Language of document : ECLI:EU:T:2016:111

Rechtssache T‑265/12

Schenker Ltd

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb – Kartelle – Internationale Speditionsdienste im Luftverkehr – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird – Preisfestsetzung – Aufschläge und Gebührenregelungen, die den Endpreis beeinflussen – In einem Antrag auf Erlass der Geldbuße enthaltene Beweismittel – Schutz der Vertraulichkeit der Mitteilungen zwischen Rechtsanwälten und Mandanten – Berufsregeln, die die Loyalitätspflicht und das Verbot der Doppelvertretung betreffen– Treuhänderische Verpflichtungen – Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten – Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung – Wahl der Gesellschaften – Geldbußen – Verhältnismäßigkeit – Schwere der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände – Gleichbehandlung – Zusammenarbeit – Vergleich – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen (2006)“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Neunte Kammer) vom 29. Februar 2016

1.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Befugnis des Unionsrichters zu unbeschränkter Nachprüfung – Umfang

(Art. 261 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 31)

2.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Heranziehung von Erklärungen anderer an der Zuwiderhandlung beteiligter Unternehmen als Beweise – Zulässigkeit – Voraussetzungen

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2)

3.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Nachprüfungsbefugnisse der Kommission – Befugnis, die Vorlage eines Schriftwechsels zwischen Rechtsanwalt und Mandant zu fordern – Grenzen – Schutz der Vertraulichkeit einer solchen Kommunikation – Umfang

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 2, 17 und 19)

4.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Verwendung von Angaben und Beweismitteln, die von einem Unternehmen in einem Erlassantrag vorgelegt worden sind – Zulässigkeit – Anwalt, der gegen das Verbot einer Doppelvertretung oder gegen die Loyalitätspflicht verstoßen hat – Keine Auswirkung – Voraussetzungen

(Art. 101 AEUV und 102 AEUV)

5.      Wettbewerb – Verkehr – Wettbewerbsregeln – Luftverkehr – Verordnung Nr. 17 – Geltungsbereich – Tätigkeiten, die unmittelbar die Erbringung von Luftverkehrsleistungen betreffen – Nichteinbeziehung – Tätigkeiten, die nicht den Luftverkehr selbst, sondern einen diesem vor- oder nachgelagerten Markt betreffen – Einbeziehung

(Art. 101 AEUV; Verordnungen des Rates Nr. 17 und Nr. 141, dritter Erwägungsgrund und Art. 1)

6.      Wettbewerb – Kartelle – Abgrenzung des Marktes – Zweck – Bestimmung der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten – Spürbare Auswirkung

(Art. 101 AEUV; EWR-Abkommen, Art. 53)

7.      Wettbewerb – Kartelle – Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten – Beurteilungskriterien

(Art. 101 AEUV)

8.      Wettbewerb – Regeln der Union – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Rechtliche Einheit, die für die Zuwiderhandlung verantwortlich ist – Verschwinden im Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses der Kommission oder Übertragung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit auf eine andere Einheit, die eine strukturelle Verbindung zu ihr aufweist – Haftbarmachen des wirtschaftlichen Nachfolgers – Zulässigkeit

(Art. 101 AEUV)

9.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Beschluss der Kommission, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt und eine Geldbuße verhängt wird – Wahl der juristischen Einheiten, gegen die eine Sanktion verhängt wird – Wertungsspielraum – Grenzen – Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2)

10.    Rechtsakte der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln – Möglichkeit der Kommission, den Begründungsmangel des Beschlusses während des Verfahrens vor den Unionsinstanzen zu heilen – Fehlen

(Art. 101 AEUV und 296 AEUV)

11.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Festlegung des Grundbetrags – Ermittlung des Umsatzes – Schwere der Zuwiderhandlung – Festsetzung der Geldbuße in angemessenem Verhältnis zu den Gesichtspunkten für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung – Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens – Mit den Waren, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, erzielter Umsatz – Jeweilige Berücksichtigung – Grenzen

