URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)
25. Juni 1998 (1)
„Staatliche Beihilfe Luftverkehr Fluggesellschaft in Finanzkrise
Genehmigung einer Kapitalerhöhung“
In den verbundenen Rechtssachen T-371/94 und T-394/94
British Airways plc, Gesellschaft englischen Rechts, Hounslow (Vereinigtes
Königreich),
Scandinavian Airlines System Denmark-Norway-Sweden, Gesellschaft dänischen,
norwegischen und schwedischen Rechts, Stockholm,
Koninklijke Luchtvaart Maatschappij NV, Gesellschaft niederländischen Rechts,
Amstelveen (Niederlande),
Air UK Ltd, Gesellschaft englischen Rechts, Stansted (Vereinigtes Königreich),
Euralair international, Gesellschaft französischen Rechts, Bonneuil (Frankreich),
TAT European Airlines, Gesellschaft französischen Rechts, Tours (Frankreich),
Prozeßbevollmächtigter: Solicitor Romano Subiotto, Zustellungsanschrift: Kanzlei
der Rechtsanwälte Elvinger, Hoss und Prussen, 15, Côte d'Eich, Luxemburg,
Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94,
und
British Midland Airways Ltd, Gesellschaft englischen Rechts, Castle Donington
(Vereinigtes Königreich), Prozeßbevollmächtigte: Solicitor Kevin F. Bodley und
Rechtsanwalt Konstantinos Adamantopoulos, Athen, Zustellungsanschrift: Kanzlei
des Rechtsanwalts Arsène Kronshagen, 12, boulevard de la Foire, Luxemburg,
Klägerin in der Rechtssache T-394/94,
unterstützt durch
Königreich Schweden, vertreten durch Staffan Sandström als Bevollmächtigten,
Königreich Norwegen, vertreten durch Margit Tveiten als Bevollmächtigte,
Zustellungsanschrift: Königlich norwegisches Konsulat, 3, boulevard Royal,
Luxemburg,
Maersk Air I/S, Gesellschaft dänischen Rechts, Dragøer (Dänemark),
und
Maersk Air Ltd, Gesellschaft englischen Rechts, Birmingham (Vereinigtes
Königreich),
Prozeßbevollmächtigte: Solicitor Roderic O'Sullivan und Solicitor Philip Wareham,
Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Arendt und Medernach, 810, rue
Mathias Hardt, Luxemburg,
Streithelfer in der Rechtssache T-371/94,
Königreich Dänemark, vertreten durch Peter Biering, Abteilungsleiter im
Außenministerium, als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift: Dänische Botschaft,
4, boulevard Royal, Luxemburg,
und
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch John
E. Collins, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigten, und Richard
Plender, QC, Zustellungsanschrift: Botschaft des Vereinigten Königreichs,
14, boulevard Roosevelt, Luxemburg,
Streithelfer in beiden Rechtssachen,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Nicolas Khan und
Ben Smulders, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Beistand: Ami Barav,
zugelassen als Barrister in England und Wales und als Rechtsanwalt in Paris,
Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre
Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
unterstützt durch
Französische Republik, vertreten durch Marc Perrin de Brichambaut, Leiter der
Direktion für Rechtsfragen im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten,
Edwige Belliard, Catherine de Salins und Jean-Marc Belorgey, stellvertretende
Direktorin, Abteilungsleiterin bzw. Chargé de mission in derselben Direktion, als
Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Französische Botschaft, 8B, boulevard
Joseph II, Luxemburg,
und
Compagnie nationale Air France, Gesellschaft französischen Rechts, Paris,
Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Olivier d'Ormesson, Paris,
Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Jacques Loesch, 11, rue Goethe,
Luxemburg,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 94/653/EG der Kommission vom 27. Juli
1994 über die angemeldete Kapitalerhöhung von Air France (ABl. L 254, S. 73)
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten C. W. Bellamy sowie der Richter K. Lenaerts,
C. P. Briët, A. Kalogeropoulos und A. Potocki,
Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6.
und 7. Mai 1997,
folgendes
Urteil
Den Klagen und den Verfahren zugrunde liegender Sachverhalt
Verwaltungsverfahren
- 1.
- Mit Schreiben vom 18. März 1994 unterrichtete die französische Regierung die
Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag über ihre Absicht, der
Compagnie nationale Air France (im folgenden: Air France) Kapital in Höhe von
20 Milliarden FF zuzuführen. Dieser Mitteilung war ein Umstrukturierungsplan mit
dem Titel „Projet pour l'entreprise“ (im folgenden: Plan) beigefügt.
- 2.
- Nach einer Besprechung mit Vertretern der Air France und der französischen
Regierung sowie aufgrund des Schriftwechsels mit diesen eröffnete die Kommission
das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag. Sie unterrichtete die
französischen Behörden hiervon mit Schreiben vom 30. Mai 1994, das am 3. Juni
1994 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurde (ABl.
C 152, S. 2; im folgenden: Mitteilung vom 3. Juni 1994).
- 3.
- In dieser Mitteilung vertrat die Kommission die Auffassung, daß die beabsichtigte
Kapitalerhöhung eine staatliche Beihilfe darstelle, und stellte fest, daß sie zu prüfen
habe, ob das Beihilfevorhaben die Handelsbedingungen in einer Weise verändere,
die dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufe. In diesem Zusammenhang nahm die
Kommission u. a. an,
daß im wirtschaftlichen Umfeld die wirtschaftliche Lage und die
Zukunftsaussichten des gesamten Air-France-Konzerns zu berücksichtigen
seien;
daß sie prüfen müsse, welche Auswirkungen die Beihilfe auf die
Wettbewerbsstellung von Air France auf internationalen und einheimischen
Routen habe, auf denen Air France im Wettbewerb mit anderen
europäischen Verkehrsunternehmen stehe.
- 4.
- In der Folge schickten die französischen Behörden der Kommission eine Reihe von
Schreiben zu und nahmen mit Vertretern der Air France an mehreren von der
Kommission ausgerichteten Besprechungen teil. Bis zum 4. Juli 1994 erhielt die
Kommission Stellungnahmen von 23 Beteiligten, darunter dem Vereinigten
Königreich, dem Königreich Dänemark, dem Königreich Schweden, dem
Königreich Norwegen, der Vereinigung der Luftfahrtunternehmen der EG
(Association des Compagnies Aériennes de la Communauté Européenne; ACE)
und zahlreichen europäischen Fluggesellschaften, u. a. den Klägern.
- 5.
- Die meisten Beteiligten teilen die Bedenken der Kommission in bezug auf eine
Genehmigung der in Rede stehenden Beihilfe. Ihre Haupteinwendungen beziehen
sich u. a. auf folgendes:
Die Beihilfe werde nicht nur der Air France, sondern auch dem gesamten
Konzern zugute kommen;
die Beihilfe werde zu einer Überkapitalisierung des Air-France-Konzerns
führen;
der Kauf von 17 neuen Flugzeugen zum Preis von 11,5 Milliarden FF sei
nicht akzeptabel;
die Beurteilung, ob die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei,
dürfe nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung des
Beihilfeempfängers erfolgen;
falls die Beihilfe genehmigt werde, müsse eine gewaltige Reduzierung der
Kapazitäten der Air France vorgeschrieben werden.
- 6.
- Die Äußerungen der Beteiligten wurden an die französischen Behörden
weitergeleitet, die darauf mit Schreiben vom 13. Juli 1994 an die zuständigen
Kommissionsdienststellen antworteten. Am 14. Juli 1994 richtete der französische
Premierminister ein Schreiben an das zuständige Mitglied der Kommission, in dem
er die Zusicherungen seiner Regierung für den Fall der Billigung des Planes
darlegte. Am 18. Juli 1994 wurden zwei zusätzliche Zusicherungen der
französischen Regierung übermittelt. Schließlich ließen die französischen Behörden
der Kommission am 26. Juli 1994 zusätzliche Informationen zugehen.
Die angefochtene Entscheidung
- 7.
- Am 27. Juli 1994 erließ die Kommission die Entscheidung 94/653/EG über die
angemeldete Kapitalerhöhung von Air France (ABl. L 254, S. 73; im folgenden:
angefochtene Entscheidung), die sich wie folgt zusammenfassen läßt.
- 8.
- Nach einer Beschreibung der Struktur des Air-France-Konzerns (tätig im
Luftverkehr, bei Hoteldienstleistungen, im Tourismus, in der Gastronomie, in der
Wartung und in der Pilotenausbildung) stellt die Kommission fest, daß dieser
Konzern neben British Airways eine der drei großen europäischen
Fluggesellschaften sei. Seit Anfang der 90er Jahre verfolge er eine Politik des
Erwerbs von Beteiligungen an anderen Fluggesellschaften (UTA, Air Inter, Sabena
und CSA), mit der insbesondere seine Stellung auf dem Inlandsmarkt gesichert und
der Wettbewerb auf den internationalen Routen aufgenommen werden solle. Der
Air-France-Konzern habe ein Programm zur Modernisierung und Erweiterung
seiner Flotte in Angriff genommen, das durch Darlehen finanziert worden sei;
durch die finanziellen Belastungen aus diesen Darlehen sei das Betriebsergebnis
verschlechtert worden; 1990 sei zum ersten Mal ein Verlust von 717,2 Millionen FF
ausgewiesen worden. In dieser Lage habe der Air-France-Konzern mehrere
Umstrukturierungspläne verabschiedet, die jedoch alle gescheitert seien.
- 9.
- Zusammenfassend stellt die Kommission fest, daß der Air-France-Konzern sich
einer überaus ernsten finanziellen und wirtschaftlichen Krise gegenübersehe. Nach
einem Verlust in Höhe von 3,2 Milliarden FF im Jahr 1992 betrage der Verlust im
vierten aufeinanderfolgenden Jahr im Jahr 1993 8,4 Milliarden FF. In den
zurückliegenden drei Jahren habe sich die Situation des Konzerns kontinuierlich
verschlechtert. Die Kluft zwischen dem Air-France-Konzern und seinen
Konkurrenten habe sich wegen des schlechten Ergebnisses 1993 weiter vergrößert;
dieses Ergebnis erkläre sich in erster Linie durch die geringe Produktivität und die
hohen Betriebskosten sowie die hohen Finanzlasten.
- 10.
- Die Kommission beschreibt dann die großen Linien des Planes, mit dem aus der
Air France „ein echtes Unternehmen“ gemacht werden soll, wobei dieses Ziel in
der Zeit zwischen dem 1. Januar 1994 und dem 31. Dezember 1996 erreicht werden
solle, und zwar durch eine Senkung der Kosten und der finanziellen Aufwendungen,
eine Änderung der Produktkonzeption und einen besseren Betriebsmitteleinsatz,
eine Umstrukturierung des Unternehmens sowie eine Beteiligung der Angestellten.
- 11.
- In diesem Zusammenhang führt die Kommission u. a. aus, daß die Zahl der im
Umstrukturierungszeitraum auszuliefernden Flugzeuge von 22 auf 17 gesenkt werde
und sich die Flotteninvestitionen dadurch auf 11,5 Milliarden FF verringerten. Die
Einsatzflotte (145 Flugzeuge) werde nur um ein Flugzeug erweitert; das
Sitzplatzangebot werde leicht gesenkt. Außerdem werde Air France ihre Flotte
dadurch rationalisieren, daß sie eine Reihe von Flugzeugen abgebe. Die
Heterogenität ihrer Flotte (24 verschiedene Typen oder Versionen) sei nämlich
einer der Faktoren, die ihre Betriebskosten erhöhten. Darüber hinaus werde die
Air France ihr Netz vereinfachen, die Frequenzen auf rentablen Routen erhöhen,
die Langstreckenrouten ausbauen, wenig genutzte Verbindungen aufgeben und sich
auf Routen mit guten Wachstumsaussichten konzentrieren. Auf sozialer Ebene sei
in dem Plan die Reduzierung des Personalbestands um 5 000 Beschäftigte, das
Einfrieren der Löhne und Gehälter (vorbehaltlich einer Überprüfung) und ein
Beförderungsstopp vorgesehen. Außerdem werde die Air France in elf
Betriebszentren (Profit-Center) neugegliedert, die ihre eigenen Ergebnisse
auswiesen, wobei jedes Zentrum mit eigenen Mitteln ausgestattet sei. Die
Umsetzung des Planes werde über die Kapitalerhöhung und die Veräußerung von
nicht zum Kernbereich gehörenden Teilen des Betriebsvermögens finanziert.
- 12.
- Die Kommission stellt fest, im Laufe ihrer Verhandlungen mit der französischen
Regierung habe diese eine Reihe von Zusicherungen in bezug auf die Umsetzung
des Planes und die Verwendung des der Air France zugewiesenen Kapitals
gegeben, wobei die Kapitalzufuhr in drei Tranchen vorgesehen sei: 10 Milliarden
FF 1994, 5 Milliarden FF 1995 und 5 Milliarden FF 1996. Diese Zusicherungen
sind in Form von Bedingungen in den verfügenden Teil der Entscheidung
übernommen worden.
- 13.
- Auf der Grundlage des Vorstehenden ist die Kommission der Auffassung, daß die
in Rede stehende Kapitalzufuhr eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92
Absatz 1 des Vertrages und Artikel 61 Absatz 1 des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum (im folgenden: EWR-Abkommen) darstelle, die
unter Berücksichtigung des großen Europa-Netzes der Air France und des starken
Wettbewerbs auf den meisten von der Air France beflogenen Routen den
Wettbewerb innerhalb des EWR verzerre. Außerdem beeinträchtige die Beihilfe
den Handel zwischen den EWR-Ländern, da die Zivilluftfahrt ein internationaler
Tätigkeitsbereich sei.
- 14.
- Die Kommission schließt zunächst die Anwendung anderer Ausnahmevorschriftendes Vertrages und des EWR-Abkommens aus und prüft dann, inwieweit den in
Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe
c des EWR-Abkommens festgelegten Kriterien entsprochen wird.
- 15.
- Bei der Untersuchung der gegenwärtigen Lage der Zivilluftfahrt vertritt die
Kommission die Auffassung, daß dieser Sektor sich anscheinend von der 1990
einsetzenden wirtschaftlichen Krise erholt habe. Trotz der positiven Ergebnisse
(Zuwachs im Passagierverkehr) flögen einige europäische Luftfahrtunternehmen
weiterhin Verluste ein, und zwar aufgrund der auf dem Markt bestehenden
Überkapazitäten. Die Aussichten für das europäische Luftverkehrsgewerbe seien
mittelfristig jedoch recht positiv. Vor diesem Hintergrund dürften die
Überkapazitäten nur von begrenzter Dauer sein. Die Kommission ist daher der
Ansicht, daß der Markt nicht in einer strukturellen, durch Überkapazitäten
gekennzeichneten Krise stecke und daß die Lage des Luftverkehrsgewerbes keine
generellen Kapazitätskürzungen rechtfertige.
- 16.
- Nach Auswertung des Planes ist die Kommission der Ansicht, daß dieser geeignet
sei, die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Air France
wiederherzustellen, und daß eine wirkliche Umstrukturierung der Air France zur
Entwicklung des europäischen Luftverkehrsgewerbes dadurch beitragen werde, daß
sie dessen Wettbewerbsfähigkeit stärken werde; sie liege somit im gemeinsamen
Interesse. In diesem Zusammenhang verweist eine Fußnote auf das
Aktionsprogramm der Kommission „Die Zivilluftfahrt in Europa auf dem Weg in
die Zukunft“ (KOM[94] 218).
- 17.
- Bei der Prüfung, ob die geplante Beihilfe in einem angemessenen Verhältnis zum
Umstrukturierungsbedarf von Air France steht, ist die Kommission der Ansicht, daß
diese Maßnahme sowohl notwendig als auch angemessen ist, um das Unternehmen
in die Lage zu versetzen, seinen Umstrukturierungsplan erfolgreich durchzuführen
und seine Leistungsfähigkeit zurückzuerlangen. Dabei untersucht die Kommission
die verschiedenen von Air France zwischen 1989 und 1993 ausgegebenen
Finanzierungsinstrumente und zieht daraus den Schluß, daß der Verschuldungsgrad
(Fremd-/Eigenkapital) Ende 1996 1,12:1 betragen werde. Für die Bilanz des Air-France-Konzerns ergebe sich nämlich folgendes Bild: Eigenkapital = 18,65
Milliarden FF und Fremdkapital = 20,85 Milliarden FF. Dieser Wert liege über
dem Durchschnittswert in der zivilen Luftfahrt, wo 1,5:1 als akzeptabler Wert gelte.
Wenn man von der Beihilfe absehe, könne Air France, um ihre finanzielle Lage
von sich aus zu verbessern, insbesondere Flugzeugbestellungen zurückstellen und
Vermögenswerte verkaufen. Was die erste Möglichkeit angehe, so habe Air France
bereits einige Bestellungen aufgeschoben; durch weitere Verschiebungen würde sich
das Durchschnittsalter der Flotte auf über 10 Jahre erhöhen, was für ein
Unternehmen, das seine Wettbewerbsstärke wiedererlangen möchte, zu hoch sei.
Was den Verkauf von Vermögenswerten betreffe, so gebe es nur wenige
Vermögenswerte, deren Verkauf hinreichende Erlöse erbringen könnte, wie z. B.
Méridien, Sabena und Air Inter. Sabena und Air Inter bildeten zentrale Bausteine
im Luftverkehrsgeschäft der Air France. Der Verkauf der übrigen Vermögenswerte
sei bereits im Plan vorgesehen und dürfe im übrigen nicht zu einer nennenswerten
Kürzung der Beihilfe führen.
- 18.
- Bei der Prüfung, ob die Beihilfe die Handelsbedingungen in einem dem
gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Maße beeinträchtigt, verweist die
Kommission auf die Zusicherungen, die die französische Regierung im
Verwaltungsverfahren gemacht hat insbesondere die Zusicherung, daß allein die
Air France durch die Beihilfe begünstigt sein werde und folgert daraus, daß sie
sich aufgrund dieser Zusicherungen weniger Sorgen in bezug auf Nebenwirkungen
der Beihilfe mache, weil es diese Zusicherungen der Air France praktisch
unmöglich machten, die Beihilfe zur Subventionierung von Air-Inter-Aktivitäten
einzusetzen. Die Kommission habe die Untersuchung der Auswirkungen der
Beihilfe auf den Handel daher auf die Air France beschränkt, die die tatsächlich
dadurch Begünstigte sei.
- 19.
- Nach Auffassung der Kommission schränken diese Zusicherungen den Spielraum
von Air France bei der Festlegung der Angebotskapazität und der Preise sehr stark
ein und hindern sie daran, auf allen von ihr innerhalb des EWR beflogenen
Strecken eine aggressive Preispolitik zu verfolgen. Im übrigen habe Air France in
den ersten vier Monaten des Jahres 1994 ihr Angebot auf dem Europäischen Markt
gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum bereits um 6,4 % reduziert,
während das Angebot aller europäischen Fluggesellschaften durchschnittlich um
3,8 % gestiegen sei. Durch die Auflage, daß das Angebot von Air France hinter
dem Marktzuwachs zurückbleiben müsse, werde sich ihr Marktanteil innerhalb des
EWR zugunsten ihrer Konkurrenten verkleinern. Hierdurch werde ausgeschlossen,
daß die Beihilfe den Handel in einem dem gemeinsamen Interesse
zuwiderlaufenden Maße beeinträchtigen werde.
- 20.
- Die Kommission unterstreicht, daß sie bei ihrer Analyse der Auswirkungen der
Beihilfe im EWR auch der erhöhten Liberalisierung des Luftverkehrs in der
Gemeinschaft nach dem Erlaß von mehreren als das „dritte Paket“ bezeichneten
Verordnungen des Rates im Jahre 1992 Rechnung tragen müsse. In diesem
Zusammenhang stelle die Aufhebung von Vorschriften, durch die die Air France
vor Wettbewerb geschützt werde, eine angemessene Gegenleistung dar, die die
Gewährung einer mit dem gemeinsamen Interesse vereinbaren Beihilfe rechtfertige.
- 21.
- Sie ist schließlich der Ansicht, daß die negativen Auswirkungen der Beihilfe nicht
noch durch die Nutzung von ausschließlichen Rechten oder die Vorzugsbehandlung
der Air France verstärkt würden, da die französischen Behörden zugesichert hätten,
zum einen die auf das Pariser Flughafensystem angewendeten Regeln für die
Verkehrsaufteilung so zu ändern, daß sie nicht mehr diskriminierend seien, und
zum andern dafür Sorge zu tragen, daß die Umbauarbeiten an den beiden
Abfertigungsgebäuden Orly-Sud und Orly-West die Wettbewerbsbedingungen nicht
zu Lasten der auf dem Flugplatz Orly operierenden Fluggesellschaften verändern
werden. Die Kommission weist darüber hinaus darauf hin, daß sie am 27. April
1994 eine Entscheidung erlassen habe, wonach Frankreich den
Luftverkehrsunternehmen der Gemeinschaft spätestens bis zum 27. Oktober 1994
die Ausübung von Verkehrsrechten auf den Strecken Paris (Orly)Toulouse und
Paris (Orly)Marseille genehmigen müsse.
- 22.
- Im Ergebnis ist die Kommission der Auffassung, daß die Bedenken, die sie bei
Eröffnung des Verwaltungsverfahrens geäußert habe, durch die Zusicherungen der
französischen Behörden in ihrer Gesamtheit entkräftet würden.
- 23.
- Nach Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung ist die Beihilfe, die der
Fluggesellschaft Air France zu deren Umstrukturierung entsprechend dem Plan im
Zeitraum 1994 bis 1996 in Form einer in drei Tranchen zu zahlenden
Kapitalerhöhung von 20 Milliarden FF gewährt werden soll, gemäß Artikel 92
Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und gemäß Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c
des EWR-Abkommens mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen
vereinbar, sofern die französische Regierung die sechzehn Zusicherungen einhält,
die Bestandteil des Artikels 1 der Entscheidung sind.
- 24.
- Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung macht die Zahlung der zweiten und der
dritten Tranche der Beihilfe davon abhängig, daß diese Zusicherungen eingehalten,
der Plan effektiv umgesetzt und die angestrebten Ergebnisse tatsächlich erzielt
werden, um sicherzustellen, daß die Höhe der Beihilfe mit dem Gemeinsamen
Markt vereinbar bleibt. Der französischen Regierung wird aufgegeben, der
Kommission vor der Freigabe der zweiten und der dritten Beihilfetranche in den
Jahren 1995 und 1996 einen Bericht über den Fortgang der Umsetzung des
Umstrukturierungsprogramms sowie über die wirtschaftliche und finanzielle Lage
von Air France vorzulegen, wobei die Kommission unabhängige Sachverständige
mit der Prüfung der ordnungsgemäßen Durchführung des Planes sowie der
Erfüllung der an die Genehmigung der Beihilfe geknüpften Bedingungen betrauen
wird.
Gerichtliche Verfahren
- 25.
- Unter diesen Umständen haben die Klägerinnen die vorliegenden Klagen erhoben,
die am 21. November bzw. 22. Dezember 1994 in das Register der Kanzlei des
Gerichts eingetragen worden sind.
- 26.
- Die schriftlichen Verfahren sind normal verlaufen.
- 27.
- Durch Beschlüsse des Präsidenten der Ersten erweiterten Kammer des Gerichts
vom 10. März, 8. Mai und 12. Juni 1995 sind das Königreich Dänemark, das
Vereinigte Königreich, das Königreich Schweden, das Königreich Norwegen und
die Maersk Air I/S und die Maersk Air Ltd; im folgenden: Maersk-Gesellschaften)
als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der jeweiligen Klägerinnen
zugelassen worden.
- 28.
- Durch Beschlüsse des Präsidenten der Ersten erweiterten Kammer des Gerichts
vom 12. Juni 1995 ist die Französische Republik als Streithelferin zur Unterstützung
der Anträge der Beklagten zugelassen worden.
- 29.
- Durch Beschlüsse des Gerichts (Erste erweiterte Kammer) vom 12. Juni 1995 ist
Air France als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Beklagten
zugelassen und ihr gestattet worden, in den mündlichen Verhandlungen in
französischer Sprache zu plädieren.
- 30.
- Durch Entscheidung des Gerichts ist der Berichterstatter der Zweiten erweiterten
Kammer zugewiesen worden, an die die Rechtssachen demzufolge verwiesen
worden sind.
- 31.
- Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Zweite erweiterte Kammer)
beschlossen, die mündlichen Verhandlungen ohne vorherige Beweisaufnahme zu
eröffnen. Es hat die Parteien jedoch aufgefordert, ihr Vorbringen zu einigen
Punkten zu vertiefen.
- 32.
- Die Parteien haben in der Sitzung vom 6. und 7. Mai 1997 mündlich verhandelt
und Fragen des Gerichts beantwortet.
- 33.
- Bei dieser Gelegenheit hat das Gericht eine prozeßleitende Maßnahme gemäß
Artikel 64 seiner Verfahrensordnung erlassen und die Klägerinnen sowie die
Beteiligten, die dem Verfahren zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen als
Streithelfer beigetreten sind, aufgefordert, bei der Kanzlei die Erklärungen
einzureichen, die sie bei der Kommission im Verwaltungsverfahren eingereicht
hatten, soweit sie noch nicht zu den Akten gegeben worden waren. Aufgrund dieser
Maßnahme sind die Erklärungen der British Airways, der TAT European Airlines
(TAT), der Scandinavian Airlines System Denmark-Norway-Sweden (SAS), der
Euralair international und der Air UK am 8. Mai 1997 bei der Kanzlei
eingegangen; die Erklärungen des Königreichs Dänemark, des Vereinigten
Königreichs, des Königreichs Schweden und des Königreichs Norwegen sind bereits
in der mündlichen Verhandlung übergeben worden.
- 34.
- Nachdem die Parteien zu diesem Punkt in der mündlichen Verhandlung gehört
worden sind und keine Einwände erhoben haben, hat das Gericht (Zweite
erweiterte Kammer) die beiden Rechtssachen zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
Anträge der Beteiligten
- 35.
- Die Klägerinnen beantragen in beiden Rechtssachen,
die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Klägerin in der Rechtssache T 394/94 beantragt außerdem, prozeßleitende
Maßnahmen und Beweiserhebungen gemäß den Artikeln 64 und 65 der
Verfahrensordnung anzuordnen und der Kommission die Vorlage aller
einschlägigen Akten und sonstigen Unterlagen aufzugeben, über die diese verfügt.
- 36.
- Das Vereinigte Königreich beantragt,
die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des
Vereinigten Königreichs aufzuerlegen.
- 37.
- Das Königreich Dänemark, das Königreich Schweden und das Königreich
Norwegen beantragen,
die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären.
- 38.
- Die Maersk-Gesellschaften beantragen,
die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
die Kosten ihrer Streithilfe der Kommission aufzuerlegen, soweit es Sache
des Gerichts ist, darüber zu entscheiden.
- 39.
- Die Kommission beantragt,
die Klagen abzuweisen;
den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;
dem Königreich Dänemark, dem Vereinigten Königreich, dem Königreich
Schweden, dem Königreich Norwegen und den Maersk-Gesellschaften einen
Teil der Kosten der Kommission aufzuerlegen.
- 40.
- Die Französische Republik beantragt,
die Klagen abzuweisen.
- 41.
- Die Air France beantragt,
die Klagen abzuweisen;
den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der
Air France aufzuerlegen.
Zur Begründetheit
- 42.
- Zur Begründung ihrer Klagen machen die Klägerinnen mehrere Rügen geltend, die
sich wie folgt zusammenfassen lassen. Im Rahmen der ersten Gruppe von Rügen
(I) werfen die Klägerinnen der Kommission zum einen vor, dadurch gegen die
Regeln für das in Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages vorgesehene
Verwaltungsverfahren verstoßen zu haben, daß sie es unterlassen habe,
ausreichende Informationen einzuholen und/oder den Beteiligten, darunter den
Klägern, ausreichende Informationen an die Hand zu geben, damit sie den
gesetzlichen Vorschriften entsprechend angehört werden und die Rechte, die ihnen
die Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages und 62 Absatz 1 Buchstabe a des EWR-Abkommens einräumten, wirksam ausüben könnten. Zum andern werfen die
Klägerinnen der Kommission vor, daß sie zur Beurteilung der Vereinbarkeit der
streitigen Beihilfe mit den Artikeln 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und 61
Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens keine unabhängigen Sachverständigen
herangezogen und nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um die
Richtigkeit der von den französischen Behörden und von der Firma Air France
erteilten Auskünfte zu prüfen.
- 43.
- Im Rahmen der zweiten Gruppe von Rügen (II) werfen die Klägerinnen der
Kommission vor, sie habe bei der Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe
c des Vertrages und des Artikels 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens
mehrere Fehler begangen. In diesem Zusammenhang wird gerügt, daß die
Kommission zunächst gegen den für staatliche Beihilfen geltenden Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit dadurch verstoßen habe, daß sie erstens zu Unrecht den Kauf
von 17 neuen Flugzeugen durch die Air France genehmigt habe (A), zweitens zu
Unrecht die Finanzierung von Betriebskosten und von operativen Maßnahmen der
Air France genehmigt habe (B), drittens eine fehlerhafte Einstufung der von der
Air France zwischen 1989 und 1993 ausgegebenen Wertpapiere vorgenommen habe
(C), viertens den Verschuldungsgrad der Air France falsch beurteilt habe (D) und
es fünftens zu Unrecht unterlassen habe, den Verkauf gewisser
Vermögensgegenstände der Air France zu verlangen, die hätten veräußert werden
können (E). Darüber hinaus werfen die Klägerinnen der Kommission vor, sie habe
zu Unrecht angenommen, daß durch die Beihilfe die Entwicklung eines
Wirtschaftszweigs gefördert werden solle, ohne daß die Handelsbedingungen in
einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändert würden. In
diesem Zusammenhang richtet sich ihre Kritik insbesondere gegen zwölf der
sechzehn Bedingungen, von der die Entscheidung über die Genehmigung der
Beihilfe abhängig gemacht worden ist. Schließlich ziehen die Klägerinnen unter
verschiedenen Gesichtspunkten die Eignung des Umstrukturierungsplans der Air
France in Zweifel und werfen der Kommission vor, sie sei zu Unrecht zu dem
Ergebnis gelangt, daß mit diesem Plan die wirtschaftliche Lebensfähigkeit von Air
France wiederhergestellt werden könne. Im Rahmen dieser verschiedenen Rügen
werfen die Klägerinnen der Kommission außerdem vor, sie habe die angefochtene
Entscheidung nicht ausreichend begründet. Mit einer letzten Rüge macht die
Klägerin in der Rechtssache T-394/94, die British Midland Airways Ltd, einen
Verstoß gegen Artikel 155 des Vertrages geltend.
I Zu den einen nicht ordnungsgemäßen Ablauf des Verwaltungsverfahrens
betreffenden Rügen
Vorbringen der Beteiligten
- 44.
- Die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 macht im wesentlichen geltend, das in
Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages geregelte Verwaltungsverfahren sei
kontradiktorisch und die Kommission müsse daher den Beteiligten ausreichende
Informationen an die Hand geben, damit sie die potentiellen Auswirkungen einer
Beihilfe ihnen gegenüber voll würdigen könnten. Im vorliegenden Fall sei die
Mitteilung der Kommission vom 3. Juni 1994 unzureichend gewesen. Insbesondere
habe die Kommission
die Berechnung des Betrages von 20 Milliarden FF nicht erklärt,
was die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen angehe, nicht angegeben,
welche Flugzeugtypen angeschafft würden und aus welchen Flugzeugtypen
die Flotte bestehe,
den Wortlaut des Umstrukturierungsplans nicht angegeben,
nicht erklärt, worauf sich die Berechnung einer Produktivitätssteigerung der
Air France von 30 % oder 33,3 % gestützt habe,
nicht angegeben, welche Kosten durch das vorgeschlagene freiwillige
Ausscheiden von Personal entstünden,
im einzelnen keine Angaben über die Aktiva von Air France gemacht und
auch keine Aufgliederung der mit dem Kerngeschäft zusammenhängenden
Aktiva und der nicht zum Kerngeschäft gehörenden Aktiva vorgelegt,
keine Schätzung des Wertes der Hotelkette Méridien vorgelegt,
im einzelnen keine Angaben zum Wert der Beteiligungen der Air France
an der Air Inter, der Sabena oder anderen Gesellschaften gemacht und
auch nicht erklärt, warum diese Aktiva nicht als nicht zum Kerngeschäft
gehörende Aktiva angesehen worden seien,
im einzelnen keine Angaben zum geplanten Air-France-Netz in der Weise
gemacht, daß die eventuellen Auswirkungen dieses Netzes auf den
Wettbewerb hätten berechnet werden können,
im einzelnen keine Abgaben zu den von der Air France geplanten „neuen
Produkten“ in der Weise gemacht, daß deren Auswirkungen auf den
Wettbewerb hätten eingeschätzt werden können,
bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung nicht über den Jahresabschluß
von Air France verfügt,
nicht erklärt, warum sie nicht die Mitteilung der wesentlichen Informationen
gefordert habe, die zum Erlaß einer in bezug auf die Vereinbarkeit der
Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt begründeten Entscheidung
erforderlich seien,
die Tochtergesellschaften, insbesondere die Air Inter, nicht berücksichtigt,
weil der Umstrukturierungsplan sich ausschließlich auf Air France
konzentriert habe,
nicht erklärt, wie die Vorschläge für die Fortführung der
Expansionsvorhaben der Air France mit den Zielen des Vertrages hätten
in Einklang gebracht werden können, und zwar insbesondere angesichts des
Scheiterns der beiden vorangehenden Kapitalzufuhren in Höhe von 5,8
Milliarden FF.
- 45.
- In ihren bei der Kommission im Verwaltungsverfahren eingereichten Erklärungen
hatte die British Midland bereits die Mehrzahl der oben genannten Punkte
angesprochen und die Kommission u. a. dazu aufgefordert, sie von dem von der Air
France vorgelegten Umstrukturierungsplan in Kenntnis zu setzen, da sie andernfalls
nicht über ausreichende Informationen verfüge, um sich zu dem Beihilfevorhaben
sachgerecht äußern zu können.
- 46.
- Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 sind ebenfalls der Auffassung, daß
die in der Mitteilung vom 3. Juni 1994 enthaltenen Informationen nicht ausreichend
seien. Hätte die Mitteilung genauere Angaben über die Absichten der Air France
enthalten, ihre Frequenz auf rentablen Routen zu erhöhen, die Langstreckenrouten
auszubauen, den Betrieb auf wenig genutzten Routen einzustellen und sich auf
Routen mit guten Wachstumsaussichten zu konzentrieren, so hätten die
Klägerinnen der Kommission bei der Bewertung dieser Aspekte des
Umstrukturierungsplans behilflich sein können. Insbesondere habe die Kommission
nicht angegeben, wie die Air France die Notwendigkeit gerechtfertigt habe, 17 neue
Flugzeuge anzuschaffen, so daß die Beteiligten der Kommission nicht die
Informationen hätten liefern können, die diese benötigt hätte, um diesen Aspekt
der Angelegenheit sorgfältig und unparteiisch prüfen zu können.
- 47.
- Darüber hinaus werde in der Mitteilung die verwendete Maßeinheit, ausgedrückt
in „Equivalent Revenue Passenger Kilometre“ (im folgenden: ERPK) überhaupt
nicht erwähnt. Mit dieser Maßeinheit, die speziell für Air France ausgearbeitet und
auf die Berechnung ihrer eigenen gegenwärtigen und zukünftigen
Produktionsschwellenwerte angewendet worden sei, seien sie erstmals in der
angefochtenen Entscheidung konfrontiert worden.
- 48.
- Außerdem hätte die Kommission die französische Fassung der Mitteilung, was eine
eventuelle Überkapitalisierung von Air France angehe, überprüfen müssen. Die
Übertragung der ORA (obligations remboursables en actions Obligationen, die
in Aktien zu tilgen sind) und der TSDI (titres subordonnés à durée indéterminée
reconditionnés nachrangige neukonditionierte Schuldverschreibungen mit
unbestimmter Laufzeit) „from the side of the debts into the equity“ in der
englischen Version sei mit einer Übertragung „du passif vers l'actif“ übersetzt
worden. Dieser Übersetzungsfehler habe die Formulierung von sachdienlichen
Stellungnahmen für Dritte, die die französische Fassung verwendet hätten,
erschweren müssen.
- 49.
- Schließlich hätte die Kommission wegen der Komplexität der Angelegenheit von
unabhängigen Wirtschafts-, Finanzierungs- und
Luftverkehrswirtschaftssachverständigen unterstützt werden müssen. Wie aus
Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, der die Einschaltung von
unabhängigen Sachverständigen vor der Freigabe der zweiten und der dritten
Tranche der Beihilfe vorsehe, erkenne die Kommission selbst an, daß es unbedingt
erforderlich sei, die richtige Anwendung des Umstrukturierungsplans durch externe
Sachverständige prüfen zu lassen. Sie gestehe daher unausgesprochen ein, daß sie
nicht über ausreichende Fachkenntnisse verfüge, um eine solche Überprüfung selbst
vornehmen zu können.
- 50.
- Die Klägerinnen in beiden Rechtssachen sind der Ansicht, daß die Kommission
beim Erlaß der angefochtenen Entscheidung überhastet vorgegangen sei, was mit
der Beachtung der Grundrechte der Klägerinnen und der anderen Beteiligten
unvereinbar sei. Die angefochtene Entscheidung sei nämlich nur sechzehn
Werktage nach dem Ablauf der Frist erlassen worden, die den Beteiligten zur
Abgabe ihrer Stellungnahmen gesetzt worden sei; dies stelle einen außergewöhnlich
kurzen Zeitraum für die Untersuchung, Diskussion und Entscheidung der durch das
streitige Beihilfevorhaben aufgeworfenen komplexen Probleme dar. Der zeitliche
Abstand zwischen der Eröffnung des gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages
eingeleiteten Verfahrens und dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung (3. Juni
und 27. Juli 1994) habe tatsächlich 37 Werktage betragen und damit erheblich
unter dem Durchschnitt der in ähnlichen Sachen festgestellten Zeitspannen gelegen.
- 51.
- Das Königreich Dänemark hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen,
daß sie die Kommission im Verwaltungsverfahren vergeblich dazu aufgefordert
habe, den anderen Mitgliedstaaten die Antwort der französischen Regierung auf
die Mitteilung vom 3. Juni 1994 zu übermitteln, damit diese ihre Erklärungen
abgeben könnten, bevor die Kommission ihre Entscheidung treffe.
- 52.
- Die Kommission entgegnet, im Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages
sei keine kontradiktorische Erörterung mit beteiligten Dritten vorgeschrieben. Diese
könnten nicht den Anspruch erheben, ebenso behandelt zu werden wie der
Adressat der abschließenden Entscheidung. In diesem Zusammenhang verweist die
Kommission auf die Rechtsprechung zum Wettbewerb, wonach die
Verfahrensrechte der Beschwerdeführer nicht ebenso weit gingen wie die
Verteidigungsrechte der Unternehmen, gegen die die Kommission ihre
Untersuchung führe.
- 53.
- Die Mitteilung, mit der das Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 eröffnet werde,
bezwecke ausschließlich, daß die Kommission von den Beteiligten alle
Informationen erhalte, die dazu bestimmt seien, ihr Klarheit über ihr zukünftiges
Vorgehen zu verschaffen. Im vorliegenden Fall seien in der Mitteilung vom 3. Juni
1994 alle Aspekte aufgezählt, in bezug auf die sie habe Erklärungen erhalten
wollen, um über das von den französischen Behörden mitgeteilte Beihilfevorhaben
entscheiden zu können. In dieser Mitteilung habe sie alle Informationen geliefert,
die dafür erforderlich seien, daß die Betroffenen ihre Meinung zum Ausdruck
bringen könnten.
- 54.
- Allgemeiner gesehen vertritt die Kommission die Ansicht, sie habe in ihrer
Mitteilung nur die Informationen anführen können, über die sie im Zeitpunkt der
Veröffentlichung verfügt habe und die weder belanglos seien noch unter das
Berufs- oder Geschäftsgeheimnis fielen. Im übrigen bestehe das Ziel einer
Mitteilung nach Artikel 93 Absatz 2 nicht darin, eine endgültige Meinung zum
Ausdruck zu bringen, sondern darin, Fragen aufzuwerfen. Was die zahlreichen
Informationen angehe, die nach Ansicht der Klägerinnen in der Mitteilung vom 3.
Juni 1994 hätten enthalten sein müssen, so seien die genannten Punkte
überwiegend entweder unter das Geschäftsgeheimnis gefallen oder hätten keine
Zweifel aufgeworfen, in bezug auf die die Kommission weitere Auskünfte benötigt
hätte.
- 55.
- Was die Dauer der Prüfung angeht, weist die Kommission darauf hin, daß das
streitige Beihilfevorhaben ihr am 18. März 1994 mitgeteilt und die angefochtene
Entscheidung 131 Tage später am 27. Juli 1994 erlassen worden sei. Der zeitliche
Abstand zwischen diesen beiden Daten sei etwa der gleiche wie in ähnlichenSachen (Entscheidung 91/555/EWG der Kommission vom 24. Juli 1991 betreffend
Beihilfen der belgischen Regierung zugunsten der Luftverkehrsgesellschaft Sabena
[ABl. L 300, S. 48; im folgenden: Sabena-Entscheidung], Entscheidung 94/118/EG
der Kommission vom 21. Dezember 1993 über eine Beihilfe Irlands zugunsten des
Aer-Lingus-Konzerns [ABl. 1994, L 54, S. 30; im folgenden: Aer-Lingus-Entscheidung], Entscheidung 94/698/EG der Kommission vom 6. Juli 1994 über
eine Kapitalerhöhung, Kreditbürgschaften und die bestehende Steuerbefreiung
zugunsten von TAP [ABl. L 279, S. 29; im folgenden: TAP-Entscheidung]). Daß
diese Zeitspanne normal gewesen sei, werde durch Artikel 10 Absatz 3 der
Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die
Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1) bestätigt,
wonach eine Entscheidung, durch die ein angemeldeter Zusammenschluß für mit
dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werde, innerhalb einer Frist von vier
Monaten erlassen werden müsse.
- 56.
- Die Kommission vertritt schließlich die Ansicht, daß sie rechtlich nicht verpflichtet
sei, sich vor dem Erlaß ihrer Entscheidungen an externe Sachverständige zu
wenden.
Würdigung durch das Gericht
Allgemeines
- 57.
- Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die französischen Behörden die Kommission von
dem Beihilfevorhaben offiziell unterrichtet haben; nachdem die Kommission
beschlossen hatte, das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages
einzuleiten, war sie verpflichtet, vor der Entscheidung über dieses Vorhaben „den
Beteiligten eine Frist zur Äußerung“ zu setzen.
- 58.
- Was den Zweck der letztgenannten Passage des Artikels 93 Absatz 2 angeht, ist
sodann darauf hinzuweisen, daß diese Vorschrift nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofes zum einen die Kommission verpflichten soll, dafür Sorge zu tragen,
daß alle potentiell Betroffenen unterrichtet werden und Gelegenheit erhalten, ihren
Standpunkt geltend zu machen (Urteil vom 14. November 1984 in der Rechtssache
323/82, Intermills/Kommission, Slg. 1984, 3809, Randnr. 17) und zum andern die
Kommission in die Lage versetzen soll, sich vor Erlaß ihrer Entscheidung
umfassend über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zu unterrichten
(Urteil vom 20. März 1984 in der Rechtssache 84/82, Deutschland/Kommission, Slg.
1984, 1451, Randnr. 13).
- 59.
- Was insbesondere die Verpflichtung der Kommission zur Unterrichtung der
Beteiligten betrifft, hat der Gerichtshof entschieden, daß die Veröffentlichung einer
Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ein angemessenes Mittel
zur Unterrichtung aller Beteiligten über die Einleitung eines Verfahrens darstellt
(Urteil Intermills/Kommission, Randnr. 17), wobei er festgestellt hat, daß „diese
Mitteilung ... lediglich dem Zweck [dient], von den Beteiligten alle Auskünfte zu
erhalten, die dazu beitragen können, der Kommission Klarheit über ihr weiteres
Vorgehen zu verschaffen“ (Urteil vom 12. Juli 1973 in der Rechtssache 70/72,
Kommission/Deutschland, Slg. 1973, 813, Randnr. 19). Das Gericht ist dieser
Rechtsprechung, durch die den Beteiligten im wesentlichen die Rolle von
Informationsquellen für die Kommission im Rahmen des gemäß Artikel 93 Absatz
2 des Vertrages eingeleiteten Verwaltungsverfahrens zugewiesen wird, gefolgt
(Urteil vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-266/94, Skibsværftsforeningen
u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1399, Randnr. 256).
- 60.
- Daraus folgt, daß die Beteiligten einen Anspruch auf rechtliches Gehör, wie er
denjenigen zusteht, gegen die ein Verfahren eingeleitet worden ist, keineswegs
geltend machen können (siehe in diesem Sinne das in einer Wettbewerbssache
ergangene Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1987 in den verbundenen
Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487,
Randnrn. 19 und 20, und das Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 1990 in der
Rechtssache C-142/87, Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959, Randnr. 46) und
lediglich über das Recht verfügen, am Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigung
der Umstände des Einzelfalls angemessen beteiligt zu werden.
- 61.
- Das Ausmaß der Rechte auf Beteiligung und Information, über die die Betroffenen
im Rahmen des gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages eingeleiteten
Verwaltungsverfahrens verfügen, kann jedoch in zweierlei Hinsicht beschränkt sein.
- 62.
- Wenn wie im vorliegenden Fall ein Mitgliedstaat die Kommission von einem
Beihilfevorhaben, dem Belege beigefügt sind, unterrichtet und die zuständigen
Stellen der Kommission anschließend eine Reihe von Gesprächen mit den Beamten
des Mitgliedstaats führen, so kann zum einen der Informationsstand der
Kommission bereits ein verhältnismäßig hohes Niveau erreicht haben, bei dem nur
noch eine beschränkte Zahl von Zweifeln bestehen bleiben, die durch Auskünfte
der Beteiligten ausgeräumt werden könnten. Da die Erörterung zwischen dem
Mitgliedstaat und der Kommission sich auf die Einzelheiten des Beihilfevorhabens,
die wirtschaftliche und finanzielle Lage des begünstigten Unternehmens und dessen
Stellung im Wettbewerb sowie auf das interne Funktionieren dieses Unternehmens
erstreckt, ist sie notwendigerweise gründlicher als die Erörterung mit den
Beteiligten. Folglich gibt die Kommission den Beteiligten zwar allgemeine
Informationen über die wesentlichen Bestandteile des Beihilfevorhabens, sie kann
sich aber darauf beschränken, ihre Mitteilung im Amtsblatt auf die Punkte des
Vorhabens zu konzentrieren, hinsichtlich deren sie noch gewisse Zweifel hegt.
- 63.
- Zum andern ist die Kommission nach Artikel 214 des Vertrages verpflichtet, den
Beteiligten keine Information zugänglich zu machen, die ihrer Natur nach unter das
Berufsgeheimnis fallen, wie insbesondere Angaben über den internen Betrieb des
begünstigten Unternehmens. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Stellung der
Beteiligten nicht von derjenigen der Beschwerdeführer in Wettbewerbssachen,
denen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes keine Geschäftsgeheimnisse
mitgeteilt werden dürfen (vgl. das in Randnr. 60 zitierte Urteil BAT und
Reynolds/Kommission, Randnr. 21).
- 64.
- Die Beschränktheit der oben genannten Rechte auf Beteiligung und Information
steht, da diese Rechte nur den Ablauf des Verwaltungsverfahrens betreffen, nicht
im Widerspruch zur Verpflichtung der Kommission gemäß Artikel 190 des
Vertrages, ihre abschließende Entscheidung, durch die das Beihilfevorhaben
genehmigt wird, mit einer ausreichenden Begründung zu versehen, in der zu allen
wesentlichen Beschwerdepunkten Stellung genommen werden muß, die die
unmittelbar und individuell durch diese Entscheidung betroffenen Beteiligten
entweder von sich aus oder aufgrund von Informationen, die die Kommission
übermittelt hat, aufgeworfen haben. Selbst wenn man annimmt, daß die
Kommission in einem Einzelfall zulässigerweise der Nutzung anderer
Informationsquellen den Vorzug geben und dadurch die Bedeutung der Beteiligung
der Betroffenen mindern kann, so befreit dies sie nicht von der Verpflichtung, ihre
Entscheidung mit einer angemessenen Begründung zu versehen (siehe unten,
Randnr. 96).
- 65.
- Anhand der oben entwickelten Grundsätze sind die angeblichen
Unregelmäßigkeiten des Ablaufs des Verwaltungsverfahrens zu prüfen, wobei nicht
streitig ist, daß die Klägerinnen und die dem Verfahren zur Unterstützung ihrer
Anträge beigetretenen Beteiligten sowie die ACE, die im Verwaltungsverfahren bei
der Kommission einer Genehmigung des streitigen Beihilfevorhabens
widersprochen haben, als Beteiligte im Sinne von Artikel 93 Absatz 2 des
Vertrages, so wie dieser vom Gerichtshof in seinem Urteil Intermills/Kommission
(zitiert in Randnr. 58, Randnr. 16) ausgelegt worden ist, anzusehen sind.
Die Mitteilung vom 3. Juni 1994
- 66.
