Language of document : ECLI:EU:C:2017:879

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 21. November 2017(1)

Rechtssache C‑542/16

Länsförsäkringar Sak Försäkringsaktiebolag,

Jan-Herik Strobel,

Mona Strobel,

Margareta Nilsson,

Per Nilsson,

Kent Danås,

Dödsboet efter Tommy Jönsson,

Stefan Pramryd,

Stefan Ingemansson,

Lars Persson,

Magnus Persson,

Anne-Charlotte Wickström,

Peter Nilsson,

Ingela Landau,

Thomas Landau,

Britt-Inger Ruth Romare,

Gertrud Andersson,

Eva Andersson,

Rolf Andersson,

Lisa Bergström,

Bo Sörensson,

Christina Sörensson,

Kaj Wirenkook,

Lena Bergquist Johansson,

Agneta Danås,

Hans Eriksson,

Christina Forsberg,

Christina Danielsson,

Per-Olof Danielsson,

Ann-Christin Jönsson,

Åke Jönsson,

Stefan Lindgren,

Daniel Röme,

Ulla Nilsson,

Dödsboet efter Leif Göran Erik Nilsson

gegen

Dödsboet efter Ingvar Mattsson,

Länsförsäkringar Sak Försäkringsaktiebolag

(Vorabentscheidungsersuchen des Högsta domstol [Oberster Gerichtshof, Schweden])

„Richtlinie 2002/92/EG – Vermittlung von Versicherungen und Rückversicherungen – Richtlinie 2004/39/EG – Anlageberatung – Tätigwerden eines Versicherungsvermittlers ohne Absicht, tatsächlich einen Versicherungsvertrag abzuschließen – Abgrenzung zwischen den Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung und der Anlageberatung – Vermittlung von und Beratung über Kapitallebensversicherungen – Auf Anteilseinheiten lautende („unit-linked“) Lebensversicherungen“






1.        Der Högsta domstol (Oberster Gerichtshof, Schweden) fasst in diesem Vorabentscheidungsersuchen die Zweifelsfragen zusammen, die die Anwendung des Unionsrechts in zwei ihm zur Entscheidung vorliegenden verschieden gearteten Verfahren bei ihm aufwirft. Obwohl es in beiden um die Versicherungsvermittlung geht, wird in dem einen(2) nur über die Haftpflicht gestritten, die eintritt, wenn der Geschäftsführer eines Versicherungsvermittlungsunternehmens Beträge veruntreut, die ihm seine Kunden übergeben haben.

2.        Das andere Verfahren(3) weist eine höhere Komplexität auf. In ihm stellen sich Fragen, die die Unterscheidung zwischen der Vermittlung von Versicherungen und Finanzprodukten betreffen.

3.        Die stetige Entwicklung der Finanzmärkte hat zu einer Multiplikation der Finanzinstrumente geführt, die vor den klassischen Lebensversicherungen nicht Halt gemacht haben. Die Versicherungsgesellschaften bieten sehr unterschiedliche Formen an (u. a. unter den Bezeichnungen Kapitalisierungsgeschäfte, Geldanlagen in Form von Lebensversicherungen, Kapital- oder fondsgebundene Lebensversicherungen)(4), mit denen versucht wird, die Ersparnisse der Kunden gezielt zu lenken, indem das klassische Versicherungselement mit der – einmal in höherem, einmal in geringerem Maße garantierten – Rendite von Finanzprodukten kombiniert wird. Bei diesen Formen werden die vom Versicherungsnehmer bezahlten Prämien vom Versicherungsunternehmen in Finanzinstrumenten angelegt, und der Versicherungsnehmer trägt das Risiko der Entwicklung dieser Investition, die selbstverständlich auch gegen seine Interessen verlaufen kann.

4.        Bei der Beantwortung der zu diesem zweiten Verfahren gestellten Vorlagefragen muss der Gerichtshof entscheiden, ob Vermittler, die Versicherungen dieser Art vertreiben, den auf die Versicherungsvermittlung anwendbaren Vorschriften unterfallen oder ob die Anlagekomponente und sogar Volatilität von Produkten dieser Art dazu führt, dass diese Tätigkeit eher als Anlagevermittlung anzusehen ist.

5.        Die rechtliche Regelung beider Vermittlungsarten ist unterschiedlich und unterliegt verschiedenen Richtlinien, die erst kürzlich geändert wurden; diese Änderungen sind allerdings erst ab 2018 anwendbar. Das Urteil des Gerichtshofs kann aber zur Auslegung der Vorschriften dienen, die jetzt bzw. ab 2018 auf versicherungsbasierte Anlageprodukte anzuwenden sind.

 I.      Rechtlicher Rahmen

 A.      Unionsrecht

6.        Die Versicherungsvermittlung ist in der Richtlinie 2002/92/EG(5) geregelt, die durch die Richtlinie (EU) 2016/97 geändert und neu gefasst wurde(6).

7.        Die Tätigkeit der Anlageberatung fällt unter die Richtlinie 2004/39/EG(7), die durch die Richtlinie 2014/65/EU(8) aufgehoben wurde.

 1.      Richtlinie 2002/92

8.        Die Erwägungsgründe 8, 9, 14 und 17 lauten:

„(8)      Die Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften über die beruflichen Anforderungen, die an Personen zu stellen sind, welche die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung aufnehmen und ausüben, und über die Eintragung dieser Personen kann daher sowohl zur Vollendung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen als auch zur Verbesserung des Verbraucherschutzes in diesem Bereich beitragen.“

(9)      Versicherungsprodukte können von verschiedenen Kategorien von Personen oder Einrichtungen wie Versicherungsagenten, Versicherungsmaklern und ‚Allfinanzunternehmen‘ vertrieben werden. Aus Gründen der Gleichbehandlung all dieser Akteure und des Kundenschutzes sollte sich diese Richtlinie auf all diese Personen oder Einrichtungen beziehen.

(14)      Versicherungs- und Rückversicherungsvermittler sollten bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Wohnsitz oder ihre Hauptverwaltung haben, eingetragen werden, sofern sie strengen beruflichen Anforderungen in Bezug auf Sachkompetenz, Leumund, Berufshaftpflichtschutz und finanzielle Leistungsfähigkeit genügen.

(17)      Zusammenarbeit und Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden sind von entscheidender Bedeutung, um die Verbraucher zu schützen und die Solidität des Versicherungs- und Rückversicherungsgeschäfts im Binnenmarkt sicherzustellen.“

9.        Art. 1 Abs. 1 („Anwendungsbereich“) sieht vor:

„Mit dieser Richtlinie werden Vorschriften für die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungsvermittlung durch natürliche oder juristische Personen, die in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind oder sich dort niederlassen möchten, festgelegt.“

10.      Nach Art. 2 Nr. 3 gilt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

3.      ‚Versicherungsvermittlung‘ das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall.

Diese Tätigkeiten gelten nicht als Versicherungsvermittlung, wenn sie von einem Versicherungsunternehmen oder einem Angestellten eines Versicherungsunternehmens, der unter der Verantwortung des Versicherungsunternehmens tätig wird, ausgeübt werden.

Die beiläufige Erteilung von Auskünften im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit, sofern diese Tätigkeit nicht zum Ziel hat, den Kunden beim Abschluss oder der Handhabung eines Versicherungsvertrags zu unterstützen, oder die berufsmäßige Verwaltung der Schadensfälle eines Versicherungsunternehmens oder die Schadensregulierung und Sachverständigenarbeit im Zusammenhang mit Schadensfällen gelten ebenfalls nicht als Versicherungsvermittlung“.

11.      Art. 4 Abs. 3 und 4 bestimmen:

„(3)      Versicherungs- und Rückversicherungsvermittler schließen eine für das gesamte Gebiet der Gemeinschaft geltende Berufshaftpflichtversicherung oder eine andere gleichwertige, die Haftpflicht bei Verletzung beruflicher Sorgfaltspflichten abdeckende Garantie in Höhe von mindestens 1 000 000 EUR für jeden einzelnen Schadensfall und von 1 500 000 EUR für alle Schadensfälle eines Jahres ab, soweit eine solche Versicherung oder gleichwertige Garantie nicht bereits von einem Versicherungsunternehmen, Rückversicherungsunternehmen oder anderen Unternehmen gestellt wird, in dessen Namen der Versicherungs- oder Rückversicherungsvermittler handelt oder für das der Versicherungs- oder Rückversicherungsvermittler zu handeln befugt ist, oder dieses Unternehmen die uneingeschränkte Haftung für das Handeln des Vermittlers übernommen hat.

(4)      Die Mitgliedstaaten ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen, um die Kunden dagegen zu schützen, dass der Versicherungsvermittler nicht in der Lage ist, die Prämie an das Versicherungsunternehmen oder den Erstattungsbetrag oder eine Prämienvergütung an den Versicherten weiterzuleiten.“

12.      In Art. 12 Abs. 2 und 3 heißt es:

„(2)      Teilt der Versicherungsvermittler dem Kunden mit, dass er auf der Grundlage einer objektiven Untersuchung berät, so ist er verpflichtet, seinen Rat auf eine Untersuchung einer hinreichenden Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen zu stützen, so dass er gemäß fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin gehend abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet wäre, die Bedürfnisse des Kunden zu erfüllen.

