Language of document : ECLI:EU:T:2011:95

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DER SECHSTEN KAMMER DES GERICHTS

17. März 2011(*)

„Prozesskostenhilfe – Vor Erhebung einer Klage gegen bestimmte Unionsorgane gestellter Antrag – Ablehnung einer Petition des Antragstellers durch den Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments“

In der Rechtssache T‑160/10 AJ

J, wohnhaft in Marchtrenk (Österreich),

Antragsteller,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch N. Lorenz und N. Görlitz als Bevollmächtigte,

und

Europäische Kommission, vertreten durch S. Grünheid als Bevollmächtigte,

Antragsgegner,

betreffend einen vor Klageerhebung gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe,

erlässt

DER PRÄSIDENT DER SECHSTEN KAMMER DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

1        Mit Antragsschrift, die am 14. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Antragsteller, Herr J, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach den Art. 94 und 95 der Verfahrensordnung des Gerichts für die Erhebung einer u. a. auf Nichtigerklärung der Entscheidung des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments vom 2. März 2010 gerichteten Klage gegen das Europäische Parlament und die Europäische Kommission beantragt.

2        Zur Begründung dieses Antrags macht der Antragsteller sein niedriges Einkommen geltend und legt als Hauptbeweis den zuletzt erhaltenen Einkommensteuerbescheid vom 20. März 2009 betreffend seine Tätigkeiten im Jahr 2008 vor. Dieses Dokument zeigt, dass er negative Einkünfte in Höhe von 10 099,15 Euro hatte, die ihm einen Anspruch auf Erstattung von 961,73 Euro durch das Finanzamt Grieskirchen Wels gaben. Der Antragsteller führt hierzu aus, diese Situation sei auf Verluste aus seiner Tätigkeit als Selbständiger im Bauwesen zurückzuführen. Außerdem legt er ein Schriftstück des Finanzamts Grieskirchen Wels vom 10. Dezember 2009 vor, aus dem hervorgeht, dass die von ihm geforderte Einkommenssteuervorauszahlung für das Jahr 2010 0,00 (null) Euro beträgt. Er führt weiter aus, er wohne mit seiner Mutter und seinem Bruder zusammen.

3        Mit Schreiben der Kanzlei vom 11. Mai 2010 hat das Gericht die Antragsgegner aufgefordert, zum Antrag auf Prozesskostenhilfe Stellung zu nehmen.

4        Das Parlament vertritt in seiner am 21. Mai 2010 bei der Kanzlei eingegangen Stellungnahme die Ansicht, der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei abzulehnen, da er nicht den Anforderungen des Art. 95 § 2 Abs. 2 der Verfahrensordnung genüge. Der vorliegende Antrag genüge nicht dem Erfordernis, den Gegenstand der Klage, den Sachverhalt und das Vorbringen zur Stützung der Klage im Rahmen der Rubrik auf S. 5 des Formulars zur Beantragung von Prozesskostenhilfe kurz darzulegen. Die Sachverhaltsdarstellung befinde sich in einem siebenseitigen Anhang. Dies ermögliche dem Gericht nicht, die Erfolgsaussichten der künftigen Klage zu beurteilen, da vom Antragsteller keine schlüssige nachvollziehbare Darstellung des Gegenstands der beabsichtigten Klage gegeben werde. Die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV und die Untätigkeitsklage nach Art. 265 AEUV schienen angesprochen zu sein, ohne dass sich ein Zusammenhang mit den vom Antragsteller aufgeworfenen Fragen herstellen ließe.

