Language of document : ECLI:EU:T:2011:482

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

15. September 2011 (*)

„Vorläufiger Rechtsschutz – Umwelt – Kostenlose Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten aufgrund der Richtlinie 2003/87/EG – Festlegung der zuteilungsrelevanten Produkt-Benchmarks durch Beschluss der Kommission – Antrag auf einstweilige Anordnung – Zulässigkeit – Dringlichkeit“

In der Rechtssache T‑379/11 R

Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH mit Sitz in Duisburg (Deutschland),

Rogesa - Roheisengesellschaft Saar mbH mit Sitz in Dillingen (Deutschland),

Salzgitter Flachstahl GmbH mit Sitz in Salzgitter (Deutschland),

ThyssenKrupp Steel Europe AG mit Sitz in Duisburg,

voestalpine Stahl GmbH mit Sitz in Linz (Österreich),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Altenschmidt und C. Dittrich,

Antragstellerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Wilms, K. Mifsud-Bonnici und K. Herrmann als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses 2011/278/EU der Kommission vom 27. April 2011 zur Festlegung EU-weiter Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten gemäß Artikel 10a der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 130, S. 1)

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

 Rechtlicher Rahmen, Sachverhalt und Verfahren

1        Die Antragstellerinnen sind Unternehmen der Stahlindustrie. Sie betreiben in der Europäischen Union Hochöfen und Stahlwerke zur Herstellung von Roheisen und Stahl sowie Anlagen zur Sinterung von Metallerz. Bei diesen Tätigkeiten entstehen Treibhausgase.

2        Durch die Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 (ABl. L 275, S. 32) in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2009/29/EG vom 29. April 2009 (ABl. L 140, S. 63) (im Folgenden: Richtlinie) wurde ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten mit dem Ziel eingeführt, eine Verringerung solcher Emissionen in der Europäischen Union zu erreichen. Die Antragstellerinnen nehmen wegen des Betriebs ihrer o. g. Anlagen an dem durch die Richtlinie geschaffenen Emissionshandel teil.

3        Nach den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie, insbesondere Art. 10a, erlässt die Kommission EU-weite harmonisierte Durchführungsmaßnahmen für die kostenlose Zuteilung der Emissionszertifikate. Die Kommission ist in diesem Zusammenhang verpflichtet, Benchmarks für die einzelnen Wirtschaftssektoren festzulegen, wobei sie die Durchschnittsleistung der 10% effizientesten Anlagen eines Sektors bzw. Teilsektors in der Union als Ausgangspunkt zu nehmen hat. Die Mitgliedstaaten müssen sodann auf der Grundlage dieser Benchmarks die vorläufige Menge der den einzelnen Anlagen kostenlos zuzuteilenden Zertifikate berechnen und in ein Verzeichnis eintragen, das der Kommission bis zum 30. September 2011 zu unterbreiten ist. Die Kommission prüft die Verzeichnisse und legt zur Einhaltung der jährlichen Höchstmenge an Zertifikaten gegebenenfalls einen einheitlichen sektorübergreifenden Korrekturfaktor fest. Anschließend nehmen die Mitgliedstaaten die endgültige Zuteilung der Zertifikate vor.

4        In ihrem Beschluss 2011/278/EU vom 27. April 2011 zur Festlegung EU-weiter Übergangsvorschriften zur Harmonisierung der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten gemäß Artikel 10a der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 130, S. 1; im Folgenden: angefochtener Beschluss) hat die Kommission u. a. die für die Eisen- und Stahlindustrie maßgeblichen Produkt-Benchmarks „Eisenerzsinter“ und „Heißmetall“ bestimmt. Für Eisenerzsinter hat sie einen Benchmarkwert von 0,171 Zertifikaten pro Tonne, für Heißmetall einen Benchmarkwert von 1,328 Zertifikaten pro Tonne vorgesehen. Der angefochtene Beschluss gilt für Handelszeiträume ab dem Jahr 2013. Er sieht vor, dass die Zuteilungen der Zertifikate vor Beginn der Handelsperiode am 1. Januar 2013 feststehen müssen, damit der Markt reibungslos funktionieren kann.