(3)      Vor Abschluss eines Versicherungsvertrags hat der Versicherungsvermittler, insbesondere anhand der vom Kunden gemachten Angaben, zumindest dessen Wünsche und Bedürfnisse sowie die Gründe für jeden diesem zu einem bestimmten Versicherungsprodukt erteilten Rat genau anzugeben. Diese Angaben sind der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags anzupassen.“

 2.      Verordnung (EU) Nr. 1286/2014(9)

13.      Nach ihrem Art. 1 legt diese Verordnung „einheitliche Vorschriften für das Format und den Inhalt des Basisinformationsblatts, das von Herstellern von verpackten Anlageprodukten für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukten … abzufassen ist, sowie für die Bereitstellung des Basisinformationsblatts an Kleinanleger fest, um Kleinanlegern zu ermöglichen, die grundlegenden Merkmale und Risiken von PRIIP zu verstehen und zu vergleichen“.

14.      Art. 4 Nr. 2 dieser Verordnung definiert das „Versicherungsanlageprodukt“ als „Versicherungsprodukt, das einen Fälligkeitswert oder einen Rückkaufwert bietet, der vollständig oder teilweise direkt oder indirekt Marktschwankungen ausgesetzt ist“.

 3.      Richtlinie 2016/97

15.      Der 56. Erwägungsgrund lautet:

„Versicherungsanlageprodukte werden den Kunden häufig als mögliche Alternative oder Ersatz zu Anlageprodukten gemäß der Richtlinie [2014/65] angeboten. Um einen kohärenten Anlegerschutz zu gewährleisten und das Risiko von Aufsichtsarbitrage zu vermeiden, ist es wichtig, dass Versicherungsanlageprodukte zusätzlich zu den für alle Versicherungsprodukte festgelegten Wohlverhaltensregeln speziellen Regeln unterliegen, durch die der Anlageaspekt, den diese Produkte aufweisen, geregelt werden soll. Zu diesen speziellen Regeln gehören die Bereitstellung der erforderlichen Informationen, Anforderungen hinsichtlich der Angemessenheit der Beratung und Beschränkungen hinsichtlich der Vergütung.“

16.      Art. 2 Abs. 1 Nrn. 1 und 17 enthält folgende Begriffsbestimmungen:

„1.      ‚Versicherungsvertrieb‘ [bezeichnet] die Beratung, das Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen, das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall, einschließlich der Bereitstellung von Informationen über einen oder mehrere Versicherungsverträge aufgrund von Kriterien, die ein Kunde über eine Website oder andere Medien wählt, sowie die Erstellung einer Rangliste von Versicherungsprodukten, einschließlich eines Preis- und Produktvergleichs, oder ein Rabatt auf den Preis eines Versicherungsvertrags, wenn der Kunde einen Versicherungsvertrag direkt oder indirekt über eine Website oder ein anderes Medium abschließen kann.

17.      Versicherungsanlageprodukt‘ [bezeichnet] ein Versicherungsprodukt, das einen Fälligkeitswert oder einen Rückkaufwert bietet, der vollständig oder teilweise direkt oder indirekt Marktschwankungen ausgesetzt ist, …“.

 4.      Richtlinie 2004/39 (MiFID I)

17.      Art. 1 Abs. 1 lautet:

„Diese Richtlinie gilt für Wertpapierfirmen und geregelte Märkte.“

18.      Art. 2 Abs. 1 sieht vor:

„Diese Richtlinie gilt nicht für

a)      Versicherungsunternehmen im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 73/239/EWG oder Versicherungsunternehmen im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 2002/83/EG sowie Unternehmen, die die in der Richtlinie 64/225/EWG genannten Rückversicherungs- und Retrozessionstätigkeiten ausüben;

c)      Personen, die nur gelegentlich Wertpapierdienstleistungen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erbringen, wenn diese Tätigkeit durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder Standesregeln geregelt ist, die die Erbringung dieser Dienstleistung nicht ausschließen;

j)      Personen, die im Rahmen einer anderen, nicht unter diese Richtlinie fallenden beruflichen Tätigkeit Anlageberatung betreiben, sofern eine solche Beratung nicht besonders vergütet wird;

…“.

19.      Art. 4 Abs. 1 enthält u. a. folgende Definitionen:

„1.      Wertpapierfirma: jede juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausübt.

2.      Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten: jede in Anhang I Abschnitt A genannte Dienstleistung und Tätigkeit, die sich auf eines der Instrumente in Anhang I Abschnitt C bezieht.

4.      Anlageberatung: die Abgabe persönlicher Empfehlungen an einen Kunden entweder auf dessen Aufforderung oder auf Initiative der Wertpapierfirma, die sich auf ein oder mehrere Geschäfte mit Finanzinstrumenten beziehen.“

 5.      Richtlinie 2014/65 (MiFID II)

20.      Der 87. Erwägungsgrund lautet:

„Anlagen, die Versicherungsverträge enthalten, werden oft als Alternative zu Finanzinstrumenten, die unter diese Richtlinie fallen, oder als Ersatz dafür Kunden angeboten. Um allen Kleinanlegern den gleichen Schutz zu bieten und für ähnliche Produkte gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, müssen Anlageprodukte aufgrund von Versicherungen angemessenen Anforderungen unterliegen. Zwar sollten die Anforderungen dieser Richtlinie in Bezug auf Anlegerschutz daher auch für Anlagen aufgrund von Versicherungsverträgen gelten, wegen ihrer unterschiedlichen Marktstrukturen und Produktmerkmale ist es aber sachgerechter, detaillierte Anforderungen lieber im Rahmen der laufenden Überarbeitung der Richtlinie [2002/92] als in dieser Richtlinie festzulegen. Künftiges Unionsrecht zur Regelung der Tätigkeiten von Versicherungsvermittlern und Versicherungsunternehmen sollten deshalb in geeigneter Weise für einen kohärenten Regelungsansatz beim Vertrieb der verschiedenen Finanzprodukte sicherstellen, die einen ähnlichen Anlegerbedarf decken und deshalb vergleichbare Probleme beim Anlegerschutz aufwerfen. Die durch die Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates … errichteten Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) (EIOPA) und die ESMA sollten zusammenarbeiten, um eine möglichst weit gehende Kohärenz bei den Wohlverhaltensregeln für diese Anlageprodukte zu erreichen. Die neuen Anforderungen für Anlageprodukte aufgrund von Versicherungen sollten in der Richtlinie [2002/92] festgelegt werden.“

21.      Art. 91 der MiFID II enthält die Änderungen der Richtlinie 2002/92. Art. 2 Nr. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie erhält durch sie folgende Fassung:

„Mit Ausnahme von Kapitel III (A) dieser Richtlinie gelten diese Tätigkeiten nicht als Versicherungsvermittlung, wenn sie von einem Versicherungsunternehmen oder einem Angestellten eines Versicherungsunternehmens, der unter der Verantwortung des Versicherungsunternehmens tätig wird, ausgeübt werden.“

22.      Art. 2 der Richtlinie 2002/92 wird eine Nr. 13 angefügt, die den Begriff „Versicherungsanlageprodukt“ als „ein Versicherungsprodukt, das einen Fälligkeitswert oder einen Rückkaufwert bietet, der vollständig oder teilweise, direkt oder indirekt Marktschwankungen ausgesetzt ist“ definiert, wobei bestimmte Ausnahmen festgelegt werden.

23.      Darüber hinaus wurde durch die MiFID II ein Kapitel III A („Zusätzliche Anforderungen an den Kundenschutz bei Versicherungsanlageprodukten“) in die Richtlinie 2002/92 eingefügt. Art. 13a dieses Kapitels („Anwendungsbereich“) sieht vor:

„Vorbehaltlich der Ausnahmen gemäß Artikel 2 Absatz 3 Unterabsatz 2 werden in diesem Kapitel zusätzliche Anforderungen an Versicherungsvermittlungstätigkeiten und von Versicherungsunternehmen durchgeführte Direktverkäufe im Zusammenhang mit Versicherungsanlageprodukten festgelegt. Diese Tätigkeiten werden als Versicherungsvertriebstätigkeiten bezeichnet.“

 B.      Schwedisches Recht

24.      Durch das Lagen (2005:405) om försäkringsförmedling (Gesetz [2005:405], Versicherungsvermittlungsgesetz) wurde die Richtlinie 2002/92 in schwedisches Recht umgesetzt:

25.      Nach Kapitel 1 § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes ist die Versicherungsvermittlung eine berufliche Tätigkeit, die in (1) der Vorstellung und dem Vorschlagen von Versicherungsverträgen oder dem Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen, (2) dem Abschließen von Versicherungsverträgen oder (3) dem Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung besteht(10).

26.      Gemäß Kapitel 2 § 1 des Versicherungsvermittlungsgesetzes darf eine Versicherungsvermittlung abgesehen von bestimmten hier nicht interessierenden Ausnahmen nur mit Genehmigung der Finansinspektion (schwedische Finanzaufsichtsbehörde) ausgeübt werden.

27.      Eine der Genehmigungsvoraussetzungen ist das Unterhalten einer Berufshaftpflichtversicherung, die Deckung für jede Art von Schadensersatzanspruch bietet und in Anspruch genommen werden kann, wenn der Versicherungsvermittler seinen Pflichten nicht nachkommt (Kapitel 2 § 5 Nr. 4 und § 6 Nr. 2 des Gesetzes 2005:405).

