Language of document : ECLI:EU:F:2014:188

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION
(Einzelrichter)

10. Juli 2014

Verbundene Rechtssachen F‑95/11 und F‑36/12

CG

gegen

Europäische Investitionsbank (EIB)

„Öffentlicher Dienst – Personal der EIB – Reorganisation einer Direktion – Schaffung einer neuen Abteilung – Übertragung von Aufgaben eines Abteilungsleiters – Anfechtungsklage – Zulässigkeit – Beschwerender Rechtsakt – Gleichwertigkeit der Dienstposten – Verschleierte Strafe – Ermessensmissbrauch – Schadensersatzklage – Rechtshängigkeit“

Gegenstand:      Klagen nach Art. 270 AEUV, mit denen CG im Wesentlichen begehrt, die Entscheidung der Europäischen Investitionsbank (im Folgenden: EIB oder Bank) aufzuheben, die die Bedingungen der Ausübung und die Art ihrer Aufgaben ändere, festzustellen, dass die Bank Amtsfehler begangen habe, die deren Haftung gegenüber der Klägerin auslösten, und die Bank zum Ersatz der angeblich erlittenen materiellen und immateriellen Schäden zu verurteilen

Entscheidung:      Die Klagen in den verbundenen Rechtssachen F‑95/11 und F‑36/12 werden abgewiesen. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten in den verbundenen Rechtssachen F‑95/11 und F‑36/12.

Leitsätze

1.      Beamtenklage – Bedienstete der Europäischen Investitionsbank – Fristen – Erfordernis einer angemessenen Frist – Fristbeginn

(Beamtenstatut, Art. 90 und 91; Personalordnung der Europäischen Investitionsbank, Art. 41)

2.      Beamte – Bedienstete der Europäischen Investitionsbank – Organisation der Dienststellen – Dienstliche Verwendung des Personals – Ermessen der Verwaltung – Grenzen – Dienstliches Interesse – Berücksichtigung der Gleichwertigkeit der Dienstposten – Änderung der Aufgaben, die keine Disziplinarstrafe darstellt

(Beamtenstatut, Art. 7 Abs. 1 und Anhang IX)

3.      Beamte – Bedienstete der Europäischen Investitionsbank – Rechte und Pflichten – Verpflichtung der Bank, eine individuelle Entscheidung mitzuteilen – Umfang

(Personalordnung der Europäischen Investitionsbank, Art. 42)

1.      Es gibt eine große Lücke in der Regelung für Streitsachen der Europäischen Investitionsbank, da sie keine Klagefristen vorsieht. Daher müssen die Streitigkeiten zwischen der Bank und ihren Bediensteten innerhalb einer angemessenen Frist vor den Unionsrichter gebracht werden und muss diese Lücke geschlossen werden, wobei von der Regelung der Klagefristen in den Art. 90 und 91 des Statuts der Beamten der Europäischen Union auszugehen ist.

Wenn ein Bediensteter der Bank die Durchführung des Güteverfahrens nach Art. 41 der Personalordnung der Bank beantragt, das fakultativ ist, beginnt die Frist zur Erhebung der Klage vor dem Unionsrichter erst mit dessen Abschluss zu laufen, sofern der Bedienstete den Antrag auf Schlichtung innerhalb einer angemessenen Frist nach Erhalt des beschwerenden Rechtsakts gestellt hat und wenn die Dauer des Güteverfahrens selbst angemessen gewesen ist.

(vgl. Rn. 79 und 80)

Verweisung auf:

Gericht der Europäischen Union: 6. März 2001, Dunnett u. a./EIB, T‑192/99, Rn. 51 bis 54 und 56; 27. April 2012, De Nicola/EIB, T‑37/10 P, Rn. 75

2.      Die Organe verfügen bei der Organisation ihrer Dienststellen entsprechend den ihnen übertragenen Aufgaben und bei der Verwendung des ihnen hierzu zur Verfügung stehenden Personals über ein weites Ermessen, sofern diese Verwendung zum einen im dienstlichen Interesse und zum anderen unter Berücksichtigung der Gleichwertigkeit der Dienstposten erfolgt. Diese Rechtsprechung gilt auch für die Europäische Investitionsbank.

Bei einer Änderung des Aufgabenbereichs eines Beamten erfordert der Grundsatz der Entsprechung zwischen Besoldungsgruppe und Dienstposten nicht einen Vergleich zwischen den gegenwärtigen und den früheren Aufgaben des Betroffenen, sondern zwischen seiner gegenwärtigen Tätigkeit und seiner Besoldungsgruppe innerhalb der Hierarchie. Daher steht nichts einer Entscheidung entgegen, die die Zuweisung neuer Aufgaben mit sich bringt, die sich zwar von den früheren unterscheiden und vom Betroffenen als Reduzierung seiner Aufgaben empfunden werden, aber gleichwohl mit dem seiner Besoldungsgruppe entsprechenden Dienstposten vereinbar sind. Eine tatsächliche Verringerung der Aufgaben eines Beamten verstößt daher nur dann gegen den Grundsatz der Entsprechung von Besoldungsgruppe und Dienstposten, wenn seine Aufgaben unter Berücksichtigung ihrer Art, ihrer Bedeutung und ihres Umfangs insgesamt eindeutig hinter denen zurückbleiben, die seiner Besoldungsgruppe und seinem Dienstposten entsprechen.

Sofern nicht erwiesen ist, dass eine Entscheidung über die Änderung des Aufgabenbereichs eines Beamten mit der Gleichwertigkeit der Dienstposten unvereinbar ist, kann von einer verschleierten Disziplinarstrafe oder einem Ermessensmissbrauch keine Rede sein.

(vgl. Rn. 90, 92 und 105)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: 16. Dezember 2004, De Nicola/EIB, T‑120/01 und T‑300/01, Rn. 84; 7. Februar 2007, Clotuche/Kommission, T‑339/03, Rn. 47 und 91

Gericht für den öffentlichen Dienst: 8. Mai 2008, Kerstens/Kommission, F‑119/06, Rn. 82 und 103 und die dort angeführte Rechtsprechung

3.      Art. 42 der Personalordnung der Europäischen Investitionsbank beschränkt sich auf eine Formvorschrift, nämlich die Pflicht der Bank, individuelle Entscheidungen dem betreffenden Mitglied des Personals mitzuteilen. Es muss jedoch eine solche individuelle Entscheidung vorliegen.

In dieser Hinsicht ist die Bank weder verpflichtet, eine individuelle Entscheidung gegenüber dem Bediensteten zu erlassen, noch, ihm diese gemäß Art. 42 mitzuteilen, wenn der Bedienstete vor dem Erlass einer Entscheidung der Bank, die Art der Aufgaben eines Bediensteten sowie die Bedingungen ihrer Ausübung zu ändern, von seinen Vorgesetzten mündlich über die organisatorischen Veränderungen, die innerhalb seiner Generaldirektion vorgenommen werden, informiert wird und diese Veränderungen weder die Neuzuweisung des Bediensteten noch die Änderung der bestehenden hierarchischen Verhältnisse zwischen dem Generaldirektor dieser Direktion und dem Bediensteten zur Folge haben.

(vgl. Rn. 142 und 145)