Language of document : ECLI:EU:C:2021:727

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

EVGENI TANCHEV

vom 9. September 2021(1)

Rechtssache C232/20

NP

gegen

Daimler AG, Mercedes-Benz Werk Berlin

(Vorabentscheidungsersuchen des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Bedeutung von ‚vorübergehend‘ in Art. 1 der Richtlinie 2008/104/EG – Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 – Übergangsvorschrift, die die Berücksichtigung vor einem Stichtag liegender Zeiten der Überlassung eines Leiharbeitnehmers an ein entleihendes Unternehmen ausschließt – Einführung einer Höchstdauer für die Überlassung von Leiharbeitnehmern an entleihende Unternehmen durch mitgliedstaatliches Gesetz – Recht eines Leiharbeitnehmers auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit dem entleihenden Unternehmen im Falle eines missbräuchlichen Einsatzes von Leiharbeit“






1.        Diese Vorlage zur Vorabentscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (Deutschland) (im Folgenden: vorlegendes Gericht) betrifft die Auslegung der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit(2). Das vorlegende Gericht ersucht im Wesentlichen um Klarstellung zu folgenden vier Punkten.

2.        Erstens, ob sich das Wort „vorübergehend“ in Art. 1 der Richtlinie 2008/104 lediglich auf die Dauer der Überlassung eines Leiharbeitnehmers an ein entleihendes Unternehmen bezieht oder ob das Wort „vorübergehend“ auch an die Art des Arbeitsplatzes gebunden ist, so dass weder ein Arbeitsplatz, der dauerhaft vorhanden ist, noch ein Arbeitsplatz, der nicht wegen abwesender Arbeitskräfte vertretungsweise besetzt wird (im Folgenden: Vertretung), jemals „vorübergehend“ besetzt sein kann?

3.        Zweitens, ob es mit dem Unionsrecht vereinbar ist, dass der Gesetzgeber eines Mitgliedstaats, hier Deutschland, eine Höchstdauer einführt, nach deren Überschreitung die Überlassung eines Leiharbeitnehmers nicht mehr als vorübergehend anzusehen ist, gleichzeitig jedoch Leiharbeitnehmer daran hindert, sich für die Bestimmung der Überschreitung der Höchstdauer auf vor einem bestimmten Stichtag liegende Zeiten der Überlassung zu berufen, insbesondere wenn die Nichtberücksichtigung dieser Zeiten zu dem Ergebnis führt, dass die Überlassungshöchstdauer vom entleihenden Unternehmen eingehalten wurde?

4.        Drittens, ob das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsvertrags zwischen entleihendem Unternehmen und Leiharbeitnehmer eine durch das Unionsrecht garantierte Sanktion ist, falls festgestellt wird, dass mit aufeinanderfolgenden Überlassungen eines Leiharbeitnehmers an dasselbe entleihende Unternehmen die Bestimmungen der Richtlinie 2008/104 umgangen werden sollen, was gegen deren Art. 5 Abs. 5 verstößt (im Folgenden: missbräuchlicher Einsatz von Leiharbeit)?

5.        Viertens, ob gemäß der Richtlinie 2008/104 die Ausdehnung der ansonsten im deutschen Gesetz geregelten Überlassungshöchstdauer auch den Tarifvertragsparteien überlassen werden kann? Falls dies bejaht wird: Gilt dies auch für Tarifvertragsparteien, die nicht für das Arbeitsverhältnis des betroffenen Leiharbeitnehmers, sondern für die Branche des entleihenden Unternehmens zuständig sind?

6.        Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass das englische Wort „temporarily“ (vorübergehend) in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 „lasting for only a limited period of time“ (nur für eine beschränkte Dauer), „not permanent“ (nicht dauerhaft) bedeutet(3), sich jedoch nur auf die Zeiten der Überlassung des betreffenden Leiharbeitnehmers bezieht, nicht aber auf den Arbeitsplatz, auf dem er eingesetzt wird; folglich sind dauerhaft vorhandene Arbeitsplätze wie auch nicht vertretungsweise besetzte Arbeitsplätze nicht automatisch vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/104 ausgeschlossen. Jedoch ist die Art der Arbeit – auch die Frage, ob der Arbeitsplatz dauerhaft vorhanden ist oder nicht – bei der Prüfung zu berücksichtigen, ob es für die aufeinanderfolgende Überlassung von Leiharbeitnehmern an dasselbe entleihende Unternehmen eine objektive Erklärung gibt(4), so dass es sich dabei nicht um einen gegen Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 verstoßenden missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeit handelt(5).

7.        Des Weiteren ist ein mitgliedstaatliches Gesetz, das die Berücksichtigung von Zeiten der Überlassung, die vor einem bestimmten Stichtag, jedoch nach dem Umsetzungsdatum der Richtlinie 2008/104 liegen, ausdrücklich ausschließt, wobei dieser Ausschluss für die Feststellung von Belang ist, ob ein missbräuchlicher Einsatz von Leiharbeit vorliegt, nicht mit Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 vereinbar, wenn es die Dauer einer Zeit der Überlassung, auf die sich ein Leiharbeitnehmer andernfalls berufen könnte, verkürzt. Im Falle eines horizontalen Rechtsstreits zwischen zwei Privatpersonen sind jedoch mitgliedstaatliche Gesetze, die einen solchen Ausschluss vorsehen, nur dann unangewendet zu lassen, wenn dies nicht zu einer Auslegung contra legem des nationalen Rechts zwingt, wobei die Entscheidung darüber Sache des vorlegenden Gerichts ist(6).

8.        Allerdings ist es nach dem Unionsrecht nicht erforderlich, der Feststellung eines missbräuchlichen Einsatzes von Leiharbeit durch Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsvertrags zwischen entleihendem Unternehmen und Leiharbeitnehmer abzuhelfen(7).

9.        Abschließend ist zu sagen, dass nach der gefestigten Regel, dass die Vorschriften der Unionsrichtlinien im Bereich des Arbeitsrechts nicht nur im Wege der Gesetzgebung, sondern auch durch allgemeinverbindliche Tarifverträge umgesetzt werden können(8), die Ausdehnung der im deutschen Gesetz vorgesehenen individuellen Überlassungshöchstdauer den Tarifvertragsparteien überlassen werden kann, die nur für die Branche des entleihenden Unternehmens zuständig sind. Auch für solche Verträge gilt jedoch die in Nr. 7 beschriebene Schranke.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

10.      Art. 1 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 lautet:

„Diese Richtlinie gilt für Arbeitnehmer, die mit einem Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag geschlossen haben oder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen sind und die entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, um vorübergehend unter deren Aufsicht und Leitung zu arbeiten.“

B.      Deutsches Recht

11.      Das deutsche Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG) regelte in der vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. März 2017 geltenden Fassung in § 1 Abs. 1 Satz 2, dass „[d]ie Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher … vorübergehend [erfolgt].“

12.      In der Vorlageentscheidung heißt es, dass es bis April 2017 keine spezifische Sanktion für den Verstoß gegen diese Bestimmung gegeben habe(9), dass jedoch in § 9 AÜG Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern u. a. dann für unwirksam erklärt worden seien, wenn der Verleiher nicht die nach dem AÜG erforderliche Erlaubnis gehabt habe. § 10 AÜG habe in Ergänzung dazu bestimmt, dass in diesem Falle ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen gelte.

13.      Mit dem Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom 21. Februar 2017 wurde das AÜG mit Wirkung ab dem 1. April 2017 geändert. In § 1 AÜG wurde folgender Abs. 1b neu eingefügt:

„Der Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen. Der Zeitraum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen. In einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche kann eine von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. … In einer aufgrund eines Tarifvertrages von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche getroffenen Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann eine von Satz 1 abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. …“

14.      In § 9 Abs. 1 AÜG wurde ein Abs. 1b eingefügt:

„Unwirksam sind:

1b. Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern mit dem Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält,

…“

15.      In § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ist die Rechtsfolge der Unwirksamkeit nunmehr geregelt:

„Ist der Vertrag zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer nach § 9 unwirksam, so gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen; tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, so gilt das Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen.“

16.      § 19 Abs. 2 AÜG enthält eine Übergangsvorschrift (im Folgenden: Übergangsvorschrift):

„Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 werden bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b … nicht berücksichtigt.“

17.      Der „Tarifvertrag zur Leih‑/Zeitarbeit in der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg vom 01.06.2017“ nimmt ausdrücklich auf die gesetzliche Öffnungsklausel in § 1 Abs. 1b AÜG Bezug. Nach deren Übergangsvorschrift sollen im Fall von Betrieben ohne Betriebsvereinbarung Arbeitgeber und Betriebsrat eine Überlassungshöchstdauer vereinbaren. Sofern keine Einigung erzielt wird, gilt eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten ab dem 1. Juni 2017.