5        Mit Klageschrift, die am 21. Juli 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Antragstellerinnen Klage mit dem Ziel erhoben, den angefochtenen Beschlusses insgesamt für nichtig zu erklären. Zur Begründung machen sie insbesondere geltend, die Produkt-Benchmarks für Eisenerzsinter und Heißmetall seien unter Verstoß gegen Art. 10a der Richtlinie zu niedrig festgelegt worden. Dies habe zur Folge, dass sie erheblich weniger Emissionszertifikate kostenlos zugeteilt erhielten, als wenn die Kommission die Vorgaben der Richtlinie rechtmäßig umgesetzt hätte; sie müssten daher große Mengen der von ihnen benötigten Zertifikate kaufen. Mit Schriftsatz vom 7. September 2011 hat die Kommission beantragt, die Nichtigkeitsklage gemäß Art. 114 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vorab als unzulässig abzuweisen.

6        Mit besonderem Schriftsatz, der am 21. Juli 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Antragstellerinnen den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, mit dem sie die Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Beschlusses bis zur Entscheidung in der Hauptsache begehren.

7        In ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, die am 12. September 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt die Kommission,

–        den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen;

–        den Antragstellerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 Gründe

8        Nach Art. 278 AEUV und Art. 279 AEUV in Verbindung mit Art. 256 Abs. 1 AEUV kann der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

9        Gemäß Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf einstweilige Anordnungen den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann somit die Aussetzung des Vollzugs anordnen und einstweilige Anordnungen treffen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass diese Anordnungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig (Fumus boni iuris) und dringlich in dem Sinne sind, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers erforderlich ist, sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache zu erlassen und wirksam werden zu lassen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Juli 1995, Kommission/Atlantic Container Line u. a., C‑149/95 P[R], Slg. 1995, I‑2165, Randnr. 22). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen ist, sofern es an einer von ihnen fehlt (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Oktober 1996, SCK und FNK/Kommission, C‑268/96 P[R], Slg. 1996, I‑4971, Randnr. 30). Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. Februar 2001, Österreich/Rat, C‑445/00 R, Slg. 2001, I‑1461, Randnr. 73, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 4. April 2002, Technische Glaswerke Ilmenau/Kommission, T‑198/01 R, Slg. 2002, II‑2153, Randnr. 50).

10      Im Übrigen verfügt der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter im Rahmen dieser Gesamtprüfung über ein weites Ermessen; er kann im Einzelfall die Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Unionsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line u. a., Randnr. 23, und Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. April 2007, Vischim/Kommission, C‑459/06 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25).

11      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für die von den Organen der Union erlassenen Rechtsakte die Vermutung der Rechtmäßigkeit spricht. Art. 278 AEUV stellt daher den Grundsatz auf, dass Klagen keine aufschiebende Wirkung haben. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter kann daher nur ausnahmsweise die Durchführung der vor dem Gericht angefochtenen Handlung aussetzen oder einstweilige Anordnungen treffen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. Juli 2000, Niederlande/Parlament und Rat, C‑377/98 R, Slg. 2000, I‑6229, Randnr. 44, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 17. Dezember 2009, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht/Kommission, T‑396/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42).

12      Die schriftlichen Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten enthalten alle für die Entscheidung über den Eilantrag erforderlichen Informationen. Es besteht somit kein Anlass zu einer mündlichen Anhörung.

13      Die Antragstellerinnen stützen sowohl die Notwendigkeit als auch die Dringlichkeit der beantragten einstweiligen Anordnung im Kern auf das Vorbringen, die Kommission habe in dem angefochtenen Beschluss zu niedrige Produkt-Benchmarks für Eisenerzsinter und Heißmetall festgelegt, mit der Folge, dass ihnen für den europäischen Emissionshandel erheblich weniger kostenlose Zertifikate zur Verfügung stünden, als wenn die Vorgaben der Richtlinie rechtmäßig umgesetzt worden wären. Wenn die Kommission die ihr vom europäischen Branchenverband Eurofer übermittelten höheren Produkt-Benchmarks festlegen würde, wozu sie, so die Antragstellerinnen, verpflichtet sei, würde dies eine deutlich höhere Zuteilung kostenloser Emissionszertifikate bewirken.