- Was erstens die angebliche Unzulänglichkeit der Mitteilung vom 3. Juni 1994
angeht, ist festzustellen, daß in dieser Mitteilung folgendes dargelegt wird:
Die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Air France vor der
Ausarbeitung des Beihilfevorhabens, insbesondere die früheren
Umstrukturierungspläne und Kapitalzuführungen sowie die aufgelaufenen
Verluste,
die wesentlichen Themen des neuen Umstrukturierungsplans,
der vorgesehene Beihilfebetrag von 20 Milliarden FF und
die Hauptbedenken der Kommission in diesem Verfahrensstadium,
insbesondere in bezug auf die Produktivitätssteigerungen der Air France, die
Struktur des Air France-Konzerns, die Stellung der Air France im
Wettbewerb und die Möglichkeit ihrer Überkapitalisierung.
Das Gericht ist der Ansicht, daß diese Information ausreichte, um die Beteiligten
in die Lage zu versetzen, ihren Standpunkt gegenüber der Kommission sachgerecht
zu vertreten.
- 67.
- Soweit die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 der Auffassung sind, daß die
Maßeinheit ERPK, das Streckennetz der Air France und seine zukünftige
Entwicklung sowie die Gründe, die die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen
rechtfertigten, ebenfalls in der Mitteilung hätten wiedergegeben werden müssen,
genügt die Antwort der Kommission, daß sie in bezug auf diese speziellen Punkte
keine Bedenken gehabt habe, um das Schweigen der Mitteilung in dieser Hinsicht
zu rechtfertigen, durch das den Klägerinnen das Recht nicht genommen wird, vom
Gericht prüfen zu lassen, ob die endgültige Entscheidung in bezug auf diese
Gesichtspunkte ausreichend begründet ist oder aber offensichtliche Berurteilungs-
oder Rechtsfehler aufweist.
- 68.
- Was die Rügen angeht, die die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 in bezug
darauf erhebt, daß die zahlreichen oben genannten Einzelheiten nicht mitgeteilt
worden seien (siehe oben, Randnr. 44), beruft sich die Kommission zu Recht auf
das Geschäftsgeheimnis, das es ihr verbot, den Wettbewerbern der Air France
kommerziell sensible Daten der Fluggesellschaft zugänglich zu machen.
Insbesondere der Umstrukturierungsplan enthielt vor seiner Billigung durch die
Kommission und zu Beginn seiner Durchführung derartige Informationen, und
es stand den Wettbewerbern ganz offensichtlich nicht zu, jede einzelne der von der
Air France geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen zu bewerten und mit ihren
eigenen Geschäftsführungsmaßnahmen zu vergleichen. Andernfalls könnten die
Wettbewerber sich in die innere Umstrukturierung der Air France einmischen und
versuchen, Maßnahmen zu „diktieren“, die ihnen für diese günstig erschienen,
nachdem sie wertvolle Informationen über ihre Wettbewerberin erhalten hätten.
Dieser Beurteilung widerspricht nicht, daß andere Beteiligte, wie z. B. die ACE
(S. 27, letzter Absatz ihrer Erklärungen), sich anscheinend diesen
Umstrukturierungsplan haben verschaffen können. Dies darf die Kommission nicht
dazu veranlassen, gegen Artikel 214 des Vertrages zu verstoßen.
- 69.
- Außerdem ist der Jahresabschluß der Air France für 1993 im „Bulletin des
annonces légales obligatoires“ vom 17. Juni 1994 auf Seite 10207 veröffentlicht
worden (Nr. 319 des Streithilfeschriftsatzes der Air France in der Rechtssache
T-371/94) und war den Beteiligten somit zugänglich. Diese können der Kommission
folglich nicht vorwerfen, daß sie die endgültigen Zahlen in ihrer Mitteilung vom 3.
Juni nicht veröffentlicht und ihre abschließende Entscheidung in Unkenntnis dieser
Daten getroffen habe.
- 70.
- Schließlich beschränkt sich der Vorwurf gegenüber der Kommission, sie habe sich
vor Erlaß ihrer abschließenden Entscheidung wesentliche Informationen nicht
verschafft und habe nicht alle entscheidungserheblichen Aspekte der Sache
ausreichend geprüft, auf bloße allgemeine Behauptungen und Annahmen, die durch
keinen konkreten Beweis bestätigt werden. Die Kommission durfte sich somit auf
die Antwort beschränken, daß sie alle sachdienlichen und erforderlichen
Informationen tatsächlich erhalten habe und diese von ihr gründlich geprüft worden
seien. Im übrigen bezieht sich diese Rüge in Wirklichkeit nicht auf das Stadium der
Mitteilung vom 3. Juni 1994, sondern auf das spätere Stadium der angefochtenen
Entscheidung. Das gleiche gilt für die beiden letzten Rügen der Klägerin in der
Rechtssache T-394/94 (siehe oben, Randnr. 44), bei denen es sich in Wirklichkeit
um Rügen handelt, die sich im Rahmen der Begründetheit und der sachlichen
Würdigung gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung richten. Sie
werden daher im folgenden in einem anderen Zusammenhang geprüft werden.
Die Dauer der Prüfung
- 71.
- Die Klägerinnen sind der Ansicht, in Anbetracht der Komplexität des streitigen
Beihilfevorhabens sei die Zeit, die sich die Kommission vor Erlaß der
angefochtenen Entscheidung zur Prüfung zugestanden habe, zu kurz gewesen. Dazu
ist zunächst festzustellen, daß weder der Vertrag noch sonstige
gemeinschaftsrechtliche Vorschriften vorsehen, daß bei Entscheidungen über
staatliche Beihilfen, die nach Abschluß des Verfahrens des Artikels 93 Absatz 2 des
Vertrages erlassen werden, eine feststehende Frist einzuhalten ist. Auch wenn man
annimmt, daß die Kommission mit zu großer Eile tätig geworden wäre und sich
nicht genügend Zeit zur Prüfung des streitigen Vorhabens gelassen hätte, so könnte
ein solches Verhalten im übrigen als solches die Nichtigerklärung der
angefochtenen Entscheidung noch nicht rechtfertigen. Eine Nichtigerklärung würde
vielmehr voraussetzen, daß dieses Verhalten in einem Verstoß gegen spezifische
Verfahrensvorschriften, der Verletzung der Begründungspflicht oder der
materiellen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung zum Ausdruck käme.
Diese Rüge ist folglich zurückzuweisen, ohne daß es erforderlich wäre, sich zur
Erheblichkeit der Entscheidungspraxis der Kommission auf dem Gebiet derUnternehmenszusammenschlüsse zu äußern.
Die externen Sachverständigen
- 72.
- Der Vorwurf gegenüber der Kommission, sie habe zur Ausarbeitung der
angefochtenen Entscheidung keine externen Sachverständigen hinzugezogen, ist
offensichtlich nicht begründet, da weder eine Bestimmung des Vertrages noch
sonstige gemeinschaftsrechtliche Vorschriften die Kommission dazu verpflichten.
Außerdem verfügte die Kommission auf jeden Fall vor dem Erlaß der
angefochtenen Entscheidung über ein verhältnismäßig hohes Informationsniveau
auf dem Gebiet des Luftverkehrs. In diesem Zusammenhang hatte die Kommission
sich mit der Lage des Luftverkehrs, die u. a. Gegenstand des Anfang 1994 vom
„Rat der Weisen“ veröffentlichten Berichts „Expanding Horizons“, des Programms
„Die Zivilluftfahrt in Europa auf dem Weg in die Zukunft“ sowie der
Veröffentlichungen der International Air Transport Association (IATA) und der
Association of European Airlines (AEA) war, bereits vertraut gemacht. Darüber
hinaus hatte die Kommission im Luftverkehrssektor schon andere Entscheidungen
erlassen, wie z. B. die Sabena-, die Aer-Lingus-, und die TAP-Entscheidung (siehe
Randnr. 55). Schließlich deutet kein besonderer Gesichtspunkt des vorliegenden
Falles darauf hin, daß die Kommission externe Sachverständige benötigt hätte.
Der Übersetzungsfehler
- 73.
- Der Fehler in der französischen Fassung der Mitteilung vom 3. Juni 1994, den die
Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 festgestellt haben, ist derartig
offensichtlich, daß er den mit dem Luftverkehrssektor vertrauten Kreisen ohne
weiteres auffallen mußte. Es liegt nämlich auf der Hand, daß Anleihepapiere nach
den Buchführungsgrundsätzen nicht „du passif vers l'actif“ („from the side of the
debts into the equity“ nach der englischen Fassung der Mitteilung) übertragen
werden können, sondern daß ihre Qualifizierung allein innerhalb der Passiva
vorgenommen werden muß, wo sie entweder Eigenmittel oder Verbindlichkeiten
darstellen.
- 74.
- Auf jeden Fall hat die Kommission in dieser Passage ihrer Mitteilung ausdrücklich
festgestellt, daß sie die Klassifizierung dieser Papiere noch gründlich prüfen müsse.
Die Beurteilung durch die Kommission war folglich noch nicht endgültig, und zwar
auch im Hinblick auf den durch den oben genannten Fehler verfälschten Punkt.
Dieser Fehler kann daher die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens nicht
berühren, da die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang allein darin
bestand, ob die abschließende Entscheidung noch durch diesen Fehler berührt
worden ist, was selbst von den Klägerinnen nicht geltend gemacht worden ist.
Die Beteiligung der anderen Mitgliedstaaten
- 75.
- Die Rüge des Königreichs Dänemark, daß die Kommission den anderen
Mitgliedstaaten die Antwort der französischen Regierung auf die Mitteilung vom
3. Juni 1994 hätte übermitteln müssen, ist als unzulässig zurückzuweisen, da sie von
den Klägerinnen nicht erhoben worden ist. Da die Streithelferinnen gemäß Artikel
116 § 3 der Verfahrensordnung den Rechtsstreit in der Lage annehmen müssen,
in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befindet, und da nach Artikel 37 Absatz 4
der EG-Satzung des Gerichtshofes mit den aufgrund ihres Beitritts gestellten
Anträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden können, ist das
Königreich Dänemark als Streithelferin nicht berechtigt, diese Rüge zu erheben
(siehe in diesem Sinne das Urteil des Gerichtshofes vom 24. März 1993 in der
Rechtssache C-313/90, CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1125, Randnrn. 19
bis 22).
- 76.
- Auf jeden Fall verpflichtet Artikel 93 des Vertrages nach seinem Wortlaut die
Kommission nicht, den anderen Mitgliedstaaten die Erklärungen zu übermitteln,
die sie von der Regierung des Staates erhalten hat, der die Genehmigung zur
Gewährung einer Beihilfe beantragt. Vielmehr geht aus Artikel 93 Absatz 2
Unterabsatz 3 des Vertrages hervor, daß die anderen Mitgliedstaaten an einer
speziellen Beihilfesache nur beteiligt sind, wenn diese Sache auf Antrag des
betroffenen Staates dem Rat vorgelegt wird.
Ergebnis
- 77.
- Nach alledem weist das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages, das im
vorliegenden Fall abgelaufen ist, keinen Mangel auf, so daß die diesbezüglichen
Rügen zurückzuweisen sind.
II Zu den Rügen, die sich auf die Beurteilungsfehler und Rechtsfehler stützen, die
die Kommission unter Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages
und Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens begangen haben soll
Allgemeines
- 78.
- In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die Rechtmäßigkeit der
streitigen Beihilfe anhand von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und
Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens geprüft. Im Rahmen dieser
Prüfung hat sie festgestellt, daß eine wirkliche Umstrukturierung von Air France
im gemeinsamen Interesse liege, daß die Höhe der Beihilfe nicht unangemessen sei
und daß die Beihilfe die Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen
Interesse zuwiderlaufenden Weise verändere.
- 79.
- Nach ständiger Rechtsprechung verfügt die Kommission bei der Anwendung des
Artikels 92 Absatz 3 des Vertrages über ein weites Ermessen (siehe z. B. die
Urteile des Gerichtshofes vom 17. September 1980 in der Rechtssache 730/79,
Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnrn. 17 und 24, vom 24. Februar
1987 in der Rechtssache 310/85, Deufil/Kommission, Slg. 1987, 901, Randnr. 18,
und vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87, Frankreich/Kommission,
Slg. 1990, I-307, Randnr. 49). Da es bei diesem Ermessen um die Würdigung
komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten geht, muß sich die gerichtliche Kontrolle
einer in diesem Rahmen getroffenen Entscheidung auf die Prüfung beschränken,
ob die Verfahrens- und Begründungsvorschriften eingehalten worden sind, ob der
Sachverhalts, der der getroffenen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend
festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses
Sachverhalt und kein Ermessensmißbrauch vorliegen (Urteil des Gerichtshofes vom
29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I-723,
Randnr. 11, und zitierte Rechtsprechung). Insbesondere steht es dem Gericht nicht
zu, seine Würdigung in wirtschaftlicher Hinsicht an die Stelle derjenigen des
Urhebers der Entscheidung zu setzen (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juni 1993
in der Rechtssache C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203, Randnr. 23).
Diese Rechtsprechung ist auch für die Prüfung im Rahmen von Artikel 61 Absatz
3 Buchstabe c des EWR-Abkommens maßgeblich.
- 80.
- Die Kommission trägt vor, ein Teil der von den Klägerinnen erhobenen Rügen
beruhe auf Ereignissen, die nach dem Erlaß der Entscheidung eingetreten seien.
Die Klägerinnen entgegnen, einige dieser später eingetretenen Ereignisse fügten
sich in einen ununterbrochenen Geschehensablauf ein, von dem die Kommission
habe Kenntnis haben müssen. Im übrigen veranschaulichten einige der später
eingetretenen Sachverhalte deutlich die Stellungnahmen, die die Klägerinnen im
Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegt hätten.
- 81.
- In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Rechtmäßigkeit eines
Gemeinschaftsrechtsakts im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 173 des
Vertrages nach dem Sachverhalt und der Rechtslage zu beurteilen ist, die bei Erlaß
des Aktes bestanden (Urteile des Gerichtshofes vom 7. Februar 1979 in den
verbundenen Rechtssachen 15/76 und 16/76, Frankreich/Kommission, Slg. 1979, 321,
Randnr. 7, und des Gerichts vom 15. Januar 1997 in der Rechtssache T-77/95, SFEI
u. a./Kommission, Slg. 1997, II-1, Randnr. 74), und nicht von rückschauenden
Betrachtungen über seinen Wirkungsgrad abhängen kann (Urteil des Gerichtshofes
vom 7. Februar 1973 in der Rechtssache 40/72, Schröder, Slg. 1973, 125,
Randnr. 14). Insbesondere sind die komplexen Bewertungen, die die Kommission
vorgenommen hat, nur anhand der Informationen zu prüfen, über die diese bei der
Durchführung dieser Bewertungen verfügte (Urteile des Gerichtshofes vom 10. Juli
1986 in der Rechtssache 234/84, Belgien/Kommission, Slg. 1986, 2263, Randnr. 16,
und vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-241/94, Frankreich/Kommission,
Slg. 1996, I-4551, Randnr. 33).
- 82.
- Nach den oben genannten Grundsätzen ist hier die Prüfung des Vorbringens der
Klägerinnen vorzunehmen, die die Würdigung der Angemessenheit der Beihilfe, die
Würdigung der Auswirkungen der Beihilfe auf den Zivilluftfahrtsektor des EWR
und die Würdigung der Eignung des Umstrukturierungsplans, der mit der streitigen
Beihilfe verbunden ist, in Zweifel ziehen.
Zu den auf einen Verstoß gegen den für staatliche Beihilfen geltenden
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gestützten Rügen
- 83.
- Mit diesen Rügen werfen die Klägerinnen und die zur Unterstützung ihrer Anträge
dem Verfahren beigetretenen Streithelferinnen der Kommission vor, sie habe eine
Beihilfe genehmigt, die ihrer Höhe nach außer Verhältnis zum
Umstrukturierungsbedarf der Air France stehe. Diese Rügen stützen sich im
wesentlichen auf das Urteil Philip Morris/Kommission (zitiert in Randnr. 79,
Randnr. 17), in dem der Gerichtshof entschieden hat, daß die Mitgliedstaaten keine
Zahlungen leisten dürfen, die die Lage des durch die Beihilfe begünstigten
Unternehmens verbessern, „ohne für die Erreichung eines der in Artikel 92 Absatz
3 genannten Ziele erforderlich zu sein“.
A Zur Rüge, daß die Kommission zu Unrecht die Anschaffung von 17 neuen
Flugzeugen durch die Air France genehmigt habe
Vorbringen der Beteiligten
- 84.
- Die Klägerinnen sind der Ansicht, es sei unverhältnismäßig gewesen, eine Beihilfe
zu genehmigen, deren Ziel darin bestanden habe, der Air France die Anschaffung
von 17 neuen Flugzeugen zu ermöglichen. Die Kommission habe offensichtlich
Unrecht, wenn sie zu dem Ergebnis gelange, daß die Höhe der Beihilfe durch die
Stornierung oder Verschiebung der von Air France getätigten Bestellung in Höhe
von 11,5 Milliarden FF nicht verringert werden könne. Die Kosten der notwendigen
regelmäßigen Flottenerneuerung seien Anlageinvestitionen und gehörten
grundsätzlich zu den normalen Betriebskosten einer Fluggesellschaft. Diese Art der
Erneuerung müsse ohne staatliche Beihilfe vorgenommen werden. Auf jeden Fall
sei die Anschaffung von neuen Flugzeugen für die Air France nicht unbedingt
erforderlich gewesen.
- 85.
- Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 werfen der Kommission darüber
hinaus vor, sie habe in diesem Punkt eine unzureichende Begründung gegeben,
obwohl sie im Laufe des Verwaltungsverfahrens davon unterrichtet worden sei, daß
die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen kein wesentlicher Bestandteil des
Umstrukturierungsplans der Air France gewesen sei und daher habe storniert
werden müssen. Die Kommission habe die ihr auf ihre Mitteilung vom 3. Juni 1994
hin von Dritten vorgelegten Stellungnahmen nicht ernsthaft geprüft. Die Klägerin
in der Rechtssache T-394/94 und die Streithelferinnen Maersk machen allgemein
geltend, die Kommission habe es unterlassen, die angefochtene Entscheidung mit
einer angemessenen Begründung zu versehen und insbesondere die von Dritten im
Verwaltungsverfahren vorgelegten detaillierten Stellungnahmen nicht gebührend
berücksichtigt.
- 86.
- Die Kommission trägt vor, die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen sei für Air
France notwendig gewesen. Dabei verweist sie auf die angefochtene Entscheidung,
wonach die hohen Betriebskosten von Air France zum Teil auf die Heterogenität
ihrer Flotte zurückzuführen sei, deren Rationalisierung daher im
Umstrukturierungsplan vorgesehen sei (ABl. S. 75 und 76). Durch diesen Plan
werde das Durchschnittsalter der Flotte von Air France keineswegs gesenkt,
sondern die Zunahme des Durchschnittsalters lediglich verlangsamt. Außerdem
verbrauchten die neuen Düsenflugzeuge erheblich weniger Treibstoff, entsprächen
den Umweltschutzvorschriften und ihre Instandsetzungs- und Wartungskosten seien
gering. Schließlich seien sie für die Passagiere attraktiver.
- 87.
- Was ihre Begründungspflicht angeht, ist die Kommission der Ansicht, daß die
angefochtene Entscheidung in Einklang mit Artikel 190 des Vertrages stehe. Es
reiche nämlich aus, in einer Entscheidung die wichtigsten rechtlichen und
tatsächlichen Erwägungen darzulegen, auf denen sie beruhe und die für das
Verständnis des Gedankengangs erforderlich seien, der die Kommission zu ihrer
Entscheidung geführt habe (Urteil des Gerichtshofes vom 4. Juli 1963 in der
Rechtssache 24/62, Deutschland/Kommission, Slg. 1963, 143, 155). Die Kommission
brauche jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, die
von den Beteiligten während des Verwaltungsverfahrens aufgeworfen worden seien
(siehe z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen
Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg.
1980, 3125, Randnr. 66). Schließlich sei das Begründungserfordernis nach den
Umständen des Einzelfalls zu würdigen, insbesondere danach, welchen Inhalt der
Rechtsakt habe, welcher Art die angeführten Gründe seien und welches Interesse
die Adressaten an Erklärungen haben könnten. Die in der oben angeführten
Rechtsprechung aufgestellten Bedingungen seien bei der angefochtenen
Entscheidung in vollem Umfang beachtet worden; in dieser würden auf 17 Seiten
des Amtsblatts alle für die vorliegende Rechtssache erheblichen tatsächlichen und
rechtlichen Gesichtspunkte dargelegt und auch die Einwände zusammengefaßt, dievon Dritten während des Verwaltungsverfahrens erhoben worden seien. Die
Kommission bestreitet insbesondere, daß sie die im Verwaltungsverfahren
eingereichten Erklärungen nicht berücksichtigt habe. Diese Erklärungen seien
gebührend geprüft und den französischen Behörden zur Stellungnahme zugeleitet
worden.
Würdigung durch das Gericht
- 88.
- In Anbetracht der von den Klägerinnen erhobenen Rügen ist zuerst zu prüfen, ob
der angefochtenen Entscheidung, was die Genehmigung der Anschaffung von 17
neuen Flugzeugen durch Air France angeht, eine ausreichende Begründung fehlt.
Mit Rücksicht auf die ständige Rechtsprechung, wonach ein etwaiger Mangel in der
Begründung von Amts wegen aufgegriffen werden kann (Urteile des Gerichtshofes
vom 20. März 1959 in der Rechtssache 18/57, Nold/Hohe Behörde, Slg. 1959, 91,
114, und vom 20. Februar 1997 in der Rechtssache C-166/95 P, Kommission/Daffix,
Slg. 1997, I-983, Randnrn. 24 und 25, sowie des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der
Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931,
Randnr. 129), hat das Gericht die Klägerinnen und die dem Verfahren zur
Unterstützung ihrer Anträge beigetretenen Streithelferinnen aufgefordert, die
Erklärungen, die sie während des Verwaltungsverfahrens in ihrer Eigenschaft als
Beteiligte im Sinne von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages bei der Kommission
abgegeben hatten, vorzulegen, soweit diese Erklärungen noch nicht zu den Akten
gegeben worden waren (siehe oben, Randnr. 33).
- 89.
- Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes muß die nach Artikel 190 des
Vertrages notwendige Begründung die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde,
die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und unzweideutig
wiedergeben, daß das Gemeinschaftsgericht seine Kontrolle ausüben kann und es
den Betroffenen möglich ist, zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe
für die Maßnahme zu erfahren (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar
1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395,
Randnr. 15, und die darin angeführte Rechtsprechung).
- 90.
- Was den Begriff „Betroffener“ im Sinne der oben genannten Rechtsprechung
angeht, hat der Gerichtshof in einer Rechtssache, die eine Entscheidung der
Kommission über die Ablehnung der Genehmigung eines Beihilfevorhabens eines
Mitgliedstaats zugunsten eines inländischen Unternehmens betraf, entschieden, daß
das Begründungserfordernis insbesondere nach dem Interesse zu beurteilen ist, das
die Adressaten „oder andere durch den [angefochtenen] Rechtsakt unmittelbar und
individuell“ im Sinne von Artikel 173 des Vertrages „betroffene Personen“ an
Erläuterungen haben können (Urteil vom 13. März 1985 in den verbundenen
Rechtssachen 296/82 und 318/82, Niederlande und Leeuwarder
Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 809, Randnr. 19).
- 91.
- Der Gerichtshof hat sodann festgestellt, daß ein Unternehmen, das im Wettbewerb
mit dem durch die Beihilfe begünstigten Unternehmen steht, als „beteiligt“ im
Sinne von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages anzusehen und in dieser Eigenschaft
als von der Entscheidung der Kommission, durch die die Gewährung der streitigen
Beihilfe genehmigt worden ist, unmittelbar und individuell betroffen zu betrachten
ist. Dabei hat der Gerichtshof auch darauf hingewiesen, daß die Beteiligten im
Sinne von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages bereits als die durch die Gewährung
der Beihilfe eventuell in ihren Interessen verletzten Personen, Unternehmen oder
Vereinigungen, d. h. insbesondere die konkurrierenden Unternehmen und die
Berufsverbände, definiert worden waren (Urteil vom 19. Mai 1993 in der
Rechtssache C-198/91, Cook/Kommission, Slg. 1993, I-2487, Randnrn. 24 bis 26,
und die darin angeführte Rechtsprechung).
- 92.
- Es zeigt sich also, daß das Erfordernis, eine Entscheidung über staatliche Beihilfen
zu begründen, nicht nur nach dem Interesse an Informationen bestimmt werden
kann, das der Mitgliedstaat hat, an den diese Entscheidung gerichtet ist. Hat ein
Mitgliedstaat von der Kommission nämlich das erhalten, was er beantragt hatte,
d. h. die Genehmigung seines Beihilfevorhabens, so kann sein Interesse daran, daß
eine begründete Entscheidung an ihn gerichtet wird, anders als das Interesse der
Wettbewerber des Beihilfeempfängers, nur sehr gering sein, insbesondere wenn er
während der Verhandlungen mit der Kommission und insbesondere durch den
Schriftwechsel mit dieser vor Erlaß der Genehmigungsentscheidung ausreichende
Auskünfte erhalten hat.
- 93.
- Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß die Streithelferinnen Maersk und ACE
Beteiligte im Sinne von Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages sind und daß die
angefochtene Entscheidung sie im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages
unmittelbar und individuell betrifft, da ihre Marktstellung durch die durch die
angefochtene Entscheidung genehmigte Beihilfemaßnahme spürbar beeinträchtigt
wird (Urteil des Gerichtshofes vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84,
Cofaz u. a./Kommission, Slg. 1986, 391, Randnr. 25).
- 94.
- Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage, ob die Begründung einer
Entscheidung den Erfordernissen des Artikels 190 des Vertrages genügt, nicht nur
im Hinblick auf ihren Wortlaut zu beurteilen, sondern auch aufgrund ihres
Zusammenhangs sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet
(Urteil Delacre u. a./Kommission, zitiert in Randnr. 89, Randnr. 16, und die darin
angeführte Rechtsprechung). Zwar braucht die Kommission in der Begründung
einer Entscheidung nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte
einzugehen, die von den Beteiligten während des Verwaltungsverfahrens
vorgetragen worden sind (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1995 in der
Rechtssache C-360/92 P, Publishers Association/Kommission, Slg. 1995, I-23,
Randnr. 39), sie hat jedoch alle maßgeblichen Umstände und Faktoren des
Einzelfalls zu berücksichtigen (Urteil des Gerichtshofes vom 24. Oktober 1996 in
den verbundenen Rechtssachen C-329/93, C-62/95 und C-63/95, Deutschland
u. a./Kommission, Slg. 1996, I-5151, Randnr. 32; im folgenden: Urteil Bremer
Vulkan/Kommission), damit das Gemeinschaftsgericht seine
Rechtmäßigkeitskontrolle ausüben kann und sowohl die Mitgliedstaaten als auch
die beteiligten Bürger sich darüber unterrichten können, unter welchen
Voraussetzungen die Kommission den Vertrag angewandt hat (Urteil Publishers
Association/Kommission, Randnr. 39).
- 95.
- Außerdem hat die Kommission die angefochtene Entscheidung gemäß Artikel 93
Absatz 3 des Vertrages erlassen, d. h. in einem Bereich, in dem sie über ein weites
Ermessen verfügt (siehe oben, Randnr. 79). Da der Gerichtshof entschieden hat,
daß das Ermessen der Kommission mit der Verpflichtung verbunden ist, sorgfältig
und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen
(Urteil vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-269/90, Technische
Universität München, Slg. 1991, I-5469, Randnr. 14), erfordert die Kontrolle dieser
Verpflichtung eine Begründung, die so genau ist, daß das Gericht sich vergewissern
kann, daß die Verpflichtung eingehalten worden ist.
- 96.
- Es ist daher zu prüfen, ob die Begründung der angefochtenen Entscheidung die
Argumentation der Kommission klar und unzweideutig wiedergegeben hat, und
zwar insbesondere in bezug auf die für die Beurteilung des streitigen
Beihilfevorhabens wesentlichen Rügen, die der Kommission im
Verwaltungsverfahren von den Firmen British Airways, TAT, Koninklijke
Luchtvaart Maatschappij (KLM), SAS, Air UK, Euralair und British Midland sowie
von der ACE, insbesondere im Namen von Euralair und Maersk, vom Königreich
Dänemark, vom Vereinigten Königreich, vom Königreich Schweden und vom
Königreich Norwegen (im folgenden: Beteiligte) zur Kenntnis gebracht worden
sind.
- 97.
- Aus der Gesamtheit der beim Gericht eingereichten Erklärungen ergibt sich, daß
einige dieser Beteiligten bei der Kommission mit Nachdruck geltend gemacht
hatten, daß die im Umstrukturierungsplan vorgesehene Anschaffung von 17 neuen
Flugzeugen für 11,5 Milliarden FF unannehmbar sei. Da alle nicht subventionierten
Fluggesellschaften angesichts der Überkapazitätskrise Anfang der 90er Jahre die
Bestellungen neuer Flugzeuge hätten stornieren oder verschieben müssen, könne
die Air France sich einer solchen Verpflichtung nicht entziehen. Die Entscheidung,
11,5 Milliarden FF in die Anschaffung von Flugzeugen zu investieren, erhöhe den
Bedarf an zusätzlichem Kapital und damit die Verbindlichkeiten der Air France.
In Anbetracht ihrer katastrophalen Finanzlage sei es nicht gerechtfertigt, Erlöse aus
der Veräußerung anderer Aktiva für eine solche Finanzierung zu verwenden. Um
die im Umstrukturierungsplan vorgesehene Vereinheitlichung der Flotte von Air
France zu erreichen, sei vielmehr der Umbau vorhandener Flugzeuge geboten.
- 98.
- Insbesondere die Firma TAT und das Vereinigte Königreich haben vorgetragen,
daß die Investition, die die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen darstelle, die
kurzfristige operative Tätigkeit von Air France und nicht deren Umstrukturierung
betreffe. Es handele sich um eine normale Modernisierung, durch die die
Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erhalten werden solle. Eine derartige
Maßnahme müsse aber aus den Eigenmitteln eines Unternehmens finanziert
werden und nicht durch eine staatliche Beihilfe. Im vorliegenden Fall sei es
unvermeidlich, daß die streitige Beihilfe entgegen den Erfordernissen der
Rechtsprechung und der Entscheidungspraxis der Kommission zur Finanzierung der
Anschaffung dieser Flugzeuge verwendet werde. Diese Beihilfe sei als eine den
Erfordernissen des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages nicht
entsprechende Betriebsbeihilfe zu qualifizieren. In diesem Zusammenhang ist auf
das Urteil Deufil/Kommission (zitiert in Randnr. 79) und das Urteil des
Gerichtshofes vom 8. März 1988 in den verbundenen Rechtssachen 62/87 und 72/87
(Exécutif régional wallon und Glaverbel/Kommission, Slg. 1988, 1573) sowie auf die
Entscheidung 90/70/EWG der Kommission vom 28. Juni 1989 über die von
Frankreich einigen Unternehmen der Stahlerstverarbeitung gewährten Beihilfen
(ABl. 1990, L 47, S. 28) verwiesen worden.
- 99.
- Dazu stellt das Gericht fest, daß die Kommission in der angefochtenen
Entscheidung ausführt, eines der Handicaps des Air-France-Konzerns sei die
Heterogenität seiner Flotte, die aus zu vielen unterschiedlichen Flugzeugen bestehe
(24 verschiedene Typen oder Versionen); diese Heterogenität sei einer der
Faktoren, der die Betriebskosten erhöhe (die Wartungskosten seien wegen der
großen Zahl der erforderlichen unterschiedlichen Ersatzteile und der Unterschiede
in der Qualifikation des fliegenden Personals und des Bodenpersonals besonders
hoch). Am 31. Dezember 1993 habe der Konzern über eine Flotte von 208
Flugzeugen mit einem Durchschnittsakter von 8,6 Jahren verfügt (wobei die
Einsatzflotte von Air France aus 145 Flugzeugen bestanden habe) (ABl. S. 75).
- 100.
- Was die im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Hauptmaßnahmen angeht, gibt
die Kommission an, es sei vorgesehen, die Zahl der im Umstrukturierungszeitraum
auszuliefernden Flugzeuge von 22 auf 17 zu senken. Die entsprechende Investition
belaufe sich damit auf 11,5 Milliarden FF (ABl. S. 75). Was das für diese
Investition erforderliche Kapital betrifft, nimmt die Kommission die Zurückstellung
von Bestellungen zur Kenntnis, wodurch das Durchschnittsalter der Flotte bis zum
Ende des Umstrukturierungszeitraums auf rund 9,3 Jahre steigen werde. Jede
zusätzliche Verzögerung bei der Erneuerung der Flotte werde diesen Wert nur
noch weiter ansteigen lassen und könne die Wettbewerbsfähigkeit von Air France
und die Durchführung ihrer Umstrukturierung beeinträchtigen (ABl. S. 82).
- 101.
- Im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die Beihilfe in einem angemessenen
Verhältnis zum Umstrukturierungsbedarf steht (ABl. S. 83), vertritt die Kommission
die Ansicht, die Air France habe, wenn man von der Beihilfe absehe, drei
Möglichkeiten, ihre Finanzlage aus eigener Kraft zu verbessern, wobei eine darin
bestehe, daß sie ihre Flugzeugbestellungen verschiebe. Da sie aber einige
Bestellungen bereits aufgeschoben habe, würde sich das Durchschnittsalter der
Flotte durch das Zurückstellen weiterer Bestellungen auf mehr als 10 Jahre
erhöhen; dies sei für eine Fluggesellschaft, die ihre volle Wettbewerbsstärke
wiederzuerlangen suche, zu hoch (ABl. S. 85).
- 102.
- Nach Ansicht des Gerichts lassen sich aus dieser Begründung klar und unzweideutig
die Gründe entnehmen, aus denen die Kommission der Auffassung ist, daß in dem
besonderen Fall der Air France die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen
unbedingt erforderlich sei. Die Begründung enthält die von der Kommission als
wesentlich angesehenen Punkte, nämlich die für Air France bestehende
Notwendigkeit, über eine Flotte mit einem angemessenen Durchschnittsalter zu
verfügen, den Umstand, daß die Zahl der anzuschaffenden Flugzeuge nur einen
Bruchteil der ursprünglich geplanten Zahl darstellt, und die Tatsache, daß die
vorgesehene Investition dazu dienen wird, die Flotte von Air France homogener zu
machen, und damit im Ergebnis zu einer Senkung der Betriebskosten führen wird.
Somit hat die Kommission gleichzeitig eine ausreichende Antwort auf den ersten
Teil der Erklärungen der Beteiligten im Verwaltungsverfahren gegeben.
- 103.
- Im zweiten Teil ihrer Erklärungen haben die Beteiligten einen Teil der streitigen
Beihilfe als eine nach der Rechtsprechung verbotene Betriebsbeihilfe qualifiziert,
da mit ihr rein operative Tätigkeiten der Air France finanziert werden sollten,
nämlich die Erneuerung der Flugzeuge ihrer Flotte als Anlageinvestitionsgüter.
- 104.
- In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß der Gerichtshof in seinem Urteil
Deufil/Kommission (zitiert in Randnr. 79) der Annahme der Kommission
zugestimmt hat, daß eine für eine normale Modernisierung zur Aufrechterhaltung
der Wettbewerbsfähigkeit bestimmte Investition mit Eigenmitteln desUnternehmens und nicht mit einer staatlichen Beihilfe hätte finanziert werden
müssen (Randnrn. 16 bis 19). In seinem Urteil Exécutif régional wallon/Kommission
(zitiert in Randnr. 98) hat der Gerichtshof entschieden, daß die Erwägungen der
Kommission, wonach eine Investition mit dem Ziel der Erneuerung und der
technischen Modernisierung einer Produktionsanlage, die regelmäßig erfolgen
müsse, nicht als eine Investition zur Förderung der Entwicklung gewisser
Wirtschaftszweige im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages
angesehen werden könne, eine verständliche Argumentationslinie darstellen und in
das Ermessen der Kommission fallen (Randnrn. 31, 32 und 34).
- 105.
- Die Beteiligten haben unter Berufung auf diese Rechtsprechung geltend gemacht,
es bestehe die Gefahr, daß die genehmigte Beihilfe unangemessen hoch ausfalle,
wenn ein Teil der Beihilfe nicht zur Umstrukturierung der Air France im
eigentlichen Sinne verwendet werde. Im Urteil Philip Morris/Kommission (zitiert
in Randnr. 79, Randnr. 17) habe der Gerichtshof aber entschieden, daß die
Mitgliedstaaten keine Zahlungen leisten dürften, die die finanzielle Lage der
begünstigten Unternehmen verbesserten, „ohne für die Erreichung eines der in
Artikel 92 Absatz 3 genannten Ziele erforderlich zu sein“.
- 106.
- Die Beteiligten haben somit vorgetragen, daß ein Rechtsfehler vorliegen könne,
und zwar ein Verstoß gegen den speziell für staatliche Beihilfen in Artikel 92
Absatz 3 des Vertrages niedergelegten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach
Auffassung des Gerichts handelt es sich dabei um eine für die Beurteilung des
streitigen Beihilfevorhabens wesentliche Rüge. Die Kommission war daher gehalten,
in der Begründung der angefochtenen Entscheidung dazu Stellung zu nehmen.
- 107.
- In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die Kommission in der
angefochtenen Entscheidung annimmt, daß die Investition in die Erneuerung der
Flotte für die Durchführbarkeit der Umstrukturierung von Air France notwendig
sei (ABl. S. 82) und daß durch die Verschiebung der Bestellungen neuer Flugzeuge
das Durchschnittsalter der Flotte von Air France auf mehr als 10 Jahre ansteigen
werde, was für eine Fluggesellschaft, die ihre volle Wettbewerbsstärke
wiederzuerlangen suche, zu hoch sei (ABl. S. 85). Die Investition in die Erneuerung
der Flotte in Höhe von 11,5 Milliarden FF, die unter den „grandes lignes de force“
im Umstrukturierungsplan vorgesehen ist (ABl. S. 75), wird von der Kommission
somit als wesentlicher Bestandteil der Umstrukturierung der Air France angesehen.
- 108.
- Vor dem Gericht hat die Kommission im übrigen diese Auffassung bestätigt und
erklärt, die Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen sei „im Rahmen der
Durchführung des Vorhabens“ gerechtfertigt gewesen (Nr. 40 der Gegenerwiderung
in der Rechtssache T-371/94). Darüber hinaus war die Anschaffung der Flugzeuge
nach dem von der Kommission vorgelegten Gutachten der Firma Ernst & Young
(Anlage 2 zur Klagebeantwortung in der Rechtssache T-371/94) „ein integraler
Bestandteil des Programms zur Rationalisierung der Flotte ..., wobei diese
Investition einen entscheidenden Faktor des Planes darstellt“ (S. 22, Nr. 22 des
Gutachtens).
- 109.
- Zu den Modalitäten der Finanzierung dieser Investition wird in der angefochtenen
Entscheidung ausgeführt, daß die Durchführung des Umstrukturierungsplans durch
eine Kapitalerhöhung und die Veräußerung von nicht zum Kerngeschäft
gehörenden Vermögensteilen finanziert werde, aus der die Air France einen Erlös
von etwa 7 Milliarden FF erwarte, nämlich insbesondere durch den Verkauf einer
Reihe von Flugzeugen, der einen Erlös in Höhe von 4,1 Milliarden FF erbringen
solle, sowie durch die Veräußerung von Ersatzteilen (1,2 Milliarden FF), eines
Gebäudes (0,4 Milliarden FF) und der Méridien-Hotelkette (ABl. S. 76). In der
angefochtenen Entscheidung wird hinzugefügt, daß die französischen Behörden
zugesichert hätten, daß die Beihilfe während der Laufzeit des Programms von der
Air France ausschließlich zu Umstrukturierungszwecken verwendet werde (ABl.
S. 78 und 79).
- 110.
- In ihrer Bewertung der Tragfähigkeit des Umstrukturierungsplans erklärt die
Kommission, die Beihilfe diene der Finanzierung der Durchführung des Planes und
der Neuordnung der Finanzen der Air France (ABl. S. 82). Alles in allem ist sie
davon überzeugt, daß die der Air France gewährte Beihilfe sowohl notwendig als
auch angemessen sei, um das Unternehmen in die Lage zu versetzen, seinen
Umstrukturierungsplan erfolgreich durchzuführen und seine Leistungsfähigkeit
zurückzuerlangen (ABl. S. 86). Schließlich verpflichtet die Auflage Nummer 6 die
französischen Behörden dazu, dafür Sorge zu tragen, daß die „Beihilfe ... von Air
France ... ausschließlich zu Umstrukturierungszwecken ... verwendet werden“ wird
(ABl. S. 89).
- 111.
- Wie sich aus dieser Begründung ergibt, geht die angefochtene Entscheidung davon
aus, daß die streitige staatliche Beihilfe zwar dazu dient, die Verschuldung der Air
France zu verringern, daß mit ihr aber auch die durch die Veräußerung von
Vermögensteilen mitfinanzierte Durchführung des Umstrukturierungsplans
finanziert werden soll. Gleichzeitig ist die Kommission aber der Ansicht, daß die
Investition in die Erneuerung der Flotte selbst ein unabdingbarer Bestandteil der
Umstrukturierung der Air France darstelle. Es ergibt sich also, daß in der
angefochtenen Entscheidung eingeräumt wird, daß die Beihilfe dazu dient, die die
Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen umfassende Investition in die Flotte zu
finanzieren. Auf jeden Fall verbietet die Entscheidung nicht, daß die Beihilfe
zumindest teilweise zur Finanzierung dieser Investition verwendet werden kann. Die
einzigen selbständigen Finanzmittel der Air France, mit denen zur Finanzierung
dieser Investitionen beigetragen werden soll, nämlich die Erlöse aus der
Veräußerung von Vermögensteilen, sollen sich nämlich nur auf 7 Milliarden FF
belaufen, während die Kosten der Investition 11,5 Milliarden FF betragen.
- 112.
- Obwohl eine solche mit der Veräußerung alter Flugzeuge verbundene Anschaffung
offensichtlich eine Modernisierung der Flotte von Air France darstellt, enthält die
angefochtene Entscheidung keine Äußerung dazu, ob die Urteile in den
Rechtssachen Deufil/Kommission und Exécutif régional wallon/Kommission (zitiert
in den Randnrn. 79 und 98) hier maßgeblich sind, was die Beteiligten geltend
machen. Die Kommission hat es somit unterlassen, klarzustellen, ob sie die streitige
Finanzierung ausnahmsweise hinnahm, weil sie diese Urteile unter den besonderen
Umständen des Einzelfalls hier für nicht maßgeblich hielt, oder ob sie von dem in
diesen Urteilen niedergelegten Grundsatz als solchem abgehen wollte.
- 113.
- Eine Stellungnahme der Kommission zu dieser Frage wäre um so notwendiger
gewesen, als in ihrer eigenen Entscheidungspraxis der grundsätzliche Widerstand
gegen alle Betriebsbeihilfen, mit denen die normale Modernisierung von Anlagen
finanziert werden soll, zum Ausdruck kommt. Die Kommission ist nämlich der
Ansicht, daß die für eine solche Modernisierung bestimmten Investitionen nicht als
Umstrukturierungsinvestitionen angesehen werden können und daher aus den
eigenen Finanzmitteln der betroffenen Unternehmen ohne Inanspruchnahme
staatlicher Mittel finanziert werden müssen (Entscheidung 85/471/EWG der
Kommission vom 10. Juli 1985 über eine von der deutschen Regierung gewährte
Beihilfe für einen Hersteller von Polyamid- und Polypropylengarn in Bergkamen
[ABl. L 278, S. 26, 29], Entscheidung 89/228/EWG der Kommission vom 30.
November 1988 über das Gesetzesdekret Nr. 370/87 der italienischen Regierung
vom 7. September 1987 am 4. November 1987 zum Gesetz Nr. 460 umgewandelt
mit neuen Vorschriften für die Erzeugung und Vermarktung von Erzeugnissen
des Weinbaus [ABl. 1989, L 94, S. 38, 41], Entscheidung 92/389/EWG der
Kommission vom 25. Juli 1990 über die staatlichen Beihilfen, die mit den
Gesetzesdekreten Nr. 174 vom 15. Mai 1989 und Nr. 254 vom 13. Juli 1989 sowie
in dem Gesetzentwurf Nr. 4230 über die Inkraftsetzung der genannten
Gesetzesdekrete vorgesehen sind [ABl. 1992, L 207, S. 47, 51]).
- 114.
- Daraus folgt, daß die Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht erkennen
läßt, daß die Kommission tatsächlich geprüft hat, ob und wenn ja, aus welchen
Gründen die Modernisierung der Air-France-Flotte teilweise mit einer zur
Umstrukturierung des Unternehmens bestimmten Beihilfe finanziert werden durfte,
und zwar entgegen der oben genannten Rechtsprechung und entgegen ihrer
eigenen Entscheidungspraxis.
- 115.
- Diese Feststellung wird durch die näheren Angaben, die die Französische Republik
und Air France gegenüber dem Gericht zu den im Umstrukturierungsplan
vorgesehenen aeronautischen Investitionen in Höhe von 11,5 Milliarden FF
gemacht haben, nicht entkräftet. Da diese Streithelferinnen angegeben haben, daß
der Betrag von 11,5 Milliarden FF in drei Teile zerfalle, nämlich 7,6 Milliarden für
die Anschaffung von 17 Flugzeugen, 3 Milliarden für die Anschaffung von
Ersatzteilen und 0,9 Milliarden für aeronautische Arbeiten, ist offenkundig, daß die
aeronautischen Arbeiten und die Ersatzteile ebenso wie die neuen Flugzeuge der
Modernisierung des Unternehmens dienen.
- 116.
- Zwar hat die Kommission im vorliegenden Verfahren später geltend gemacht, die
streitige Beihilfe sei nur zur Entschuldung der Air France und nicht zur
Anschaffung der 17 neuen Flugzeuge bestimmt, da die Investition in die Flotte
ausschließlich aus den Betriebserträgen von Air France finanziert werden müsse.
Es ist jedoch festzustellen, daß diese von den Bevollmächtigten der Kommission vor
dem Gericht entwickelte Argumentation nicht nur in der angefochtenen
Entscheidung nicht aufgeführt ist, sondern auch durch die Begründung der
Entscheidung widerlegt wird, wonach die Beihilfe dazu bestimmt war, zumindest
teilweise die Durchführung des Umstrukturierungsplans zu finanzieren, der die
Modernisierung der Air-France-Flotte umfaßte. Wie der Gerichtshof aber im Urteil
vom 15. Juni 1994 in der Rechtssache C-137/92 P (Kommission/BASF u. a., Slg.
1994, I-2555, Randnrn. 66 bis 68) entschieden hat, stellen der verfügende Teil und
die Begründung einer Entscheidung, die gemäß Artikel 190 des Vertrages stets mit
Gründen zu versehen ist, ein unteilbares Ganzes dar, so daß es nach dem
Kollegialprinzip ausschließlich Sache des Kollegiums der Mitglieder der
Kommission ist, beide zugleich anzunehmen, wobei jede über eine rein
orthographische oder grammatikalische Anpassung hinausgehende Änderung in die
ausschließliche Zuständigkeit des Kollegiums fällt.
- 117.
- Diese auf das Kollegialitätsprinzip gestützten Erwägungen treffen auch auf die hier
angefochtene Entscheidung zu, die ebenfalls gemäß Artikel 190 des Vertrages zu
begründen war und mit der das Kollegium der Mitglieder der Kommission das
Ermessen ausübte, das ihm unter Ausschluß aller anderen Stellen bei der
Anwendung von Artikel 92 Absatz 3 des Vertrages vorbehalten ist. Dem
Vorbringen der Bevollmächtigten der Kommission vor dem Gericht ist daher nicht
zu folgen (siehe in diesem Sinne auch das Urteil Bremer Vulkan/Kommission,
zitiert in Randnr. 94, Randnrn. 47 und 48).
- 118.
- Dies gilt erst recht für die Erklärungen, die die dem Verfahren zur Unterstützung
der Kommission beigetretenen Beteiligten, die Air France und die Französische
Republik, abgegeben haben. Sie tragen vor, erstens sei es unmöglich gewesen, die
Bestellungen für die 17 neuen Flugzeuge zu stornieren oder zurückzustellen, weil
es sich um feststehende vertragliche Verpflichtungen gehandelt habe, deren
Nichtbeachtung die Zahlung von Vertragsstrafen nach sich gezogen hätte; zweitens
seien von den 34 Flugzeugen, deren Wiederverkauf im Umstrukturierungsplan
vorgesehen gewesen sei, sieben neu gewesen, so daß die Erlöse aus ihrem
Wiederverkauf sieben neuen noch nicht angeschafften Flugzeugen entsprochen
hätten; drittens seien von den 17 neuen Flugzeugen sieben sofort wieder verkauft
worden, ohne sie in Betrieb zu nehmen und viertens sei der Gesamtbetrag der
Betriebseinnahmen von Air France im Umstrukturierungsplan mit 19,2 Milliarden
FF angesetzt worden, so daß diese Einnahmen ausgereicht hätten, um die
Ausgaben für die Investitionen in der Erneuerung der Flotte zu decken. Dieses
Vorbringen ist durch das Kollegialitätsprinzip nicht gedeckt und kann daher dem
Begründungsmangel, an dem die angefochtene Entscheidung leidet, nicht abhelfen.
- 119.