(Art. 101 AEUV; Charta der Grundrechte, Art. 49 Abs. 3; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 13)

12.    Wettbewerb – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Rechtsnatur – Verhaltensnorm mit Hinweischarakter, die eine Selbstbeschränkung des Ermessens der Kommission impliziert – Möglichkeit der Kommission, davon abzuweichen – Voraussetzungen

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 13 und 37)

13.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Festlegung des Grundbetrags – Ermittlung des Umsatzes – In unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung getätigte Verkäufe – Kartell im Sektor der internationalen Speditionsdienste im Luftverkehr – Kartell, das Speditionsdienste als Leistungspaket betrifft – Berücksichtigung des Werts der mit den Speditionsdiensten als Leistungspaket getätigten Verkäufe – Zulässigkeit

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 13)

14.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Festlegung des Grundbetrags – Ermittlung des Umsatzes – In unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung getätigte Verkäufe – Beschränkung nur auf die tatsächlich vom Kartell betroffenen Verkäufe – Fehlen

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 13)

15.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Leitlinien der Kommission – Bestehen eines Kartells auf einem vorgelagerten Markt – Umstand, der die Kommission dazu verpflichtet, von den Leitlinien abzuweichen – Fehlen

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 13)

16.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Verfolgung eines Ziels allgemeiner Abschreckung – Zulässigkeit

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 13)

17.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – Bestehen eines Kartells auf einem vorgelagerten Markt – Fehlen

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 29)

18.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Grundsatz der Gleichbehandlung – Entscheidungspraxis der Kommission – Unverbindlichkeit

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2 und 3; Mitteilung 2006/C 210/02 der Kommission, Ziff. 13)

19.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Wahrung der Verteidigungsrechte – Akteneinsicht – Umfang – Weigerung, ein Dokument zu übermitteln – Folgen – Notwendigkeit, bei der dem betroffenen Unternehmen obliegenden Beweislast zwischen belastenden und entlastenden Schriftstücken zu unterscheiden

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 27 Abs. 1 und 2; Verordnung Nr. 773/204 der Kommission, Art. 15)

20.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Anpassung des Grundbetrags – Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen als Gegenleistung für die Zusammenarbeit der beschuldigten Unternehmen – Zwingender Charakter für die Kommission – Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes – Voraussetzungen

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 298/11 der Kommission, Rn. 38)

21.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Rechtlicher Rahmen – Leitlinien der Kommission – Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen als Gegenleistung für die Zusammenarbeit der beschuldigten Unternehmen – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung – Umfang

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 298/11 der Kommission)

22.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Nichtverhängung oder Herabsetzung einer Geldbuße als Gegenleistung für die Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens – Gewährung eines bedingten Erlasses von Geldbußen – Voraussetzung – Die übermittelten Informationen müssen es ihr erlauben, sich eine detaillierte und genaue Vorstellung von Art und Umfang des mutmaßlichen Kartells zu machen – Fehlen – Informationen, die es erlauben müssen, eine gezielte Untersuchung im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Zuwiderhandlung durchzuführen

(Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2006/C 298/11 der Kommission, Rn. 8 Buchst. a, 9 Buchst. a und 18)

23.    Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Vergleichsverfahren – Einleitung – Ermessen der Kommission – Umfang

(Art. 101 AEUV und 102 AEUV; Verordnung Nr. 773/2004 der Kommission, Art. 10a Abs. 1 und Verordnung Nr. 622/2008 der Kommission, vierter Erwägungsgrund; Mitteilung 2008/C 167/01 der Kommission)

1.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 31-34)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 40-42)

3.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 45, 46)

4.      Das Unionsrecht enthält keine Bestimmungen, die der Kommission das Recht absprechen, Angaben und Beweismittel zu verwenden, die ihr von einem Unternehmen in einem Erlassantrag vorgelegt worden sind, wenn der Rechtsanwalt, der diesem Unternehmen Beistand geleistet hat, das Verbot einer Doppelvertretung oder die Loyalitätspflicht gegenüber seinen ehemaligen Mandanten, sie sich an einem Kartell beteiligt haben, verletzt hat.

