Language of document : ECLI:EU:T:2021:202

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

21. April 2021(*)

„Öffentliche Aufträge – Ausschreibungsverfahren – Verringerung von Staub und Stickoxiden in den Einheiten B1 und B2 des Wärmekraftwerks Kosovo B – Ablehnung der Bewerbung – Antrag auf Nichtigerklärung in der Erwiderung – Neue Anträge – Offensichtliche Unzulässigkeit – Änderung der Auswahlkriterien während des Verfahrens – Gleichbehandlung“

In der Rechtssache T‑525/19,

Intering Sh.p.k mit Sitz in Obiliq (Kosovo),

Steinmüller Engineering GmbH mit Sitz in Gummersbach (Deutschland),

Deling d.o.o. za proizvodnju, promet i usluge mit Sitz in Tuzla (Bosnien‑Herzegowina),

ZMVikom d.o.o. za proizvodnju, konstrukcije i montažu mit Sitz in Šibenik (Kroatien),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt R. Spielhofen,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch J. Estrada de Solà, B. Bertelmann und M. Kellerbauer als Bevollmächtigte,

Beklagte,


betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Entscheidung Ares(2019) 4979920 der Kommission vom 30. Juli 2019, die Bewerbung der Klägerinnen für die Teilnahme an dem nicht offenen Verfahren zur Vergabe des Auftrags EuropeAid/140043/DH/WKS/XK nicht zu berücksichtigen, und der Entscheidung vom 18. Oktober 2019 über die Vergabe dieses Auftrags

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richterinnen O. Porchia und M. Stancu (Berichterstatterin),

Kanzler: E. Coulon,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Europäische Union, vertreten durch die Europäische Kommission, veröffentlichte am 19. März 2019 unter der Referenz EuropeAid/140043/DH/WKS/XK die Bekanntmachung eines Ausschreibungsverfahrens zur Vergabe eines Auftrags zur Verminderung von Staub und Stickoxiden in den Einheiten B1 und B2 des Wärmekraftwerks Kosovo B (im Folgenden: Bekanntmachung).

2        In Nr. 17.2 der Bekanntmachung in der durch die Berichtigung Nr. 2 vom 17. April 2019 geänderten Fassung sind die Auswahl- und Zuschlagskriterien hinsichtlich der technischen und der beruflichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers enthalten.

3        Nr. 17.2 Buchst. a der Bekanntmachung sieht vor, dass der Bewerber in den letzten acht Jahren mindestens ein Projekt gleicher Art und Komplexität, das bestimmte in dieser Bekanntmachung genau festgelegte Kategorien abdeckt, in Braunkohlekraftwerken mit einer elektrischen Nennleistung von mindestens 200 Megawatt (MW) abgeschlossen haben muss.

4        Gemäß Nr. 17.2 Buchst. c der Bekanntmachung muss im Falle der Bewerbung eines Joint Ventures oder eines Konsortiums dessen führendes Mitglied in der Lage sein, mindestens 40 % der ausgeschriebenen Arbeiten mit eigenen Mitteln auszuführen.

5        Bei dem in der Bekanntmachung für die Vergabe des betreffenden Auftrags vorgesehenen Verfahren handelte es sich um ein nicht offenes Verfahren. Aus Nr. 13 der Bekanntmachung geht hierzu hervor, dass auf der Grundlage der eingegangenen Bewerbungen eine Vorauswahl erfolgt und nur Bewerber, die die Auswahlkriterien erfüllen, vorausgewählt und durch den öffentlichen Auftraggeber zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden (im Folgenden: Auswahlliste). Im Übrigen wurde in der Bekanntmachung darauf hingewiesen, dass auf der Grundlage der eingegangenen Bewerbungen vier bis sechs Bewerber aufgefordert werden sollten, ausführliche Angebote für diesen Auftrag einzureichen.