28.      In Kapitel 5 ist geregelt, wie die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung auszuüben ist. Konkret ist festgelegt (§ 4), dass ein Versicherungsvermittler bei der Ausübung seiner Tätigkeit die anerkannten Standards bewährter Geschäfts- und Berufspraxis einzuhalten hat und im Interesse seiner Kunden die erforderliche Sorgfalt walten lassen muss.. Weiter ist vorgeschrieben, dass der Versicherungsvermittler seine Beratung den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden anzupassen und Lösungen zu empfehlen hat, die diesem dienlich sind. Der Vermittler ist gehalten (wenn es sich bei den Kunden um natürliche Personen handelt, die überwiegend Ziele verfolgen, die nicht dem gewerblich-kaufmännischen Bereich zuzurechnen sind), von Produkten abzuraten, die nicht den Bedürfnissen der jeweiligen Person entsprechen bzw. nicht zu ihrer wirtschaftlichen Situation oder den sonstigen Begleitumständen passen.

29.      Gemäß Kapitel 5 § 7 ist ein Versicherungsvermittler, der seinen Pflichten aus § 4 des Gesetzes vorsätzlich oder fahrlässig nicht nachkommt, zum Ersatz reiner Vermögensschäden verpflichtet, die einem Kunden aus Anlass der besagten Pflichtverletzung gegebenenfalls neben etwaigen sonstigen Schäden entstehen.

 II.      Verfahren vor den nationalen Gerichten

30.      In den beiden Rechtsstreitigkeiten, in denen das vorlegende Gericht zu entscheiden hat, machen die Betroffenen Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft Länsförsäkringar Sak Försäkringsaktiebolag (im Folgenden: Länsförsäkringar) geltend, bei der bestimmte in Schweden tätige Versicherungsvermittler Haftpflichtversicherungspolicen unterhielten.

 1.      Rechtssache T 2761-15, Länsförsäkringar/Nachlass von Ingvar Mattson

31.      Herr Ingvar Mattson legte 500 000 SEK als Teil einer Kapitallebensversicherung in einem Investmentzertifikat (einem strukturierten Finanzinstrument) an. Dies geschah im Januar 2010 auf Anraten eines Angestellten der Gesellschaft European Wealth Management Group AB (im Folgenden: EWMG), bei der es sich um ein zugelassenes Versicherungsvermittlungsunternehmen handelte.

32.      Herr Mattsson verlor den gesamten Betrag und machte zunächst einen Anspruch gegenüber EWMG geltend, die anschließend in Konkurs fiel. EWMG unterhielt bei der Gesellschaft Länsförsäkringar eine Berufshaftpflichtversicherung, wie sie nach dem Gesetz 2005:405 vorgeschrieben ist, die Deckung für ihre Tätigkeiten, insbesondere für die Schadensersatzpflicht gemäß Kapitel 5 § 7 des besagten Gesetzes bot.

33.      Ingvar Mattsson erhob gegen Länsförsäkringar Klage und machte Schadensersatz in Höhe von 500 000 SEK nebst Zinsen geltend. Er trug vor, dass EWMG ihren Pflichten aus Kapitel 5 § 4 des Gesetzes 2005:405 vorsätzlich oder fahrlässig(11) nicht nachgekommen sei, dass das Versicherungsunternehmen daher zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sei, da das vorgenannte Versäumnis ein anspruchsbegründendes Verhalten darstelle, für das Deckung im Rahmen der zwischen EWMG und Länsförsäkringar abgeschlossenen Berufshaftpflichtversicherung bestehe.

34.      Länsförsäkringar gestand zu, dass die Vermittlung einer Kapitallebensversicherung unter das Gesetz 2005:405 falle und daher von der Deckung der Berufshaftpflichtversicherung erfasst sei. Sie machte jedoch geltend, dass erstens die von EWMG erteilte Beratung sich nicht auf die Kapitallebensversicherung, sondern auf die Anlage von Kapital in einem Finanzinstrument bezogen habe, das Bestandteil der Kapitallebensversicherung gewesen sei. Daher sei es nicht um eine Versicherungsvermittlung, sondern um eine Beratung im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten gegangen, die unter andere Vorschriften falle(12).

35.      Der Schaden sei nicht durch die Vermittlung der Kapitallebensversicherung verursacht worden, sondern im Zusammenhang mit der erfolgten Finanzberatung. Zudem habe EWMG nicht fahrlässig gehandelt.

36.      Das erstinstanzliche Gericht gab dieser Klage statt. Seiner Ansicht nach fiel die streitgegenständliche Beratung sowohl unter das Gesetz 2005:405 als auch unter das Wertpapierhandelsgesetz. Allerdings vertrat es zugleich, gestützt u. a. auf Erklärungen der Europäischen Kommission, den Standpunkt, dass keine konkurrierende Anwendung der besagten Regelungen bezweckt sei. Aus Verbraucherschutzerwägungen und vor dem Hintergrund, dass die Finanzinspektion (schwedische Finanzaufsichtsbehörde) EWMG offenbar keine besondere Genehmigung für die hier in Rede stehende Tätigkeit abverlangt habe, war es jedoch der Auffassung, dass Ingvar Mattsson darauf habe vertrauen dürfen, dass die Berufshaftpflichtversicherung Deckungsschutz biete.

37.      Länsförsäkringar focht das Urteil beim Berufungsgericht an, welches das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts bestätigte. Gegen diese Entscheidung legte Länsförsäkringar Revision beim Högsta domstol (Oberster Gerichtshof) ein. Sie vertritt weiterhin den Standpunkt, dass es sich bei der von EWMG in Bezug auf das Investmentzertifikat erteilten Beratung nicht um eine Versicherungsvermittlung gehandelt habe und dass sie daher nicht unter die Deckung aus der Berufshaftpflichtversicherung falle. Allerdings räumt sie nun ein, dass EWMG fahrlässig gehandelt habe.

38.      Ingvar Mattsson ist verstorben, und sein Nachlass hat jeglicher Abänderung des Urteils des Rechtsmittelgerichts widersprochen.

 2.      Rechtssache T 25-16, Jan-Erik Strobel u. a./Länsförsäkringar

39.      Die Versicherungsvermittlungsgesellschaft Connecta Fond och Försäkring AB (im Folgenden: Connecta), die ihre Geschäftstätigkeit im Wesentlichen im Zeitraum der Jahre 2004 bis einschließlich 2010 entfaltete, unterhielt bei Länsförsäkringar, wie vom Gesetz 2005:405 vorgeschrieben, eine Berufshaftpflichtversicherung, die Deckung für ihre Geschäftstätigkeit bot und Versicherungsschutz für eine Schadensersatzpflicht im Sinne von Kapitel 5 § 7 dieses Gesetzes umfasste.

40.      Mehrere Personen überwiesen über mehrere Jahre hinweg Geldbeträge an Connecta, um diese in dem so genannten „Unternehmensanleiheprodukt von Connecta“, das Bestandteil der Kapitallebensversicherung werden sollte, anzulegen. Im Gegenzug erhielten die Betreffenden bestimmte von Connecta und ihrem Angestellten Per Rytterborg, dem späteren Geschäftsführer von Connecta, ausgestellte Unterlagen. Während des Zeitraums 2004-2010 war Connecta auch tatsächlich als Versicherungsvermittlerin tätig geworden.

41.      Später stellte sich heraus, dass Per Rytterborg die betreffenden Beträge veruntreut hatte. Gegen ihn wurde Anzeige erstattet, und Connecta verlor ihre Zulassung. Herr Rytterborg verstarb im November 2010. Über seinen Nachlass sowie über Connecta wurde im Dezember 2010 der Konkurs eröffnet.

42.      Einige Betroffene verklagten Länsförsäkringar und machten auf der Grundlage der von Connecta unterhaltenen Berufshaftpflichtversicherung Schadensersatz geltend, und zwar in Höhe der von ihnen, wie sie erklärten, an diese Gesellschaft zwecks Anlage in einer Kapitallebensversicherung überwiesenen Beträge.

43.      Die Kläger trugen vor, es habe sich bei der erbrachten Leistung um eine Versicherungsvermittlung gehandelt, und Connecta habe sich aufgrund des Verhaltens von Per Rytterborg gemäß Kapitel 5 § 7 des Versicherungsvermittlungsgesetzes haftbar gemacht. Die Versicherung von Connecta habe daher den entsprechenden Schadensersatz zu leisten.

44.      Länsförsäkringar wandte hiergegen unter anderem ein, dass der Schaden nicht als Folge der versicherten Tätigkeit entstanden sei, da fiktive Produkte im Spiel gewesen seien. Herrn Rytterborgs Verhalten habe keine Versicherungsvermittlung dargestellt. Deshalb falle es nicht unter das Gesetz 2005:405 und sei auch nicht vom Versicherungsschutz der Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt.

45.      Das erstinstanzliche Gericht war der Auffassung, dass der Schaden von der Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt sei, und gab der Klage im Wesentlichen statt. Es stellte fest, die Kläger hätten beabsichtigt, eine Kapitallebensversicherung abzuschließen, und aufgrund des Verhaltens von Herrn Rytterborg ihnen gegenüber hätten sie davon ausgehen dürfen, dass ihnen tatsächlich Versicherungsverträge vermittelt worden seien. Aus dem Blickwinkel des Verbraucherschutzes spreche die begründete Einschätzung der Absichten von Herrn Rytterborg durch die Kläger eindeutig dafür, dass es sich um eine Versicherungsvermittlung gehandelt habe.

46.      Im Hinblick darauf, dass der Begriff „Versicherungsvermittlung“ vorbereitende Tätigkeiten umfasse und Connecta auch tatsächlich Versicherungsvermittlungstätigkeiten erbracht habe, gelangte das erstinstanzliche Gericht zu dem Ergebnis, dass der Sachverhalt, so wie er abgelaufen sei, aus objektiven Gründen unter den Begriff „Vermittlung“ falle.

