Der Gerichtshof betonte die Bedeutung von Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit gerade vor dem Hintergrund, dass gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auch das anwendbare Recht determiniert.

58.      Die in Art. 3 für den satzungsmäßigen Sitz aufgestellte Vermutung lässt sich daher nur entkräften, wenn objektive und für Dritte feststellbare Elemente belegen, dass in Wirklichkeit die Lage nicht derjenigen entspricht, die die Verortung am genannten satzungsmäßigen Sitz widerspiegeln soll.(25) Als möglichen Beispielsfall für eine Widerlegung der Vermutung führte der Gerichtshof den Fall einer Briefkastenfirma an, die im Gebiet des Mitgliedstaats, in dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz befindet, keiner Tätigkeit nachgeht.(26)

59.      Die Corte di Cassazione verweist in ihrer zum Zwischenstreit ergangenen Entscheidung darauf, dass Interedil nach der satzungsmäßigen Sitzverlegung im Vereinigten Königreich keinerlei Tätigkeit entfaltet habe, dort keinen Geschäften nachgegangen sei und dort noch nicht einmal Abwicklungstätigkeiten entfaltet habe, tatsächlich sei der Mittelpunkt der Verwaltung und Organisation gar nicht nach London verlegt worden.

60.      Bei einer Gesellschaft, die im satzungsmäßigen Sitzstaat keiner Geschäftstätigkeit und keinerlei Verwaltungstätigkeit nachgeht, könnte die Vermutung des Art. 3 der Verordnung in der Tat widerlegt sein.

61.      Die zweite Vorlagefrage impliziert jedoch, dass das vorlegende Gericht nicht davon ausgeht, dass Interedil in London an seinem neuen satzungsmäßigen Sitz keinerlei Tätigkeit entfaltete. Anders als im Fall einer bloßen Briefkastenfirma, wie sie in der Rechtssache Eurofood als möglichen Beispielsfall für die Widerlegung der Vermutung genannt wurde, stellt sich daher weiter die Frage, wie nun der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen näher zu bestimmen ist.

62.      Nicht besonders hilfreich ist insofern ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Verordnung. Denn dabei stellt man fest, dass die konkrete Terminologie bereits im Gesetzgebungsprozess umstritten war. Den Ausgangspunkt setzte eine Initiative Deutschlands und Finnlands, die auf den Wortlaut des nicht in Kraft getretenen Übereinkommens der Europäischen Union über Insolvenzverfahren zurückgriff.(27) Dieser Vorschlag enthielt in seinem 13. Erwägungsgrund noch eine ausführlichere Definition des Begriffs des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen. Dort hieß es: „Mit dem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen wird ein Ort bezeichnet, zu dem der Schuldner regelmäßig die engsten Beziehungen unterhält, an dem sich seine vielfältigen Geschäftsbeziehungen konzentrieren und an dem zumeist der Schwerpunkt seines Vermögens belegen ist. Dieser Ort ist auch den Gläubigern bestens bekannt.“ Hieran kritisierte die luxemburgische Delegation, dass damit auf den Schwerpunkt des Vermögens abgestellt werde und nicht, wie von ihr favorisiert, auf die Aktivitäten des Schuldners oder die Verwaltung seines Vermögens.(28)

63.      Nachdem auch ein geänderter Entwurf(29) des Generalsekretariats des Rates kritisch aufgenommen wurde(30), entschied sich der Verordnungsgeber dafür, den ersten Satz der Randnr. 75 des Erläuternden Berichts zum Insolvenz-Übereinkommen(31) als 13. Erwägungsgrund zu übernehmen und stellte somit auf den Ort der Verwaltung der Interessen ab.