6        Die Klägerinnen, die Intering Sh.p.k, die Steinmüller Engineering GmbH, die Deling d.o.o. za proizvodnju, promet i usluge und die ZM‑Vikom d.o.o. za proizvodnju, konstrukcije i montažu, bildeten ein Konsortium und bekundeten ihr Interesse an der Teilnahme am Verfahren, indem sie innerhalb der vorgesehenen Frist, die am 6. Mai 2019 ablief, Antragsunterlagen einreichten, die bestimmte Dokumente umfassten.

7        Nach Ablauf der Frist zur Abgabe der Antragsunterlagen ersuchte der Evaluierungsausschuss die Klägerinnen insgesamt dreimal um Klarstellung bezüglich der von ihnen eingereichten Unterlagen.

8        Die Klägerinnen beantworteten diese Auskunftsersuchen.

9        Mit Schreiben vom 7. Juni 2019 (Ares[2019]3677456), das an die Konsortialführerin, Intering, gerichtet war, teilte die Kommission den Klägerinnen mit, dass ihre Bewerbung nicht in die engere Auswahl gekommen sei, da sie die in Nr. 17.2 Buchst. a und c der Bekanntmachung genannten Kriterien nicht erfülle (im Folgenden: Entscheidung vom 7. Juni 2019).

10      Mit Schreiben vom selben Tag wandten sich die Klägerinnen gegen die Entscheidung vom 7. Juni 2019.

11      Mit Schreiben vom 13. Juni 2019, ergänzt durch ein Schreiben vom 28. Juni 2019, das weitere Informationen und Unterlagen enthielt, die nicht mit den ursprünglichen Antragsunterlagen eingereicht worden waren, legten die Klägerinnen Beschwerde gegen die Entscheidung vom 7. Juni 2019 ein, mit der sie die Aussetzung dieser Entscheidung und ihre Aufnahme in die Auswahlliste beantragten.

12      Im Anschluss an diese Beschwerde wurde das Vergabeverfahren zur Überprüfung ausgesetzt, was den Klägerinnen mit Schreiben vom 23. Juli 2019 (AresD[2019]NA/vk/4806398) mitgeteilt wurde.

13      Mit Schreiben vom 30. Juli 2019 (Ares[2019]4979920) (im Folgenden: Entscheidung vom 30. Juli 2019) teilte die Kommission den Klägerinnen mit, dass zum einen die Entscheidung vom 7. Juni 2019 wegen mangelnder Klarheit des in Nr. 17.2 Buchst. c der Bekanntmachung vorgesehenen Auswahlkriteriums aufgehoben worden sei, das infolgedessen als Auswahlkriterium weggefallen sei, und zum anderen, dass ihre Bewerbung wiederum abgelehnt worden sei. Hierzu wurde in der Entscheidung vom 30. Juli 2019 darauf hingewiesen, dass nach einer Neubewertung der Antragsunterlagen der Klägerinnen, wie sie innerhalb der am 6. Mai 2019 abgelaufenen Frist vorgelegt worden seien, festgestellt worden sei, dass diese Unterlagen u. a. keinen Nachweis dafür enthielten, dass das in Nr. 17.2 Buchst. a der Bekanntmachung festgelegte Kriterium der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit erfüllt sei.

14      Am selben Tag wurde ein weiteres Schreiben (Ares[2019]4980092) an die Konsortialführerin gerichtet, das mit der Entscheidung vom 30. Juli 2019 inhaltlich nahezu identisch ist.

15      Mit Schreiben vom 1. August 2019, ergänzt durch Schreiben vom 2. August 2019, legten die Klägerinnen Beschwerde gegen die Entscheidung vom 30. Juli 2019 ein und beantragten die Aussetzung des Vergabeverfahrens.

16      Mit Schreiben vom 7. August 2019 (Ares[2019]5134299) wurden die Klägerinnen darüber informiert, dass die Vorauswahl aufrechterhalten und eine erneute Aussetzung des Vergabeverfahrens abgelehnt werde.

17      Am 18. Oktober 2019 wurde der Auftrag endgültig an das Konsortium der Engineering Dobersek GmbH, der Hamon Thermal Europe SA und der RJM Corporation (EC) Limited vergeben (im Folgenden: Entscheidung vom 18. Oktober 2019).

