Language of document : ECLI:EU:T:2016:335

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

2. Juni 2016(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Spannstahl – Preisfestsetzung, Marktaufteilung und Austausch sensibler Geschäftsinformationen – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird – Wirtschaftliche Einheit – Unmittelbare Beteiligung an der Zuwiderhandlung – Abgeleitete Haftung der Muttergesellschaften – Rechtsnachfolge von Unternehmen – Komplexe Zuwiderhandlung – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Leitlinien von 2006 für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Grundsätze des Verbots der Rückwirkung von Strafen und der Gesetzmäßigkeit von Strafen – Mildernde Umstände – Leistungsfähigkeit – Verteidigungsrechte – Begründungspflicht – Antrag auf Neubewertung – Fehlende Entwicklung der Sachlage – Ablehnungsschreiben – Unzulässigkeit“

In den verbundenen Rechtssachen T‑426/10 bis T‑429/10, T‑438/12 bis T‑441/12

Moreda-Riviere Trefilerías, SA mit Sitz in Gijón (Spanien), in der Rechtssache T‑426/10 vertreten durch die Rechtsanwälte F. González Díaz und A. Tresandi Blanco und in der Rechtssache T‑440/12 zunächst vertreten durch die Rechtsanwälte F. González Díaz und P. Herrero Prieto, dann durch die Rechtsanwälte F. González Díaz und A. Tresandi Blanco,

Klägerin in den Rechtssachen T‑426/10 und T‑440/12,

Trefilerías Quijano, SA mit Sitz in Los Corrales de Buelna (Spanien), in der Rechtssache T‑427/10 vertreten durch die Rechtsanwälte F. González Díaz und A. Tresandi Blanco und in der Rechtssache T‑439/12 zunächst vertreten durch die Rechtsanwälte F. González Díaz und P. Herrero Prieto, dann durch die Rechtsanwälte F. González Díaz und A. Tresandi Blanco,

Klägerin in den Rechtssachen T‑427/10 und T‑439/12,

Trenzas y Cables de Acero PSC, SL mit Sitz in Santander (Spanien), in der Rechtssache T‑428/10 vertreten durch die Rechtsanwälte F. González Díaz und A. Tresandi Blanco und in der Rechtssache T‑441/12 zunächst vertreten durch die Rechtsanwälte F. González Díaz und P. Herrero Prieto, dann durch die Rechtsanwälte F. González Díaz und A. Tresandi Blanco,

Klägerin in den Rechtssachen T‑428/10 und T‑441/12,

Global Steel Wire, SA mit Sitz in Cerdanyola del Vallés (Spanien), in der Rechtssache T‑429/10 vertreten durch die Rechtsanwälte F. González Díaz und A. Tresandi Blanco und in der Rechtssache T‑438/12 zunächst vertreten durch die Rechtsanwälte F. González Díaz und P. Herrero Prieto, dann durch die Rechtsanwälte F. González Díaz und A. Tresandi Blanco,

Klägerin in den Rechtssachen T‑429/10 und T‑438/12,

gegen

Europäische Kommission, in den Rechtssachen T‑426/10, T‑427/10, T‑429/10 und T‑438/12 bis T‑441/12 vertreten durch V. Bottka, F. Castillo de la Torre und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte L. Ortiz Blanco und A. Lamadrid de Pablo, und in der Rechtssache T‑428/10 vertreten durch V. Bottka und F. Castillo de la Torre im Beistand der Rechtsanwälte L. Ortiz Blanco und A. Lamadrid de Pablo,

Beklagte,

betreffend eine Klage auf Nichtigerklärung und Abänderung des Beschlusses K(2010) 4387 endg. der Kommission vom 30. Juni 2010 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/38.344 – Spannstahl), geändert durch den Beschluss K(2010) 6676 endgültig der Kommission vom 30. September 2010 und durch den Beschluss C(2011) 2269 final der Kommission vom 4. April 2011, sowie des Schreibens des Generaldirektors der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission vom 25. Juli 2012

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter) sowie der Richter F. Dehousse und A. M. Collins,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2015

folgendes

Urteil(1)

[nicht wiedergegeben]

Rechtliche Würdigung

[nicht wiedergegeben]

II – Zur dritten Gruppe von Rechtssachen

[nicht wiedergegeben]

 B – Zulässigkeit der Klagen

539    Die Kommission hat mit einer Einrede die Zulässigkeit der dritten Gruppe von Rechtssachen bestritten. Die Entscheidung über diese von den Klägerinnen bestrittenen Einreden ist dem Endurteil vorbehalten worden.