18.      Für den Betrieb der Beklagten in Berlin besteht keine Betriebsvereinbarung. Auf der Ebene des Unternehmens regelt die ergänzende Gesamtbetriebsvereinbarung vom 20. September 2017 (die von der Beklagten mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossen wurde), dass in der Produktion der Einsatz von Zeitarbeitnehmern eine Höchstdauer von 36 Monaten nicht überschreiten darf. Für Zeitarbeitnehmer, die am 1. April 2017 bereits beschäftigt waren, sind nur die Einsatzzeiten ab dem 1. April 2017 auf diese Dauer anzurechnen.

II.    Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

19.      Der Kläger NP (im Folgenden: Kläger) ist seit dem 1. September 2014 bei einem Leiharbeitsunternehmen beschäftigt, und zwar zu einem Stundenlohn von 9,36 Euro(10). Das Arbeitsverhältnis war anfangs zweimal auf jeweils ein Jahr befristet worden und wurde danach unbefristet durchgeführt. Die Einsätze des Klägers sind in einem Zeitraum von 56 Monaten 18‑mal verlängert worden.

20.      In einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und dem Leiharbeitsunternehmen wurde festgelegt, dass der Kläger die Arbeitsleistung beim entleihenden Unternehmen D. (im Folgenden: Beklagte) in deren Automobilwerk in Berlin als Metallarbeiter zu erbringen hatte. Die dort auszuführenden Arbeitsschritte in der Motorenfertigung wurden in der Zusatzvereinbarung genau beschrieben. Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers mit dem Leiharbeitsunternehmen kamen auf das Arbeitsverhältnis bestimmte, für die Leiharbeitsbranche geltende Tarifverträge zur Anwendung.

21.      Der Kläger wurde vom 1. September 2014 bis 31. Mai 2019 ausschließlich der Beklagten überlassen, die das entleihende Unternehmen war. Er arbeitete ständig in der Motorenfertigung. Ein Vertretungsfall lag nicht vor. Unterbrochen war diese Zeit nur für zwei Monate (vom 21. April 2016 bis 20. Juni 2016), während deren der Kläger wegen Elternzeit (Elternurlaub) von der Arbeit freigestellt war.

22.      Mit der am 27. Juni 2019 beim Arbeitsgericht Berlin (Deutschland) erhobenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass zwischen den Parteien seit einem von mehreren hilfsweise genannten Daten ein Arbeitsverhältnis besteht(11).

23.      In der Vorlageentscheidung heißt es, dass der Kläger in der ersten Instanz u. a. die Ansicht vertreten habe, dass die Überlassung an die Beklagte nicht mehr als „vorübergehend“ eingestuft werden könne und dass die Übergangsvorschrift des § 19 Abs. 2 AÜG gegen das Unionsrecht verstoße.

24.      Die Beklagte habe die Ansicht vertreten, dass das Kriterium „vorübergehend“ seit dem 1. April 2017 durch den Gesetzgeber geklärt sei. Seither könne durch Tarifvertrag von der maximalen Überlassungsdauer von 18 Monaten abgewichen werden. Die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 20. September 2017 vorgesehene Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten sei nicht überschritten worden, da nur Zeiten ab dem 1. April 2017 zu berücksichtigen seien.

25.      Das Arbeitsgericht Berlin schloss sich im Urteil vom 8. Oktober 2019 der Rechtsansicht der Beklagten an und wies die Klage ab.

26.      Dagegen richtete sich die am 22. November 2019 beim vorlegenden Gericht eingelegte Berufung. Dieses legt dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1.      Ist die Überlassung eines Leiharbeitnehmers an ein entleihendes Unternehmen schon dann nicht mehr als „vorübergehend“ im Sinne von Art. 1 der Richtlinie 2008/104 anzusehen, wenn die Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz erfolgt, der dauerhaft vorhanden ist und der nicht vertretungsweise besetzt wird?

2.      Ist die Überlassung eines Leiharbeitnehmers unterhalb einer Zeitspanne von 55 Monaten als nicht mehr „vorübergehend“ im Sinne von Art. 1 der Richtlinie 2008/104 anzusehen?

Falls die Fragen zu 1. und/oder 2. bejaht werden, ergeben sich folgende Zusatzfragen:

3.1.      Besteht für den Leiharbeitnehmer ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen, auch wenn das nationale Recht eine solche Sanktion vor dem 1. April 2017 nicht vorsieht?

3.2.      Verstößt eine nationale Regelung wie § 19 Abs. 2 AÜG dann gegen Art. 1 der Richtlinie 2008/104, wenn sie erstmals ab dem 1. April 2017 eine individuelle Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten vorschreibt, vorangegangene Zeiten der Überlassung aber ausdrücklich unberücksichtigt lässt, wenn bei Berücksichtigung der vorangegangenen Zeiten die Überlassung als nicht mehr vorübergehend zu qualifizieren wäre?

3.3.      Kann die Ausdehnung der individuellen Überlassungshöchstdauer den Tarifvertragsparteien überlassen werden? Falls dies bejaht wird: Gilt dies auch für Tarifvertragsparteien, die nicht für das Arbeitsverhältnis des betroffenen Leiharbeitnehmers, sondern für die Branche des entleihenden Unternehmens zuständig sind?

27.      Der Kläger, die Beklagte, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.

III. Vorbemerkungen

28.      Als Erstes ist anzumerken, dass in den Vorlagefragen von der Auslegung des Wortes „vorübergehend“ [als Adjektiv, im Englischen „temporary“] in Art. 1 der Richtlinie 2008/104 die Rede ist, während in Art. 1 der Richtlinie vielmehr das Adverb „temporarily“ [Hervorhebung nur hier; im Deutschen: „um vorübergehend … zu arbeiten“] verwendet wird(12). Aus den nachstehend dargelegten Gründen wird hier vorgeschlagen, die Vorlagefragen umzuformulieren. Dabei wird auch das Adjektiv „temporary“ durch das Adverb „temporarily“ ersetzt werden.

29.      Als Zweites ist des Weiteren anzumerken, dass die Vorlageentscheidung am 13. Mai 2020 verkündet wurde, bevor der Gerichtshof das Urteil vom 14. Oktober 2020, KG (Aufeinanderfolgende Überlassungen im Rahmen von Leiharbeit) (im Folgenden: Urteil KG), erließ(13). Darin ging es um genau die Fragen, mit denen das vorlegende Gericht befasst ist; nämlich (i) um die rechtlichen Folgen, die sich aus mehreren und aufeinanderfolgenden Überlassungen eines Leiharbeitnehmers an ein und dasselbe entleihende Unternehmen ergeben, wenn die betreffende Stelle nicht lediglich vertretungsweise besetzt wurde, sowie (ii) ob der klagende Leiharbeitnehmer aufgrund der Richtlinie 2008/104 im Falle des missbräuchlichen Einsatzes der Leiharbeit Anspruch auf Feststellung des Bestehens eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen hatte.

30.      Allerdings wurde die Auseinandersetzung in der Rechtssache KG als eine solche über Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 und nicht deren Art. 1 verstanden; in den schriftlichen Erklärungen wurden Ausführungen zu Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 gemacht, obwohl mit den Vorlagefragen nicht um dessen Auslegung ersucht worden war. Wegen der Ähnlichkeiten des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren und desjenigen, mit dem über den der Gerichtshof in der Rechtssache KG befunden hat, sind die sich hier stellenden Fragen in gewissem Maße bereits durch das Urteil beantwortet worden; zumindest hat es die Grundlagen gelegt, auf denen die Entscheidung des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren aufbauen kann. Diese Schlussanträge stützen sich daher weitgehend auf die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil KG.

31.      Als Drittes, und dies folgt daraus, ist bei der Beantwortung der ersten beiden Vorlagefragen Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 in Verbindung mit deren Art. 1 zu lesen. Wie die französische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, ist der Akte zu entnehmen, dass es dem vorlegenden Gericht mit seinem Ersuchen um die Auslegung des Worts „vorübergehend“ in Art. 1 der Richtlinie 2008/104 nicht darum geht, ob der Kläger in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt. Das vorlegende Gericht möchte vielmehr wissen, ob es sich um einen missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeit handele, wenn auf aufeinanderfolgende befristete Verträge innerhalb desselben entleihenden Unternehmens zurückgegriffen werde, wozu der Kläger die Ansicht vertreten habe, dass die 18 Vertragsverlängerungen in einem Zeitraum von 56 Monaten einen Missbrauch darstellten.

32.      Die französische Regierung hat in ihren schriftlichen Erklärungen ferner darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung „der Gerichtshof …, um dem Gericht, das um Vorabentscheidung ersucht, sachdienlich zu antworten, auf unionsrechtliche Vorschriften eingehen [kann], die in den Vorlagefragen nicht angeführt sind“(14). Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren(15).