- Äußerst hilfsweise ist noch hinzuzufügen, daß den vor dem Gericht abgegebenen
Erklärungen, wonach sich bei Anwendung der im Umstrukturierungsplan
vorgesehenen Maßnahmen eine Eigenfinanzierungsbruttospanne ergeben würde,
mit der die Air France ihre Betriebs- und Investitionskosten bestreiten könnte,
unter der Annahme, daß diese Erklärungen zulässig sind auf jeden Fall die
Begründung der angefochtenen Entscheidung widersprechen würde, aus der
hervorgeht, daß das finanzielle Gleichgewicht und die Rentabilität der Air France
erst Ende 1996 wiederhergestellt sein sollten (ABl. S. 75).
- 120.
- Nach alledem entspricht die Begründung der angefochtenen Entscheidung, was die
Anschaffung von 17 neuen Flugzeugen angeht, nicht den Erfordernissen des
Artikels 190 des Vertrages.
B Zur Rüge, die Kommission habe zu Unrecht die Finanzierung von
Betriebskosten und von operativen Maßnahmen der Air France genehmigt
Vorbringen der Beteiligten
- 121.
- Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 sind der Ansicht, die Kommission
habe nicht geprüft, ob die Beihilfe für die Umstrukturierung von Air France
unabdingbar notwendig und nicht nur nützlich für die Finanzierung der Entwicklungder Tätigkeiten von Air France und der Modernisierung ihrer Anlagen gewesen sei.
Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages lasse eine operative Beihilfe, mit
der die Tätigkeiten des Beihilfeempfängers modernisiert werden sollten, nicht zu.
- 122.
- Die einzigen strukturellen Kosten, die sich aus der Durchführung des
Umstrukturierungsplans ergäben, beträfen die 5 000 freiwillig ausgeschiedenen
Beschäftigten; die genaue Höhe dieser Kosten bleibe offen, da die angefochtene
Entscheidung in diesem Punkt keine Angabe enthalte. Die Kosten, die durch
andere im Umstrukturierungsplan vorgesehene Maßnahmen insbesondere die
Geschäftspolitik zur Wiedergewinnung von Kundschaft sowie die Einführung von
„Euroconcept“ und von „Première Club“ entstehen könnten, seien als
Betriebskosten anzusehen. Es sei wahrscheinlich, daß Air France die Beihilfe auch
zur Finanzierung anderer operativer Maßnahmen verwenden werde, die im
Umstrukturierungsplan nicht ausdrücklich vorgesehen seien. Insbesondere habe die
Air France die Preise auf den Verbindungen zwischen den EWR-Ländern und
Drittländern ganz erheblich gesenkt.
- 123.
- Sie die Klägerinnen hätten den Beweis dafür, daß die Einführung von neuen
Klassen auf den Mittelstreckenverbindungen und die Einführung der neuen Klasse
auf den Langstreckenverbindungen durch die Air France im Herbst 1995 das
Unternehmen 150 Millionen FF bzw. etwa 500 Millionen FF kosten würden, wie
sich aus zwei im März 1995 in der Presse erschienenen Artikeln ergebe. Die
Betriebskosten, die vor Ende 1996 z. B. durch die Einführung der beiden neuen
Klassen entstanden seien, würden folglich mit Hilfe der streitigen Beihilfe finanziert
werden.
- 124.
- Die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 ist ebenfalls der Ansicht, die Beihilfe
werde ganz massiv dazu dienen, neue Produkte der Air France wie z. B. ihre
Aktion „classe club“, zu finanzieren. In diesem Zusammenhang weisen die
Klägerinnen in der Rechtssache C-371/94 darauf hin, daß Air France über eine
„Sicherheitsspanne“ verfüge (ABl. S. 85), die sie dazu einsetzen könne, um ihre
Tätigkeiten aufrechtzuerhalten und zu modernisieren. Die Beihilfe sei so
unangemessen hoch, daß die Air France die Rekapitalisierung ihrer
Tochtergesellschaft Jet Tours oder die Übertragung eines Teils der Beihilfe auf ihre
Tochtergesellschaft Air Charter ins Auge fassen könne.
- 125.
- Die Klägerinnen in beiden Rechtssachen widersprechen der Auffassung der
Kommission, daß die streitige Beihilfe nur dazu bestimmt sei, die finanziellen
Belastungen von Air France dadurch zu reduzieren, daß sie deren
Verschuldungsgrad verringere, und nicht dazu, die Betriebskosten der Air France
zu finanzieren. In diesem Zusammenhang vertreten sie die Ansicht, die bloße
Möglichkeit, daß die Beihilfe dazu bestimmt sein könne, die Tätigkeiten der Air
France aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln, genüge, um sie unvereinbar mit
Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages zu machen. Zur Unterstützung
dieses Vorbringens nehmen sie Bezug auf das Urteil des Gerichtshofes vom 21.
März 1991 in der Rechtssache C-303/88 (Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1433,
Randnrn. 10 und 14), wonach es nicht erforderlich sei, nachzuweisen, daß die zur
Verfügung gestellten staatlichen Mittel spezifisch und ausdrücklich dazu bestimmt
seien, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, sondern die Feststellung genüge, daß der
Umstand, daß der Begünstigte Mittel erhalte, ihm auf jeden Fall ermögliche,
andere Mittel freizumachen, um zu demselben Ergebnis zu gelangen.
- 126.
- Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 fügen hinzu, die Kommission habe
den Unterschied zwischen dem Betrag der streitigen Beihilfe und dem Betrag, der
zur Durchführung des früheren Programms „PRE 2“ benötigt worden wäre, zum
einen oder dem Betrag von 8 Milliarden FF, der vor Erlaß der angefochtenen
Entscheidung als erforderlich für die Durchführung des Umstrukturierungsplans
angesehen worden sei, zum anderen, nicht erklärt. Außerdem habe die Kommission
nicht geprüft, ob und inwieweit die von anderen Fluggesellschaften ohne finanzielle
Hilfe des Staates durchgeführte Umstrukturierung nicht beweise, daß das freie
Spiel der Marktkräfte die Air France dazu veranlaßt hätte, ihre Tätigkeiten ohne
staatlichen Eingriff umzustrukturieren.
- 127.
- In der mündlichen Verhandlung haben diese Kläger vorgetragen, die
Umstrukturierungsbeihilfe müsse mit jeder einzelnen geplanten Maßnahme
verknüpft werden. Die Kommission hätte Bedingungen dafür aufstellen müssen, wie
die Beihilfe hätte verwendet werden müssen. Es sei unannehmbar, daß ein
allgemeines Gleichgewicht in bezug auf die global „für den Bedarf von Air France“
gewährte Beihilfe bejaht werde.
- 128.
- Die Kommission versichert, sie habe den logischen Zusammenhang und die
Wirksamkeit des Umstrukturierungsplans sowie die Angemessenheit des
Beihilfebetrags, den Air France benötige, um den Plan erfolgreich durchzuführen,
beurteilt. Um diese Beurteilung vornehmen zu können, brauche sie keine Fragen
zu prüfen, die nichts mit den dem Plan innewohnenden Merkmalen zu tun hätten,
und erst recht nicht die Erfahrungen anderer Fluggesellschaften.
- 129.
- Außerdem sei die genehmigte Beihilfe allein dazu bestimmt, die finanziellen
Belastungen von Air France durch eine Senkung ihres Verschuldungsgrads zu
verringern. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen werde die Beihilfe nicht
dazu verwendet, die Betriebskosten von Air France zu finanzieren. Durch die
Anwendung der im Umstrukturierungsplan vorgesehenen harten Maßnahmen
einschließlich der Veräußerung von Vermögensteilen müßte sich ein
Bruttoeigenfinanzierungsspielraum ergeben, der es der Air France ermöglichen
werde, ihre Betriebs- und Investitionskosten zu bestreiten. Dies reiche jedoch nicht
dafür aus, daß sie auch ihre finanziellen Belastungen tragen könne. Ohne eine
Senkung ihres Verschuldungsgrads werde die Air France nicht überleben können.
Ende 1996 werde die Air France alle ihre Kosten unabhängig davon, ob es sich um
Betriebs- oder Finanzkosten handele, bestreiten können.
- 130.
- Die Kommission weist darauf hin, daß die durch den Umstrukturierungsplan
bewirkten Verbesserungen der Betriebsergebnisse während der Laufzeit des Planes
5 Milliarden FF erbringen sollten. Dieser Betrag werde es der Air France zwar
ermöglichen, ihre Betriebskosten zu decken, nicht aber die Hauptschuld mit Zinsen
zurückzuzahlen. Dank der Beihilfe würden die finanziellen Belastungen von Air
France von 3,2 Milliarden FF im Jahre 1993 auf 1,8 Milliarden im Jahre 1996
zurückgehen (ABl. S. 75). Die Kommission verweist auf das Gutachten von Ernst
& Young (Anlage 2 zur Klagebeantwortung in der Rechtssache T-371/94) und trägt
vor, die Verbindlichkeiten von Air France würden um 18,9 Milliarden FF
verringert; ohne die Beihilfe würden ihre für 1996 vorgesehenen Nettoverluste sich
auf 694 Millionen FF belaufen, während sie mit der Beihilfe einen Nettogewinn von
457 Millionen FF verzeichnen müßte. Die Gefahr einer Überkapitalisierung werde
dadurch ausgeschlossen, daß die genehmigte Beihilfe in drei Tranchen zu zahlen
sei.
- 131.
- Das Urteil Italien/Kommission (zitiert in Randnr. 125) stützt nach Ansicht der
Kommission die Auffassung der Klägerinnen in keiner Weise. In dieser Rechtssache
habe der Gerichtshof angenommen, daß die Kapitalzuführung durch den Staat in
Anbetracht der ständigen Betriebsverluste des betroffenen Unternehmens, die von
dem betreffenden Staat ausgeglichen worden seien, und mangels eines
Umstrukturierungsprogramms eine Beihilfe darstelle. Damit habe der Gerichtshof
auf die Behauptung der betroffenen Regierungen geantwortet, daß die in Frage
stehenden Mittel keine staatlichen Beihilfen gewesen seien. Die von den
Klägerinnen zitierten Passagen bezögen sich nur auf diese Frage, während die
Klägerinnen sich hier auf das Urteil zur Unterstützung des ganz anderen
Vorbringens beriefen, wonach die Kommission zur Feststellung, ob die der Air
France gewährte Beihilfe unbedingt erforderlich gewesen sei, ein nicht zutreffendes
rechtliches Kriterium angewendet habe.
- 132.
- Die Französische Republik und die Air France wenden sich gegen die Auffassung,
daß die streitige Beihilfe auch wenn sie zur Verringerung der Belastung von Air
France durch Verbindlichkeiten und nicht zur Deckung eines Teils der
Betriebskosten berechnet worden sei dennoch dem Betrieb zugutekomme. Würde
man eine derartige Auffassung bejahen, so liefe dies auf ein Verbot von
Umstrukturierungsbeihilfen hinaus, denn es sei immer möglich, zu behaupten, daß
eine auf ein besonderes Sanierungsziel gerichtete Beihilfe an die Stelle von
Betriebserträgen trete, die ohne die Beihilfe zur Erreichung dieses Zieles eingesetzt
worden wären. Man müsse aber klar unterscheiden zwischen
Umstrukturierungsbeihilfen, die zur Verbesserung der betrieblichen Bedingungen
in den betroffenen Unternehmen beitrügen und die in vollem Umfang mit dem
Gemeinsamen Markt vereinbar sein könnten, und reinen Betriebsbeihilfen oder
über längere Zeit gewährten Rettungsbeihilfen, die dies grundsätzlich nicht sein
könnten.
Würdigung durch das Gericht
- 133.
- Soweit die Klägerinnen der Kommission vorwerfen, sie habe der Air France
gestattet, die Beihilfe an einige ihrer Tochtergesellschaften weiterzuleiten,
gleichzeitig vortragen, daß es ihnen wahrscheinlich erscheine, daß Air France die
Betriebskosten global finanzieren werde, ist ihr Vorbringen zu vage, als daß ihm
gefolgt werden könnte, und beschränkt sich auf bloße Annahmen, die nicht auf
genaues tatsächliches Vorbringen gestützt sind.
- 134.
- Auch den aus dem früheren Umstrukturierungsplan „PRE 2“ hergeleiteten
Argument ist nicht zu folgen. Dieser Plan stieß nämlich auf den Widerstand der
Gewerkschaften und des Personals der Air France; er konnte daher nicht
durchgeführt werden. Unter diesen Umständen verpflichtete nichts die Kommission,
bestimmte Bestandteile eines gescheiterten Umstrukturierungsplans vergleichend
zu berücksichtigen. Dies gilt auch für den Betrag von 8 Milliarden FF, der vor
Erlaß der angefochtenen Entscheidung genannt worden sein soll. Da es sich nicht
um die von den französischen Behörden der Kommission im Rahmen des förmlich
eingereichten Umstrukturierungsplans offiziell unterbreite Zahl handelte, mußte die
Kommission sie nicht berücksichtigen.
- 135.
- Zwar läßt sich nicht ausschließen, daß die Kommission die von der Air France
geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen mit den von anderen Fluggesellschaften
ergriffenen Maßnahmen vergleichen kann, jedoch muß die Umstrukturierung eines
Unternehmens auf dessen innere Probleme ausgerichtet sein und die Erfahrungen,
die andere Unternehmen in unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen
Zusammenhängen zu anderen Zeiten gemacht haben, können irrelevant sein.
- 136.
- Soweit die Klägerinnen außerdem geltend machen, die Beihilfe hätte in einzelne
jeweils mit einer individuellen Umstrukturierungsmaßnahme verknüpfte Tranchen
aufgeteilt werden müssen, ist das Gericht der Ansicht, daß durch eine solche
Vorgehensweise notwendigerweise die Kosten jeder einzelnen Maßnahme
offengelegt und damit die internen Funktionsstrukturen von Air France
bekanntgemacht worden wären. Derartige Daten sind aber zumindest für einen
gewissen Zeitraum vertraulich und sind gegenüber der Öffentlichkeit und
insbesondere den Konkurrenten von Air France geheimzuhalten. Unter diesen
Umständen ist der Mechanismus der nachträglichen Kontrollen gemäß Artikel 2
der angefochtenen Entscheidung, insbesondere in Verbindung mit der Bedingung
für die Genehmigung Nr. 6, als ein sachgerechtes System anzusehen, durch das eine
Überkapitalisierung der Air France aufgrund einer Verwendung der Beihilfe zu
anderen Zwecken als der Umstrukturierung ausgeschlossen werden soll.
- 137.
- Soweit die Klägerinnen geltend machen, die einzige wirkliche
Umstrukturierungsmaßnahme in dem streitigen Plan betreffe die Reduzierung des
Personalbestands der Air France (freiwilliges Ausscheiden von 5 000 Beschäftigten)
und alle anderen Maßnahmen seien in Wirklichkeit rein operativer Natur, ist
darauf hinzuweisen, daß mit der streitigen Beihilfe, wie oben in den Randnummern
110, 111, 116 und 117 festgestellt worden ist, zumindest teilweise die
Umstrukturierung von Air France finanziert werden soll und daß die Behauptung,
wonach die Beihilfe ausschließlich zur Entschuldung der Air France verwendet
worden sei, sich nicht im Wortlaut der angefochtenen Entscheidung findet und
daher zurückzuweisen ist. Folglich ist zu prüfen, ob die verschiedenen von den
Klägerinnen angeführten Maßnahmen strukturellen Charakter haben.
- 138.
- In diesem Zusammenhang ergibt sich aus den Akten, daß die Air France weder
über Fabriken noch über Industrieanlagen mit Herstellungsverfahren verfügt, die
technisch umstrukturiert werden könnten. Bei einem solchen Unternehmen
konzentriert sich die Tätigkeit im wesentlichen auf das Beförderungsangebot für
Personen und Fracht sowie auf die für die Erbringung dieser Dienstleistungen
eingesetzten Mittel. Daher können nur die Struktur dieses Angebots sowie diejenige
der Organisation des Unternehmens, die zur Unterstützung dieses Angebots dient,
berechtigterweise Gegenstand eine Umstrukturierung sein.
- 139.
- Aufgrund dieser Feststellung ist das Gericht der Ansicht, daß die Streichung von
5 000 Stellen sowie die Neugliederung von Air France in elf für ihre finanziellen
Ergebnisse verantwortliche Betriebszentren von der Kommission vernünftigerweise
als strukturelle Maßnahmen qualifiziert werden konnten. Dies erscheint wenigersicher, was die kommerziellen Initiativen (Euroconcept, Classe club und Première
Club) und die Änderungen des Streckennetzes angeht, da die Air France sich damit
darauf beschränkt, der kommerziellen Entwicklung des Marktes zu folgen, ohne in
die Strukturen des Unternehmens als solche einzugreifen. Derartige Maßnahmen
sind daher wohl rein operativer Natur und betreffen nur den Betrieb von Air
France.
- 140.
- Ohne daß es erforderlich wäre, sich dazu zu äußern, ob die Rechtsprechung und
die Entscheidungspraxis, die in den Punkten 98 und 113 angeführt werden, hier von
Bedeutung sind, ist jedoch darauf hinzuweisen, daß der Umstrukturierungsplan
durch eine Kapitalerhöhung mittels der Beihilfe sowie die Veräußerungen von
Vermögensteilen finanziert werden sollte, von denen die Air France sich
Einnahmen in Höhe von etwa 7 Milliarden FF erhoffte (ABl. S. 76). In Anbetracht
der verhältnismäßig geringen Beträge, die von den Klägerinnen in der Rechtssache
T-371/94 in diesem Zusammenhang genannnt worden sind (150 Millionen FF und
500 Millionen FF), durfte die Kommission aber annehmen, daß diese Maßnahmen
durch die aus der Veräußerung eigener Aktiva durch Air France herrührenden
Mittel und durch die Einnahmen aus dem laufenden Betrieb gedeckt sein würden.
- 141.
- In diesem Zusammenhang ist die von der „Fungibilität“ der Beihilfe ausgehende
und auf das Urteil Italien/Kommission (zitiert in Randnr. 125) gestützte
Argumentation zurückzuweisen, wonach der Umstand, daß die Air France die
Beihilfe erhalte, es ihr ermögliche, andere Betriebsmittel freizumachen, die dann
nicht etwa zur Rückzahlung ihrer Schulden verwendet würden, sondern zur
Finanzierung der oben genannten Maßnahmen eingesetzt werden könnten. Da es
sich im vorliegenden Fall um Investitionsmaßnahmen und betriebliche Maßnahmen
normalen Umfangs handelt, die jede Fluggesellschaft vernünftigerweise ergreifen
muß, um ihre operative Tätigkeit gegenüber der Konkurrenz auf dem Markt
aufrechterhalten zu können, haben die Französische Republik und Air France zu
Recht vorgetragen, daß diese These von der „Fungibilität“ tatsächlich auf ein
Verbot aller Umstrukturierungsbeihilfen hinauslaufen und das begünstigte
Unternehmen dazu verurteilen würde, seine betriebliche Tätigkeit einzustellen.
- 142.
- Es ist richtig, daß die Lösung, was die Investition von 11,5 Milliarden FF angeht,
die in der angefochtenen Entscheidung als „Flotteninvestition“ definiert wird (ABl.
S. 75), anders ausfallen könnte. Das Gericht ist jedoch nicht in der Lage, diese
Problematik inhaltlich zu prüfen, da die angefochtene Entscheidung in diesem
wesentlichen Punkt nicht begründet ist (siehe oben, Randnrn. 111 bis 120). Was das
Vorbringen zur tariflichen Praxis von Air France auf den Strecken außerhalb des
EWR angeht, die angeblich mit der Beihilfe finanziert wird, setzt die Prüfung dieses
Punktes eine Analyse der Wettbewerbsstellung der Air France auf diesen Strecken
voraus. Diese Analyse wird in einem anderen Zusammenhang erfolgen (siehe
unten, Randnrn. 259 bis 280).
- 143.
- Die Rüge, die Kommission habe zu Unrecht die Finanzierung von Betriebskosten
und operativen Maßnahmen genehmigt, ist folglich unter dem letztgenannten
Vorbehalt zurückzuweisen.
C Zur Rüge der fehlerhaften Klassifizierung der von der Air France zwischen
1989 und 1993 ausgegebenen Wertpapiere
Vorbringen der Beteiligten
- 144.
- Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 tragen vor, nach dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit dürfe eine staatliche Beihilfe nicht so hoch sein, daß sie für
den Empfänger zu einem Verschuldungsgrad führe, der niedriger als derjenige
seiner Konkurrenten sei. Im vorliegenden Fall habe die Kommission aber eine
fehlerhafte Klassifizierung der ORA (obligations remboursables en actions
Obligationen, die in Aktien zu tilgen sind), der TSDI (titres subordonnés à durée
indétérminée reconditionnés nachrangige neukonditionierte
Schuldverschreibungen mit unbestimmter Laufzeit) und der TSIPBSA (titres
subordonnés à intérêts progressifs assortis de bons de souscription d'actions
nachrangige Schuldverschreibungen mit steigendem Zins und einem
Zeichnungsrecht für Aktien) vorgenommen, die von der Air France in den Jahren
1989 bis 1993 ausgegeben worden seien, um den Verschuldungsgrad des
Unternehmens im Jahre 1996 zu berechnen. Bei einer richtigen Klassifizierung
dieser Papiere hätte sich ergeben, daß der Verschuldungsgrad von Air France viel
niedriger sei als derjenige aller andern Fluggesellschaften.
- 145.
- In der angefochtenen Entscheidung sei die Kommission zu dem Ergebnis gelangt,
daß die ORA für die Zwecke der Berechnung des Verschuldungsgrads der Air
France „Quasi-Eigenkapital“ darstellten; die Kommission habe jedoch zu Unrecht
angenommen, daß die ORA von 1993 wie im übrigen die TSIP-BSA durch
konventionelle Verbindlichkeiten ersetzt werden würden, da sie aufgrund ihrer
Entscheidung 94/662/EG vom 27. Juli 1994 über die Zeichnung von Air-France-Anleihen durch CDC-Participations (ABl. L 258, S. 26) als rechtswidrige staatliche
Beihilfen zurückzuerstatten seien. Die Air France sei aber nicht verpflichtet
gewesen und habe nicht zugesichert, die ORA von 1993 durch konventionelle
Verbindlichkeiten zu ersetzen. Darüber hinaus dürften die liquiden Mittel, über die
die Air France verfügen werde, wenn sie die Beihilfe erhalten habe, die Ersetzung
der Einnahmen aus den ORA und den TSIP-BSA von 1993 durch zusätzliche
liquide Mittel praktisch überflüssig machen.
- 146.
- Nach Ansicht der Klägerinnen veranschaulicht die Entwicklung der Lage nach dem
Erlaß der angefochtenen Entscheidung ihre These. Nach einem Artikel in der
Presse habe die Kommission am 5. April verlangt, daß Frankreich (und nicht die
Air France) einen Betrag von 1,5 Milliarden FF bis zum Abschluß des Verfahrens
vor dem Gericht und dem Gerichtshof über die Nichtigerklärung der Entscheidung
94/662 auf einem Sperrkonto hinterlege. Der Air France komme folglich der Wert
der 1993 ausgegebenen ORA und TSIP-BSA weiterhin zugute, zumindest bis zum
Erlaß des Urteils des Gerichtshofes oder des Gerichts, d. h. während des größten
Teils des Umstrukturierungszeitraums.
- 147.
- Die Klägerinnen machen geltend, in Wirklichkeit hätten die ORA und die TSIP-BSA sowie ein Teil des Wertes der aus den TSDI herrührenden Anleihe zur
Berechnung des Verschuldungsgrads der Air France in der Spalte „Eigenkapital“
ausgewiesen werden müssen, denn sie stellten Kapital dar, das der Air France bis
zu ihrer Liquidation ständig zur Verfügung stehe.
- 148.
- Was insbesondere die TSDI angehe, würden den Zeichnern ihre Einlagen aus
einem Bankfonds zurückgezahlt, in dem die Air France einen Teil (25 %) des
ursprünglichen Wertes der TSDI plaziert habe, während ein erheblicher Teil des
Wertes dieser Papiere (75 %) von der Air France auf Dauer gehalten werde.
Anders als beim Erlöschen einer Verbindlichkeit, die sich aus ihrer Begleichung
durch den Anleiheschuldner ergebe, bestünden die TSDI auch nach der
Rückzahlung des Kapitals rechtlich weiter. Im übrigen habe die Kommission in
ihrer Mitteilung vom 3. Juni 1994 (ABl. S. 8) selbst erklärt, die „automatische“
Rückzahlung der TSDI erfolge durch einen Bankfonds, die Verpflichtung zur
Rückzahlung werde für Air France nur im Fall einer Liquidation des
Unternehmens wirksam und die TSDI seien bei der 1992 von der Kommission
durchgeführten Analyse der Finanzlage der Air France mit Zustimmung der
französischen Regierung dem Eigenkapital zugerechnet worden. Die TSDI stellten
Mittel dar, die der Air France ständig zur Verfügung stünden und die ihr daher
einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Konkurrenzunternehmen verschafften.
Rechne man zum Eigenkapital nur den Teil des Wertes der TSDI hinzu, den die
Air France auf Dauer behalte, so habe dies eine erhebliche Auswirkung auf ihren
Verschuldungsgrad für das Jahr 1996, denn dieser beliefe sich dann auf 0,76:1 und
nicht auf 1,12:1.
- 149.
- Außerdem habe die Kommission bei der Klassifizierung der betroffenen
Finanzinstrumente die finanziellen Konzepte, um die es gehe, nicht richtig
verstanden. Sowohl bei den TSDI als auch bei den TSIP-BSA hänge die Zahlung
von Zinsen vom Ergebnis der Air France ab und könne ausgesetzt werden. Auch
sei das Kriterium der Konvertibilität insoweit nicht sachgerecht, als die Kommission
angebe, daß die TSIP-BSA zu gegebener Zeit zu Eigenkapital würden, „sofern die
Marktbedingungen es dem Inhaber ermöglichen, sein Zeichnungsrecht auszuüben“.
Damit habe die Kommission verkannt, daß das Zeichnungsrecht ein gesondertes,
zusätzliches, abtrennbares und selbständiges Recht sei, deren Inhaber der gleiche
sein könne wie der Inhaber des TSIP oder auch nicht. Das TSIP sei nicht
konvertibel, weil es sich um ein auf Dauer nachrangiges Wertpapier handele. Der
Begriff der „Konvertibilität“ sei in gleicher Weise auch auf die TSDI nicht
anwendbar, denn es handele sich dabei um auf Dauer nachrangige Wertpapiere,
die im Falle der Liquidation der Air France zurückgezahlt werden könnten.
Schließlich sei es nicht sachgerecht, daß die Kommission die Rechte berücksichtige,
die die ORA, TSDI und TSIP-BSA ihren Inhabern einräumten.
- 150.
- Die Kommission trägt zunächst vor, sie habe in der angefochtenen Entscheidung
unterstrichen, daß die finanzielle Natur der betreffenden Wertpapiere bisweilen
nicht eindeutig sei (ABl. S. 84). Sodann trägt sie vor, gemäß ihrer Entscheidung
94/662 müsse der für die Zeichnung der im April 1993 emitierten ORA und TSIP-BSA gezahlte Betrag von der Air France zurückerstattet werden, so daß der Wert
dieser Papiere als Verbindlichkeit angesehen werden müsse. Was die ORA von
1991 angehe, so seien sie als Eigenkapital anzusehen, da sie, wenn der Zeitpunkt
dafür gekommen sei, unausweichlich in Aktien umgewandelt würden, während die
1989 und 1992 emitierten TSDI als eine Verbindlichkeit (Fremdkapital) anzusehen
seien, da sie nach 15 Jahren zurückzuzahlen seien und keine Umwandlung in
Aktien erfolgen könne (ABl. S. 85).
- 151.
- Soweit die Klägerinnen sich auf die Entscheidung der Kommission vom 5. April
1995 berufen (siehe oben, Randnr. 146), macht diese geltend, diese Entscheidung,
die nach der angefochtenen Entscheidung erlassen worden sei, habe keine
Auswirkungen auf die Klassifizierung der in Frage stehenden Papiere. Solange eine
rechtliche Verpflichtung zur Rückzahlung der Beträge der ORA und der TSIP-BSA
bestehe, sei sie außerdem zu der Annahme berechtigt, daß diese Beträge durch
konventionelle Verbindlichkeiten ersetzt würden.
- 152.
- Was die TSDI angeht, unterstreicht die Kommission, daß sie neu konditioniert
seien. Der Umstand, daß die Air France einen Teil des Erlöses aus den TSDI
behalte, habe keine Auswirkungen auf deren Qualifizierung. Diese Schlußfolgerung
werde durch die Stellungnahme des Conseil supérieur de l'Ordre français des
experts-comptables (Hoher Rat des französischen Buchprüferverbandes) bestätigt.
Was zähle, sei die Verpflichtung zur Rückzahlung der Hauptschuld. Der
Nettofinanzstrom zwischen der Air France und dem Trust, bei dem ein Teil der
Mittel deponiert sei, werde nach Ablauf eines Zeitraums von 15 Jahren bei Null
angelangt sein. Das Darlehen, das die TSDI darstellten, werde tatsächlich durch das
Erlöschen des Trusts und das nachfolgende Erlöschen der Verbindlichkeit der Air
France zurückgezahlt. Der gesamte durch die Emission der neukonditionierten
TSDI aufgebrachte Betrag werde also von der Air France bei Ablauf des Zeitraums
von 15 Jahren zurückgezahlt. Der Betrag des Erlöses aus den TSDI sei nicht beim
Trust hinterlegt und bleibe nicht auf Dauer in den Händen des Emittenten. Dieser
Betrag entspreche der Verpflichtung des Emittenten, 15 Jahre lang jährlich Zinsen
auf den Gesamtbetrag der TSDI zu zahlen. Das Beharren der Klägerin auf der
Behauptung, daß der Emittent einen Teil des Erlöses aus den neukonditionierten
TSDI auf Dauer behalte, beruhe auf einer subjektiven analytischen
Betrachtungsweise, nach der jedes Darlehen als eine Zuführung von Eigenmitteln
angesehen werden könne.
- 153.
- Auch wenn die Zahlung von Zinsen sowohl bei den TSDI als auch bei den TSIP-BSA ausgesetzt werden könne, bleibe die Air France dennoch verpflichtet, die
aufgelaufenen Zinsen aus diesen Beträgen zu zahlen. Mit anderen Worten: Die
Zinszahlung werde nur auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Was die
Ausführungen der Klägerinnen zu den Rechten angehe, die die in Frage stehenden
Finanzinstrumente ihren Besitzern einräumten, habe die angefochtene
Entscheidung der Natur der Rechte, die diese Instrumente ihren Inhabern
einräumten oder nicht einräumten, keine besondere Bedeutung beigemessen. Der
wesentliche Gesichtspunkt sei die obligatorische Umwandlung der Papiere in
Aktien gewesen.
- 154.
- Die Air France trägt zu den neukonditionierten TSDI vor, die Berufsgruppe der
Buchhalter habe sich erst ab Ende 1991 mit der Definition der Natur dieser
Papiere befaßt. Die Commission française des opérations de bourse (französischer
Ausschuß für Börsengeschäfte) habe sich in einer Mitteilung vom 6. März 1992
dagegen ausgesprochen, die neukonditionierten TSDI dem Eigenkapital
zuzurechnen. Seit Ende 1993 hätten die Buchhalter Kenntnis vom Entwurf einer
Stellungnahme des Ordre français des experts-comptables gehabt, in der die TSDI
als Verbindlichkeit qualifiziert worden seien. Die Stellungnahme des Conseil
supérieur de l'Ordre des experts-comptables sei am 7. Juli 1994 endgültig in diesem
Sinn beschlossen worden.
Würdigung durch das Gericht
- 155.
- Zunächst ist festzustellen, daß die Kommission bei der Prüfung der
Verhältnismäßigkeit der Beihilfe in der angefochtenen Entscheidung unterstreicht,daß der Verschuldungsgrad von Air France sehr weitgehend davon abhänge, wie
mehrere von dem Unternehmen emittierte Papiere einzustufen seien, wobei die
Verschuldungsgrade erheblich je nachdem variierten, ob diese Papiere als
Eigenkapital oder als Verbindlichkeiten eingestuft werden (ABl. S. 83). Sie
beschreibt anschließend die Höhe und die Merkmale der von der Air France in den
letzten fünf Jahren vor der angefochtenen Entscheidung emittierten
Finanzinstrumente, nämlich der im Dezember 1991 und im April 1993 emittierten
ORA, der im Juni 1989 und im Mai 1992 emittierten TSDI sowie der im April 1993
emittierten TSIP-BSA (Abl. S. 83 und 84). Schließlich legt sie die Kriterien dar,
nach denen sich Eigenmittel von Anleihen unterscheiden, und zwar insbesondere
nach den geltenden Vorschriften des französischen Rechts, der Vierten
Gemeinschaftsrichtlinie über den Jahresabschluß von Gesellschaften sowie der
Auffassung des Comité professionnel de doctrine comptable (Fachausschuß für
Buchführungslehre) (ABl. S. 84 und 85).
- 156.
- Die Beteiligten stimmen darin überein, daß die ORA als „Eigenkapital“ oder
„Eigenmittel“ zu qualifizieren sind, da diese Papiere niemals abgelöst werden
sollen, sondern in Aktien umgewandelt werden müssen. Im übrigen hat die
Kommission in der angefochtenen Entscheidung tatsächlich eine dahin gehende
Qualifizierung vorgenommen (ABl. S. 85).
- 157.
- Was insbesondere die von der Air France im April 1993 emittierten und von dem
Unternehmen CDC-Participations gezeichneten ORA angeht, ist darauf
hinzuweisen, daß die Kommission mit ihrer Entscheidung 94/662 die Rückerstattung
des gezahlten Betrages mit der Begründung angeordnet hat, daß die Zeichnung der
Papiere eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstelle. Zwar hat die Französische
Republik diese Entscheidung beim Gerichtshof angefochten (Rechtssache C-282/94)
und Air France hat Klage beim Gericht erhoben (Rechtssache C-358/94), diese
Klagen haben aber keine aufschiebende Wirkung gehabt, so daß die den
emittierten ORA entsprechenden Mittel von der Air France zurückzuerstatten
waren. Im übrigen ist die Entscheidung der Kommission bestandskräftig geworden,
da das Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T-358/94
(Air France/Kommission, Slg. 1996, II-2109), durch die die Klage gegen diese
Entscheidung abgewiesen worden ist, rechtskräftig geworden und die Rechtssache
C-282/94 durch Beschluß vom 17. April 1997 im Register des Gerichtshofes
gestrichen worden ist.
- 158.
- Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, daß der Air France bis zur Verkündung
dieses Urteils der Wert tatsächlich zugute gekommen ist, den diese ORA darstellen.
Die Verfügbarkeit eines Kapitals während eines bestimmten Zeitraums stellt
nämlich kein Kriterium dar, nach dem sich Eigenkapital von Verbindlichkeiten
unterscheidet. Kapital, über das ein Unternehmen verfügen kann, ist in der Bilanz
eines Unternehmens stets allein der Spalte „Passiva“ zuzuordnen, und zwar
entweder als „Verbindlichkeiten“, wenn es zurückzuzahlen ist, oder als
„Eigenkapital“, wenn es dem Unternehmen auf Dauer zur Verfügung steht. Da die
streitigen ORA aber vom 27. Juli 1994 an zurückzuzahlen waren, hat die
Kommission sie zu recht als Verbindlichkeiten qualifiziert.
- 159.
- Das gleiche gilt für die im April 1993 emittierten TSIP-BSA, die ebenfalls
Gegenstand der Entscheidung 94/662 waren. Das Gericht braucht sich folglich nicht
zu ihrer grundsätzlichen Klassifizierung zu äußern.
- 160.
- Was die neukonditionierten TSDI angeht, haben die Beteiligten mehrere Finanz-
und Buchhaltungssachverständigengutachten über die Klassifizierung diese Papiere
vorgelegt. Die Klägerinnen nehmen Bezug auf das Gutachten von Professor Pene
(Anlage 40 zur Klageschrift und Anlage 16 zu den Erklärungen zu den Streithilfen),
während die Kommission und die Air France sich auf das Büro Ernst & Young
(Anlage 2 zur Klagebeantwortung mit einem speziellen Vermerk zu den
neukonditionierten TSDI in Anlage A und Anlage zur Gegenerwiderung) bzw. auf
Professor Vermaelen (Anlage 7 zum Streithilfeschriftsatz der Air France) stützen.
Darüber hinaus verweist die Kommission auf das am 7. Juli 1994 gebilligte
Gutachten des Conseil supérieur de l'Ordre des experts-comptables (S. 18/19 der
Anlage B zum Gutachten von Ernst & Young, das der Klagebeantwortung als
Anlage 2 beigefügt ist).
- 161.
- Aus diesen einander widersprechenden Sachverständigengutachten geht hervor, daß
die Klassifizierung der neukonditionieren TSDI komplexe wirtschaftliche und
finanzielle Bewertungen impliziert. Die Kommission verfügt daher auf diesem
Gebiet über ein weites Ermessen, und das Gericht kann ihre Entscheidung in
diesem Punkt nur beanstanden, wenn es einen offensichtlichen Beurteilungsfehler
festgestellt hat. Allem Anschein nach hat die Kommission aber den Mechanismus
der Rückzahlung der TSDI neben dem Umstand, daß sie nicht in Aktien
umgewandelt werden können nicht zu Unrecht als entscheidenden Gesichtspunkt
für ihre Qualifizierung als Verbindlichkeiten angesehen.
- 162.
- Diese Schlußfolgerung wird nicht dadurch entkräftet, daß die Zahlung von Zinsen
für diese TSDI bei schlechten finanziellen Ergebnissen der Air France ausgesetzt
werden kann. Daß ein Finanzierungsvorgang den Charakter einer Anleihe hat, wird
nämlich nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Bedingungen der Verzinsung unter
einem speziellen Gesichtspunkt für den Zeichner der Anleihe unvorteilhaft sind.
- 163.
- Schließlich widerspricht dieser Schlußfolgerung auch nicht, daß die Kommission
ursprünglich dazu neigte, die TSDI als „Eigenkapital“ zu qualifizieren (Mitteilung
vom 3. Juni 1994, ABl. S. 8). Wie die Air France vor dem Gericht dargelegt hat,
spiegelt diese Änderung der Betrachtungsweise nämlich die Entwicklung wider, die
die Qualifizierung der TSDI von 1991 bis 1994 innerhalb des Berufsstands der
Buchhalter selbst durchlaufen hat. In diesem Zusammenhang ist darauf
hinzuweisen, daß der Conseil supérieur de l'Ordre français des experts-comptables
in seinem Gutachten vom 7. Juli 1994 also unmittelbar vor Erlaß der
angefochtenen Entscheidung die neukonditionierten TSDI definitiv als
Verbindlichkeiten angesehen hat. Der Kommission kann nicht vorgeworfen werden,
daß sie sich bei der Qualifizierung dieser französischen Papiere der abschließenden
Stellungnahme der französischen Organisation, die den auf diesem Gebiet
sachkundigen Berufsstand vertritt, angeschlossen hat.
- 164.
- Da die Kommission bei der Klassifizierung der von der Air France emittierten
Wertpapiere keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, ist die Rüge
zurückzuweisen.
D Zu der Rüge, die Kommission habe den Verschuldungsgrad von Air France
verkannt
Vorbringen der Beteiligten
- 165.
- Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 sind der Ansicht, der für 1996
geplante gefaßte Verschuldungsgrad von Air France zeige, daß die Verschuldung
des Unternehmens auf ein Niveau reduziert werde, das weit unter demjenigen
seiner Konkurrenzunternehmen liege. Die Kommission habe nämlich berechnet,
daß dieser Wert 1,12:1 betragen werde, und erklärt, daß er über dem Durchschnitt
im zivilen Luftfahrtgewerbe liege, wo 1,5:1 als akzeptabler Wert angesehen werde;
damit habe sie die von der Firma KPMG einer internationalen
Unternehmensberatungsgesellschaft und der IATA erstellte Studie, auf die in der
angefochtenen Entscheidung verwiesen werde (Abl. S. 85), falsch interpretiert.
Diese Studie zeige in Wirklichkeit, daß der geplante Verschuldungsgrad für die Air
France unter dem als optimal angesehenen Wert liege und erheblich niedriger sei
als der in der Studie für das Jahr 1992 genannte tatsächliche Durchschnitt (2,3:1
oder 2,1:1 je nach Berechnungsweise). Die Unverhältnismäßigkeit der Beihilfe
erscheine noch ausgeprägter, wenn man den Verschuldungsgrad der Air France
(1,12:1) mit den durchschnittlichen Verschuldungsgraden (2,57:1 im Jahr 1992 und
3,17:1 im Jahr 1993) vergleiche, die in der Veröffentlichung der IATA „Airline
Economic Results and Prospects“ (Anlage 12 zur Erwiderung) angegeben seien.
- 166.
- Die der Air France gewährte unverhältnismäßige Beihilfe werde nicht allein
dadurch zu einer verhältnismäßigen Beihilfe, daß man einen Vergleich in bezug auf
andere Finanzkennziffern, wie z. B. das Zinsdeckungsverhältnis, vornehme. Die
Feststellung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung, daß dieses
Verhältnis bei der Air France im Jahre 1996 2,44:1 betragen und damit dem von
den Konkurrenzunternehmen der Air France 1993 erreichten Durchschnittswert
von 2,42:1 sehr nahe kommen werde (ABl. S. 85), sei daher unerheblich. Im
übrigen sei dieser Wert unvollständig und gebe lediglich die Fähigkeit eines
Unternehmens wieder, die Gewinne, die es erziele, zur Rückzahlung seiner
finanziellen Belastungen einzusetzen. Darüber hinaus sei nicht klar, nach welchem
Kriterium die Kommission die Fluggesellschaften ausgewählt habe, mit denen sie
den Wert der Air France im Jahr 1996 vergleiche.
- 167.
- Außerdem werde im Sachverständigengutachten der Firma Ernst & Young (Anlage
2 zur Klagebeantwortung), auf das die Kommission sich stütze, erklärt, daß die Air
France den theoretisch optimalen Verschuldungsgrad von 1,5:1 mit einer Beihilfe
in Höhe von maximal 15,25 Milliarden FF hätte erreichen können. Es sei daher
überraschend, daß in demselben Gutachten versucht werde, zu rechtfertigen, daß
die Air France 20 Milliarden Franken erhalte, indem behauptet werde, daß es
keinen besonderen Grund dafür gebe, daß die Air France einen
„durchschnittlichen“ Verschuldungsgrad haben müsse.
- 168.
- Im übrigen sei jeder Vergleich zwischen Verschuldungsgraden von bestreitbarem
Wert. In diesem Zusammenhang gehe aus der von der Firma KPMG und der
IATA erstellten Studie hervor, daß es bei der Berechnung der Verschuldungsgrade
erhebliche Unterschiede gebe und daß es daher schwierig sei, gültige Vergleiche
zwischen Fluggesellschaften anzustellen. Schließlich sei nicht belegt, ob die von der
Kommission durchgeführte Berechnung des Verschuldungsgrads der Air France auf
Brutto- oder Nettozahlen beruhe; es werde auch keine Erklärung dazu gegeben,
wie diese Zahlen aufzuschlüsseln seien.
- 169.
- Darüber hinaus habe die Kommission ihre Untersuchung zu Unrecht auf einen sehr
kurzen Zeitraum, nämlich das Jahr 1996, beschränkt, während dessen die Beihilfe
noch gezahlt werde, ohne ihre Auswirkungen auf die spätere Finanzlage der Air
France zu berücksichtigen, die dank der Beihilfe finanziell erheblich stärker als ihre
Wettbewerber geworden sei. Die Kommission hätte eine dynamische Analyse der
Auswirkungen der Beihilfe über den Umstrukturierungszeitraum hinaus auf die
Stellung der Air France im Wettbewerb im Verhältnis zu ihren Konkurrenten
vornehmen müssen, um bestimmen zu können, ob die Beihilfe nicht
unverhältnismäßig gewesen sei. Die Beihilfe trage dazu bei, der Air France im
Verhältnis zu ihren Wettbewerbern eine viel bessere Finanzlage zu verschaffen, als
es die Werte nahe legten, auf die die Kommission sich in der angefochtenen
Entscheidung gestützt habe.
- 170.
- Die Kommission verweist auf das Gutachten der Firma Ernst & Young und macht
geltend, die streitige Kapitalzuführung sei so berechnet worden, daß sie den
Mindestbetrag darstelle, der zur Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts
der Air France erforderlich sei. Was den zur Berechnung des Verschuldungsgrads
verwendeten Betrag der Verbindlichkeiten angehe, habe sie gemäß einem
feststehenden Trend in der Finanzanalyse eine Nettozahl berücksichtigt. Der
Verschuldungsgrad sei folglich nicht durch die Verwendung des Betrages der
Bruttoverbindlichkeiten aufgebläht worden.
- 171.
- Der Verschuldungsgrad von 1,12:1 sei nicht der einzige Gesichtspunkt gewesen, der
in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt worden sei, um die
Verhältnismäßigkeit der Beihilfe gemessen am Umstrukturierungsbedarf von Air
France zu beurteilen, und das Zinsdeckungsverhältnis habe ebenfalls Bedeutung
gehabt. Nichts verlange, daß der Verschuldungsgrad von Air France im Jahr 1996
dem Durchschnittswert des Zivilluftfahrtsektors habe entsprechen müssen. Es
reiche aus, daß er sich dem Satz von 1,5:1 in annehmbarer Weise annähere.
- 172.
- Die Kommission trägt vor, sie habe das Zinsdeckungsverhältnis nicht dazu
herangezogen, um eine Beihilfe, deren Unverhältnismäßigkeit sich aus dem
Verschuldungsgrad von Air France ergebe, verhältnismäßig zu machen. Die
Erheblichkeit des Zinsdeckungsverhältnisses stehe außer Zweifel. Mit diesem Wert
werde die Fähigkeit des Unternehmens gemessen, seine Finanzierungskosten zu
bestreiten, wobei das Ziel der streitigen Beihilfe gerade darin bestehe, die Air
France in bezug auf die finanzielle Belastung zu sanieren. Die Erwähnung des
Zinsdeckungsverhältnisses der Wettbewerber der Air France im Jahre 1993 in der
angefochtenen Entscheidung veranschauliche lediglich den Wert, den gesunde
Fluggesellschaften erzielt hätten.
- 173.
- Schließlich trägt die Kommission vor, sie habe auch andere finanzielle
Verhältniszahlen berücksichtigt. Was den Rentabilitätsgrad des Eigenkapitals
angehe, sei im Gutachten der Firma Ernst & Young lediglich angegeben worden,
daß diese Verhältniszahl einen zusätzlichen Indikator dafür abgebe, in welcher
Höhe eine Beihilfe erforderlich sei, damit die Air France ihre wirtschaftliche
Lebensfähigkeit wiedergewinnen könne. Daß die genehmigte Beihilfe der Höhe
nach das erforderliche Minimum dargestellt habe, sei auf der Grundlage der
verschiedenen Prognosen für die Finanzkennziffern belegt worden.
- 174.
- Die Air France nimmt Bezug auf die (in Randnr. 55 genannten) Entscheidungen
Sabena und Aer Lingus sowie auf die Entscheidung 94/696/EG der Kommission
vom 7. Oktober 1994 über die dem Unternehmen Olympic Airways vom
griechischen Staat gewährten Beihilfen (ABl. L 273, S. 22, im folgenden: Olympic-Airways-Entscheidung), mit denen die Kommission staatliche Beihilfen im Sektor
der Zivilluftfahrt genehmigt habe. Die Verschuldungsgrade dieser Unternehmen
würden bei Auslaufen ihres Umstrukturierungsplans dem Wert der Air France
ähneln, ja sogar besser sein. Sie gäben also einen Eigenkapitalanteil wieder, der
ebenso hoch oder sogar höher als derjenige der Air France sei. So habe die
Kommission Werte von 1,25:1 (Sabena), von 0,75:1 und 0,41:1 (Aer Lingus) und
von 0,78:1 (Olympic Airways) akzeptiert.
Würdigung durch das Gericht
- 175.
- Die Problematik der Finanzkennziffern der Air France, insbesondere die
Problematik des Verschuldungsgrads, wirft äußerst technische Fragen der
Finanzbuchhaltung auf. Diese Feststellung wird dadurch bekräftigt, daß die
Beteiligten zur Stützung ihrer Thesen auf sieben Sachverständigengutachten
verweisen, nämlich die Gutachten des Büros Ernst & Young (Anlage 2 zur
Klagebeantwortung und Anlage zur Gegenerwiderung), von Professor Pene (Anlage
40 zur Klageschrift sowie Anlagen 9 und 10 zur Erwiderung), von Professor
Vermaelen (Anlage 7 zum Streithilfeschriftsatz der Air France) und von Doktor
Weinstein (Anlage 1 zum Streithilfeschriftsatz des Vereinigten Königreichs).
- 176.