Doch die Grundrechte und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts sind von der Kommission auch in den vorangehenden Stadien der Untersuchung und der Sammlung von Informationen zu wahren.

Selbst wenn zum einen die Berufsregeln hinsichtlich des Verbots einer Doppelvertretung und der Loyalitätspflicht als Ausdruck gemeinsamer allgemeiner Grundsätze zu betrachten wären, die im Rahmen des Verfahrens vor der Kommission berücksichtigt werden müssen, und zum anderen das Verhalten des in Rede stehenden Rechtsanwalts mit diesen Regeln nicht im Einklang stünde, hätte die Kommission unter den Umständen des vorliegenden Falls mit der Schlussfolgerung, dass sie berechtigt sei, die im Erlassantrag enthaltenen Angaben und Beweismittel zu verwenden, keinen Fehler begangen, wenn sämtliche dieser Angaben und Beweismittel dem Unternehmen, das den Erlassantrag gestellt hatte, unabhängig von einer Verletzung des Berufsgeheimnisses durch den Rechtsanwalt in Bezug auf seine früheren Mandanten zur Verfügung standen. Außerdem muss ein Unternehmen bei der Vorbereitung und Einreichung eines Erlassantrags nicht den Beistand eines Rechtsanwalts in Anspruch nehmen oder sich von diesem vertreten lassen. Schließlich könnte ein von einem Rechtsanwalt begangener Verstoß gegen die für ihn geltenden nationalen Berufsregeln nach nationalem Recht geahndet werden.

(vgl. Rn. 48, 52, 53, 55, 56)

5.      Das Verhalten eines Unternehmens ist nur dann nach Art. 1 der Verordnung Nr. 141 über die Nichtanwendung der Verordnung Nr. 17 des Rates auf den Verkehr vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 17 ausgenommen, wenn es die Beschränkung des Wettbewerbs auf einem Verkehrsmarkt bezweckt oder bewirkt. Nach dem dritten Erwägungsgrund dieser Verordnung sind durch den genannten Artikel nur Verhaltensweisen ausgenommen, die unmittelbar die Erbringung von Verkehrsleistungen betreffen.

Ferner kann das Verhalten eines Unternehmens, das nicht den Luftverkehr selbst, sondern einen diesem vor- oder nachgelagerten Markt betrifft, nicht als unmittelbar die Verkehrsleistung betreffend betrachtet werden und ist daher nicht nach Art. 1 der Verordnung Nr. 141 befreit.

Außerdem befreit Art. 1 der Verordnung Nr. 141 nicht sämtliche Tätigkeiten eines Unternehmens allein deshalb, weil ein Teil seiner Tätigkeiten die Luftverkehrsleistungen betrifft. Selbst wenn ein Unternehmen Verkehrsleistungen auf einem vorgelagerten Markt anfordert, sind daher seine Tätigkeiten auf einem nachgelagerten Markt, die nicht unmittelbar die Verkehrsleistungen betreffen, nicht durch diesen Artikel befreit.

(vgl. Rn. 77, 78, 81)

6.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 141-143)

7.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 151)

8.      Wenn ein Unternehmen gegen die Wettbewerbsregeln verstößt, hat es nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen. Jedoch hindert der Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit nicht daran, dass in bestimmten Fällen der wirtschaftliche Nachfolger eines Unternehmens für das Verhalten dieses Unternehmens verantwortlich gemacht wird.

So kann zum einen der wirtschaftliche Nachfolger einer rechtlichen Einheit, die für eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union verantwortlich ist, zur Verantwortung gezogen werden, wenn diese Einheit zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses der Kommission nicht mehr besteht.

