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Klage, eingereicht am 12. April 2013 - T&L Sugars und Sidul Açúcares/Kommission

(Rechtssache T-225/13)

Verfahrenssprache: Englisch

Parteien

Klägerinnen: T&L Sugars Ltd (London, Vereinigtes Königreich) und Sidul Açúcares, Unipessoal Lda (Santa Iria de Azóia, Portugal) (Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt D. Waelbroeck und D. Slater, Solicitor)

Beklagte: Europäische Kommission und Europäische Union, in der vorliegenden Rechtssache vertreten durch die Europäische Kommission

Anträge

Die Klägerinnen beantragen,

i) die Verordnungen (EU) Nr. 131/20132 und Nr. 281/20134 mit Sondermaßnahmen für das Inverkehrbringen von Nichtquotenzucker und Nichtquotenisoglucose auf dem Markt der Europäischen Union mit verringerter Überschussabgabe im Wirtschaftsjahr 2012/13, ii) die Verordnungen (EU) Nr. 194/20136 und Nr. 332/20138 zur Festsetzung eines Zuteilungskoeffizienten für die verfügbaren Mengen Nichtquotenzucker, die mit verringerter Überschussabgabe auf dem Markt der Europäischen Union verkauft werden sollen, iii) die Verordnung (EU) Nr. 36/201310 zur Eröffnung einer Dauerausschreibung für das Wirtschaftsjahr 2012/13 für Einfuhren von Zucker der KN-Codes 1701 14 10 und 1701 99 10 zu einem ermäßigten Zollsatz und iv) die Verordnungen (EU) Nr. 67/2013 über den Mindestzollsatz für Zucker, der für die erste Teilausschreibung festzusetzen ist, sowie (v) der Verordnung (EU) Nr. 178/2013 über den Mindestzollsatz für Zucker, der für die zweite Teilausschreibung festzusetzen ist, für nichtig zu erklären;

hilfsweise, die Einrede der Rechtswidrigkeit nach Art. 277 AEUV gegen die Verordnungen (EU) Nr. 131/2013 und Nr. 281/2013 sowie gegen die Verordnung (EU) Nr. 36/2013 für zulässig und begründet zu erklären;

die Art. 186 Buchst. a und 187 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 nach Art. 277 AEUV für rechtswidrig zu erklären, soweit sie die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 318/2006 nicht ordnungsgemäß umsetzen;

die durch die Kommission vertretene Europäische Union zum Ersatz des Schadens zu verurteilen, der den Klägerinnen dadurch entstanden ist, dass die Kommission nicht ihren rechtlichen Verpflichtungen nachgekommen ist, und den Betrag dieses Schadensersatzes, der den Klägerinnen im Zeitraum vom 25. Juni 2012 bis zum 31. März 2013 entstanden ist, auf 184 725 960 Euro zuzüglich der fortlaufenden Verluste der Klägerinnen nach diesem Datum oder einen anderen Betrag festzusetzen, der dem den Klägerinnen entstandenen oder noch entstehenden Schaden entspricht, den sie im Laufe dieses Verfahrens nachweisen werden, insbesondere um künftige Schäden ordnungsgemäß zu berücksichtigen, wobei zu allen diesen Beträgen Verzugszinsen ab dem Zeitpunkt der Verkündung des Urteils des Gerichts bis zur tatsächlichen Zahlung hinzuzurechnen sind;

festzustellen, dass für den zu zahlenden Betrag ab Verkündung des Urteils des Gerichts bis zur tatsächlichen Zahlung Zinsen in Höhe des von der Europäischen Zentralbank für die wesentlichen Refinanzierungsgeschäfte zu diesem Zeitpunkt festgesetzten und um zwei Prozentpunkte erhöhten oder eines anderen vom Gericht zu bestimmenden angemessenen Zinssatzes zu zahlen sind;

der Kommission sämtliche Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Zur Stützung der Klage machen die Klägerinnen acht Klagegründe geltend.

Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot geltend gemacht, da zum einen die Verordnungen (EU) Nr. 131/2013 und Nr. 281/2013 eine feste, allgemein anwendbare Überschussabgabe von 224 bzw. 172 Euro pro Tonne - d. h. weniger als die Hälfte der üblichen 500 Euro pro Tonne - für bestimmte Zuckermengen (insgesamt 300 000 Tonnen) vorsähen, die gleichmäßig nur unter den antragstellenden Zuckerrübenerzeugern aufgeteilt würden. Zum anderen enthalte die Verordnung (EU) Nr. 36/2013 einen unbekannten, unvorhersehbaren Zollsatz, der nur auf erfolgreiche Teilnehmer an Versteigerungen (bei denen es sich um Rohzuckerraffinerien, Zuckerrübenerzeuger oder um jeden anderen Beteiligten handeln könne) anwendbar sei, und einen unbestimmten Gesamtbetrag.

Als zweiter Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 und das Fehlen einer geeigneten Rechtsgrundlage angeführt, da die Kommission im Hinblick auf die Verordnungen (EU) Nr. 131/2013 und Nr. 281/2013 in keiner Weise befugt sei, die Quoten zu erhöhen. Vielmehr sei sie verpflichtet, hohe, abschreckende Abgaben auf den Absatz von Nichtquotenzucker auf dem EU˗Markt zu erheben. In Bezug auf die Steuer-Versteigerungen habe die Kommission eindeutig weder den Auftrag noch die Befugnis, eine derartige, in den zugrunde liegenden Rechtsvorschriften nie in Betracht gezogene Maßnahme zu erlassen.

Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit gerügt, da die Kommission ein System geschaffen habe, in dem Zollsätze nicht vorhersehbar seien und nicht durch die Anwendung dauerhafter, objektiver Kriterien festgesetzt würden, sondern von der individuellen Zahlungsbereitschaft (darüber hinaus von Beteiligten, die in dieser Hinsicht ganz unterschiedlichen Belastungen und Anreizen unterworfen seien) bestimmt würden, ohne dass ein tatsächlicher Zusammenhang zu den tatsächlich importierten Erzeugnissen bestehe.

Mit dem vierten Klagegrund wird vorgetragen, es liege ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor, da die Kommission ohne Schwierigkeiten weniger einschneidende Maßnahmen zur Bekämpfung des Versorgungsmangels hätte erlassen können, die nicht ausschließlich einführende Raffinerien benachteiligt hätten.

Der fünfte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, da bei den Klägerinnen die berechtigte Erwartung geweckt worden sei, dass die Kommission von den Mitteln gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 Gebrauch machen werde, um die Versorgung mit zur Raffination bestimmtem rohem Rohrzucker wiederherzustellen. Bei den Antragstellern sei auch die berechtigte Erwartung geweckt worden, dass die Kommission das Gleichgewicht zwischen einführenden Raffinerien und inländischen Zuckererzeugern bewahren werde.

Mit dem sechsten Klagegrund wird den Beklagten ein Verstoß gegen den Grundsatz der Sorgfalt, der Gewissenhaftigkeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung vorgeworfen, da die Kommission bei der Verwaltung des Zuckermarkts wiederholt grundlegende Fehler begangen und sich selbst widersprochen habe, was hervorragend zeige, dass ihr das Verständnis für maßgebliche Marktmechanismen fehle. So sei beispielsweise ihre Bilanz - die eine der wichtigsten Mittel für Inhalt und Zeitplan der Marktintervention darstelle - grob falsch gewesen und habe auf fehlerhafter Methode beruht. Außerdem seien die von der Kommission ergriffenen Maßnahmen im Lichte des Versorgungsmangels offenkundig ungeeignet.

Nach dem siebten Klagegrund liegt ein Verstoß gegen Art. 39 AEUV vor, da die Kommission zwei der in dieser Bestimmung des Vertrags vorgesehenen Ziele nicht erreicht habe.

