Language of document : ECLI:EU:T:2008:29

Rechtssache T-289/03

British United Provident Association Ltd (BUPA) u. a.

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Staatliche Beihilfen – Von Irland für den Markt der privaten Krankenversicherung geschaffenes Risikoausgleichssystem – Beihilferegelung – Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – Art. 86 Abs. 2 EG – Entscheidung der Kommission, keine Einwände zu erheben – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit“

Leitsätze des Urteils

1.      Vorabentscheidungsverfahren – Auslegung – Zeitliche Wirkung der Auslegungsurteile

(Art. 86 Abs. 2 EG, 87 Abs. 1 EG, 231 EG und 234 EG)

2.      Wettbewerb – Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind – Definition der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – Ermessen der Mitgliedstaaten

(Art. 5 EG, 16 EG, 86 Abs. 2 EG und 87 Abs. 1 EG; Mitteilung 2001/C 17/04 der Kommission, Randnr. 22)

3.      Wettbewerb – Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind – Definition der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – Auslegung des Kriteriums des allgemeinen Interesses

(Art. 86 Abs. 1 und 2 EG und 87 Abs. 1 EG; Mitteilung 2001/C 17/04 der Kommission, Randnrn. 14 und 15)

4.      Wettbewerb – Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind – Definition der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – Universaler und obligatorischer Charakter

(Art. 86 Abs. 2 EG und 87 Abs. 1 EG; Mitteilung 2001/C 17/04 der Kommission, Randnrn. 14 und 15)

5.      Wettbewerb – Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind – Ausgleich der durch den Versorgungsauftrag entstandenen Kosten – Ermessen der Mitgliedstaaten

(Art. 86 Abs. 2 EG und 87 Abs. 1 EG)

6.      Wettbewerb – Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind – Ausgleich der durch den Versorgungsauftrag entstandenen Kosten

(Art. 86 Abs. 2 EG und 87 Abs. 1 EG)

7.      Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission gemäß Art. 87 EG in Verbindung mit Art. 86 Abs. 2 EG

(Art. 86 Abs. 2 EG und 87 Abs. 1 EG)

8.      Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Beihilferegelung, die eine Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sicherstellen soll

(Art. 86 Abs. 2 EG und 87 Abs. 1 EG)

9.      Nichtigkeitsklage – Gründe – Gründe, die gegen eine Entscheidung der Kommission auf dem Gebiet staatlicher Beihilfen angeführt werden können

(Art. 86 EG, 87 EG, 88 EG, 226 EG und 230 EG)

10.    Staatliche Beihilfen – Prüfung durch die Kommission – Vorprüfungsphase und kontradiktorische Phase

(Art. 88 Abs. 2 und 3 EG; Verordnung Nr. 659/1999 des Rates, Art. 4 Abs. 4 und 13 Abs. 1)

1.      Die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof im Rahmen einer Vorlagefrage beschränkt sich darauf, zu erläutern und zu verdeutlichen, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite sie seit ihrem Inkrafttreten hätte verstanden und angewandt werden müssen. Daraus folgt, dass die Vorschrift in dieser Auslegung selbst auf Rechtsverhältnisse angewandt werden kann und muss, die vor dem betreffenden Urteil entstanden oder begründet worden sind. Nur ausnahmsweise kann sich der Gerichtshof aufgrund des der Gemeinschaftsrechtsordnung innewohnenden allgemeinen Grundsatzes der Rechtssicherheit dazu veranlasst sehen, für alle Betroffenen die Möglichkeit einzuschränken, sich auf eine von ihm vorgenommene Auslegung einer Vorschrift zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen. Eine derartige Einschränkung kann nur in dem Urteil selbst, mit dem über die begehrte Auslegung entschieden wird, zugelassen werden. Diese Erwägungen einer Rechtsprechung, die insbesondere die Pflicht des nationalen Gerichts zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts betrifft, gelten sinngemäß für die Gemeinschaftsorgane, wenn diese ihrerseits Vorschriften des Gemeinschaftsrechts anwenden sollen, die später vom Gerichtshof ausgelegt werden.