Zum anderen, wenn eine für eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verantwortliche Gesellschaft die wirtschaftliche Tätigkeit auf dem relevanten Markt auf eine andere Gesellschaft zu einem Zeitpunkt überträgt, zu dem diese beiden Gesellschaften zu ein und demselben Unternehmen gehören, kann die Gesellschaft, auf welche die Tätigkeit übertragen worden ist, wegen der strukturellen Verbindungen, die damals zwischen diesen beiden Gesellschaften bestanden, verantwortlich gemacht werden.

In den beiden vorgenannten Fällen ist es zur effizienten Umsetzung der Wettbewerbsregeln gerechtfertigt, den wirtschaftlichen Nachfolger haftbar zu machen. Würde die Kommission nämlich nicht über eine solche Möglichkeit verfügen, könnten sich die Unternehmen leicht den Sanktionen durch Umstrukturierungen, Übertragungen oder sonstige rechtliche oder organisatorische Änderungen entziehen. Das Ziel der Ahndung der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen und der Unterbindung ihrer Fortsetzung durch abschreckende Sanktionen würde somit gefährdet.

(vgl. Rn. 189-193)

9.      Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 kann die Kommission gegen Unternehmen durch Beschluss Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 101 AEUV verstoßen. Diese Bestimmung behandelt nur die Möglichkeit, Sanktionen gegen Unternehmen zu verhängen, bestimmt jedoch nicht, gegen welche juristischen Einheiten die Geldbuße verhängt werden kann. Die Kommission verfügt daher über ein Ermessen in Bezug auf die Wahl der juristischen Einheiten, gegen die sie eine Sanktion wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union verhängt.

Bei dieser Wahl ist die Kommission jedoch nicht völlig frei. Sie muss insbesondere die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und die auf Unionsebene gewährleisteten Grundrechte beachten.

Beschließt daher die Kommission im Lauf ihrer Untersuchung, keine Geldbuße gegen eine bestimmte Gruppe juristischer Einheiten zu verhängen, die Teil des Unternehmens gewesen sein könnten, das die Zuwiderhandlung begangen hat, muss sie insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten.

Daher dürfen die Kriterien, die die Kommission festlegt, um zwischen den juristischen Einheiten, gegen die sie eine Geldbuße verhängt, und denjenigen, gegen die sie keine Geldbuße zu verhängen beschließt, zu unterscheiden, nicht nur nicht willkürlich sein, sondern sie müssen auch einheitlich angewandt werden.

Die Kommission kann daher beschließen, keine Geldbußen gegen die ehemaligen Muttergesellschaften der Tochtergesellschaften, die von einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln betroffen waren, zu verhängen. Eine solche Vorgehensweise ist von dem Ermessen gedeckt, über das die Kommission verfügt. In dessen Rahmen kann sie nämlich dem Umstand Rechnung tragen, dass eine Vorgehensweise, die auf die Verhängung von Sanktionen gegen sämtliche juristische Einheiten gerichtet ist, die für eine Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht werden können, ihre Ermittlungen erheblich erschweren könnte.

Die Kommission überschreitet daher die Grenzen ihres Ermessens nicht, wenn sie beschließt, Sanktionen nur gegen die Unternehmen, die unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligt sind, und gegen die derzeitigen Muttergesellschaften, die für deren Verhalten verantwortlich gemacht werden können, nicht aber gegen die ehemaligen Muttergesellschaften zu verhängen.

(vgl. Rn. 211-214, 216, 217, 219)

10.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 229-231, 424-428)

11.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 244-248, 276)

12.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 251, 252)

13.    Nach Ziff. 13 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003 ermittelt die Kommission den Wert der Waren oder Dienstleistungen, die mit der Zuwiderhandlung in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen. Da es sich um ein Kartell im Sektor der internationalen Speditionsdienste im Luftverkehr in Bezug auf das Neue Ausfuhrsystem handelt, das Speditionsdienstleistungen in Form eines Leistungspakets betraf, hat die Kommission nicht die Grenzen überschritten, die sie sich durch Ziff. 13 der Leitlinien gesetzt hat, als sie den Wert der in Form eines Pakets verkauften Speditionsdienstleistungen und nicht nur den Wert der für die Registrierung des Neuen Ausfuhrsystems verkauften Leistungen in Ansatz gebracht hatte.