- In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die
Unternehmensberatungsfirma Lazard Frères den zur Neufinanzierung der Air
France im Rahmen der Umstrukturierung erforderlichen Betrag unter
Berücksichtigung der voraussichtlichen Einnahmen und Kosten des Unternehmens
und im Hinblick auf dessen zukünftige Rentabilität festgesetzt (ABl. S. 75) und die
Kommission diesen Betrag in Ausübung ihres Ermessens akzeptiert hat. Außerdem
waren die letztgenannten Daten zumindest im Stadium des Entwurfs des
Umstrukturierungsplans sowie seiner Durchführung höchst sensibel und vertraulich,
insbesondere im Verhältnis zu den Fluggesellschaften, die im Wettbewerb mit der
Air France stehen. Es steht folglich weder den Klägerinnen noch im übrigen auch
dem Gericht zu, die für Air France bestehende Notwendigkeit, den Betrag von 20
Milliarden FF zu erhalten, um die festgelegten Umstrukturierungs- und
Entschuldungsziele erreichen zu können, vom Grundsatz her in Frage zu stellen.
- 177.
- Da die Berechnung der 20 Milliarden FF als Ausgangspunkt für die Kontrolle der
Verhältnismäßigkeit der Höhe der Beihilfe anzunehmen ist, reduziert sich die
Frage, welche Auswirkungen diese Kapitalzufuhr auf die finanziellen
Verhältniszahlen von Air France hat, grundsätzlich auf einen einfachen
mathematischen Vorgang.
- 178.
- Dabei ist darauf hinzuweisen, daß die Unternehmensberatungsfirma Lazard Frères
die Auswirkungen der streitigen Beihilfe auf die Finanzkennziffern von Air France
analysiert und die Notwendigkeit unterstrichen hat, die Kapitalstruktur (ratios de
structure financière), das Zinsdeckungsverhältnis (ratio de couverture des frais
financiers) und die Rentabilität des Eigenkapitals (ratio de rentabilité des fonds
propres) zu berücksichtigen (ABl. S. 84). Nach der Untersuchung dieser Daten ist
die Kommission zu einem Verschuldungsgrad von 1,12:1 gelangt, wobei sie
festgestellt hat, daß dieser „Wert ... über dem Durchschnitt im zivilen
Luftfahrtgewerbe [liegt], wo 1,5 als akzeptabler Wert gilt“ (ABl. S. 85).
- 179.
- Dieser Vergleich zwischen den beiden Werten des Verschuldungsgrads stützt sich
auf eine von der Firma KPMG in Zusammenarbeit mit der IATA erstellten Studie.
Diese im August 1992 verfaßte Studie (Anlage 45 zur Klageschrift in der
Rechtssache T-371/94) enthält folgende Passage (S. 26/27):
„Verhältnisse Verbindlichkeiten/Eigenkapital
...
Bei der Leitung einiger Fluggesellschaften wurde angefragt, welches ihrer Ansicht
nach der optimale Verschuldungsgrad einer Fluggesellschaft ist. Die Antworten
liegen zwischen 0,5:1 und 4:1; aus ihnen geht jedoch nicht hervor, ob die
langfristigen Pachtverträge in diese Antworten einbezogen sind. In den
eingegangenen Antworten wird im Durchschnitt ein optimales Ergebnis von 1,5:1
angegeben.
Sie wurden anschließend aufgefordert, die Verschuldungsgrade ihres eigenen
Unternehmens anzugeben, und zwar zunächst einschließlich und dann ausschließlich
der langfristigen Pachtverträge. Der durchschnittliche Verschuldungsgrad der
Unternehmen, die geantwortet haben, beträgt 2,3:1 einschließlich der langfristigen
Pachtverträge und 2,1:1 ohne diese Verträge.
...
Es gibt signifikante Abweichungen dabei, wie die Verschuldungsgrade berechnet
werden. Sachdienliche Vergleiche zwischen den verschiedenen Fluggesellschaften
sind daher schwierig ...“
- 180.
- Wie aus dieser Textpassage hervorgeht, ist die Repräsentativität der durch die
Untersuchung innerhalb der Zivilluftfahrt ermittelten Zahlen recht gering. In
Anbetracht der „signifikanten Abweichungen“, die dabei festgestellt worden sind,
können die Unterschiede zwischen den Zahlen 1,12:1, 1,5:1, 2,1:1 und 2,3:1 für sich
allein daher nicht als signifikant für den Nachweis angesehen werden, daß die
Kommission die Finanzlage der Air France im Verhältnis zur durchschnittlichen
Lage in der Zivilluftfahrt verkannt hat.
- 181.
- Nach dieser Feststellung erscheint die für Ende 1996 vorgesehene Zahl von 1,12:1
in Anbetracht der oben genannten, von 0,5:1 bis 4:1 gehenden Zahlen und der von
der Kommission in ihren (in den Randnrn. 55 und 174 genannten) Entscheidungen
Sabena, Olympic Airways und Aer Lingus gebilligten Werten von 1,25:1, 0,78:1,
0,75:1 und 0,41:1 nicht als unverhältnismäßig. Das gleiche gilt für das
Zinsdeckungsverhältnis der Air France, das nach Angabe der Kommission 1996
2,44:1 betragen und damit dem von den Wettbewerbern der Air France 1993
erreichten Durchschnittswert von 2,42:1 sehr nahe kommen wird (ABl. S. 85).
- 182.
- Aus den oben in Randnummer 176 dargelegten Gründen kann die Rüge, daß im
Gutachten der Firma Ernst & Young selbst angenommen worden sei, daß 15,25
Milliarden FF dafür ausreichten, daß die Air France einen optimalen
Verschuldungsgrad von 1,5:1 erreiche, nicht durchgreifen. Äußerst hilfsweise ist
hinzuzufügen, daß in der von den Klägerinnen zitierten Passage dieses Gutachtens
(S. 21, Fußnote 21) wie die Kommission vorgetragen hat lediglich eine
Korrektur der von den Klägerinnen vorgenommenen Berechnungen des Betrages
vorgenommen wird, der erforderlich ist, um den Wert von 1,5:1 zu erreichen; dieser
Betrag beläuft sich nach der Angabe von Ernst & Young auf 15,25 und nicht auf
13,9 Milliarden FF. Im übrigen heißt es im Gutachten von Ernst & Young weiter,
daß es jedenfalls keinen besonderen Grund dafür gebe, daß der Verschuldungsgrad
der Air France 1,5:1 betragen müsse.
- 183.
- Zu Recht trägt die Kommission vor, daß der Bericht der IATA mit der Überschrift
„Airline Economic Results and Prospects“, auf den die Klägerinnen sich beziehen,
die durchschnittlichen Verschuldungsgrade von mehr als 30 Fluggesellschaften in
der ganzen Welt wiedergibt, und zwar einschließlich der Iran Air, der Royal Air
Maroc und der Tunis Air, die nach gewerblicher und finanzieller Struktur kaum
Ähnlichkeit mit der Air France haben und mit dieser nicht in einem wirklichen
Wettbewerb stehen. Die Kommission war daher nicht verpflichtet, den
Verschuldungsgrad der Air France mit den Verschuldungsgraden der
Fluggesellschaften zu vergleichen, die Gegenstand dieses Berichts sind.
- 184.
- Soweit die Klägerinnen sich in ihrer Klageschrift gefragt haben, ob die Berechnung
des Verschuldungsgrads der Air France von Brutto- oder von Nettozahlen ausging,
genügt die Feststellung, daß die Kommission in ihrer Klagebeantwortung ohne
daß die Klägerinnen dem widersprochen hätten vorgetragen hat, daß sie eine
Nettozahl berücksichtigt habe, so daß der Verschuldungsgrad nicht durch die
Verwendung eines Bruttobetrags der Verbindlichkeiten aufgebläht worden sei.
Schließlich verpflichtete nichts die Kommission, den Verschuldungsgrad der Air
France über den Umstrukturierungszeitraum hinaus zu berechnen, da dieser den
einzigen Bezugszeitraum für die Geltung der mit der Genehmigung der Beihilfe
verknüpften Bedingungen zu Lasten der Französischen Republik und der Air
France darstellt.
- 185.
- Da die Kommission, was die Berechnung und die Berücksichtigung der in der
angefochtenen Entscheidung genannten Finanzkennziffern angeht, keinen
offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, ist die Rüge zurückzuweisen.
E Zu der Rüge, die Kommission habe es zu Unrecht unterlassen, den Verkauf
von Vermögensteilen der Air France zu verlangen, die hätten veräußert werden
können
Vorbringen der Beteiligten
- 186.
- Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission sei offensichtlich zu Unrecht zu
dem Ergebnis gelangt, daß die Höhe der streitigen Beihilfe nicht dadurch hätte
verringert werden können, daß andere Vermögensbestandteile der Air France
außer den im Umstrukturierungsplan vorgesehenen verkauft worden wären. Der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlange nämlich, daß ein Unternehmen, das
eine Umstrukturierung beabsichtige, seine gesamten Eigenmittel einsetze, bevor es
die staatliche Beihilfe in Anspruch nehme. Die Kommission hätte folglich von der
Air France verlangen müssen, daß sie sich dadurch liquide Mittel verschaffe, daß
sie alle ihre nicht zum Luftverkehrssektor gehörenden Vermögensbestandteile
unabhängig davon veräußere, wie hoch die dadurch erzielten Erlöse seien. Wäre
dies der Fall gewesen, so hätte die Beihilfe sehr viel geringer sein können.
- 187.
- Dazu tragen die Klägerinnen vor, der Air-France-Konzern umfasse 103
Gesellschaften, die in Sektoren tätig seien, die mit Reisen zusammenhingen, aber
nicht zum Luftverkehr gehören, wie z. B. im Tourismus, im Gaststätten- und
Hotelgewerbe, in der Flugzeugwartung, in der kommerziellen Informatik und im
Transitfrachtverkehr; unter diesen Gesellschaften finde man Unternehmen von der
Bedeutung des Servair-Konzerns und der Firma Jet Tours, die 1993 einen Umsatz
in Höhe von 2,6 bzw. 2,4 Milliarden FF erzielt hätten. Die Tätigkeit dieser
Unternehmen erstrecke sich auf Vorgänge, die so weit vom Luftverkehr entfernt
seien wie die Herstellung von Käse. Mehr als 20 % der Einnahmen der Air France
rührten aus Tätigkeiten her, die keinerlei Bezug zum Luftverkehr hätten. Darüber
hinaus halte die Air France Beteiligungen an 20 Fluggesellschaften.
- 188.
- Durch die Veräußerung einiger der Beteiligungen der Air France an anderen
Gesellschaften, insbesondere an der Air Inter und der Sabena, könnten Erlöse
erzielt werden, die hoch genug seien, um einen großen Teil der Beihilfe überflüssig
zu machen. Ohne die streitige Beihilfe müßte die Air France wie irgendeine
Muttergesellschaft, die Verluste erleide, sich an ihre Tochtergesellschaften
einschließlich der Air Inter wenden, damit diese zur Begrenzung ihrer Verluste
beitrügen. Zur Information haben die Klägerinnen den Wert der Beteiligungen der
Air France an 8 Fluggesellschaften (Air Charter, Air Inter, Sabena, MEA, Austrian
Airlines, Tunis Air, Air Mauritius, Royal Air Maroc) und einer anderen
Gesellschaft (Servair) berechnet. Insgesamt sei der Wert dieser Beteiligungen auf
3,1 bis 6 Milliarden FF zu veranschlagen.
- 189.
- Was die Air Inter angeht, haben die Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung
vorgetragen, sei deren angeblicher Nutzen für die Air France in Wirklichkeit nur
sehr gering gewesen. Die Rolle der Air Inter beschränke sich darauf, die Passagiere
aus der französischen Provinz zu dem Knotenpunkt („hub“) der Air France auf
dem Flughafen Charles de Gaulle für internationale Flüge zu bringen. Die Air
France hätte aber genau zu dem gleichen Ergebnis gelangen können, wenn sie
entweder ihre eigenen Flugzeuge eingesetzt oder mit anderen Gesellschaften
einschließlich der Air Inter Kooperationsabkommen geschlossen hätte. Die Air
Inter sei daher für das Funktionieren der Air France kein unbedingt erforderlicher
Vermögensbestandteil.
- 190.
- Der Wert der Kapitalbeteiligung der Air France an der Sabena in Höhe von
37,5 % könne auf 6 Milliarden BFR veranschlagt werden. Die Air France habe
diese Aktien 1992 gekauft, was nahelege, daß diese Beteiligung kaum als
lebenswichtig für die Air France angesehen werden könne, da diese viele Jahre
ohne diese Beteiligung habe arbeiten können. Außerdem habe der Präsident der
Sabena im September 1994 öffentlich erklärt, daß die Air France ihre Beteiligung
werde abgeben müssen. Sie die Klägerinnen hätten der Kommission schon im
Stadium des Verwaltungsverfahrens mitgeteilt, daß zahlreiche Indizien ein Beweis
dafür sein könnten, daß die Fortsetzung einer Allianz zwischen der Air France und
der Sabena keine Daseinsberechtigung mehr gehabt habe. In diesem
Zusammenhang verweisen die Klägerinnen auf einen im Juni 1994 in der Presse
erschienenen Artikel (Anlage 46 zur Klageschrift), wonach das belgische
Unternehmen wünsche, daß die Air France ihre Beteiligung abgebe.
- 191.
- Im übrigen habe die Air France ein Viertel des Betrages, den sie für ihre
Beteiligung am Kapital der Sabena schulde, einige Tage nach dem Erlaß der
angefochtenen Entscheidung gezahlt. Die Air France verwende die Beihilfe ganz
offensichtlich, um diese Ausgabe zu bestreiten, da es ihr an liquiden Mitteln fehle.
Die Kommission hätte die Air France daran hindern müssen, diesen Betrag zu
bezahlen, da eine zu Umstrukturierungszwecken genehmigte Beihilfe nicht für denErwerb von Anteilen anderer Unternehmen verwendet werden dürfe. Wäre die Air
France daran gehindert worden, diese Zahlung vorzunehmen, so hätte sie wohl die
Notwendigkeit verspürt, ihre Beteiligung an der Sabena im Rahmen ihrer
Umstrukturierungsbemühungen zu veräußern.
- 192.
- Sie die Klägerinnen verlangten von der Air France nicht, daß diese
Vermögensbestandteile verkaufe, die unbestreitbar zu ihren strategischen Aktiva
gehörten. Die Air France hätte jedoch insbesondere die Vermögensgegenstände
veräußern können, die sie in ihrem Jahresbericht für das Wirtschaftsjahr 1993 selbst
als nicht wesentliche Aktiva bezeichne. Unter Bezugnahme auf einen Artikel in der
Presse fügen die Klägerinnen hinzu, die Air France habe im September 1994 allem
Anschein nach den Verkauf einiger Vermögensgegenstände ins Auge gefaßt, die
die Kommission einen Monat zuvor als solche angesehen habe, die nicht veräußert
werden könnten, wie z. B. die Beteiligung am Servair-Konzern oder die Beteiligung
an Amadeus, einem elektronischen Reservierungssystem. Dies allein mache die
Schlußfolgerungen der Kommission hinfällig, daß die Air France keine anderen
Vermögensgegenstände zu verkaufen brauche, weil durch die Veräußerung keiner
dieser Vermögensgegenstände genügend Mittel beschafft werden könnten.
- 193.
- Auf die Behauptung der Kommission, es sei aus Gründen der Vertraulichkeit nicht
möglich gewesen, offenzulegen, welches die anderen Vermögensgegenstände
gewesen seien, die die Air France habe abstoßen wollen, entgegnen die
Klägerinnen, dies sei jedoch die Praxis der Kommission, wenn sie von einem
Unternehmen als Vorbedingung für die Genehmigung von Zusammenschlüssen
nach der (in Randnr. 55 angeführten) Verordnung Nr. 4064/89 verlange, daß dieses
Vermögensgegenstände veräußere. So habe die Kommission den Verkauf von
namentlich bezeichneten Vermögensgegenständen in ihrer Entscheidung
91/403/EWG vom 29. Mai 1991 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit
dem Gemeinsamen Markt (Fall IV/M043 Magneti Marelli/CEAc) (ABl. L 222,
S. 38) und ihrer Entscheidung 92/553/EWG vom 22. Juli 1992 betreffend ein
Verfahren nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (Fall IV/M.190
Nestlé/Perrier) (ABl. L 356, S. 1) verlangt. Selbst wenn die nicht zum Kerngeschäft
gehörenden Vermögensgegenstände der Air France vor der Genehmigung der
Beihilfe nicht hätten verkauft werden können, hätte die Kommission im übrigen die
Übergabe dieser Vermögensgegenstände an einen Bevollmächtigten, z. B. eine
Investitionsbank, die deren Verkauf hätte organisieren können, verlangen können.
Die Klägerinnen verweisen als Beispiel auf den Fall des Crédit Lyonnais (ABl.
1995, C 121, S. 4), wo eine neue Struktur geschaffen worden sei, das „Consortium
de réalisations“ (Verwertungskonsortium), eine 100%ige Tochtergesellschaft des
Crédit Lyonnais, die die Aktiva des Crédit Lyonnais habe kaufen müssen, die
hätten veräußert oder abgestoßen werden sollen. Ebenso hätte im vorliegenden Fall
die Beteiligung der Air France an der Sabena an eine Bank abgegeben werden
können, die das Geld bis zum Verkauf an einen Dritten hätte vorschießen können.
- 194.
- In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen außerdem vorgetragen,
solange die angefochtene Entscheidung nicht den Verkauf namentlich bezeichneter
Vermögensgegenstände vorschreibe, habe die Air France keinerlei Interesse daran,
während des Umstrukturierungszeitraums Aktiva zu veräußern, weil eine solche
Veräußerung zur Verringerung der gewährten Beihilfe geführt hätte. Diese
Feststellung werde durch die spätere Entwicklung bestätigt, die es der Air France
ermöglicht habe, den Verkauf ihrer Beteiligung an der Sabena durch den
entgangenen Gewinn „auszugleichen“, der darauf beruhe, daß sie weniger
Flugzeuge als vorgesehen verkauft habe. Dies beweise, daß der Verkauf von nicht
zum Kerngeschäft gehörenden Aktiva von der Kommission von Anfang an hätte
veranschlagt werden müssen.
- 195.
- Das Königreich Dänemark trägt vor, in ihrer (in Randnr. 55 angeführten)
Entscheidung Aer Lingus habe die Kommission die Aer Lingus gezwungen, sich von
den Aktiva zu trennen, die nichts mit dem Transport zu tun gehabt hätten, um
damit zur Umstrukturierung mit einem Betrag beizutragen, der höher gewesen sei
als der Betrag der erhaltenen Beihilfe. Darüber hinaus habe die Air France ihre
Anteile an der tschechischen Gesellschaft CSA tatsächlich verkauft. Es sei nicht zu
verstehen, warum die Air France nicht auch ihre Beteiligungen an der Sabena oder
an der Air Inter hätte verkaufen können.
- 196.
- Das Vereinigte Königreich vertritt die Ansicht, die Kommission hätte die
Möglichkeit, daß die Air France ihre Anteile an der Sabena veräußere, ernsthaft
in Erwägung ziehen müssen. Eine solche Veräußerung hätte die Fortsetzung der
zwischen den beiden Gesellschaften bestehenden geschäftlichen Vereinbarungen
nicht notwendigerweise verhindert. Viele Fluggesellschaften hätten nämlich
untereinander derartige Vereinbarungen geschlossen, ohne daß man es für
erforderlich halte, daß jede Gesellschaft eine erhebliche Minderheitsbeteiligung an
der anderen besitze. Die Kommission habe auch nicht erklärt, warum die Air
France ihre Anteile an der Air Inter nicht habe veräußern können, und zwar um
so mehr, als die Kontrolle der Air France über die Air Inter das Ergebnis einer
verhältnismäßig kurz zurückliegenden Erwerbung sei. Schließlich seien einige
Gesellschaften, die zum Air-France-Konzern gehörten, sehr rentabel, wie z. B. der
Servair-Konzern, und durch ihren Verkauf hätten sich daher erhebliche Erlöse
erzielen lassen. Andere Gesellschaften seien tatsächlich defizitär, so daß der
Verkauf oder die Einstellung der Tätigkeit bei ihnen zu einer erheblichen Senkung
der Defizite des Air-France-Konzerns und damit zu einer Verringerung des
erforderlichen Beihilfebetrags hätten führen können.
- 197.
- Das Königreich Norwegen ist der Ansicht, die Kommission habe es unterlassen, von
der Air France zu verlangen, daß diese alle ihre nicht zum Luftverkehr gehörenden
Aktiva verkaufe. Ein solcher Verkauf sei ein wichtiger Bestandteil eines
Umstrukturierungsplans, nicht nur wegen des Beitrages zur Liquidität des
betroffenen Unternehmens, sondern auch zu der Reduzierung seiner Kosten, der
Wiederherstellung seiner Identität und der Konzentration seiner Tätigkeit. Im
vorliegenden Fall gebe es eine große Zahl von Tätigkeiten der Air France, die im
Verhältnis zum Kerngeschäft einer Fluggesellschaft peripher seien. Die British
Airways, die SAS, die KLM und andere internationale Fluggesellschaften hätten
Maßnahmen zur Vergabe bestimmter Dienstleistungen, die zu geringeren Kosten
von unabhängigen Dritten erbracht werden könnten, an Subunternehmer ergriffen.
Diese Gesellschaften hätten zahlreiche nicht zum Luftverkehr gehörende Aktiva
veräußert, auch wenn die durch jeden einzelnen Verkauf erzielten Erlöse
unbedeutend sein könnten.
- 198.
- Die Kommission bestreitet, daß sie es unterlassen habe, die für Air France
bestehenden Möglichkeiten zur Veräußerung von einigen ihrer Aktiva in Erwägung
zu ziehen. Nach der Prüfung der einzelnen Beteiligungen der Air France sei sie zu
dem Ergebnis gelangt, daß der im Plan ins Auge gefaßte Verkauf von Aktiva im
Rahmen der Unstrukturierung der Air France sachgerecht gewesen sei. Die
Beteiligungen der Air France an der Sabena oder an der Air Inter seien nicht
bewertet worden, da deren Verkauf nicht zum Umstrukturierungsplan gehört habe
und da diese Beteiligungen als zum Kerngeschäft gehörende Aktiva der Air France
hätten angesehen werden können.
- 199.
- In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission vorgetragen, da das
Kerngeschäft der Air France und der Air Inter der Luftverkehr sei, könne nicht der
Hauch eines Zweifels daran bestehen, daß Air Inter ein zum Kerngeschäft
gehörender Vermögensbestandteil der Air France sei. Die Wichtigkeit der Air Inter
für die Air France rühre daher, daß die Air France im Gegensatz zu anderen
Fluggesellschaften kein Inlandsnetz besitze. Aus diesem Grund, habe die
Kommission angenommen, daß die Air Inter tatsächlich ein zum Kerngeschäft
gehörender Vermögensbestandteil für die Air France sei, die nicht das Risiko
eingehen dürfe, daß die Air Inter unter die Kontrolle der Konkurrenz gerate. Die
Air France habe hinzugefügt, daß die Wirkungen der kommerziellen
Zusammenarbeit mit der Air Inter unabdingbare Voraussetzung für ihr Überleben
seien, da die Beherrschung eines Inlandsnetzes für eine große Fluggesellschaft
lebenswichtig sei. Die Air France brauche die Air Inter, um die Zuflüsse aus den
Umsteigeverbindungen des Inlandsnetzes zu erhalten und damit ihre
Langstreckenflüge auszulasten. Im übrigen kontrollierten alle großen europäischen
Fluggesellschaften ihr Inlandsnetz und zögen daher eine Mehrheitsbeteiligung an
ihrem Inlandsnetz dem Abschluß von geschäftlichen Vereinbarungen mit diesem
Netz vor.
- 200.
- Die Veräußerung von Vermögensgegenständen durch die Air France sei unter
gebührender Berücksichtigung aller ihrer Interessen und ihrer Gesamtstrategie
geprüft worden. Dabei habe die Kommission die Überzeugung gewonnen, daß die
von der Air France beabsichtigten Veräußerungen von Aktiva ausreichend seien.
In diesem Zusammenhang sei der Verkauf von Aktiva durch andere
Fluggesellschaften unter anderen Umständen und anderen Zeiten unerheblich für
die Prüfung der Frage, welche Aktiva von der Air France hätten veräußert werden
müssen. Die Art und das Ausmaß der Interessen der einzelnen Fluggesellschaften
machten nämlich jeden Vergleich nutzlos.
- 201.
- Außerdem sei es nicht möglich gewesen, andere Vermögensgegenstände oder
Beteiligungen, die Air France habe abstoßen wollen, namentlich zu bezeichnen,
denn eine solche Offenlegung hätte eine Einmischung in die Führung der laufenden
Verhandlungen über diese Aktiva dargestellt und hätte sich nachteilig auf diese
Verhandlungen auswirken können. Im übrigen verbiete die angefochtene
Entscheidung die Veräußerung anderer Aktiva nicht. Die Bedingungen auf dem
Markt könnten sich entwickeln und Anreize dafür schaffen, im
Umstrukturierungsplan nicht ins Auge gefaßte Aktiva zu veräußern, oder sich auf
den Preis derjenigen auswirken, deren Veräußerung darin vorgesehen sei. Bei der
Prüfung, ob die Beihilfe, gemessen am Umstrukturierungsbedarf, verhältnismäßig
sei, habe die Kommission hervorgehoben (ABl. S. 86), daß die zu zahlenden
Beträge je nach Bedarf angepaßt werden könnten, um der Entwicklung der
Finanzlage der Air France insbesondere nach dem Verkauf von
Vermögensbestandteilen Rechnung zu tragen.
- 202.
- Der Hinweis der Klägerinnen auf die Befugnis, die die Verordnung über
Unternehmenszusammenschlüsse der Kommission einräume, sei unerheblich, da
Zusammenschlüsse sich auf die Struktur des betreffenden Marktes als solche
auswirkten. Auch die Verweisung auf die Möglichkeit, die Vermögensbestandteile
einem Bevollmächtigten zu übertragen, der damit betraut werde, ihren Verkauf zu
organisieren, gebe für die Argumentation der Klägerinnen nichts her. Die Kontrolle
eines Unternehmens sei nämlich die wesentliche Frage, die sich im Recht der
Unternehmenszusammenschlüsse stelle, während dies hier nicht der Fall sei. Was
das durch den Plan des Crédit Lyonnais geschaffene „Consortium de réalisations“
angehe, so handele es sich um eine 100%ige Tochtergesellschaft; der Vorgang stelle
daher eine interne Reorganisation eines Konzerns dar.
- 203.
- Auf jeden Fall habe kein Teil der streitigen Beihilfe dazu dienen sollen, daß die Air
France die letzte Tranche ihrer Beteiligung an der Sabena bezahlen könne. Die
Beihilfe sei mit dem Ziel genehmigt worden, die Finanzkostenbelastung der Air
France zu reduzieren. Im übrigen wäre es rechtswidrig gewesen, die Air France
dazu zu veranlassen, ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Sabena nicht
zu erfüllen und damit einen Vertragsbruch zu fördern.
- 204.
- Die Französische Republik und die Air France tragen vor, die Beteiligung der Air
France am Kapital der Sabena sei einer ihrer zum Kerngeschäft gehörenden und
strategischen Vermögensteile gewesen. Im Juli 1994 habe alles darauf hingedeutet,
daß die Neuaushandlung der Vereinbarung über diese Beteiligung für die Air
France zu einem erheblichen Verlust führen und die Sabena in eine schwierige
Lage bringen werde. Erst im Oktober 1994 habe die belgische Regierung ihre
Entscheidung bekanntgegeben, die Sabena mit neuem Kapital auszustatten. Im Juli
1994 hätten weder die Air France noch die französische Regierung die
diesbezüglichen Absichten der belgischen Regierung gekannt. Da die Air France
sich der Kapitalerhöhung, die von der belgischen Regierung befürwortet worden
sei, nicht habe anschließen können, habe diese ihr daraufhin vorgeschlagen, die
Beteiligung zurückzukaufen, während eine neue Partnerschaft zwischen der Sabena
und der Swissair ins Auge gefaßt worden sei.
- 205.
- Die Air France trägt vor, einige ihrer nicht zum Kerngeschäft gehörenden Aktiva
seien bereits zu Beginn der Durchführung des Planes veräußert worden. So sei ihre
Beteiligung am Kapital der tschechischen Fluggesellschaft CSA am 25. März 1994
veräußert worden. Ebenso sei die Beteiligung der (zu 75 % der Air France
gehörenden) Servair am Kapital der Firma Saresco und demzufolge an deren in der
Käseherstellung tätigen Tochtergesellschaft veräußert worden. Die Veräußerung
des Hotelkonzerns Méridien, die in der Zwischenzeit tatsächlich erfolgt sei, habe
sich auf 20 der 103 Unternehmen dieses Konzerns bezogen. Aus der angefochtenenEntscheidung gehe klar hervor, daß im Rahmen des Planes weitere Veräußerungen
vorgesehen seien. Der Zeitplan und eine Schätzung des Umfangs dieser
Veräußerungen seien der Kommission für alle nicht zum Luftverkehr gehörenden
Aktiva von erheblichem Wert mitgeteilt worden. Diese Aktiva seien jedoch in der
Entscheidung aus auf der Hand liegenden Gründen der Vertraulichkeit nicht
ausdrücklich angeführt worden.
- 206.
- In der mündlichen Verhandlung hat die Air France ausgeführt, das elektronische
Reservierungssystem Amadeus stelle zwar keine Luftverkehrstätigkeit dar, sei aber
von wesentlicher Bedeutung für alle Luftverkehrstätigkeiten des Konzerns.
Entgegen den Andeutungen der Klägerinnen sei ihre Beteiligung an Amadeus nicht
verkauft worden und sie habe auch nicht die Absicht, sie zu verkaufen.
- 207.
- Was die Servair angeht, hat die Air France ebenfalls in der mündlichen
Verhandlung bestätigt, daß deren Veräußerung im Umstrukturierungsplan
vorgesehen gewesen sei. Die Erlöse aus dem Verkauf von Servair seien in den
Finanzvorschauen verzeichnet gewesen und seien daher zur Verringerung des
Betrages der Neukapitalisierung berücksichtigt worden. Diese Information habe
jedoch vertraulich bleiben müssen um zum einen einen Verkauf der Servair zu
einem höheren Preis aushandeln zu können, und zum anderen mit Rücksicht auf
die Gefahr sozialer Unruhen, die diese Nachricht unfehlbar bei der Servair
ausgelöst hätte, was die Qualität des Service von Air France während des Fluges
von Air France die von diesem wichtigen Lieferanten von Fertigmahlzeiten sehr
stark abhängig sei, ganz erheblich in Frage gestellt hätte. Der Fortgang des
Verkaufs der Servair sei von der Kommission und ihren Sachverständigen anläßlich
der Genehmigung der zweiten und der dritten Tranche der Beihilfe im einzelnen
geprüft worden.
- 208.
- Was die andern Vermögensteile angeht, wie z. B. Air Charter und Jet Tours, hat
die Air France bei der gleichen Gelegenheit unterstrichen, daß diese unbestreitbar
zu ihren strategischen Aktiva gehörten. Im übrigen hätten sich aus dem Verkauf
von Jet Tours und von Air Charter für die Air France nur unbedeutende Erlöse
ergeben. Schließlich sei auch der Verkauf der Minderheitsbeteiligungen der Air
France an der Royal Air Maroc, der Austrian Airlines, der Tunis Air, der Air
Mauritius und der Aéropostale von der Kommission im einzelnen untersucht
worden. Aus diesen Verkäufen hätten sich keine nennenswerten Erlöse erzielen
lassen und sie hätten sich auf die Höhe der Neukapitalisierung nicht ausgewirkt.
Würdigung durch das Gericht
- 209.
- Die Kommission hat im Rahmen der Prüfung der streitigen Beihilfe die Ansicht
vertreten, die Umstrukturierung der Air France, der größten französischen
Fluggesellschaft und einer der drei größten europäischen Gesellschaften, werde zur
Entwicklung des europäischen Luftverkehrsgewerbes durch eine Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit der Air France beitragen und liege somit im allgemeinen
Interesse (ABl. S. 83). Die Kommission hat damit angezeigt, daß sie keine Politik
mit dem Ziel der vollständigen Zerschlagung des Air-France-Konzerns verfolgte,
sondern daß sie es vorzog, der Air France ihren Platz unter den größten
europäischen Fluggesellschaften neben Lufthansa und British Airways zu erhalten.
Da die Ausübung des der Kommission nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des
Vertrages zustehenden Ermessens, die zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung
geführt hat, die Würdigung komplexer wirtschaftspolitischer Sachverhalte
einschließt, kann sie im vorliegenden Fall nur wegen eines offensichtlichen
Beurteilungsfehlers oder eines Rechtsfehlers beanstandet werden, um so mehr als
die Kommission dafür Sorge getragen hat, mit Hilfe der Staffelung der Zahlung der
Beihilfe in drei Tranchen eine Kontrolle der Entwicklung der Finanzlage der Air
France einzurichten, die sie in die Lage versetzte, die zu zahlenden Beträge
gegebenenfalls anzupassen (ABl. S. 86).
- 210.
- Im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens hat die Kommission nur eine
beschränkte Zahl von nicht zum Kernbereich gehörenden Vermögensteilen benannt
nämlich die Hotelkette Méridien, ein Gebäude sowie Flugzeuge, die an der
Grenze ihrer Lebensdauer angelangt waren, und Ersatzteile (ABl. S. 75 und 76)
deren Veräußerung der Air France aufgegeben worden war, damit die Höhe der
Beihilfe auf 20 Milliarden FF beschränkt werden konnte.
- 211.
- Sowohl das Argument, daß das Königreich Dänemark aus der (in Randnr. 55
genannten) Entscheidung Aer Lingus herleitet, in der die Kommission dem
Empfänger der Beihilfe den Verkauf aller seiner nicht zum Kernbereich
gehörenden Aktiva aufgegeben habe, als auch die Verweisung des Königreichs
Norwegen auf das Beispiel von British Airways, SAS, KLM und anderen
internationalen Fluggesellschaften, die im Rahmen ihrer Umstrukturierung
zahlreiche nicht zum Luftverkehr gehörende Aktiva veräußert hätten, sind folglich
nicht stichhaltig. Die Umstände einer Umstrukturierung sind nämlich allein durch
die konkrete Lage des betroffenen Unternehmens bedingt. Daß die oben
genannten Gesellschaften im tatsächlichen Zusammenhang ihrer eigenen
Umstrukturierung dazu veranlaßt oder verpflichtet waren, zahlreiche
Vermögensteile zu veräußern, kann daher für sich allein die Entscheidung nicht in
Frage stellen, die die Kommission in der im Juli 1994 bestehenden besonderen
Lage mit dem Ziel getroffen hat, der Air France ihre Stellung im Konzert der drei
größten europäischen Fluggesellschaften zu erhalten und ihr zu gestatten, den
größten Teil ihrer Aktiva zu behalten.
- 212.
- Die Kommission durfte daher als Vermögensteile, die von der Air France nicht
veräußert werden konnten, die drei folgenden Kategorien von Aktiva ansehen:
erstens diejenigen, die für die gegenwärtige und zukünftige Tätigkeit der
Gesellschaft als Luftverkehrsunternehmen von wesentlicher Bedeutung waren;
zweitens diejenigen, die ihr als Elemente von Kooperationsstrategien dienten und
bei denen zu vermeiden war, daß sie unter die Kontrolle eines
Konkurrenzunternehmens gelangen könnten; schließlich diejenigen, die mit der
Tätigkeit einer großen Fluggesellschaft eng verknüpft waren. Wie aus den Akten
hervorgeht, hat die Kommission diese Aktiva als unveräußerlich qualifiziert,
insbesondere Air Charter, Air Inter, Sabena, Amadeus und Jet Tours.
- 213.
- Was die Gesellschaft Air Charter angeht, genügt die Feststellung, daß sie ebenso
wie die Air France im Luftverkehrssektor selbst tätig ist. Sie gehört daher zum
Kernbereich von Air France. Zwar ist die Air Charter auf den Charterluftverkehr
spezialisiert, d. h. auf einen im Verhältnis zum regulären Luftverkehr spezifischen
Markt, es handelt sich dabei aber nur um zwei Aspekte der gleichen Tätigkeit im
Luftverkehr, deren Aufteilung in zwei getrennte Gesellschaften letztlich nur eine
interne Aufgabenverteilung zum Ausdruck bringt. Die Kommission konnte folglich
zu Recht davon ausgehen, daß die Air Charter einen wesentlichen Bestandteil der
Luftverkehrstätigkeit der Air France darstellte.
- 214.
- Was die Gesellschaft Air Inter betrifft, gibt die Kommission in der angefochtenen
Entscheidung an, die französische Regierung habe zugesichert, daß die Beihilfe
allein der Air France zugutekommen werde und daß sie zu diesem Zweck eine
Holding gründen werde, die gleichzeitig die Air Inter und die Air France
kontrollieren werde (Zusicherung Nr. 1). Die Kommission ist der Ansicht, daß diese
Zusicherung ihre Besorgnis in bezug auf Nebenwirkungen der Beihilfe abschwäche,
weil sie die Air France daran hindere, die Beihilfe zur Subventionierung der
Tätigkeit von Air Inter einzusetzen. Gestützt auf Auskünfte über die zukünftige
Struktur der Holding sowie auf die entsprechende Zusicherung der französischen
Behörden ist die Kommission der Meinung, daß die Beihilfe der Compagnie
nationale Air France und deren Tochtergesellschaften, darunter der Air Charter,
zugutekomme (ABl. S. 81 und 86).
- 215.
- Unstreitig verfügte die Air France anders als die Lufthansa und die British Airways
vor der Übernahme der Kontrolle über die Air Inter im Jahr 1990 nicht über ein
Inlandsnetz. Zu Recht hat die Kommission daher angenommen, daß diese
Kontrolle die während des Umstrukturierungszeitraums durch den Mechanismus
der oben beschriebenen Holding ausgeübt worden ist für die gegenwärtige und
die zukünftige Tätigkeit der Air France deshalb wesentlich war, weil beim Verlust
dieser Kontrolle der Zubringerluftverkehr („feeder traffic“) der Air France, mit
dem die Air Inter betraut war, ernstlich hätte beeinträchtigt werden können. Die
Tätigkeit der Air Inter konzentriert sich nämlich im wesentlichen auf den
innerfranzösischen Luftverkehr. Aus diesem französischen Inlandsmarkt kommt
aber ein wesentlicher Zubringerverkehr zum Knotenpunkt der Air France auf dem
Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle (im folgenden: Paris [CDG]). Unter diesen
Umständen liegt es auf der Hand, daß die Air France sich nicht der Gefahr
aussetzen kann, daß die Air Inter nach der Veräußerung unter den Einfluß eines
Konkurrenzunternehmens gerät und daß sie damit die Kontrolle über einen
wesentlichen Teil ihres Zubringerluftverkehrs verliert.
- 216.
- Die unmittelbare Angliederung der Air Inter an die Air France konnte auch nicht
in annehmbarer Weise durch die Übernahme der Air Inter durch eine Bank und
den damit verbundenen Abschluß von kommerziellen Vereinbarungen über den
Zubringerluftverkehr mit der Air Inter oder mit anderen Gesellschaften ersetzt
werden. Die Klägerinnen haben nämlich nicht nachgewiesen, daß mit dieser Lösung
die Gefahr hätte abgewendet werden können, daß die Air Inter von einem
Konkurrenzunternehmen übernommen und dadurch das Funktionieren des
Zubringerluftverkehrs der Air France beeinträchtigt worden wäre. Was den
Abschluß der Vereinbarungen mit anderen Fluggesellschaften angeht, genügt die
Feststellung, daß die Stellung der Air Inter im Wettbewerb auf dem französischen
Inlandsmarkt im Juli 1994 so stark war, daß von der Air France, die sich
umstrukturieren und ihre Rentabilität wiedererlangen wollte, nicht verlangt werden
konnte, ihre guten Beziehungen zu der Air Inter durch Verträge mit Gesellschaften
zu ersetzen, die auf dem französischen Markt noch über keine mit denjenigen der
Air Inter vergleichbaren Infrastrukturen verfügten.
- 217.
- Zum Vorbringen der Klägerinnen, die Air France könne selbst ihren eigenen
Zubringerluftverkehr übernehmen, insbesondere im französischen Inlandsnetz, ist
festzustellen, daß der Umstrukturierungsplan der Air France eine genutzte Flotte
von 146 Flugzeugen vorsieht, ohne diese Flotte speziell diesem
Zubringerluftverkehr zuzuweisen. Vielmehr sieht dieser Plan eine Steigerung des
Angebots der Air France vor allem im Langstreckenverkehr vor, was eine
verstärkte Nutzung ihrer Flotte in diesem Bereich voraussetzt. Aus dieser Sicht ist
die Bedienung des Inlandsmarktes im wesentlichen Sache der Air Inter, die ihre
eigenen Flugzeuge dafür einsetzen muß. Es stand der Kommission aber nicht zu,
der Air France aufzugeben, sich auf dem Inlandsmarkt zu konzentrieren, da dies
die Gefahr mit sich gebracht hätte, daß die Air France bei den internationalen
Flügen geschwächt worden wäre.
- 218.
- Was die Beteiligung der Air France am Kapital der Sabena angeht, ist
einzuräumen, daß die Air France seinerzeit nur eine Minderheitsbeteiligung
(37,5 %) am Kapital der belgischen Gesellschaft hielt. Dies schließt jedoch nicht
aus, daß diese Beteiligung ein wichtiges strategisches Element der
Luftverkehrstätigkeit der Air France darstellte. Es ist nämlich auf die Entscheidung
vom 5. Oktober 1992 (Anlage 24 zu den Erklärungen der Klägerinnen zu den
Beitritten der Streithelfer in der Rechtssache T-371/94) hinzuweisen, in der die
Kommission erklärt hat, daß sie keine Einwände gegen das von der Air France, der
Sabena und dem belgischen Staat unterzeichnete Vereinbarungsprotokoll habe,
durch das der Air France über die Firma Finacta eine Beteiligung von 37,58 % am
Kapital der Sabena (37,5 % der Stimmrechte) eingeräumt wurde.
- 219.
- In dieser allen Interessierten zugänglichen Entscheidung (siehe die Mitteilung im
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 31. Oktober 1992, C 272, S. 5)
werden u. a. folgende Punkte erwähnt:
Die von der Air France kontrollierte Firma Finacta muß die Ernennung des
Präsidenten und des Vizepräsidenten der Sabena genehmigen (Vetorecht)
und kann die Entscheidungen des Verwaltungsrats der Sabena, die eine
Änderung der Strategie, des „Business plan“, des Investitionsplans und des
Planes für die gewerbliche Kooperation beinhalten, blockieren;
die Präsidenten der Air France und der Sabena werden sich bei erheblichen
Schwierigkeiten beim Funktionieren der Organe oder der Durchführung der
Strategie abstimmen;
die grundlegenden Elemente der zukünftigen Strategie der Sabena sind von
der Air France mitbeschlossen worden.
- 220.
- In dieser Entscheidung von 1992 qualifizierte die Kommission die Sabena im
wesentlichen als gemeinschaftliches Unternehmen, das vom belgischen Staat und
von der Air France zusammen kontrolliert wird, wobei die letztgenannte über
Rechte, die weit über die normalerweise Minderheitsaktionären zuerkannten
Rechte hinausgehen, und über Mittel verfügt, das Verhalten der Sabena auf dem
Markt zu kontrollieren. Das Ziel der Vereinbarung besteht nach der Feststellung
der Kommission darin, die Zusammenarbeit zwischen der Air France und der
Sabena weiterzuentwickeln, alle zwischen den beiden Partnern möglichen
Synergieeffekte umzusetzen und insbesondere ein innergemeinschaftliches Netz mit
dem Flughafen BrüsselZaventem als Zentrum zu schaffen.
- 221.
- In Anbetracht dieser Entscheidung vom 5. Oktober 1992, deren Kenntnis von den
Beteiligten erwartet wird, konnte die Kommission daher vernünftigerweise
annehmen, daß verhindert werden mußte, daß die Beteiligung der Air France am
Kapital der Sabena, die für Air France ein Instrument einer strategischen Allianz
darstellte, mit der Folge aufgegeben würde, daß ein Konkurrenzunternehmen die
bis jetzt von der Air France eingenommene bevorzugte Stellung übernehmen
könnte.
- 222.
- Was die Auffassung des Vereinigten Königreichs angeht, daß diese Beteiligung
durch Kooperationsvereinbarungen hätte ersetzt werden können, genügt die
Feststellung, daß mit dieser Auffassung der besondere Charakter dieser Beteiligung
verkannt wird, durch die der Air France, obwohl es sich um eine
Minderheitsbeteiligung handele, eine Befugnis zur Kontrolle des geschäftlichen
Verhaltens der Sabena eingeräumt wurde und die daher über den Einfluß
hinausging, den ein Vertragspartner normalerweise ausüben kann. Das Vereinigte
Königreich hat nicht nachgewiesen, daß die Air France eine solche bevorzugte
Stellung auch ohne die Beteiligung am Kapital der Sabena hätte erlangen können.
Die Besonderheit der Allianz zwischen der Air France und der Sabena steht
darüber hinaus auch einem Vergleich mit dem im März 1994 tatsächlich erfolgten
Verkauf der Beteiligung der Air France am Kapital der tschechischen Gesellschaft
CSA entgegen.
- 223.
- Zwar hat die Air France kurz nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung 170
Millionen FF als letzte Tranche des Kaufpreises für ihre Beteiligung am Kapital der
Sabena gezahlt. Nichts läßt jedoch die Annahme zu, daß die streitige Beihilfe dafür
bestimmt gewesen oder verwendet worden wäre. Zum einen beruhte diese Zahlung,
wie die Französische Republik und die Air France vorgetragen haben, auf
vertraglichen Verpflichtungen, die 1992, also vor der Genehmigung der Beihilfe
entstanden sind (siehe die in den Randnrn. 218 und 219 zitierte Entscheidung der
Kommission vom 5. Oktober 1992). Wie die französische Regierung vor dem
Gericht ausgeführt hat, sahen diese Verpflichtungen einen Fälligkeitskalender für
die von der Air France 1992, 1993 und für die letzte Tranche zwischen dem 15.
und dem 31. Juli 1994 vorzunehmenden Zahlungen vor. Das Bestehen dieser
Zahlungsverpflichtungen zu Lasten der Air France konnte vernünftigerweise für
sich allein nicht bewirken, daß eine Beihilfe zur Entschuldung und zur
Umstrukturierung der Air France, sei es auch nur teilweise, blockiert worden wäre.
Zum anderen ging diese Zahlung in Anbetracht des relativ geringen Betrages nicht
über die Grenzen einer normalen Investition hinaus. Die Kommission durfte
folglich annehmen, daß sie durch die Mittel aus dem Verkauf von Vermögensteilen
durch die Air France und durch die Einnahmen aus dem laufenden Betrieb gedeckt
sein würde (siehe oben, Randnrn. 140 und 141).
- 224.
- Außerdem hat sich ergeben, daß die Beteiligung der Air France am Kapital der
Sabena später für 680 Millionen FF veräußert worden ist (Mitteilung der
Kommission bezüglich der dritten Tranche der von der Kommission am 27. Juli
1994 genehmigten Beihilfe zur Umstrukturierung von Air France (ABl. 1996, C 374,
S. 9, 14). Wie die Französische Republik und die Air France vorgetragen haben,
ohne daß ihnen in diesem Punkt widersprochen worden wäre, hat die belgische
Regierung, die Hauptaktionärin der Sabena, erst im Oktober 1994 beschlossen, daß
eine Rekapitalisierung der Sabena erforderlich sei, was de facto bedeutete, daß die
Air France, die sich dieser Neukapitalisierung nicht anschließen konnte,
ausgeschlossen war. Darüber hinaus wurde die Kapitalentflechtung zwischen der
Air France und der Sabena erst im Juli 1995 abgeschlossen. Das Gericht stellt
daher fest, daß bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung nichts die Kommission
darauf hinwies, daß die Air France die Beendigung ihrer Allianz mit der Sabena
und die Veräußerung ihrer Beteiligung ernstlich ins Auge gefaßt hatte. Unter
diesen Umständen brauchte die Kommission aus den von den Klägerinnen
angeführten Gerüchten in der Presse, in denen von einem unmittelbar
bevorstehenden Erwerb dieser Beteiligung durch die Swissair die Rede war, nicht
zu folgern, daß die Air France ihre Beteiligung am Kapital der Sabena schon im
Juli 1994 nicht mehr als ein wichtiges strategisches Element ihrer Tätigkeit im
Luftverkehr ansah.
- 225.
- Außerdem hat die Kommission in ihrer Entscheidung vom 21. Juni 1995 über die
Genehmigung der Zahlung der zweiten Tranche der streitigen Beihilfe ausdrücklich
angegeben (Mitteilung veröffentlicht in ABl. C 295, S. 2 und 5), daß die finanziellen
Auswirkungen eines Verkaufs dieser Beteiligung im Rahmen ihrer Entscheidung
über die Zahlung der dritten Tranche der Beihilfe berücksichtigt werden würde.
Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen, die nach der im vorliegenden Fall
angefochtenen Entscheidung ergangen sind, kann im Rahmen des vorliegenden
Rechtsstreits, der nur die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 27. Juli 1994
betrifft, nicht geprüft werden.
- 226.
- Was einem eventuellen Verkauf von Amadeus angeht, ist festzustellen, daß dieser
Vermögensbestandteil das elektronische Reservierungssystem der Air France
darstellt. Dazu hat die Air France erklärt, sie habe Amadeus alle
Reservierungsvorgänge für ihre Flugscheine übertragen, sie sei für ihren Vertrieb
von diesem System vollständig abhängig und ein solches System sei für die
Entwicklung des Luftverkehrsgeschäfts unbedingt erforderlich, weshalb auch die
Mehrheit der Fluggesellschaften darüber verfüge. Das Gericht ist der Ansicht, daß
die Kommission unter diesen Voraussetzungen vernünftigerweise annehmen durfte,
daß dieser Vermögensteil der Air France nicht veräußert werden konnte, da er eine
mit dem Betrieb einer großen Fluggesellschaft eng verbundene Tätigkeit betraf.