64.      Bei all dieser begrifflichen Unschärfe stellte der Gerichtshof in seinem Urteil Eurofood zu Recht entscheidend auf die Gläubigerperspektive(32) ab. Er knüpft dabei an den Wortlaut des 13. Erwägungsgrundes an, der von der Feststellbarkeit für Dritte spricht. Den potenziellen Gläubigern soll es möglich sein, im Vorhinein zu wissen, welcher Mitgliedstaat – nach dem status quo – für ein Insolvenzverfahren zuständig wäre und damit zugleich nach welchem Recht sich dieses richten würde.

65.      Um den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen festzustellen, muss somit eine wertende Gesamtbetrachtung aus Gläubigerperspektive vorgenommen werden. Wie schon Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Eurofood betonte, ist dabei jeder Fall anhand seiner besonderen Umstände zu entscheiden.(33)

66.      Eine allgemeingültige, isolierte Betrachtung einzelner Faktoren scheidet daher von vornherein aus. Weder die Verortung von Immobilienvermögen der Schuldnerin noch der Ort von Mietobjekten, über welche sie mit einer anderen Gesellschaft Mietverträge abgeschlossen hat, und auch nicht das Bestehen eines Vertrags der insolventen Gesellschaft mit einem in einem bestimmten Mitgliedstaat belegenen Geldinstitut bilden für sich genommen Faktoren, die eine abschließende Bestimmung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen ermöglichen.

67.      Wie der Blick auf die Entstehungsgeschichte gezeigt hat, hat der Verordnungsgeber im Übrigen bei der Definition des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen auf eine Bezugnahme auf den Schwerpunkt des Vermögens verzichtet. Ein bloßes Abstellen auf die Belegenheit des wesentlichen Gesellschaftsvermögens scheidet daher aus. Dies erscheint auch deshalb überzeugend, weil es oftmals für Dritte nicht einfach zu erkennen ist, wo ein Schuldner den Schwerpunkt seines Vermögens hat, insbesondere, wenn dieses auf mehrere Mitgliedstaaten verteilt ist.

68.      Die erforderliche Gesamtbetrachtung muss vielmehr ausgehend von der widerleglichen Vermutung des Art. 3 Abs. 1 und dem Wortlaut des 13. Erwägungsgrundes, der auf die Verwaltung der Interessen abstellt, immer mit einbeziehen, welche Tätigkeiten die Gesellschaft für Dritte objektiv erkennbar am Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes entfaltet.

69.      Wenn sich die Hauptverwaltung einer Gesellschaft am Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes befindet, das heißt dort ihre Geschäftsführung sitzt und diese von dort aus die Geschicke der Gesellschaft lenkt und nach außen erkennbar auftritt, hat es nach der Systematik der Verordnung für die Zuständigkeitsbestimmung keine Bedeutung, wo sich die wesentlichen Vermögenswerte oder Betriebsstätten der Gesellschaft befinden. Bereits der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 und dessen Bezugnahme auf den satzungsmäßigen Sitz liegt die Intention zugrunde, den Ort der dort typischerweise befindlichen Hauptverwaltung der Gesellschaft als auch für Dritte erkennbaren Anknüpfungspunkt zu bestimmen. Der Erläuternde Bericht zum Übereinkommen, aus dem die Formulierung des 13. Erwägungsgrundes stammt, geht davon aus, dass der satzungsmäßige Sitz gewöhnlich dem Hauptsitz des Schuldners entspricht.(34) Dann, wenn sich die Hauptverwaltung tatsächlich am satzungsmäßigen Sitz befindet, scheidet daher eine anderweitige Verortung der hauptsächlichen Interessen von vornherein aus.

70.      Eine Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 durch eine Berücksichtigung auch der Belegenheit des Vermögens der Gesellschaft, deren Betriebsstätten oder auch ihrer geschäftlichen Aktivitäten wird daher erst dann in Betracht kommen, wenn sich aus Gläubigerperspektive der Ort der Hauptverwaltung nicht am satzungsmäßigen Sitz befindet. Dann werden gegebenenfalls weitere, ebenfalls aus Gläubigersicht zu betrachtende objektive Faktoren erforderlich, um die Zuständigkeit für das Insolvenzverfahren zu klären. Vorzunehmen ist insofern eine wertende Gesamtbetrachtung des Einzelfalls.