33.      Im Hinblick darauf schlage ich vor, die erste und die zweite Frage in folgende einzige Frage umzuformulieren:

1.      Ist Art. 5 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2008/104 in Verbindung mit dem Wort „vorübergehend“ in deren Art. 1 dahin zu verstehen, dass die Überlassung eines Leiharbeitnehmers an dasselbe entleihende Unternehmen über einen Zeitraum von mehr als 55 Monaten, wodurch ein dauerhaft vorhandener Arbeitsplatz nicht nur vertretungsweise besetzt wird, als aufeinanderfolgende Überlassungen, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie 2008/104 umgangen werden sollen, ausgeschlossen ist?

34.      Die Fragen 3.1 und 3.2 betreffen beide die zum 1. April 2017 in Kraft getretenen Änderungen des deutschen Rechts. Die eine Änderung betrifft die Festlegung einer Überlassungshöchstdauer, nach deren Überschreiten anzunehmen ist, dass ein missbräuchlicher Einsatz von Leiharbeit gegeben ist (siehe oben, Nr. 13), während die andere den Rechtsanspruch betrifft, der bei einem solchen Verstoß besteht (oben, Nrn. 14 und 15). In logischer Hinsicht ist es deshalb vielleicht sinnvoller, die Reihenfolge der Fragen umzukehren und ihren Wortlaut wie folgt zu vereinfachen:

2.      Ist ein mitgliedstaatliches Gesetz, das eine Höchstdauer der Überlassung an ein und dasselbe entleihende Unternehmen von 18 Monaten ab dem 1. April 2017 vorschreibt, jedoch ausdrücklich ausschließt, vor dem Stichtag liegende Zeiten der Überlassung für die Feststellung eines missbräuchlichen Einsatzes von Leiharbeit zu berücksichtigen, mit Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 zu vereinbaren, wenn bei Berücksichtigung der vor dem 1. April 2017 liegenden Zeiten die Überlassung als nicht mehr vorübergehend zu qualifizieren wäre?

3.      Falls Frage 2 verneint wird: Hat ein Leiharbeitnehmer aus der Richtlinie 2008/104 Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen, falls ein missbräuchlicher Einsatz von Leiharbeit im Sinne von Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 festgestellt wird(16)?

35.      Frage 3.3 könnte unverändert bleiben und Frage 4 werden.

IV.    Beantwortung der umformulierten Fragen

A.      Beantwortung der ersten Frage

36.      Die erste Frage sollte wie folgt beantwortet werden.

Bei der Entscheidung, ob Art. 5 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2008/104 in Verbindung mit dem Wort „vorübergehend“ in deren Art. 1 die Überlassung eines Leiharbeitnehmers an dasselbe entleihende Unternehmen über einen Zeitraum von mehr als 55 Monaten, wodurch ein dauerhaft vorhandener Arbeitsplatz nicht nur vertretungsweise besetzt wird, ausschließt, ist ein mitgliedstaatliches Gericht im Hinblick auf das Unionsrecht gehalten, Folgendes zu prüfen:

(i)      Hat die aufeinanderfolgende Überlassung eines Leiharbeitnehmers an dasselbe entleihende Unternehmen zu einer Beschäftigungsdauer geführt, die länger ist, als was vernünftigerweise als „um vorübergehend … zu arbeiten“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 betrachtet werden kann?

(ii)      Ist für die Entscheidung des entleihenden Unternehmens, auf eine Reihe aufeinanderfolgender Leiharbeitsverträge zurückzugreifen, eine objektive Erklärung gegeben worden?

(iii)      Sind Bestimmungen der Richtlinie 2008/104 umgangen worden?

(iv)      Handelt es sich – unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte und Berücksichtigung aller Umstände – um ein (unbefristetes) Arbeitsverhältnis, auf das unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 aufeinanderfolgende Leiharbeitsverträge künstlich angewandt wurden?

1.      Bedeutung von „vorübergehend“

37.      Wie Generalanwalt Szpunar in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache AKT ausgeführt hat, enthält die Richtlinie 2008/104, „keine Definition der Leiharbeit und zählt auch nicht abschließend die Fälle auf, die den Einsatz dieser Arbeitsform rechtfertigen. Ihr zwölfter Erwägungsgrund weist im Gegenteil darauf hin, dass sie die Vielfalt der Arbeitsmärkte wahren soll“(17). Die Mitgliedstaaten haben hinsichtlich der Festlegung von Situationen, die einen Einsatz von Leiharbeit rechtfertigen, einen bedeutenden Wertungsspielraum behalten(18), da die Richtlinie 2008/104 „nur die Einführung von Mindestvorschriften [vorsieht]“(19).

38.      Der Begriff „vorübergehend“ in Art. 1 der Richtlinie 2008/104 ist zwar weit auszulegen, doch geht es darin, um nicht die Verwirklichung ihrer Ziele zu gefährden und ihre praktische Wirksamkeit durch eine allein auf den Wortlaut abstellende Auslegung ihres Anwendungsbereichs übermäßig und ungerechtfertigt zu beeinträchtigen(20), um die Dauer der Überlassung des Leiharbeitnehmers, und nicht um den Arbeitsplatz, auf dem er eingesetzt wird.

39.      Art. 1 Abs. 1 betrifft Leiharbeitnehmer, die einem entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, „um vorübergehend … zu arbeiten“(21). Mit anderen Worten, und wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vertritt: Diesem Wortlaut ist zu entnehmen, dass es das Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem entleihenden Unternehmen ist, das vorübergehend ist, und nicht der Arbeitsplatz, auf dem der Leiharbeitnehmer beschäftigt wird; die Richtlinie enthält nichts zur Art der Arbeit und somit nichts, woraus sich ergäbe, dass der Arbeitsplatz, auf dem der Leiharbeitnehmer beschäftigt wird, nicht dauerhaft sein darf. Zu demselben Ergebnis gelangt man über eine am Wortlaut orientierte Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b, c und e der Richtlinie 2008/104, in dem die Begriffe Arbeitnehmer, Leiharbeitsunternehmen, Leiharbeitnehmer und Überlassung definiert sind(22). So ist auch der Gerichtshof im Urteil KG unter Bezugnahme auf diese Bestimmungen zu dem Schluss gelangt, dass es das „Arbeitsverhältnis“ mit einem entleihenden Unternehmen ist, das „seiner Natur nach vorübergehend ist“(23).

40.      Der Wortlaut der Richtlinie zeigt – worauf in den schriftlichen Erklärungen Deutschlands hingewiesen wurde –, dass den Mitgliedstaaten ein weiter Ermessensspielraum bei der Umsetzung des Begriffs „vorübergehend“ einzuräumen ist, solange eine vorübergehende Überlassung nicht zu einer Überlassung von übermäßiger Dauer wird, die einer dauerhaften Überlassung gleichsteht.

41.      Den Ausführungen in den schriftlichen Erklärungen des Klägers, wonach der Zusammenhang, in dem der Begriff „vorübergehend“ in Art. 1 Abs. 1 stehe, wie auch der Zweck der Richtlinie 2008/104 dafürsprächen, dass dieser arbeitsplatz- und arbeitnehmerbezogen verstanden werden könne, kann nicht gefolgt werden. Im zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/104 ist von der „Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen“(24) die Rede, einem Anliegen, das gefährdet wäre, falls der Begriff „vorübergehend“ an den Arbeitsplatz gebunden wäre, auf dem ein Leiharbeitnehmer eingesetzt wird, denn dies hätte Auswirkungen auf den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Gestattung des Einsatzes von Leiharbeitnehmern auf dauerhaft vorhandenen Arbeitsplätzen, die nicht nur vertretungsweise besetzt sind. Außerdem bezieht sich die Richtlinie, wie im Urteil KG ausgeführt, in ihrem 15. Erwägungsgrund auf „unbefristete Arbeitsverträge“, d. h. Dauerarbeitsverhältnisse, und legt damit zusammen mit Art. 6 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2008/104 „Dauerarbeitsverhältnisse“ als die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses fest(25). Das Gegenteil davon sind Arbeitsverhältnisse oder Überlassungen, die zeitlich befristet sind.

42.      Die Hauptzwecke der Richtlinie 2008/104 werden in deren Art. 2 aufgeführt und betreffen die Entwicklung flexibler Arbeitsformen, die Schaffung von Arbeitsplätzen und den Schutz von Leiharbeitnehmern(26). Es gibt keinen klaren Zusammenhang zwischen diesen Zielen und dem Schritt der Anbindung des Begriffs „vorübergehend“ an den Arbeitsplatz, auf dem der Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Dasselbe gilt auch für das der Richtlinie 2008/104 innewohnende Ziel, dass Leiharbeit nicht zu einer Dauersituation werden sollte(27). Die Ziele der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Eingliederung von Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt (vgl. elfter Erwägungsgrund) können, worauf die Beklagte in ihren schriftlichen Erklärungen hingewiesen hat, nicht zu dem Schluss führen, dass der zeitlich befristete Einsatz von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen per se ausgeschlossen wäre.

