Language of document : ECLI:EU:T:2013:86

BESCHLUSS DES GERICHTS (Dritte Kammer)

Datum (*)

„Nichtigkeitsklage – Klagefrist – Verspätung – Kein Zufall – Offensichtliche Unzulässigkeit“

In der Rechtssache T‑422/12

Kappa Filter Systems GmbH mit Sitz in Steyr‑Gleink (Österreich), vertreten durch Rechtsanwalt C. Hadeyer,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM),

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 10. Juli 2012 (Sache R 817/2012‑4) über die Anmeldung der Wortmarke THE FUTURE HAS ZERO EMISSIONS

erlässt

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz (Berichterstatter), der Richterin I.  Labucka und des Richters D. Gratsias,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

 Verfahren und Anträge der Klägerin

1        Am 13. Juli 2012 wurde der Klägerin, der Kappa Filter Systems GmbH, die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 10. Juli 2012 (Sache R 817/2012‑4) betreffend ein Verfahren zur Eintragung der Wortmarke THE FUTURE HAS ZERO EMISSIONS (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) zugestellt.

2        Mit Telefax, das am 13. September 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin eine Klage auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung erhoben. Die unterzeichnete Urschrift dieses Schriftsatzes ist am 26. September 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen, und damit nach Ablauf der Zehntagesfrist des Art. 43 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts.

3        Mit Schreiben vom 7. November 2012 hat der Kanzler des Gerichts der Klägerin mitgeteilt, dass er festgestellt habe, dass das Datum der Übersendung der Fernkopie ihrer Klageschrift nach Art. 43 § 6 der Verfahrensordnung für die Wahrung der Verfahrensfristen nicht maßgebend sein könne und folglich der Tag des Eingangs der unterzeichneten Urschrift der Klageschrift als Datum deren Eingangs angesehen werde. Im gleichen Schreiben hat der Kanzler die Klägerin gebeten, zu erklären, warum die Klageschrift verspätet eingereicht worden sei.

4        Mit Fernkopie, die am 30. November 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin erklärt, warum die Klageschrift verspätet eingereicht worden sei, geltend gemacht, dass ein Zufall im Sinne des Art. 45 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs vorliege, und beantragt, ihre Klageschrift zuzulassen. Die unterzeichnete Urschrift dieses Schreibens ist am 3. Dezember 2012 bei der Kanzlei eingegangen.

 Anträge der Klägerin

5        Die Klägerin beantragt in ihrer Klageschrift,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

6        Gemäß Art. 111 der Verfahrensordnung kann das Gericht, wenn die Klage offensichtlich unzulässig ist, ohne Fortsetzung des Verfahrens durch mit Gründen zu versehenden Beschluss entscheiden.

7        Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht auf der Grundlage des Akteninhalts für ausreichend unterrichtet und beschließt, in Anwendung dieses Artikels ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

8        Nach Art. 65 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) ist die Klage gegen die Entscheidung einer Beschwerdekammer des HABM innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen. Nach Art. 102 § 2 der Verfahrensordnung werden die Verfahrensfristen um eine pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert.

9        Nach ständiger Rechtsprechung ist diese Klagefrist zwingenden Rechts, da sie zur Gewährleistung der Klarheit und Sicherheit der Rechtsverhältnisse und zur Vermeidung jeder Diskriminierung oder willkürlichen Behandlung bei der Gewährung von Rechtsschutz eingeführt wurde, und es ist Sache des Unionsrichters, ihre Einhaltung von Amts wegen zu prüfen (Urteil des Gerichtshofs vom 23. Januar 1997, Coen, C‑246/95, Slg. 1997, I‑403, Randnr. 21, und Urteil des Gerichts vom 18. September 1997, Mutual Aid Administration Services/Kommission, T‑121/96 und T‑151/96, Slg. 1997, II‑1355, Randnrn. 38 und 39).

10      Im vorliegenden Fall wurde, wie oben in Randnr. 2 ausgeführt worden ist, die angefochtene Entscheidung der Klägerin am 13. Juli 2012 zugestellt.

11      Aus den in Art. 101 und Art. 102 § 2 der Verfahrensordnung vorgesehenen Regeln für die Berechnung der Verfahrensfristen ergibt sich, dass die Klagefrist unter Berücksichtigung der Entfernungsfrist am 24. September 2012 um Mitternacht abgelaufen ist.

12      Die Klageschrift ist der Kanzlei des Gerichts am 13. September 2012, d. h. vor Ablauf der Klagefrist, per Fernkopierer übermittelt worden.

13      Nach Art. 43 § 6 der Verfahrensordnung ist jedoch der Tag, an dem eine Kopie der unterzeichneten Urschrift eines Schriftsatzes mittels Fernkopierer bei der Kanzlei des Gerichts eingeht, nur dann für die Wahrung der Verfahrensfristen maßgebend, wenn die unterzeichnete Urschrift des Schriftsatzes spätestens zehn Tage nach Eingang der Fernkopie bei der Kanzlei eingereicht wird.

14      Im vorliegenden Fall ist die unterzeichnete Urschrift der Klageschrift bei der Kanzlei des Gerichts am 26. September 2012 eingegangen, und damit nach Ablauf der Zehntagesfrist des Art. 43 § 6 der Verfahrensordnung. Unter diesen Umständen kann der Tag des Eingangs der Fernkopie für die Wahrung der Klagefrist nicht maßgebend sein. Daraus folgt, dass nur der Tag des Eingangs der unterzeichneten Urschrift, nämlich der 26. September 2012, für die Wahrung der Klagefrist maßgebend ist. Da diese am 24. September 2012 um Mitternacht abgelaufen ist, ist festzustellen, dass die Klage verspätet erhoben worden ist.