71.      Im Fall des Ausgangsverfahrens scheint die Schuldnerin nach der Verlegung ihres Sitzes ausschließlich Abwicklungstätigkeiten vorgenommen zu haben. Auch die im Rahmen der Abwicklung einer Gesellschaft vorgenommenen Rechtsgeschäfte und Handlungen sind grundsätzlich für die Bestimmung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen einer Gesellschaft relevant. Schließlich ist auch der Wechsel einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat, um sich dort abzuwickeln, von den unionsrechtlichen Grundfreiheiten umfasst. Sofern folglich in nach außen erkennbarer Weise die Verwaltung dieser Abwicklungstätigkeit vom neuen Satzungssitz aus vorgenommen worden ist, wäre im maßgeblichen Zeitraum vor der Löschung der Gesellschaft die Verwaltung ihrer hauptsächlichen Interessen an ihrem satzungsmäßigen Sitz erfolgt, eine Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 würde folglich ausscheiden.

72.      Im Zusammenhang des vorliegenden Falles nicht zu erörtern ist das Problem einer Verlegung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen, um den insolvenz- oder haftungsrechtlichen Bestimmungen des Herkunftsstaats zu entgehen oder um die Vermögensmasse dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen. Die Frage einer potenziellen Rechtsmissbräuchlichkeit einer Verlegung wirft interessante Fragen im Spannungsfeld zwischen den Grundfreiheiten der Schuldner einerseits sowie dem Gläubigerschutz und der im vierten Erwägungsgrund der Verordnung angesprochenen Vermeidung des Forumshopping andererseits auf.(35) Da das vorlegende Gericht jedoch keine Frage in diese Richtung formuliert hat und sich dem geschilderten Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch entnehmen lassen, ist der vorliegende Fall nicht geeignet, um diese Fragen abschließend zu erörtern.

73.      Ebenfalls nicht zu erörtern – da vom vorlegenden Gericht nicht danach gefragt wurde – ist ein Aspekt, der sich aus der Lektüre des Urteils der Corte di Cassazione im Zwischenstreit des Ausgangsrechtsstreits ergibt. Dort wird darauf hingewiesen, dass die Sitzverlegung dem italienischen Register nicht kommuniziert wurde. Das Vorabentscheidungsersuchen gibt allerdings an, dass Interedil am 18. Juli 2001 aus dem italienischen Register gelöscht wurde. Sollte eine Gesellschaft zum Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags in den Registern zweier Mitgliedstaaten eingetragen sein, könnten sich bei Abstellen auf die Gläubigerperspektive Fragen des Rechtsscheins stellen. Da das vorlegende Gericht aber davon ausgeht, dass die Gesellschaft aus dem italienischen Register gelöscht wurde, besteht kein Anlass, dies hier weiter zu erörtern.

c)      Zwischenergebnis

74.      Auf die erste und die zweite Vorlagefrage sowie den ersten Teil der dritten Vorlagefrage ist daher wie folgt zu antworten:

Der Begriff „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 hat eine autonome Bedeutung und muss deshalb einheitlich und unabhängig von nationalen Rechtsvorschriften ausgelegt werden.

75.      Die Belegenheit von Immobilien der Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes, ein Mietvertrag zwischen der Schuldnergesellschaft und einer anderen Gesellschaft über zwei Hotelkomplexe sowie ein Vertrag der Gesellschaft mit einem Geldinstitut reichen als solche nicht aus, um die Vermutung nach Art. 3 der Verordnung Nr. 1346/2000 zugunsten des „satzungsmäßigen Sitzes“ der Gesellschaft zu widerlegen. Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung, die nach objektiven und zugleich für Dritte feststellbaren Kriterien beurteilt, an welchem Ort die Gesellschaft ihre Interessen verwaltet. Wenn sich die Hauptverwaltung tatsächlich am satzungsmäßigen Sitz befindet, scheidet eine anderweitige Verortung der hauptsächlichen Interessen aus.