47.      Das Berufungsgericht war demgegenüber der Auffassung, dass es sich bei dem in Rede stehenden Verhalten nicht um eine Versicherungsvermittlung gehandelt habe. Daher hob es das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab. Der Umstand, dass der Aspekt des Verbraucherschutzes bei der Auslegung zu berücksichtigen sei, bedeute nicht, dass die subjektive Vorstellung des Verbrauchers, was Versicherungsvermittlung sei, Gewicht habe. Objektiv betrachtet – also unabhängig von der Vorstellung des Verbrauchers – habe es sich nicht um Versicherungsvermittlung handeln können. Der Anspruch sei daher nicht von der Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt.

48.      Die Geschädigten haben beim Högsta domstol (Oberster Gerichtshof) Rechtsmittel eingelegt. Sie vertreten den Standpunkt, dass sich aus den Ereignissen ein Leistungsanspruch aus der Berufshaftpflichtversicherung ergebe. Sie argumentieren unter anderem, dass Herrn Rytterborgs Verhalten als Versicherungsvermittlung einzustufen gewesen sei, da es eine enge Verbindung zu der eigentlichen, genehmigungspflichtigen Tätigkeit von Connecta aufgewiesen habe.

 III      Vorlagefragen

49.      Infolge der rechtlichen Streitpunkte, die sich in beiden Verfahren ergeben, hat der Högsta domstol (Oberster Gerichtshof) den Gerichtshof um Beantwortung folgender Fragen ersucht:

T 25-16

1. a)      Erstreckt sich der Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/92 auf eine Tätigkeit, bei der der Versicherungsvermittler keinerlei Absicht hatte, tatsächlich einen Versicherungsvertrag abzuschließen? Ist es von Belang, ob eine derartige Absicht bereits fehlte, bevor die betreffende Tätigkeit aufgenommen wurde, oder erst danach?

1. b)      Ist es in der in Frage 1 a beschriebenen Situation von Belang, ob der Vermittler neben der vorgetäuschten Vermittlungstätigkeit tatsächlich Versicherungen vermittelt hat?

1. c)      Ist es – wiederum in der in Frage 1 a beschriebenen Situation – von Belang, ob die Tätigkeit aus dem Blickwinkel des Kunden dem ersten Anschein nach eine den Abschluss eines Versicherungsvertrags vorbereitende Tätigkeit war? Ist die Vorstellung des Kunden, ob nun sachlich begründet oder nicht, dass eine Versicherungsvermittlung stattfand, von Belang?

T 2761-15

2. a)      Erfasst die Richtlinie 2002/92 wirtschaftlichen oder sonstigen Rat, der im Zusammenhang mit einer Versicherungsvermittlung erteilt wird, jedoch nicht den tatsächlichen Abschluss oder die Verlängerung eines Versicherungsvertrags betrifft? Was gilt in dieser Hinsicht insbesondere in Bezug auf eine Beratung, die die Anlage von Kapital im Zusammenhang mit einer Kapitallebensversicherung zum Gegenstand hat?

2. b)      Unterliegt eine Beratung der Art, wie sie in Frage 2 a erwähnt wird, wenn sie unter die Definition der Anlageberatung im Sinne der Richtlinie 2004/39 fällt, auch oder stattdessen den Bestimmungen dieser Richtlinie? Wenn eine solche Beratung auch unter die Richtlinie 2004/39 fällt, hat dann das eine Regelwerk vor dem anderen Vorrang?

50.      Vier Gruppen von Klägern haben schriftliche Erklärungen ausschließlich zu den die Rechtssache Strobel u. a./Länsförsäkringar betreffenden Fragen eingereicht, während Länsförsäkringar, die schwedische Regierung, die tschechische Regierung und die Kommission schriftliche Erklärungen zu beiden Rechtssachen eingereicht haben.

51.      Die mündliche Verhandlung hat am 14. September 2017 stattgefunden. In ihr haben Länsförsäkringar, die schwedische Regierung, die tschechische Regierung und die Kommission mündliche Erklärungen abgegeben.

 IV.      Prüfung der Vorlagefragen

52.      Die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen lassen sich auf zwei deutlich unterscheidbare Probleme mit verschiedenem Schwierigkeitsgrad zurückführen, die sich bei der Auslegung von Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2002/92 stellen. Die erste kann in knapper Form beantwortet werden, während die zweite in Anbetracht ihrer Vielschichtigkeit einer umfassenderen Prüfung bedarf.

 A. – Erste Frage: Anwendung der Richtlinie 2002/92 auf Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung, die in betrügerischer Absicht erfolgt sind

53.      Mit den in der Rechtssache T 25-16 gestellten Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2002/92 definierte Tätigkeit der Versicherungsvermittlung die Tätigkeit eines Vermittlers umfasst, der bei der Erbringung seiner Dienstleistungen an bestimmte Kunden – u. a. vorbereitende Handlungen für den Abschluss von Versicherungsverträgen – in Wahrheit die Absicht hatte, diese zu täuschen und ihr Geld zu veruntreuen.

54.      Das vorlegende Gericht möchte zudem geklärt wissen, ob dabei relevant ist, zu welchem Zeitpunkt die betrügerische Absicht entstanden ist, dass der Vermittler auch rechtmäßige Vermittlungshandlungen gegenüber anderen Kunden vorgenommen hat, und wie der Kunde die betrügerische Vermittlungstätigkeit wahrgenommen hat.

55.      Länsförsäkringar vertritt eine subjektive Auslegung des Begriffs der Versicherungsvermittlung in Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2002/92: Eine Vermittlung liege nicht vor, wenn der angebliche Vermittler nicht die Absicht gehabt habe, tatsächlich einen Versicherungsvertrag abzuschließen. Ihres Erachtens fallen kriminelle Handlungen, die nur den Anschein einer Vermittlung haben, nicht unter diesen Begriff, und für den Ersatz der den Kunden entstandenen Schäden seien die Vorschriften über die zivilrechtliche Haftung für Straftaten heranzuziehen, nicht diejenigen, die für Versicherungsdienstleistungen gälten.

56.      Auch sei der Zeitpunkt, zu dem die kriminelle Absicht des Vermittlers entstehe, ob schon zu Anfang seiner Beziehung zum Kunden oder erst danach, während der vorbereitenden Tätigkeiten zum Versicherungsvertrag, irrelevant. Nach Entstehen der Täuschungsabsicht entfalle der Wille, den Versicherungsvertrag abzuschließen, und es handle sich nicht mehr um eine Vermittlungstätigkeit, die der Richtlinie 2002/92 unterfalle. Auch sei unbeachtlich, dass der Täuschende zugleich andere Vermittlungstätigkeiten in korrekter Weise durchführe, da nicht nachvollziehbar sei, dass diese das betrügerische Verhalten in ein rechtmäßiges verwandeln könnten.

57.      Die vier Gruppen von Rechtsmittelführern in diesem Verfahren vertreten demgegenüber ebenso wie die tschechische Regierung und die Kommission eine objektive Auslegung dieses Begriffs. Unter die Richtlinie 2002/92 falle jede Tätigkeit, die den Abschluss von Versicherungsverträgen vorbereite, unabhängig von der subjektiven Absicht des Vermittlers.

58.      Dieser letzten These ist zu folgen, da meines Erachtens eine objektive Auslegung des Begriffs der Versicherungsvermittlung sachgerecht ist. Diese Beurteilung kann nicht auf die Absichten oder Wahrnehmungen der natürlichen Personen gestützt werden, die als Angestellte oder leitende Repräsentanten eines Unternehmens auftreten, das regulär Versicherungsvermittlung betreibt. Auf diese subjektiven Faktoren abzustellen, würde einen Mangel an Vorhersehbarkeit bei der Anwendung der Vorschrift hervorrufen, was dem Grundsatz der Rechtssicherheit widerspräche.

59.      Das erste Auslegungskriterium, das zur Klärung der Reichweite des Begriffs der Versicherungsvermittlung heranzuziehen ist, ist die wörtliche Auslegung. Nach Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2002/92 ist hierunter „das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen …“ zu verstehen.

60.      Die Definition betont dabei die Tätigkeit, nicht die subjektiven Absichten derjenigen, die sie ausführen. Es genügt, dass ein Unternehmen, dessen Zweck in der Versicherungsvermittlung besteht (und das über die entsprechende behördliche Erlaubnis verfügt), seine beruflichen Dienstleistungen den Kunden anbietet, um die Vermutung zu begründen, dass es auch in dieser Eigenschaft handelt, wobei die Kunden darauf vertrauen können, dass es in der Tat Vorbereitungsarbeiten für die Unterzeichnung eines Versicherungsvertrags durchführen wird. Hierzu gehören zweifellos die vorbereitenden Tätigkeiten für den Abschluss eines solchen Vertrags(13).

61.      Nach der Beschreibung des vorlegenden Gerichts deutet alles darauf hin, dass Connecta auch als das auftrat, was sie war, nämlich ein Versicherungsvermittlungsunternehmen, das in Schweden seit 2004 zugelassen und dort rechtmäßig tätig war. Es war dieses Unternehmen, das den Kunden seine Vermittlungsleistungen erbrachte, so dass nicht mehr von Belang ist, dass einer oder mehrere seiner Angestellten (oder sogar ihr Geschäftsführer)(14) typische Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung ausgenutzt haben, um Betrug zum Nachteil der Kunden zu planen und zu begehen, indem sie deren Gelder unterschlugen.