Da der Gerichtshof die Tragweite seines Urteils vom 24. Juli 2003, Altmark (C‑280/00), zeitlich nicht begrenzt hat, sind folglich die sich daraus ergebenden Auslegungskriterien von Art. 87 Abs. 1 EG, deren Bedeutung sich weitgehend mit der der Kriterien des Art. 86 Abs. 2 EG deckt, in vollem Umfang gemäß dem Sinn und Zweck, der ihre Formulierung bestimmt hat, und den Besonderheiten des konkreten Falles angepasst anzuwenden, wenn über die Gültigkeit einer Entscheidung der Kommission zu befinden ist, die vor der Verkündung des genannten Urteils ergangen ist und mit der die Einstufung einer staatlichen Maßnahme, die für den Schutz einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erforderlich ist, als staatliche Beihilfe ausgeschlossen wurde.

(vgl. Randnrn. 158-160)

2.      Die Mitgliedstaaten verfügen über ein weites Ermessen bei der Definition dessen, was sie als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erachten. Diese Befugnis wird sowohl durch das Fehlen einer der Gemeinschaft speziell zugewiesenen Befugnis als auch durch das Fehlen einer präzisen und vollständigen Definition des Begriffs der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Gemeinschaftsrecht bestätigt. Denn die Bestimmung der Art und des Umfangs einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse für bestimmte Tätigkeitsbereiche, die entweder nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft im Sinne von Art. 5 Abs. 1 EG fallen oder auf einer lediglich begrenzten oder geteilten Gemeinschaftszuständigkeit im Sinne von Art. 5 Abs. 2 EG beruhen, gehört grundsätzlich weiterhin zu den Aufgaben der Mitgliedstaaten. Diese Kompetenzverteilung spiegelt außerdem allgemein der Art. 16 EG wider, wonach die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten in Anbetracht des Stellenwerts, den Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse innerhalb der gemeinsamen Werte der Union einnehmen, sowie deren Bedeutung bei der Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse im Anwendungsbereich dieses Vertrags dafür Sorge tragen, dass die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet sind, dass sie ihren Aufgaben nachkommen können. Die mitgliedstaatliche Befugnis, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu definieren, ist jedoch nicht unbegrenzt und kann nicht willkürlich mit dem alleinigen Ziel ausgeübt werden, einen bestimmten Sektor der Anwendung der Wettbewerbsregeln zu entziehen.

Folglich ist die Kontrolle, zu der die Gemeinschaftsorgane in Bezug auf die Ausübung des mitgliedstaatlichen Ermessens bei der Bestimmung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse befugt sind, auf die Suche nach einem offenkundigen Beurteilungsfehler beschränkt.

Selbst wenn ein Mitgliedstaat über ein weites Ermessen bei der Bestimmung dessen verfügt, was er als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ansieht, ist er, wenn er sich auf das Vorliegen und die Erforderlichkeit des Schutzes einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse beruft, nicht davon befreit, dafür Sorge zu tragen, dass diese Aufgabe bestimmten Mindestkriterien genügt, die für alle Aufgaben von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Vertrags gelten, und zu beweisen, dass diese Kriterien im jeweiligen Fall auch erfüllt sind. Dazu gehören insbesondere das Vorliegen eines Hoheitsakts, der den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern eine derartige Aufgabe überträgt, und der universale und obligatorische Charakter der Aufgabe. Umgekehrt kann, wenn der Mitgliedstaat den Beweis nicht erbracht hat, dass diese Kriterien erfüllt sind, oder wenn er sie nicht beachtet hat, dies einen offenkundigen Beurteilungsfehler begründen, den die Kommission beanstanden muss, um nicht selbst einen offenkundigen Fehler zu begehen. Außerdem muss der Mitgliedstaat angeben, weshalb er der Auffassung ist, dass die fragliche Dienstleistung es aufgrund ihres besonderen Charakters verdient, als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse eingestuft und von anderen wirtschaftlichen Aktivitäten unterschieden zu werden. Ohne eine derartige Begründung wäre nämlich eine – selbst beiläufige – Kontrolle der Gemeinschaftsorgane, ob dem Mitgliedstaat bei der Ausübung seines Ermessens ein offenkundiger Fehler unterlaufen ist, nicht möglich.