(vgl. Rn. 256)

14.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 267, 268, 270)

15.    Das Bestehen eines Kartells auf einem Markt, der dem Markt vorgelagert ist, auf dem die mit einer Geldbuße zu ahndende Zuwiderhandlung begangen wurde, kann nicht als ein Umstand betrachtet werden, der die Kommission dazu verpflichten könnte, von der in Ziff. 13 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen allgemeinen Methode abzuweichen.

Die Anwendung des Kriteriums des Wertes der Verkäufe als Ausgangspunkt für die Berechnung des Betrags der Geldbußen ist nämlich insbesondere dadurch gerechtfertigt, dass der Teil des Gesamtumsatzes, der aus dem Verkauf der Waren oder Dienstleistungen stammt, die Gegenstand der Zuwiderhandlung sind, die wirtschaftliche Bedeutung dieser Zuwiderhandlung am besten wiedergibt und es sich um ein objektives Kriterium handelt, das leicht anzuwenden ist.

Ein Ansatz, wonach das Bestehen eines rechtswidrigen Kartells auf einem vorgelagerten Markt die Kommission verpflichtete, den Wert der im Zusammenhang mit einer Zuwiderhandlung auf einem nachgelagerten Markt getätigten Verkäufe anzupassen, würde bereits auf der ersten Stufe der Berechnung der Höhe der Geldbuße einen Unsicherheitsfaktor einführen. Erstens wäre nämlich der Betrag der vorzunehmenden Abzüge allgemein schwer zu bestimmen. Zweitens müssten zur Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung Abzüge nicht nur dann vorgenommen werden, wenn ein rechtswidriges Kartell einen vorgelagerten Markt betrifft, sondern ganz allgemein in allen Fällen, in denen Faktoren, die als unionsrechtswidrig zu betrachten sind, einen unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf den Preis der erfassten Waren oder Dienstleistungen haben könnten. Drittens hätte ein solcher Ansatz zur Folge, dass die Grundlage für die Berechnung des Betrags einer Geldbuße nach dem Erlass des Beschlusses der Kommission Gefahr liefe, in Frage gestellt zu werden, wenn Faktoren, die einen unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf den Preis der Inputs haben könnten, nach diesem Zeitpunkt entdeckt würden. Ein solcher Ansatz könnte daher Anlass zu endlosen und unlösbaren Streitigkeiten, einschließlich des Vorwurfs der Ungleichbehandlung geben.

(vgl. Rn. 276, 278, 280)

16.    Der Wert der Verkäufe wird nicht nur deshalb stellvertretend für die wirtschaftliche Bedeutung einer Zuwiderhandlung herangezogen, weil er am besten geeignet ist, die wirtschaftliche Bedeutung dieser Zuwiderhandlung sowie das Gewicht des jeweiligen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens wiederzugeben, sondern auch deshalb, weil es sich um ein objektives Kriterium handelt, das leicht anzuwenden ist. Die letztgenannte Eigenschaft des Wertes der Verkäufe macht das Vorgehen der Kommission für die Unternehmen besser vorhersehbar und ermöglicht es ihnen, die Höhe des Betrags einer Geldbuße einzuschätzen, der sie sich aussetzen, wenn sie beschließen, sich an einem rechtswidrigen Kartell zu beteiligen. Die Anwendung des Kriteriums des Wertes der Verkäufe in Ziff. 13 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003 verfolgt somit insbesondere ein Ziel allgemeiner Abschreckung. Die Kommission hindert aber nichts daran, im Rahmen ihrer Aufgabe der Überwachung der Einhaltung des Wettbewerbsrechts der Union, die ihr der Vertrag anvertraut hat, ein Ziel allgemeiner Abschreckung zu verfolgen, wenn sie die allgemeine Methode für die Berechnung des Betrags der Geldbußen bestimmt.