62.      Die systematische Auslegung der Richtlinie 2002/92 führt zum selben Ergebnis. Ihr Art. 4 Abs. 4 („[d]ie Mitgliedstaaten ergreifen alle erforderlichen Maßnahmen, um die Kunden dagegen zu schützen, dass der Versicherungsvermittler nicht in der Lage ist, die Prämie an das Versicherungsunternehmen … weiterzuleiten“) schließt in die Versicherungsvermittlung auch Fallgestaltungen ein, in denen die Versicherungsvermittler die Prämien nicht an die Versicherungsunternehmen weiterleiten, was gerade bei Betrugsfällen wie demjenigen bei Connecta der Fall ist.

63.      Die teleologische Auslegung der Richtlinie 2002/92 rechtfertigt ebenfalls eine objektive Auffassung hinsichtlich der Versicherungsvermittlungstätigkeit. Das Harmonisierungsziel, das diese Richtlinie verfolgt, besteht darin, den Schutz der Versicherungskunden zu fördern, wie ausdrücklich aus ihrem siebten, achten und siebzehnten Erwägungsgrund hervorgeht(15). Eine subjektive Auslegung des Begriffs „Versicherungsvermittlung“, die diese vom Willen des Vermittlers abhängig machen würde, würde zu einer Verminderung der in der Richtlinie 2002/92 zugunsten der Versicherungskunden festgelegten Garantien führen.

64.      Wie die Kommission in ihren Erklärungen argumentiert hat, würde, wenn die Vermittlungstätigkeit vom Willen des Vermittlers abhinge, das Paradox entstehen, dass dieser gerade seine betrügerische Absicht anführen könnte, um den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/92 zu verlassen und die von ihr auferlegte Haftung zu vermeiden.

65.      Somit genügt es, dass die Handlungen des Vermittlungsunternehmens den Kunden objektiv zugänglich gemacht werden und den Anschein erwecken, dass es sich um vorbereitende Tätigkeiten für den Abschluss eines Versicherungsvertrags handelt. Ich wiederhole, dass die Absicht des Angestellten (oder Leiters) dieses Unternehmens, der diese Tätigkeiten durchgeführt hat, nicht von Belang ist, und zwar sowohl, wenn er tatsächlich im Rahmen seiner Verpflichtungen handeln wollte, als auch, wenn er diese Gelegenheit genutzt hat, um den Kunden zu betrügen. Ebenso ist unbeachtlich, ob seine verborgenen Absichten bereits zu Beginn der Beziehung mit dem Kunden vorlagen oder ob sie erst im Verlauf der Vorbereitung des späteren Vertrags entstanden.

66.      Die Haftung des Vermittlungsunternehmens erstreckt sich auch auf Schäden, die von seinen Angestellten oder Führungskräften verursacht werden, wenn sie gegenüber Dritten als seine Mitarbeiter erscheinen und eine Verbindung zwischen dem von ihnen verwirklichten rechtswidrigen Verhalten und der typischen Tätigkeit der Gesellschaft besteht. Ich glaube auch, dass in der vorliegenden Rechtssache beide Faktoren gegeben sind, da die Veruntreuung der Gelder, die dem Leiter, der seine Aufgaben überschritten hat, zuzurechnen ist, im Zusammenhang mit der Vermittlungstätigkeit desjenigen stand, der gegenüber den Kunden als Vertreter des Unternehmens auftrat und dem jene Gelder in dieser Eigenschaft übergeben wurden.

67.      Bei der von mir vorgeschlagenen Auslegung des Begriffs der Versicherungsvermittlung ist auch die Wahrnehmung des Kunden nicht mehr von Belang für die Feststellung, ob die vorbereitenden Arbeiten für einen Versicherungsvertrag als Vermittlung einzuordnen sind oder nicht. Dies erkennt selbst Länsförsäkringar an, wenn sie argumentiert, dass sonst ein komplexer, gut getarnter Betrug vom Verbraucher als tatsächliche Vermittlung wahrgenommen werden könnte, während weniger gravierende und weniger raffinierte Betrugshandlungen nicht als Vermittlung verstanden würden, weil die Betrugsabsicht auf der Hand liege. Dieses Argument erscheint mir nachvollziehbar, wenngleich es meiner Auffassung nach kaum vereinbar damit ist, dass dieselbe Gesellschaft auf die Absicht des Vermittlers abstellen will, um zu bestimmen, ob eine Versicherungsvermittlung vorliegt oder nicht.

68.      Folglich sind die Tätigkeiten eines Vermittlers, der für verschiedene Kunden vorbereitende Tätigkeiten für den Abschluss eines Versicherungsvertrags durchführt, von Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2002/92 umfasst, unabhängig davon, ob er mit Betrugsabsicht handelt oder nicht und unabhängig davon, wie die Kunden sein Vorgehen wahrnehmen. Die etwaige Haftung der Vermittlungsunternehmen im Falle einer beruflichen Verfehlung bei der Ausübung dieser Tätigkeiten ist von ihren Haftpflichtversicherungen zu übernehmen.

 B.      Zweite Frage: Ist die Vermittlung von Kapitallebensversicherungen Versicherungsvermittlung oder Anlagevermittlung?

69.      Im Rechtsstreit T 2761-15 schloss Herr Mattsson nach einer Beratung durch EWMG eine Kapitallebensversicherung ab, in der ein Lebensversicherungsvertrag mit der Anlage in einem strukturierten Finanzinstrument kombiniert ist.

70.      Angesichts dieser Tatsachen (und der darauf folgenden, die mit dem Verlust des angelegten Betrags endeten) ersucht das vorlegende Gericht den Gerichtshof um Vorabentscheidung darüber, ob die Beratung durch EWMG als Versicherungsvermittlung zu verstehen ist, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/92 fällt, oder ob sie vielmehr als Anlageberatung einzuordnen ist, die der MiFID I unterfällt. Das vorlegende Gericht erwähnt auch die Möglichkeit, beide Richtlinien gemeinsam anzuwenden.

71.      Bevor ich die Antwort auf diese komplexe Frage vorschlage, halte ich es für notwendig, zunächst eine Vorbemerkung zu machen und die Eigenschaften von Kapitallebensversicherungen sowie die Vorschriften darzustellen, die auf diese anwendbar sind.

 1.      Vorbemerkung

72.      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die in dieser Rechtssache erfolgte Beratung einzuordnen und zu klären, welcher Art genau die Vertragsbeziehung zwischen EWMG und Herrn Mattson war. Diese konnte sich entweder auf eine Versicherung beziehen, die an ein Anlageprodukt gebunden war, oder auf ein reines Finanzinstrument, das von der Versicherung abgekoppelt war. In diesem letzten Fall hätte EWMG keine Versicherungsvermittlung durchgeführt, sondern eine Anlageberatung (für die sie, wie aus den Akten hervorgeht, nicht über die vorgeschriebene Genehmigung der Finanzaufsichtsbehörde verfügte).

73.      Für die schwedische Regierung und Länsförsäkringar hat Herr Mattson ein komplexes Finanzprodukt unter dem Namen einer Lebensversicherung erworben, weshalb sie vorschlagen, die MiFID I anzuwenden. Für die Kommission und die tschechische Regierung handelt es sich hingegen um einen Versicherungsvertrag mit einer Anlagekomponente, der unter die Richtlinie 2002/92 fällt.

74.      Mehrere der vom vorlegenden Gericht übermittelten Angaben deuten darauf hin, dass es sich bei dem, was Herr Mattson durch Vermittlung von EWMG abgeschlossen hat, um eine Lebensversicherung mit Einlage handelte, eine Variante der auf Anteilseinheiten lautenden oder an Investmentfonds gebundenen Versicherungsverträge, die unter der Bezeichnung „unit-linked“ bekannt sind und in vielen Mitgliedstaaten häufig vorkommen.

75.      Sollte dem so sein, hätten wir eine Vertragsart vor uns, die sich in den Versicherungsbereich einordnen ließe (und folglich unter die Versicherungsvermittlung fallen könnte). Auf sie hat sich der Gerichtshof bezogen, als er festgestellt hat, dass „[a]ls ‚unit linked‘ oder ‚fondsgebunden‘ bezeichnete Verträge … zu einem Zweig der Lebensversicherung gehör[en], wie sich ausdrücklich aus Anhang I Nr. III der Richtlinie [2002/83] ‚über Lebensversicherungen‘ in Verbindung mit Art. 2 Nr. 1 Buchst. a dieser Richtlinie ergibt“(16). Der im dortigen Urteil überprüfte Vertrag wies Kennzeichen auf, die ihn in die Nähe des hier in Rede stehenden rücken(17).

76.      Ich werde deshalb von dieser Prämisse ausgehen, vorbehaltlich der Tatsache, dass, wie bereits gesagt, nur das vorlegende Gericht in der Lage ist, sich in vollständiger Kenntnis der Sachlage über die Natur des hier gegenständlichen Vertrags entscheiden kann.

77.      Ich muss hier eine zusätzliche Präzisierung anbringen, die für das vorlegende Gericht möglicherweise von Nutzen sein könnte. Das Unternehmen EWMG und der Angestellte, der Herrn Mattson beriet, waren Versicherungsvermittler mit einer Erlaubnis der schwedischen Behörden, sich nur mit Versicherungstätigkeiten zu befassen, die aber nicht die Finanzintermediation zum Gegenstand hatte. Wenn das, was sie Herrn Mattson rieten zu unterzeichnen, in Wirklichkeit ein reines strukturiertes Finanzinstrument war, das den Anschein einer Kapitallebensversicherung vermittelte (d. h., wenn sie als echte Finanzintermediäre gehandelt hätten), hätten sie zum Nachteil des Kunden die rechtlichen Vorschriften verletzt, die ihren Auftrag auf den Versicherungszweig beschränken. Aufgrund dieser schweren Verfehlung bei der Ausübung ihres Berufs bestünde für die geschädigten Kunden die Möglichkeit, den Ersatz der verursachten Schäden zu verlangen. Da sie diesen nicht leisten können (in diesem Fall aufgrund des Konkurses von EWMG) müsste grundsätzlich ihre vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung(18) dafür aufkommen.