- 227.
- Das gleiche gilt für die Beteiligung der Air France am Kapital der im
Tourismussektor tätigen Firma Jet Tours. Dabei handelt es sich um einen
Wirtschaftssektor, der zumindest teilweise mit dem Flugverkehrssektor
zusammenhängt. Die Kommission konnte Jet Tours daher als einen Vermögensteil
ansehen, mit dem sowohl der Air France als auch der Air Charter Touristen als
Kundschaft zugeführt werden sollten. Sie durfte folglich zu der Schlußfolgerung
gelangen, daß die Air France nicht dazu gezwungen werden sollte, sich von diesem
Vermögensteil zu trennen.
- 228.
- Die Klägerinnen können der Kommission auch nicht vorwerfen, daß sie der Air
France nicht den Verkauf aller ihrer Minderheitsbeteiligungen an anderen
Fluggesellschaften wie an Tunis Air, Air Mauritius, Royal Air Maroc und Austrian
Airlines aufgegeben hat. Da ein solcher Verkauf eher belanglos gewesen wäre,
hätte der vollständige Rückzug der Air France aus ihren Kapitalbeteiligungen an
diesen Gesellschaften nicht in einem wesentlichen unmittelbaren Zusammenhang
mit ihrem Umstrukturierungsplan gestanden.
- 229.
- Was die Erklärung der Air France in der mündlichen Verhandlung, daß die
Veräußerung anderer in der angefochtenen Entscheidung nicht namentlich
bezeichneter Aktiva, wie die Veräußerung des Servair-Konzerns, in ihrem
Umstrukturierungsplan vorgesehen gewesen sei, und die eventuelle Vertraulichkeit
dieser Daten angeht, ist festzustellen, daß der Erlös aus diesen Veräußerungen
zwar zur Mitfinanzierung der Durchführung des Umstrukturierungsplans bestimmt
war, aber nicht automatisch von dem Beihilfebetrag in Höhe von 20 Milliarden FF
abgezogen werden durfte, der als notwendig angesehen und durch die angefochtene
Entscheidung genehmigt war. Selbst die 7 Milliarden FF, die die Air France aus der
Veräußerung der Méridien-Kette, eines Gebäudes und von 34 Flugzeugen zu
erlösen hoffte, dienten im übrigen nur dazu, die Beihilfe auf 20 Milliarden zu
beschränken, und nicht dazu, diesen Betrag zu verringern. Erst bei der Zahlung der
zweiten und der dritten Tranche der Beihilfe hat die Kommission sich das Recht
vorbehalten, die gesamte Finanzlage der Air France unter Berücksichtigung der
zwischenzeitlich erfolgten Verkäufe von Vermögensteilen in Betracht zu ziehen.
Das Gericht ist der Ansicht, daß die in bezug auf diese Verkäufe aufgeworfenen
finanziellen Fragen einschließlich der Frage ihrer Verhältnismäßigkeit und ihrer
Vertraulichkeit daher nur gemessen an den Entscheidungen über diese zweite und
diese dritte Tranche geprüft werden können. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es
aber nicht um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen.
- 230.
- Das Vorbringen der Klägerinnen, die Air France selbst habe in ihrem Jahresbericht
für das Wirtschaftsjahr 1993 eine Reihe ihrer Aktiva als „non core activities“
(„nicht zum Kernbereich gehörende Tätigkeiten“) definiert, um dann deren
Verkauf zu verlangen, ist tatsächlich nicht begründet. Nur die englische
Übersetzung dieses Berichts enthält nämlich die Passage, auf die die Klägerinnen
sich berufen (S. 26 und 27; Anlage 4 zur Klageschrift in der Rechtssache T-371/94),
während die französische Fassung von „activités non aériennes“ („nicht zum
Luftverkehr gehörende Tätigkeiten“) spricht und somit kein Werturteil über die
betreffenden Aktiva enthält. Da die Air France eine französische Gesellschaft ist,
liegt es aber auf der Hand, daß der in französischer Sprache abgefaßte
Jahresbericht maßgeblich ist.
- 231.
- Da der Kommission dadurch, daß sie von der Air France nicht verlangt hat, daß
diese die von den Klägerinnen und den zur Unterstützung der Anträge der
Klägerinnen dem Verfahren beigetretenen Streithelfer bezeichneten Aktiva
verkaufe, keinen offensichtlichen Fehler begangen hat, ist die Rüge zurückzuweisen.
- 232.
- Nach alledem sind vorbehaltlich der Feststellungen in den Randnummern 84 bis
120 alle Rügen zurückzuweisen, mit denen eine Verletzung des bei staatlichen
Beihilfen geltenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird. In
diesem Umfang sind die Klägerinnen und die dem Verfahren zur Unterstützung
der Anträge der Klägerinnen beigetretenen Streithelfer in der Lage gewesen, ihre
Rechte wahrzunehmen, und hat das Gericht seine richterliche Kontrolle ausüben
können. Außer was die Genehmigung des Kaufs von 17 neuen Flugzeugen angeht,
entspricht die angefochtene Entscheidung folglich in dieser Hinsicht den
Erfordernissen des Artikels 190 des Vertrages, so daß die Rüge, die Begründung
sei unzureichend, zurückzuweisen ist.
Zu der Rüge, die Kommission habe fehlerhaft gehandelt, als sie angenommen habe,
daß die Beihilfe zur Förderung der Entwicklung eines bestimmten Wirtschaftszweigs
bestimmt sei, ohne die Handelsbedingungen in eine dem gemeinsamen Interesse
zuwiderlaufenden Weise zu verändern
A Zu der Rüge, die Kommission habe zu Unrecht eine Beihilfe genehmigt, die
nicht der Entwicklung eines bestimmten Wirtschaftszweigs, sondern derjenigen
eines einzelnen Unternehmens diene
Vorbringen der Beteiligten
- 233.
- In ihrer Klageschrift macht die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 geltend, die
streitige Beihilfe komme einem bestimmten Unternehmen zugute und trage nicht
zur Entwicklung eines Wirtschaftszweigs bei. Bei der Genehmigung der Beihilfe
habe die Kommission dem Überleben der Air France ganz offensichtlich die
ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, anstatt dieses Ziel und die negativen
Auswirkungen der Beihilfe auf die Wettbewerber der Air France sowie auf den
Luftverkehrsmarkt der Gemeinschaft gegeneinander abzuwägen.
- 234.
- Die Kommission hält die Behauptungen der Klägerinnen für offensichtlich
unbegründet. In der angefochtenen Entscheidung habe sie unterstrichen, daß sie
die Entwicklung eines Sektors in seiner Gesamtheit und nicht nur die Entwicklung
des Empfängers der Beihilfe zu berücksichtigen habe. Anschließend habe sie
ausführlich erörtert, ob für die Beihilfe die Ausnahmeregelung in Artikel 92 Absatz
3 Buchstabe c des Vertrages habe gelten können.
Würdigung durch das Gericht
- 235.
- Bei einem Unternehmen von der Bedeutung der Air France, einer der drei größten
europäischen Fluggesellschaften, wird eine wirkliche Umstrukturierung eine
Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung des europäischen Zivilluftfahrtsektors
bewirken (siehe in diesem Sinne die Schlußanträge des Generalanwalts Van Gerven
in der Rechtssache C-305/89, Italien/Kommission, Urteil des Gerichtshofes vom 21.
März 1991, Slg. 1991, I-1603, 1616 und 1630, Nr. 17). Der Rüge ist folglich nicht
stattzugeben.
- 236.
- Im übrigen hat die Klägerin in ihrer Erwiderung ausdrücklich bejaht, daß sie nicht
behaupte, daß eine einem einzigen Unternehmen gezahlte Beihilfe als solche
rechtswidrig sei, und hat hinzugefügt, daß zahlreiche einzelnen Unternehmen
gewährte Beihilfen gerechtfertigt seien, weil sie Sektoren in deren Gesamtheit
zugute kämen.
- 237.
- Soweit die Klägerin der Kommission vorwirft, diese habe die Air France in der
Weise einseitig begünstigt, daß sie nur die positiven Seiten der Umstrukturierung
der Air France berücksichtigt habe, ohne die negativen Seiten in Erwägung zu
ziehen, werden diese Rügen später im entsprechenden Zusammenhang geprüft
werden.
B Zur Rüge, die Kommission habe zu Unrecht eine Beihilfe genehmigt, die die
Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise
verändere
Vorbringen der Beteiligten
- 238.
- Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beihilfe verändere die Handelsbedingungen
in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise. Sie diene dazu, die
Kosten der Air France künstlich zu senken und verlagere folglich die Belastung
durch die Kostensenkung auf nicht subventionierte Fluggesellschaften. In diesem
Zusammenhang habe die Kommission in der Rechtssache Frankreich/Kommission
(zitiert in Randnr. 79, Randnr. 44) selbst angenommen, daß der Umstand, daß ein
Unternehmen künstlich am Leben erhalten werde, die Wettbewerbsfähigkeit
anderer Hersteller schwäche, die dazu veranlaßt worden seien, ihre
Umstrukturierung durchzuführen, ohne eine staatliche Beihilfe zu erhalten. In
seinem Urteil in derselben Rechtssache (Randnr. 50) habe der Gerichtshof die
Entscheidung der Kommission bestätigt, durch die die Genehmigung der staatlichen
Beihilfe mit der Begründung abgelehnt worden sei, daß sie die
Wettbewerbsfähigkeit anderer Hersteller in der Gemeinschaft geschwächt habe, so
daß diese möglicherweise vom Markt verdrängt würden, obwohl sie bisher Dank
der mit eigenen Mitteln finanzierten Umstrukturierung ihre Tätigkeit hätten
fortführen können. Die Klägerinnen verweisen außerdem auf die Schlußanträge des
Generalanwalts Slynn in der Rechtssache Deutschland/Kommission (Urteil zitiert
in Randnr. 58) und auf das Urteil in der Rechtssache Philip Morris/Kommission
(zitiert in Randnr. 79, Randnr. 26), aus dem hervorgehe, daß die Kommission bei
der Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages den
Gemeinschaftsrahmen und insbesondere die globale Lage des betreffenden Sektors
zu berücksichtigen habe.
- 239.
- Die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 trägt vor, die angefochtene Entscheidung
bestätige, daß die in Frage stehende Beihilfe den Wettbewerb im EWR verfälsche.
Sie weist darauf hin, daß sie in den der Kommission im Verwaltungsverfahren
vorgelegten Erklärungen angeregt habe, daß die Kommission eine Untersuchung
jedes einzelnen durch die Beihilfe betroffenen geographischen Marktes vornehme,
d. h. der einzelnen Strecken, auf denen die betroffenen Luftverkehrsunternehmen
in unmittelbarem Wettbewerb stünden. Diese Auffassung werde durch das Urteil
Frankreich/Kommission (zitiert in Randnr. 79, Randnr. 50) bekräftigt, in dem der
Gerichtshof ausgeführt habe, daß die Auswirkung der Beihilfe auf alle
Wettbewerber des begünstigten Unternehmens zu prüfen sei. Sie die Klägerin
stehe auf den Strecken LondonNizza, LondonParis und GlasgowParis im
Wettbewerb mit der Air France. Dennoch sei die Kommission zu dem Ergebnis
gelangt, daß alle negativen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen akzeptabel
seien. Dadurch habe die Kommission die Air France, ein Unternehmen, das zum
öffentlichen Sektor gehöre, gegenüber der Klägerin, einem selbständigen, zum
Privatsektor gehörenden Unternehmen, begünstigt. Damit habe die Kommission
eine diskriminierende Unterscheidung vorgenommen, die in einer dem
gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise zu Wettbewerbsverzerrungen führe
(Urteil des Gerichtshofes vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 304/85,
Falck/Kommission, Slg. 1987, 871, Randnr. 27).
- 240.
- In diesem Zusammenhang wirft die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 der
Kommission darüber hinaus vor, diese habe dadurch gegen Artikel 190 des
Vertrages verstoßen, daß sie es unterlassen habe, ihre Behauptung, die Beihilfe
berühre die Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse
zuwiderlaufenden Weise, angemessen zu begründen und auf die von der Klägerin
im Verwaltungsverfahren vorgelegten Erklärungen stichhaltige Antworten zu geben.
Die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 machen außerdem geltend, die
Kommission habe die von Dritten vorgelegten Stellungnahmen zu ihrer Mitteilung
vom 3. Juni 1994 nicht ernsthaft geprüft. Vor dem Gericht haben sie
Zahlenbeispiele vorgelegt und die einzelnen Strecken mit den geschätzten
Marktanteilen der verschiedenen auf diesen Strecken im Wettbewerb stehenden
Fluggesellschaften aufgezählt (Nr. 21 und Fußnoten 33 bis 42 der Klageschrift in
der Rechtssache T-371/94).
- 241.
- Die Maersk-Firmen sind gleichfalls der Ansicht, die Kommission hätte der
Auswirkung der Beihilfe auf die kleinen und mittleren Fluggesellschaften, die auf
den regionalen Routen tätig seien, größere Aufmerksamkeit widmen müssen. Sie
werfen der Kommission damit vor, es unterlassen zu haben, die negative
Auswirkung der streitigen Beihilfe auf den Wettbewerb bei den regionalen
Flugverkehrsdiensten zu untersuchen. In diesem Zusammenhang tragen sie vor, sie
bedienten die Strecke LyonBirmingham und wollten ab 16. Oktober 1995 die
Strecke BillundParis (CDG) bedienen. Die Auswirkungen einer staatlichen
Beihilfe zeigten sich nicht nur auf dem beschränkten Markt, auf dem das
begünstigte Verkehrsunternehmen tätig sei und der nach Routen zwischen
einzelnen Städten definiert werde, sondern auch auf einem größeren
Luftverkehrsmarkt und auf mittelbar miteinander im Wettbewerb stehenden
Routen.
- 242.
- Die mittelbaren Wirkungen der angefochtenen Entscheidung auf kleine
Verkehrsunternehmen, die entweder Nebenstrecken zu den Hauptzentren
betrieben, von denen aus die großen Verkehrsunternehmen operierten, oder
mittelbar im Wettbewerb stehende Routen, würden durch die von der Firma
Maersk betriebene Route zwischen Birmingham und Lyon veranschaulicht. Diese
Route konkurriere mittelbar mit der Route zwischen London (Heathrow)Paris und
mit der Route BirminghamParis und stehe unter dem Druck der Konkurrenz
dieser beiden Routen. Der Auslastungsgrad der Air France auf der Strecke
BirminghamParis habe aber nach den Zahlen für das Jahr 1992 nur 32 %
betragen, verglichen mit den 61 % ihrer Wettbewerber. Effizient geleitete
Fluggesellschaften könnten dazu gezwungen sein, bestimmte Routen aufzugeben,
ja sogar daran gehindert sein, neue zu entwickeln, wenn das Vorhandensein einer
aus öffentlichen Mittel subventionierten Gesellschaft zu einer Verringerung ihrer
Renditen führe.
- 243.
- Die Kommission habe die Auswirkungen der streitigen Beihilfe auf den potentiellen
Wettbewerb im Luftverkehrssektor nicht ausreichend untersucht. Diese Feststellung
werde durch die Strecke KopenhagenParis veranschaulicht, auf der der
Auslastungsgrad der Air France nach den Zahlen für das Jahr 1992 nur 49 %
gegenüber 61 % bei den Konkurrenzunternehmen erreicht habe. Auch wenn die
Auswirkung auf den potentiellen Wettbewerb sich nicht im vollen Umfang messen
lasse, werde sie doch dadurch belegt, daß die Firma Maersk bei Erlaß der
angefochtenen Entscheidung beschlossen habe, ihre Pläne, eine Verbindung
zwischen Billund und Paris (CDG) einzurichten, zurückzustellen.
- 244.
- Das Königreich Schweden vertritt ebenfalls die Ansicht, die streitige Beihilfe
verstärke den Druck auf die konkurrierenden Regionalgesellschaften, was sie dazu
veranlassen könne, ihre peripheren Routen aufzugeben. Die Stellung dieser
Gesellschaften könne selbst durch global gesehen beschränkte Maßnahmen
eines der größten auf dem Markt tätigen Unternehmen stark beeinträchtigt werden,
während die anderen großen Gesellschaften nicht im gleichen Ausmaß berührt
würden.
- 245.
- In der mündlichen Verhandlung haben die schwedische und die norwegische
Regierung vorgetragen, die skandinavischen Fluggesellschaften, die auf den Routen
zwischen Frankreich und den größten Städten Skandinaviens im Wettbewerb mit
der Air France stünden, hätten auch inländische Routen, die aufgrund einer äußerst
niedrigen Bevölkerungsdichte unter einer schwachen Auslastung litten, die aber im
Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung der Randgebiete notwendig seien. Diese
Verbindungen seien äußerst empfindlich gegenüber Wettbewerbsverzerrungen
durch staatliche Beihilfen, die einem großen Wettbewerber wie der Air France
gewährt würden. Die großen Gesellschaften hätten nur selten Interesse an
peripheren Routen. Wettbewerbsverzerrungen auf Routen mit starkem Verkehr
könnten daher zu einer Verschlechterung oder zum Wegfall der
Verkehrsbedienung der Randgebiete führen. Dies sei von Nachteil für das
gemeinsame Interesse daran, ausreichende Flugverbindungen auch an der
Peripherie des EWR zu gewährleisten.
- 246.
- Die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 trägt vor, nichts in der angefochtenen
Entscheidung beweise, daß die Kommission ihre Verpflichtung erfüllt habe, das
Interesse daran, das Überleben der Air France zu garantieren, und die negativen
Auswirkungen auf den Wettbewerb, die die Zuführung des exorbitanten Betrages
von 20 Milliarden FF als Beihilfe unweigerlich haben müsse, gegeneinander
abzuwägen. Die Kommission habe niemals erklärt, weshalb sie der Auffassung sei,
daß die günstigen Auswirkungen ausreichten, um die negativen Auswirkungen des
Umstrukturierungsplans auszugleichen, sondern habe sich auf die bloße
Untersuchung der günstigen Auswirkungen der Beihilfe für ihren Empfänger
beschränkt.
- 247.
- Die Air France habe in den letzten Jahren erhebliche Verluste angehäuft, und zwar
trotz der von der Kommission genehmigten Kapitalzuführung in Höhe von 5,8
Millarden FF. Angesichts der andauernden und wachsenden Verluste der Air
France hätte die Kommission nachträglich bemerken müssen, daß ihre seinerzeit
auf Angaben der Air France gestützten Untersuchungen grundlegend mangelhaft
gewesen seien. Anders als die Air France hätten ihre meisten Wettbewerber, nicht
subventionierte und selbständige Fluggesellschaften, rigorose Maßnahmen zur
Kostensenkung und Umstrukturierung ergreifen müssen, um sich einem
kommerziellen Umfeld anpassen zu können, das sich innerhalb des liberalisierten
Marktes schnell weiterentwickle. Diese für ihr Überleben notwendigen Maßnahmen
hätten nur aufgrund erheblicher Personalkürzungen, der Aufgabe nicht rentabler
Routen, der Stornierung von Bestellungen neuer Flugzeuge, der Rücknahme von
Investitionen in andere Fluggesellschaften und des Verkaufs von nicht zum
Kernbereich gehörenden Vermögensteilen durchgeführt werden können. Zum
Beispiel habe sie, die Klägerin, bedeutende Kampagnen zur Kostensenkung in
Gang gesetzt, zu der u. a. die Streichung von Stellen und die Aufgabe von nicht
rentablen Routen einschließlich der zwischen Edinburgh und Paris gehörten, die
die Air France weiter betreibe.
- 248.
- Das Königreich Dänemark und das Vereinigte Königreich fügen hinzu, die
Kommission hätte einen Vergleich zwischen der Air France und anderen
Gesellschaften durchführen müssen, die eine Umstrukturierung mit oder ohne
staatliche Beihilfe durchgeführt hätten. Nur so hätte sich die Kommission eine
Vorstellung vom Markt und den auf diesem Markt tätigen Gesellschaften machen
können, was eine Vorbedingung dafür darstelle, daß sie ihr Ermessen richtig
ausüben könne. Die Erfahrung, die einige mit der Air France im Wettbewerb
stehende Gesellschaften gemacht hätten, zeige, was man tun könne, um die
Lebensfähigkeit einer großen internationalen Fluggesellschaft ohne staatliche
Beihilfen wiederherzustellen. So habe die British Airways die Bedienung von 16
internationalen Strecken eingestellt, eine große Zahl von Flugzeugen verkauft und
in den 80er Jahren 13 500 Arbeitsplätze gestrichen. Bei der Lufthansa habe die
Umstrukturierung seit 1992 einen Rückgang der Beschäftigtenzahl um 17 %
erforderlich gemacht.
- 249.
- Die Klägerin, das Königreich Dänemark und das Vereinigte Königreich vertreten
die Ansicht, die 16 Bedingungen, von denen die Kommission die Genehmigung der
Beihilfe abhängig gemacht habe, seien wirkungslos und könnten daher nicht
verhindern, daß die Beihilfe in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden
Weise verhängnisvolle Auswirkungen auf die Handelsbedingungen habe. Die
Wirkung der Bedingungen sei auf die Laufzeit des Umstrukturierungsplans
beschränkt, d. h. sie würden Ende 1996 unwirksam, während die Beihilfe über
diesen Zeitpunkt hinaus weiter Auswirkungen auf die Air France und auf den
Luftverkehrsmarkt haben werde. Der Fehler, der durch die Beschränkung der
Anwendung der Bedingungen auf die Laufzeit des Plans begangen worden sei,
werde durch die geplante Fusion der europäischen Aktivitäten der Air France mit
denjenigen der Air Inter Anfang 1997 veranschaulicht. Daß die Kommission
derartige von der französischen Regierung einzuhaltende Bedingungen festgelegt
habe, statt den Umstrukturierungsplan einer ins einzelne gehenden Prüfung zu
unterziehen, stehe im Widerspruch zu den für das Ermessen der Kommission auf
diesem Gebiet geltenden Regeln. Die Kommission dürfe sich der nach
Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Beurteilung nicht dadurch entziehen, daß sie
statt dessen eine Reihe von Bedingungen aufstelle.
- 250.
- Die Klägerinnen und die zur Unterstützung ihrer Anträge dem Verfahren
beigetretenen Streithelfer unterstreichen insbesondere die für die Air France
bestehende Möglichkeit, die aufgrund der angefochtenen Entscheidung für den
französischen Staat geltenden Bedingungen für die Genehmigung zu umgehen. So
könne die Holdinggesellschaft, die die Air France und Air Inter kontrolliere, es der
diesen Bedingungen nicht unterworfenen Air Inter ermöglichen, Maßnahmen zu
ergreifen, die der Air France verboten seien. Werde die angefochtene Entscheidung
nicht für nichtig erklärt, so sei jeder Adressat einer staatlichen Beihilfe in der Lage,
Tochtergesellschaften oder Schwestergesellschaften zu gründen, um sich den
Bedingungen für die Genehmigung entziehen und auf dem Markt weiter
unbeschränkt tätig sein zu können.
- 251.
- Die Kommission vertritt die Ansicht, die Klägerinnen würfen zu Unrecht die
Beihilfen, die den Wettbewerb verfälschten und den Handel zwischen
Mitgliedstaaten beeinträchtigten, im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages
mit den Beihilfen, die die Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamen
Interesse zuwiderlaufenden Weise veränderten, im Sinne von Artikel 92 Absatz 3
Buchstabe c in einen Topf. Die Kommission habe niemals angenommen, daß die
streitige Beihilfe den Wettbewerb nicht verfälsche oder den Handel nichtbeeinträchtige. Eine solche Beihilfe stelle jedoch nicht notwendigerweise eine
Beihilfe dar, die die Handelsbedingungen in eine dem gemeinsamen Interesse
zuwiderlaufenden Weise verändere. Die Klägerinnen gingen von dem Grundsatz
aus, daß jede Anstrengung, die die Air France unternehme, um zu überleben, ihren
Wettbewerbern schaden werde. Diese Auffassung sei aber bei richtiger Auslegung
des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und des Artikels 61 Absatz 3
Buchstabe c des EWR-Abkommens nicht haltbar.
- 252.
- In der Rechtssache Frankreich/Kommission (zitiert in Randnr. 79) habe die
Kommission angenommen, daß die genehmigte Beihilfe eine Rettungsmaßnahme
sei, die noch dazu den für diese Beihilfeart festgelegten Kriterien nicht entspreche.
Die streitige Beihilfe sei keine Rettungsmaßnahme, sondern sei tatsächlich mit
einem Umstrukturierungsplan verknüpft. Der Standpunkt, den die Kommission in
jener Rechtssache eingenommen habe, sei daher mit ihrem Standpunkt im
vorliegenden Fall keineswegs unvereinbar.
- 253.
- Die Passage in den Schlußanträgen des Generalanwalts Slynn in der Rechtssache
Kommission/Deutschland (zitiert in Randnr. 58) habe sich auf die Frage bezogen,
ob die streitige Beihilfe als eine Beihilfe zur Förderung der Entwicklung gewisser
Wirtschaftszweige angesehen werden könne und nicht ob sie die
Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise
verändere. Der Auszug aus dem Urteil in der Rechtssache Philip
Morris/Kommission (zitiert in Randnr. 79) habe sich ebenfalls auf die erste
Voraussetzung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und nicht auf
die nachteiligen Auswirkungen auf die Handelsbedingungen bezogen.
- 254.
- Die Kommission habe geprüft, ob die Beihilfe als im Sinne der Artikel 92 Absatz
3 Buchstabe c des Vertrages und 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens
als mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des Abkommens
vereinbar habe angesehen werden können. Aus den in ihrer Entscheidung
angegebenen Gründen habe sie zu dem Ergebnis kommen können, daß die Beihilfe
unter die vorgesehene Ausnahmeregelung fallen könne und daß sie mit dem
Gemeinsamen Markt vereinbar sei, sofern bestimmte Zusagen eingehalten wurden
und bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. Sie habe in der angefochtenen
Entscheidung erklärt, daß sie bei der Untersuchung der Auswirkungen der Beihilfe
im EWR die verstärkte Liberalisierung des Luftverkehrs nach der Verabschiedung
des „dritten Pakets“ berücksichtigt und sich vergewissert habe, daß die negativen
Auswirkungen der Beihilfe nicht durch die Nutzung von Exklusivrechten oder eine
Vorzugsbehandlung für Air France verstärkt würden.
- 255.
- Die Kommission macht geltend, einige der Zusagen, die sie von der französischen
Regierung erhalten habe, seien beispiellos oder von einer Strenge ohnegleichen.
Keine andere Regierung habe zugesichert, ein Unternehmen, das eine Beihilfe
erhalte, zu privatisieren (Zusicherung Nr. 2), und Beschränkungen der Freiheit der
Preisgestaltung seien in der Vergangenheit niemals auferlegt worden (Zusicherung
Nr. 9). Auch habe nur die Hälfte des Gesamtbetrags der Beihilfe sofort ausgezahlt
werden können, da die Zahlung des Restbetrags in zwei Tranchen von der
Einhaltung einer Reihe von Bedingungen und der Genehmigung durch die
Kommission abhängig gemacht worden sei (Artikel 2 der angefochtenen
Entscheidung). Darüber hinaus habe die französische Regierung die Zusicherung
gegeben, daß sie der Air France keine neuen Zuwendungen oder weitere Beihilfen
in welcher Form auch immer gewähren werde (Zusicherung Nr. 5) und daß sie sich
in das Management der Air France außer aus Gründen, die mit ihrem Status als
Aktionärin in Verbindung stünden, nicht einmischen werde (Zusicherung Nr. 4).
- 256.
- Soweit die Maersk-Firmen ihr vorwerfen, sie habe die Rolle der kleinen und
mittleren Luftverkehrsunternehmen nicht in ihre Untersuchungen einbezogen, trägt
die Kommission vor, ihre Beurteilung habe sich nicht auf die großen europäischen
Gesellschaften beschränkt. Um sich zu vergewissern, daß die Beihilfe die
Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden
Weise veränderten, habe sie insbesondere die Gewißheit erlangen müssen, daß die
Beihilfe nicht zur Preisunterbietung verwendet werde und daß die Kapazität nicht
stärker gesteigert werde, als es dem Wachstum des Marktes entsprochen habe. Die
Sorge darum habe für alle Wettbewerber der Air France und für den europäischen
Zivilluftfahrtsektor insgesamt gegolten.
- 257.
- Was das Vorbringen angeht, sie habe die negativen Auswirkungen der Beihilfe auf
den Wettbewerb im Regionalluftverkehr nicht untersucht, macht die Kommission
geltend, die Streithelferinnen brächten nicht den kleinsten Beweis für ihre Rüge
bei, daß die Beihilfe von der Entwicklung von Flugdiensten nach Regionalflughäfen
oder von diesen aus abschrecke. Was die angeblichen Auswirkungen der Beihilfe
auf einen größeren als den tatsächlich von der Air France bedienten Markt, auf
mittelbar miteinander in Wettbewerb stehende Routen und auf den potentiellen
Wettbewerb angeht, erklärt die Kommission, die diesbezüglichen Behauptungen
seien unbegründet. Sie wisse nicht, was die Verschiebung des Vorhabens der
Streithelferinnen Maersk bedeute, eine Verbindung BillundParis einzurichten. Das
Zögern der Streithelferinnen sei wahrscheinlich auf die Aufnahme der Verbindung
KopenhagenParis durch British Airways im Jahr 1993 zurückzuführen, wo diese
sofort einen Marktanteil von 18 % erlangt habe. Generell ist die Kommission der
Ansicht, daß die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der Würdigung der
Auswirkung der Beihilfe auf die Handelsbedingungen den Erfordernissen des
Artikels 190 des Vertrages entspreche.
- 258.
- Die Air France vertritt die Ansicht, alles in der angefochtenen Entscheidung zeige,
daß die Auswirkungen der Beihilfe in einem gemeinschaftlichen Rahmen beurteilt
worden seien. Die Kommission habe nämlich die Lage und die Entwicklung des
europäischen Luftverkehrs und die Auswirkungen der Beihilfe auf die Stellung der
Air France im Wettbewerb unter Berücksichtigung der gesteigerten Liberalisierung
des Luftverkehrs untersucht. Schließlich bestehe der ganze Zweck der von der
französischen Regierung gegebenen Zusicherungen gerade darin, zu verhindern,
daß die Beihilfe von der Air France zum Nachteil ihrer Wettbewerber eingesetzt
werden könne.
Würdigung durch das Gericht
1. Zur Begründung
- 259.
- In Anbetracht der von den Klägerinnen und den zur Unterstützung der Anträge
der Klägerinnen den Verfahren beigetretenen Streithelfern ist erstens zu prüfen,
ob die angefochtene Entscheidung, was die Beurteilung der Auswirkungen der
Beihilfe auf die mit der Air France im Wettbewerb stehenden Gesellschaften und
die maßgeblichen Flugverbindungen angeht, ohne ausreichende Begründung ist. In
diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, daß es die Klägerinnen und
die Streithelfer dazu aufgefordert hat, die Erklärungen vorzulegen, die sie
gegenüber der Kommission im Verwaltungsverfahren als Beteiligte im Sinne von
Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages abgegeben hatten (siehe oben, Randnr. 33).
- 260.
- Wie bereits ausgeführt worden ist (Randnrn. 89 bis 96) hat das Gericht daher zu
prüfen, ob die Begründung der angefochtenen Entscheidung die Überlegungen der
Kommission klar und unzweideutig wiedergibt, und zwar insbesondere im Hinblick
auf die für die Beurteilung des Beihilfevorhabens in bezug auf seine Wirkung
wesentlichen Rügen, die die Beteiligten der Kommission im Verwaltungsverfahren
zur Kenntnis gebracht haben.
- 261.
- Liest man die gesamten beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen, so ergibt sich,
daß einige dieser Beteiligten bei der Kommission insbesondere darauf bestanden
hatten, daß diese die Auswirkungen der Beihilfe auf die mit der Air France im
Wettbewerb stehenden Fluggesellschaften und auf die einzelnen betroffenen
Flugrouten beurteilen müsse. Es ist nämlich behauptet worden, daß die Beihilfe
den zum Air-France-Konzern gehörenden Gesellschaften ermöglichen werde, ihre
beherrschende Stellung auf dem französischen Inlandsmarkt weiter auszunutzen.
Da der im Luftverkehrssektor maßgebliche geographische Markt aus den
Verbindungen bestehe, die die Nutzer als substituierbar ansehen, d. h. die Routen
von Stadt zu Stadt, müsse außerdem die Frage der Substituierbarkeit geprüft
werden. Andere wettbewerbsfähige Gesellschaften könnten nämlich die bisher von
der Air France bedienten Routen übernehmen. Darüber hinaus müsse die
Kommission ihr Augenmerk auf die Auswirkungen der Beihilfe auf die Lage der
kleinen Fluggesellschaften richten, die häufig von einigen speziellen Routen
abhingen. Der Umstand, daß ein großes Verkehrsunternehmen wie die Air France
eine staatliche Beihilfe erhalte, könne das Gleichgewicht im Wettbewerb auf diesen
Routen beeinträchtigen.
- 262.
- Einige der Beteiligten haben die Auswirkungen der streitigen Beihilfe auf den
Wettbewerb auf den internationalen Routen außerhalb des EWR unterstrichen.
Die Air France habe nämlich in den Niederlanden eine aggressive Werbung
betrieben, wobei sie sehr niedrige Tarife für Flüge via Paris u. a. nach Hongkong,
Singapur, Jakarta, Tokio, Kapstadt und Johannisburg angeboten habe (KLM,
Erklärungen S. 1). Die Air France stehe im Wettbewerb auf 8 der 20
internationalen Routen, auf denen der Wettbewerb am heftigsten sei (Vereinigtes
Königreich, Erklärungen S. 6). Die anderen Gesellschaften in der Gemeinschaft,
die auf außergemeinschaftlichen Routen präsent seien, würden aufgrund der
möglichen Substituierbarkeit berührt, die z. B. zwischen Rom und London bei
einem Flug nach New York bestehe. Es bestehe daher eine Wettbewerbssituation
auf allen Routen zwischen Europa und Nordamerika zum einen und dem Fernen
Osten zum anderen. So stehe die British Airways im Wettbewerb mit anderen
Gesellschaften, was die Flüge RomNew York und ParisNew York angehe. Für
viele europäische Gesellschaften sei der Inlandsmarkt zu klein. Die
außergemeinschaftlichen Routen seien daher langfristig für sie lebenswichtig,
weshalb viele sich weitgehend auf den Transatlantikverkehr stützten (S. ii, 57 und
58 des Lexecon-Berichts über die Auswirkungen der staatlichen Beihilfe auf den
Wettbewerb für die europäische Luftverkehrsindustrie, den die British Airways im
Verwaltungsverfahren vorgelegt und der Klageschrift der Rechtssache T-371/94 als
Anlage 17 beigefügt hat).
- 263.
- Was die Kommission angeht, ist daran zu erinnern, daß ihre Dienststellen sich der
durch die Auswirkung der Beihilfe auf die Stellung der Air France im Wettbewerb
hervorgerufenen Probleme in dem Maße bewußt waren, daß sie bereits in der
Mitteilung vom 3. Juni 1994 erklärt hatten, daß sie diese Auswirkungen auf die
internationalen und die inländischen Routen prüfen müßten, auf denen die Air
France mit anderen europäischen Verkehrsunternehmen im Wettbewerb stehe, und
hinzugefügt hatten, daß der Umstrukturierungsplan der Air France keine Analyse
des Streckennetzes und seiner künftigen Entwicklung enthalte (ABl. S. 8).
- 264.
- Was die angefochtene Entscheidung angeht, ist festzustellen, daß die Kommission
bei der Prüfung, ob die Beihilfe die Handelsbedingungen nicht in einer dem
gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise beeinträchtigt, darauf hinweist, daß
sie bei Einleitung des Verwaltungsverfahrens erklärt habe, daß sie die
Auswirkungen der Beihilfe auf die Stellung der Air France im Wettbewerb sowohl
auf den internationalen Routen als auch auf den Inlandsrouten untersuchen müsse,
wo die Air France im Wettbewerb mit anderen europäischen Gesellschaften stehe.
Sodann unterstreicht die Kommission, daß die französische Regierung für die
Laufzeit des Umstrukturierungsplans zugesichert habe,
die Zahl der Flugzeuge der von der Air France betriebenen Flotte nicht auf
mehr als 146 zu erhöhen (Bedingung Nr. 7);
das Angebot der Air France auf den Strecken zwischen Frankreich und den
anderen Ländern des EWR nicht über das 1993 erreichte Niveau hinaus zu
steigern (Bedingung Nr. 8);
dafür Sorge zu tragen, daß die Air France keine Praktiken anwende, die
darin bestünden, für ein gleichwertiges Angebot auf Verbindungen innerhalb
des EWR niedrigere Tarife als ihre Konkurrenten anzubieten (Bedingung
Nr. 9);
der Air France bei den Verkehrsrechten keine Vorzugsbehandlung
einzuräumen (Bedingung Nr. 10);
dafür Sorge zu tragen, daß die Air France zwischen Frankreich und den
anderen Ländern des EWR nicht mehr Linienverbindungen betreibe als
1993, d. h. 89 Linienverbindungen (Bedingung Nr. 11);
das Angebot von Air Charter auf dem Stand von 1993 zu beschränken
(Bedingung Nr. 12) (ABl. S. 79, 86, 88 und 89).
- 265.
- Die Kommission ist der Ansicht, daß diese in Bedingungen für die Genehmigung
der Beihilfe umgewandelten Zusicherungen den Spielraum, über den Air France
bei der Kapazität, beim Angebot und bei der Preisfestsetzung verfüge, sehr stark
einschränken, und daß diese Einschränkungen notwendig seien, damit die Beihilfe
nicht dazu verwendet werden könne, die Schwierigkeiten der Air France auf ihre
Wettbewerber zu verlagern. Die Zusicherungen hinderten die Air France daran, auf
allen von ihr innerhalb des EWR beflogenen Strecken eine aggressive Tarifpolitik
zu betreiben (ABl. S. 86).
- 266.
- Was insbesondere die Auswirkungen der Beihilfe auf dem französischen
Inlandsmarkt angeht, weist die Kommission noch auf folgendes hin:
die französischen Behörden hätten zugesichert, die Regeln für die
Aufteilung des Verkehrs auf das Pariser Flughafensystem gemäß der
Entscheidung 94/290/EG der Kommission vom 27. April 1994 in einem
Verfahren zur Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 (SacheVII/AMA/II/93 TAT Paris(Orly)London, ABl. L 127, S. 22) so zu
ändern, daß sie nicht mehr diskriminierend seien (Bedingung Nr. 15),
die französischen Behörden hätten zugesichert, daß sie dafür Sorge tragen
würden, daß die Umbauarbeiten an dem dem internationalen Verkehr
vorbehaltenen Abfertigungsgebäude Orly-Süd und an dem dem
Inlandsverkehr vorbehaltenen Abfertigungsgebäude Orly-West die
Wettbewerbsbedingungen nicht zum Nachteil der den Flughafen Orly
anfliegenden Fluggesellschaften beeinträchtigten (Bedingung Nr. 16),
sie habe am 27. April 1994 eine Entscheidung erlassen, wonach Frankreich
den Luftverkehrsunternehmen der Gemeinschaft spätestens ab 27. Oktober
1994 die Ausübung von Verkehrsrechten auf den Strecken
Paris(Orly)Toulouse und Paris(Orly)Marseille genehmigen müsse (ABl.
S. 87 und 88).
- 267.
- Aus dieser Begründung geht hervor, daß die Kommission die Wettbewerbssituation
nicht „Strecke für Strecke“ geprüft hat, obwohl eine solche Prüfung von den
Beteiligten angeregt und von der Kommission selbst ins Auge gefaßt worden war.
Anstatt die Auswirkung der Beihilfe auf die einzelnen von der Air France
beflogenen Linien im einzelnen zu untersuchen, hat die Kommission sich dafür
entschieden, dem französischen Staat die sechzehn in Artikel 1 der angefochtenen
Entscheidung wiedergegebenen Bedingungen für die Genehmigung der Beihilfe zu
stellen. Daraus folgt, daß die Kommission diese Bedingungen als geeignet und
ausreichend dafür ansieht, sicherzustellen, daß die Auswirkungen der in den
Anwendungsbereich der Artikel 92 EG-Vertrag und 61 des EWR-Abkommens
fallenden Beihilfe für den Zivilluftfahrtsektor dem gemeinsamen Interesse nicht
zuwiderlaufen.
- 268.
- Es ist festzustellen, daß die Bedingungen in bezug auf die Höchstzahl der
Flugzeuge der Air France (Nr. 7), das Verbot, der Air France bei den
Verkehrsrechten eine Vorzugsbehandlung einzuräumen (Nr. 10) und die
Begrenzung des Angebots der Air Charter (Nr. 12), deren Geltung keinen
geographischen Grenzen unterliegt, auf jeden Fall das Gebiet des EWR erfassen.
Was die Bedingungen in bezug auf den Umfang des Angebots der Air France (Nr.
8), die Tarifierungspraktiken der Air France (Nr. 9), die Höchstzahl der
Linienverbindungen (Nr. 11), die Regeln für die Aufteilung des Verkehrs auf das
Pariser Flughafensystem (Nr. 15) und den Umbau der beiden Abfertigungsgebäude
in Orly (Nr. 16) angeht, so betreffen sie spezifisch den geographischen Markt
innerhalb des EWR einschließlich des französischen Inlandsmarkts. Die
Kommission stellt ausdrücklich fest, daß diese Bedingungen den Spielraum der Air
France einschränkten und sie daran hinderten, „auf den von ihr innerhalb des
EWR beflogenen Strecken“ eine aggressive Preispolitik zu betreiben (ABl. L 86).
- 269.
- Was die Begründung angeht, zeigt die Art und Weise, in der die Problematik
behandelt wird, nach Ansicht des Gerichts, daß die Kommission sich tatsächlich mit
der Wettbewerbssituation innerhalb des EWR befaßt hat, wobei die Frage, ob die
oben genannten Bedingungen für die Genehmigung wirklich ausreichend und dafür
geeignet sind, zur Prüfung der Begründetheit gehört. Auch wenn diese Begründung
den Erklärungen der Beteiligten nicht folgt, die einer Prüfung „Strecke für Strecke“
vorgeschlagen hatten, zeigt sie doch klar, daß die Kommission es für zweckmäßig
gehalten hat, eine solche Prüfung durch den Mechanismus der sechzehn dem
französischen Staat gestellten Bedingungen für die Genehmigung zu ersetzen. Dies
ermöglicht den Beteiligten, die Reaktion der Kommission auf ihre Erklärungen
festzustellen, zu prüfen, ob die von der Kommission gewählte Betrachtungsweise
begründet ist, und ihre Interessen vor dem Gemeinschaftsgericht in der Weise zu
vertreten, daß sie geltend machen, daß der Mechanismus der sechzehn
Bedingungen in Anbetracht der innerhalb des EWR herrschenden
Wettbewerbssituation nicht umfassend und sachgerecht sei.
- 270.
- Es ist jedoch festzustellen, daß die Begründung der angefochtenen Entscheidung
keinerlei Angaben über die Wettbewerbssituation der Air France außerhalb des
EWR enthält. Zum einen fehlt eine Untersuchung des internationalen
Streckennetzes der Air France, bei der die Routen berücksichtigt würden, auf
denen die Air France im Wettbewerb mit anderen Fluggesellschaften mit Sitz
innerhalb des EWR steht. Zum andern erstrecken sich die Bedingungen für die
Genehmigung, die den Umfang des Sitzplatzangebots der Air France (Nr. 8), deren
Tarifierungspraktiken (Nr. 9) und die Höchstzahl der betriebenen
Linienverbindungen (Nr. 11) betreffen, nur auf die Verbindungen nach außerhalb
des EWR liegenden Ländern, die die Air France betreibt oder betreiben will, d. h.
die Langstreckenflüge, insbesondere die transatlantischen. Aus der Sicht der
Kommission steht es der durch die genehmigte Beihilfe finanziell gestärkten Air
France daher vollkommen frei, auf den außerhalb des EWR liegenden
internationalen Verbindungen ihre Kapazitäten aufzustocken, die Zahl dieser
Verbindungen zu erhöhen und Tarife anzuwenden, die so niedrig sind, wie sie es
wünscht.
- 271.
- Der Umstrukturierungsplan der Air France sieht aber ausdrücklich den Ausbau der
Langstreckenrouten und eine Erhöhung der Frequenzen auf rentablen Strecken
vor, und die französischen Behörden haben eine Erweiterung des Angebots der Air
France im Langstreckenverkehr um 10,2 % angekündigt (ABl. S. 76 und 77).
Darüber hinaus hatten die Beteiligten die Kommission erstens auf die Problematik
der Definition des maßgeblichen Marktes im Luftverkehr aufmerksam gemacht, der
ihrer Ansicht nach aus spezifischen Routen besteht, die die Nutzer als austauschbar
ansähen, zweitens darauf, daß die Air France versucht habe, mit einer
Werbekampagne Kundschaft aus den Niederlanden für Flüge zu außerhalb des
EWR liegenden Zielen via Paris zu gewinnen, womit die Air France selbst zeige,
daß diese Flüge mit Hilfe eines geeigneten Zubringerluftverkehrs weitgehend
austauschbar seien, und drittens auf die entscheidende Bedeutung dieser Flüge auf
das langfristige Überleben zahlreicher europäischer Fluggesellschaften.
- 272.
- Außerdem hat die Kommission in ihrer Entscheidung vom 5. Oktober 1993 (Air
France, Sabena, siehe Randnnrn. 218 und 219) den maßgeblichen Markt als den
planmäßigen Luftverkehr definiert, mit dem zwei geographische Zonen verbunden
werden können, d. h. ein Bündel von Flugverbindungen, soweit eine
Austauschbarkeit zwischen den Verbindungen besteht, die dieses Bündel bilden,
wobei eine solche Austauschbarkeit auf verschiedenen Faktoren wie u. a. der Länge
der Verbindungen, der Entfernung zwischen den einzelnen Flughäfen an den
Endpunkten der jeweiligen Verbindungen, die das Bündel bilden, oder der
Frequenz auf der jeweiligen Verbindung beruht (Nr. 25). Demzufolge ist die
Kommission in bezug auf die Verbindung zwischen Europa und dem
französischsprachigen Schwarzafrika zu dem Ergebnis gelangt, daß der maßgebliche
Markt als ein Bündel von Verbindungen zwischen allen Abflugpunkten im EWR
zum einen und jedem einzelnen Zielort in Afrika zum anderen definiert werden
könne (Nr. 39).
- 273.
- Das Gericht ist der Auffassung, daß die Kommission in Anbetracht dieser
Entscheidungspraxis und mit Rücksicht auf die diesbezüglichen Erklärungen der
Beteiligten verpflichtet war, sich zur Problematik von Flugverbindungen außerhalb
des EWR zu äußern, auf denen die durch die genehmigte Beihilfe begünstigte Air
France im Wettbewerb mit anderen innerhalb des EWR niedergelassenen
Gesellschaften stand. Wie der Gerichtshof in seinem Urteil Bremer
Vulkan/Kommission (zitiert in Randnr. 94, Randnrn. 53 und 54) entschieden hat,
stellen Angaben über die Lage auf den betreffenden Märkten, insbesondere die
Stellung des durch eine Beihilfe begünstigten Unternehmens und diejenige der
Konkurrenzunternehmen einen wesentlichen Bestandteil der Begründung einer
Entscheidung über die Vereinbarkeit eines Beihilfevorhabens mit dem
Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 92 des Vertrages dar. Zwar ist das
genannte Urteil aufgrund von Artikel 92 Absatz 1 erlassen worden, nach Ansicht
des Gerichts ist eine derartige Begründung aber auch im Rahmen der Artikel 92
Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages und 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens in bezug darauf geboten, ob die Beihilfe die Handelsbedingungen in
einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändert.
- 274.
- Da die Kommission die Bedingungen Nrn. 8, 9 und 11 nicht auf die von der Air
France beflogenen Routen außerhalb des EWR erstreckt hat, hätte die
Kommission im Rahmen ihrer Untersuchung des maßgeblichen Marktes
ermitteln müssen, ob die z. B. ab Paris, London, Rom, Frankfurt, Kopenhagen,
Amsterdam oder Brüssel durchgeführten Flüge außerhalb des EWR untereinander
austauschbar waren und ob daher bei diesen Flügen eine Wettbewerbssituation
zwischen den Fluggesellschaften bestand, deren Verkehrsknotenpunkt in einer
dieser Städte liegt.
- 275.
- Die Wichtigkeit einer solchen Begründung wird durch die nicht bestrittenen Zahlen
veranschaulicht, die die Kläger in der Rechtssache T-371/94 vorgelegt haben, um
nachzuweisen, daß ein großer Teil der Umsätze und Gewinne der British Airways,
der SAS und der KLM auf Routen außerhalb des EWR, insbesondere auf den
Verbindungen mit den Vereinigten Staaten, Kanada, Afrika, dem Mittleren Osten,
Indien und dem Fernen Osten, erzielt wird (Klageschrift Nr. 212 und Fußnote 282).