43.      Abschließend bin ich geneigt, den Ausführungen der Kommission und Deutschlands zu folgen, wonach der Begriff „vorübergehend“ nach der Entstehungsgeschichte von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 nicht auf die Art des Arbeitsplatzes, auf dem ein Leiharbeitnehmer eingesetzt werde, bezogen sei(28), und dies trotz des gegenteiligen Vorbringens des Klägers(29).

44.      Folglich bezieht sich „vorübergehend“ ausschließlich auf die Überlassung des Leiharbeitnehmers und es bedeutet „nur für eine beschränkte Zeitdauer“ und „nicht dauerhaft“(30), wobei sich dies allein auf den Zeitraum bezieht, während dessen der betreffende Leiharbeitnehmer zur Verfügung gestellt wird.

2.      Missbräuchlicher Einsatz von Leiharbeit

45.      Nach alledem, und entgegen den Vermutungen in den schriftlichen Erklärungen des Klägers, wird hier nicht vorgeschlagen, den Einsatz von Zeitarbeitnehmern auf dauerhaft vorhandenen Arbeitsplätzen oder nicht vertretungsweise besetzten Arbeitsplätzen zeitlich unbegrenzt zuzulassen. Während im Urteil KG ausgeführt wird, dass Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 „die Mitgliedstaaten somit nicht dazu [verpflichtet], die Zahl der aufeinanderfolgenden Überlassungen desselben Arbeitnehmers bei demselben entleihenden Unternehmen zu begrenzen oder den Einsatz von befristeter Arbeitnehmerüberlassung von der Angabe der technischen oder mit der Produktion, der Organisation oder der Ersetzung eines Arbeitnehmers zusammenhängenden Gründe abhängig zu machen“(31), heißt es dort weiter, dass Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 das Ziel habe, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine missbräuchliche Anwendung (i) der nach dieser Bestimmung zugelassenen Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung sowie (ii) aufeinanderfolgende befristete Überlassungen, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie insgesamt umgangen werden sollen, zu verhindern(32); dabei ist die letztgenannte Verpflichtung weit gefasst(33).

46.      In der Rechtssache KG wurde folglich entschieden, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, die rechtliche Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses sowohl im Hinblick auf die Richtlinie 2008/104 selbst als auch auf das mitgliedstaatliche Recht zu deren Umsetzung zu kontrollieren, um zu überprüfen, ob es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis handelt, auf das die Form aufeinanderfolgender Leiharbeitsverträge künstlich in einer Weise angewandt wurde, die darauf ausgelegt war, die Ziele der Richtlinie 2008/104, insbesondere die vorübergehende Natur der Leiharbeit, zu umgehen(34).

47.      Ergänzend hat der Gerichtshof hinzugefügt, dass das vorlegende Gericht für diese Beurteilung folgende Erwägungen berücksichtigen kann: (a) ob aufeinanderfolgende Überlassungen desselben Leiharbeitnehmers bei demselben entleihenden Unternehmen zu einer Beschäftigungsdauer bei diesem Unternehmen führen, die länger ist, als was vernünftigerweise als „vorübergehend“ betrachtet werden kann, was ein Hinweis auf einen missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender Überlassungen im Sinne von Art. 5 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2008/104 sein könnte. Diese Ausführungen erfolgten vor dem Hintergrund, dass aufeinanderfolgende Überlassungen desselben Leiharbeitnehmers an dasselbe entleihende Unternehmen den Ausgleich, den die Richtlinie zwischen der Flexibilität für die Arbeitgeber und der Sicherheit für die Arbeitnehmer herstellt, beeinträchtigen, indem sie Letztere unterminieren; (b) wenn in einem konkreten Fall keine objektive Erklärung dafür gegeben wird, dass das betreffende entleihende Unternehmen auf eine Reihe aufeinanderfolgender Leiharbeitsverträge zurückgreift, hat das nationale Gericht – vor dem Hintergrund des nationalen Rechtsrahmens und unter Berücksichtigung der Umstände jedes Einzelfalls – zu prüfen, ob eine der Bestimmungen der Richtlinie 2008/104 umgangen wurde, und dies erst recht, wenn es derselbe Leiharbeitnehmer ist, der dem entleihenden Unternehmen durch die in Rede stehende Reihe von Verträgen überlassen wird(35).

48.      Folglich ist, worauf die französische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen hingewiesen hat, die Dauer einer Überlassung im Rahmen der Leiharbeit nur eines der Kriterien, das für die Beurteilung, ob ein missbräuchlicher Einsatz von Leiharbeit gegeben ist, zu berücksichtigen ist. Aus den vorstehend wiedergegebenen Gesichtspunkten der im Urteil KG getroffenen Entscheidung ist ersichtlich, dass ein Mitgliedstaat gemäß Art. 5 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 verpflichtet ist, Folgendes zu prüfen:

(i)      Hat die aufeinanderfolgende Überlassung an dasselbe entleihende Unternehmen zu einer Beschäftigungsdauer geführt, die nicht länger ist, als was vernünftigerweise als Überlassung an ein entleihendes Unternehmen „um vorübergehend … zu arbeiten“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 betrachtet werden kann?

(ii)      Ist für die Entscheidung des entleihenden Unternehmens, auf eine Reihe aufeinanderfolgender Leiharbeitsverträge zurückzugreifen, eine objektive Erklärung gegeben worden?

(iii)      Sind Bestimmungen der Richtlinie 2008/104 umgangen worden?

(iv)      Handelt es sich – unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte und Berücksichtigung aller Umstände – um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, auf das aufeinanderfolgende Leiharbeitsverträge unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 künstlich angewandt wurden?

49.      Es ist unter Punkt (ii), dass die Art des Arbeitsplatzes, auf dem ein Leiharbeitnehmer eingesetzt wird, relevant wird, und zwar auch, ob dieser dauerhaft vorhanden ist und nicht vertretungsweise besetzt wird. Das Urteil KG steht der Berücksichtigung von „technischen oder mit der Produktion, der Organisation oder der Ersetzung eines Arbeitnehmers zusammenhängenden Gründen“ in diesem Zusammenhang nicht entgegen, da es sich auf die Feststellung beschränkt, dass deren „Angabe“ nicht erforderlich ist; es heißt aber auch nicht, dass diese von der objektiven Erklärung ausgeschlossen wären(36).

50.      Für ein Unternehmen, das in laufender Forschung und Entwicklung tätig ist, kann es z. B. nötig sein, das Team seiner Arbeitskräfte in einem Bereich, in dem es normalerweise nur fest angestellte Arbeitnehmer beschäftigt, zu erweitern. Der Bedarf an Leiharbeitnehmern kann sich aus den vorläufigen Ergebnissen eines Forschungs- und Entwicklungsprogramms ergeben. Eine solche Teamerweiterung kann anfangs unter Rückgriff auf Leiharbeitnehmer erfolgen, weil noch keine Investoren dafür gewonnen werden konnten, die Forschungsergebnisse weiterzuentwickeln, oder weil der Forschungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Dies ist die Art von Erklärung, bei der ein nationaler Richter unter Berücksichtigung aller Umstände zu dem Ergebnis gelangen kann, dass es sich um eine objektive Erklärung dafür handelt, weshalb mehrmals nacheinander auf Leiharbeitnehmer zurückgegriffen werden musste, obgleich die betreffenden Arbeitsplätze nicht vertretungsweise besetzt wurden und anderweitig im entleihenden Unternehmen dauerhaft besetzt waren.

51.      Mit dem Urteil KG ist vielleicht noch nicht geklärt worden, ob der missbräuchliche Einsatz von Leiharbeit die Feststellung der Umgehung von Bestimmungen der Richtlinie 2008/104 neben deren Art. 5 Abs. 5 selbst voraussetzt(37).

52.      Ich neige jedoch zu der Ansicht, dass dem nicht so ist, da der Gerichtshof im Urteil KG entschieden hat, dass aufeinanderfolgende Überlassungen desselben Leiharbeitnehmers an dasselbe entleihende Unternehmen den Wesensgehalt der Bestimmungen der Richtlinie 2008/104 umgehen(38). Er hat im Urteil KG des Weiteren ausgeführt, dass eine der Verpflichtungen, die Art. 5 Abs. 5 den Mitgliedstaaten auferlegt, die ist, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um aufeinanderfolgende Überlassungen zu verhindern, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie 2008/104 insgesamt umgangen werden sollen(39), und dass die Richtlinie 2008/104 „auch sicherstellen soll, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass Leiharbeit bei demselben entleihenden Unternehmen nicht zu einer Dauersituation für einen Leiharbeitnehmer wird“(40).