 Verfahren und Anträge der Parteien

18      Mit Klageschrift, die am 25. Juli 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

19      Die Klägerinnen beantragen in ihrer Klageschrift,

–        die Entscheidung vom 7. Juni 2019 aufzuheben;

–        dem Antrag auf Zeugenbeweis zu entsprechen.

20      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 2. August 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen gemäß Art. 86 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, die Klageschrift anzupassen, um ihre Klage gegen die Entscheidung vom 30. Juli 2019 und nicht mehr gegen jene vom 7. Juni 2019 zu richten.

21      Die Kommission hat innerhalb der Frist zur Beantwortung des Anpassungsschriftsatzes der Klägerinnen keine Stellungnahme abgegeben.

22      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 7. August 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach Art. 278 AEUV und Art. 156 der Verfahrensordnung gestellt, der im Wesentlichen auf die Aussetzung der Vollziehung der Entscheidung vom 30. Juli 2019 und auf die Aussetzung des Vergabeverfahrens gerichtet war.

23      Mit Beschluss vom 13. September 2019, Intering u. a./Kommission (T‑525/19 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:606), hat der Präsident des Gerichts diesen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

24      Mit gesondertem Schriftsatz, der am 9. Oktober 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen einen erneuten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach Art. 278 AEUV und Art. 156 der Verfahrensordnung gestellt, der im Wesentlichen auf die Aussetzung der Vollziehung der Entscheidung vom 30. Juli 2019 und auf die Aussetzung des Vergabeverfahrens gerichtet war.

25      Mit Beschluss vom 11. November 2019, Intering u. a./Kommission (T‑525/19 R II, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:787), hat das Gericht diesen Antrag der Klägerinnen auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

26      Am 8. Oktober 2019 hat die Kommission bei der Kanzlei des Gerichts die Klagebeantwortung eingereicht.

27      Die Kommission beantragt in der Klagebeantwortung,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Antrag der Klägerinnen auf Zeugenbeweis zurückzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

28      Am 4. Dezember 2019 haben die Klägerinnen die Erwiderung bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

29      In der Erwiderung beantragen die Klägerinnen im Wesentlichen,

–        nach dem Anpassungsschriftsatz zu entscheiden;

–        die Entscheidung vom 18. Oktober 2019 aufzuheben;

–        dem Antrag auf Zeugenbeweis zu entsprechen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

30      Am 27. März 2020 hat die Kommission bei der Kanzlei des Gerichts die Gegenerwiderung eingereicht.

31      In der Gegenerwiderung beantragt die Kommission im Wesentlichen, gemäß den in der Klagebeantwortung gestellten Anträgen zu entscheiden und den Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 18. Oktober 2019 zurückzuweisen.

32      Das Gericht (Erste Kammer) hat gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung beschlossen, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden.

 Rechtliche Würdigung

 Zum angeblichen Verstoß der Kommission gegen die Bestimmungen der Verfahrensordnung über die Frist für die Einreichung der Klagebeantwortung

33      In der Erwiderung machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe die Klagebeantwortung nicht fristgerecht eingereicht und auch keinen Antrag auf Fristverlängerung gestellt, so dass sie den Erlass eines Versäumnisurteils durch das Gericht hätten beantragen können, was sie jedoch nicht getan hätten.

34      Hierzu ist festzustellen, dass dieses Vorbringen der Klägerinnen auf einer Verwechslung zwischen dem Zeitpunkt des Eingangs der Klagebeantwortung bei der Kanzlei des Gerichts und dem ihrer Zustellung an die Klägerinnen beruht.

35      Aus den Akten geht nämlich hervor, dass die Klageschrift der Kommission im Einklang mit Art. 6 des Beschlusses des Gerichts vom 11. Juli 2018 über die Einreichung und die Zustellung von Verfahrensschriftstücken im Wege der Anwendung e‑Curia am 29. Juli 2019 zugestellt worden und die Klagebeantwortung am 8. Oktober 2019 beim Gericht eingereicht worden ist. Die Klagebeantwortung ist daher bei der Kanzlei des Gerichts innerhalb der in Art. 81 Abs. 1 der Verfahrensordnung festgelegten Frist von zwei Monaten zuzüglich der in Art. 60 der Verfahrensordnung vorgesehenen Entfernungsfrist eingegangen.