(vgl. Randnrn. 166-169, 172)

3.      Die Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse muss definitionsgemäß einem allgemeinen oder öffentlichen Interesse dienen. Hierin unterscheiden sich die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse insbesondere von den Dienstleistungen, die einem privaten Interesse dienen, auch wenn Letzteres mehr oder weniger kollektiv oder vom Staat als legitim oder wohltätig anerkannt sein kann. Außerdem darf das allgemeine oder öffentliche Interesse sich nicht in der Notwendigkeit erschöpfen, den betreffenden Markt bestimmten Regeln oder die Geschäftstätigkeit der betreffenden Wirtschaftsteilnehmer einem staatlichen Erlaubnisvorbehalt zu unterwerfen. Die Tatsache allein, dass der nationale Gesetzgeber in einem weit verstandenen allgemeinen Interesse sämtlichen Wirtschaftsteilnehmern eines Sektors bestimmte Erlaubnis-, Funktions- oder Überwachungsregeln auferlegt, stellt nämlich grundsätzlich keine Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse dar.

Dagegen ist es für die Anerkennung einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht zwingend erforderlich, dass dem mit dieser Aufgabe betrauten Wirtschaftsteilnehmer ein ausschließliches oder besonderes Recht zu ihrer Erfüllung verliehen wird. Aus Art. 86 Abs. 1 EG in Verbindung mit dessen Abs. 2 ergibt sich, dass zwischen einem besonderen oder ausschließlichen Recht, das einem Wirtschaftsteilnehmer eingeräumt worden ist, und der gegebenenfalls mit diesem Recht verbundenen Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu unterscheiden ist. Die Übertragung eines besonderen oder ausschließlichen Rechts auf einen Wirtschaftsteilnehmer ist nur das – möglicherweise gerechtfertigte – Mittel, das es ihm erlaubt, eine Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu erfüllen. Daher ist die auf die Randnrn. 14 und 15 der Mitteilung der Kommission zu den Leistungen der Daseinsvorsorge gestützte Feststellung, dass die Übertragung einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse auch in einer Verpflichtung bestehen kann, die einer Vielzahl, ja sogar der Gesamtheit der auf demselben Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer auferlegt ist, nicht fehlerhaft. In diesem Fall kann nicht verlangt werden, dass die genannte Aufgabe jedem der dieser Verpflichtung unterliegenden Wirtschaftsteilnehmer einzeln durch Rechtsakt oder individuellen Auftrag übertragen wird.

(vgl. Randnrn. 178-179, 183)

4.      Hinsichtlich der Einstufung einer Dienstleistung als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ergibt sich aus dem Gemeinschaftsrecht nicht, dass die betreffende Dienstleistung ein Universaldienst im strengen Sinne sein muss. Der Begriff des Universaldienstes im Sinne des Gemeinschaftsrechts bedeutet nämlich nicht, dass der betreffende Dienst ein der Gesamtheit der Bevölkerung gemeinsames Bedürfnis befriedigen oder im gesamten Hoheitsgebiet erbracht werden muss. Obwohl diese Merkmale dem klassischen und in den Mitgliedstaaten am weitesten verbreiteten Typus der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse entsprechen, schließt dies andere, ebenfalls zulässige Arten von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht aus, die die Mitgliedstaaten in Ausübung ihres Ermessens rechtswirksam festlegen können. Deshalb stellt der Umstand, dass die in Rede stehenden Verpflichtungen zur Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nur einen beschränkten räumlichen oder sachlichen Anwendungsbereich haben oder dass die betreffenden Dienstleistungen nur einer relativ begrenzten Gruppe von Nutzern zugutekommen, nicht notwendig den universalen Charakter einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Gemeinschaftsrechts in Frage. Das Universalitätskriterium erfordert überdies nicht, dass die betreffende Dienstleistung unentgeltlich ist oder unter Außerachtlassung der wirtschaftlichen Rentabilität angeboten wird, und auch die Tatsache, dass der Preis der erbrachten Leistung weder reglementiert noch nach oben begrenzt ist, beeinträchtigt nicht deren universalen Charakter. Die Tatsache, dass bestimmte potenzielle Nutzer nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen, um die Dienstleistung in Anspruch nehmen zu können, beeinträchtigt nämlich nicht ihren universalen Charakter, sofern die betreffende Dienstleistung zu nicht diskriminierenden Einheitstarifen und zu für alle Kunden vergleichbaren Qualitätsbedingungen angeboten wird.