14      Angesichts dieses Vorbringens ist zunächst die Zulässigkeit des Eilantrags zu prüfen und zu untersuchen, ob die Antragstellerinnen ein Rechtsschutzinteresse an der beantragten einstweiligen Anordnung nachweisen (vgl. u. a. Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 17. Dezember 1996, Moccia Irme/Kommission, T‑164/96 R, Slg. 1996, II‑2261, Randnr. 26, und vom 7. Mai 2002, Aden u. a./Rat und Kommission, T‑306/01 R, Slg. 2002, II‑2387, Randnr. 57). Ein solches Interesse besteht insbesondere nur dann, wenn der Eilantrag, mit dem die Aussetzung des Vollzugs des durch Nichtigkeitsklage angefochtenen Beschlusses begehrt wird, den Antragstellerinnen im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 17. Oktober 2005, First Data u. a./Kommission, T‑28/02, Slg. 2005, II‑4119, Randnr. 34, und Urteil des Gerichts vom 28. September 2004, MCI/Kommission, T‑310/00, Slg. 2004, II‑3253, Randnr. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

15      Im vorliegenden Fall sind die in dem angefochtenen Beschluss festgelegten Produkt-Benchmarks für Eisenerzsinter und Heißmetall eine unabdingbare Voraussetzung für die kostenlose Zuteilung neuer Emissionszertifikate an die Antragstellerinnen. Würde dem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs dieses Beschlusses stattgegeben, hätte dies somit unmittelbar zur Folge, dass die kostenlose Zuteilung dieser Zertifikate bis auf Weiteres gehemmt wäre. Der angefochtene Beschluss mit den darin festgelegten streitigen Produkt-Benchmarks stellt sich daher – unabhängig davon, ob diese Benchmarks als ausreichend anzusehen sind – gegenüber dem durch eine Aussetzung seines Vollzugs bewirkten Zustand (gänzliches Fehlen von Produkt-Benchmarks) objektiv als die günstigere Maßnahme dar. Die Antragstellerinnen wären folglich bei einer Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Beschlusses schlechter gestellt als bei dessen Fortbestehen. Es fehlt ihnen also am Rechtsschutzinteresse für ihren Eilantrag, da dieser ihnen im Ergebnis keinen Vorteil verschaffen kann.

16      Das Begehren der Antragstellerinnen, über die Festsetzung höherer Produkt-Benchmarks eine größere Zahl an kostenlosen Emissionszertifikaten zu erhalten, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Wie aus Art. 104 § 1 der Verfahrensordnung hervorgeht, muss ein enger Zusammenhang zwischen der beantragten einstweiligen Anordnung und dem Gegenstand der diesem Antrag zugrunde liegenden Klage bestehen, zumal das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich die volle Wirksamkeit der künftigen Entscheidung in der Hauptsache sicherstellen soll (in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. Mai 1996, Deutschland/Kommission, C‑399/95 R, Slg. 1996, I‑2441, Randnr. 46, und Beschluss Aden u. a./Rat und Kommission, Randnrn. 44 und 45). Die von den Antragstellerinnen erhobene Nichtigkeitsklage kann jedoch unmittelbar nur zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen, nicht aber zum Erlass eines höhere Benchmarks festsetzenden Urteils. Eine Gestaltungsklage, wie sie in dem Begehren der Antragstellerinnen letztlich zum Ausdruck kommt, ist dem System des unionsrechtlichen Rechtsschutzes unbekannt.

17      Der vorliegende Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist somit mangels Rechtsschutzinteresses für unzulässig zu erklären, ohne dass die von der Kommission vorgebrachten weiteren Unzulässigkeitsgründe geprüft zu werden brauchen.