Mit dem achten Klagegrund wird geltend gemacht, es liege ein Verstoß gegen die Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 vor, da die auf Weißzucker angewandten Zölle nur geringfügig höher seien als jene für Rohzucker, wobei der Unterschied bei nur 20 Euro pro Tonne liege. Dies stehe in scharfem Kontrast zu dem Unterschied von 80 Euro, der zwischen den in der Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission festgesetzten Standardzollsätzen für die Einfuhr von raffiniertem Zucker (419 Euro) und für zur Raffination bestimmten Rohzucker (339 Euro) bestehe.

Daneben machen die Klägerinnen zur Stützung ihrer Schadensersatzforderung geltend, die Kommission habe durch ihr passives Verhalten und ihr unangemessenes Handeln in grober und offenkundiger Weise den ihr durch die Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 eingeräumten Wertungsspielraum überschritten. Ferner stelle das Versäumnis der Kommission, geeignete Maßnahmen zu erlassen, eine offenkundige Verletzung eines Rechtsgrundsatzes dar, der "dem Einzelnen Rechte verleihen soll". Insbesondere habe die Kommission gegen die allgemein in der EU geltenden Grundsätze der Rechtssicherheit, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, des Vertrauensschutzes und der Sorgfalt, der Gewissenhaftigkeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen.

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1 - Durchführungsverordnung (EU) Nr. 131/2013 der Kommission vom 15. Februar 2013 mit Sondermaßnahmen für das Inverkehrbringen von Nichtquotenzucker und Nichtquotenisoglucose auf dem Markt der Europäischen Union mit verringerter Überschussabgabe im Wirtschaftsjahr 2012/13 (ABl. L 45, S. 1).

2 - Durchführungsverordnung (EU) Nr. 281/2013 der Kommission vom 22. März 2013 mit Sondermaßnahmen für das Inverkehrbringen von Nichtquotenzucker und Nichtquotenisoglucose auf dem Markt der Europäischen Union mit verringerter Überschussabgabe im Wirtschaftsjahr 2012/13 (ABl. L 84, S. 19).

3 - Durchführungsverordnung (EU) Nr. 194/2013 der Kommission vom 6. März 2013 zur Festsetzung eines Zuteilungskoeffizienten für die verfügbaren Mengen Nichtquotenzucker, die im Wirtschaftsjahr 2012/13 mit verringerter Überschussabgabe auf dem Markt der Europäischen Union verkauft werden sollen (ABl. L 64, S. 3).

4 - Durchführungsverordnung (EU) Nr. 332/2013 der Kommission vom 10. April 2013 zur Festsetzung eines Zuteilungskoeffizienten für die verfügbaren Mengen Nichtquotenzucker, die im Wirtschaftsjahr 2012/13 mit verringerter Überschussabgabe auf dem Markt der Europäischen Union verkauft werden sollen (ABl. L 102, S. 18).

5 - Durchführungsverordnung (EU) Nr. 36/2013 der Kommission vom 18. Januar 2013 zur Eröffnung einer Dauerausschreibung für das Wirtschaftsjahr 2012/13 für Einfuhren von Zucker der KN-Codes 17011410 und 17019910 zu einem ermäßigten Zollsatz (ABl. L 16, S. 7).

6 - Durchführungsverordnung (EU) Nr. 67/2013 der Kommission vom 24. Januar 2013über den Mindestzollsatz für Zucker, der für die erste Teilausschreibung im Rahmen des mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 36/2013 eröffneten Ausschreibungsverfahrens festzusetzen ist (ABl. L 22, S. 9).

7 - Durchführungsverordnung (EU) Nr. 178/2013 der Kommission vom 28. Februar 2013 über den Mindestzollsatz für Zucker, der für die zweite Teilausschreibung im Rahmen des mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 36/2013 eröffneten Ausschreibungsverfahrens festzusetzen ist (ABl. L 58, S. 3).

8 - Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 299, S. 1).

9 - Verordnung (EG) Nr. 318/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker (ABl. L 58, S. 1).

10 - Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 zur Änderung von Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 282, S. 1).