Der obligatorische Charakter der betreffenden Dienstleistung ist eine wesentliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Gemeinschaftsrechts. Dieser obligatorische Charakter ist so zu verstehen, dass die durch einen Hoheitsakt mit einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrauten Wirtschaftsteilnehmer grundsätzlich verpflichtet sind, die betreffende Dienstleistung unter Berücksichtigung der für ihre Erbringung geltenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auf dem Markt anzubieten. Aus der Sicht des mit einer solchen Aufgabe betrauten Wirtschaftsteilnehmers kann dieser obligatorische Charakter – der an sich der geschäftlichen Entscheidungsfreiheit und dem Grundsatz des freien Wettbewerbs zuwiderläuft – u. a., insbesondere im Fall der Gewährung eines ausschließlichen oder besonderen Rechts, in der Verpflichtung bestehen, eine bestimmte geschäftliche Tätigkeit unabhängig von den Kosten auszuüben, die mit ihr verbunden sind. In einem derartigen Fall ist diese Verpflichtung das Gegenstück zum Schutz der Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und der Marktposition, die durch den Rechtsakt zur Übertragung dieser Aufgabe damit verbunden ist. Wird kein ausschließliches oder besonderes Recht gewährt, kann der obligatorische Charakter einer derartigen Aufgabe in der durch Hoheitsakt vorgesehenen Verpflichtung des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers bestehen, bestimmte Dienstleistungen jedem Bürger anzubieten, der darum nachsucht.

Jedoch setzt der obligatorische Charakter einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht voraus, dass die öffentlichen Stellen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmer zur Erbringung einer Dienstleistung mit klar vorgegebenem Inhalt verpflichten. Der obligatorische Charakter dieser Aufgabe schließt nämlich nicht aus, dass dem Wirtschaftsteilnehmer auf dem Markt ein gewisser Spielraum belassen wird, auch hinsichtlich des Inhalts und der Höhe des Preises für die Dienstleistungen, die er zu erbringen gedenkt. Unter diesen Voraussetzungen wird den Wirtschaftsteilnehmern ein Minimum an Handlungsfreiheit und somit auch ein Minimum an Wettbewerb hinsichtlich Qualität und Inhalt der betreffenden Leistungen garantiert, was im Gemeinschaftsinteresse den Umfang der Wettbewerbsbeschränkung, die sich im Allgemeinen aus der Übertragung einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ergibt, begrenzen kann, ohne dass dies die Ziele dieser Aufgabe beeinträchtigt.

Ist kein ausschließliches oder besonderes Recht gewährt worden, so ist eine Dienstleistung folglich schon als obligatorisch anzusehen, wenn der mit einer derartigen Aufgabe betraute Wirtschaftsteilnehmer zur Erbringung dieser Dienstleistung gegenüber jedem Nutzer verpflichtet ist, der darum nachsucht. Anders ausgedrückt: Der obligatorische Charakter einer Dienstleistung und somit das Vorliegen einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind nachgewiesen, wenn der Dienstleistende einem Kontrahierungszwang zu gleichbleibenden Bedingungen unterliegt, ohne den anderen Vertragspartner zurückweisen zu können. Letzteres Element erlaubt es, die zu einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse gehörende Dienstleistung von jeder anderen auf dem Markt erbrachten Dienstleistung und somit von jeder anderen völlig frei ausgeübten Tätigkeit zu unterscheiden.

(vgl. Randnrn. 186-190, 202-203)

5.      Die Parameter, anhand deren der Ausgleich für eine Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse berechnet wird, sind vorab objektiv und transparent aufzustellen. Jedoch verbietet diese Voraussetzung dem nationalen Gesetzgeber nicht, den nationalen Stellen einen bestimmten Beurteilungsspielraum zu belassen. Im Gegenteil: Der Mitgliedstaat verfügt nicht nur bei der Definition einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse über einen weiten Beurteilungsspielraum, sondern auch bei der Bestimmung des Ausgleichs der Kosten, der von einer Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Tatsachen abhängt. Gerade weil die Bestimmung des Ausgleichs nur einer beschränkten Kontrolle der Gemeinschaftsorgane zugänglich ist, müssen die Organe gemäß dieser Voraussetzung im Übrigen in der Lage sein, das Vorhandensein objektiver und transparenter Parameter zu überprüfen, die so genau gefasst sein müssen, dass jeder missbräuchliche Rückgriff des Mitgliedstaats auf den Begriff der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ausgeschlossen ist. Die Komplexität der wirtschaftlichen und mathematischen Formeln für die durchzuführenden Berechnungen beeinträchtigt hierbei an sich nicht die Genauigkeit und die Klarheit der einschlägigen Parameter.