(vgl. Rn. 291)

17.    Ziff. 29 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003 enthält eine nicht erschöpfende Liste mildernder Umstände, die unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Verringerung des Grundbetrags der Geldbuße führen können.

Wenn eine Zuwiderhandlung von mehreren Unternehmen begangen worden ist, ist nämlich die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu prüfen, um festzustellen, ob bei ihnen erschwerende oder mildernde Umstände vorliegen.

Zwischen dem Bestehen eines Kartells auf einem vorgelagerten Markt und einem der in der erwähnten Ziff. 29 der Leitlinien ausdrücklich aufgeführten mildernden Umstände lässt sich kein Bezug herstellen.

(vgl. Rn. 317-319)

18.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 326-329, 431)

19.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 341-345)

20.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 361)

21.    Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 362)

22.    Die Kommission hat zu dem Zeitpunkt, zu dem ihr ein Erlassantrag im Sinne der Rn. 8 Buchst. a der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen zugeht, noch keine Kenntnis von dem betreffenden Kartell. Daher ist sie, wie in Fußnote 1 zu Rn. 8 Buchst. a dieser Mitteilung klargestellt wird, zu einer Ex-ante-Bewertung des Antrags auf Geldbußenerlass verpflichtet, die ausschließlich auf der Grundlage der Art und der Qualität der vom Antragsteller übermittelten Informationen erfolgt.

Diese Mitteilung hindert die Kommission daher nicht daran, einem Unternehmen einen bedingten Erlass der Geldbuße zu gewähren, auch wenn die von ihm übermittelten Informationen es ihr noch nicht erlauben, sich eine detaillierte und genaue Vorstellung von Art und Umfang des mutmaßlichen Kartells zu machen.

Denn zum einen verlangt zwar Rn. 9 Buchst. a dieser Mitteilung, dass das Unternehmen, welches den Erlass beantragt, der Kommission eine „eingehende Beschreibung“ insbesondere des mutmaßlichen Kartells und seiner räumlichen Ausdehnung sowie „genaue Angaben“ zu dessen Gegenstand vorlegen muss, doch gilt diese Verpflichtung nur, soweit das Unternehmen zum Zeitpunkt der Antragstellung davon Kenntnis hat. Zum anderen wohnt der Mitarbeit eines Unternehmens an der Aufdeckung eines rechtswidrigen Kartells, von dem die Kommission bis dahin keine Kenntnis hatte, ein Wert an sich inne, der den Erlass der Geldbuße rechtfertigen kann. Zweck der Rn. 8 Buchst. a und 18 der oben genannten Mitteilung ist nämlich, es der Kommission zu erleichtern, unbekannte Zuwiderhandlungen aufzudecken, die verborgen geblieben wären, wenn das Unternehmen, das den Erlass beantragt, keine Beweismittel übermittelt hätte.

Daher verlangen die Rn. 8 Buchst. a, 9 und 18 dieser Mitteilung nicht, dass die von einem Unternehmen übermittelten Unterlagen Informationen und Beweismittel darstellen, die genau die Zuwiderhandlungen betreffen, welche die Kommission am Ende des Verwaltungsverfahrens feststellt. Es reicht aus, dass sie es ihr erlaubt haben, eine gezielte Untersuchung im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Zuwiderhandlung durchzuführen, die die Zuwiderhandlung oder die Zuwiderhandlungen abdeckt, welche sie am Ende dieses Verfahrens feststellt.