53.      Folglich stützt das Urteil KG die Auslegung, dass jede Verletzung der Verpflichtungen, die durch die Richtlinie 2008/104 zusätzlich zu deren Art. 5 Abs. 5 auferlegt werden, wie etwa die Garantie der Lohngleichheit für Leiharbeitnehmer und diejenigen, die vom entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz angestellt worden sind (vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 in Verbindung mit deren Art. 3 Abs. 1 Buchst. f)(41), für die letztendlich vom vorlegenden Gericht zu treffende Entscheidung im Prüfungsschritt (iv) (siehe oben, Nr. 48) relevant ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls aufeinanderfolgende Leiharbeitsverträge künstlich auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angewandt wurden und damit gegen Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 verstoßen wurde. Es ist daran zu erinnern, dass es im Ausgangsverfahren um 18 Verlängerungen innerhalb eines Zeitraums von 56 Monaten ging.

54.      Dieser Ansatz spiegelt die weiteren Ausführungen im Urteil KG wider, dass die Garantie der „wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“ der Leiharbeitnehmer im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 in Verbindung mit deren Art. 3 Abs. 1 Buchst. f weit auszulegen ist, um die Einhaltung der Charta zu gewährleisten(42).

55.      Aus diesen Gründen sollte die erste Frage wie vorstehend in Nr. 36 dargelegt beantwortet werden.

B.      Beantwortung der zweiten Frage

56.      Die zweite Frage sollte dahin beantwortet werden, dass ein mitgliedstaatliches Gesetz, durch das die Berücksichtigung von Zeiten der Überlassung, die vor einem bestimmten Stichtag, jedoch nach dem Umsetzungsdatum der Richtlinie 2008/104 liegen, ausdrücklich ausgeschlossen wird, wobei dieser Ausschluss für die Feststellung, ob ein missbräuchlicher Einsatz von Leiharbeit vorliegt, von Belang ist, nicht mit Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 vereinbar ist, wenn es die Dauer einer Zeit der Überlassung, auf die sich ein Leiharbeitnehmer andernfalls berufen könnte, verkürzt. Im Falle eines horizontalen Rechtsstreits zwischen zwei Privatpersonen sind nicht unionsrechtskonforme mitgliedstaatliche Gesetze, die einen solchen Ausschluss vorsehen, jedoch nur dann unangewendet zu lassen, wenn dies nicht zu einer Auslegung des nationalen Rechts contra legem zwingt, wobei dies zu entscheiden Sache des vorlegenden Gerichts ist.

57.      Dies ergibt sich aus folgenden Gründen.

58.      Deutschlands Umsetzung von Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 sah anfänglich lediglich vor, dass gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG „[d]ie Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher … vorübergehend [erfolgt]“(43), wobei sich die für den Fall der Zuwiderhandlung vorgesehenen Regelungen auf die vorstehend genannten Sanktionen (siehe oben, Nr. 12) beschränkten. Diese Umsetzung mag minimalistisch sein, man kann Deutschland jedoch nicht vorwerfen, „keine Maßnahmen zu ergreifen, um den vorübergehenden Charakter der Leiharbeit zu wahren“(44), und damit gegen Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 verstoßen zu haben.

59.      Hätte es in Deutschland nicht die zum 1. April 2017 in Kraft getretene Gesetzesreform gegeben (siehe oben, Nrn. 13 bis 16), hätte sich der Kläger nach den oben bezüglich der ersten Frage aufgestellten Prüfungskriterien (siehe Nr. 36) darauf berufen können, dass seine Überlassung für eine Dauer von vier Jahren und neun Monaten, nämlich vom 1. September 2014 bis zum 31. Mai 2019, unter Berücksichtigung aller Umstände nach dem Unionsrecht einen gegen Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 verstoßenden missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeit darstellte, da Deutschland verpflichtet war, die Richtlinie bis zum 5. Dezember 2011 umzusetzen. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG ist im Einklang damit auszulegen(45).

60.      Allerdings hat die am 1. April 2017 in Kraft getretene Reform des deutschen Gesetzes dazu geführt, dieser Rechtsgrundlage für den Kläger den Boden zu entziehen. Nach der von der Beklagten befürworteten Lesart der Reform muss die Zeit vom 1. September 2014 bis zum 1. April 2017 für die Beurteilung, ob ein missbräuchlicher Einsatz von Leiharbeit gegeben ist, außer Betracht bleiben und bedeutet zugleich, dass der Kläger weiterhin von der neuen gesetzlichen Höchstdauer von 18 Monaten für die Überlassung von Leiharbeitnehmern an dasselbe entleihende Unternehmen betroffen ist.

61.      In Deutschlands schriftlichen Erklärungen wird ausgeführt, mit der Gesetzesänderung zum 1. April 2017 habe Deutschland lediglich die zuvor flexibel gehaltene Zeitkomponente bei der Umsetzung von Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 durch Einführung einer Obergrenze von 18 Monaten für die Überlassung desselben Leiharbeitnehmers an dasselbe entleihende Unternehmen konkretisiert.

62.      Deutschland hat jedoch, im Licht der zur ersten Frage vorgenommenen Analyse, das ihm aufgrund von Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 eingeräumte Ermessen, eine Höchstdauer für die Überlassung von Leiharbeitnehmern an dasselbe entleihende Unternehmen zu bestimmen, obwohl die Richtlinie 2008/104 Deutschland nicht zur Begrenzung verpflichtet(46), überschritten, da, worauf in den schriftlichen Erklärungen der Kommission hingewiesen wurde, die zum 1. April 2017 in Kraft getretene Reform die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2008/104 im Vergleich zur vorherigen rechtlichen Regelung in diesem Mitgliedstaat aktiv beeinträchtigt und den Kläger benachteiligt, der den gesamten betreffenden Zeitraum über unstreitig den Status eines Leiharbeitnehmers im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2008/104 hatte und im Rahmen einer „Überlassung“ im Sinne ihres Art. 3 Abs. 1 Buchst. e bei demselben entleihenden Unternehmen tätig war, und zwar über einen Zeitraum von vier Jahren und neun Monaten nach Ablauf der am 5. Dezember 2011 endenden Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2008/104(47). Diese Situation ist weder vereinbar mit Art. 10 und dem 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/104 sowie der Verpflichtung in deren Art. 2, „für den Schutz der Leiharbeitnehmer zu sorgen“, noch mit Deutschlands allgemeinen Treuepflichten gemäß Art. 4 EUV bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, und Art. 288 AEUV, was die Bindungswirkung von Richtlinien betrifft.

63.      Nach gefestigter Rechtsprechung findet die Verpflichtung zur Auslegung allerdings ihre Schranken, wenn die Auslegung mitgliedstaatlichen Rechts im Einklang mit dem Unionsrecht zu einer Bedeutung contra legem des nationalen Rechts führen würde(48). Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts(49), zu entscheiden, ob nicht die Übergangsvorschrift in § 19 Abs. 2 AÜG, dass „Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 … bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer nach § 1 Absatz 1b … nicht berücksichtigt [werden]“, unter Berücksichtigung „des gesamten innerstaatlichen Rechts“(50) auf eine andere Weise dahin ausgelegt werden kann, dass dem Kläger nicht jede Möglichkeit genommen wird, sich auf die volle Dauer der Überlassung von insgesamt vier Jahren und neun Monaten in der Zeit vom 1. September 2014 bis zum 31. Mai 2019 zu berufen, so wie dies bis zum 1. April 2017 im deutschen Recht vorgesehen war.

64.      Mit anderen Worten: Lässt sich das mit der Richtlinie 2008/104 angestrebte Ergebnis nur durch eine Auslegung der §§ 1 Abs. 1 Buchst. b und 19 Abs. 2 AÜG contra legem erzielen? Könnten z. B. diese Bestimmungen unter Berücksichtigung des gesamten deutschen Rechts so verstanden werden, dass die vorherige gesetzliche Regelung nicht gänzlich ersetzt würde, so dass Leiharbeitnehmer die Möglichkeit hätten, den missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeit gemäß den im Urteil KG aufgestellten und in der Antwort auf die erste Frage im Einzelnen aufgeführten Kriterien hinsichtlich des gesamten Überlassungszeitraums geltend zu machen? Sollte sich dieses Ergebnis nur mit einer Auslegung contra legem erzielen lassen, steht dem Kläger nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Abhilfe der Rechtsweg offen, Deutschland nach den Francovich-Regeln(51) auf Staatshaftung in Anspruch zu nehmen wegen Verletzung seiner Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104, „die erforderlichen Maßnahmen … [zu ergreifen], um eine missbräuchliche Anwendung dieses Artikels zu verhindern und um insbesondere aufeinanderfolgende Überlassungen, mit denen die Bestimmungen der Richtlinie umgangen werden sollen, zu verhindern“(52).