2.      Begriff der Niederlassung in Art. 3 Abs. 2 der Insolvenzverordnung

76.      Mit dem zweiten Teil seiner dritten Frage zielt das vorlegende Gericht auf die Umstände ab, die vorliegen müssen, um von einer Niederlassung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Insolvenzverordnung sprechen zu können. Sollte sich nämlich erweisen, dass Interedil den Mittelpunkt ihrer Interessen nicht in Italien hätte und damit italienische Gerichte nicht zuständig wären für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens, käme in Italien allenfalls die Durchführung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in Betracht. Gemäß Art. 3 Abs. 2 ist Voraussetzung hierfür, dass Interedil in Italien eine Niederlassung hat. Genügen für das Vorliegen einer Niederlassung die Belegenheit von Immobilien, das Bestehen eines Mietvertrags über zwei Hotelkomplexe sowie ein Vertrag der Gesellschaft mit einem Geldinstitut?

77.      Unter Niederlassung ist nach Art. 2 Buchst. h der Insolvenzverordnung jeder Tätigkeitsort zu verstehen, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt.

78.      Hiermit übernimmt die Insolvenzverordnung den Wortlaut des Übereinkommens über Insolvenzverfahren der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 23. November 1995. Im Erläuternden Bericht wird hierzu ausgeführt: „‚Tätigkeitsort‘ bezeichnet einen Ort, an dem wirtschaftliche Aktivitäten, seien sie nun kommerzieller oder industrieller Art bzw. freiberuflicher Natur zum Markt hin (d. h. nach außen hin), entfaltet werden. Die Feststellung, dass die wirtschaftliche Aktivität den Einsatz von Personal voraussetzt, beinhaltet, dass ein Mindestmaß an Organisation vorhanden sein muss. Ein Tätigkeitsort, an dem nur gelegentlich einer Tätigkeit nachgegangen wird, kann nicht als Niederlassung bezeichnet werden. Eine gewisse Dauerhaftigkeit wird vorausgesetzt. … Entscheidend ist, wie die Aktivität nach außen hin erscheint, und nicht, welche Zwecke der Schuldner damit verfolgt.“(36)

79.      Ebenso wie für die Widerlegung der Vermutung gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung genügt auch für Art. 3 Abs. 2 das Vorliegen von Vermögenswerten für sich allein nicht. Das vorlegende Gericht wird vielmehr zu prüfen haben, ob dort Personal eingesetzt und ein Mindestmaß an Organisation vorhanden war.

80.      Folglich ist auf den zweiten Teil der dritten Vorlagefrage zu antworten:

Die Belegenheit von Immobilien der Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes, das Bestehen eines Mietvertrags zwischen der Schuldnergesellschaft und einer anderen Gesellschaft über zwei Hotelkomplexe sowie eines Vertrags der Gesellschaft mit einem Geldinstitut können die Annahme, dass die Gesellschaft eine „Niederlassung“ in diesem Staat im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 hat, nur rechtfertigen, wenn die genannten Elemente allein oder insgesamt aufgrund dauerhaft angelegter, organisatorischer Struktur in einen Tätigkeitsort eingebettet sind, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt.

V –    Ergebnis

81.      Vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, das Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu beantworten:

1.      Der Begriff „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren hat eine autonome Bedeutung und muss deshalb einheitlich und unabhängig von nationalen Rechtsvorschriften ausgelegt werden.