5        Hilfsweise macht das Parlament geltend, der Antrag sei im Sinne der in Art. 94 § 3 der Verfahrensordnung aufgestellten Voraussetzung offensichtlich unbegründet. Der Antragsteller nehme nämlich auf den Fall einer Klage gegen den Bescheid des Petitionsausschusses vom 2. März 2010 Bezug, mit dem ihm mitgeteilt worden sei, dass seine Petition Nr. 1673/2009 vom 19. November 2009 vom Parlament nicht weiter verfolgt werde, da die Petition nicht den Tätigkeitsbereich der Europäischen Union betreffe. Diese Petition beziehe sich auf eine angebliche Verletzung von Grundrechten durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der seine Klage Nr. 49 440/07 abgewiesen habe, und durch die Republik Österreich, deren Justizbehörden Schriftstücke und schriftliche Werke des Antragstellers beschlagnahmt hätten. Mit der Petition sei das Parlament ursprünglich um „Aufklärung bzw. Prüfung“ der Situation des Antragstellers ersucht worden, bevor sie durch ein Schreiben abgeändert worden sei, in dem das Parlament ersucht worden sei, die Kommission oder eine andere zuständige Einrichtung aufzufordern, eine vorläufige Prüfung des Gegenstands vorzunehmen, um aufzuklären, warum die Beschwerde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für unzulässig erklärt worden sei und welche Stellungnahme die Republik Österreich zu seiner Beschwerde abgebe. Diese Petition falle offensichtlich nicht in den Tätigkeitsbereich der Union im Sinne des Art. 227 AEUV.

6        Die Kommission vertritt in ihrer am 25. Mai 2010 bei der Kanzlei eingegangenen Stellungnahme die Ansicht, der Antragsteller beabsichtige die Erhebung einer „Untätigkeitsklage/Feststellungsklage“ gegen die Kommission und das Parlament. Die Voraussetzungen des Art. 95 § 2 Abs. 2 der Verfahrensordnung seien jedoch nicht erfüllt, da der Gegenstand der beabsichtigten Klage, der Sachverhalt und das Vorbringen zur Stützung der Klage weder im Antragsformular noch in dessen Anlagen in zusammenhängender und verständlicher Weise dargelegt seien.

7        Der Antrag sei auch unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung gemäß Art. 94 § 3 der Verfahrensordnung offensichtlich unzulässig, jedenfalls aber offensichtlich unbegründet erscheine. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, ob die Kommission oder das Europäische Parlament es vertragswidrig unterlassen hätten, gemäß Art. 265 AEUV einen Beschluss zu fassen bzw. einen anderen Akt als eine Empfehlung oder eine Stellungnahme an ihn zu richten.

8        Nach Art. 94 § 1 der Verfahrensordnung deckt die Prozesskostenhilfe zur Gewährleistung eines effektiven Zugangs zu den Gerichten für die Verfahren vor dem Gericht die Kosten des Beistands und der rechtlichen Vertretung vor dem Gericht vollständig oder teilweise. Diese Kosten werden von der Kasse des Gerichts getragen.

9        Nach Art. 94 §§ 2 und 3 der Verfahrensordnung wird die Prozesskostenhilfe nur bewilligt, wenn die doppelte Voraussetzung vorliegt, dass der Antragsteller aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage vollständig oder teilweise außerstande ist, die Kosten des Beistands und der rechtlichen Vertretung vor dem Gericht zu tragen, und seine Rechtsverfolgung nicht offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet erscheint.

10      Nach Art. 95 § 2 der Verfahrensordnung sind mit dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe Unterlagen und Belege einzureichen, die eine Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Antragstellers ermöglichen, wie eine Bescheinigung einer zuständigen nationalen Behörde, die seine wirtschaftliche Lage bestätigt.

11      Gemäß Art. 96 § 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Präsident über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, durch Beschluss, der im Fall der Ablehnung mit Gründen zu versehen ist.

12      In Bezug auf die erste in Art. 94 § 2 der Verfahrensordnung aufgestellte Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe betreffend die wirtschaftliche Lage des Antragstellers ergibt sich aus den erteilten Auskünften und den vorgelegten Nachweisen, dass Herr J nicht in der Lage ist, die Kosten des Beistands und der rechtlichen Vertretung durch einen Anwalt in sachdienlicher Weise aufzubringen.

13      Was die zweite in Art. 94 § 3 der Verfahrensordnung aufgestellte Voraussetzung betreffend die vom Parlament und der Kommission angesprochene offensichtliche Unzulässigkeit und die offensichtliche Unbegründetheit der beabsichtigten Rechtsverfolgung angeht, ist zwischen der beabsichtigten Klage gegen die Kommission und jener zu unterscheiden, die gegen das Parlament erhoben werden soll.