Die sowohl von der Kommission als auch vom Gericht auszuübende Kontrolle hinsichtlich der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Ausgleichs für eine Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ist notwendigerweise begrenzt. Zum einen ist wegen des Ermessens, über das der Mitgliedstaat bei der Definition einer solchen Aufgabe und der Festlegung der Bedingungen für ihre Durchführung einschließlich der Beurteilung der bei der von komplexen wirtschaftlichen Tatsachen abhängigen Ausführung der Aufgabe anfallenden Mehrkosten verfügt, die Kontrolle, zu der die Kommission ermächtigt ist, auf offenkundige Fehler beschränkt. Zum anderen folgt daraus, dass das Gericht die diesbezügliche Beurteilung der Kommission auch nur bis zu dieser Grenze überprüfen kann und daher nur untersuchen darf, ob die Kommission das Vorliegen eines offenkundigen Fehlers des Mitgliedstaats zu Recht bejaht oder verneint hat.

Außerdem gehört zu dieser Kontrolle die Feststellung des Gemeinschaftsrichters, ob die Beweismittel, die die Klägerin vorgelegt hat, ausreichen, um die Plausibilität der in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Beurteilungen komplexer wirtschaftlicher Tatsachen in Frage zu stellen. Vorbehaltlich dieser Plausibilitätsprüfung kann das Gericht seine Würdigung der maßgeblichen komplexen wirtschaftlichen Tatsachen nicht an die Stelle der Würdigung des Urhebers der Entscheidung setzen. In einem solchen Fall erstreckt sich die Kontrolle des Gerichts darauf, ob die Kommission die Verfahrens- und Begründungsvorschriften beachtet hat, ob die festgestellten Tatsachen inhaltlich richtig sind und ob kein Rechtsfehler, offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt.

Was speziell die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit des Ausgleichs für die Erfüllung einer durch einen Akt von allgemeiner Geltung festgelegten Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse angeht, so ist diese Kontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob dieser Ausgleich für die Erfüllung der betreffenden Aufgabe unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen erforderlich ist oder ob umgekehrt die fragliche Maßnahme in Bezug auf den verfolgten Zweck offenkundig ungeeignet ist.

(vgl. Randnrn. 209, 214, 217, 220-222)

6.      Im Rahmen der zwangsläufig beschränkten Kontrolle der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit des Ausgleichs für eine Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse durch die Kommission und das Gericht lässt sich weder die Zulässigkeit der verfolgten Ziele noch die Rechtmäßigkeit der Bestimmungen beanstanden, die das Funktionieren eines Risikoausgleichssystems für den Markt der privaten Krankenversicherung in einem Mitgliedstaat regeln, in dem die Versicherer als Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse Verpflichtungen in Bezug auf Einheitsprämien, offene Mitgliedschaft, lebenslangen Versicherungsschutz und Mindestleistungen für jeden Versicherten unabhängig von seinem Alter, Geschlecht oder Gesundheitszustand zu beachten haben und das im Wesentlichen zum einen vorsieht, dass die Versicherer, die ein günstigeres als das durchschnittliche Risikoprofil des Marktes aufweisen, eine Abgabe zu zahlen haben, und zum anderen, dass an diejenigen Versicherer, die ein schlechteres als das durchschnittliche Risikoprofil des Marktes aufweisen, ein Ausgleich zu leisten ist. Denn obwohl ein solcher Ausgleich nicht darauf abzielt, eventuelle Kosten oder Mehrkosten auszugleichen, die mit der Erbringung bestimmter Leistungen verbunden sind, sondern lediglich zusätzliche Kosten ausgleichen soll, die als Folge einer negativen Abweichung des Risikoprofils vom durchschnittlichen Risikoprofil angesehen werden, stellen diese Kosten Mehrkosten dar, die der Versicherer auf einem Markt mit offener Mitgliedschaft und Einheitsprämien aufgrund seiner Verpflichtung zu tragen hat, Personen mit hohem Risiko aufzunehmen, ohne die Prämien in Abhängigkeit vom versicherten Risiko festsetzen zu können.