 2.      Die Entwicklung der rechtlichen Regelung über auf Anteilseinheiten lautende(„unit-linked“)Lebensversicherungen im Unionsrecht

78.      Diese Verträge stellen eine Variante der Lebensversicherungen dar, die sich im Zuge der finanziellen Globalisierung eingebürgert hat. Sie unterscheiden sich von den traditionellen Lebensversicherungen in der Übernahme des Risikos, wodurch sie für die Verbraucher erheblich „riskanter“ werden(19).

79.      Bei den traditionellen Lebensversicherungen erhält der Versicherer die Prämien und legt sie für eigene Rechnung und auf eigene Gefahr an. Dem Versicherungsnehmer bietet er eine Mindestrendite an, die unter Einsatz technischer Mittel berechnet wird. Bei den auf Anteilseinheiten lautenden Lebensversicherungen hingegen wird die gezahlte Prämie vom Versicherer in Wertpapieren oder Fonds angelegt, die der Versicherungsnehmer selbst ausgewählt hat. Dieser trägt das Risiko ihrer weiteren Entwicklung (ihre Rendite schwankt, da sie vom Wert der angelegten Aktiva zum Zeitpunkt der Auszahlung der Leistung abhängt).

80.      Diese Art von Versicherungen enthalten notwendigerweise ein gemischtes Produkt in Form einer Lebensversicherung zuzüglich einer Anlage; denn würden sie nur eine Finanzanlage darstellen, würde es sich nicht um einen echten Versicherungsvertrag handeln(20).

81.      Die Zunahme dieser auf Anteilseinheiten lautenden Lebensversicherungen kann u. a. darauf zurückzuführen sein, dass damit eine günstigere steuerliche Behandlung für die Anlagen erreicht wird (dies scheint nach den Informationen der schwedischen Regierung in Schweden der Fall zu sein). Hinzu kommt die immer größer werdende Mitwirkung der Banken bei den Versicherungstätigkeiten und die Suche nach besseren Anlagemöglichkeiten für das Kapital, das die Versicherungsunternehmen akquirieren können.

82.      Bei den an Anlagen gebundenen Lebensversicherungen ist die Aufgabe der Versicherungsvermittler für Kleinanleger, die nicht über spezielle Kenntnisse im Finanzbereich verfügen und sich über die Risiken und Kosten, die sie bei deren Abschluss übernehmen, möglicherweise nicht im Klaren sind, von großer Bedeutung. Sowohl wegen der negativen Folgen einer Kündigung als auch wegen der höheren Kosten der Produkte kann eine unzureichende Beratung dazu führen, dass diese Kunden mehr an Courtagen bezahlen und dass sie an Produkte gebunden sind, für die eine Vertragsstrafe fällig wird, wenn sie sich wieder davon lösen wollen(21).

83.      Da diese Risiken die Verbraucher bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 nicht in ihrer ganzen Bandbreite erkannt waren, enthielt die Richtlinie 2002/92 keine speziellen Vorschriften über die Vermittlung von Verkäufen komplexer Lebensversicherungsprodukte mit Anlagekomponenten. Kapitallebensversicherungen wurden nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften, die auf den Verkauf sämtlicher Versicherungsprodukte anwendbar waren, vertrieben, obwohl sie für nicht professionelle Versicherungsnehmer ein höheres Risiko darstellten. Auch in die MiFID I wurden keine sie betreffenden Einzelvorschriften aufgenommen.

84.      Demgegenüber befasste sich die MiFID II, deren Umsetzungsfrist in die nationalen Rechtsordnungen am 3. Juli 2017 ablief und die ab dem 3. Januar 2018 wirksam wird, speziell mit den an Anlagen gebundenen Versicherungsverträgen. Konkret verwies sie zu deren Regelung auf die damals noch nicht abgeschlossene Änderung der Richtlinie 2002/92.

85.      Art. 91 der MiFID II beschränkte sich auf die Änderung der Richtlinie 2002/92, um in deren Art. 2 als Nr. 13 den Begriff „Versicherungsanlageprodukt“ aufzunehmen(22) und ein neues Kapitel III A einzufügen, um zusätzliche Anforderungen an den Kundenschutz festzulegen, denen sowohl die Vermittlungstätigkeiten als auch (von Versicherungsunternehmen durchgeführte) Direktverkäufe dieser Produkte entsprechen müssen(23).

86.      Nach der MiFID II definiert die Verordnung Nr. 1286/2014(24) „Versicherungsanlageprodukt“ als „Versicherungsprodukt, das einen Fälligkeitswert oder einen Rückkaufwert bietet, der vollständig oder teilweise direkt oder indirekt Marktschwankungen ausgesetzt ist“. Unter diesen Begriff fallen die Kapitallebensversicherungen, und Art. 2 sieht die Anwendung dieser Verordnung auf Personen vor, die diese herstellen, sie verkaufen oder über sie beraten, wozu auch die Versicherungsvermittler gehören.

87.      Der letzte Schritt bei der Regelung der Kapitalversicherungsverträge erfolgte mit der Richtlinie 2016/97, die die Richtlinie 2002/92 neu fasst und aufhebt. Ihr 56. Erwägungsgrund(25) nimmt den in der MiFID II enthaltenen Auftrag wieder auf und unterstreicht, dass Versicherungsanlageprodukte(26) zusätzlich zu den für alle Versicherungsprodukte festgelegten Wohlverhaltensregeln weiteren, „speziellen Regeln“ über „die Bereitstellung der erforderlichen Informationen, Anforderungen hinsichtlich der Angemessenheit der Beratung und Beschränkungen hinsichtlich der Vergütung“ unterliegen sollen.

88.      Die Richtlinie 2016/97 legt die zusätzlichen Voraussetzungen fest, die die Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen im Zusammenhang mit Versicherungsanlageprodukten erfüllen müssen. Sie beziehen sich insbesondere auf Interessenkonflikte und deren Regelung (Art. 27 und 28), auf Kundeninformation (Art. 29) und auf die „Beurteilung der Eignung und Zweckmäßigkeit sowie Berichtspflicht gegenüber Kunden“ (Art. 30).

89.      Diese komplexe Gesetzesentwicklung zeigt, dass der Gesetzgeber die Vermarktung von Kapitalversicherungsverträgen durch Versicherungsvermittler den Vorschriften unterstellen wollte, die auf den Vertrieb von Versicherungen und auf die Versicherungstätigkeit anwendbar sind.

90.      Diese gesetzgeberische Entscheidung ging einher mit der Festlegung von Verbraucherschutzstandards, die mit denen der MiFID II für Unternehmen, die Finanzinstrumente vermarkten, zwar vergleichbar, aber nicht identisch sind – was einleuchtet, da es sich in Wirklichkeit um gemischte Verträge handelt, die eine Lebensversicherung mit einem Finanzprodukt kombinieren.

91.      Der Unionsgesetzgeber hat damit die Möglichkeit verworfen, diese Geschäfte unter dieselben Bedingungen zu stellen, die er Unternehmen abverlangt, die Finanzintermediation nach der Regelung der MiFID II betreiben.

92.      Dieses Argument schließt auch die Möglichkeit aus, die Vermittlung von Kapitallebensversicherungen sowohl der Regelung der Richtlinie 2016/97 als auch der MiFID II zu unterstellen. Keine Vorschrift dieser Richtlinien sieht ihre gleichzeitige Anwendung auf diese Tätigkeit vor.

 3.      Beantwortung der Vorlagefrage

93.      Hätte sich der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits im Jahr 2018 ereignet, wäre meines Erachtens davon auszugehen, dass auf ihn die Richtlinie 2016/97 und deren Regelung über die Intermediation oder den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten anzuwenden wäre, in deren Kategorie – mit den oben dargestellten Vorbehalten – ein Vertrag wie der von Herr Mattsson abgeschlossene fällt(27).

94.      Allerdings wurde jener Vertrag 2010 abgeschlossen, weshalb das vorlegende Gericht den Gerichtshof ersucht, klarzustellen, ob eine Vermittlung, die den Abschluss einer Kapitallebensversicherung bezweckte, seinerzeit unter die Richtlinie 2002/92 oder unter die MiFID I fiel oder ob beide rechtlichen Regelungen darauf anwendbar waren.

95.      Als Prämisse werde ich (wieder mit dem bereits angebrachten Vorbehalt) davon ausgehen, dass nach seinen charakteristischen Zügen Gegenstand des Vertrags eine auf Anteilseinheiten lautende („unit-linked“) Kapitallebensversicherung oder eine diesem sehr ähnliche Vertragsform war. Falls dies so sein sollte, fiele die Vermittlung zu seinem Abschluss ausschließlich unter die Richtlinie 2002/92, was die Anwendung der MiFID I verhindern würde.

96.      Ebenso wie alle Beteiligten gehe ich davon aus, dass die gleichzeitige Anwendung der Regelung der Richtlinie 2002/92 und der Regelung der MiFID I nicht möglich ist, da sie zur Kontrolle unterschiedlicher Tätigkeiten mit unterschiedlichem Risikostandard erlassen wurden(28).