540    Nicht jede schriftliche Meinungsäußerung eines Unionsorgans kann eine mit einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 Abs. 1 AEUV anfechtbare Entscheidung darstellen, wenn sie nicht geeignet ist, Rechtswirkungen zu erzeugen, oder nicht darauf abzielt, solche Wirkungen zu erzeugen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. März 1980, Sucrimex und Westzucker/Kommission, 133/79, EU:C:1980:104, Rn. 15 bis 19, und vom 27. September 1988, Vereinigtes Königreich/Kommission, 114/86, EU:C:1988:449, Rn. 12 bis 15).

541    Ebenso ist nicht jedes Schreiben einer Stelle der Union, mit dem ein Antrag seines Adressaten beantwortet wird, eine Handlung, gegen die eine Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV eröffnet ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 27. Januar 1993, Miethke/Parlament, C‑25/92, EU:C:1993:32, Rn. 10).

542    Hingegen stellen nach ständiger Rechtsprechung Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen Dritter durch eine qualifizierte Änderung ihrer Rechtsstellung berühren, Handlungen dar, gegen die eine Klage gemäß Art. 263 AEUV gegeben ist (vgl. Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 17. April 2008, Cestas/Kommission, T‑260/04, EU:T:2008:115, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

543    Des Weiteren ist für die Feststellung, ob die Maßnahme, deren Nichtigerklärung beantragt wird, Gegenstand einer Klage gemäß Art. 263 AEUV sein kann, auf das Wesen dieser Maßnahme abzustellen; die Form, in der sie ergangen ist, ist insoweit grundsätzlich ohne Bedeutung (vgl. Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 17. April 2008, Cestas/Kommission, T‑260/04, EU:T:2008:115, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

544    Nur eine Handlung, mit der eine Stelle der Union ihre Position in einer Form, die ihre Natur erkennen lässt, unzweideutig und endgültig festlegt, stellt eine mit einer Klage gemäß Art. 263 AEUV anfechtbare Entscheidung dar, sofern es sich nicht um die bloße Bestätigung einer früheren Handlung handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Mai 1982, Deutschland und Bundesanstalt für Arbeit/Kommission, 44/81, EU:C:1982:197, Rn. 12).

545    Nach gefestigter Rechtsprechung ist eine Klage gegen eine Maßnahme, mit der eine andere bestandskräftig gewordene Entscheidung lediglich bestätigt wird, unzulässig. Eine Maßnahme ist dann als bloße Bestätigung einer früheren Entscheidung anzusehen, wenn sie gegenüber der früheren Entscheidung keine neuen Gesichtspunkte enthält und nicht auf einer Überprüfung der Rechtslage des Adressaten dieser Entscheidung beruht (Urteile vom 7. Februar 2001, Inpesca/Kommission, T‑186/98, EU:T:2001:42, Rn. 44, vom 22. Mai 2012, Sviluppo Globale/Kommission, T‑6/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:245, Rn. 22, und vom 2. Oktober 2014, Euro-Link Consultants und European Profiles/Kommission, T‑199/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:848, Rn. 40).

546    Die Frage, ob eine Maßnahme lediglich bestätigenden Charakter hat, lässt sich jedoch nicht allein durch einen Vergleich ihres Inhalts mit dem der früheren Entscheidung beantworten, die durch sie bestätigt wird. Der Charakter der angefochtenen Maßnahme ist vielmehr auch anhand der Art des Antrags zu beurteilen, der durch sie beschieden wird (Urteile vom 7. Februar 2001, Inpesca/Kommission, T‑186/98, EU:T:2001:42, Rn. 45, vom 22. Mai 2012, Sviluppo Globale/Kommission, T‑6/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:245, Rn. 23, und vom 2. Oktober 2014, Euro-Link Consultants und European Profiles/Kommission, T‑199/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:848, Rn. 41).

547    Insbesondere kann die Maßnahme, mit der ein Antrag beschieden wird, in dem die Verwaltung unter Berufung auf neue wesentliche Tatsachen um eine Überprüfung der früheren Entscheidung ersucht wird, nicht als rein bestätigend angesehen werden, wenn sie eine Entscheidung in Bezug auf diese Tatsachen trifft und damit gegenüber der früheren Entscheidung einen neuen Gesichtspunkt enthält (Urteile vom 7. Februar 2001, Inpesca/Kommission, T‑186/98, EU:T:2001:42, Rn. 46, vom 22. Mai 2012, Sviluppo Globale/Kommission, T‑6/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:245, Rn. 24, und vom 2. Oktober 2014, Euro-Link Consultants und European Profiles/Kommission, T‑199/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:848, Rn. 42).