36      Dass dieser Schriftsatz den Klägerinnen nach Ablauf dieser Frist zugestellt worden ist, hat keine Auswirkung auf seinen Eingang bei der Kanzlei des Gerichts gemäß den einschlägigen Bestimmungen der Verfahrensordnung. Das schriftliche Verfahren ist daher zu Recht fortgesetzt worden.

37      Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission habe gegen die Vorschriften der Verfahrensordnung über die Frist für die Einreichung der Klagebeantwortung verstoßen, zurückzuweisen.

 Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 18. Oktober 2019

38      Es ist festzustellen, dass die in der Klageschrift enthaltenen Anträge in der infolge des Anpassungsschriftsatzes angepassten Fassung nur auf die Nichtigerklärung der Entscheidung vom 30. Juli 2019 gerichtet sind. Die Klägerinnen haben die Nichtigerklärung der Entscheidung vom 18. Oktober 2019 erst im Stadium der Erwiderung beantragt.

39      Falls die Klägerinnen beabsichtigten, im Rahmen der Erwiderung eine neue Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 18. Oktober 2019 zu erheben, genügt jedoch der Hinweis, dass die Klageerhebung beim Gerichtshof gemäß Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß Art. 53 dieser Satzung auf das Gericht anwendbar ist, durch Einreichung einer an den Kanzler zu richtenden Klageschrift erfolgt und nicht, wie im vorliegenden Fall, durch Einreichung eines Schriftstücks im Rahmen eines bereits anhängigen Verfahrens.

40      Im Übrigen ist für den Fall, dass die Klägerinnen ihre Anträge lediglich soweit ändern wollten, dass sie auch die Entscheidung vom 18. Oktober 2019 umfassen, darauf hinzuweisen, dass der Kläger nach Art. 76 der Verfahrensordnung in der Klageschrift den Streitgegenstand zu bestimmen und seine Anträge zu stellen hat. Zwar lässt Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens zu, sofern sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind, er darf aber nicht so ausgelegt werden, dass er dem Kläger die Möglichkeit einräumt, den Unionsrichter mit neuen Anträgen zu befassen und damit den Streitgegenstand oder die Art der Klage zu ändern (Urteil vom 7. November 2019, Rose Vision/Kommission, C‑346/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:939, Rn. 43). Somit können unter Vorbehalt der in Art. 86 der Verfahrensordnung vorgesehenen Umstände nur die in der Klageschrift gestellten Anträge berücksichtigt werden, und die Begründetheit der Klage ist allein anhand der in der Klageschrift enthaltenen Anträge zu prüfen (Urteile vom 21. Oktober 2015, Petco Animal Supplies Stores/HABM – Gutiérrez Ariza [PETCO], T‑664/13, EU:T:2015:791, Rn. 25, und vom 8. November 2017, De Nicola/Gerichtshof der Europäischen Union, T‑99/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:790, Rn. 28).

41      Daher ist zu prüfen, ob der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 18. Oktober 2019 unter die in Art. 86 der Verfahrensordnung genannten Umstände fällt. In Abs. 1 dieser Bestimmung ist vorgesehen, dass der Kläger, wenn ein Rechtsakt, dessen Nichtigerklärung beantragt wird, durch einen anderen Rechtsakt mit demselben Gegenstand ersetzt oder geändert wird, vor Abschluss des mündlichen Verfahrens oder vor der Entscheidung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden, die Klageschrift anpassen kann, um diesem neuen Umstand Rechnung zu tragen.

42      Es ist jedoch festzustellen, dass die Entscheidung vom 18. Oktober 2019 zwar nach Erhebung der vorliegenden Klage ergangen ist, aber die Entscheidung vom 30. Juli 2019 weder ersetzt noch ändert.