Wie der Gerichtshof im Urteil Bremer Vulkan/Kommission (zitiert in Randnr. 94,
Randnr. 34) entschieden hat, können solche nach dem Erlaß der angefochtenen
Entscheidung datierenden Gegebenheiten berücksichtigt werden, um die
Begründungspflicht der Kommission zu veranschaulichen. Auf jeden Fall hatten
einige der Beteiligten gegenüber der Kommission bereits unterstrichen, daß die
außergemeinschaftlichen, insbesondere die transatlantischen Routen von
entscheidender Bedeutung für das Überleben zahlreicher europäischer
Fluggesellschaften seien und daß der Wettbewerb auf diesen Routen am heftigsten
sei.
- 276.
- Ferner liegt auf der Hand, daß eine Erhöhung der Kapazitäten der Air France und
deren Preisführerschaft bei niedrigen Tarifen auf einer bestimmten Route nach
einem Ziel außerhalb des EWR von dem Knotenpunkt der Air France auf dem
Flughafen Paris (CDG) aus Auswirkungen auf den Zubringerluftverkehr nach
diesem Knotenpunkt haben kann. Wenn nämlich die wirtschaftliche Bedeutung des
Knotenpunkts Paris zu Lasten anderer Knotenpunkte innerhalb des EWR zunimmt,
wird der Zubringerluftverkehr nach Paris proportional zunehmen, und zwar zum
Nachteil des Zubringerluftverkehrs nach anderen Knotenpunkten. Das Vorbringen
der Beteiligten zur Lage der kleinen, oft von einigen spezifischen Routen
abhängigen Fluggesellschaften, erscheint daher von wesentlicher Bedeutung, so daß
die Kommission sich auch dazu hätte äußern müssen. Zur Veranschaulichung ist
hinzuzufügen, daß wie die British Midland in der mündlichen Verhandlung vor
dem Gericht vorgetragen hat, ohne daß dies bestritten worden wäre 30 % ihrer
Passagiere Transitpassagiere waren, die zu anderen Zielen auf Langstreckenrouten
reisten. Die Kommission durfte folglich die Lage der kleinen im
Zubringerluftverkehr tätigen Gesellschaften nicht stillschweigend übergehen.
- 277.
- Die Problematik der Routen nach Zielen außerhalb des EWR und des
diesbezüglichen Zubringerluftverkehrs kann nicht als durch die Bedingung Nr. 7
(Beschränkung der Anzahl der Flugzeuge der Air France) in Verbindung mit der
Bedingung Nr. 9 (Einschränkung der Preisführerschaft der Air France beim
Zubringerluftverkehr innerhalb des EWR) sowie die Verpflichtung der Air France,
die Ziele ihrer Umstrukturierung zu erreichen, gelöst angesehen werden. Wenn es
nämlich zutrifft, daß auf den Routen außerhalb des EWR die höchsten Gewinne
erzielt werden, wird die Air France alles daran setzen, die größtmögliche Zahl ihrer
Flugzeuge auf den ertragreichsten internationalen Routen einzusetzen, ohne in
irgendeiner Weise den Erfolg ihrer Umstrukturierung zu gefährden. Was den
Zubringerluftverkehr angeht, genügt die Feststellung, daß nichts die Air France
verpflichtet, diesen selbst zu übernehmen, da dieser Verkehr nach dem
Knotenpunkt Paris von jeder beliebigen von der Air France getrennten
Fluggesellschaft wie der Air Inter übernommen werden kann, für die die von der
Kommission vorgeschriebenen Bedingungen für die Genehmigung nicht gelten
(siehe oben, Randnr. 215); die wirtschaftliche Bedeutung der Bedingung Nr. 9
erscheint daher, soweit sie den von der Air France innerhalb des EWR
übernommenen Zubringerluftverkehr erfaßt, im Verhältnis zu der globalen
Problematik der Routen außerhalb des EWR gering.
- 278.
- Schließlich werden der Air Inter durch die Bedingung Nr. 12 zwar absolute
Angebotsgrenzen vorgeschrieben, die sich daher auch auf die Routen außerhalb des
EWR beziehen, die wirtschaftliche Bedeutung der Air Charter mit 17 Flugzeugen
ist aber gegenüber derjenigen der Air France so minimal, daß diese Bedingung für
sich allein nicht geeignet ist, den Mangel der Begründung in bezug auf die Lage der
Air France auf diesen Linien zu kompensieren. Das gleiche gilt für die Bedingung
Nr. 10, durch die den französischen Behörden untersagt wird, der Air France bei
den Verkehrsrechten eine Vorzugsbehandlung einzuräumen. Zwar erstreckt sich
diese Bedingung auch auf die Rechte in bezug auf Routen außerhalb des EWR, sie
kann aber nur Fluggesellschaften zugute kommen, die diese Rechte nutzen können.
Dabei handelt es sich im wesentlichen um Gesellschaften aus Drittländern und
französische Gesellschaften wie Air France, Air Inter, Air Charter, Air Liberté,
Corsair, AOM, TAT und Euralair, soweit sie diese Routen von und nach
Frankreich bedienen wollen. Dagegen profitieren die europäischen Gesellschaften,
die die Routen außerhalb des EWR im Wettbewerb mit der Air France im
wesentlichen von ihren eigenen außerhalb Frankreichs gelegenen Knotenpunkten
aus bedienen, von der Bedingung Nr. 10 nur in unbedeutendem Ausmaß.
- 279.
- Die Kommission sowie die Streithelferinnen, die Air France und die Französische
Republik, haben im Rahmen des vorliegenden Verfahrens geltend gemacht, die
Verkehrsrechte auf den Verbindungen außerhalb des EWR, insbesondere den
Transatlantikrouten, seien in bilateralen Abkommen geregelt und eine
Beschränkung in bezug auf die Tarifierung, die Kapazität und die Zahl der Routen
sei für die Air France in der Weise nachteilig gewesen, daß sie deren
Wettbewerbsfähigkeit verringert habe. Eine solche Beschränkung sei nur für
Gesellschaften außerhalb des EWR von Vorteil gewesen und sei daher dem
gemeinsamen Interesse offensichtlich zuwidergelaufen. Es ist jedoch festzustellen,
daß diese von den Bevollmächtigten der Kommission und der Streithelfer vor dem
Gericht dargelegte Argumentation sich nicht in der angefochtenen Entscheidung
findet. Dieses Vorbringen ist folglich nicht durch das Kollegialitätsprinzip gedeckt
und ihm ist daher nicht zu folgen. Es kann demzufolge dem Begründungsmangel,
an dem die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt leidet, nicht abhelfen
(siehe oben, Randnrn. 116 bis 118).
- 280.
- Nach alledem entspricht die Begründung der angefochtenen Entscheidung, was die
Bewertung der Auswirkungen der Beihilfe auf die Wettbewerbsstellung der Air
France hinsichtlich ihres Streckennetzes außerhalb des EWR und des
diesbezüglichen Zubringerluftverkehrs angeht, nicht den Erfordernissen des Artikels
190 des Vertrages. Infolge dieses Begründungsmangels kann das Gericht nicht
prüfen, ob das Vorbringen zu diesen Punkten begründet ist (siehe oben, Randnrn.
238 ff.). Darüber hinaus ist das Gericht nicht in der Lage, sich zu dem Vorbringen
zu den Tarifpraktiken der Air France auf deren Streckennetz außerhalb des EWR,
die als operative Maßnahmen angeblich durch die Beihilfe finanziert werden, zu
äußern (siehe oben, Randnrn. 142 und 143).
- 281.
- Dagegen ist das Gericht in der Lage, zu prüfen, ob die Beurteilung der
Auswirkungen der Beihilfe auf die Wettbewerbsstellung der Air France innerhalb
des EWR den Sachrügen standhält, die die Klägerinnen und die zur Unterstützung
der Anträge der Klägerinnen dem Verfahren beigetretenen Streithelfer erhoben
haben.
2. Zur Begründetheit
- 282.
- Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die wirtschaftlichen Wertungen bei der
Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages, in bezug auf die
die Kommission über ein weites Ermessen verfügt, auf die Gemeinschaft als Ganzes
zu beziehen sind (Urteil Philip Morris/Kommission, zitiert in Randnr. 79,
Randnr. 24), was bedeutet, daß die Kommission verpflichtet ist, die Auswirkung
einer Beihilfe auf den Wettbewerb und den innergemeinschaftlichen Handel zu
prüfen (Urteil des Gerichts vom 6. Juli 1995 in den verbundenen Rechtssachen
T-447/93, T-448/93 und T-449/93, AITEC u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1971,
Randnr. 136). Da die angefochtene Entscheidung im vorliegenden Fall auch auf der
Grundlage des Artikels 61 des EWR-Abkommens erlassen worden ist, ist der in
dem obenstehenden Urteil festgelegte Prüfungsrahmen auf den Europäischen
Wirtschaftsraum auszudehnen.
- 283.
- Außerdem hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 25. Juni 1970 in der
Rechtssache 47/69 (Frankreich/Kommission, Slg. 1970, 487, Randnr. 7) entschieden,
daß es bei der Entscheidung, ob eine Beihilfe die Handelsbedingungen in einer
dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändert, notwendig ist,
insbesondere zu prüfen, ob nicht ein Ungleichgewicht zwischen den von den
betroffenen Unternehmen zu tragenden Lasten einerseits und den sich aus der
Beihilfe ergebenden Vorteilen andererseits besteht. Es ist folglich Sache der
Kommission, im Rahmen ihrer Prüfung der Auswirkung einer staatlichen Beihilfe
die positiven Auswirkungen der Beihilfe und ihre negativen Auswirkungen auf die
Handelsbedingungen und die Aufrechterhaltung eines Systems unverfälschten
Wettbewerbs gegeneinander abzuwägen, wie die Kommission im übrigen selbst in
ihrem Vierzehnten Bericht über die Wettbewerbspolitik (1984, S. 147, Nr. 202)
festgestellt hat.
- 284.
- Was die Frage angeht, ob die Kommission im vorliegenden Fall eine solche
Abwägung vorgenommen hat, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß in der
angefochtenen Entscheidung eine historische Übersicht über die verschiedenen
Umstrukturierungspläne gegeben wird, die die Air France seit 1991 zur Bewältigung
ihrer Finanzprobleme verabschiedet hat: den CAP'93, in dessen Rahmen der Air
France 5,8 Milliarden FF gewährt wurden, den PRE 1 und den PRE 2 (ABl. S. 74).
Die Kommission hat also die Vorgeschichte des streitigen Planes und insbesondere
die bereits als Beihilfe gezahlten 5,8 Milliarden berücksichtigt, als sie die positiven
und die negativen Auswirkungen der Beihilfe, die Gegenstand der vorliegenden
Rechtsstreitigkeiten ist, bewertet hat.
- 285.
- Die Kommission hat dadurch, daß sie feststellt, daß die französische Regierung
Mehrheitsaktionär der Air France sei (ABl. S. 76), und daß sie die französischen
Behörden zur Einleitung des Privatisierungsprozesses verpflichtet (Artikel 1 Nr. 2
der angefochtenen Entscheidung, ABl. S. 88), auch berücksichtigt, daß die Air
France zum öffentlichen Sektor gehört. Daß die Kommission eine einem
öffentlichen Unternehmen gezahlte Beihilfe genehmigt, bedeutet als solches aber
noch nicht, daß die mit der Beihilfeempfängerin im Wettbewerb stehenden
Privatunternehmen diskriminierend behandelt werden. Wie aus dem Urteil
Italien/Kommission (zitiert in Randnr. 125, Randnr. 19) hervorgeht, hat die
Kommission nämlich auch bei staatlichen Beihilfen den Grundsatz der
Gleichbehandlung von öffentlichen und privaten Unternehmen zu beachten. Die
Kommission konnte daher die streitige staatliche Beihilfe genehmigen, ohne damit
die privaten Wettbewerber der Air France diskriminierend zu behandeln,
vorausgesetzt, daß die Beihilfe die Handelsbedingungen nicht in einer dem
gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändert.
- 286.
- Die Kommission war auch nicht verpflichtet, in dem hier bestehenden
Zusammenhang die von der Air France geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen
mit den von anderen Fluggesellschaften beschlossenen zu vergleichen und erst recht
nicht dazu, zu verlangen, daß die Umstrukturierung der Air France sich nach
derjenigen einer anderen Gesellschaft richten solle (siehe bereits oben,
Randnrn. 135 und 211). Ob Maßnahmen zur Umstrukturierung eines
Unternehmens geeignet sind, hängt nämlich von dessen Lage im Einzelfall sowie
von dem wirtschaftlichen und politischen Rahmen ab, in dem die betreffenden
Maßnahmen getroffen werden. Im vorliegenden Fall hat die Kommission bei Erlaß
der angefochtenen Entscheidung im Juli 1994 einen gewissen wirtschaftlichen
Aufschwung im Sektor der europäischen Zivilluftfahrt, die Entwicklung recht
günstiger Aussichten für diesen Sektor und das Fehlen einer durch Überkapazitäten
gekennzeichneten strukturellen Krise festgestellt (ABl. S. 81 und 82). Diese
Gegebenheiten konnten rechtfertigen, daß die von der Air France geplanten und
von der Kommission gebilligten Umstrukturierungsmaßnahmen weniger
einschneidend als die Maßnahmen waren, die von anderen Gesellschaften im
Hinblick auf deren spezifische Lage und den spezifischen Zusammenhang
durchgeführt worden waren.
- 287.
- Wie bereits festgestellt worden ist (vgl. Randnr. 267), hat die Kommission es zwar
unterlassen, bei ihrer Untersuchung der Auswirkung der Beihilfe auf den
Wettbewerb und den Handel innerhalb des EWR die Wettbewerbssituation
„Strecke für Strecke“ zu prüfen, und hat daher nicht in bezug auf jede einzelne von
der Air France tatsächlich oder potentiell bediente Verbindung die Bedingungen
eines unmittelbaren oder mittelbaren Wettbewerbs mit anderen Fluggesellschaften
gestellt, sie hat jedoch dem französischen Staat eine Reihe von Bedingungen
auferlegt, durch die der Handlungsspielraum der Air France, insbesondere bei der
Kapazität, dem Sitzplatzangebot und der Festsetzung der Tarife, beschränkt werden
soll (siehe oben, Randnrn. 264 bis 268).
- 288.
- Nach Ansicht des Gerichts liegt diese Grundsatzentscheidung im Rahmen des
Ermessens, über das die Kommission auf diesem Gebiet verfügt. Zum einen ist die
Kommission grundsätzlich befugt, eine Entscheidung, durch die eine Beihilfe gemäß
Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages genehmigt wird, an Bedingungen
zu knüpfen, durch die sichergestellt werden soll, daß die genehmigte Beihilfe die
Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden
Weise verändert (Urteil des Gerichts vom 13. September 1995 in den verbundenen
Rechtssachen T-244/93 und T-486/93, TWD/Kommission, Slg. 1995, II-2265,
Randnr. 55). Zum andern ist die Air France, eine der drei großen europäischen
Fluggesellschaften, innerhalb des gesamten EWR tätig. Die Kommission durfte
daher annehmen, daß die Auswirkungen der Beihilfe nicht im Verhältnis zu dieser
oder jener einzelnen Verbindung oder spezifischen Region zu beurteilen waren,
sondern im Verhältnis zum gesamten EWR. Es erscheint nicht fehlerhaft, zu
diesem Zweck das gesamte Tätigkeitsfeld der Air France mit einem Netz von
Verpflichtungen zu überziehen, das den Schutz aller gegenwärtigen und
potentiellen Wettbewerber der Air France gegen jegliche aggressive Politik
bezweckt, die diese zu verfolgen versucht sein könnte, und zwar um so mehr, als
die Kommission den Mechanismus der Bedingungen für die Genehmigung dadurch
verstärkt hat, daß sie in Artikel 3 Absatz 2 der angefochtenen Entscheidung
vorschreibt, daß die Einhaltung dieser Bedingungen durch unabhängige
Sachverständige überprüft werden soll.
- 289.
- Dieser Schlußfolgerung widerspricht auch nicht die Vorgehensweise, die die
Kommission u. a. in ihren Entscheidungen Aer Lingus (zitiert in Randnr. 55, ABl.
S. 39) und Olympic Airways (zitiert in Randnr. 174, ABl. S. 30 und 35) gewählt hat,
in denen sie tatsächlich eine Bewertung einiger spezifischer von den betroffenen
Fluggesellschaften bedienter Routen vorgenommen hat. Bei diesen beiden
Gesellschaften, die im Verhältnis zur Air France von verhältnismäßig bescheidener
Größe sind, kann eine bestimmte Route in ihren Tätigkeiten nämlich von
ausschlaggebender Bedeutung sein, was rechtfertigt, daß die Prüfung der
Auswirkung einer Beihilfe, die einer dieser Gesellschaften gewährt worden ist, in
dieser Weise konzentriert wird, während das von der Air France beflogene
Streckennetz innerhalb des EWR einen homogeneren Charakter aufweist.
- 290.
- Soweit die Wirksamkeit der dem französischen Staat gestellten Bedingungen vor
dem Gericht bestritten worden ist, und zwar insbesondere im Hinblick auf die für
die Air France bestehenden Möglichkeiten, diese Bedingungen zu umgehen, ist
festzustellen, daß der rechtliche und praktische Nutzen derartiger Bedingnungen
für die Genehmigung darin besteht, daß der betreffende Mitgliedstaat für die
ordnungsgemäße Durchführung der Genehmigungsentscheidung Sorge zu tragen
und die Kommission zu prüfen hätte, ob die Rückforderung der Beihilfe zu
verlangen ist, falls das begünstigte Unternehmen von diesen Bedingungen
abweichen sollte (Urteil des Gerichts von 12. Dezember 1996 in der Rechtssache
T-380/94, AIUFFASS und AKT/Kommission, Slg. 1996, II-2169, Randnr. 128). In
diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 4. Februar 1992
in der Rechtssache C-294/90 (British Aerospace und Rover/Kommission, Slg. 1992,
I-493, Randnr. 11) entschieden, daß die Kommission, wenn der Staat die
Bedingungen, von denen die Kommission eine Entscheidung über die Genehmigung
einer Beihilfe abhängig gemacht hat, nicht beachtet, gemäß Artikel 93 Absatz 2
Unterabsatz 2 des Vertrages in Abweichung von den Artikeln 169 und 170 des
Vertrages den Gerichtshof unmittelbar anrufen kann.
- 291.
- In Anbetracht des Systems, in dem die einer Entscheidung über die Genehmigung
einer Beihilfe zugrunde liegenden Bedingungen ihre Wirkung entfalten, vermag die
bloße Behauptung, daß eine der Bedingungen in Zukunft nicht eingehalten werde,
die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung nicht in Frage zu stellen (Urteil
AIUFFASS und AKT/Kommission, zitiert in Randnr. 290, Randnr. 128). Generell
kann die Rechtmäßigkeit einer Gemeinschaftshandlung weder von gegebenenfalls
bestehenden Umgehungsmöglichkeiten noch von rückschauenden Betrachtungen
über ihren Wirkungsgrad abhängen (Urteil Schröder, zitiert in Randnr. 81,
Randnr. 14).
- 292.
- Alle Rügen, mit denen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung mit
der Begründung in Zweifel gezogen wird, daß die Kontrolle der Beachtung der dem
französischen Staat auferlegten Bedingungen für die Genehmigung nicht wirksam
sei oder daß die Air France Möglichkeiten habe, diese Bedingungen zu umgehen,
brauchen daher nicht geprüft zu werden, da sie unerheblich sind. Soweit sich später
herausstellen sollte, daß diese Bedingungen nicht in vollem Umfang beachtet
worden sind oder daß es der Air France tatsächlich gelungen ist, sich der Wirkung
dieser Bedingungen mißbräuchlich zu entziehen, so hätte die Kommission
gegebenenfalls anläßlich der Zahlung der zweiten und der dritten Tranche der
Beihilfe zu prüfen, ob der genehmigte Betrag zu kürzen ist, oder zu entscheiden,
ob von der Französischen Republik zu verlangen ist, daß sie die gezahlte Beihilfe
ganz oder teilweise zurückfordert.
- 293.
- Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung kann folglich mit den Rügen
in Zweifel gezogen werden, die dahin gehen, daß die Bedingungen für die
Genehmigung ihrem Wesen nach offensichtlich ungeeignet und insbesondere ihrer
Tragweite nach rechtlich unzureichend gewesen seien.
- 294.
- Das Gericht ist der Ansicht, daß die Kommission entgegen der in diesem
Zusammenhang von der Klägerin in der Rechtssache T-394/94 erhobenen Rüge
durch die Beschränkung der Geltung der Mehrzahl dieser Bedingungen auf die
Laufzeit des Umstrukturierungsplans keinen Fehler begangen hat. Es liegt nämlich
auf der Hand, daß die Einschränkungen, die zur Begrenzung der Auswirkungen derBeihilfe vorgeschrieben worden waren, nicht endlos gelten konnten. Unter den
Umständen des vorliegenden Falles erscheint es nicht willkürlich, das Ende der
Geltungsdauer dieser Bedingungen mit dem Ende der Durchführung des
Umstrukturierungsplans zusammenfallen zu lassen.
- 295.
- Im Lichte der vorstehenden Erwägungen sind sodann die Rügen zu prüfen, die sich
gegen einige spezifische Bedingungen für die Genehmigung richten. Diese Prüfung
wird letztlich zeigen, ob die Kommission anstatt die Beihilfe zu genehmigen und
ihre Entscheidung an mehrere Bedingungen für die Genehmigung zu knüpfen
hätte entscheiden müssen, daß die Beihilfe die Handelsbedingungen in einer dem
gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise veränderte.
- 296.
- Unter diesem Vorbehalt kann die Rüge, die von der Kommission für die
Untersuchung der Auswirkungen der Beihilfe auf das gemeinsame Interesse
gewählte Methode sei falsch gewesen, nicht durchgreifen.
a) Zur Bedingung Nr. 1
- 297.
- Durch diese Bedingung werden die französischen Behörden verpflichtet, für
folgendes Sorge zu tragen:
„Die gesamte Beihilfe kommt ausschließlich Air France zugute. Unter Air France
sind die Compagnie Nationale Air France und alle Gesellschaften, an denen sie mit
mehr als 50 % beteiligt ist mit Ausnahme von Air Inter , zu verstehen. Um
einen Transfer der Beihilfe an Air Inter auszuschließen, wird bis zum 31. Dezember
1994 eine Holding gegründet, die an den Fluggesellschaften Air France und Air
Inter Mehrheitsbeteiligungen halten wird. Zwischen den Unternehmen des
Konzerns finden weder vor noch nach der tatsächlichen Gründung der Holding
finanzielle Transfers statt, die den Rahmen normaler geschäftlicher Beziehungen
sprengen. Alle Dienstleistungen und Übertragungen von Sachwerten zwischen den
Gesellschaften werden daher zu marktüblichen Preisen erfolgen; keinesfalls wird
Air France Air Inter Vorzugstarife einräumen.“
Vorbringen der Klägerinnen
- 298.
- Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe dadurch, daß sie die Air Inter
nicht in ihre Beurteilung einbezogen habe, einen Fehler begangen, durch den die
Bedingungen für die Genehmigung der Beihilfe inhaltlich ausgehöhlt worden seien.
Zum Beispiel werde die von der Air France geforderte geringfügige Reduzierung
der Kapazität dadurch sehr stark erleichtert, daß die Air Inter unbegrenzte
Möglichkeiten besitze, ihre Kapazität zu erhöhen. Die Kommission habe zu
Unrecht angenommen, daß die Struktur der geplanten Holding die Air Inter daran
hindere, in irgendeiner Weise von der Beihilfe zu profitieren. Die Air Inter und die
Air France stellten eine wirtschaftliche Einheit dar, so daß sie für die Anwendung
der gemeinschaftsrechtlichen Regeln für staatliche Beihilfen als ein einziges
Unternehmen zu betrachten seien. Die Änderung des Verhältnisses zwischen der
Air France und der Air Inter, bei dem es sich nicht mehr um ein Verhältnis
zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft, sondern um ein solches
zwischen zwei von derselben Holding kontrollierte Gesellschaften handele, ändere
nichts an dieser Schlußfolgerung. Gleichzeitig sei ein Wettbewerb zwischen der Air
France und der Air Inter undenkbar, da sie die gleichen wirtschaftlichen Interessen
hätten.
- 299.
- In diesem Zusammenhang stellen die Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94
gestützt auf im August und im September 1994 in der Presse erschienene Artikel
fest, daß Präsident der Holding Christian Blanc sein werde, der seinen Posten als
Präsident der Air France behalten werde; 14 weitere Direktoren würden aus dem
Kreis der Direktoren und Angestellten der Air France und der Air Inter
ausgewählt. der Präsident der Air Inter werde auch dem Verwaltungsrat der
Holding angehören und sei im übrigen zum Präsidenten des neuen Zentrums der
Air France für dessen europäische Tätigkeiten, dem „Centre de Résultat Europe“,
ernannt worden. Die Air Inter werde mit dem „Centre de Résultat Europe“ der
Air France unmittelbar nach dem Ende der Laufzeit des Umstrukturierungsplans,
d. h. am 1. Januar 1997, fusionieren. In der Zwischenzeit habe die Air Inter damit
begonnen, einige europäische Routen der Air France an deren Stelle zu betreiben.
Im übrigen hielten die Air France und die Air Inter Anteile an denselben
Unternehmen und hätten ihre Zusammenarbeit auf mehreren Gebieten verstärkt.
Darüber hinaus habe die Kommission selbst die Air Inter als einen zum
Kernbereich der Air France gehörenden Vermögensbestandteil bezeichnet, der
nicht habe veräußert werden können.
- 300.
- Aufgrund der Tatsache, daß die Air Inter zu demselben Konzern wie die Air
France gehöre sowie aufgrund der Erklärung, daß die Air Inter mit der Air France
fusionieren werde, könne die Air Inter auf die Beihilfe „rechnen“. Dadurch könne
die Air Inter den Banken die Gewißheit geben, daß ihre Finanzierung mit
verhältnismäßig geringen Risiken verbunden sei und daß ihre Verpflichtungen nach
der Fusion von der neuen Gesellschaft eingelöst werden würden.
- 301.
- Soweit die Kommission in der angefochtenen Entscheidung vorgeschrieben habe,
daß zwischen den beiden Gesellschaften des Konzerns nur normale geschäftliche
Beziehungen bestehen dürften, könne diese Bedingung die Air Inter nicht daran
hindern, von der streitigen Beihilfe zu profitieren. Es gebe nämlich zahlreiche
Formen, in der zwei Gesellschaften desselben Konzerns insbesondere wenn sie
gemeinsame Tätigkeiten und Tochtergesellschaften hätten Güter und
Dienstleistungen zu Bedingungen austauschen könnten, die keinen Bezug zu den
marktüblichen Bedingungen hätten, ohne daß irgendeine Möglichkeit bestehe, dies
zu überprüfen.
- 302.
- In diesem Zusammenhang biete das französische Steuerrecht, insbesondere die
steuerliche Theorie vom „acte anormal de gestion“ („ungewöhnliche
Geschäftsführungshandlung“), die sich auf die von den Gewinnen innerhalb eines
Konzerns absetzbaren Aufwendungen beziehe, kein Mittel, um zu überprüfen, ob
die Air Inter weder unmittelbar noch mittelbar von der der Air France gewährten
Beihilfe profitieren werde. Unmittelbare Transfers wie die Gewährung finanzieller
Vergünstigungen durch Provisionen oder Vorzugspreise von seiten der Air France
gegenüber der Air Inter im Vorgriff auf die Fusion zwischen den beiden
Gesellschaften könnten nämlich nicht als ungewöhnliche
Geschäftsführungshandlungen angesehen werden.
- 303.
- Außerdem sei der Anwendungsbereich der aufgestellten Bedingungen insoweit
beschränkt, als er sich nicht auf die Übertragung von rentablen europäischen
Strecken und „Slots“ durch die Air France auf die Air Inter erstrecke.
- 304.
- Was den Austausch von Slots zwischen der Air France und der Air Inter angehe,
so erfolge ein derartiger Austausch zwischen Fluggesellschaften häufig. Ein
Flughafenslot sei nämlich ein wesentlicher Vermögensbestandteil, der es einer
Fluggesellschaft ermögliche, eine bestimmte Route zu betreiben. Es bestehe daher
ein Markt, auf dem die Slots ausgetauscht würden. Es gebe jedoch keinen
„Marktpreis“. Die zu demselben Konzern gehörenden Fluggesellschaften könnten
Slots austauschen, um eine Konzernstrategie umzusetzen. Die Strategie des Air-France-Konzerns gehe aber dahin, die Tätigkeit der Air Inter bis zu der für den 1.
Januar 1997 vorgesehenen Fusion außerhalb der französischen Grenzen nach
Europa und darüber hinaus auszudehnen. Die Air France könne daher der Air
Inter sehr wohl einen sehr rentablen Slot in der Zeit der Verkehrsspitze zum
Betrieb einer bestimmten Route übertragen. Aus diesem Grund sei die von der
Kommission vorgeschriebene Bedingung, mit der die Trennung zwischen der Air
France und der Air Inter aufrechterhalten werden solle, wirkungslos.
- 305.
- Was die Gesamtheit der Routen angehe, habe die Air Inter dadurch, daß sie vorab
von der Air France erfahren könne, welche Routen diese aufgeben wolle, einen
erheblichen Vorteil gegenüber ihren unabhängigen Wettbewerbern. Dadurch könne
die Air Inter nämlich die Übernahme einer bestimmten Route vorbereiten, um
dann bereit zu stehen, wenn die Air France öffentlich bekanntgebe, daß sie sich
von der betreffenden Route zurückziehen werde. Außerdem stelle der Umstand,
daß die Air Inter die Infrastruktur der Air France in den betreffenden Flughäfen
und Ländern nutzen könne, einen weiteren wichtigen Vorteil gegenüber
konkurrierenden Gesellschaften dar, die auf diesen Routen Fuß fassen wollten.
- 306.
- Aus diesen Gründen könne die Air France ihre Routen tatsächlich an die Air Inter
übertragen. Diese Feststellung werde durch im September 1994 in der Presse
erschienene Artikel veranschaulicht, in denen offizielle Erklärungen der Air France
wiedergegeben seien (Anlage 33 zur Klageschrift). Darüber hinaus sehe eine
Vereinbarung von 1992 zwischen der Air France und der Air Inter den Übergang
des Flugpersonals der Air France auf die Air Inter für alle europäischen Routen
vor, deren Betrieb die Air Inter übernehmen solle. Dabei handele es sich um eine
Art von Vereinbarung, die zwei unabhängige Fluggesellschaften im Rahmen des
EWR nicht hätten abschließen können.
- 307.
- Um die von der Air France und der Air Inter verfolgte Konzernstrategie zu
demonstrieren, verweisen die Klägerinnen auf den „ABC World Airways Guide“
vom Juni 1994, in dem die Flugpläne zahlreicher in der ganzen Welt tätiger
Fluggesellschaften wiedergegeben sind. Darin seien die Flüge der Air Inter unter
dem Code „AF“ zusammengefaßt. Durch die Verwendung des Codes „AF“ könne
eine Route, die aus einem Inlandsflug der Air Inter und einem internationalen Flug
der Air France bestehe, als ein einziger Flug ohne Zwischenlandung dargestellt
werden, wodurch dieser Flug im elektronischen Reservierungssystem Vorrang
erhalte.
- 308.
- Die Maersk-Gesellschaften fügen hinzu, das spätere Verhalten der Air France und
ihres Konzerns zeige die Nichtbeachtung der Bedingungen, durch die der Air Inter
ihre kommerzielle und finanzielle Selbständigkeit habe erhalten werden sollen. Bei
den Flugnummern der Air Inter werde nämlich der Informatikcode der Air France
zur Koordinierung der elektronischen Reservierungssysteme übernommen; die Air
Inter nehme den Namen der zukünftigen europäischen Gesellschaft des Konzerns
an und biete ihr vereinfachtes Produkt und ihre niedrigen Tarife auf zahlreichen
europäischen Routen, im wesentlichen von Orly aus, an. Darüber hinaus lasse sich
die von der Air Inter vorgenommene Preissenkung nur dadurch erklären, daß alle
Verluste der Air Inter in wenigen Jahren von der Air France übernommen würden;
diese werde in der Zwischenzeit die Beihilfe erhalten haben und werde daher, was
die Übernahme derartiger Verluste angehe, in einer besseren Stellung sein.
- 309.
- Die Streithelferinnen tragen außerdem vor, die Air France und die Air Inter hätten
am 2. Januar 1995 das erste Flugzeug in einem neuen gemeinsamen Regional- und
Zubringerdienst eingesetzt, der sich „Air France Air Inter Express“ nenne. Nach
der eigenen Dokumentation der Air France sei dieses neue gemeinsame Vorgehen
Ausdruck einer gemeinsamen Politik mit Blick auf die Fusion der beiden
Gesellschaften. Daß ein gewisser Grad der Integration der Flotten bereits erreicht
sei, zeige nicht nur, daß die Kommission sich geirrt habe, als sie angenommen
habe, daß die Air Inter nicht durch die Beihilfe begünstigt werde, sondern auch,
daß die Maßnahmen, mit denen alle Nebenwirkungen dieser Beihilfe hätten
ausgeschlossen werden sollen, unzureichend seien.
- 310.
- Im übrigen führten Fluggesellschaften, die eine Umstrukturierung vornähmen,
normalerweise Kostensenkungsprogramme im gesamten Konzern ein, um damit zu
einer Verringerung der Verluste beizutragen. Die Air France könne dank der
streitigen Beihilfe vermeiden, von der Air Inter einen solchen Beitrag fordern zu
müssen. Infolgedessen sei die Air Inter in der Lage, die gegenwärtige Entwicklung
ihrer Tätigkeiten zu finanzieren, während sie ohne Beihilfe gezwungen gewesen
wäre, Sparmaßnahmen durchzuführen. Die Beihilfe komme daher der Air Inter
zumindest mittelbar zugute.
- 311.
- In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen in der Rechtssache
T-371/94 darauf hingewiesen, daß die streitige Beihilfe nach der Bedingung Nr. 1
für die Air France sowie für alle Gesellschaften bestimmt gewesen sei, an denen
die Air France mit mehr als 50 % beteiligt gewesen sei. Diesen solle die Beihilfe
also zugute kommen. Diese Gesellschaften hätten jedoch alle nicht umstrukturiert
zu werden brauchen oder sie hätten, wenn sie einer Umstrukturierung bedurft
hätten, keinen Umstrukturierungsplan vorgelegt. Die Genehmigung der Beihilfe
zugunsten der Air France und ihrer 80 Tochtergesellschaften sei daher
offensichtlich rechtswidrig, insbesondere was die Tochtergesellschaften angehe, die
nicht im Luftverkehrssektor tätig seien.
- 312.
- Die Kommission, die Französische Republik und die Air France machen geltend,
diese Rügen seien nicht begründet.
Würdigung durch das Gericht
- 313.
- Was das Vorbringen angeht, die Bedingung Nr. 1 sei inhaltlich nicht geeignet
gewesen, weil durch die Nichteinbeziehung der Air Inter in den
Anwendungsbereich der angefochtenen Entscheidung die wirtschaftlichen
Realitäten, insbesondere die wirtschaftliche Einheit, die die Air France und die Air
Inter bildeten, verkannt worden seien, ist darauf hinzuweisen, daß die streitige
Beihilfe die doppelte Zielsetzung hatte, zur Entschuldung der Air France und zurFinanzierung des am 31. Dezember 1996 auslaufenden Umstrukturierungsplans
beizutragen. Bei der Genehmigung der Beihilfe hatte die Kommission deshalb dafür
Sorge zu tragen, daß die Erreichung dieser Ziele nicht durch die zwischen der
Compagnie nationale Air France und der Air Inter innerhalb des Air-France-Konzerns bestehenden Beziehungen, insbesondere durch die unmittelbare oder
mittelbare Weiterleitung eines Teils der Beihilfe an die Air Inter gefährdet würde.
Darüber hinaus hatte die Kommission, wie oben dargelegt worden ist (Randnr. 214
bis 216), zu berücksichtigen, daß die Air Inter einen wichtigen strategischen
Vermögensteil der Air France darstellte, so daß von den beiden Gesellschaften
nicht verlangt werden konnte, sich vollständig und endgültig voneinander zu
trennen.
- 314.
- Unter diesen Umständen durfte die Kommission im Rahmen ihres weiten
Ermessens annehmen, daß die Air France und die Air Inter für die Anwendung der
spezifischen Regelung der staatlichen Beihilfen rechtlich und finanziell unabhängige
Gesellschaften darstellen würden. Dieser Holdingmechanismus verbunden mit
dem System der Prüfung durch unabhängige Sachverständige und der Staffelung
der Zahlung der Beihilfe in drei Tranchen gemäß Artikel 2 der angefochtenen
Entscheidung konnte nämlich als ein ausreichendes und geeignetes Mittel
angesehen werden, um sicherzustellen, daß die Beihilfe nur der Air France zugute
kommen werde, und um die rechtliche Struktur der Air France und der Air Inter
umzuwandeln, bei denen an die Stelle der Abhängigkeit zwischen
Tochtergesellschaft und Muttergesellschaft das Verhältnis zwischen unabhängigen
Schwestergesellschaften trat.
- 315.
- Die rechtliche und finanzielle Trennung der beiden Gesellschaften im Sinne der
Regelung über staatliche Beihilfen wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß sie
Tochtergesellschaften und Mitglieder ihrer Führungsmannschaften miteinander
gemeinsam haben, noch dadurch, daß ihre Interessen im Luftverkehr in die gleiche
Richtung gehen. Dabei handelt es sich um rein tatsächliche Gesichtspunkte, die die
Kommission und die unabhängigen Sachverständigen allenfalls dazu veranlassen
können, bei ihrer in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen
Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung des Umstrukturierungsplans und der
Erfüllung der an die Genehmigung der Beihilfe geknüpften Bedingungen besonders
wachsam zu sein.
- 316.
- Das gleiche gilt, was die für den 1. Januar 1997 geplante Fusion der beiden
Gesellschaften angeht. Unabhängig davon, daß die Kommission im Juli 1994 nicht
über einen spezifischen und detaillierten Plan einer solchen Fusion verfügte, den
sie in der angefochtenen Entscheidung hätte berücksichtigen können, ist
festzustellen, daß die Möglichkeit, sich am Ende des Umstrukturierungszeitraums
wieder dem Air-France-Konzern anzuschließen, keineswegs auf die Gesellschaft Air
Inter beschränkt war. In dieser Hinsicht unterschied diese sich nicht von jeder
anderen von der Air France im Sinne der Regelung über staatliche Beihilfen
unabhängigen Fluggesellschaft. Im übrigen liegt es auf der Hand, daß die Air
France wie jedes Unternehmen, das eine staatliche Beihilfe erhalten hat, seine
Handlungsfreiheit zurückerhalten mußte, sobald die Phase der Umstrukturierung
mit den von der Kommission auferlegten Beschränkungen abgeschlossen war.
- 317.
- Zwar wird in der Begründung der angefochtenen Entscheidung als solcher weder
auf die tatsächliche gegenseitige Abhängigkeit der Air France und der Air Inter
noch auf die Aussichten einer etwaigen Fusion der beiden Gesellschaften
eingegangen. Nach Ansicht des Gerichts machte jedoch die Erwähnung der
Holding, deren Folge darin bestand, daß die rechtliche Unabhängigkeit der
Gesellschaften sichergestellt wurde, jede weitere Begründung in dieser Hinsicht
überflüssig. In der allgemeinen Systematik der Entscheidung stellt die Air Inter
nämlich eine selbständige Gesellschaft dar, die von der Begünstigung durch die
Beihilfe ausgeschlossen ist. Für die Dauer dieser Selbständigkeit ist sie folglich wie
jede andere durch die Beihilfe nicht begünstigte und von der Air France
unabhängige Fluggesellschaft zu behandeln.
- 318.
- Was den Austausch von Routen und Slots zwischen der Air France und der Air
Inter angeht, ist festzustellen, daß diese Transaktionen keine Besonderheit der
Beziehungen zwischen diesen beiden Gesellschaften darstellen. Es handelt sich
vielmehr um eine bei allen Fluggesellschaften gängige Praxis. So hat die Air France
wie die französische Regierung in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen
erklärt hat 1996 auf dem Flughafen Paris (CDG) 50 Slots mit etwa 30 nicht zum
Air-France-Konzern gehörenden Gesellschaften ausgetauscht, davon zwei mit der
British Airways, einen mit der British Midland und einen mit der KLM. Mit der Air
Inter habe es während der Wintersaison 1994/95 keinen Austausch gegeben; ein
einziger Austausch habe für die Sommersaison 1995 und vier für die Wintersaison
1995/96 stattgefunden. Was den Austausch von Routen angeht, hat die französische
Regierung angegeben, daß die Route ParisDresden von der Lufthansa
übernommen worden sei, nachdem die Air France sie aufgegeben habe, während
die Jersey Air European die Route ParisGlasgow und die Crossair die Route
BordeauxGenf übernommen habe.
- 319.
- In diesem Zusammenhang ist hinzuzufügen, daß eine etwaige Übertragung von
rentablen Routen und Slots durch die Air France an die Air Inter im Austausch für
nicht rentable Routen und Slots der Umstrukturierung, so wie sie die Air France
in ihrem Plan selbst konzipiert hat, zuwiderlaufen und die Erreichung der in der
angefochtenen Entscheidung festgelegten betrieblichen und Produktivitätsziele
gefährden würde. Die Kommission durfte daher annehmen, daß der durch Artikel
2 der angefochtenen Entscheidung geschaffene Kontrollmechanismus ausreichte,
um einen solchen wenig wahrscheinlichen Vorgang regeln zu können.
- 320.
- In bezug auf das Vorbringen, daß die Air Inter durch die Beihilfe, ohne die die Air
France von der Air Inter einen finanziellen Beitrag zu ihrer Umstrukturierung hätte
fordern müssen, zumindest mittelbar begünstigt sei, ist darauf hinzuweisen, daß die
Kommission es im Rahmen ihres weiten Ermessens für gerechtfertigt halten durfte,
daß die umstrukturierte Gesellschaft Air France auf dem Niveau der beiden
anderen größten europäischen Gesellschaften bleiben sollte (siehe oben,
Randnr. 209) und daß die Air Inter einen strategisch wichtigen und damit
unveräußerlichen Vermögensteil der Air France darstellte (siehe oben,
Randnrn. 214 bis 216). Die Kommission durfte folglich davon ausgehen, daß diese
Stellung der Air France geschwächt worden wäre, wenn die Air Inter anstelle der
Genehmigung der Beihilfe in Verbindung mit der Errichtung der oben
beschriebenen Holding eigene Mittel hätte freimachen oder sich selbst hätte
verschulden müssen, um zur Finanzierung der Umstrukturierung der Air France
beizutragen. Unter diesen Umständen kann die Air Inter nicht als durch die
Beihilfe mittelbar begünstigt angesehen werden.
- 321.
- Das Vorbringen, die Kontrolle der Einhaltung der Bedingung Nr. 1 sei wirkungslos
oder diese Bedingung könne von der Air France umgangen werden, kann die
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung als solche nicht berühren, da es
sich nur auf die Phase nach dem Erlaß dieser Entscheidung oder sogar nach dem
für die Umstrukturierung der Air France vorgesehenen Zeitraum bezieht (siehe
oben, Randnr. 292). Aus demselben Grund ist auch das gesamte Vorbringen der
Klägerinnen und der zur Unterstützung ihrer Anträge dem Verfahren beigetretenen
Streithelfer zum Verhalten der Air France und/oder der Air Inter nach dem Erlaß
der angefochtenen Entscheidung unbeachtlich (siehe oben, Randnr. 81).
- 322.
- Was die in bezug auf das französische Steuerrecht aufgeworfenen Kontrollprobleme
angeht, genügt die Feststellung, daß die unabhängigen Sachverständigen die
gemäß Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung damit betraut werden, die
ordnungsgemäße Durchführung des Umstrukturierungsplans und die Einhaltung der
an die Genehmigung der Beihilfe geknüpften Bedingungen zu überprüfen
keineswegs auf die Grundbegriffe des französischen Steuerrechts beschränkt sind,
sondern daß es ihnen freisteht, nach den von ihnen als geeignet angesehenen
wirtschaftlichen, finanziellen und buchhalterischen Methoden zu kontrollieren, ob
die rechtliche und finanzielle Abschottung zwischen der Air France und der Air
Inter undurchlässig ist. Bei der Durchführung der Vereinbarung von 1992, die den
Übergang des fliegenden Personals der Air France auf die Air Inter während der
Geltungsdauer der durch die angefochtene Entscheidung gestellten Bedingungen
für die Genehmigung vorsieht, werden diese Bedingungen natürlich zu beachten
sein, insbesondere die Bedingung Nr. 1, wonach alle Dienstleistungen zwischen der
Air France und der Air Inter zu marktüblichen Preisen zu erbringen sind, wobei
die Kontrolle der Einhaltung dieser Bedingungen in die Phase nach Erlaß der
angefochtenen Entscheidung fällt.
- 323.
- Soweit geltend gemacht worden ist, daß die Bedingung Nr. 1 die Zahlung der
Beihilfe an die Tochtergesellschaft der Air France zugelassen habe, für die keine
Umstrukturierungsverpflichtung bestanden habe, genügt schließlich die Feststellung,
daß die Bedingung Nr. 6 vorschreibt, daß die Beihilfe ausschließlich von der Air
France „zu Umstrukturierungszwecken“ zu verwenden ist, was der Air France
verbietet, die Beihilfe Tochtergesellschaften zugute kommen zu lassen, die nicht zur
Umstrukturierung verpflichtet sind. Was die Air Charter betrifft, die im übrigen
Gegenstand der Bedingungen Nrn. 12 und 13 ist, ist darauf hinzuweisen, daß der
Charterbereich der Air France durch den streitigen Umstrukturierungsplan erfaßt
ist (S. 22 des Planes). Das Gericht ist der Ansicht, daß die Kommission sich bei der
Ausübung ihres weiten Ermessens auf diese allgemeine Regelung, die durch den
Kontrollmechanismus des Artikels 2 der angefochtenen Entscheidung verstärkt
wird, beschränken und annehmen durfte, daß nur die wesentlichen die Air France
selbst, die Air Inter und die Air Charter betreffenden Fragen einer detaillierteren
Regelung bedurften.
- 324.
- Die gegen die Bedingung Nr. 1 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.
b) Zur Bedingung Nr. 3
- 325.
- Nach dieser Bedingung sind die französischen Behörden verpflichtet, dafür Sorge
zu tragen, daß die Air France die vollständige Durchführung des Planes in seiner
der Europäischen Kommission am 18. März 1994 übermittelten Fassung fortsetzt,
insbesondere was die in ERPK je Beschäftigten ausgedrückten
Produktivitätsvorgaben während der Laufzeit des Umstrukturierungsplans angeht:
1994: 1 556 200 ERPK je Beschäftigten,
1995: 1 725 500 ERPK je Beschäftigten,
1996: 1 829 200 ERPK je Beschäftigten.
- 326.
- Außerdem hat die Kommission angegeben, daß der Effizienzindikator ERPK die
pro Beschäftigten erbrachten Passagierkilometer und Tonnenkilometer wiedergibt
(wobei ein geleisteter Tonnenkilometer für Vergleichszwecke dem Ertrag nach mit
3,5 Passagierkilometern gleichgesetzt wird). Dieser Indikator soll repräsentativ für
die Gesamthöhe der Nachfrage nach Personen- und Frachtbeförderungsleistungen
sein (ABl. S. 83).
Vorbringen der Klägerinnen
- 327.
- Die Klägerinnen sind der Ansicht, der ERPK sei keine verläßliche Maßeinheit.
Wegen der Unterschiedlichkeit der Tätigkeiten der Verkehrsunternehmen sei es
sehr schwierig, eine einzige kombinierte Maßeinheit zu entwickeln, bei der alle
Parameter zuverlässig berücksichtigt werden könnten. Im Idealfall müsse folglich
ein breites Spektrum von Indikatoren verwendet werden, um die Leistung in
verschiedenen spezifischen Bereichen des Luftverkehrssektors zu messen. Die
Kommission habe gegen diese grundlegende Regel dadurch verstoßen, daß sie die
gegenwärtige und zukünftige Produktivität der Air France mit Hilfe einer einzigen
Maßeinheit, nämlich des ERPK, beurteile, die, soweit den Klägerinnen bekannt, im
Luftverkehrsmarkt niemals verwendet werde.
- 328.
- Die Klägerinnen tragen vor, sie selbst mäßen ihre Produktivität normalerweise auf
der Grundlage der „geleisteten Tonnenkilometer“ pro Beschäftigten oder der
geleisteten „Passagierkilometer“ pro Beschäftigten, ohne diese Einheiten
miteinander zu verbinden. Eine Maßeinheit wie der ERPK, bei der
Passagierkilometer und Tonnenkilometer miteinander vermischt würden, verdopple
die Bedeutung der Passagiere. Außerdem würden in dieser Maßeinheit ganz
unterschiedliche Dienstleistungen zusammengefaßt, nämlich die Fracht- und die
Passagierbeförderung. Je höher der Anteil der beförderten Fracht sei, desto
niedriger seien die Stückkosten, insbesondere wenn eine Gesellschaft Flugzeuge
betreibe, die nur Fracht beförderten. Dies trage dazu bei, eine Gesellschaft, die
Fracht befördere, im Verhältnis zu einer Gesellschaft, die Reisende befördere, als
außerordentlich leistungsfähig erscheinen zu lassen.