548    Nach ständiger Rechtsprechung kann das Vorliegen neuer wesentlicher Tatsachen einen Antrag auf Überprüfung einer bestandskräftig gewordenen früheren Entscheidung rechtfertigen. Beruht ein Antrag auf Überprüfung einer bestandskräftig gewordenen Entscheidung auf wesentlichen neuen Tatsachen, so ist das betreffende Organ verpflichtet, ihm Folge zu leisten. Nach der Überprüfung muss es eine neue Entscheidung treffen, deren Rechtmäßigkeit gegebenenfalls vor den Unionsgerichten in Zweifel gezogen werden kann. Beruht der Antrag auf Überprüfung dagegen nicht auf neuen wesentlichen Tatsachen, so muss ihm das Organ nicht stattgeben (vgl. Urteile vom 7. Februar 2001, Inpesca/Kommission, T‑186/98, EU:T:2001:42, Rn. 47 und 48 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 2. Oktober 2014, Euro-Link Consultants und European Profiles/Kommission, T‑199/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:848, Rn. 43).

549    Eine Klage gegen die Ablehnung der Überprüfung einer bestandskräftig gewordenen Entscheidung ist zulässig, wenn sich herausstellt, dass der Antrag tatsächlich auf neuen wesentlichen Tatsachen beruhte. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nicht auf solchen Tatsachen beruhte, so ist eine Klage gegen die Ablehnung der beantragten Überprüfung unzulässig (vgl. Urteile vom 7. Februar 2001, Inpesca/Kommission, T‑186/98, EU:T:2001:42, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 2. Oktober 2014, Euro-Link Consultants und European Profiles/Kommission, T‑199/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:848, Rn. 44).

550    In Bezug auf die Frage, anhand welcher Kriterien Tatsachen als „neu“ und „wesentlich“ einzustufen sind, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass eine Tatsache nur dann als „neu“ angesehen werden kann, wenn zum Zeitpunkt des Erlasses der früheren Entscheidung weder der Kläger noch die Verwaltung von ihr Kenntnis hatten oder haben konnten (vgl. Urteile vom 7. Februar 2001, Inpesca/Kommission, T‑186/98, EU:T:2001:42, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 2. Oktober 2014, Euro-Link Consultants und European Profiles/Kommission, T‑199/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:848, Rn. 45).

551    „Wesentlich“ ist eine Tatsache dann, wenn sie die Lage des Stellers des ursprünglichen Antrags, der zu der früheren bestandskräftig gewordenen Entscheidung führte, wesentlich verändern kann (vgl. Urteile vom 7. Februar 2001, Inpesca/Kommission, T‑186/98, EU:T:2001:42, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 2. Oktober 2014, Euro-Link Consultants und European Profiles/Kommission, T‑199/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:848, Rn. 46).

552    Im Licht dieser Rechtsprechung ist die Zulässigkeit der vorliegenden Klagen zu prüfen, soweit sie sich gegen das Schreiben vom 25. Juli 2012 richten.

553    Zunächst ist festzustellen, dass sich der Generaldirektor bei der Ablehnung der zweiten Anträge im Schreiben vom 25. Juli 2012 auf dieselben wie die vom Kollegium der Kommissionsmitglieder im angefochtenen Beschluss angeführten Gründe stützte.

554    So führte der Generaldirektor im vorliegenden Fall aus, die von den Klägerinnen seit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses übermittelten Angaben ließen erkennen, dass sich ihre finanzielle Lage im Verhältnis zu der Lage gebessert habe, aufgrund deren die Kommission festgestellt habe, dass die Klägerinnen die Geldbuße, gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von Kreditinstituten, zahlen könnten.

555    Den zweiten im angefochtenen Beschluss genannten Grund, nämlich die Möglichkeit einer Inanspruchnahme juristischer und natürlicher Personen unter den Aktionären, übernahm der Generaldirektor unverändert und führte aus, dass der während der Prüfung der zweiten Anträge eingetretene Tod von Herrn Rub. nicht wesentlich sei, da sein Privatvermögen auf seine Rechtsnachfolger übergegangen sei.

556    Zwar gibt es keine Grundlage für die Auffassung der Kommission, wonach nur eine Verschlechterung der finanziellen Lage eines Unternehmens die Stellung eines neuen Antrags auf Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit rechtfertigen könne, doch kann ein Unternehmen bei der Kommission keine Überprüfung ihres zuvor eingenommenen Standpunkts beantragen, wenn die einzige Änderung gegenüber der Sachlage, die von der Kommission zum Zeitpunkt der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit geprüft wurde, in einer Verbesserung seiner finanziellen Lage besteht. Unter solchen Umständen stellt folglich die Zurückweisung dieses Antrags auf erneute Beurteilung durch die Kommission keine mit einer Klage anfechtbare Handlung dar.