43      Daher ist festzustellen, dass sich die Klägerinnen nicht auf Art. 86 der Verfahrensordnung berufen können, um im Stadium der Erwiderung ihre Anträge soweit anzupassen, dass sie auch die Entscheidung vom 18. Oktober 2019 umfassen.

44      Daraus folgt, dass der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 18. Oktober 2019 offensichtlich unzulässig ist.

 Zur Klage gegen die Entscheidung vom 30. Juli 2019

45      Wie bereits oben in Rn. 13 ausgeführt, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission den Klägerinnen mit der Entscheidung vom 30. Juli 2019 mitgeteilt hat, dass zum einen die Entscheidung vom 7. Juni 2019 wegen mangelnder Klarheit des in Nr. 17.2 Buchst. c der Bekanntmachung vorgesehenen Auswahlkriteriums aufgehoben worden sei und zum anderen ihre Bewerbung wiederum abgelehnt worden sei, da diese keinen Nachweis dafür enthalte, dass das in Nr. 17.2 Buchst. a der Bekanntmachung festgelegte Kriterium der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit erfüllt sei.

46      Die Klägerinnen stützen ihren Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 30. Juli 2019 auf sieben Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Grundsätze der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung geltend gemacht, da die Kommission es versäumt habe, ihre Zweifel in Bezug auf die von den Klägerinnen eingereichten Unterlagen zu klären. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Grundsätze der Transparenz und der Verhältnismäßigkeit sowie gegen die Bestimmungen der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. 2018, L 193, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung) gerügt, da die Kommission es versäumt habe, den Ausschluss der Klägerinnen vom weiteren Ausschreibungsverfahren zu begründen, und ihnen keinen Zugang zu dem Detailbewertungsbericht und Informationen über die Vorteile und Merkmale der in die engere Wahl gezogenen Bewerber gewährt habe. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz gerügt, gemäß dem die Ausschreibungsunterlagen während des Ausschreibungsverfahrens vor irgendwelchen Änderungen geschützt werden müssten. Mit dem vierten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 231/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2014 zur Schaffung eines Instruments für Heranführungshilfe (IPA II) (ABl. 2014, L 77, S. 11) sowie gegen Art. 1 Abs. 3 und 6 der Verordnung (EU) Nr. 236/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2014 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften und Verfahren für die Anwendung der Instrumente der Union für die Finanzierung des auswärtigen Handelns (ABl. 2014, L 77, S. 95), da ein Verstoß gegen die Allgemeinen Grundsätze des öffentlichen Vergaberechts vorliege. Mit dem fünften Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Bestimmungen des „Leitfadens für die Auftragsvergabe und die Gewährung von Finanzhilfen für Maßnahmen im Außenbereich der Europäischen Union – Ein praktischer Leitfaden“ in Bezug auf Nr. 17 der Bekanntmachung geltend gemacht. Mit dem sechsten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) gerügt, da die Kommission ihre Entscheidung über den Ausschluss der Klägerinnen vom weiteren Vergabeverfahren nicht begründet und ihnen keinen Zugang zu dem Detailbewertungsbericht und Informationen über die Vorteile und Merkmale der in die engere Wahl gezogenen Auftragnehmer gewährt habe. Schließlich wird mit dem siebten Klagegrund ein Verstoß gegen die in Nr. 17.2 Buchst. a der Bekanntmachung genannten Auswahlkriterien gerügt, die von der Kommission nicht richtig angewandt worden seien.

47      Für das vorliegende Verfahren ist als Erstes der dritte Klagegrund zu prüfen, der aus zwei Teilen besteht.

48      Im Rahmen des ersten Teils machen die Klägerinnen unter Verweis auf Art. 166 Abs. 2 Satz 1 und Art. 167 Abs. 1 Buchst. c der Haushaltsordnung geltend, die Kommission habe gegen den allgemeinen Grundsatz verstoßen, gemäß dem die Ausschreibungsunterlagen gegen jede Änderung während des Verfahrens geschützt werden müssten, da ihre Bewerbung nach dem Wegfall des in Nr. 17.2 Buchst. c der Bekanntmachung genannten Kriteriums auf der Grundlage von Unterkriterien sowie Auslegungen bewertet worden sei, für die in den betreffenden Unterlagen keine Bestimmungen vorhanden gewesen seien.