- 329.
- Da der ERPK lediglich das Produkt aus der Zahl der beförderten Passagiere
(einschließlich der in Anzahl Passagiere umgerechneten Fracht) und der Zahl der
zurückgelegten Kilometer wiedergebe, bestehe ein einfaches Mittel, die Zahl der
ERPK aufzublähen, im übrigen darin, Langstreckenrouten zu bedienen, was die
Zahl der zurückgelegten Kilometer erhöhe. Die vorliegenden Statistiken legten den
Gedanken nahe, daß die Air France dabei sei, gerade dies auf den
Transatlantikrouten zu tun: Sie erhöhe ihre Kapazität, und zwar obwohl alle
anderen Fluggesellschaften ihre Kapazitäten verringerten. Darüber hinaus ergebesich aus dieser Maßeinheit keine Angabe über die Rentabilität der Tätigkeiten
einer Fluggesellschaft, weil die Multiplikation der Passagierzahl mit der Zahl der
zurückgelegten Kilometer nichts über die sich daraus ergebenden Einnahmen und
die Kosten der Beförderung der Passagiere aussage. Die Air France könne folglich
Ergebnisse präsentieren, die hinsichtlich der Passagierzahl multipliziert mit den
zurückgelegten Kilometern zufriedenstellend seien, ihre Einnahmen blieben aber
dennoch nicht weniger katastrophal.
- 330.
- Selbst wenn der ERPK eine geeignete Maßeinheit wäre, begründeten schließlich
eine Reihe von Faktoren Zweifel an der Verläßlichkeit dieser Einheit. Zunächst
habe die Kommission in ihrer Mitteilung vom 3. Juni 1994 bei der Produktivität der
Air France nur vom „Sitzkilometerangebot“ gesprochen. Sodann habe die
Kommission in ihrer Entscheidung 94/662 (zitiert in Randnr. 145) die Produktivität
der Air France nur nach Beschäftigten pro Flugzeug, beförderten Passagieren je
Beschäftigten, und bezahlten Passagierkilometern je Beschäftigten bemessen. Es
gebe letztlich keinen Konsens über ein „richtiges“ Umrechnungskriterium für die
Erträge aus der Frachtbeförderung und die Erträge aus der Passagierbeförderung.
- 331.
- Ferner würden bei den Produktivitätszahlen der Air France die Dienstleistungen
nicht berücksichtigt, die von den Besatzungen „naß“ gemieteter Flugzeuge erbracht
würden, d. h. der Miete von Flugzeugen mit Besatzung, und auch nicht die
Dienstleistungen des Personals von Subunternehmern. Die „je Beschäftigten“
gemessene Produktivität werde nämlich künstlich aufgebläht, wenn Personen, die
nicht zur Belegschaft der Air France gehörten, in Wirklichkeit zu deren
Produktivität beitrügen. Gegenwärtig miete die Air France bei mehreren
Gesellschaften Flugzeuge „naß“. Die für die Zahlung der drei Tranchen der
Beihilfe geforderten Schwellenwerte in ERPK je Beschäftigten konnten sehr wohl
dadurch erreicht werden, daß einfach der Umfang der „Naßmiete“ oder der
Subunternehmerverträge erhöht werde, da die durch die Kommission auferlegten
Verpflichtungen diese Möglichkeit nicht ausschlössen. In diesem Zusammenhang
tragen die Klägerinnen vor, daß die Air France bei der TAT komplette Flugzeuge
mit Besatzung miete, d. h. nicht nur das technische Flugpersonal. Darüber hinaus
habe die Air France ganze Flugzeuge mit Besatzung bei der Air Littoral und bei
der Brit'Air gemietet und miete sie auch weiterhin.
- 332.
- Schließlich vertreten die Klägerinnen die Ansicht, die Produktivitätszielvorgaben in
der Bedingung Nr. 3 seien im Verhältnis zu den Werten, die andere
Fluggesellschaften erreichten, zu niedrig. In diesem Zusammenhang werfen sie der
Kommission vor, diese habe sich darauf beschränkt, die Produktivität der Air
France mit derjenigen zu vergleichen, die sieben andere europäische
Fluggesellschaften 1996 hätten erreichen sollen (ABl. S. 83). Zu dieser Gruppe
gehörten die Alitalia und die Iberia, die sich in ganz erheblichen Schwierigkeiten
befänden und deren Zukunft ungewiß sei. Die Kommission habe zu diesen sieben
Fluggesellschaften noch zwei andere Gesellschaften, die SAS und die Swissair,
hinzugenommen, die im Durchschnitt viel kürzere Routen als die Air France
bedienten und deren Produktivität daher als ungewöhnlich niedrig erscheine. Nur
ein Vergleich mit Gesellschaften, die ähnliche Tätigkeiten hätten und ähnliche
Entfernungen zurücklegten wie die Air France, sei gerechtfertigt. Um die
Leistungsfähigkeit der Air France auf dem Luftverkehrsmarkt zu messen, wäre es
nützlicher gewesen, ihre zukünftige Produktivität mit derjenigen von „gesunden“
Fluggesellschaften zu vergleichen wie der KLM, der British Airways, der SAS und
der Lufthansa. Auf jeden Fall könne ein solcher Vergleich notwendigerweise nur
approximativ sein, da die Kommission sich keine genaue Vorstellung von den von
dieser Gruppe von Gesellschaften durchgeführten Umstrukturierungsmaßnahmen
habe machen können.
- 333.
- Die Kommission, die Französische Republik und die Air France machen geltend,
diese Rügen seien nicht begründet.
Würdigung durch das Gericht
- 334.
- Die Bedingung Nr. 3 fordert nicht nur die Erreichung der in ERPK ausgedrückten
Produktivitätsvorgaben, sondern verpflichtet die französischen Behörden, dafür zu
sorgen, daß die Air France die vollständige Durchführung ihres
Umstrukturierungsplans fortsetzt; die Zielvorgaben in ERPK werden dabei nur als
spezifisches Beispiel angegeben. In gleicher Weise wird die Zahlung der zweiten
und der dritten Tranche der Beihilfe nach Artikel 2 der angefochtenen
Entscheidung u. a. davon abhängig gemacht, daß der Plan für das Unternehmen
tatsächlich durchgeführt wird und die vorgesehenen Ziele erreicht werden „(u. a.
hinsichtlich der Betriebsergebnisse, der Produktivitätsvorgaben
[ERPK/Beschäftigter] ...)“. Daraus folgt, daß die Verbesserung der
Gesamtproduktivität der Air France nicht ausschließlich in ERPK gemessen werden
wird, sondern auch in bezug auf andere im Umstrukturierungsplan genannte
Zielvorgaben für die Verbesserung der Produktivität zu beurteilen sein wird,
insbesondere in bezug auf die Vorgaben, die die Verringerung des
Personalbestands und der Investitionen, die Einsparungen bei den Anschaffungen,
die Verbesserung des Einsatzes der Arbeitszeit und das Einfrieren der Löhne und
Gehälter betreffen.
- 335.
- Damit ist die Einheit ERPK/Beschäftigter auf ihre wahren Dimensionen
zurückgeführt und es ist festzustellen, daß sie einen Indikator für die physische
Produktivität darstellt, bei dem sowohl die beförderten Passagiere als auch die
beförderte Fracht buchmäßig erfaßt werden, wobei durch die Verwendung des
Umrechnungskoeffizienten 3,5 der wirtschaftlichen Realität Rechnung getragen
wird, in der die Kosten der Beförderung einer Tonne Fracht und der damit
verbundene Personalbedarf weit unter den entsprechenden Werten für die
Passagierbeförderung liegen, während das Umgekehrte für die mit diesen beiden
Beförderungsarten erzielten Einnahmen gilt. Mit dieser Maßeinheit, die die
Bedeutung der Passagiere keineswegs verdoppelt, läßt sich daher feststellen, ob
eine Gesellschaft mit der gleichen Beschäftigtenzahl mehr Passagiere und Fracht
befördert als vorher über insgesamt identische Entfernungen oder ob sie die gleiche
Passagierzahl und Frachtmenge mit weniger Beschäftigten befördert und damit ihre
physische Produktivität verbessert hat.
- 336.
- Es trifft zu die Kommission hat es vor dem Gericht selbst eingeräumt , daß der
ERPK nicht unter allen Umständen ein unfehlbares Kriterium darstellt. So kann
es sein, daß der Umrechnungskoeffizient 3,5 sich im Laufe der Umstrukturierung
der Air France ändert. Es ist jedoch auch eine Tatsache, daß der ERPK besonders
geeignet ist, um die Produktivität einer Gesellschaft wie der Air France zu messen,
bei der die Frachtbeförderung einen wesentlichen Bestandteil der
Luftverkehrstätigkeit in Höhe von 40 % der gesamten Nutzlast darstellt. Außerdem
verwendet die Air France seit 1978 traditionell diese Maßeinheit. Unter diesen
Umständen war die Kommission berechtigt, neben anderen für die Produktivität
der Gesellschaft erheblichen Faktoren den ERPK zu wählen, um die Verbesserung
der Produktivität der Air France zu messen.
- 337.
- Diese Schlußfolgerung wird durch nichts entkräftet, was die Klägerinnen und die
zur Unterstützung der Anträge der Kläger dem Verfahren als Streithelfer
beigetretenen Beteiligten vorgebracht haben.
- 338.
- Was die mangelnde Kohärenz angeht, die der Kommission insoweit vorgeworfen
wird, als der Indikator ERPK sich nicht in der Entscheidung 94/662 (zitiert in
Randnr. 145) finde, die am selben Tag wie die Entscheidung erlassen worden sei,
die Gegenstand der vorliegenden Rechtsstreitigkeiten sei, genügt die Feststellung,
daß in der Entscheidung 94/662 anders als in der im vorliegenden Fall
angefochtenen Entscheidung darauf erkannt wird, daß die der Air France zu einer
früheren Zeit gewährte Beihilfe unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt im
Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages ist, und daß es darin abgelehnt wird,
Artikel 92 Absatz 3 anzuwenden, da es an einem wirklichen Plan zur
Umstrukturierung der Air France fehlt. Unter diesen Umständen stand in der
Entscheidung 94/662 die Festlegung von in ERPK ausgedrückten
Produktivitätsvorgaben für die Air France nicht zur Debatte.
- 339.
- Was die Möglichkeit angeht, die Anzahl ERPK durch eine bloße Steigerung der
zurückgelegten Kilometer künstlich aufzublähen, hat die Kommission zu Recht
vorgetragen, daß es irrational erscheine, wenn die Air France mit dem alleinigen
Ziel, Kilometer zurückzulegen, ungenügend ausgelastete Flugzeuge fliegen lasse
und damit unter der in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung geregelten
Kontrolle der Kommission und der unabhängigen Sachverständigen die erfolgreiche
Durchführung ihres gesamten Umstrukturierungsplans gefährde. Im übrigen
bestehe bei den von den klägerischen Gesellschaften zur Messung ihrer eigenen
Produktivität verwendeten Indikatoren, den Tonnenkilometern und den
Passagierkilometern insoweit das gleiche Manipulationsrisiko, als der Multiplikator
dabei ebenfalls die Anzahl der zurückgelegten Kilometer ist.
- 340.
- Das gleiche gilt für die auf die „Naßmiete“ gestützte Rüge. Zwar läßt sich durch
das Chartern von Flugzeugen mit Besatzung das Verhältnis ERPK:Beschäftigter
insoweit verbessern, als diese Flugzeuge zur Erhöhung des ERPK beitragen, ohne
daß ihre Besatzungen im Nenner des Verhältnisses gezählt werden; diese
Verzerrung ergibt sich jedoch unabhängig davon, welches die Maßeinheit ist, sofern
diese auf die Zahl der Beschäftigten bezogen ist (Sitzkilometerangebot,
Tonnenkilometer), und ist also nicht spezifisch für den ERPK. Außerdem ist die
„Naßmiete“ eine gängige Praxis im Luftverkehrssektor, so daß die Lage der Air
France sich in dieser Hinsicht nicht grundlegend von derjenigen anderer
europäischer Luftverkehrsunternehmen unterscheidet. Schließlich würde die Air
France, wenn sie wirklich zahlreiche Flugzeuge „naß“ mieten würde, unter der
Kontrolle der Kommission und der unabhängigen Sachverständigen die
Durchführung ihres eigenen Umstrukturierungsplans gefährden, der gerade eine
Personalreduzierung, einen besseren Einsatz ihrer Flotte und der Besatzungen
sowie eine Senkung der Kosten vorsieht. Die Kommission war folglich berechtigt,
in diesem Zusammenhang die Auswirkungen etwaiger Fälle von „Naßmiete“ außer
acht zu lassen.
- 341.
- Was die Rüge gegen die Auswahl der sieben Fluggesellschaften für einen Vergleich
ihrer Produktivität mit derjenigen der Air France angeht, durfte die Kommission
nach Ansicht des Gerichts diesen Vergleich auf eine verhältnismäßig hohe Zahl von
Gesellschaften stützen, um so weit wie möglich einen wirklich charakteristischen
Durchschnitt des Sektors zu erreichen. Dabei war sie nicht verpflichtet, nur die
leistungsfähigsten oder die auf Langstreckenverbindungen spezialisierten
Gesellschaften zu wählen, sondern durfte in ihrem Vergleich auch andere
Gesellschaften wie die Alitalia, die Iberia, die SAS und die Swissair in die
Erwägung einbeziehen, daß durch eine solche Betrachtungsweise der Komplexität
des Luftverkehrs insgesamt Rechnung getragen werde. Es ist folglich kein
offenkundiger Beurteilungsfehler bei der Auswahl der sieben Fluggesellschaften
nachgewiesen worden.
- 342.
- Das gleiche gilt schließlich für die Behauptung, daß die Produktivitätsvorgaben in
der Bedingung Nr. 3 zu niedrig seien. Dabei handelt es sich um eine bloße
Behauptung, die nicht durch konkrete Angaben untermauert ist, mit denen ein
offenkundiger Fehler der Kommission in diesem Punkt nachgewiesen werden
könnte. Unter diesen Umständen könne die Kommission sich darauf beschränken,
dieser Behauptung zu widersprechen und festzustellen, daß die
Produktivitätsvorgaben ihrer Beurteilung nach angemessen, ausreichend und
realisierbar gewesen seien.
- 343.
- Nach alledem können die gegen die Bedingung Nr. 3 gerichteten Rügen nicht
durchgreifen.
c) Zur Bedingung Nr. 6
- 344.
- Nach dieser Bedingung sind die französischen Behörden verpflichtet, dafür Sorge
zu tragen, daß die Beihilfe von der Air France während der Laufzeit des Planes
ausschließlich zu Umstrukturierungszwecken und nicht zum Erwerb weiterer
Anteile an anderen Luftverkehrsunternehmen verwendet wird.
Vorbringen der Klägerinnen
- 345.
- Die Klägerinnen sind der Ansicht, diese Bedingung sei inhaltlich unzureichend, da
die Beihilfe im wesentlichen dazu verwendet werde, verschiedene Transaktionen
der Air France zu unterstützen. Die Tragweite der Bedingung werde außerdem
durch die Auslegung eingeschränkt, die die Air France ihr gebe. Nach deren
Auffassung gelte das Verbot des Erwerbs von Beteiligungen am Kapital anderer
Fluggesellschaften weder für die Bezahlung von vor dem Erlaß der angefochtenen
Entscheidung erworbenen Beteiligungen noch für die Erhöhung einer bereits
bestehenden Beteiligung an anderen Fluggesellschaften wie der Beteiligung an der
Sabena. Im übrigen impliziere die in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages
niedergelegte Bedingung, wonach die staatliche Beihilfe nur für die
Umstrukturierung des Empfängers verwendet werden dürfe, schon als solche, daß
der Empfänger keine Beteiligungen an Fluggesellschaften erwerben dürfe. Der
Erwerb von Beteiligungen an anderen Gesellschaften könne nämlich in keinem Fall
als eine Umstrukturierungsmaßnahme angesehen werden.
- 346.
- Die Kommission macht geltend, diese Rügen seien nicht begründet.
Würdigung durch das Gericht
- 347.
- Wie die Kommission vor dem Gericht hervorgehoben hat, verbietet diese
Bedingung nach ihrem Wortlaut die Verwendung der Beihilfe sowohl zum Erwerb
neuer Beteiligungen als auch zur Erhöhung bestehender Beteiligungen. Was das
Vorbringen zur rechtswidrigen Finanzierung von operativen Tätigkeiten und der
letzten Tranche des Kaufpreises der Beteiligung am Kapital der Sabena angeht,
genügt der Hinweis, daß die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen bereits
zurückgewiesen worden sind (siehe oben, Randnrn. 137 bis 141 und 223).
- 348.
- Was schließlich die angebliche Überflüssigkeit der Bedingung Nr. 6 angeht, ist
festzustellen, daß selbst unter der Annahme, daß das Verbot, eine Beihilfe zum
Erwerb von Beteiligungen zu verwenden, bereits in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe
c des Vertrages geregelt ist, der Nutzen einer derartigen Bedingung darin besteht,
daß die Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 2 unmittelbar den
Gerichtshof anrufen kann, ohne verpflichtet zu sein, vorher das Verfahren des
Artikels 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 oder des Artikels 169 einzuleiten (siehe Urteil
British Aerospace und Rover/Kommission, zitiert in Randnr. 290, Randnr. 11).
Außerdem verbietet die Bedingung Nr. 6 nicht nur den Erwerb von Beteiligungen,
sondern schreibt auch die ausschließliche Verwendung der Beihilfe für die Zwecke
der Umstrukturierung der Air France vor.
- 349.
- Die gegen die Bedingung Nr. 6 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.
d) Zur Bedingung Nr. 7
- 350.
- Diese Bedingung verpflichtet die französischen Behörden, dafür Sorge zu tragen,
daß die Zahl der von der Compagnie nationale Air France betriebenen Flugzeuge
während der Laufzeit des Planes nicht auf mehr als 146 erhöht wird.
Vorbringen der Klägerinnen
- 351.
- Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Kommission habe zu Unrecht angenommen,
daß diese Bedingung wirksam sein werde. Sie erfasse nämlich nicht die „Naßmiete“,
mit deren Hilfe die Air France die Zahl der ihr tatsächlich zur Verfügung
stehenden Flugzeuge erhöhen könne. Darüber hinaus habe die Kommission nicht
berücksichtigt, daß die Air France auf dem Umweg über die Air Inter weiter neue
Flugzeuge bestellen und ihre Flotte erweitern könne, und zwar nicht nur, weil die
Zugehörigkeit der Air Inter zum Air-France-Konzern bedeute, daß diese beiden
Gesellschaften bedeutende wirtschaftliche Interessen gemeinsam hätten, sondern
auch wegen ihrer für Anfang 1997 vorgesehenen Fusion. Alle neuen Flugzeuge, die
die Air Inter bestellt und erhalten habe, fielen 1997 der Air France zu. Im übrigen
verbiete nichts der Air France, den Erwerb von Flugzeugen für die Air Inter zu
finanzieren. Die Strategie des Air-France-Konzerns sei darauf gerichtet, aus der Air
Inter ein europäisches Verkehrsunternehmen zu machen. Dazu werde der Betrieb
einiger Routen, die die Air France betrieben habe, gerade auf die Air Inter
übertragen. Ein derartiger Mechanismus bedeute in der Praxis, daß die Air France
ihre Einsatzflotte dadurch über die Zahl von 146 Flugzeugen hinaus erweitern
könne, daß sie auf die Flotte der Schwestergesellschaft zurückgreife, deren
Expansion durch keine Zusicherung beschränkt sei.
- 352.
- Die Kommission macht geltend, diese Rügen seien nicht begründet.
Würdigung durch das Gericht
- 353.
- Was die etwaige „Naßmiete“ von Flugzeugen angeht, ist festzustellen, daß die
Bedingung Nr. 7, wie die Kommission vor dem Gericht erklärt hat, auch für mit
Besatzung gecharterte Flugzeuge gilt. Dadurch, daß diese Bedingung eine
Höchstzahl für die Flugzeuge der von der Air France „betriebenen“ Flotte
vorschreibt, erfaßt sie nicht nur die eigenen Flugzeuge der Air France, sondern
auch die Flugzeuge, die eine andere Gesellschaft der Air France zur Vefügung
stellen wird. Im übrigen ist diese Bedingung zusammen mit dem
Umstrukturierungsplan der Air France zu lesen, der unter der Aufsicht der
Kommission und der unabhängigen Sachverständigen gemäß Artikel 2 der
angefochtenen Entscheidung vorsieht, daß das Sitzplatzangebot gegenüber dem von
1993 leicht gesenkt werden soll (ABl. S. 75).
- 354.
- Was die Verweisungen auf die Air Inter angeht, genügt die Feststellung, daß die
Air Inter für die Dauer der Umstrukturierung der Air France als selbständige
Gesellschaft anzusehen ist, daß für die geschäftlichen Beziehungen zwischen den
beiden Gesellschaften die Bedingung Nr. 1 gilt, daß eine etwaige Umgehung der
der Air France auferlegten Bedingungen auf dem Umweg über die Air Inter die
Kommission zwar dazu veranlassen kann, die Rückforderung der gezahlten Beihilfe
zu verlangen, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung aber nicht
berührt und daß die mögliche Fusion der Air France mit der Air Inter die
letztgenannte Gesellschaft in der gleichen Weise betrifft wie irgendeine von der Air
France unabhängige Fluggesellschaft (siehe oben, Randnrn. 292 und 313 bis 315).
- 355.
- Die gegen die Bedingung Nr. 7 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.
e) Zur Bedingung Nr. 8
- 356.
- Diese Bedingung verpflichtet die französischen Behörden, das Sitzplatzangebot der
Compagnie nationale Air France nicht über das 1993 erreichte Niveau auf den
Routen zwischen Paris und dem Europäischen Wirtschaftsraum (7,045 Milliarden
ASK) und zwischen dem übrigen Frankreich und dem Europäischen
Wirtschaftsraum (1,4134 Milliarden ASK) ansteigen zu lassen. Dieses Angebot
könnte um 2,7 % pro Jahr gesteigert werden, sofern die Wachstumsrate auf den
einzelnen Märkten nicht geringer ist. Liegt die jährliche Wachstumsrate auf diesen
Märkten allerdings über 5 %, so kann das Angebot außer um 2,7 % auch um den
Zuwachs jenseits von 5 % erhöht werden.
Vorbringen der Klägerinnen
- 357.
- Die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 wirft der Kommission vor, diese habe
einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie in der angefochtenen
Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt sei, daß der europäische Luftverkehrssektor
nicht von einer strukturellen Überkapazitätskrise betroffen sei. Dabei habe die
Kommission die früher und heute bestehende Überkapazität nicht berücksichtigt,
obwohl diese vom „Rat der Weisen“ in dessen Bericht über die europäische
Zivilluftfahrt, der im Januar 1994 auf Ersuchen der Kommission selbst erstellt
worden sei, ausdrücklich bestätigt worden sei. Der „Rat der Weisen“ habe
insbesondere die Ansicht vertreten, daß die Überkapazitäten teilweise auf die
gewährten staatlichen Beihilfen zurückzuführen seien. Die These der Kommission,
daß die Überkapazitäten nur von „begrenzter Dauer“ seien, werde daher durch die
eigenen Quellen der Kommission entkräftet.
- 358.
- In einem unter Überkapazitäten leidenden Sektor müsse die Gegenleistung für eine
staatliche Beihilfe in einer Reduzierung des Angebots des Beihilfeempfängers
bestehen, selbst wenn der Markt expandiere. Diese Verpflichtung bleibe bestehen,
auch wenn die Überkapazitäten nur eine vorübergehende Erscheinung seien. Die
Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 sind der Ansicht, daß der Begriff
„rechtfertigender Ausgleich“ eine zentrale Stelle in zahlreichen Entscheidungen der
Kommission einschließlich der Entscheidungen über staatliche Beihilfen an
Kraftfahrzeughersteller aus den 80er Jahren einnehme, in denen der
Kraftfahrzeugmarkt unter Überkapazitäten gelitten, aber ein starkes Wachstum
verzeichnet habe (siehe u. a. die Entscheidung 89/661/EWG der Kommission vom
31. Mai 1989 über eine Beihilfe der italienischen Regierung an Alfa Romeo, ABl.
L 394, S. 9). Außerdem könne der rechtfertigende Ausgleich nicht allein deshalb
vermieden werden, weil der Markt wachse, da man die Gefahr des
Wiederauftretens von Überkapazitäten niemals ausschließen könne. Das Königreich
Dänemark trägt vor, ein Vergleich der (in den Randnrn. 55 und 174 zitierten)
Entscheidungen in den Sachen Sabena, TAP, Aer Lingus und Olympic Airways
zeige, daß in diesen anderen Sachen der Empfänger der staatlichen Beihilfe stets
zu Kapazitätskürzungen verpflichtet worden sei.
- 359.
- Im übrigen erkläre die Kommission zu Unrecht auf der Grundlage der Statistiken
der IATA, in denen eine jährliche Zunahme des Verkehrs um 6 % prognostiziert
werde , daß die Überkapazitäten auf dem Luftverkehrsmarkt bis 1995
verschwinden könnten. Die Statistiken der IATA seien nämlich kaum verläßlich
und ihre Schätzungen seien oft unzutreffend. Darüber hinaus könne die Zunahme
des Verkehrs nicht untersucht werden, ohne die ihr zugrunde liegenden Faktoren
zu berücksichtigen. Auf den Luftverkehrsmarkt sei die gegenwärtige Zunahme des
Verkehrs zu einem großen Teil durch eine Senkung der Tarife und damit durch
eine Verringerung der Erträge unter das für das Überleben zahlreicher
Fluggesellschaften erforderliche Niveau erreicht worden.
- 360.
- Die Air France könne die Air Inter einsetzen, um ihre Kapazitäten und ihren
Marktanteil ohne Einschränkungen bis zur Fusion der beiden Gesellschaften im
Jahre 1997 zu erhöhen. Auch wenn es in diesem Zusammenhang kaum
wahrscheinlich sei, daß die Air France eine größere Zahl von Inlandsrouten
betreiben werde, so liege das an ihrem strategischen Plan, in dessen Rahmen der
Betrieb des Inlandsnetzes und einiger europäischer Routen der Air Inter
übertragen worden sei.
- 361.
- Die Kapazitätsbeschränkungen gälten nur für Routen zwischen Frankreich und
anderen als französischen Zielen innerhalb des EWR. Mit Ausnahme der Route
Paris (CDG)Nizza betreibe die Air France innerhalb des EWR nur die Routen
zwischen Frankreich und den anderen Ländern des EWR. Seit dem Inkrafttreten
der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang
von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des
innergemeinschaftlichen Flugverkehrs (ABl. L 240, S. 8) stehe es den
Luftfahrtunternehmen des EWR frei, alle Strecken zwischen zwei Mitgliedstaaten
des EWR zu betreiben und beschränkte Kabotagedienste in anderen
Mitgliedstaaten als dem eigenen anzubieten. Daraus folge, daß die Air France
gänzlich frei sei, was die Kapazitäten angehe, die sie auf den Strecken zwischen
zwei anderen Mitgliedstaaten des EWR als Frankreich und den Strecken innerhalb
eines anderen Mitgliedstaats des EWR als Frankreich anbieten könne.
- 362.
- Die Bedingung Nr. 8 solle nicht die von der Air France innerhalb Frankreichs
insgesamt angebotenen Kapazitäten erfassen. Darüber hinaus hätten die
Kapazitätsbeschränkungen wenig Bedeutung, weil das Angebot der Air France im
Jahr 1993 dem Referenzjahr ein Rekordniveau erreicht habe. Im übrigen gelte
die Bedingung nur für den Passagierverkehr. Die Kommission erkläre nicht, warum
die Kapazitäten der Air France im Frachtbereich nicht beschränkt würden.
Schließlich hindere die Zusicherung in bezug auf Kapazitätserhöhungen die Air
France nicht daran, auf die „Naßmiete“ zurückzugreifen, um ihre Kapazitäten zu
erhöhen.
- 363.
- Ferner werfen die Klägerinnen der Kommission vor, diese habe einen
offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie einen Zusammenhang zwischen
der Beschränkung der Kapazitäten der Air France und einem Rückgang des
Marktanteils der Air France im EWR hergestellt habe. Die Kommission habe in
der angefochtenen Entscheidung nämlich erklärt, durch das Zurückbleiben des
Angebots der Air France hinter dem Marktzuwachs werde sich „ihr Marktanteil
innerhalb des EWR“ zugunsten ihrer Wettbewerber weiter verkleinern (ABl. S. 87).
Selbst wenn die Höchstgrenze von 2,3 % (d. h. 5 % - 2,7 %) für das Wachstum der
Kapazitäten der Air France gelte, könne diese aber ihren Marktanteil dadurch
erhalten, daß sie ihren Auslastungsgrad einfach um etwas mehr als 1 % erhöhe.
Das Vereinigte Königreich weist auf denselben offensichtlichen Beurteilungsfehler
hin und fügt hinzu, bei einer Erhöhung des Auslastungsfaktors um 3,8 % (ABl.
S. 87) und einer zulässigen Erhöhung der Kapazitäten um 2,7 % ergebe sich, daß
die Passagierzahlen der Air France um 6,6 % zunehmen müßten (d. h. 1,038 x
1,027 = 1,066), was mehr sei als der voraussichtliche Marktzuwachs von 5,5 % pro
Jahr (ABl. S. 77).
- 364.
- Die Kommission, die Französische Republik und die Air France machen geltend,
diese Rügen seien nicht begründet.
Beurteilung durch das Gericht
- 365.
- Die Kommission hat sich bei ihrer Feststellung in der angefochtenen Entscheidung,
daß der europäische Zivilluftfahrtsektor nicht an strukturellen Überkapazitäten
leide, da die bestehenden Überkapazitäten nur von begrenzter Dauer sein dürften,
im wesentlichen auf Statistiken der IATA von 1993 gestützt, die für den
Luftverkehr eine jährliche Zunahme um 6 % vorhersahen (ABl. S. 82). Die IATA
ist aber eine internationale Organisation mit Weltruf, der fast alle
Fluggesellschaften angehören und die regelmäßig in Fachkreisen anerkannte
Verkehrsprognosen veröffentlicht. Die Kommission durfte sich folglich, ohne einen
offensichtlichen Irrtum zu begehen, für ihre Schlußfolgerung, daß keine
strukturellen Überkapazitäten vorlägen, auf die von dieser Organisationveröffentlichten Zahlen stützen.
- 366.
- Dem widerspricht auch nicht der Bericht des „Rates der Weisen“, der zwar ganz
allgemein empfiehlt, eine Verringerung der Kapazitäten ins Auge zu fassen, sich
aber nicht dazu äußert, ob die bestehenden Überkapazitäten struktureller oder
vorübergehender Art sind (S. 18 und 22 der Anlage 13 zur Klageschrift in der
Rechtssache T-394/94). Wie die Air France vor dem Gericht vorgetragen hat, ohne
dabei auf Widerspruch zu stoßen, hat die Entwicklung des Luftverkehrs im übrigen
die Analyse der Kommission bestätigt, da die Überkapazitäten in der Zwischenzeit
abgebaut worden sind.
- 367.
- Ferner ist das Gericht der Ansicht, daß die Kommission aufgrund der Feststellung,
daß keine strukturellen Überkapazitäten bestanden, zu dem Ergebnis kommen
durfte, daß die Lage des Luftfahrtsektors keine generellen Kapazitätskürzungen
rechtfertigte (ABl. S. 82). Daraus ergibt sich notwendigerweise, daß die
Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie davon
absah, eine Kürzung der Kapazitäten der Air France und der Air Charter
vorzuschreiben. Aus dieser Sicht war die Kommission daher nicht verpflichtet, eine
Untersuchung der Kapazitäten auf den Strecken vorzunehmen, auf denen die Air
France und ihre Tochtergesellschaften im Wettbewerb mit anderen europäischen
Gesellschaften standen, sondern sie konnte sich darauf beschränken, Grenzen für
die Expansion der Air France insoweit vorzuschreiben, als diese Grenzen die
Chancen dieser Gesellschaft, ihre finanzielle Lebensfähigkeit und ihre
Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, nicht beeinträchtigten. Diese Erwägungen
gelten auch für den Frachtsektor, der, wie oben festgestellt worden ist
(Randnr. 336), eine wichtige Tätigkeit der Air France darstellt.
- 368.
- In Anbetracht der Sonderstellung der Air France, einer der drei größten
europäischen Fluggesellschaften, geht der Hinweis auf etwaige
Kapazitätskürzungen, die andere viel kleinere Gesellschaften wie die Aer Lingus,
die TAP, die Sabena oder die Olympic Airways vorgenommen haben, an der Sache
vorbei. Das gleiche gilt für die Verweisung auf den Kraftfahrzeugmarkt der 80er
Jahre, da nichts vorgetragen worden ist, was die spezifische Bedeutung dieses
Marktes für die Untersuchung des Zivilluftfahrtsektors der Jahre 1992 bis 1994 und
der mittelfristigen Aussichten dieses Sektors (1994 bis 1997) belegen könnte. Was
die Gefahr angeht, daß die Air Inter zur Erhöhung der Kapazitäten der Air France
eingesetzt werden könnte, genügt der Hinweis, daß die beiden Gesellschaften für
die Dauer der Umstrukturierung der Air France als voneinander unabhängig
anzusehen sind. Was schließlich die „Naßmiete“ angeht, hat die Kommission vor
dem Gericht erklärt, daß jeder Flug eines mit Besatzung gecharterten Flugzeugs
für die Anwendung der Bedingung Nr. 8 als ein Air-France-Flug angesehen werde.
Die Klägerinnen haben diese Erklärung zur Kenntnis genommen, ohne sie zu
bestreiten.
- 369.
- Was den angeblich zu sehr eingeschränkten Anwendungsbereich der Bedingung Nr.
8 angeht, ist einzuräumen, daß sie nur die Strecken zwischen Frankreich und den
anderen Ländern des EWR erfaßt und somit das Angebot der Air France auf den
Strecken zwischen zwei anderen Ländern des EWR als Frankreich, auf den
Strecken innerhalb eines anderen Landes des EWR als Frankreich und auf den
französischen Inlandsstrecken nicht begrenzt. Die Kommission hat jedoch dadurch,
daß sie sich auf das Netz FrankreichEWR beschränkt hat, die Grenzen ihres
weiten Ermessens nicht überschritten.
- 370.
- Sie durfte nämlich den französischen Inlandsmarkt deshalb außer acht lassen, weil
die Air France nur eine einzige Inlandsroute betrieb, da die Air Inter das nationale
französische Verkehrsunternehmen war und mittelfristig bleibt , so daß die
Nichtberücksichtigung der französischen Inlandsstrecken nur unbedeutende
wirtschaftliche Auswirkungen haben konnte. Das gleiche gilt für die Strecken
innerhalb von anderen Ländern des EWR als Frankreich, da die Staaten des EWR
gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2408/92 und gemäß Nummer 64a.
des Kapitels VI des Anhangs XIII zum EWR-Abkommen (Verkehr Verzeichnis
nach Artikel 47, ABl. 1994, L 1, S. 422), geändert durch den Beschluß des
Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 7/94 zur Änderung des Protokolls 47 und
bestimmter Anhänge des EWR-Abkommens (ABl. 1994, L 160, S. 1, 87) nicht
verpflichtet waren, vor Ende des Umstrukturierungszeitraums der Air France die
Ausübung von Kabotagerechten zuzulassen. Der Betrieb derartiger Strecken konnte
folglich als außergewöhnlich und wirtschaftlich unbedeutend angesehen werden.
Diese Überlegung gilt auch für den Betrieb der Strecken zwischen zwei anderen
Ländern des EWR als Frankreich, da die Kommission berechtigt war, die
wirtschaftliche Bedeutung einer solchen Tätigkeit ohne irgendeine Anknüpfung an
den Knotenpunkt der Air France in Paris außer acht zu lassen.
- 371.
- Was die Rüge angeht, die Kommission habe die Auswirkungen einer Begrenzung
der Kapazitäten der Air France auf die Entwicklung von deren Marktanteil
verkannt, ist einzuräumen, daß der Satz in der angefochtenen Entscheidung,
wonach „aufgrund der Auflage, daß das Angebot von Air France hinter dem
Marktzuwachs zurückbleiben muß ... sich ihr Marktanteil innerhalb des EWR
zugunsten ihrer Wettbewerber weiter verkleinern“ wird (ABl. S. 87), insoweit
unzutreffend erscheinen kann, als der Marktanteil eines Unternehmens nicht vom
Umfang seiner Kapazitäten, sondern vom Ausmaß des Einsatzes dieser Kapazitäten
abhängt. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß das Angebot der Air France, d. h.
die Kapazitäten der Gesellschaft, gemäß der Bedingung Nr. 8 in der Zahl der Sitze
ausgedrückt wird, die der Kundschaft angeboten werden. Mit der Feststellung, daß
dieses Angebot hinter dem prognostizierten Marktzuwachs zurückbleiben müsse,
hat die Kommission daher nur die Möglichkeiten der Air France einschränken
wollen, sich an diesem Zuwachs zu beteiligen, d. h. den in Anzahl der angebotenen
Sitze definierten potentiellen Marktanteil der Air France. Die Kommission hat vor
dem Gericht nämlich ausdrücklich erklärt, daß die der Air France auferlegten
Angebotsbeschränkungen keineswegs die Durchführung des
Umstrukturierungsplans hätten behindern sollen. Dieser Plan sieht eine Steigerung
der Produktivität der Gesellschaft vor, wobei diese Produktivität sowie der
tatsächliche Marktanteil der Air France durch eine Verbesserung des Ladefaktors
zunehmen können. Stellt man den streitigen Satz in den Zusammenhang der
Zielsetzungen der Umstrukturierung der Air France, so kommt daher in ihm kein
offensichtlicher Fehler der Kommission zum Ausdruck.
- 372.
- Soweit der Kommission schließlich vorgeworfen wird, sie habe der Air France
gestattet, den voraussichtlichen Verkehrszuwachs von 5,5 % zu überschreiten,
genügt die Feststellung, daß die Kommission ohne daß ihr in diesem Punkt
widersprochen worden ist erklärt hat, daß die voraussichtliche Erhöhung des
Ladefaktors der Air France um 3,8 % sich auf den Umstrukturierungszeitraum von
drei Jahren bezogen und keinen jährlichen Prozentsatz dargestellt habe; dieser
habe sich auf etwa 1,2 % belaufen. Nach der vom Vereinigten Königreich
vorgeschlagenen Berechnungsmethode dürfte die Passagierzahl der Air France
folglich um 3,9 % (1,012 x 1,027 = 1,039) steigen; diese Zahl liegt unter dem
voraussichtlichen Zuwachs von 5 % pro Jahr.
- 373.
- Nach alledem sind die gegen die Bedingung Nr. 8 gerichteten Rügen
zurückzuweisen.
f) Zur Bedingung Nr. 9
- 374.
- Diese Bedingung verpflichtet die französischen Behörden, sich zu vergewissern, daß
die „Air France ... während der Laufzeit des Planes keine Praktiken anwenden
[wird], die darin bestehen, für gleichwertige Leistungen auf Verbindungen innerhalb
des europäischen Wirtschaftsraums niedrigere Tarife als ihre Konkurrenten
anzubieten“.
Vorbringen der Klägerinnen
- 375.
- Die Klägerinnen sehen die der Air France auferlegten Beschränkungen bei der
Preisgestaltung als wirkungslos an. Der Wortlaut dieser Bedingung lege den
Gedanken nahe, daß sie nur für die bestehenden Strecken der Air France gelte,
d. h. die Strecken, die diese gegenwärtig zwischen Paris und der französischen
Provinz zum einen und anderen Zielen innerhalb des EWR zum anderen betreibe.
Die Air France biete eine ganze Palette von Werbetarifen an. Da es diese Tarife
bereits bei Erlaß der angefochtenen Entscheidung gegeben habe, könne man
annehmen, daß sie durch die Bedingungen nicht erfaßt würden. Seit Erlaß der
angefochtenen Entscheidung habe die Air France weiter ähnliche Werbetarife
angeboten. Auf jeden Fall paßten die Fluggesellschaften ihre durchschnittlichen
Tarife nicht so sehr in der Weise an, daß sie das Tarifniveau erhöhten oder
senkten, sondern dadurch, daß sie den Zugang der Passagiere zu den einzelnen
Tarifgruppen kontrollierten. Durch eine Erhöhung der Anzahl der zu diesen
Werbetarifen angebotenen Sitzplätze könne die Air France daher die Preise radikal
senken. Im übrigen sei es einem Dritten sehr oft unmöglich, die von einem
Wettbewerber angewendeten Tarife zu erfahren, denn diese seien geheim. Darüber
hinaus seien die von den Verkehrsunternehmen auf derselben Strecke angebotenen
Produkte so unterschiedlich und so schwer miteinander zu vergleichen, daß es in
den meisten Fällen sehr schwierig sei, festzustellen, daß ein bestimmter Tarif
niedriger sei als ein anderer.
- 376.
- Die Air France sei nicht daran gehindert, die Preise dadurch zu drücken, daß sie
eine bestimmte Strecke mit einem übermäßigen Angebot überschwemme, sofern
sie ihre Kapazitäten auf anderen Strecken vermindere. Schließlich erfasse die
betroffene Bedingung die Tarifpolitik der Air France für die Produkte oder
Dienstleistungen in anderen mit dem Luftverkehr zusammenhängenden Bereichen
wie z. B. der Wartung der Flugzeuge nicht. Ebenso auch sei es unmöglich, zu
erfahren, ob der Ausdruck „auf Verbindungen innerhalb des Europäischen
Wirtschaftsraums“ die von der Air Charter angebotenen Dienste erfasse.
- 377.
- Die Maersk-Gesellschaften fügen hinzu, aufgrund der ungenauen Formulierung der
Bedingung Nr. 9 sei die Air France in der Lage, die Beihilfe zur Einführung und
zur Finanzierung von kostspieligeren Dienstleistungen einzusetzen, die dann als
„gleichwertiges Angebot“ angeboten würden. Die jüngste Ankündigung einer
Modernisierung ihres Langstreckendienstes durch die Air France, deren Kosten auf
500 Millionen FF geschätzt werde, sei dafür ein typisches Beispiel. Die
Wettbewerber, die keine staatliche Beihilfe erhielten, müßten daher entweder
durch Einführung höherer Serviceniveaus oder durch Preissenkungen reagieren.
Das Königreich Schweden weist außerdem darauf hin, daß die Begriffe „price
leadership“ und „gleichwertiges Angebot“ sehr weit und dadurch eine Quelle von
Rechtsunsicherheit seien. Mit diesen Begriffen könne die Air France nicht daran
gehindert werden, das Angebot von ermäßigten Preisen aufgrund von
Kapazitätserhöhungen auf einigen besonderen Strecken zu erhöhen.
- 378.
- Die Kommission macht geltend, diese Rügen seien nicht begründet.
Würdigung durch das Gericht
- 379.
- Zunächst ist festzustellen, daß nichts im Wortlaut der Bedingung Nr. 9 die
Auslegung zuläßt, daß diese Bedingung nur für die von der Air France bei Erlaß
der angefochtenen Entscheidung bedienten Strecken gilt. Aus diesem Wortlaut geht
vielmehr hervor, daß das Verbot der Preisführerschaft sich auf alle von der Air
France „während der Laufzeit des Planes“ betriebenen Strecken bezieht, wodurch
auch die nach dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung neu eröffneten Strecken
erfaßt werden.
- 380.
- Sodann ist festzustellen, daß die Air Charter auf dem Umweg über die Bedingung
Nr. 1 als eine Gesellschaft, an der die Air France mit mehr als 50 % beteiligt ist,
ebenfalls durch die Bedingung Nr. 9 erfaßt wird.
- 381.
- Was die angeblichen Möglichkeiten der Air France angeht, die Bedingungen für
den Zugang zu Werbetarifen zu erleichtern oder bestimmte Strecken mit einem
Überangebot zu überschwemmen, war die Kommission nach Ansicht des Gerichts
berechtigt, diese Möglichkeiten als wenig realistisch anzusehen, da die Air France
verpflichtet war, unter der Aufsicht der Kommission und der unabhängigen
Sachverständigen gemäß Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung ihren
Umstrukturierungsplan, der insbesondere die Erhöhung ihrer Produktivität vorsah,
vollständig durchzuführen.
- 382.
- Mit den anderen Rügen wird lediglich geltend gemacht, daß die Bedingung Nr. 9
nicht wirksam angewendet werden könne; diese Rügen können daher im
vorliegenden Zusammenhang nicht berücksichtigt werden (siehe oben,
Randnr. 292).
- 383.
- Die gegen die Bedignung Nr. 9 gerichteten Rügen sind somit zurückzuweisen.
g) Zur Bedingung Nr. 10
- 384.
- Diese Bedingung verpflichtet die französischen Behörden, dafür Sorge zu tragen,
daß der „Air France ... bei den Verkehrsrechten keine Vorzugsbehandlung zuteil“
wird.
Vorbringen der Klägerinnen
- 385.
- Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Kommission habe diese Bedingung zuUnrecht als wirksam angesehen. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung Nr.
2408/92 am 1. Januar 1993 sei die Gewährung von Verkehrsrechten nämlich, was
internationale Strecken innerhalb der Gemeinschaft angehe, und seit dem 1. Juli
1994 innerhalb des EWR gegenstandslos geworden. Diese Rechte erhielten die
Fluggesellschaften des EWR automatisch. Außerdem beschuldigen die Klägerinnen
die französischen Behörden, sie wendeten die Verordnung Nr. 2408/92 nicht
ordnungsgemäß an und schützten die Interessen der Air France und der Air Inter.
- 386.
- Die Bedingung gelte nämlich nur für den Betrieb der Inlandsstrecken. Selbst in
diesem Fall sei sie weitgehend bedeutungslos, weil die Air France nur eine einzige
Inlandslinie betreibe und die nichtfranzösischen Fluggesellschaften des EWR für
den französischen Inlandsmarkt keine Verkehrsrechte zu erhalten brauchten. Auf
jeden Fall sei der Zugang dieser Fluggesellschaften zu diesem Markt bis zum 1.
April 1997 eingeschränkt. Außerdem seien die Rechte der Air Inter auf den
meisten gewinnbringenden Strecken nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 2408/92
geschützt; danach könnten ausschließliche Genehmigungen auf Inlandsstrecken
vorübergehend weiter gelten.
- 387.
- Selbst wenn die Bedignung rechtsgültig wäre, so wäre sie wirkungslos, denn die
Personen, denen die Gewährung der Verkehrsrechte übertragen worden sei,
gehörten entweder zum Verwaltungsrat der Air France oder zum Verwaltungsrat
der Holding. Dies berge für die konkurrierenden Luftverkehrsunternehmen die
Gefahr einer Diskriminierung in sich, die durch eine bloße Bedingung nicht
abgewendet werden könne.
- 388.
- In diesem Zusammenhang erklären die Klägerinnen, die Mitgliedstaaten könnten
von den Fluggesellschaften verlangen, daß diese ihr Betriebsprogramm für eine
bestimmte Strecke vor der Eröffnung des betreffenden Flugdienstes vorlegten. In
Frankreich sei die Annahme oder die Ablehnung von Betriebsprogrammen Sache
der Direction générale de l'aviation civile und des Service du trafic aérien. Diese
Behörden könnten eine Fluggesellschaft de facto daran hindern, sich auf die ihr
automatisch zustehenden Verkehrsrechte zu berufen, indem sie die Genehmigung
der Betriebsprogramme der Gesellschaft rechtswidrig ablehnten. Die Ereignisse, die
zu der (in Randnr. 266 zitierten) Entscheidung 94/290 der Kommission geführt
hätten, und die Ereignisse, die sich danach zugetragen hätten, veranschaulichten
diesen Punkt. Die Klägerinnen verweisen dabei auf mehrere Schreiben der
obengenannten Behörden, in denen solche Ablehnungen der Genehmigung zum
Ausdruck kämen.
- 389.
- Auf jeden Fall stünden die Air France, die Direction générale de l'aviation civile
und der Service du trafic aérien alle unter der allgemeinen Aufsicht des
Verkehrsministers. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes bestätige, daß eine
organische Verbindung zwischen einem Unternehmen, das auf einem Markt im
Wettbewerb mit andern Unternehmen stehe, und den Stellen, die diesen Markt
regulierten, gerade wegen der Gefahr der Diskriminierung, die einem solchen
Sachverhalt innewohne, gegen Artikel 90 in Verbindung mit Artikel 86 des
Vertrages verstoße (Urteile vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-202/88,
Frankreich/Kommission, Slg. 1991, I-1223, Randnrn. 51 und 52, und vom 27.
Oktober 1993 in der Rechtssache C-69/91, Decoster, Slg. 1993, I-5335, Randnrn.
12 bis 22).
- 390.
- Die Kommission macht geltend, diese Rügen seien nicht begründet.
Würdigung durch das Gericht
- 391.