65.      Abschließend ist zu sagen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass Bestimmungen der Charta, die schon aus sich heraus Wirkung entfalten und nicht durch Bestimmungen des Unionsrechts oder des nationalen Rechts konkretisiert werden müssen, um dem Einzelnen Rechte zu verleihen(53), wie etwa die Art. 21 und 47(54) sowie Art. 31 Abs. 2(55), als solche geltend gemacht werden können, woraus sich eine Verpflichtung ergibt, erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewandt zu lassen, selbst in horizontalen Rechtsstreitigkeiten, in denen sonst das Verbot, das mitgliedstaatliche Recht contra legem auszulegen, zur Anwendung käme. Entgegen dem Vorbringen in den schriftlichen Erklärungen des Klägers ist Art. 31 Abs. 1 der Charta jedoch keine solche Bestimmung.

66.      Dies liegt daran, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass „das nationale Gericht nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet [ist], eine Bestimmung des nationalen Rechts, die mit einer Bestimmung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die … keine unmittelbare Wirkung hat, [unvereinbar ist], unangewandt zu lassen“(56). Wegen des offenen Wortlauts von Art. 31 Abs. 1 der Charta, der bestimmt, dass „[j]ede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer … das Recht … auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen [hat]“, sind die wesentlichen Voraussetzungen für eine unmittelbare Wirkung dieser Bestimmung – dass sie nämlich hinreichend bestimmt, genau und unbedingt ist – nicht erfüllt(57). Deshalb ergibt sich daraus keine Verpflichtung des vorlegenden Gerichts, im Rahmen seiner Befugnisse(58) die §§ 1 Abs. 1b und 19 Abs. 2 AÜG unangewendet zu lassen, falls es der Ansicht sein sollte, dass deren Wortlaut gegen aus Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 abgeleitete Garantien verstößt.

67.      Aus diesen Gründen sollte die zweite Frage in dem oben in Nr. 56 dargelegten Sinne beantwortet werden.

C.      Beantwortung der dritten Frage

68.      Die dritte Frage sollte dahin beantwortet werden, dass ein Leiharbeitnehmer aus der Richtlinie 2008/104 keinen Anspruch auf das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen hat, falls ein missbräuchlicher Einsatz von Leiharbeit im Sinne von Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 festgestellt wird. Sollte jedoch das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Rechts des betreffenden Mitgliedstaats zu dem Ergebnis gelangen, dass die Auslegung dieses Rechts im Einklang mit Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 nicht zur Auslegung des mitgliedstaatlichen Gesetzes contra legem zwingt, hat es zu entscheiden, ob es geeignete Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gibt, um die Erfüllung der aus der Richtlinie 2008/104 abgeleiteten Verpflichtungen sicherzustellen und zu gewährleisten, dass das Recht des betreffenden Mitgliedstaats – vorbehaltlich der in der gefestigten Rechtsprechung vorgesehenen Einschränkungen – die von Art. 10 dieser Richtlinie geforderten wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen vorsieht.

69.      Im Urteil KG hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 nicht genauso ausgelegt werden könne wie Paragraf 5 der am 18. März 1999 geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG(59). Im Urteil Sciotto(60) wurde u. a. entschieden, dass im Hinblick auf die spezifische Verpflichtung, Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden, so wie dies im Einzelnen in Paragraf 5 der vorgenannten Rahmenvereinbarung vorgesehen ist, der Umstand, dass Arbeitnehmer des Bereichs der Stiftungen für Oper und Orchester selbst im Fall des Missbrauchs keinen Anspruch auf die Umwandlung ihrer befristeten Arbeitsverträge in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hatten (und ihnen auch keine anderen Formen des Schutzes wie die Festlegung einer Begrenzung der Möglichkeit, auf befristete Arbeitsverträge zurückzugreifen, zugutekamen), bedeutete, dass es keine wirksame Maßnahme im Sinne der für die Rahmenvereinbarung maßgebenden einschlägigen Rechtsprechung gab, mit der die missbräuchliche Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge geahndet wurde(61).

70.      Der Gerichtshof hat allerdings im Urteil KG ausgeführt, dass, während Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung „besondere Verpflichtungen vorsieht, um den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden, dies bei Art. 5 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2008/104 nicht der Fall ist“(62). Die Auslegung von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung ließ sich deshalb nicht auf Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 übertragen(63). In der Rechtssache KG gelangte die Generalanwältin Sharpston unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Ausführungen im Urteil Sciotto über die Umwandlung befristeter Verträge in unbefristete Verträge zu dem Schluss, dass die Sciotto-Rechtsprechung nicht auf Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 übertragbar sei, da diese Bestimmung keine ausführlichen und konkreten Verpflichtungen auferlege(64).

71.      Die dritte Frage ist daher zu verneinen.

72.      Was die Verpflichtungen des vorlegenden Gerichts aus Art. 10 der Richtlinie 2008/104 angeht, bestätigt dessen Abs. 1 nochmals das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf aus Art. 47 der Charta(65). Das Erfordernis, – wie in Art. 10 Abs. 2 garantiert – wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen vorzusehen, verlangt von den Mitgliedstaaten, dass sie Maßnahmen treffen, die hinreichend wirksam sind, um das Ziel der Richtlinie 2008/104 zu erreichen(66), und eine wirklich abschreckende Wirkung erzielen(67). Das Unionsrecht zwingt die Gerichte der Mitgliedstaaten nicht, neben den nach nationalem Recht bereits bestehenden Rechtsbehelfen neue zu schaffen, um den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte zu gewährleisten(68), es sei denn, dass „es nach dem System der betreffenden nationalen Rechtsordnung keinen Rechtsbehelf gäbe“(69). Davon ausgenommen ist jedoch ein Rechtsbehelf, der auf die Feststellung eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und entleihendem Unternehmen (aus den oben in den Nrn. 69 und 70 genannten Gründen)(70) oder auf eine Auslegung des mitgliedstaatlichen Rechts contra legem (oben, Nrn. 63 bis 64) hinausliefe.

D.      Beantwortung der vierten Frage

73.      Die vierte Frage ist dahin zu beantworten, dass die Ausdehnung der individuellen Überlassungshöchstdauer den Tarifvertragsparteien überlassen werden kann, und zwar auch Tarifvertragsparteien, die nur für die Branche des entleihenden Unternehmens zuständig sind. Allerdings findet die Antwort auf die zweite Frage auf solche Tarifverträge gleichermaßen Anwendung.

74.      Die Mitgliedstaaten können, worauf in den schriftlichen Erklärungen Deutschlands hingewiesen wurde, die Verwirklichung der mit einer Richtlinie verfolgten sozialpolitischen Ziele den Sozialpartnern überlassen(71), und der Rückgriff auf Tarifverträge ist in der Richtlinie 2008/104 ausdrücklich vorgesehen(72); dabei ist es unerheblich, ob die Tarifvertragsparteien nicht für das Beschäftigungsverhältnis des betreffenden Leiharbeitnehmers zuständig sind, sondern für die Branche des entleihenden Unternehmens(73). Allerdings wurde auf der Ebene des Unternehmens in einer ergänzenden Gesamtbetriebsvereinbarung vom 20. September 2017 (die von der Beklagten mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossen wurde) festgelegt, dass in der Produktion der Einsatz von Zeitarbeitnehmern eine Höchstdauer von 36 Monaten nicht überschreiten darf. Für Zeitarbeitnehmer, die am 1. April 2017 bereits beschäftigt waren, zählen für die Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten als Einsatzzeiten nur diejenigen ab dem 1. April 2017. Wie in den Nrn. 56 bis 67 erklärt wurde, ist dieser Ausschluss nicht mit Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 vereinbar, so dass die Ausführungen in den genannten Absätzen gleichermaßen auf die Tarifverträge Anwendung finden.

V.      Ergebnis

75.      Ich schlage daher vor, dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Deutschland) wie folgt zu antworten:

1.      Bei der Entscheidung, ob Art. 5 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2008/104 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit in Verbindung mit dem Wort „vorübergehend“ in Art. 1 dieser Richtlinie die Überlassung eines Leiharbeitnehmers an dasselbe entleihende Unternehmen über einen Zeitraum von mehr als 55 Monaten, wodurch ein dauerhaft vorhandener Arbeitsplatz nicht nur vertretungsweise besetzt wird, ausschließt, ist ein mitgliedstaatliches Gericht im Hinblick auf das Unionsrecht gehalten, Folgendes zu prüfen:

(i)      Hat die aufeinanderfolgende Überlassung eines Leiharbeitnehmers an dasselbe entleihende Unternehmen zu einer Beschäftigungsdauer geführt, die nicht länger ist, als was vernünftigerweise als Überlassung an ein entleihendes Unternehmen „um vorübergehend … zu arbeiten“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 betrachtet werden kann?