49      Im Rahmen des zweiten Teils stellen die Klägerinnen den Ablauf des Auswahlverfahrens selbst in Frage. Die Kommission habe dadurch, dass sie im Rahmen des Vorauswahlverfahrens eine so gravierende Änderung wie die Streichung des Auswahlkriteriums in Nr. 17.2 Buchst. c der Bekanntmachung vorgenommen habe, einen so schwerwiegenden Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung begangen, dass das Vergabeverfahren zu wiederholen sei.

50      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

51      Zunächst ist der zweite Teil des dritten Klagegrundes zu prüfen.

52      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 160 Abs. 1 der Haushaltsordnung bei öffentlichen Verträgen, die ganz oder teilweise aus dem Haushalt der Union finanziert werden, die Grundsätze der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung gelten.

53      Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, der die Entwicklung eines gesunden und effektiven Wettbewerbs zwischen den sich um einen öffentlichen Auftrag bewerbenden Unternehmen fördern soll, gebietet u. a., dass alle Bieter sowohl zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Angebote vorbereiten, als auch zu dem Zeitpunkt, zu dem diese beurteilt werden, gleichbehandelt werden (vgl. Urteil vom 24. November 2005, ATI EAC e Viaggi di Maio u. a., C‑331/04, EU:C:2005:718, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

54      Dieser Grundsatz der Gleichbehandlung schließt außerdem eine Verpflichtung zur Transparenz ein, die es ermöglichen soll, die Beachtung dieses Grundsatzes zu überprüfen (Urteil vom 12. Dezember 2002, Universale‑Bau u. a., C‑470/99, EU:C:2002:746, Rn. 91).

55      So hat der Gerichtshof entschieden, dass der Gegenstand öffentlicher Aufträge sowie die Kriterien für ihre Vergabe vom Beginn des Verfahrens über die Vergabe dieser Aufträge an klar bestimmt sein müssen (Urteil vom 10. Mai 2012, Kommission/Niederlande, C‑368/10, EU:C:2012:284, Rn. 56).

56      Im Übrigen bedeuten die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz von Ausschreibungsverfahren, dass sich der Auftraggeber während des gesamten Verfahrens an ein und dieselbe Auslegung der Zuschlagskriterien halten muss (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2001, SIAC Construction, C‑19/00, EU:C:2001:553, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung), und erst recht, dass die Zuschlagkriterien während des Verfahrens nicht geändert werden dürfen (Urteil vom 4. Dezember 2003, EVN und Wienstrom, C‑448/01, EU:C:2003:651, Rn. 93).

57      Hebt der öffentliche Auftraggeber eine Entscheidung bezüglich eines Zuschlagskriteriums auf, kann er daher das Vergabeverfahren nicht unter Außerachtlassung dieses Kriteriums fortsetzen, ohne gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz zu verstoßen, da dies auf eine Änderung der in dem fraglichen Verfahren anwendbaren Kriterien hinausliefe (vgl. entsprechend Urteil vom 4. Dezember 2003, EVN und Wienstrom, C‑448/01, EU:C:2003:651, Rn. 94).

58      Diese Rechtsprechung gilt entsprechend für die Auswahlkriterien.

59      Auch wenn die Auswahlkriterien, die in der ersten Phase eines nicht offenen Verfahrens angewandt werden, objektiver sind, da keine Abwägung erforderlich ist, kann der Wegfall eines dieser Kriterien während des Ausschreibungsverfahrens nämlich dennoch Folgen haben und gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen. So wirkt sich ein solcher Wegfall auf jeden Bewerber aus, der an dem Ausschreibungsverfahren teilgenommen hat und vom weiteren Verfahren mit der Begründung ausgeschlossen wurde, dass er das Auswahlkriterium, das später weggefallen ist, nicht erfülle. Außerdem wirkt sich dieser Wegfall auf die Stellung jedes potenziellen Bewerbers aus, der insbesondere deshalb nicht an der Ausschreibung teilgenommen hat, weil er sich nicht in der Lage sah, das Kriterium zu erfüllen, das später ohne seine Kenntnis weggefallen ist.