Ein solches System funktioniert grundlegend anders als das Ausgleichssystem, das Gegenstand des Urteils vom 24. Juli 2003, Altmark (C‑280/00), war; es kann daher die dritte in diesem Urteil genannte Voraussetzung nicht exakt erfüllen, der zufolge die in Ausführung der Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse verursachten Kosten bestimmbar sein müssen. Die Bestimmung der Höhe der Mehrkosten, die den durch diesen Ausgleich begünstigten Versicherern entstehen, durch einen Vergleich zwischen ihrem tatsächlichen Risikoprofil und dem durchschnittlichen Risikoprofil des Marktes unter Berücksichtigung der von sämtlichen Versicherern geleisteten Erstattungsbeträge entspricht gleichwohl dem Sinn und Zweck der genannten Voraussetzung, soweit die Berechnung des Ausgleichs auf objektiven, konkreten, klar bestimmbaren und überprüfbaren Elementen beruht. Da ein solcher Ausgleich nicht darauf abzielt, die mit der Erfüllung einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse unmittelbar verbundenen Kosten auszugleichen – worum es aber in der dritten im Urteil Altmark genannten Voraussetzung gerade geht –, ist es auch nicht erforderlich, die durch diese Dienstleistungen erzielten Einnahmen zu berücksichtigen, um die eventuellen konkreten Mehrkosten dieser Leistung zu ermitteln, denn eine exakte Anwendung der angegebenen Voraussetzung, die sich auf eine andere Form des Ausgleichs bezieht, würde nicht der besonderen Funktionsweise des fraglichen Risikoausgleichssystems Rechnung tragen. Weder Sinn noch Zweck dieser Voraussetzung erfordert nämlich eine Berücksichtigung der Einnahmen im Rahmen eines von den Einnahmen losgelösten Ausgleichssystems.

In Anbetracht der Neutralität des fraglichen Ausgleichssystems gegenüber Einnahmen und Gewinnen der Versicherer und der Besonderheit der sich aus einem negativen Risikoprofil der genannten Versicherer ergebenden Mehrkosten lässt sich schließlich auch die vierte im Urteil Altmark genannte Voraussetzung, soweit sie, wenn es an der Vergabe einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse an ein Unternehmen im Wege einer öffentlichen Ausschreibung fehlt, einen Vergleich der Kosten und Einnahmen verlangt, die unmittelbar mit der Erbringung der Dienstleistung verbunden sind, nicht exakt anwenden; trotzdem muss sich die Kommission Gewissheit darüber verschaffen, dass der vorgesehene Ausgleich nicht die Möglichkeit einer Entschädigung für Kosten einschließt, die durch fehlende Effizienz der Versicherer verursacht sein könnten.

(vgl. Randnrn. 229, 235-238, 241, 246, 249)

7.      Weder aus den einschlägigen Rechtsvorschriften noch aus der Rechtsprechung geht hervor, dass bei der Abfassung des verfügenden Teils der Entscheidungen, die gemäß Art. 87 EG in Verbindung mit Art. 86 Abs. 2 EG ergehen, unbedingt genaue Vorgaben einzuhalten wären. Außerdem ist bei der Beurteilung der tatsächlichen rechtlichen Tragweite eines Rechtsakts, dessen verfügender Teil von seiner Begründung nicht getrennt werden kann, dieser Rechtsakt, sofern erforderlich, unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen, die zu seinem Erlass geführt haben. Daher liegt, obgleich es im Interesse der Klarheit und der Rechtssicherheit wünschenswert erscheint, dass die Kommission im verfügenden Teil des Rechtsakts ausdrücklich die Bestimmungen des Vertrags nennt, die sie anwendet, in der unterbliebenen Erwähnung kein Rechtsfehler, sofern bei einer Zusammenschau der Gründe und des verfügenden Teils des Rechtsakts diese Bestimmungen genau ermittelt werden können.

(vgl. Randnr. 260)

8.      Bei einer allgemeinen Beihilferegelung, d. h. einem System, das auf einer Gesamtheit von Bestimmungen allgemeiner Geltung beruht, deren Umsetzung zwar bis zu einem bestimmten Grad durch objektive und transparente Kriterien vorbestimmt, aber nicht in allen Einzelheiten vorhersehbar ist, und das den Schutz einer Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse gewährleisten soll, ist die Kontrolle, die die Kommission auf der Grundlage von Art. 87 EG in Verbindung mit Art. 86 Abs. 2 und 3 EG auszuüben hat, und insbesondere die Kontrolle der Erforderlichkeit des notifizierten Systems notwendigerweise auf die Überprüfung der Frage beschränkt, ob das genannte System zum einen auf offenkundig unzutreffenden wirtschaftlichen und tatsächlichen Prämissen beruht und ob es zum anderen zur Erreichung der verfolgten Ziele offenkundig ungeeignet ist.