(ii)      Ist für die Entscheidung des entleihenden Unternehmens, auf eine Reihe aufeinanderfolgender Leiharbeitsverträge zurückzugreifen, eine objektive Erklärung gegeben worden?

(iii)      Werden Bestimmungen der Richtlinie 2008/104 umgangen?

(iv)      Handelt es sich, unter Abwägung all dieser Gesichtspunkte und Berücksichtigung aller Umstände, um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, auf das unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 aufeinanderfolgende Leiharbeitsverträge künstlich angewandt wurden?

2.      Ein mitgliedstaatliches Gesetz, durch das die Berücksichtigung von Zeiten der Überlassung, die vor einem bestimmten Stichtag, jedoch nach dem Umsetzungsdatum der Richtlinie 2008/104 liegen, ausdrücklich ausgeschlossen wird (wobei dieser Ausschluss für die Feststellung, ob ein missbräuchlicher Einsatz von Leiharbeit vorliegt, von Belang ist), ist nicht mit Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 vereinbar, wenn es die Dauer einer Zeit der Überlassung verkürzt, auf die sich ein Leiharbeitnehmer andernfalls berufen könnte. Im Falle eines horizontalen Rechtsstreits zwischen zwei Privatpersonen sind nicht unionsrechtskonforme mitgliedstaatliche Gesetze, die einen solchen Ausschluss vorsehen, jedoch nur dann unangewendet zu lassen, wenn dies nicht zu einer Auslegung des nationalen Rechts contra legem zwingt, wobei dies zu entscheiden Sache des vorlegenden Gerichts ist.

3.      Ein Leiharbeitnehmer hat aus der Richtlinie 2008/104 keinen Anspruch auf das Zustandekommen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen, falls ein missbräuchlicher Einsatz von Leiharbeit im Sinne von Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 festgestellt wird. Sollte jedoch das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Rechts des betreffenden Mitgliedstaats zu dem Ergebnis gelangen, dass die Auslegung dieses Rechts im Einklang mit Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 nicht zur Auslegung des mitgliedstaatlichen Gesetzes contra legem zwingt, hat es zu entscheiden, ob es geeignete Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gibt, um die Erfüllung der aus der Richtlinie 2008/104 abgeleiteten Verpflichtungen sicherzustellen und zu gewährleisten, dass das Recht des betreffenden Mitgliedstaats – vorbehaltlich der in der gefestigten Rechtsprechung vorgesehenen Einschränkungen – die von Art. 10 dieser Richtlinie geforderten wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen vorsieht.

4.      Die Ausdehnung der im mitgliedstaatlichen Gesetz vorgesehenen individuellen Überlassungshöchstdauer kann den Tarifvertragsparteien überlassen werden, und zwar auch Tarifvertragsparteien, die nur für die Branche des entleihenden Unternehmens zuständig sind. Allerdings findet die Antwort auf die zweite Frage auf solche Tarifverträge gleichermaßen Anwendung.


1      Originalsprache: Englisch.


2      ABl. 2008, L 327, S. 9. Vgl. frühere Urteile vom 11. April 2013, Della Rocca (C‑290/12, EU:C:2013:235), vom 17. März 2015, AKT (C‑533/13, EU:C:2015:173), vom 17. November 2016, Betriebsrat der Ruhrlandklinik (C‑216/15, EU:C:2016:883), vom 14. Oktober 2020, KG (Aufeinanderfolgende Überlassungen im Rahmen von Leiharbeit) (C‑681/18, EU:C:2020:823), und vom 3. Juni 2021, TEAM POWER EUROPE (C‑784/19, EU:C:2021:427), sowie meine Schlussanträge in der Sache Manpower Lit (C‑948/19, EU:C:2021:624) (Verfahren noch anhängig). Vgl. auch Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2016, IPSO/EZB (T‑713/14, EU:T:2016:727).


3      So die Schlussfolgerung der Generalanwältin Sharpston in Nr. 51 ihrer Schlussanträge in der Rechtssache KG (Aufeinanderfolgende Überlassungen im Rahmen von Leiharbeit) (C‑681/18, EU:C:2020:300).


4      Urteil KG (Aufeinanderfolgende Überlassungen im Rahmen von Leiharbeit) (C‑681/18, EU:C:2020:823, Rn. 71).


5      Siehe unten, Nrn. 36 bis 55.


6      Siehe unten, Nrn. 56 bis 67.


7      Siehe unten, Nrn. 68 bis 72.


8      Vgl. z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache AKT (C‑533/13, EU:C:2014:2392, Nr. 72).


9      Dies wurde jedoch in den schriftlichen Erklärungen Deutschlands bestritten.


10      Nach den Angaben in den schriftlichen Erklärungen des Klägers. In denselben schriftlichen Erklärungen heißt es, dass der einschlägige Tarifvertrag für die Metallindustrie in Berlin einen Stundenlohn von 15,50 Euro vorsehe.


11      Seit dem 1. September 2015, hilfsweise seit dem 1. März 2016, weiter hilfsweise seit dem 1. November 2016, äußerst hilfsweise seit dem 1. Oktober 2018 oder seit dem 1. Mai 2019.


12      Siehe dazu nachstehend die Untersuchung der Sprachfassungen in Fn. 21.


13      C‑681/18, EU:C:2020:823.


14      Urteil vom 28. Februar 2013, Petersen (C‑544/11, EU:C:2013:124, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch z. B. Beschluss vom 4. Februar 2016, Baudinet u. a. (C‑194/15, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:81, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie in Nr. 45 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Manpower Lit (C‑948/19, EU:C:2021:624) in Bezug auf die Richtlinie 2008/104 ausgeführt wird, ist es im Rahmen des in Art. 267 AEUV vorgesehenen Verfahrens Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine sachdienliche Antwort für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits zu geben.


15      Ebd., Nr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung. Vgl. in diesem Sinne das Urteil KG, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung.


16      In der Frage wird der Begriff „Missbrauch“ (im Englischen: „abuse“) verwendet. Dieser ist hier in Anlehnung an den Wortlaut in Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2008/104 durch „missbräuchlicher“ (im Englischen: „misuse“) Einsatz von Leiharbeit ersetzt worden.


17      C‑533/13, EU:C:2014:2392, Nr. 113.


18      Vgl. ebd., Nr. 114.


19      Urteil KG, Rn. 41.


20      Zu diesem Schluss ist der Gerichtshof hinsichtlich der Bedeutung von „Arbeitnehmer“ in der Richtlinie 2008/104 gelangt. Vgl. Urteil vom 17. November 2016, Betriebsrat der Ruhrlandklinik (C‑216/15, EU:C:2016:883, Rn. 36). Aus denselben Gründen trete ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Manpower Lit (C‑948/19, EU:C:2021:624, Nr. 71) für eine weite Auslegung von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2008/104 hinsichtlich der Ausübung einer „wirtschaftlichen Tätigkeit“ ein.


21      Die Wendung „vorübergehend … zu arbeiten“ spiegelt sich auch in anderen Sprachfassungen von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104 wider. Vgl. z. B. die französische Fassung, „afin de travailler de manière temporaire“, die bulgarische Fassung, „на временна работа“, die deutsche Fassung, „um vorübergehend … zu arbeiten“, die spanische Fassung, „a fin de trabajar de manera temporal“, die italienische Fassung „per lavorare temporaneamente“, die portugiesische Fassung, „temporariamente … a fim de trabalharem“, die slowakische Fassung, „na dočasný výkon práce“, die tschechische Fassung, „po přechodnou dobu pracovali“, die polnische Fassung “w celu wykonywania tymczasowo pracy“, die niederländische Fassung, „tijdelijk te werken“ und die schwedische Fassung, „för att temporärt arbeta“. Vgl. auch die Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache KG (C‑681/18, EU:C:2020:300, Nr. 51). Entgegen den Ausführungen in den schriftlichen Erklärungen der Klägerseite sind etwaige Nuancen in den Sprachfassungen ungeeignet, Zweifel hinsichtlich eines Bedeutungsunterschieds zu wecken.


22      Es ist bezeichnend, dass der Begriff „Überlassung“ gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2008/104 „den Zeitraum, während dessen der Leiharbeitnehmer dem entleihenden Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, um dort unter dessen Aufsicht und Leitung vorübergehend zu arbeiten“, definiert.


23      Urteil KG, Rn. 61.


24      Vgl. hierzu insbesondere die Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache AKT (C‑533/13, EU:C:2014:2392, Nrn. 113 bis 115).