557    Somit ist, wenn bei einer Behörde ein Antrag auf Überprüfung einer zuvor ergangenen Entscheidung gestellt wird, zwischen der Frage der Prüfung der Sach- und Rechtslage, in der sich der Antragsteller befindet, und der Frage der Überprüfung der früheren Entscheidung zu unterscheiden. Nur wenn die Behörde nach Prüfung der Situation des Betroffenen eine wesentliche Änderung seiner Sach- oder Rechtslage feststellt, ist sie zur Überprüfung ihrer Entscheidung verpflichtet. Fehlt es hingegen an einer wesentlichen Änderung der Sach- oder Rechtslage, ist die Behörde nicht verpflichtet, ihre Entscheidungen zu überprüfen, und die Stellungnahme, mit der sie einen unter diesen Umständen gestellten Antrag auf Überprüfung zurückweist, hat keinen Beschlusscharakter. Eine Klage gegen eine solche Stellungnahme ist daher als unzulässig abzuweisen, da sie sich gegen eine nicht anfechtbare Handlung richtet. Die Beurteilung der Behörde, wonach der Betroffene keine neuen Tatsachen vorgetragen und keine wesentliche Änderung seiner Sach- und Rechtslage dargetan habe, kann aber vor den Unionsgerichten angefochten werden.

558    Daher ist zu prüfen, ob sich die finanzielle Lage der Klägerinnen, wie die Kommission geltend macht, gegenüber der von ihr im angefochtenen Beschluss berücksichtigten Lage verbessert hat, was die Klägerinnen bestreiten.

559    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission beim Erlass des angefochtenen Beschlusses berechtigt war, die Lage der Klägerinnen zugrunde zu legen, wie sie sich aus den letzten verfügbaren Jahresabschlüssen ergab, die sich auf das Geschäftsjahr 2009 bezogen (siehe oben, Rn. 518). Des Weiteren haben die Klägerinnen zur Stützung der zweiten Anträge zahlreiche Angaben zu ihrer finanziellen Lage gemacht (siehe oben, Rn. 532). Die ersten Angaben wurden zum Zeitpunkt der Stellung dieser Anträge gemacht, d. h. im Juli 2011, und betrafen den Beginn des Jahres 2011. Die Prüfung der zweiten Anträge dauerte fast ein Jahr, in dessen Verlauf die Kommission weitere Auskünfte anforderte und erhielt, so dass sich der Generaldirektor im Schreiben vom 25. Juli 2012 auf die Finanzdaten von Ende 2011 stützte.

560    Die Klägerinnen vergleichen jedoch zur Stützung ihres Vorbringens, dass sich ihre Lage seit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses verschlechtert habe, nicht die Daten von Ende 2011 – die letzten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Generaldirektors verfügbaren Daten – mit denen von 2009 – den von der Kommission im angefochtenen Beschluss berücksichtigten Daten –, sondern die Daten von Anfang 2011 mit denen von 2008, dem Jahr, in dem die Wirtschaftskrise ihren Höhepunkt erreichte.

561    Jedoch ist festzustellen, dass der Vergleich zwischen der Lage der Klägerinnen, wie sie im Juli 2012 bekannt sein konnte, und der von 2009, die von der Kommission im angefochtenen Beschluss berücksichtigt worden war, eine deutliche Verbesserung erkennen lässt. Die von der Kommission hierzu vorgelegten Daten werden von den Klägerinnen indessen nicht bestritten.

562    So belief sich zwar der Gesamtbetrag der Geldbußen einschließlich Zinsen im Jahr 2010 auf 54,26 Mio. Euro und Ende 2011 auf 58,6 Mio. Euro, aber der weltweite Umsatz von GSW stieg im selben Zeitraum von 543 auf 823 Mio. Euro. Das Verhältnis zwischen der Höhe der Geldbußen und dem Umsatz von GSW verringerte sich demnach von 10 % zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses auf 7,1 % zum Zeitpunkt der Entscheidung des Generaldirektors.

563    Für denselben Zeitraum ist festzustellen, dass das Verhältnis zwischen der Höhe der Geldbußen und dem Wert der kumulierten Aktiva von GSW und TQ stabil blieb und zwischen 6 % und 7 % lag.