In diesem Zusammenhang muss das Gericht insbesondere prüfen, ob die insoweit von der Kommission vorgenommene Beurteilung hinlänglich plausibel ist, um die Erforderlichkeit des fraglichen Systems zu belegen. Im Rahmen dieser Kontrolle ist zum einen zu prüfen, ob die Fehlfunktionen des Marktes, die der Mitgliedstaat geltend macht, um die Festlegung und den Schutz der betreffenden Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu rechtfertigen, triftig genug waren, und zum anderen ist zu beurteilen, ob die Kommission vernünftigerweise davon ausgehen konnte, dass ein solches System seiner Natur nach erforderlich und angemessen ist, um die geltend gemachten Probleme zu lösen. Sodann ist es Sache des Gerichts, zu überprüfen, ob im konkreten Fall angesichts der aktuellen Bedingungen und der wahrscheinlichen Entwicklung des fraglichen Marktes, wie sie sich im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung anhand sämtlicher Informationen, über die die Kommission verfügte oder bei vernünftiger Betrachtung hätte verfügen müssen, darstellten, die Beurteilung der Kommission in diesen beiden Punkten begründet war.

Was insbesondere den Umfang der Kontrolle der Kommission angeht, so kann diese nicht an die Stelle des Mitgliedstaats treten, wenn es um die Ausübung des ihm zustehenden weiten Ermessens geht. So ist die Kommission bei der Kontrolle der Erforderlichkeit nicht befugt, auf der Grundlage der verfügbaren Angaben zu prüfen, ob sich der Markt tatsächlich auf eine gewisse Weise entwickeln kann und ob die Anwendung der Regulierungsinstrumente, die das notifizierte System vorsieht, deshalb zu einem bestimmten Zeitpunkt unerlässlich sein wird, um die Erfüllung der betreffenden Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu gewährleisten. Denn die Kontrolle der Erforderlichkeit verlangt nicht, dass die Kommission zu der Überzeugung gelangt, dass der Mitgliedstaat im Hinblick auf die aktuellen oder zukünftigen Marktbedingungen nicht auf die notifizierten Maßnahmen verzichten kann, sondern beschränkt sich auf die Suche nach einem offenkundigen Fehler des Mitgliedstaats bei der Ausübung seines weiten Ermessens in Bezug auf die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen erfüllbar ist.

Wenn die von der Kommission ausgeübte Kontrolle beschränkt ist, muss dies schließlich auch im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle berücksichtigt werden, die der Gemeinschaftsrichter in Bezug auf die Beurteilung der Kommission ausübt. Diese Kontrolle des Gerichts muss umso stärker beschränkt sein, wenn die Beurteilung der Kommission sich auf komplexe wirtschaftliche Fakten bezieht. Dies gilt vor allem für die Kontrolle anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, insbesondere, wenn der angefochtene Rechtsakt staatliche Maßnahmen von allgemeiner Geltung betrifft. Eine derartige Kontrolle des Gerichts muss sich nämlich auf die Überprüfung beschränken, ob diese Maßnahmen in Bezug auf das verfolgte Ziel offenkundig ungeeignet sind.

(vgl. Randnrn. 265-269)

9.      Bei einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung der Kommission auf dem Gebiet staatlicher Beihilfen kann der Kläger keine Klagegründe geltend machen, die sich auf einen Verstoß gegen andere Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts als die Art. 87 EG und 88 EG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 86 EG, stützen. Denn einer Verpflichtung der Kommission, in einem Beihilfeverfahren definitiv dazu Stellung zu beziehen, ob gegen diese anderen Bestimmungen verstoßen worden ist oder nicht, stünden zum einen die – teilweise stark divergierenden und mit unterschiedlichen Rechtswirkungen ausgestatteten – Verfahrensvorschriften und ‑garantien, die für die speziell zur Kontrolle der Anwendung dieser Vorschriften vorgesehenen Verfahren gelten, und zum anderen der Grundsatz der Autonomie der Verwaltungsverfahren und Rechtsbehelfe entgegen. Selbst mittels einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung auf dem Gebiet staatlicher Beihilfen kann zudem ein Einzelner angesichts des insoweit bestehenden Ermessens der Kommission nicht dagegen vorgehen, dass kein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 EG eingeleitet worden ist oder dass die Kommission zu einem eventuellen Verstoß eines Mitgliedstaats gegen Bestimmungen des Vertrags nicht Stellung genommen hat.