14      Hinsichtlich des Antrags auf Prozesskostenhilfe zur Erhebung einer Klage gegen die Kommission ist festzustellen, dass die Kommission keine den Antragsteller betreffende Entscheidung erlassen hat. Eine Nichtigkeitsklage gegen die Kommission gemäß Art. 263 AEUV wäre daher offensichtlich unzulässig.

15      Da der Antragsteller im Übrigen nicht dargelegt hat, ob die Kommission es vertragswidrig unterlassen hat, gemäß Art. 265 AEUV einen Beschluss zu fassen bzw. einen anderen Akt als eine Empfehlung oder Stellungnahme an ihn zu richten, ist dieser Antrag nach Art. 94 § 3 der Verfahrensordnung als offensichtlich unzulässig anzusehen. Folglich ist der Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückzuweisen, soweit er auf die Erhebung einer Klage gegen die Kommission gerichtet ist.

16      Hinsichtlich des Antrags auf Prozesskostenhilfe zur Erhebung einer Klage gegen das Parlament ist festzustellen, dass am 2. März 2010 der Petitionsausschuss des Parlaments eine Entscheidung erlassen hat, mit der die vom Antragsteller eingereichte Petition Nr. 1673/2009 vom 19. November 2009 abgelehnt wurde.

17      Da eine Nichtigkeitsklage gegen diese Handlung auf den ersten Blick weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet erscheint, ist der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts im Interesse eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes der Auffassung, dass dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren ist.

18      Aus Art. 96 § 3 Abs. 1 und 2 der Verfahrensordnung ergibt sich, dass in dem Beschluss, mit dem über die Prozesskostenhilfe entschieden wird, wenn der Antragsteller in seinem Antrag auf Prozesskostenhilfe selbst einen Anwalt vorgeschlagen hat, dieser Anwalt zur Vertretung des Antragstellers bestimmt wird, es sei denn, es ist untunlich, diesem Vorschlag zu folgen.

19      Im vorliegenden Fall schlägt Herr J vor, Rechtsanwalt Andreas Auer zu seiner Vertretung zu bestimmen. Nach Auffassung des Präsidenten der Sechsten Kammer des Gerichts steht dem nichts entgegen.

20      Hinsichtlich der Höhe der dem Antragsteller zu gewährenden Prozesskostenhilfe kann gemäß Art. 96 § 3 Abs. 3 Verfahrensordnung in dem Beschluss, mit dem die Prozesskostenhilfe bewilligt wird, eine Obergrenze festgelegt werden, die die Auslagen und Gebühren des Anwalts grundsätzlich nicht überschreiten dürfen. Unter Berücksichtigung des Gegenstands und der Art des Rechtsstreits, seiner Bedeutung aus rechtlicher Sicht sowie seines vorhersehbaren Schwierigkeitsgrads, des vorhersehbaren Arbeitsaufwands, der dem Anwalt des Antragstellers durch das gegenständliche Verfahren entstehen wird, und des Interesses, das die Parteien am Ausgang des Rechtsstreits haben, ist der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts der Auffassung, dass die Auslagen und Gebühren des bestimmten Rechtsanwalts für das gesamte Verfahren den Betrag von 4000 Euro grundsätzlich nicht übersteigen dürfen.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DER SECHSTEN KAMMER DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Dem Antrag von Herrn J auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Erhebung einer Klage gegen das Europäische Parlament wird stattgegeben.

2.      Rechtsanwalt Andreas Auer wird als Anwalt zur Vertretung von Herrn J in der Rechtssache T‑160/10 bestimmt.

3.      Die Auslagen und Gebühren des mit der Vertretung des Antragstellers beauftragten Anwalts werden auf der Grundlage einer detaillierten am Ende des Verfahrens dem Gericht übermittelten Abrechnung festgesetzt, dürfen aber den Betrag von 4 000 Euro grundsätzlich nicht übersteigen.

4.      Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Erhebung einer Klage gegen die Europäische Kommission wird zurückgewiesen.

Luxemburg, den 17. März 2011.

Der Kanzler

 

       Der Präsident

E. Coulon

 

       E. Moavero Milanesi


* Verfahrenssprache: Deutsch.