564    Zwar trifft es zu, dass sich das Eigenkapital der Klägerinnen zwischen 2009 und 2011 verringerte und von 212 auf 196 Mio. Euro sank, so dass sich das Verhältnis zwischen dem Gesamtbetrag der Geldbußen und dem Eigenkapital ebenfalls von 26 % auf 30 % leicht verschlechterte, doch sind die der Kommission von den Klägerinnen vorgelegten Prognosen zu berücksichtigen, nach denen im Jahr 2015 Eigenkapital in Höhe von 244 Mio. Euro zu erwarten war, d. h. ein höherer als der im Geschäftsjahr 2009 verzeichnete Betrag.

565    Im selben Zeitraum verbesserten sich die Rentabilitätsaussichten von GSW überdies wesentlich. So erlitt GSW im Jahr 2009, nachdem in fünf aufeinander folgenden Jahren das Ergebnis positiv ausgefallen war, Verluste. Die Ende 2009 aufgestellten Ergebnisprognosen für 2010 und 2011 ergaben einen Verlust von 6 bzw. 5 Mio. Euro. Jedoch übertrafen die erzielten Ergebnisse diese Prognosen mit einem Gewinn von 1 Mio. Euro im Jahr 2010 und 25 Mio. Euro im Jahr 2011. Desgleichen lagen die „earnings before interest, taxes, depreciation, and amortization“ (Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibung und Amortisation, EBITDA) im Jahr 2009 bei – 20 Mio. Euro, beliefen sich aber im Jahr 2010 auf 51 Mio. Euro und im Jahr 2011 auf 90 Mio. Euro. Das Risikoprofil von GSW, gemessen am Verhältnis zwischen seinen Nettoschulden mit oder ohne Geldbuße einerseits und dem EBITDA andererseits, verbesserte sich demnach zwischen 2009 und 2011 beträchtlich.

566    Des Weiteren verbesserte sich auch die vorhandene Liquidität zwischen 2009 und 2011, wobei das Betriebsvermögen im Jahr 2010 – 51 Mio. Euro und im Jahr 2011 – 42 Mio. Euro betrug. Der Altmansche Z‑Faktor, eine auf zurückliegenden Daten basierende Kennzahl für das Insolvenzrisiko, war zwar im Jahr 2009 besorgniserregend (0,59 ohne Geldbuße und 0,44 einschließlich Geldbußen), im Jahr 2011 jedoch nicht mehr (1,35 ohne Geldbuße und 1,29 einschließlich Geldbußen), wobei der Schwellenwert für den Industriezweig bei 1,23 lag.

567    Schließlich verfügte GSW zwar im Jahr 2009 über Bankkredite im Gesamtbetrag von über 160 Mio. Euro, von denen 22 im Jahr 2011 nicht genutzt wurden, doch wurden die Bankverbindlichkeiten des Unternehmens über einen Betrag von 3 Mrd. Euro erfolgreich neu verhandelt, wovon die Geldbußen etwa 2 % ausmachten.

568    Die Klägerinnen bestreiten die Richtigkeit dieser Finanzdaten nicht. Sie beschränken sich nämlich darauf, andere Vergleiche vorzuschlagen, die Daten für unterschiedliche Jahre betreffen. Die Kommission macht hierzu aus den oben in Rn. 559 dargelegten Gründen zu Recht geltend, dass zur Beurteilung der Frage der Entwicklung der Lage der Klägerinnen zum Zeitpunkt des Schreibens vom 25. Juli 2012 die Lage, die Ende 2009 bestand und im angefochtenen Beschluss berücksichtigt wurde, und die Lage zum Zeitpunkt des Schreibens des Generaldirektors vom 25. Juli 2012 miteinander zu vergleichen sind. Zwischen diesen beiden Zeitpunkten verbesserte sich die finanzielle Lage der Klägerinnen aber beträchtlich.

569    Aus den Ausführungen oben in den Rn. 556 und 557 ergibt sich, dass die von den Klägerinnen in den zweiten Anträgen vorgebrachten Tatsachen die Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit im angefochtenen Beschluss nicht wesentlich verändern konnten. Demnach hat das Schreiben vom 25. Juli 2012 keinen Beschlusscharakter, so dass die gegen dieses Schreiben gerichteten Klagen, die die dritte Gruppe von Rechtssachen darstellen (Rechtssachen T‑438/12 bis T‑441/12), als unzulässig abzuweisen sind.

570    Nach alledem sind alle vorliegenden Klagen abzuweisen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klagen werden abgewiesen.

2.      Die Moreda-Riviere Trefilerías, SA, die Trefilerías Quijano, SA, die Trenzas y Cables de Acero PSC, SL und die Global Steel Wire, SA tragen die Kosten.

Frimodt Nielsen

Dehousse

Collins

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 2. Juni 2016.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Spanisch.


1 –      Nur die Randnummern des vorliegenden Urteils werden wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.