Hiergegen lässt sich nicht mit Erfolg die Rechtsprechung anführen, der zufolge nach der allgemeinen Systematik des Vertrags das Verfahren des Art. 88 EG niemals zu einem Ergebnis führen darf, das zu den besonderen Vorschriften des Vertrags im Widerspruch steht; denn die Kommission muss die maßgeblichen Vorschriften, die, streng genommen, nicht unter das Beihilferecht fallen, nur prüfen, wenn bestimmte Modalitäten der fraglichen Beihilfe so untrennbar mit deren Gegenstand verbunden sind, dass die etwaige Unvereinbarkeit dieser Modalitäten mit den genannten Vorschriften notwendig auf die Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt durchschlagen würde.

Außerdem erlaubt das der Kommission in Beihilfesachen durch Art. 88 EG eingeräumte Ermessen ihr nicht, die Mitgliedstaaten zu ermächtigen, von anderen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen als denen abzuweichen, die sich auf die Anwendung von Art. 87 Abs. 1 EG beziehen. Daraus folgt zum einen, dass die Kommission in einem Beihilfeverfahren nicht definitiv dazu Stellung nehmen kann, ob andere gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen, deren Kontrolle einem anderen Verfahren unterliegt, eingehalten worden sind, und zum anderen, dass, da die definitive und rechtlich verbindliche Stellungnahme der Kommission auf die Beihilfeaspekte zu beschränken ist, diese im Unterschied zu den Aspekten, die anderen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts unterliegen und nicht die tragenden Gründe des verfügenden Teils der Entscheidung bilden, als einzige geeignet sind, eine Beschwer zu bewirken. Somit kann ein Einzelner erst recht nicht dadurch beschwert sein und daraus seine Klagebefugnis herleiten, dass andere als die beihilferechtlichen Bestimmungen weder im verfügenden Teil noch in den Gründen einer nach den Art. 87 EG und 88 EG und gegebenenfalls Art. 86 Abs. 2 EG erlassenen Entscheidung an irgendeiner Stelle erwähnt werden.

Schließlich wird diese Würdigung auch nicht durch den Wortlaut von Art. 86 Abs. 2 Satz 2 EG erschüttert. Zum einen bedeutet das Kriterium, dass der Handelsverkehr nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden darf, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft, keine Verpflichtung der Kommission, endgültig und vollständig zu überprüfen, ob die angemeldeten staatlichen Maßnahmen gegen andere Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts verstoßen, was zum anderen dem Art. 86 Abs. 2 EG als Ausnahme von den Vorschriften des Vertrags jede praktische Wirksamkeit nähme. Denn diese Ausnahme könnte niemals wirksam werden, wenn ihre Anwendung gleichzeitig sicherstellen müsste, dass die Vorschriften, von denen sie abweichen soll, in vollem Umfang eingehalten werden.

(vgl. Randnrn. 313-316, 318-319)

10.    Das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG ist unerlässlich, wenn die Kommission bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt auf ernsthafte Schwierigkeiten stößt. Die Kommission darf sich also für den Erlass einer positiven Entscheidung über eine staatliche Maßnahme nur dann auf die Vorprüfungsphase des Art. 88 Abs. 3 EG beschränken, wenn sie nach einer ersten Prüfung die Überzeugung gewinnen kann, dass diese Maßnahme entweder keine Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG darstellt oder, falls sie als Beihilfe eingestuft wird, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Gelangt die Kommission dagegen aufgrund dieser ersten Prüfung zur gegenteiligen Überzeugung oder hat sie damit nicht alle Schwierigkeiten ausräumen können, die sich bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der betreffenden Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt ergeben haben, so ist sie verpflichtet, alle erforderlichen Stellungnahmen einzuholen und zu diesem Zweck das Verfahren des Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten.

Diese Verpflichtung zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens gilt insbesondere, wenn die Kommission nach einer ausreichenden Prüfung der streitigen staatlichen Maßnahme auf der Grundlage der vom betroffenen Mitgliedstaat übermittelten Informationen noch Zweifel am Vorliegen von Beihilfeelementen im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG sowie an deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt hat.

(vgl. Randnrn. 329-330)