(vgl. Rn. 368-371)

23.    Nach Art. 10a Abs. 1 der Verordnung Nr. 773/2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 101 AEUV und 102 AEUV durch die Kommission in der durch die Verordnung Nr. 622/2008 geänderten Fassung kann die Kommission eine Frist setzen, innerhalb der die Parteien schriftlich ihre Bereitschaft signalisieren können, Vergleichsgespräche im Hinblick auf die mögliche Vorlage von Vergleichsausführungen aufzunehmen. Somit geht aus dem Wortlaut dieser Bestimmung klar hervor, dass die Kommission nicht verpflichtet ist, Kontakt mit den Parteien aufzunehmen, sondern dass sie diesbezüglich über ein Ermessen verfügt. Diese Auslegung von Art. 10a Abs. 1 der Verordnung Nr. 773/2004 in der geänderten Fassung wird durch den vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 622/2008 bestätigt, wonach die Kommission bei der Auslotung der Fälle, in denen die Parteien an Vergleichsgesprächen interessiert sein könnten, und auch bei dem Entschluss, diese Gespräche zu führen, sie zu beenden oder sich zu vergleichen, einen weiten Ermessensspielraum hat.

In diesem Zusammenhang steht die Praxis der Kommission damit in Einklang. Denn nach Ziff. 6 ihrer Mitteilung über die Durchführung von Vergleichsverfahren bei dem Erlass von Entscheidungen nach Artikel 7 und Artikel 23 der Verordnung Nr. 1/2003 in Kartellfällen erkundet die Kommission, wenn sie in einem geeigneten Fall ausgelotet hat, ob die Parteien Interesse an einem Vergleichsverfahren haben könnten, das Interesse, sich zu vergleichen, bei allen Parteien eines Verfahrens, auch wenn diese keinen Anspruch auf Durchführung eines Vergleichsverfahrens haben. Aus dieser Ziff. geht eindeutig hervor, dass die Kommission das Interesse der beteiligten Unternehmen nur dann erkunden muss, wenn sie den Fall als für einen Vergleich geeignet erachtet. Daher sieht diese Ziff. auch die Möglichkeit vor, dass sie eine Sache nicht für einen Vergleich geeignet ansehen kann, ohne dass sie zuvor Kontakt mit den betreffenden Parteien aufgenommen hat und deren Interesse an einem Vergleichsverfahren ausgelotet hat.

Da nämlich ein Vergleich den Einsatz der Mittel der Kommission durch die Verhängung wirksamer und schnell ausgesprochener Sanktionen maximieren soll, hat die Kommission nach dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 622/2008 die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, ob mit den Parteien innerhalb einer vertretbaren Frist Einvernehmen über die möglichen Beschwerdepunkte erzielt werden kann. Nach diesem Erwägungsgrund kann sie in diesem Rahmen Faktoren wie die Anzahl der Parteien, vorhersehbare Konflikte bei der Haftungszurechnung und den Umfang der Anfechtung des Sachverhalts berücksichtigen. Ebenfalls nach diesem Erwägungsgrund kann sie andere Erwägungen als die, welche etwaige Rationalisierungswirkungen betreffen, berücksichtigen, z. B. die Möglichkeit der Schaffung eines Präzedenzfalls.

Ferner ist der Umstand, dass Unternehmen ihr Interesse an einem Vergleichsverfahren äußern, einer der Faktoren, die die Kommission bei der Entscheidung berücksichtigen kann, ob sich die Sache für ein Vergleichsverfahren eignet, da dieser Faktor von Bedeutung für die Wahrscheinlichkeit sein kann, dass innerhalb angemessener Frist mit den Parteien Einvernehmen über die möglichen Beschwerdepunkte erzielt werden kann. Allerdings kann das Gewicht einer solchen Interessenbekundung je nach dem Stadium des Verfahrens unterschiedlich sein. Hat sich die Kommission nämlich ermessensfehlerfrei gegen ein Vergleichsverfahren entschieden und bereits ein anderes Verfahren als ein Vergleichsverfahren eingeleitet, können sich die Rationalisierungsgewinne, die aus einem Vergleich entstehen können, als begrenzter erweisen.

(vgl. Rn. 395, 396, 402, 417)