2.      Die Belegenheit von Immobilien der Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes, ein Mietvertrag zwischen der Schuldnergesellschaft und einer anderen Gesellschaft über zwei Hotelkomplexe sowie ein Vertrag der Gesellschaft mit einem Geldinstitut reichen als solche nicht aus, um die Vermutung nach Art. 3 der Verordnung Nr. 1346/2000 zugunsten des „satzungsmäßigen Sitzes“ der Gesellschaft zu widerlegen. Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung, die nach objektiven und zugleich für Dritten feststellbaren Kriterien beurteilt, an welchem Ort die Gesellschaft ihre Interessen verwaltet. Wenn sich die Hauptverwaltung tatsächlich am satzungsmäßigen Sitz befindet, scheidet eine anderweitige Verortung der hauptsächlichen Interessen aus.

3.      Die Belegenheit von Immobilien der Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres satzungsmäßigen Sitzes, ein Mietvertrag zwischen der Schuldnergesellschaft und einer anderen Gesellschaft über zwei Hotelkomplexe sowie ein Vertrag der Gesellschaft mit einem Geldinstitut können die Annahme, dass die Gesellschaft eine „Niederlassung“ in diesem Staat im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1346/2000 hat, nur rechtfertigen, wenn die genannten Elemente allein oder insgesamt aufgrund dauerhaft angelegter, organisatorischer Struktur in einen Tätigkeitsort eingebettet sind, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt.

4.      Es ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, dass ein nationales Gericht, das nach der bindenden Zwischenentscheidung über die Zuständigkeit durch ein höheres Gericht in der Sache zu entscheiden hat, entsprechend den nationalen Verfahrensvorschriften an die rechtliche Beurteilung des höheren Gerichts gebunden ist, wenn das nationale Gericht der Auffassung ist, dass diese Beurteilung unter Berücksichtigung der Auslegung, um die es den Gerichtshof ersucht hat, nicht dem Unionsrecht entspricht.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – ABl. L 160, S. 1. Die Verordnung gilt zurzeit in der durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 210/2010 des Rates vom 25. Februar 2010 geänderten Fassung (ABl. L 65, S. 1).


3 – Die Insolvenzverordnung gilt ausweislich ihres 33. Erwägungsgrundes nicht für Dänemark und im Übrigen nach Maßgabe der Einschränkungen ihres Art. 44, der ihr Verhältnis zu anderen Übereinkünften der Mitgliedstaaten regelt.


4 – Companies House.


5 – Registro delle imprese.


6 – Diese Streichung scheint das Tribunale di Bari für rechtswidrig zu halten, wobei die genauen Gründe hierfür nicht genannt werden.


7 – Im italienischen Original des Vorabentscheidungsersuchens: „Chiusa e dunque cancellata dal Registro delle Imprese“.


8 – Urteil des Gerichtshofs vom 2. Mai 2006, Eurofood IFSC (C-341/04, Slg. 2006, I-3813).


9 – Nach Art. 18 der italienischen Legge Fallimentare (Insolvenzgesetz) in der Fassung des Decreto Legislativo Nr. 169 vom 12. September 2007 kann die Entscheidung des Tribunale di Bari mit einem Rechtsmittel angefochten werden.


10 – Zum Übergangsregime vgl. Fn. 4 meiner Schlussanträge vom 2. September 2010, Weryński (C-283/09, Slg. 2011, I-0000).


11 – Urteil vom 17. Februar 2011, Weryński (C-283/09, Slg. 2011, I-0000, Randnr. 30), siehe hierzu auch meine Schlussanträge vom 2. September 2010, Weryński (zitiert in Fn. 10, Nrn. 23 bis 25).


12 – Urteil Weryński (zitiert in Fn. 11, Randnr. 31).


13 – Ständige Rechtsprechung, vgl. nur Urteil des Gerichtshofs vom 22. Dezember 2010, Gowan Comércio (C-77/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 25).


14 – Urteil vom 5. Oktober 2010, Elchinov (C‑173/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 25).


15 – Urteil Elchinov (zitiert in Fn. 14, Randnr. 31unter Verweis auf Urteile vom 9. März 1978, Simmenthal, 106/77, Slg. 1978, 629, Randnr. 24, sowie vom 19. November 2009, Filipiak, C-314/08, Slg. 2009, I-11049, Randnr. 81).