25      Urteil KG, Rn. 62.


26      Siehe auch den 18. Erwägungsgrund über die Verbesserung des Mindestschutzes der Leiharbeitnehmer.


27      Urteil KG, Rn. 60.


28      Deutschland und die Kommission nehmen Bezug auf den ursprünglichen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmern (KOM[2002] 149 endgültig), den Standpunkt des Europäischen Parlaments, festgelegt in erster Lesung am 21. November 2002 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit (ABl. 2004, C 25 E, S. 368), den Geänderten Vorschlag für die Richtlinie (KOM[2002] 701 endgültig) und den Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 24/2008 vom 15. September 2008, vom Rat festgelegt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit (ABl. 2008, C 254 E, S. 36).


29      So lassen z. B. die vom Kläger ausgewählten Quellen keine gesetzgeberische Absicht erkennen, fest angestellte Beschäftigte vor negativen Folgen des Einsatzes von Leiharbeitnehmern zu schützen, indem Letztere in vollem Umfang aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/104 ausgeschlossen würden. Vgl. insbesondere den Standpunkt des Europäischen Parlaments, festgelegt in erster Lesung am 21. November 2002 im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit (ABl. 2004, C 25 E, S. 368, auf S. 373), Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 24/2008 vom 15. September 2008, vom Rat festgelegt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit (ABl. 2008, C 254 E S. 36, auf S. 41), Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Artikel 251 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG‑Vertrag zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit – Politische Einigung über einen gemeinsamen Standpunkt (QMV) (KOM[2008] 569 endgültig, S. 6).


30      So der Schluss, zu dem Generalanwältin Sharpston in Nr. 51 der Schlussanträge in der Rechtssache KG (C‑681/18, EU:C:2020:300) gelangt.


31      Urteil KG, Rn. 42.


32      Ebd., Rn. 55.


33      Ebd., Rn. 57.


34      Ebd., Rn. 67.


35      Ebd., Rn. 68 bis 71. Hervorhebung nur hier.


36      Ebd., Rn. 42.


37      Vgl. Urteil KG, insbesondere Rn. 71. Der Kläger macht jedenfalls in seinen schriftlichen Erklärungen geltend, in Bezug auf Arbeitsentgelt und Arbeitslosigkeitsrisiko ungleich behandelt worden zu sein, was nicht mit Art. 4 der Richtlinie 2008/104 vereinbar sei.


38      Urteil KG, Rn. 70.


39      Ebd., Rn. 55. Vgl. auch Rn. 57.


40      Ebd., Rn. 60.


41      Wie bereits angemerkt, deutet der Kläger in seinen schriftlichen Erklärungen einen Verstoß gegen die Lohngleichheit zumindest an.


42      Urteil KG, Rn. 54. Dem ist hinzuzufügen, dass diese Auslegungspflicht für die Art. 5 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2008/104 gilt, ungeachtet dessen, dass es sich, wenn Mitgliedstaaten über die in der Richtlinie 2008/104 festgelegten Mindestanforderungen hinausgehen, insoweit nicht um die „Durchführung“ von Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta handelt. Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Manpower Lit (C‑948/19, EU:C:2021:624, Nr. 61).


43      In der vom 1. Dezember 2011 bis 31. März 2017 geltenden Fassung. Siehe oben, Nr. 11.


44      Urteil KG, Rn. 63.


45      Ebd., Rn. 64 und 65. Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts, wonach es dem nationalen Gericht obliegt, sein nationales Recht so weit wie möglich in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht auszulegen, ist dem System der Verträge immanent, da dem nationalen Gericht dadurch ermöglicht wird, im Rahmen seiner Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn es über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit entscheidet. Vgl. Urteil vom 17. März 2021, Academia de Studii Economice din Bucureşti (C‑585/19, EU:C:2021:210, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).


46      Urteil KG, Rn. 42. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache KG (C‑681/18, EU:C:2020:300, Nr. 66).


47      Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104.


48      Urteil KG, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung. Vgl. aus jüngerer Zeit z. B. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Sache Thelen Technopark Berlin (C‑261/20, EU:C:2021:620, Nrn. 30 und 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


49      Worauf unlängst in den Schlussanträgen des Generalanwalts Szpunar in der Sache Thelen Technopark Berlin (C‑261/20, EU:C:2021:620, Nr. 32) hingewiesen wurde.


50      Urteil KG, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung. Vgl. insbesondere Urteil vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, EU:C:2004:584, Rn. 107 bis 119). Vgl. z. B. auch Urteil des Gerichtshofs vom 17. April 2018, Egenberger (C 414/16, EU:C:2018:257, Rn. 71).


51      Urteil vom 9. November 1995, Francovich (C‑479/93, EU:C:1995:372).


52      Vgl. Urteil vom 15. Januar 2014, Association de médiation sociale (C‑176/12, EU:C:2014:2, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. aus jüngerer Zeit Urteil vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 56).


53      Urteil des Gerichtshofs vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 76 und 78).


54      Ebd., Rn. 78.


55      Vgl. Urteil vom 6. November 2018, Bauer und Willmeroth (C‑569/16 und C‑570/16, EU:C:2018:871).


56      Urteil vom 24. Juni 2019, Poplawski (C‑573/17, EU:C:2019:530, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).


57      Vgl. auch die Erläuterungen zu Art. 31 Abs. 1 der Charta. Dort heißt es, dass die Bestimmung auf einer Richtlinie beruhe, nämlich auf der Richtlinie 89/391/EWG des Rates über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. 1989, L 183, S. 1) (vgl. Urteil Egenberger und die Voraussetzung der Nichterforderlichkeit weiterer Gesetzgebung). Die Bezugnahme auf „Arbeitsbedingungen“ in den Erläuterungen zu Art. 156 AEUV bietet keine weitere Präzisierung. Wie die Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache KG (C‑681/18, EU:C:2020:300, Nr. 44) ausgeführt hat, ist der Begriff „Arbeitsbedingungen“ in Art. 156 AEUV nicht definiert. Zu den Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung vgl. aus jüngerer Zeit z. B. Urteil vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631).


58      Urteil des Gerichtshofs vom 17. April 2018, Egenberger (C‑414/16, EU:C:2018:257, Rn. 79).


59      Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43).


60      Urteil KG, Rn. 45. Urteil vom 25. Oktober 2018, Sciotto (C‑331/17, EU:C:2018:859).


61      Urteil Sciotto, Rn. 61 und 62. Dazu ist anzumerken, dass jedenfalls die Rechtsprechung zu den Konturen einer sich ggf. aus der Richtlinie 1999/70 ergebenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten, einen Mechanismus vorzusehen, nach dem im Falle des Missbrauchs befristete Verträge in unbefristete Verträge umgewandelt werden, zumindest derzeit noch in Entwicklung befindlich ist. Vgl. dazu insbesondere meine Schlussanträge in der Rechtssache GILDA-UNAMS u. a. (C‑282/19, EU:C:2021:217) (Verfahren noch anhängig).


62      Urteil KG, Rn. 45.


63      Ebd.


64      Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache KG (C‑681/18, EU:C:2020:300, Nr. 66).


65      Vgl. entsprechend Urteil vom 15. April 2021, Braathens Regional Aviation (C‑30/19, EU:C:2021:269, Rn. 33).


66      Ebd., Rn. 37.


67      Ebd., Rn. 38.


68      Ebd., Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung.


69      Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat (C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 104). Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. November 2019, Deutsche Lufthansa (C‑379/18, EU:C:2019:1000, Rn. 61).


70      Es ist anzumerken, dass selbst wenn der Äquivalenzgrundsatz für die Auslegung von Art. 10 der Richtlinie 2008/104 relevant wäre, sich das durch das deutsche Gesetz eingeführte Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses (siehe oben, Nr. 15) nicht auf einen entsprechenden Anspruch rein innerstaatlicher Art bezieht, sondern auf einen unionsrechtlichen Anspruch. Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache GILDA-UNAMS u. a. (C‑282/19, EU:C:2021:217, Fn. 72) (Verfahren noch anhängig).


71      Urteil vom 18. Dezember 2008, Ruben Andersen (C‑306/07, EU:C:2008:743, Rn. 25 und 26). Vgl. z. B. auch Urteil vom 11. Februar 2010, Ingeniørforeningen i Danmark (C-405/08, EU:C:2010:69, Rn. 39).


72      Vgl. Art. 5 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1 sowie die Erwägungsgründe 16, 17 und 19. Die Ausführungen des Klägers, dass entweder Art. 9 Abs. 1 oder Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2008/104 dahin zu verstehen seien, dass sie den Regelungsspielraum begrenzten, ist zurückzuweisen, da eine solche Beschränkung des mitgliedstaatlichen Ermessens einen entsprechend klaren und eindeutigen Wortlaut erfordern würde.


73      Vgl. die Vorlagefrage 3.3, die oben in Nr. 26 wiedergegeben ist.