Language of document : ECLI:EU:C:2015:537

Rechtssache C‑89/14

A2A SpA

gegen

Agenzia delle Entrate

(Vorabentscheidungsersuchen der Corte suprema di cassazione)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Staatliche Beihilfen – Bestimmung der Berechnung von Zinsen bei der Rückforderung von mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen – Einfache Zinsen oder Zinseszinsen – Nationale Gesetzgebung, die für die Zinsberechnung auf die Verordnung (EG) Nr. 794/2004 verweist – Vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung bekannt gegebene Rückforderungsentscheidung“

Leitsätze – Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 3. September 2015

1.        Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe – Zahlung von Zinsen gerechtfertigt durch die Notwendigkeit, die frühere Lage wiederherzustellen –Anwendung von Zinseszinsen – Verordnung Nr. 794/2004 – Zeitlicher Geltungsbereich – Nationale Regelung, die die Anwendung von Zinseszinsen vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 794/2004 vorsieht – Zulässigkeit – Neue, nicht rückwirkende Regelung, die auf künftige Auswirkungen von unter Geltung der früheren Regelung entstandenen Sachverhalten anwendbar ist – Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes – Fehlen

(Art. 108 Abs. 2 AEUV; Verordnung Nr. 659/1999 des Rates, Art. 14; Verordnung Nr. 794/2004 der Kommission, Art. 11 Abs. 2 und Art. 13)

2.        Zur Vorabentscheidung vorgelegte Fragen – Anrufung des Gerichtshofs – Beurteilung durch das nationale Gericht – Fragen, die von den Parteien des Ausgangsverfahrens im Laufe des Verfahrens aufgeworfen werden – Keine Prüfung

(Art. 267 AEUV)

3.        Unionsrecht – Grundsätze – Gleichbehandlung – Notwendigkeit, den Grundsatz rechtmäßigen Handelns zu wahren

1.        Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags sowie die Art. 11 und 13 der Verordnung Nr. 794/2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 659/1999 stehen einer nationalen Regelung nicht entgegen, die durch einen Verweis auf die Verordnung Nr. 794/2004 die Erhebung von Zinseszinsen bei der Rückforderung einer staatlichen Beihilfe vorsieht, obwohl die Entscheidung, mit der diese Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wurde, vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erlassen und dem betroffenen Mitgliedstaat bekannt gegeben wurde.

Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 794/2004 ist nämlich nach Art. 13 Abs. 5 dieser Verordnung nur auf Rückforderungsentscheidungen anwendbar, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung, also nach dem 20. Mai 2004 bekannt gegeben wurden. Daher ist Art. 11 Abs. 2 dieser Verordnung als solcher in zeitlicher Hinsicht nicht auf eine einem Mitgliedstaat vor diesem Zeitpunkt bekannt gegebene Entscheidung anwendbar, mit der die Rückforderung einer Beihilfe angeordnet wird. In Ermangelung einer einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmung obliegt die Festlegung, ob die Zinsen im vorliegenden Fall nach der Zins- oder der Zinseszinsformel zu berechnen sind, dem nationalen Recht.

In dieser Hinsicht kann eine nationale Regelung, die nur auf Kapitel V der Verordnung Nr. 794/2004 verweist, nicht als Art. 13 dieser Verordnung widersprechend angesehen werden. Aus der zeitlichen Beschränkung der Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 794/2004, die sich aus den in dieser Hinsicht von ihrem Art. 13 gestellten Regelungen ergibt, kann nämlich kein Grundsatz hergeleitet werden, nach dem es den Mitgliedstaaten, die vor dem 20. Mai 2004 für die Bestimmung der für die Berechnung der Zinsen zu verwendenden Formel allein zuständig waren, untersagt gewesen wäre, in dem einen statt in dem anderen Sinn Recht zu setzen. Art. 13 der Verordnung Nr. 794/2004 stellt daher kein für nationale Rechtsvorschriften vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 794/2004 geltendes Rückwirkungsverbot auf.

Sobald eine staatliche Beihilfe, die mit einer Entscheidung der Kommission für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wurde, die vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 794/2004 bekannt gegeben wurde, noch nicht zurückgefordert wurde und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der nationalen Regelung, die für die Rückforderung einer solchen Beihilfe unter Ersetzung der vorherigen Bestimmungen, die die Berechnung von einfachen Zinsen vorsahen, die Berechnung von Zinsen nach der Zinseszinsformel vorsieht, noch nicht einmal Gegenstand von Steuerbescheiden war, kann nicht angenommen werden, dass sich diese nationale Regelung auf einen zuvor abgeschlossenen Sachverhalt ausgewirkt hat. Somit entfaltet eine solche Regelung keine Rückwirkung und beschränkt sich darauf, eine neue Regelung auf die künftigen Auswirkungen von unter Geltung der früheren Regelung entstandenen Sachverhalten anzuwenden. Daher stehen die allgemeinen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer solchen Regelung nicht entgegen.

(vgl. Rn. 27-29, 32, 34, 39-41, 43, 48 und Tenor)

2.        Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 44, 45)

3.        Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 46)