60      Daher ist festzustellen, dass die Kommission dadurch, dass sie das Kriterium in Nr. 17.2 Buchst. c der Bekanntmachung verworfen und das Vergabeverfahren fortgesetzt hat, gegen ihre Verpflichtungen aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung und der sich aus diesem ergebenden Transparenzpflicht, wie in der oben in den Rn. 53 bis 57 genannten Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgelegt, verstoßen hat.

61      Diese Feststellung kann nicht durch das Vorbringen der Kommission in Frage gestellt werden, dass sich durch den Wegfall des in Nr. 17.2 Buchst. c der Bekanntmachung genannten Kriteriums in keiner Weise die Sachlage betreffend Nr. 17.2 Buchst. a dieser Bekanntmachung ändere, dessen mangelhafte Erfüllung durch die Klägerinnen bereits im Rahmen der Entscheidung vom 7. Juni 2019 zu deren Nichtauswahl geführt habe.

62      Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass das in Nr. 17.2 Buchst. a der Bekanntmachung enthaltene Kriterium, wenn die Kommission das laufende Vergabeverfahren beendet und eine neue Bekanntmachung über denselben Auftrag veröffentlicht hätte, wortgleich beibehalten worden wäre. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Kommission das in Nr. 17.2 Buchst. c der Bekanntmachung enthaltene Kriterium, wenn auch klarer formuliert, erneut aufgenommen hätte.

63      Jedenfalls ist festzustellen, dass die Klägerinnen der Kommission in diesem Fall die Informationen und Dokumente ihres Schreibens vom 28. Juni 2019 hätten vorlegen können, die in dem Verfahren, das zur Entscheidung vom 30. Juli 2019 geführt hat, nicht berücksichtigt wurden, da sie nach Ablauf der ursprünglichen Bewerbungsfrist eingereicht worden waren. Im Übrigen hätten sie auch die Möglichkeit gehabt, weitere Informationen und andere Dokumente vorzulegen. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kommission im Rahmen eines neuen Verfahrens und auf der Grundlage neuer Gesichtspunkte zu der Auffassung hätte gelangen können, dass die Klägerinnen das Kriterium in Nr. 17.2 Buchst. a der neuen Bekanntmachung sehr wohl erfüllten, wenn dieses aufrechterhalten worden wäre.

64      Nach alledem ist dem zweiten Teil des dritten Klagegrundes stattzugeben.

65      Daraus folgt, dass die Entscheidung vom 30. Juli 2019 für nichtig zu erklären ist, ohne dass es erforderlich wäre, den ersten Teil des dritten Klagegrundes oder die anderen von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegründe zu prüfen oder über ihren Antrag auf Beweisaufnahme zu entscheiden, für die ein Mitarbeiter der Konsortialführerin geladen werden sollte, um zu seiner nach den Anforderungen der Ausschreibung erforderlichen Erfahrung auszusagen.

 Kosten

66      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen der Klägerinnen die Kosten einschließlich der in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten aufzuerlegen.


Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung Ares (2019)4979920 der Europäischen Kommission vom 30. Juli 2019, die Bewerbung der Intering Sh.p.k, der Steinmüller Engineering GmbH, der Deling d.o.o. za proizvodnju, promet i usluge und der ZMVikom d.o.o. za proizvodnju, konstrukcije i montažu für die Teilnahme an dem nicht offenen Verfahren zur Vergabe des Auftrags EuropeAid/140043/DH/WKS/XK nicht zu berücksichtigen, wird für nichtig erklärt.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die Kommission trägt die Kosten einschließlich der Kosten der Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

Kanninen

Porchia

Stancu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. April 2021.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.