16 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Elchinov (zitiert in Fn. 14, Randnr. 31).


17 – Urteile vom 18. Oktober 2007, Österreichischer Rundfunk (C‑195/06, Slg. 2007, I‑8817, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 29. Oktober 2009, NCC Construction Danmark (C‑174/08, Slg. 2009, I‑10567, Randnr. 24).


18 – Urteil Eurofood IFSC (zitiert in Fn. 8, Randnr. 31).


19 – Siehe Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 27. September 2005 in der Rechtssache Eurofood IFSC (C‑341/04, Slg. 2006, I‑3813, Nr. 118).


20 – Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Eurofood IFSC (zitiert in Fn. 19, Nr. 122).


21 – Siehe Art. 6 f. des Entwurfs des Übereinkommens über den Konkurs, Vergleich und ähnliche Verfahren von 1980, EG-Dok. III/D/72/80-DE, abgedruckt in: Gerhard Kegel (Hrsg.) und Jürgen Thieme (Bearbeiter), Vorschläge und Gutachten zum Entwurf eines EG-Konkursübereinkommens, Tübingen 1988.


22 – Urteil vom 17. Januar 2006, Staubitz-Schreiber (C‑1/04, Slg. 2006, I‑701, Randnr. 29).


23 – Enthalten im Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt (Berichterstatter Kurt Lechner), Dokument A5-0039/2000, vorgeschlagen wurde die Aufnahme der folgenden Definition in Art. 2 der Verordnung: „‚Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen‘ der Ort, von dem aus der Schuldner hauptsächlich Geschäftsbeziehungen unterhält sowie andere wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt und zu dem er deshalb die engsten Beziehungen unterhält“.


24 – Urteil Eurofood IFSC (zitiert in Fn. 8, Randnr. 33).


25 – Urteil Eurofood IFSC (zitiert in Fn. 8, Randnr. 34).


26 – Urteil Eurofood IFSC (zitiert in Fn. 8, Randnrn. 34 und 35).


27 – Initiative der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland - dem Rat am 26. Mai 1999 vorgelegt - im Hinblick auf die Annahme einer Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren, ABl. C 221, S. 8.


28 – Vermerk der luxemburgischen Delegation, Ratsdokument vom 20. Juli 1999, Nr. 10342/99.


29 – Siehe Ratsdokument vom 29. Juli 1999, Nr. 9934/1/99, siehe für eine weitere Umformulierung Ratsdokument vom 22. Oktober 1999, Nr. 9934/2/99.


30 – So kritisierte beispielsweise die britische Delegation, dass die Definition problematisch sei, da ein Schuldner seine Interessen von verschiedenen Orten aus führen könne, außerdem seien die Kriterien zur Bestimmung der „hauptsächlichen“ Interessen unklar, siehe Ratsdokument vom 13. September 1999, Nr. 10683/99.


31 – Virgós, M., und Schmit, E., Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, deutsche Fassung nach Überarbeitung durch die Gruppe der Rechts- und Sprachsachverständigen, Der Rat der Europäischen Union, Doc. 6500/1/96 REV 1, Randnr. 75.


32 – Hier ist von einem weiten Verständnis des Begriffs der Gläubiger auszugehen, der auch die Arbeitnehmer eines Unternehmens umfassen kann.


33 – Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Eurofood IFSC (zitiert in Fn. 19, Nr. 125).


34 – Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren (zitiert in Fn. 31, Randnr. 75.)


35 – Siehe hierzu auch Urteile vom 9. März 1999, Centros (C‑212/97, Slg. 1999, I‑1459), vom 5. November 2002, Überseering (C-208/00, Slg. 2002, I-9919), und vom 30. September 2003, Inspire Art (C-167/01, Slg. 2003, I-10155).


36 – Erläuternder Bericht, (zitiert in Fn. 31, Randnr. 71).