97.      Der Umstand, dass Versicherungsanlageprodukte nicht in die MiFID II aufgenommen wurden und in der Richtlinie 2016/97 geregelt sind, bestätigt meines Erachtens, dass nach dem Willen des Unionsgesetzgebers – heute explizit ausgedrückt, zuvor implizit vorhanden – die Vermittler von Kapitalversicherungen nur der Regelung der Richtlinien über Versicherungsvermittlung unterstellt sein sollten. In diesem Sinn ist die These zurückzuweisen, die die schwedische Regierung in der Verhandlung vertreten hat und nach der ein Kapitallebensversicherungsvertrag in Wirklichkeit zwei verschiedene Beratungen erfordert, von denen die eine (über die Versicherung) der Richtlinie 2002/92 unterfalle und die andere (über die Anlage) der MiFID I. Eine Lebensversicherung bildet ein untrennbares Ganzes, und die rechtliche Regelung für die Vermittlung von Verträgen dieser Art war ausschließlich diejenige der Richtlinie 2002/92.

98.      Ich möchte klarstellen, dass in der Tat, wie die schwedische Regierung in ihren Erklärungen vorgetragen hat, kein Hindernis dafür besteht, dass ein Vermittler unter einem „doppelten Hut“ auftreten und als Versicherungsvermittler die Anforderungen der Richtlinie 2002/92 und die Kontrollen der MiFID I erfüllen kann. In diesem Fall wird auch seine Berufshaftpflicht doppelt versichert sein und ausgelöst werden – je nachdem, ob er in Geschäften tätig wird, die zur Versicherungsvermittlung, oder in solchen, die zur Anlageberatung gehören, wie sich aus Art. 8 der Richtlinie 2006/49/EG ergibt(29). Dies war in der vorliegenden Rechtssache jedoch nicht der Fall.

99.      Meines Erachtens gibt es mehrere Argumente, die die von mir vorgeschlagene Lösung stützen. Erstens ist die Definition der Versicherungsvermittlung in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2002/92 ziemlich weit, indem sie „das Anbieten, Vorschlagen oderDurchführen andererVorbereitungsarbeiten[(30)] zum Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken[(31)] bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall“ umfasst. Sowohl die Beratung vor Abschluss der Kapitallebensversicherung als auch die spätere Betreuung des Versicherungsnehmers im Zusammenhang mit der finanziellen Entwicklung dieses Vertrags werden so von der Tätigkeit der Versicherungsvermittlung erfasst.

100. Zweitens bestätigt die Richtlinie 2016/97, dass die Vermittlung von Kapitallebensversicherungen der Richtlinie 2002/92 unterfiel. Die Richtlinie 2016/97, die diese neu fasst und ergänzt, behält in ihrem Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 dieselbe Definition der Versicherungsvermittlung bei (auch wenn sie diese nunmehr als „Versicherungsvertrieb“ bezeichnet) und weitet die umfassten Fälle noch aus. Ohne den Begriff der Versicherungsvermittlung zu ändern, führt sie in ihren Anwendungsbereich die „Versicherungsanlageprodukte“ ein und zählt in Kapitel VI die zusätzlichen Anforderungen auf, die Versicherungsvermittler erfüllen müssen, wenn sie über diese Produkte beraten, die, wie bereits erläutert, auch Kapitallebensversicherungen umfassen. Die MiFID II hat diese Produkte hingegen nicht in ihren Anwendungsbereich aufgenommen, was darauf schließen lässt, dass die MiFID I sie ebenfalls nicht umfasste.

101. Drittens erlaubt die Prüfung der MiFID I keinen Schluss darauf, dass die Beratung über einen Kapitallebensversicherungsvertrag von dieser erfasst wird, eher im Gegenteil. Diesbezüglich sind die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, c und j genannten Ausschlüsse relevant, die sich beziehen auf:

–        Versicherungsunternehmen im Sinne von Art. 1 der Richtlinie 73/239/EWG oder Versicherungsunternehmen im Sinne von Art. 1 der Richtlinie 2002/83 sowie Unternehmen, die die in der Richtlinie 64/225/EWG genannten Rückversicherungs- und Retrozessionstätigkeiten ausüben. Obgleich die unter die Richtlinie 2002/92 fallenden Versicherungsvermittler nicht ausdrücklich erwähnt werden, liegt der Ausschluss des Versicherungssektors aus dem Anwendungsbereich der MiFID I auf der Hand.

–        Personen, die nur gelegentlich Wertpapierdienstleistungen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erbringen, wenn diese Tätigkeit durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder Standesregeln geregelt ist, die die Erbringung dieser Dienstleistung nicht ausschließen. Ein Versicherungsvermittler fällt unter diese Kategorie, wenn seine hauptsächliche Tätigkeit auf die Beratung und Abwicklung von Versicherungsverträgen konzentriert ist, so dass die Finanzberatung, wenn Letztere an Versicherungen gebundene Anlagen betrifft, lediglich Mittel zum Zweck ist, d. h. nur gelegentlich erfolgt(32).

–        Personen, die im Rahmen einer anderen, nicht unter diese Richtlinie fallenden beruflichen Tätigkeit Anlageberatung betreiben, sofern eine solche Beratung nicht besonders vergütet wird. Dies wäre bei einem Versicherungsvermittler, der ausschließlich vom Versicherungsnehmer einer Kapitallebensversicherung oder vom Versicherungsunternehmen vergütet wird, der Fall und fiele nicht unter die MiFID I.

102. Viertens lässt sich die MiFID I nicht allein deshalb als auf Verträge über Kapitallebensversicherungen anwendbar ansehen, weil die Anlagekomponente dieser Verträge unter eines der Finanzinstrumente subsumierbar ist, die in Anhang I Abschnitt C der MiFID I vorgesehen sind. Diese Einordnung hängt von der jeweiligen Art des Kapitallebensversicherungsvertrags und von dem ausgewählten Finanzinstrument ab, das möglicherweise nicht in diesen Abschnitt fällt(33).

103. Fünftens und an letzter Stelle rechtfertigt die Forderung nach einem höheren Verbraucherschutz (Versicherungsnehmer/Anleger) nicht die Unterstellung der Versicherungsvermittlung unter die Regelung der MiFID I, auch wenn es zutrifft, dass diese Richtlinie höhere Anforderungen an die Wertpapierfirmen stellt und strengere Vorschriften zum Schutz der Anleger (Art. 19 bis 24) festlegt als die Richtlinie 2002/92.

104. Wie bereits vorausgeschickt, spricht das höhere finanzielle Risiko, das Kunden trifft, die Finanzinstrumente kaufen, für einen höheren Schutz als denjenigen, der im Fall von Versicherungsnehmern gefordert ist. Dennoch eröffnet Art. 12 der Richtlinie 2002/92, wenn es sich um Kapitallebensversicherungen handelt, auch diesen Kunden einen deren spezifischen Risiken entsprechenden Standard(34). Es wäre unverhältnismäßig, den Versicherungsvermittlern die Erfüllung sämtlicher MiFID-Vorschriften in diesem Bereich aufzuerlegen. Auch wenn die Richtlinie 2016/97 den Schutz der Versicherungsnehmer von Kapitallebensversicherungen und entsprechend die Verpflichtungen der sie beratenden Versicherungsvermittler erhöht, erstreckt sie nicht alle von der MiFID II den Gesellschaften, die über eine Genehmigung für die Anlageberatung verfügen, auferlegten Anforderungen auf diese.

105. Insgesamt bin ich der Meinung, dass die Vermittlung von Kapitallebensversicherungen wie die, um die es im vorliegenden Rechtsstreit geht, durch die Richtlinie 2002/92 geregelt ist und nicht durch die MiFID I.

 V.      Ergebnis

106. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen des Högsta domstol (Oberster Gerichtshof, Schweden) wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung umfasst die Tätigkeiten eines Versicherungsvermittlers, der mit der hierfür erforderlichen behördlichen Genehmigung für verschiedene Kunden vorbereitende Tätigkeiten im Hinblick auf den Abschluss von Versicherungsverträgen durchführt, obwohl er mit Täuschungsabsicht handelt, und zwar unabhängig von der subjektiven Wahrnehmung seines Vorgehens durch die Kunden.

2.      Wenn die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge als Kapitallebensversicherungsverträge eingeordnet werden können, die „unit-linked“ sind oder Versicherungsanlageprodukte betreffen- was zu klären Sache des vorlegenden Gerichts ist –, so führt der Versicherungsvermittler, der Personen berät, die diese Verträge abschließen, eine von der Richtlinie 2002/92 geregelte Tätigkeit und nicht eine der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates unterfallende Anlageberatung durch.


1      Originalsprache: Spanisch.


2      Rechtsmittel mit dem nationalen Aktenzeichen T 25-16


3      Rechtsmittel mit dem nationalen Aktenzeichen T 2761-15


4      Auf dem Markt wird für Verträge, bei denen der Versicherungsnehmer in eine Lebensversicherung investiert und die Aktiva bezeichnet, in denen seine Anlage konkretisiert werden soll, indem die Versicherungsgesellschaft die Inhaberschaft der Aktiva erwirbt und diese der Police zuordnet, üblicherweise der englische Ausdruck „unit-linked“verwendet.


5      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung (ABl. 2003, L 9, S. 3)


6      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb (Neufassung) (ABl. 2016, L 26, S. 19).