15      In ihrem Schreiben vom 30. November 2012 trägt die Klägerin vor, dass die Sendung mit der unterzeichneten Urschrift der Klageschrift und den beglaubigten Abschriften am Tag der Übersendung der Fernkopie versandt worden sei und dass sie diese direkt der Österreichischen Post anvertraut habe, die in ihrem Handbuch Brief International angebe, dass für eine solche Sendung ins Großherzogtum Luxemburg eine Beförderungsdauer von 5 bis 10 Tagen vorgesehen sei. Unter Bezugnahme u. a. auf den Beschluss des Gerichtshofs vom 18. Januar 2005, Zuazaga Meabe/HABM (C‑325/03 P, Slg. 2005, I‑403) ist die Klägerin der Ansicht, dass ihr kein Sorgfaltsverstoß vorgeworfen werden könne, und beruft sich auf das Vorliegen eines Falls höherer Gewalt im Sinne des Art. 45 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs.

16      Hierzu ist, wie auch die Klägerin in Randnr. 5 ihres Schreibens vom 30. November 2012 ausführt, darauf hinzuweisen, dass der Begriff Zufall ein objektives und ein subjektives Merkmal umfasst, von denen Ersteres sich auf ungewöhnliche, außerhalb der Sphäre des Wirtschaftsteilnehmers liegende Umstände bezieht und Letzteres mit der Verpflichtung des Betroffenen zusammenhängt, sich gegen die Folgen ungewöhnlicher Ereignisse zu wappnen, indem er, ohne übermäßige Opfer zu bringen, geeignete Maßnahmen trifft. Insbesondere müssen die Wirtschaftsteilnehmer den Ablauf des eingeleiteten Verfahrens sorgfältig überwachen und zum Zweck der Einhaltung der vorgesehenen Fristen Sorgfalt walten lassen (in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 1994, Bayer/Kommission, C‑195/91 P, Slg. 1994, I‑5619, Randnr. 32, und Beschluss vom 8. November 2007, Belgien/Kommission, C‑242/07 P, Slg. 2007, I‑9757, Randnr. 17).

17      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Klägerin die unterschriebene Urschrift der Klageschrift und die beglaubigten Abschriften per Einschreiben der Österreichischen Post am 13. September 2012 verschickte, d. h. am selben Tag, an dem die Klageschrift per Fernkopierer übermittelt worden war. Nach dem Auszug aus dem Handbuch Brief International der Österreichischen Post, auf den sich die Klägerin bezieht, ist die Beförderungsdauer für eine solche Sendung in das Großherzogtum Luxemburg „A + 5 bis 10“ Tage. Es ist jedoch festzustellen, dass das Zeichen „A“ im Auszug aus dem Handbuch Brief International nicht definiert wird, so dass der Ausgangspunkt der Berechnung der Beförderungsdauer von 5 bis 10 Tagen auf der Grundlage des Auszugs aus diesem Handbuch nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann. Ferner ist festzustellen, dass der genannte Auszug keine Hinweise auf die Art der Frist von 5 bis 10 Tagen gibt. Insbesondere ergibt sich aus diesem Dokument nicht, ob diese Beförderungsdauer für die betreffende Sendung ins Großherzogtum Luxemburg einen Hinweis auf die übliche Dauer für diese Art der Sendung oder aber eine von der Österreichischen Post garantierte Dauer ist.

18      Im Übrigen entspräche, auch wenn die Abkürzung „A + 5 bis 10“, die im Handbuch Brief International der Österreichischen Post steht, diese strikt dazu verpflichten würde, die betreffende Sendung innerhalb von 10 Tagen nach ihrer Aufgabe im Großherzogtum Luxemburg zuzustellen, die Nichtbeachtung dieser Frist durch die Österreichische Post jedenfalls keiner höheren Gewalt oder keinem Zufall für die Klägerin. Hierzu genügt es, festzustellen, dass die Höchstdauer für die Beförderung der Sendung ins Großherzogtum Luxemburg, zu deren Beachtung die Österreichische Post sich verpflichtet hätte, ungeachtet eventueller Unterschiede bei der Fristberechnung im Grundsatz der in Art. 43 § 6 der Verfahrensordnung vorgesehenen Höchstfrist für die Einreichung der unterzeichneten Urschrift des Schriftsatzes und der Anlagen und Abschriften zu der per Fernkopie übermittelten Kopie entspricht. Daraus folgt, dass jede Überschreitung der im Handbuch Brief International der Österreichischen Post für die Beförderung der betreffenden Sendung vorgesehene Dauer ein sehr großes Risiko der Überschreitung der in Art. 43 § 6 der Verfahrensordnung vorgesehenen Frist in sich bergen würde.

19      Nach alledem ist festzustellen, dass die Klägerin dadurch, dass sie sich im vorliegenden Fall dafür entschieden hat, die unterzeichnete Urschrift ihrer Klageschrift sowie die beglaubigten Abschriften per Einschreiben der Österreichischen Post an die Kanzlei des Gerichts zu verschicken, nicht die zum Zweck der Einhaltung der in Art. 43 § 6 der Verfahrensordnung vorgesehenen Frist gebotene Sorgfalt hat walten lassen.

20      Daraus folgt, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass ein Zufall oder ein Fall höherer Gewalt im Sinne des Art. 45 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs vorgelegen hat.

21      Nach alledem ist die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen, ohne dass es der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten bedarf.

 Kosten

22      Da der vorliegende Beschluss vor einer Zustellung der Klageschrift an den Beklagten ergangen ist und diesem keine Kosten entstehen konnten, ist nur zu entscheiden, dass die Klägerin nach Art. 87 § 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

beschlossen:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den @@

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      O. Czúcz


* Verfahrenssprache: Deutsch.