18      Es fehlt zudem aber auch an der Dringlichkeit der beantragten Eilentscheidung.

19      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich die Dringlichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach ständiger Rechtsprechung danach beurteilt, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller selbst ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht. Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden persönlich zu erleiden (vgl. Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 15. November 2001, Duales System Deutschland/Kommission, T‑151/01 R, Slg. 2001, II‑3295, Randnr. 187 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 4. Dezember 2007, Cheminova u. a./Kommission, T‑326/07 R, Slg. 2007, II‑4877, Randnrn. 50 und 51; Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 24. März 2009, Cheminova u. a./Kommission, C‑60/08 P[R], nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35).

20      In Anbetracht dieser Rechtsprechung ist das Vorbringen der Antragstellerinnen, die beantragte einstweilige Anordnung sei deshalb dringlich, weil ein sofortiger Vollzug des angefochtenen Beschlusses für „die übrigen Teilnehmer“ am europäischen Emissionshandel und für „das reibungslose Funktionieren des Emissionshandelssystems“ gravierende Folgen hätte, von vornherein als irrelevant zurückzuweisen. Die Dringlichkeit der begehrten Eilmaßnahme ist nämlich nur gegeben, wenn die Antragstellerinnen rechtlich hinreichend dartun, dass sie bei Versagung des begehrten vorläufigen Rechtsschutzes selbst und persönlich einen schweren und irreparablen Schaden erleiden würden. Die Frage eines derartigen Schadens ist also allein in Bezug auf die Antragstellerinnen, und zwar jede Antragstellerin als Einzelunternehmen, von Bedeutung.

21      Soweit die Antragstellerinnen für den Fall einer späteren Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses und einer anschließenden Korrektur der Benchmarks für Eisenerzsinter und Heißmetall eine massive Gefährdung der Stabilität des Emissionshandelssystems sowie schwere Schäden für das „CO2-Preissignal“ befürchten, da die Richtlinie keine Regelung zur Neuzuteilung der Zertifikate in einem solchen Fall enthalte, genügt der Hinweis, dass im Rahmen der Dringlichkeitsprüfung nur der Schaden berücksichtigt werden kann, der sich aus dem angegriffenen Akt selbst ergibt. Hingegen muss der aus dessen etwaiger Nichtigerklärung resultierende Schaden außer Betracht bleiben, da er keine unmittelbare Folge dieses Aktes ist, sondern auf dessen Anfechtung durch den Antragsteller und der entsprechenden gerichtlichen Sachentscheidung beruht. Insofern haben die Antragstellerinnen die von ihnen beklagte „Unsicherheit über das Schicksal“ der kostenlosen Zuteilungen von Zertifikaten durch ihre Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses selbst provoziert (in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 9. November 2007, Polen/Kommission, T‑183/07 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 53).

22      Im Übrigen muss der Eintritt des behaupteten Schadens sicher sein oder zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt werden, wobei es dem Antragsteller obliegt, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen Schadens begründen sollen. Der Antragsteller hat insoweit konkrete und spezifische Informationen zu liefern, die durch die Vorlage detaillierter Urkundenbeweise gestützt werden müssen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1999, HFB u. a./Kommission, C‑335/99 P[R], Slg. 1999, I‑8705, Randnr. 67, und des Präsidenten des Gerichts vom 29. Oktober 2009, Novácke chemické závody/Kommission, T‑352/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Schließlich wird nach gefestigter Rechtsprechung ein rein finanzieller Schaden grundsätzlich nur dann als schwer und irreparabel angesehen, wenn er bei Obsiegen des Antragstellers im Verfahren zur Hauptsache nicht vollständig ersetzt werden könnte. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der geltend gemachte Schaden die Existenz des Antragstellers bedroht oder wenn sich der Schaden selbst bei seinem Eintritt nicht beziffern lässt (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 21. März 1997, Antillean Rice Mills/Rat, T‑41/97 R, Slg. 1997, II‑447, Randnr. 47, sowie vom 3. Dezember 2002, Neue Erba Lautex/Kommission, T‑181/02, Slg. 2002, II‑5081, Randnr. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Im vorliegenden Fall machen die Antragstellerinnen geltend, die Vollzugsaussetzung sei notwendig, weil ihnen andernfalls ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entstünde. Die zu niedrig festgelegten Benchmarks für Eisenerzsinter und Heißmetall hätten nämlich zur Folge, dass sie erheblich weniger kostenlose Emissionszertifikate als bei einer rechtmäßigen Umsetzung der Rechtlinie erhielten. Nach Auffassung der Antragstellerinnen hätte die Kommission die vom europäischen Branchenverband Eurofer ermittelten Produkt-Benchmarks – 0,191 Zertifikate pro Tonne für Eisenerzsinter und 1,475 Zertifikate pro Tonne für Heißmetall – zugrunde legen müssen. Hieraus ergebe sich eine deutlich größere Zahl zuzuteilender kostenloser Zertifikate.