7      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. 2004, L 145, S. 1; im Folgenden: MiFID I).


8      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. 2014, L 173, S. 349; im Folgenden: MiFID II)


9      Verordnung (EU) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (ABl. 2014, L 352, S. 1; Berichtigung von Fehlern in ABl. 2015, L 60, S. 70). Ihr Inkrafttreten ist durch die Verordnung (EU) 2016/2340 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 zur Änderung der Verordnung Nr. 1286/2014 (ABl. 2016, L 354, S. 35) auf den 1. Januar 2018 verschoben worden.


10      Das Gesetz 2005:405 entspricht, was den Begriff der Versicherungsvermittlung betrifft, der Richtlinie 2002/92.


11      Ingvar Mattsson warf EWMG insbesondere vor, dass sie es beim Abschluss der Kapitallebensversicherung unterlassen habe, ihn über die mit Investmentzertifikaten verbundenen hohen Risiken zu informieren oder aber ihm von der betreffenden Geldanlage abzuraten, sondern ihm stattdessen unzutreffende Informationen gegeben habe.


12      Das Lagen (2007:528) om värdepappersmarknaden (Gesetz [2007:528] über den Wertpapiermarkt) und das Lagen (2003:862) om finansiell rådgivning till konsumenter (Gesetz [2003:862] über die Finanzberatung von Verbrauchern).


13      Es ist nicht vorgeschrieben, dass der Vertrag nach den vorbereitenden Tätigkeiten auch abgeschlossen werden muss, da nicht jede Vermittlung zwangsläufig zu einem Versicherungsvertrag führen muss.


14      Die Beteiligten des Ausgangsrechtsstreits erläutern, dass Connecta, Mitglied der schwedischen Vereinigung der Versicherungsvermittler, ihre Kapitallebensversicherung durch die Werbung auf ihrer Webseite und über Informationsgespräche (die Herr Rytteborg und andere Mitarbeiter dieser Gesellschaft organisiert hatten) mit älteren Personen vertrieb, die sie über die Vorteile dieser Versicherung informierten; viele der Vertragschließenden waren bereits Kunden von Connecta.


15      Vgl. Urteil vom 17. Oktober 2013, EEAE u. a. (C‑555/11, EU:C:2013:668, Rn. 27 und 30).


16      Urteil vom 1. März 2012, González Alonso (C‑166/11, EU:C:2012:119, Rn. 29). Die im Urteil erwähnte Richtlinie „über Lebensversicherungen“ ist die Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. 2002, L 345, S. 1).


17      Konkret, enthielt er „… eine Lebensversicherung gegen Zahlung einer monatlichen Prämie, die in festverzinsliche Anlagen, variabel verzinste Anlagen und Finanzanlageprodukte investiert werden soll …“ (Urteil vom 1. März 2012, González Alonso, C‑166/11, EU:C:2012:119, Rn. 28).


18      Ich weise darauf hin, dass Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2002/92 verlangt, dass die Versicherung die Haftpflicht des Vermittlers bei Verletzung beruflicher Sorgfaltspflichten abdeckt.


19      Es mag widersprüchlich erscheinen, dass in diesen Fällen es gerade der Versicherungsnehmer ist, der finanzielle Risiken übernimmt, aber so ist es. Versicherungsanlageprodukte können in Wirklichkeit sehr wenig „sicher“ sein, wenn man dieses Adjektiv in seinem allgemein gebräuchlichen Sinn als bestimmt, unzweifelhaft und risikolos versteht.


20      Das Urteil des spanischen Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 12. Januar 2015 (ES:TS:2015:254) erklärte zwei als „unit linked multiestrategia“ der Gesellschaft C. wegen Willensmängeln für nichtig, die von Filialen des Banco S. als Versicherungsvermittler vertrieben worden waren. In dieser Rechtssache wurde die gesamte Prämie in einem Sammelfonds angelegt, der von einer Wertpapierfirma verwaltet wurde, die zu 100 % der von dieser Bank geführten Unternehmensgruppe gehörte. Der Wert der Fonds fiel aufgrund des „Falls Madoff“ ins Bodenlose, und die Versicherungsnehmer verloren ihre Anlagen (die Bank bot ihnen eine Entschädigung in Vorzugsaktien an). Banco S. bot ein Produkt an, in dem das Geld des Kunden in mehrere Investmentfonds einer bankeigenen Gesellschaft angelegt wurde, die aus steuerlichen Gründen eine Vereinbarung mit der Versicherung C. abgeschlossen hatte, um die Anlage über eine „Unit-linked“-Lebensversicherung gestalten zu können.


21      Die Kommission schätzte im Jahr 2012 den möglichen Schaden des vom Verkauf nicht geeigneter, an Investmentfonds gebundener Lebensversicherungen betroffenen Verbrauchers in der gesamten Union auf maximal 1,1 Billionen Euro. Siehe das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, Zusammenfassung der Folgenabschätzung, in der Anlage zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Versicherungsvermittlung, SWD(2012) 192 final, vom 3. Juli 2012, S. 4.


22      Siehe die Wiedergabe unter Nr. 22. Von der Definition dieser Produkte ausgeschlossen sind Nichtlebensversicherungsprodukte, traditionelle Lebensversicherungen ohne Anlagekomponente, betriebliche Altersversorgungssysteme und individuelle Altersvorsorgeprodukte.


23      Siehe hierzu Nr. 23 dieser Schlussanträge.


24      Normalerweise bekannt als PRIIP-Verordnung (englisches Akronym von Packages Retail and Insurance-based Investment Products).


25      Siehe die Wiedergabe unter Nr. 15. Die Richtlinie 2016/97 spricht von Versicherungsvertrieb anstatt Versicherungsvermittlung, da sie außer der Vermittlung noch andere, mit den neuen Technologien verbundene Vertriebsvarianten umfasst.


26      Der Begriff „Versicherungsanlageprodukt“ wird in Art. 2 Abs. 1 Nr. 17 definiert, indem die durch die MiFID II in die Richtlinie 2002/92 eingeführte Formulierung und die dort vorgesehenen Ausnahmen wörtlich übernommen werden.


27      In Abschnitt 3.3 ihrer schriftlichen Erklärungen scheint Länsförsäkringar ebenfalls dieser Auffassung zu sein. Sie räumt dort ein, dass im Licht der in der Richtlinie 2016/97 enthaltenen Definition die Regeln über Versicherungsanlageprodukte auf diesen Fall anzuwenden gewesen wären, wäre diese Richtlinie bereits damals anstatt der Richtlinie 2002/92 in Kraft gewesen.


28      Die Kontrolle der Wertpapierfirmen, die die Vermarktung von Finanzdienstleistungen übernehmen oder in diesem Bereich beraten, ist strenger, da die Finanzinstrumente, mit denen sie operieren, für die Verbraucher höhere und schwerer verständliche Risiken bergen. Demgegenüber ist die Kontrolle der Vermittlungstätigkeiten der Versicherungsvermittler weniger umfangreich, weil auch das Risiko, dass das Vermögen der Kunden betroffen ist, in geringerem Maße gegeben ist.


29      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung) (ABl. 2006, L 177, S. 201). Ihr Art. 8, der zum Zeitpunkt, als der Sachverhalt sich ereignete, bereits in Kraft war, bestimmt, dass eine Wertpapierfirma dann, wenn sie auch als Versicherungsvermittlerin zugelassen ist, die Voraussetzung von Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2002/92 erfüllen muss (Berufshaftpflichtversicherung) und dass sie außerdem a) ein Anfangskapital von 25 000 Euro haben und b) über eine für das gesamte Unionsgebiet geltende Berufshaftpflichtversicherung oder eine vergleichbare Garantie für Haftungsausfälle aus beruflichem Verschulden verfügen muss, die eine Haftungssumme von mindestens 500 000 Euro für jeden einzelnen Schadensfall und eine Gesamtsumme von mindestens 750 000 Euro für sämtliche Schadensfälle eines Kalenderjahrs vorsieht, oder c) eine Kombination aus Anfangskapital und Berufshaftpflichtversicherung aufweisen muss, die ein Deckungsniveau ermöglicht, welches dem der unter den Buchst. a oder b genannten gleichwertig ist.


      Die Richtlinie 2006/49 wurde durch die Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338) aufgehoben, aber der Inhalt von Art. 8 wurde in Art. 31 Abs. 2 der neuen Richtlinie übernommen.


30      Hervorhebung nur hier.


31      Hervorhebung nur hier.


32      Betreibt ein Versicherungsvermittler Anlageberatung als hauptsächliche Tätigkeit, müssten die nationalen Aufsichtsorgane eingreifen und von ihm die nach der MiFID I für Wertpapierfirmen erforderliche Genehmigung verlangen.


33      Dass in der Aufzählung der Finanzinstrumente in Abschnitt C des Anhangs I der MiFID I nicht die Kategorie „Versicherungsanlageprodukte“ erscheint, bedeutet nicht, dass das mit der Versicherung vermarktete Finanzinstrument sich nicht unter eine der Kategorien dieser Aufzählung subsumieren ließe, wie etwa unter „Wertpapiere“ oder „Anteile von Organismen für gemeinsame Anlagen“.


34      Nach den Informationen aus diesem Sektor ist das Risiko bei diesen Versicherungen normalerweise geringer als bei den unter die MiFID I fallenden Finanzinstrumenten. Vgl. Insurance Europe, Complexity and comprehension for insurance-based investment products (IBIPs), Position Paper COB‑PRI‑17‑002 vom 13. Juni 2017.