- Was die verschiedenen Rügen angeht, wonach die Bedingung Nr. 10 zu stark
eingeschränkt sei, ist festzustellen, daß die europäischen Fluggesellschaften für die
Strecken zwischen dem EWR und den Zielen außerhalb des EWR, die durch die
Verordnung Nr. 2408/92 nicht erfaßt werden, immer noch Verkehrsrechte
benötigen. Wie die Kommission vor dem Gericht vorgetragen hat, steht die Air
France auf diesen Strecken im Wettbewerb mit anderen französischen
Fluggesellschaften wie der TAT, der Euralair, der Corsair, der AOM und der Air
Liberté. Die Bedingung Nr. 10 ist folglich für diesen Bereich des Luftverkehrs von
Bedeutung. Das gleiche gilt für den durch die Verordnung Nr. 2408/92 erfaßten
Verkehr insoweit, als die nationalen Behörden unabhängig von den
Verkehrsrechten im eigentlichen Sinne nach einem förmlichen
Genehmigungsverfahren über die Einzelheiten der Anwendung dieser Verordnung
entscheiden. Im übrigen haben die Klägerinnen und die zur Unterstützung der
Anträge der Klägerinnen dem Verfahren beigetretenen Beteiligten den
französischen Behörden ausdrücklich vorgeworfen, die Vorschriften dieser
Verordnung mit dem Ziel nicht ordnungsgemäß angewendet zu haben, die
Interessen der Air France und der Air Inter zu schützen.
- 392.
- Außerdem sind die französischen Behörden zwar aufgrund des
Diskriminierungsverbots verpflichtet, der Air France keine Vorzugsbehandlung
einzuräumen, der Nutzen der Bedingung Nr. 10 liegt aber, wie bereits dargelegt
worden ist (Randnr. 348), darin, daß sie es der Kommission ermöglicht, unmittelbar
den Gerichtshof anzurufen, ohne gezwungen zu sein, vorher das Verfahren des
Artikels 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 oder das Verfahren des Artikels 169 des
Vertrages einzuleiten.
- 393.
- Die anderen Rügen beziehen sich auf die Gefahr, daß die französischen Behörden
aufgrund ihrer engen Beziehungen zur Air France andere Gesellschaften daran
hindern könnten, sich auf ihre Verkehrsrechte zu berufen. Mit diesen Rügen wird
daher erneut in Frage gestellt, ob die Bedingung Nr. 10 wirksam angewendet
werden kann; sie können daher im vorliegenden Zusammenhang nicht geprüft
werden (siehe oben, Randnr. 292).
- 394.
- Die gegen die Bedingung Nr. 10 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.
h) Zur Bedingung Nr. 11
- 395.
- Durch diese Bedingung werden die französischen Behörden dazu verpflichtet, dafür
Sorge zu tragen, daß die „Air France ... während der Laufzeit des Planes zwischen
Frankreich und den übrigen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums nicht
mehr Linienverbindungen betreiben [wird] als im Jahr 1993 (89
Linienverbindungen)“.
Vorbringen der Klägerinnen
- 396.
- Die Klägerinnen sind der Ansicht, diese Bedingung sei wirkungslos, da sie eine
Höchstzahl angebe, die es der Air France nicht verbiete, neue Strecken zu eröffnen
und andere zu schließen. Darüber hinaus könne die Air France die Zahl der Ziele,
die sie anfliege, über die Grenze von 89 hinaus durch „Naßmiete“ und die Zahl der
bedienten Strecken nach Frankreich oder von dort aus durch die Einführung
indirekter Strecken über andere Mitgliedstaaten als Verlängerung einiger
bestehender Strecken erhöhen, wobei die Strecke LondonParis z. B. zur Strecke
LondonParisRom werde. Mit Blick auf die für 1997 geplante Fusion beginne die
Air Inter bereits, europäische Ziele anzufliegen, die bis jetzt von der Air France
bedient worden seien. Die Air France sei folglich in der Lage, im Rahmen der
Höchstzahl von 89 neue Strecken zu eröffnen. Jedesmal wenn die Air France eine
neue Strecke eröffnen wolle, genüge es, daß sie eine der Strecken, die sie bediene,
der Air Inter übertrage, wobei sie wisse, daß alle ihre europäischen Tätigkeiten auf
jeden Fall 1997 fusioniert würden.
- 397.
- Was die Übertragung von Linien der Air France auf die Air Inter angeht, weisen
sie auf die Auffassung hin, die der Direktor des Air-France-Konzerns in einem im
September 1994 in der Presse erschienenen Artikel zum Ausdruck gebracht habe.
Daraus gehe hervor, daß die Air Inter im Laufe der kommenden zwei Jahre eine
Reihe von Strecken der Air France übernehmen werde: Die Air Inter solle unter
eigener Flagge die Flüge nach dem Maghreb, der Iberischen Halbinsel,
Großbritannien und Irland betreiben. Die Leiter des Konzerns seien der Ansicht,
daß sie bei der Durchführung dieser Flaggenwechsel völlig freie Hand hätten, und
zwar um so mehr als die Air Inter durch derartige Kapazitätsbeschränkungen nicht
erfaßt werde.
- 398.
- Schließlich zeigten die vom Official Airline Guide zusammengestellten Statistiken,
daß die Air France im Mai 1994 im EWR nur 64 Strecken betrieben habe. Daß die
Kommission eine Beschränkung des Netzes der Air France auf 89 Strecken
akzeptiert habe, erlaube dieser folglich, 25 zusätzliche Strecken zwischen
Frankreich und anderen Staaten des EWR zu eröffnen. Außerdem erfasse die
Bedingung Nr. 11 weder die innerfranzösischen Strecken noch die Strecken
zwischen zwei anderen Staaten des EWR als Frankreich.
- 399.
- Die Kommission, die Französische Republik und die Air France machen geltend,
diese Rügen seien nicht begründet.
Würdigung durch das Gericht
- 400.
- Was die „Naßmiete“ und die Verlängerung bestehender Strecken angeht, ist
festzustellen, daß die Kommission vor dem Gericht erklärt hat, daß diese beiden
Arten von Maßnahmen unter die Bedingung Nr. 11 fielen. Die Klägerinnen haben
diese Auslegung zur Kenntnis genommen, ohne ihr zu widersprechen.
- 401.
- Was die Verweisung auf die Air Inter angeht, genügt der Hinweis, daß das
Verhalten dieser für die Dauer der Umstrukturierung von der Air France
unabhängigen Gesellschaft im vorliegenden Zusammenhang unerheblich ist, um so
mehr als die Behauptungen über eine Übertragung von Strecken zwischen der Air
France und der Air Inter auf einen nach dem Erlaß der angefochtenen
Entscheidung veröffentlichten Presseartikel gestützt sind.
- 402.
- Was den Ausschluß der französischen Inlandsstrecken sowie der Strecken zwischen
anderen Staaten des EWR als Frankreich angeht, genügt der Hinweis, daß die
Kommission zu der Auffassung berechtigt war, daß die wirtschaftlichen
Auswirkungen dieser Strecken so unbedeutend waren, daß sie im vorliegenden
Zusammenhang außer acht gelassen werden konnten (siehe oben, Randnr. 370).
- 403.
- Was die für die Air France bestehende Möglichkeit betrifft, neue Strecken zu
eröffnen und andere zu schließen und dabei die Höchstzahl von 89 Strecken
einzuhalten, hat die Kommission zu Recht vor dem Gericht erklärt, daß es nicht
ihre Absicht habe sein können, die Air France daran zu hindern, auf die Nachfrage
des Marktes zu reagieren, sofern alle Bedingungen eingehalten würden. Die
Durchführung des Umstrukturierungsplans, mit dem die finanzielle Lebensfähigkeit
und die Wettbewerbsfähigkeit der Air France wiederhergestellt werden sollten,
wäre nämlich ohne eine solche Flexibilität gefährdet.
- 404.
- Soweit vorgetragen worden ist, daß die Air France im Mai 1994 im EWR nur 64
Strecken betrieben habe, so daß der Umstand, daß die Kommission ein Netz von
89 Strecken akzeptiert habe, es der Air France erlaubt habe, 25 zusätzliche
Strecken zu eröffnen, ist das Gericht schließlich der Auffassung, daß die
Kommission die Grenzen ihres weiten Ermessens nicht überschritten hat, als sie die
Zahl der von der Air France 1993 betriebenen Strecken zugrunde legte, ebenso wie
sie im Rahmen der Bedingungen Nrn. 8 und 12 das jeweilige Angebot der Air
France und der Air Charter auf das 1993 erreichte Niveau begrenzt hat.
- 405.
- Die gegen die Bedingung Nr. 11 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.
i) Zur Bedingung Nr. 12
- 406.
- Durch diese Bedingung werden die französischen Behörden dazu verpflichtet, dafür
Sorge zu tragen, daß das Angebot von Air Charter während der Laufzeit des Planes
auf dem Stand von 1993 eingefroren wird (3 047 Sitzplätze und 17 Flugzeuge),
wobei jährliche Angebotsaufstockungen entsprechend der Marktzuwachsrate jedoch
möglich sind.
Vorbringen der Klägerinnen
- 407.
- Die Klägerinnen machen geltend, die Begrenzung des Angebots der Air Charter
sei nicht wirksam. Die Air Charter sei kein Luftverkehrsunternehmen, sondern
eigentlich eine Handelsagentur, deren Tätigkeit darin bestehe, für Reiseveranstalter
Flugzeuge zu chartern. Von den 17 von der Air Charter 1993 betriebenen
Flugzeugen hätten aber nur acht dem Air-France-Konzern gehört und neun seien
gepachtet gewesen. Die Pachtverträge liefen im Jahr 1995 aus. Die Begrenzung des
Angebots sei von den französischen Behörden vorgeschlagen und von der
Kommission seinerzeit akzeptiert worden, als die Air Charter den Verpächtern
bereits mitgeteilt gehabt habe, daß sie ihre Pachtverträge nicht verlängern werde.
Die Air Charter dürfe daher neun Ersatzflugzeuge in ihre Flotte aufnehmen und
damit ihre Kapazitäten auf einem Markt, auf dem bereits ein starker Wettbewerb
herrsche, potentiell um 20 % bis 25 % erhöhen. Die Verpächter, die neun
Flugzeuge zurückerhielten, würden der Air Charter notwendigerweise Konkurrenz
machen; diese sei als Empfängerin der Beihilfe in der Lage, ihre Flugzeuge an die
Reiseveranstalter zu künstlich niedrig gehaltenen Preisen zu verpachten.
- 408.
- Außerdem sehe der Plan keine Umstrukturierungsmaßnahmen der Air Charter vor;
trotzdem werde diese einen Teil der Beihilfe erhalten. Demzufolge sei die
Begrenzung des Angebots eine Einladung an eine vom Staat subventionierte
Gesellschaft, die keinen Umstrukturierungsmaßnahmen unterworfen sei, dieBeihilfe dazu zu verwenden, ihre Flotte zu verdoppeln und auf jeden Fall das
Angebot auf dem französischen Charterflugmarkt zu erhöhen.
- 409.
- Das Vereinigte Königreich ist der Ansicht, daß die Air France oder die Air Charter
eine Verpflichtung hätten eingehen müssen, wonach die Air Charter nur so viele
Flugzeuge kaufen werde, wie zum Ersatz der aufgrund der Nichtverlängerung der
Pachtverträge verlorenen Kapazitäten erforderlich gewesen seien.
- 410.
- Die Kommission, die Französische Republik und die Air France machen geltend,
diese Rügen seien nicht begründet.
Würdigung durch das Gericht
- 411.
- Was die Gefahr angeht, daß die Air Charter künstlich niedrige Preise anwenden
könnte, genügt der Hinweis, daß die Gesellschaft, an der die Air France mit mehr
als 50 % beteiligt ist, die Genehmigung Nr. 9 einhalten muß, die es ihr verbietet,
für eine gleichwertige Leistung niedrigere Tarife als ihre Konkurrenten anzubieten.
Die Kommission konnte folglich davon ausgehen, daß die Air Charter ihr Angebot
wie jedes andere kommerzielle Unternehmen allein nach den Bedürfnissen des
Marktes gestalten würde.
- 412.
- Sodann ist festzustellen, daß die Bedingung Nr. 12, soweit sie eine Entwicklung des
Angebots der Air Charter über das Niveau von 1993 hinaus außer bei einem
Marktzuwachs verbietet, nicht zur Folge hat, daß die Gesellschaft ihre
Betriebsflotte verdoppeln darf. Wie die Kommission vor dem Gericht vorgetragen
hat, war sie in keiner Weise verpflichtet, der Air Charter vorzuschreiben, entweder
Pachtverträge, die diese aus kommerziellen und finanziellen Gründen gerade
gekündigt hatte, zu verlängern oder davon abzusehen, Flugzeuge zu ersetzen, für
die die Pachtverträge ausliefen, was die Air Charter dadurch benachteiligt hätte,
daß ihre Betriebsflotte um mehr als 50 % verringert worden wäre.
- 413.
- Soweit vorgetragen worden ist, daß die Air Charter einen Teil der Beihilfe erhalte,
obwohl der Plan für diese Gesellschaft keine Umstrukturierungsmaßnahme vorsehe,
genügt die Feststellung, daß der Umstrukturierungsplan der Air France tatsächlich
auch den Chartersektor des Air-France-Konzerns erfaßt (S. 22 des Planes) und daß
die Bedingung Nr. 6 auf jeden Fall eine Verwendung für andere Zwecke als für
Umstrukturierungszwecke verbietet.
- 414.
- Die gegen die Bedingung Nr. 12 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.
j) Zur Bedingung Nr. 13
- 415.
- Diese Bedingung verpflichtet die französischen Behörden dazu, zu gewährleisten,
daß bei „der Übertragung von Sachwerten bzw. der Erbringung von
Dienstleistungen durch Air France an Air Charter ... marktübliche Preise zugrunde
gelegt“ werden.
Vorbringen der Klägerinnen
- 416.
- Die Klägerinnen sehen diese Bedingung als nicht wirksam an. Zum einen sei es
unmöglich, sie umzusetzen, weil der Begriff „marktübliche Preise“ ungenau sei und
weil sie verlange, daß die Air France eine ihrer Tochtergesellschaften deren
Präsident zum Leiter der Geschäftstätigkeit der Air France in Frankreich ernannt
worden sei so behandele, als sei sie davon nicht betroffen, während sie
gleichzeitig einen Teil der Beihilfe erhalte. Im übrigen solle mit dieser Bedingung
nicht der Verkauf von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen
durch die Air Charter an bzw. für die Air France kontrolliert werden. Dabei
brauchten daher keine marktüblichen Preise zugrunde gelegt werden.
- 417.
- Die Kommission macht geltend, diese Rügen seien nicht begründet.
Würdigung durch das Gericht
- 418.
- Soweit diese Rügen sich darauf beschränken, in Frage zu stellen, daß die
Bedingung Nr. 13 wirksam angewendet werden kann, genügt der Hinweis, daß sie
im vorliegenden Zusammenhang unbeachtet bleiben müssen (siehe oben, Randnr.
292).
- 419.
- Soweit vorgetragen worden ist, daß diese Bedingung sich weder auf den Verkauf
von Gegenständen noch auf die Erbringung von Dienstleistungen durch die Air
Charter an bzw. für die Air France bezogen habe, ist festzustellen, daß die
Kommission vor dem Gericht erklärt hat, ohne daß ihr widersprochen worden wäre,
daß die Air Charter keine nennenswerten Gegenstände oder Dienstleistungen an
die Air France geliefert bzw. für diese erbracht habe. Im übrigen haben die
Klägerinnen in der Rechtssache T-371/94 im Rahmen der Bedingung Nr. 12 selbst
eingeräumt, daß die Air Charter kein Luftverkehrsunternehmen sei, sondern
eigentlich eine Handelsagentur, deren Tätigkeit darin bestanden habe, Flugzeuge
für Reiseveranstalter zu chartern, und die über etwa 40 Beschäftigte, nicht aber
über Mechaniker oder Flugpersonal verfüge (Nr. 234 der Klageschrift in der
Rechtssache T-371/94). Unter diesen Umständen war die Kommission berechtigt,
die wirtschaftlichen Auswirkungen derartiger Veräußerungen oder Dienstleistungen
außer acht zu lassen.
- 420.
- Die gegen die Bedingung Nr. 13 gerichteten Rügen sind folglich zurückzuweisen.
k) Zu den Bedingungen Nr. 15 und Nr. 16
- 421.
- Diese Bedingungen enthalten für die französische Regierung folgende
Verpflichtungen:
„Entsprechend der Kommissionsentscheidung vom 27. April 1994 betreffend
die Öffnung der Strecke OrlyLondon wird die französische Regierung die
Regeln über die Aufteilung des Verkehrs auf das Pariser Flughafensystem
in Zusammenarbeit mit der Flughafengesellschaft Aéroports de Paris so
bald wie möglich ändern.“
„Die französische Regierung wird dafür Sorge tragen, daß die von der
Flughafengesellschaft Aéroports de Paris durchgeführten Umbauarbeiten an
den zwei Abfertigungsgebäuden in Orly und eine eventuelle Saturierung
eines dieser Abfertigungsgebäude die Wettbewerbsverhältnisse nicht
zuungunsten der den Flughafen Orly anfliegenden Gesellschaften
verfälschen.“
Vorbringen der Klägerinnen
- 422.
- Die Klägerinnen tragen vor, die Bedingung Nr. 15 sei nur eine Fiktion gewesen, da
die französischen Behörden offensichtlich nicht die Absicht gehabt hätten, sich nach
der Entscheidung vom 27. April 1994 zu richten, was dadurch bewiesen werde, daß
sie bereits im Mai 1994 Regeln für die Zuteilung von Verkehrsrechten aufgestellt
hätten, die offenkundig gegen die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften verstoßen
hätten. Außerdem habe die Bedingung Nr. 15 während die Air France nach der
angefochtenen Entscheidung die erste Tranche der Beihilfe sofort habe erhalten
dürfen verlangt, daß der sich aus den Regeln für die Aufteilung des Verkehrs im
Pariser Flughafensystem ergebende Wettbewerbsvorteil der Air France zu einer
Zeit habe beseitigt werden sollen, die nur mit den Worten „so bald wie möglich“
definiert gewesen sei.
- 423.
- Die Klägerinnen unterstreichen, daß die Bedingung Nr. 16 illusorisch gewesen sei;
sie sei verletzt worden, bevor sie überhaupt aufgestellt worden sei, und zwar wegen
der diskriminierenden Bedingungen, die für die Verlagerung aller nicht zum Air-France-Konzern gehörenden französischen Gesellschaften von Orly-West nach
Orly-Süd und die Zusammenfassung von Air France und Air Inter in Orly-West
gegolten hätten und die bereits vor dem Erlaß der Entscheidung festgelegt worden
seien. Die Flughafengesellschaft Aéroports Paris und die Air France stünden beide
unter der Aufsicht des Verkehrsministers. Derartige organisatorische Verbindungen
stünden aber aufgrund der ihnen innewohnenden Gefahr der Diskriminierung, die
sich daraus ergebe, im Widerspruch zu Artikel 90 in Verbindung mit Artikel 86 des
Vertrages. Der Plan für die Neugestaltung der Abfertigungsgebäude von Orly sei
so gestaltet worden, daß es für die Wettbewerber der Air Inter schwierig und
kostspielig werde, von Orly-Süd aus neue Dienste anzubieten. Folglich hätte nur
durch eine grundlegende Änderung des Planes eine Diskriminierung zu Lasten der
Wettbewerber der Air France vermieden werden können.
- 424.
- Generell tragen die Klägerinnen zu diesen Bedingungen vor, eine Zusicherung,
deren Gegenstand die Einhaltung der Rechtsvorschriften sei, könne nicht als eine
den Nebenfolgen der Beihilfe angemessene Gegenleistung angesehen werden, da
die französischen Behörden das Recht auf jeden Fall zu beachten hätten.
- 425.
- Die Kommission macht geltend, diese Rügen seien nicht begründet.
Würdigung durch das Gericht
- 426.
- Mit den gegen die Bedingungen Nr. 15 und Nr. 16 gerichteten Rügen wird lediglich
geltend gemacht, diese Bedingungen seien sowohl wirkungslos als auch unnütz. Es
genügt daher der Hinweis, daß Rügen, mit denen lediglich in Frage gestellt wird,
ob eine Bedingung für die Genehmigung der Beihilfe wirksam angewendet werden
kann, im vorliegenden Zusammenhang unbeachtet bleiben müssen (siehe oben,
Randnr. 292) und, zum anderen, daß der Nutzen dieser Bedingungen wenn man
annimmt, daß die französischen Behörden bereits aufgrund anderer
gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften gehalten sind, die in den Bedingungen Nr.
15 und Nr. 16 genannten Verpflichtungen zu beachten darin besteht, daß sie die
Kommission in die Lage versetzen, unmittelbar den Gerichtshof anzurufen, ohne
verpflichtet zu sein, vorher ein Verwaltungsverfahren einzuleiten (siehe oben,
Randnr. 348).
- 427.
- Die gegen die Bedingungen Nr. 15 und Nr. 16 gerichteten Rügen sind folglich
zurückzuweisen.
- 428.
- Da keiner der gegen die Bedingungen für die Genehmigung gerichteten Rügen
stattgegeben worden ist, ist die Rüge, daß die von der Kommission für die Prüfung
der Auswirkungen der Beihilfe gewählte Methode fehlerhaft sei, definitiv
zurückzuweisen (siehe oben, Randnrn. 295 und 296).
- 429.
- Nach alledem sind vorbehaltlich der Randnummern 238 bis 280 alle Rügen
zurückzuweisen, die darauf gestützt sind, daß die Kommission angeblich Fehler
begangen hat, als sie zu der Auffassung gelangt ist, daß die Beihilfe zur Förderung
der Entwicklung eines gewissen Wirtschaftszweigs bestimmt ist, ohne die
Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise
zu verändern. Insoweit waren die Klägerinnen und die zur Unterstützung ihrer
Anträge dem Verfahren beigetretenen Beteiligten in der Lage, ihre Rechte
wahrzunehmen, und das Gericht hat seine gerichtliche Kontrolle ausüben können.
Die angefochtene Entscheidung entspricht folglich außer was die Würdigung der
Auswirkungen der Beihilfe auf die Wettbewerbsstellung der Air France in bezug
auf ihr Streckennetz außerhalb des EWR und auf den diesbezüglichen
Zubringerluftverkehr angeht in dieser Hinsicht den Erfordernissen des Artikels
190 des Vertrages, so daß die Rüge, die Begründung sei unzureichend,
zurückzuweisen ist.
Zu den Rügen in bezug auf die Fehler, die die Kommission begangen haben soll, als
sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Umstrukturierungsplan geeignet sei, die
wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Air France wiederherzustellen
Zur angeblichen generellen Unzulänglichkeit des Umstrukturierungsplans
Vorbringen der Beteiligten
- 430.
- Die Klägerinnen und die zur Unterstützung ihrer Anträge dem Verfahren
beigetretenen Beteiligten beanstanden in allgemeiner Form die Unzulänglichkeit
und die mangelnde Genauigkeit des Umstrukturierungsplans. In diesem
Zusammenhang trägt die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 vor, die
Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung nicht in geeigneter Weise
angegeben, inwieweit die Beihilfe zur Finanzierung der im Plan enthaltenen
unklaren und ungeeigneten Vorschläge erforderlich gewesen sei, und wirft der
Kommission vor, daß sie nicht auf der Vorlage eines Planes bestanden habe, der
genaue Einzelangaben in bezug auf die zur Herstellung der Lebensfähigkeit der Air
France erforderlichen Maßnahmen enthalten habe. Die Klägerinnen in den beiden
Rechtssachen rügen, daß die Kommission es unterlassen habe, die angefochtene
Entscheidung mit einer ausreichenden Begründung zu versehen, da sie die von
Dritten im Verwaltungsverfahren vorgelegten Erklärungen nicht berücksichtigt
habe.
- 431.
- Die Kommission ist dagegen der Ansicht, daß die angefochtene Entscheidung in
diesem Punkt ausreichend begründet sei. Was die materielle Rechtslage angeht,
trägt sie vor, sie habe den inneren Zusammenhang und die Wirksamkeit des
Umstrukturierungsplans inhaltlich gewürdigt, ohne Beurteilungs- oder Rechtsfehler
zu begehen.
Würdigung durch das Gericht
- 432.
- Zunächst ist zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung, was den von der Air
France ausgearbeiteten und vorgelegten Umstrukturierungsplan angeht, mit einer
ausreichenden Begründung versehen ist, und zwar insbesondere in Anbetracht der
wesentlichen Rügen, die die Beteiligten im Verwaltungsverfahren erhoben haben
(siehe oben, Randnr. 96).
- 433.
- In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die Beteiligten im
Verwaltungsverfahren erklärt haben, daß mit dem Umstrukturierungsplan die
Lebensfähigkeit der Air France nicht wiederhergestellt werden könne, weil er
ungeeignet, unzureichend und zu unbestimmt sei. Er sei noch weniger streng als der
frühere Plan, der „PRE 2“, der bereits im August 1992 als unzureichend angesehen
worden sei. Er stelle nicht das dar, was für die Air France notwendig sei, sondern
nur das, was für Frankreich annehmbar sei, nachdem der „PRE 2“, der strenger
als der streitige Plan gewesen sei, wegen sozialer Proteste zurückgezogen worden
sei. Im übrigen müsse die Kommission in diesem Zusammenhang alle von der Air
France aufgelegten Umstrukturierungspläne berücksichtigen, die sämtlich wegen
der politischen Lage und der Macht der Gewerkschaften gescheitert seien.
- 434.
- Die Beteiligten haben unterstrichen, daß der Umstrukturierungsplan keinerlei
Erfolgsaussichten habe, wenn es nicht möglich sei, das überzählige Personal zu
entlassen, die Löhne und Gehälter zu kürzen und das Personal zu
Produktionssteigerungen zu verpflichten. Der einzige realistische Weg zur Senkung
der Kosten der Air France, nämlich eine Steigerung der Produktivität des
Personals, werde aber auf freiwilliger Basis ins Auge gefaßt. Es sei daher höchst
unwahrscheinlich, daß die erhoffte Produktivitätssteigerung von 30 % erreicht
werde. Der Plan empfehle keine Reduzierung des Besitzstandes der Arbeitnehmer
der Air France. Er sehe nur die Streichung von 5 000 Stellen in drei Jahren vor,
während die Lufthansa 8 000 in zwei Jahren und die British Airways 4 000 in einem
Jahr gestrichen hätten. Außerdem werde in dem Plan die Überkapazitätskrise im
Luftverkehrssektor in der Gemeinschaft nicht berücksichtigt; es werde sogar eine
Erweiterung der Flotte und der Kapazitäten ins Auge gefaßt.
- 435.
- Sie haben hinzugefügt, daß der im Plan als staatliche Beihilfe vorgesehene Betrag
von 20 Milliarden FF nicht klar gewesen sei. Unter Verweisung auf einen Artikel
in der Presse haben sie festgestellt, daß es Indizien für einen Mangel an Klarheit
in der Buchführung der Air France gegeben habe. Die Kommission müsse dafür
sorgen, daß die Rechnungslegung der Air France in diesem Zusammenhang nichts
verberge. Im übrigen habe der Präsident der Air France im Februar 1994 in einem
Presseartikel erklärt, daß die Gesellschaft Ende März 8 Milliarden FF erhalten
solle; im Rahmen des PRE 2 sei ein Betrag von 5 Milliarden FF in der Diskussion
gewesen.
- 436.
- Schließlich werde im Umstrukturierungsplan niemals der Air-France-Konzern
erwähnt, und es würden dem Konzern insgesamt keinerlei Beschränkungen
auferlegt. Der Plan beziehe sich nur auf die Air France und nehme keinen Bezug
auf die zukünftigen Absichten des Konzerns hinsichtlich der Air Inter. Die Air Inter
müsse aber umstrukturiert werden. Die Kommission müsse daher verlangen, daß
der Plan auch die Geschäftstätigkeit der Air Inter und der Air Charter erfasse.
- 437.
- In Anbetracht dieser Erklärungen weist das Gericht darauf hin, daß die
Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Geschichte der verschiedenen
von der Air France zur Bewältigung ihrer Finanzprobleme verabschiedeten
Umstrukturierungspläne aufzeichnet. So habe die Air France im September 1991
einen ersten Umstrukturierungsplan verabschiedet („CAP'93“), der u. a. eine
Kapitalzuführung in Höhe von 5,8 Milliarden FF vorgesehen habe. Im Oktober
1992 habe der Air-France-Konzern, nachdem er eine erneute Verschlechterung
seiner Finanzlage festgestellt habe, einen zweiten Umstrukturierungsplan
(„PRE 1“) verabschiedet, der sich jedoch in den ersten Monaten des Jahres 1993
als ungeeignet zur Verbesserung der Lage des Konzerns erwiesen habe und daher
aufgegeben worden sei. Im September 1993 sei ein dritter Plan („PRE 2“)
aufgelegt worden und dann wegen seiner Ablehnung durch die Gewerkschaften
zugunsten des „Planes“ zurückgezogen worden (ABl. L 74). Was den streitigen
Umstrukturierungsplan angeht, erklärt die Kommission, daß er von der Air France
auf der Grundlage eines von der Unternehmensberatungsfirma Lazard Frères
ausgearbeiteten Papiers erstellt worden sei, in dem auch der zur Wiederherstellung
der Finanzstruktur und der Rentabilität der Air France erforderliche
Rekapitalisierungsbetrag festgelegt worden sei. Dieser Plan, dessen Ziel zwischen
dem 1. Januar 1994 und dem 31. Dezember 1996 habe erreicht werden sollen, sehe
eine Erhöhung der Produktivität der Air France um 30 % vor (ABl. S. 75).
- 438.
- Anschließend beschreibt und präzisiert die Kommission die wesentlichen Linien des
Planes, nämlich die Senkung der Kosten und der finanziellen Aufwendungen (durch
einen Abbau der Investitionen, eine Senkung der Betriebskosten und einer
Steigerung der Produktivität sowie eine Senkung der Finanzierungskosten), die
Änderung der Produktkonzeption und den besseren Betriebsmitteleinsatz
(insbesondere durch kommerzielle Initiativen auf der Ebene der Flotte und des
Streckennetzes), die Neuorganisation der Gesellschaft und die Beteiligung der
Angestellten. Die Kommission fügt hinzu, daß die Umsetzung des Planes über die
Kapitalerhöhung und die Veräußerung von nicht zum Kernbereich gehörenden
Vermögensteilen finanziert werden solle (ABl. S. 75 und 76).
- 439.
- Was die Bewertung der Tragfähigkeit des Umstrukturierungsplans angeht, vertritt
die Kommission die Ansicht, daß der Plan mehrere Maßnahmen umfasse, die für
einen echten Willen zur Umstrukturierung der Gesellschaft sprächen. Insbesondere
erkennt sie den großen Umfang der im Sozialbereich gemachten Anstrengungen
an (Einfrieren der Löhne und Gehälter, Beförderungsstop, bessere Nutzung der
Arbeitszeit, Ausgabe von Gratisaktien an die Belegschaft zum Ausgleich von
Lohnkürzungen). Das betroffene Personal habe das Programm in einer
Abstimmung gebilligt. Nach der Billigung des Planes durch die Gewerkschaften
erklärt sich die Kommission davon überzeugt, daß die im Plan vorgesehenen
Maßnahmen in vollem Umfang angenommen und erfolgreich umgesetzt werden
könnten (ABl. S. 82).
- 440.
- Ferner sieht die Kommission die Umstrukturierung der Gesellschaft im Profit-Center, mit der das Unternehmen von Grund auf rationalisiert werden soll, als eine
der Stärken des Planes an. Sie ist der Ansicht, durch die im Plan vorgesehenen
Produktivitätssteigerungen werde die Air France, verglichen mit anderen
Fluggesellschaften, „guter Durchschnitt“ werden, wobei die Kommission angibt, daß
sie ihre Analyse auf einen Vergleich der Werte des Effizienzindikators ERPK
stütze. Nach einer Erklärung des Funktionierens dieser Maßeinheit stellt die
Kommission fest, daß die Produktivität der Air France während des
Umstrukturierungszeitraums um 33,3 % steigen werde. Der 1996 erreichte Wert
werde höher als der geschätzte Durchschnittswert der sieben anderen großen
europäischen Fluggesellschaften sein (Lufthansa, British Airways, KLM, Alitalia,
Iberia, SAS und Swissair). Im Ergebnis ist die Kommission der Ansicht, daß mit
dem Plan die wirtschaftliche und finanzielle Lebensfähigkeit der Air France
wiederhergestellt werden könne, um so mehr als die französische Regierung
zugesichert habe, daß die Air France nach kaufmännischen Grundsätzen geführt
und wie ein normales Unternehmen behandelt werden solle (ABl. S. 83).
- 441.
- Nach Ansicht des Gerichts gibt diese Begründung eine angemessene Antwort auf
die Erklärungen der Beteiligten und macht die Argumentation der Kommission,
was die allgemeinen Gesichtspunkte des Umstrukturierungsplans angeht,
hinreichend deutlich. Sie zeigt nämlich, daß die Kommission die früheren
Umstrukturierungspläne, mit denen die Lage der Air France nicht hatte verbessert
werden können, nicht außer acht gelassen hat. Insbesondere erwähnt die
Kommission, daß der Plan „PRE 2“ gescheitert war, weil er weder vom Personal
der Air France noch von den Gewerkschaften angenommen worden war, während
der neue Plan von ihnen gebilligt worden ist. Es liegt aber auf der Hand, daß nur
ein durchführbarer Umstrukturierungsplan, auch wenn er weniger streng als ein
früherer nicht durchführbarer Plan ist, Aussichten auf Erfolg haben kann. Die
Kommission war folglich nicht verpflichtet, ihre Begründung in diesem Punkt zu
vertiefen.
- 442.
- Was die Frage angeht, ob die im Umstrukturierungsplan angeführten Maßnahmen
ausreichen, um die angestrebten Ziele der Rationalisierung und Entschuldung zu
erreichen, genügt die Beschreibung der geplanten Maßnahmen und die Einführung
des Kontrollmechanismus, den die Kommission gemäß den Artikeln 1 und 2 der
angefochtenen Entscheidung einsetzen kann, um auf der Ebene der Begründung
darzulegen, daß die Kommission zum einen an die Möglichkeit der Durchführung
des Umstrukturierungsplans glaubt und zum andern sich die als geeignet
angesehenen Mittel für den Fall vorbehält, daß die Durchführung des Planes
gefährdet sein sollte. Wenn die in Artikel 1 genannten Bedingungen nicht
eingehalten würden, könnte die Kommission nämlich gemäß Artikel 93 Absatz 2
Unterabsatz 2 des Vertrages den Gerichtshof unmittelbar anrufen (siehe oben,
Randnr. 348). Darüber hinaus stellt die effektive Durchführung des Planes nach
Artikel 2 eine Voraussetzung für die Zahlung der zweiten und der dritten Tranche
der Beihilfe dar.
- 443.
- In Anbetracht dieses Rahmens des Umstrukturierungsplans war die Kommission
nicht verpflichtet, spezifische Erläuterungen in Form eines Vergleichs des Planes
der Air France mit den Umstrukturierungsplänen anderer Fluggesellschaften wie
der Lufthansa und der British Airways vorzulegen. Diese Pläne betrafen nämlich
andere zu unterschiedlichen Zeiten umstrukturierte Gesellschaften.
- 444.
- Die Rüge, daß es der Buchführung der Air France an Klarheit fehle, ist auf kein
tatsächliches Indiz gestützt. In dieser Rüge wird lediglich auf einen Artikel in der
Presse verwiesen, wobei die Kommission aufgefordert wird, dafür zu sorgen, daß
die Rechnungslegung der Air France in dieser Hinsicht nichts verberge. Die
Kommission war daher nicht verpflichtet, sich ausdrücklich zu diesem
Gesichtspunkt zu äußern und insbesondere anzugeben, ob sie dieser Aufforderung
nachgekommen war.
- 445.
- Soweit geltend gemacht worden ist, daß der streitige Umstrukturierungsplan sich
nicht auf die Gesellschaft Air France habe beschränken dürfen, sondern auch die
anderen Gesellschaften des Konzerns habe erfassen müssen, genügt die
Feststellung, daß die Kommission einem Mitgliedstaat nicht aufgeben kann, einen
Umstrukturierungsplan für eine Gesellschaft aufzustellen, die nach Auffassung
dieses Staates einer Umstrukturierung nicht bedarf. Die Frage, ob und inwieweit
die Kommission bei der Prüfung und Genehmigung eines Planes, der die
Umstrukturierung einer zu einem Konzern gehörenden Gesellschaft betrifft,
gegebenenfalls die anderen Gesellschaften des Konzerns berücksichtigen muß, ist
jedoch nicht erheblich für die Begründung der angefochtenen Entscheidung in
bezug darauf, ob der betroffene Umstrukturierungsplan, der auf die Gesellschaft
Air France beschränkt ist, ausreichend ist. Die die Beteiligung des gesamten
Konzerns betreffenden Fragen sind oben in anderem Zusammenhang behandelt
worden (Randnrn. 298 bis 324). Das gleiche gilt für die spezielle Frage der
Kapazitäten der Air France, die ebenfalls im Vorstehenden besonders geprüft
worden ist (Randnrn. 357 bis 373).
- 446.
- Die Begründung dieses Teils der angefochtenen Entscheidung entspricht folglich
den Erfordernissen des Artikels 190 des Vertrages.
- 447.
- Was die Rügen angeht, die in allgemeiner Form auf die Unzulänglichkeit und die
mangelnde Genauigkeit des Umstrukturierungsplans gestützt werden, genügt der
Hinweis, daß die Kommission bei der Bewertung eines Planes zur
Umstrukturierung eines Unternehmens in wirtschaftlichen und finanziellen
Schwierigkeiten über ein weites Ermessen verfügt, wobei diese Bewertung sich im
übrigen oft auf vertrauliche Daten bezieht, die den Wettbewerbern des
betreffenden Unternehmens nicht zugänglich sind. Das Gericht kann folglich nur
dann, wenn ein besonders offensichtlicher und schwerer Fehler der Kommission bei
der Beurteilung eines solchen Planes vorliegt, die Genehmigung einer staatlichen
Beihilfe zur Finanzierung einer solchen Umstrukturierung beanstanden. Im
vorliegenden Fall ist aber das Vorliegen eines derartigen Fehlers nicht dargetan
worden. Das Gericht erinnert jedoch daran, daß es nicht in der Lage war, die von
der Air France zu erreichenden Produktivitätsziele unter dem besonderen
Gesichtspunkt der Fluglinien außerhalb des EWR zu prüfen, da die angefochtene
Entscheidung in diesem Punkt einen Begründungsmangel aufweist (siehe oben,
Randnr. 280).
- 448.
- Unter dem letztgenannten Vorbehalt sind die Rügen gegen die Genehmigung des
Umstrukturierungsplans der Air France durch die Kommission zurückzuweisen.
- 449.
- Unter diesen Umständen ist die Rüge, mit der die Klägerinnen in der Rechtssache
T-371/94 geltend machen, mit diesem Plan solle in Wirklichkeit nicht die
Lebensfähigkeit der Air France wiederhergestellt werden, sondern es sollten Ziele
der Regierung verwirklicht werden, sachlich und rechtlich unbegründet.
Zu den sonstigen Rügen
- 450.
- Die Klägerinnen und die zur Unterstützung ihrer Anträge dem Verfahren
beigetretenen Beteiligten machen geltend, der Umstrukturierungsplan der Air
France schließe zu Unrecht die Berücksichtigung der Gesellschaft Air Inter, den
Verkauf eines Maximums von nicht zum Luftverkehr gehörenden Aktiva und eine
globale Reduzierung der Kapazitäten aus. Außerdem sei dieser Plan weitgehend
auf den Indikator ERPK gestützt, mit dem die Produktivität der Air Francegemessen werden solle, obwohl diese Maßeinheit dafür nicht geeignet sei. Ferner
seien die im Umstrukturierungsplan der Air France vorgesehenen Maßnahmen viel
weniger streng als die von anderen Fluggesellschaften getroffenen.
- 451.
- In diesem Zusammenhang genügt es, auf das oben im Rahmen der Prüfung
anderer Rügen Gesagte zu verweisen, um zum Ergebnis zu gelangen, daß keine der
oben genannten gegen den Umstrukturierungsplan der Air France gerichteten
Rügen anerkannt werden kann.
- 452.
- Soweit die Klägerinnen und die zur Unterstützung ihrer Anträge dem Verfahren
beigetretenen Beteiligten der Kommission vorwerfen, sie habe zu Unrecht den
Kauf von 17 neuen Flugzeugen als Bestandteil des Umstrukturierungsplans
genehmigt, erinnert das Gericht daran, daß es nicht in der Lage ist, diese Rüge zu
prüfen, weil es an einer Begründung in bezug auf die Finanzierung dieser
Investition und deren Rechtsnatur fehlt.
III Zu dem Klagegrund, es liege ein Verstoß gegen Artikel 155 des Vertrages vor
- 453.
- Soweit die Klägerin in der Rechtssache T-394/94 vorträgt, die Kommission habe
dadurch, daß sie die Artikel 92 und 93 des Vertrages nicht richtig angewendet
habe, auch gegen Artikel 155 des Vertrages verstoßen, ist festzustellen, daß sich bei
der Prüfung des Vorbringens der Klägerinnen und der zur Unterstützung ihrer
Anträge dem Verfahren beigetretenen Beteiligten kein Beurteilungs- oder
Rechtsfehler bei der Anwendung der Artikel 92 und 93 gezeigt hat. Außerdem soll
Artikel 155 des Vertrages die Befugnisse der Kommission allgemein festlegen.
Daher kann nicht behauptet werden, daß jedesmal dann, wenn die Kommission
gegen eine spezielle Vorschrift des Vertrages verstößt, dieser Verstoß auch einen
Verstoß gegen die generelle Vorschrift des Artikels 155 nach sich zieht. Dieser
Klagegrund ist daher auf jeden Fall zurückzuweisen.
IV Ergebnis
- 454.
- Die Prüfung des gesamten Vorbringens in den vorliegenden Rechtsstreitigkeiten hat
ergeben, daß die angefochtene Entscheidung in zwei Punkten einen
Begründungsmangel aufweist, nämlich in bezug auf den Kauf von 17 neuen
Flugzeugen für einen Betrag von 11,5 Milliarden FF (siehe oben, Randnrn. 84 bis
120) und in bezug auf die Stellung der Air France im Wettbewerb auf ihrem
Streckennetz außerhalb des EWR mit dem entsprechenden Zubringerluftverkehr
(siehe oben, Randnrn. 238 bis 280). Diese beiden Punkte sind von wesentlicher
Bedeutung in der allgemeinen Systematik der angefochtenen Entscheidung. Diese
Entscheidung ist folglich für nichtig zu erklären. Unter diesen Voraussetzungen
braucht über den Antrag der Klägerin in der Rechtssache T-394/94 auf Vorlage
aller sachdienlichen Akten und Papiere, über die die Kommission verfügt, nicht
mehr entschieden zu werden.
Kosten
- 455.
- Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf
Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem
Vorbringen unterlegen ist und die Klägerinnen sowie die Streithelferinnen Maersk
dies beantragt haben, ist die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
- 456.
- Gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Französische Republik,
das Königreich Dänemark, das Vereinigte Königreich, das Königreich Schweden,
das Königreich Norwegen und die Air France ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Rechtssachen T-371/94 und T-394/94 werden zu gemeinsamer
Entscheidung verbunden.
2. Die Entscheidung 94/653/EG der Kommission vom 27. Juli 1994 über die
angemeldete Kapitalerhöhung von Air France wird für nichtig erklärt.
3. Die Kommission trägt die Kosten einschließlich der Kosten der
Streithelferinnen Maersk Air I/S und Maersk Air Ltd.
4. Die Compagnie nationale Air France, die Französische Republik, das
Königreich Dänemark, das Vereinigte Königreich Großbritannien und
Nordirland, das Königreich Schweden und das Königreich Norwegen tragen
ihre eigenen Kosten.
Bellamy Lenaerts Briët
Kalogeropoulos Potocki
|
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. Juni 1998.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
A. Kalogeropoulos
Inhaltsverzeichnis
Den Klagen und den Verfahren zugrunde liegender Sachverhalt
II - 4
Verwaltungsverfahren
II - 4
Die angefochtene Entscheidung
II - 5
Gerichtliche Verfahren
II - 9
Anträge der Beteiligten
II - 11
Zur Begründetheit
II - 12
I Zu den einen nicht ordnungsgemäßen Ablauf des Verwaltungsverfahrens
betreffenden Rügen
II - 13
Vorbringen der Beteiligten
II - 13
Würdigung durch das Gericht
II - 17
Allgemeines
II - 17
Die Mitteilung vom 3. Juni 1994
II - 19
Die Dauer der Prüfung
II - 21
Die externen Sachverständigen
II - 21
Der Übersetzungsfehler
II - 22
Die Beteiligung der anderen Mitgliedstaaten
II - 22
Ergebnis
II - 22
II Zu den Rügen, die sich auf die Beurteilungsfehler und Rechtsfehler stützen,
die die Kommission unter Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c
des Vertrages und Artikel 61 Absatz 3 Buchstabe c des EWR-Abkommens
begangen haben soll
II - 23
Allgemeines
II - 23
Zu den auf einen Verstoß gegen den für staatliche Beihilfen geltenden
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gestützten Rügen
II - 24
A Zur Rüge, daß die Kommission zu Unrecht die Anschaffung von
17 neuen Flugzeugen durch die Air France genehmigt habe
II - 24
Vorbringen der Beteiligten
II - 24
Würdigung durch das Gericht
II - 26
B Zur Rüge, die Kommission habe zu Unrecht die Finanzierung von
Betriebskosten und von operativen Maßnahmen der Air France
genehmigt
II - 34
Vorbringen der Beteiligten
II - 34
Würdigung durch das Gericht
II - 37
C Zur Rüge der fehlerhaften Klassifizierung der von der Air France
zwischen 1989 und 1993 ausgegebenen Wertpapiere
II - 40
Vorbringen der Beteiligten
II - 40
Würdigung durch das Gericht
II - 43
D Zu der Rüge, die Kommission habe den Verschuldungsgrad von
Air France verkannt
II - 46
Vorbringen der Beteiligten
II - 46
Würdigung durch das Gericht
II - 48
E Zu der Rüge, die Kommission habe es zu Unrecht unterlassen, den
Verkauf von Vermögensteilen der Air France zu verlangen, die
hätten veräußert werden können
II - 51
Vorbringen der Beteiligten
II - 51
Würdigung durch das Gericht
II - 58
Zu der Rüge, die Kommission habe fehlerhaft gehandelt, als sie
angenommen habe, daß die Beihilfe zur Förderung der Entwicklung eines
bestimmten Wirtschaftszweigs bestimmt sei, ohne die Handelsbedingungen
in eine dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise zu verändern
II - 65
A Zu der Rüge, die Kommission habe zu Unrecht eine Beihilfe
genehmigt, die nicht der Entwicklung eines bestimmten
Wirtschaftszweigs, sondern derjenigen eines einzelnen
Unternehmens diene
II - 65
Vorbringen der Beteiligten
II - 65
Würdigung durch das Gericht
II - 65
B Zur Rüge, die Kommission habe zu Unrecht eine Beihilfe
genehmigt, die die Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamen
Interesse zuwiderlaufenden Weise verändere
II - 66
Vorbringen der Beteiligten
II - 66
Würdigung durch das Gericht
II - 72
1. Zur Begründung
II - 72
2. Zur Begründetheit
II - 80
a) Zur Bedingung Nr. 1
II - 84
Vorbringen der Klägerinnen
II - 85
Würdigung durch das Gericht
II - 88
b) Zur Bedingung Nr. 3
II - 92
Vorbringen der Klägerinnen
II - 92
Würdigung durch das Gericht
II - 94
c) Zur Bedingung Nr. 6
II - 97
Vorbringen der Klägerinnen
II - 97
Würdigung durch das Gericht
II - 97
d) Zur Bedingung Nr. 7
II - 98
Vorbringen der Klägerinnen
II - 98
Würdigung durch das Gericht
II - 98
e) Zur Bedingung Nr. 8
II - 99
Vorbringen der Klägerinnen
II - 99
Beurteilung durch das Gericht
II - 101
f) Zur Bedingung Nr. 9
II - 104
Vorbringen der Klägerinnen
II - 104
Würdigung durch das Gericht
II - 105
g) Zur Bedingung Nr. 10
II - 106
Vorbringen der Klägerinnen
II - 106
Würdigung durch das Gericht
II - 107
h) Zur Bedingung Nr. 11
II - 108
Vorbringen der Klägerinnen
II - 108
Würdigung durch das Gericht
II - 109
i) Zur Bedingung Nr. 12
II - 110
Vorbringen der Klägerinnen
II - 110
Würdigung durch das Gericht
II - 111
j) Zur Bedingung Nr. 13
II - 112
Vorbringen der Klägerinnen
II - 112
Würdigung durch das Gericht
II - 112
k) Zu den Bedingungen Nr. 15 und Nr. 16
II - 113
Vorbringen der Klägerinnen
II - 113
Würdigung durch das Gericht
II - 114
Zu den Rügen in bezug auf die Fehler, die die Kommission begangen haben
soll, als sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Umstrukturierungsplan
geeignet sei, die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Air France
wiederherzustellen
II - 115
Zur angeblichen generellen Unzulänglichkeit des
Umstrukturierungsplans
II - 115
Vorbringen der Beteiligten
II - 115
Würdigung durch das Gericht
II - 115
Zu den sonstigen Rügen
II - 120
III Zu dem Klagegrund, es liege ein Verstoß gegen Artikel 155 des Vertrages
vor
II - 120
IV Ergebnis
II - 121
Kosten
II - 121