25      Die Antragstellerinnen gehen insoweit nach eigenen Berechnungen davon aus, dass ihnen insgesamt für den Handelszeitraum 2013 – 2020 kostenlose Zertifikate in einem Umfang von ca. 38,5 Mio. Stück mit einem wirtschaftlichen Wert von aktuell rund 462 Mio. Euro vorenthalten würden. Dadurch entstehe ihnen ein schwerer Schaden. Dieser Schaden sei auch irreparabel, da sie keine realistische Möglichkeit hätten, ihn durch einen Haftungsanspruch nach Art. 340 Abs. 2 AEUV zu kompensieren. Nach der Rechtsprechung komme nämlich bei dem hier gegebenen normativen Unrecht eine Haftung der Union nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht. Unter Berücksichtigung des summarischen Charakters des vorliegenden Verfahrens könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese Voraussetzungen erfüllt seien.

26      Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Antragstellerinnen den befürchteten Schaden beziffert haben. Letzterer ist also rein finanzieller Natur. Die Antragstellerinnen haben nicht dargetan, dass dieser Schaden irreparabel wäre. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, weshalb es ihnen unmöglich sein sollte, ihn zu gegebener Zeit im Rahmen einer Schadensersatzklage gemäß Art. 268 AEUV und Art. 340 AEUV geltend zu machen. Dass die Erfolgsaussichten einer solchen Klage ungewiss sind, spielt dabei keine Rolle, da die Irreparabilität eines finanziellen Schadens nach der Rechtsprechung grundsätzlich bereits dann ausgeschlossen ist, wenn die bloße Möglichkeit besteht, eine Schadensersatzklage zu erheben (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2001, Kommission/Euroalliages u. a. C‑404/01 P[R], Slg. 2001, I‑10367, Randnrn. 70 bis 75, und des Gerichts vom 24. April 2009, Nycomed Danmark/EMEA, T‑52/09 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 72 und 73). Insoweit ist daher keine Dringlichkeit dargetan.

27      Außerdem könnte der in Rede stehende Schaden den Erlass der beantragten Eilmaßnahme nur dann rechtfertigen, wenn er als schwer zu bezeichnen wäre. Die Antragstellerinnen haben jedoch keinerlei konkrete Angaben zur aktuellen finanziellen Lage jedes einzelnen Unternehmens gemacht und sich insbesondere nicht zu einer etwaigen Existenzbedrohung geäußert. Sie haben ebenso wenig dargetan, wie sich der für den Handelszeitraum 2013 – 2020 geltend gemachte Gesamtschaden pro Wirtschaftsjahr auf jede Antragstellerin als Einzelunternehmen verteilt (siehe oben, Randnrn. 19 und 20). Deshalb ist es dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Richter unmöglich, die etwaige Schwere dieses Schadens zu beurteilen. Auch insoweit ist daher keine Dringlichkeit anzunehmen.

28      Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist somit auch mangels Dringlichkeit zurückzuweisen, ohne dass das Vorbringen zum Fumus boni iuris geprüft oder eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Verfahrensbeteiligten vorgenommen zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Dezember 1999, DSR-Senator Lines/Kommission, C‑364/99 P[R], Slg. 1999, I‑8733, Randnr. 61).

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.     Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2.     Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 15. September 2011.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       M. Jaeger


* Verfahrenssprache: Deutsch.