Language of document : ECLI:EU:T:2016:8

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

14. Januar 2016(*)

„Landwirtschaft – Ausfuhrerstattung – Geflügelfleisch – Durchführungsverordnung, mit der die Erstattung auf 0 Euro festgesetzt wurde – Nichtigkeitsklage – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht – Unmittelbare Betroffenheit – Zulässigkeit – Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 – Begründungspflicht – Art. 164 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 – Berechtigtes Vertrauen“

In der Rechtssache T‑397/13

Tilly-Sabco mit Sitz in Guerlesquin (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Milchior und F. Le Roquais sowie Rechtsanwältin S. Charbonnel,

Klägerin,

unterstützt durch

Doux SA mit Sitz in Châteaulin (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. Vogel,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch D. Bianchi und K. Skelly als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 689/2013 der Kommission vom 18. Juli 2013 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. L 196, S. 13)

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich (Berichterstatter) sowie des Richters J. Schwarcz und der Richterin V. Tomljenović,

Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 2015

folgendes

Urteil (1)

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Klägerin, Tilly-Sabco, ist eine u. a. im Bereich der Ausfuhr ganzer gefrorener Hähnchen in die Länder des Nahen Ostens tätige Gesellschaft.

2        Mit der vorliegenden Klage beantragt die Klägerin die Nichtigerklärung eines von der Europäischen Kommission erlassenen Rechtsakts, durch den diese die Ausfuhrerstattungen im Geflügelfleischsektor für drei Kategorien ganzer gefrorener Hähnchen auf null festgesetzt hat.

3        Die für Ausfuhrerstattungen geltenden Grundsätze sind in der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (ABl. L 299, S. 1) in ihrer geänderten Fassung enthalten.

4        Kapitel III („Ausfuhren“) des Teils III („Handel mit Drittländern“) der Verordnung Nr. 1234/2007 enthält einen Abschnitt II („Ausfuhrerstattungen“), der sich mit diesen Erstattungen befasst. Um die Ausfuhr u. a. von Erzeugnissen des Geflügelfleischsektors auf der Grundlage der Notierungen oder Preise, die auf dem Weltmarkt gelten, zu ermöglichen, bestimmt Art. 162 dieser Verordnung, dass der Unterschied zwischen diesen Notierungen oder Preisen und den Preisen in der Europäischen Union innerhalb der Grenzen der nach Art. 218 AEUV geschlossenen Abkommen durch eine Erstattung bei der Ausfuhr ausgeglichen werden kann.

5        Nach Art. 164 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1234/2007 ist die Ausfuhrerstattung für die gesamte Union gleich. Nach Abs. 2 dieses Artikels werden die Ausfuhrerstattungen von der Kommission festgesetzt, wobei die Festsetzung in regelmäßigen Zeitabständen oder, für bestimmte Erzeugnisse, im Wege der Ausschreibung erfolgen kann. Dieser Absatz sieht ferner vor, dass außer bei einer Festsetzung im Wege der Ausschreibung die Liste der erstattungsfähigen Erzeugnisse und der Betrag der Erstattung mindestens einmal alle drei Monate festgesetzt werden.

[nicht wiedergegeben]

10      Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 689/2013 vom 18. Juli 2013 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. L 196, S. 13, im Folgenden: angefochtene Verordnung) setzte die Kommission u. a. die Ausfuhrerstattungen für drei Kategorien gefrorener Hähnchen mit den Erzeugniscodes 0207 12 10 9900, 0207 12 90 9190 und 0207 12 90 9990 auf null fest.

11      Der Erstattungsbetrag für die sechs anderen im Anhang der angefochtenen Verordnung genannten Erzeugnisse – im Wesentlichen Küken –, der in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1056/2011 der Kommission vom 20. Oktober 2011 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch (ABl. L 276, S. 31) auf null festgesetzt worden war, wurde nicht geändert.

12      Dem Anhang der angefochtenen Verordnung zufolge handelt es sich bei den von den Ausfuhrerstattungen betroffenen Bestimmungsländern insbesondere um Länder des Nahen Ostens.

13      Außerdem hob die angefochtene Verordnung die Verordnung Nr. 360/2013 auf, mit der die Höhe der Erstattungen für den in Rede stehenden Sektor bislang festgesetzt worden war.

[nicht wiedergegeben]

 Verfahren und Anträge der Beteiligten

17      Mit Klageschrift, die am 6. August 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

18      Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, mit dem sie den Präsidenten des Gerichts ersucht hat, den Vollzug der angefochtenen Verordnung bis zum Erlass der das Verfahren zur Hauptsache abschließenden Entscheidung auszusetzen. Mit Beschluss vom 29. August 2013 hat der Präsident des Gerichts die Französische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugelassen. Der Präsident des Gerichts hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 26. September 2013, Tilly-Sabco/Kommission (T‑397/13 R, EU:T:2013:502), zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

19      Mit Schriftsatz, der am 15. November 2013 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat die Doux SA, eine ebenfalls u. a. im Bereich der Ausfuhr ganzer gefrorener Hähnchen aus der Union in die Länder des Nahen Ostens tätige Gesellschaft, beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin im Verfahren zur Hauptsache zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 7. April 2014 hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts diesen Streitbeitritt zugelassen.

20      Die Klägerin hat beantragt, bestimmte vertrauliche Unterlagen in ihrer Erwiderung und deren Anlagen von der Übermittlung an die Streithelferin auszunehmen. Der Streithelferin sind nur die von der Klägerin vorgelegten nicht vertraulichen Fassungen dieser Schriftsätze und Anlagen übermittelt worden. Die Streithelferin hat dem nicht widersprochen.

21      Die Streithelferin hat ihren Streithilfeschriftsatz innerhalb der gesetzten Frist eingereicht. Die Kommission hat sich hierzu ebenfalls innerhalb der gesetzten Frist geäußert. Die Klägerin hat nicht innerhalb der gesetzten Frist zu diesem Streithilfeschriftsatz Stellung genommen.

22      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 seiner Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 die Beteiligten aufgefordert, schriftlich Fragen zu beantworten, und die Kommission aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen. Die Parteien haben diesen Aufforderungen innerhalb der gesetzten Frist Folge geleistet.

23      Die Klägerin beantragt,

–        die Klage für zulässig zu erklären;

–        die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

24      Die Streithelferin beantragt,

–        die von der Klägerin erhobene Nichtigkeitsklage gegen die angefochtene Verordnung für zulässig zu erklären;

–        die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

25      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig oder unbegründet abzuweisen;

–        die Kostenentscheidung vorzubehalten.

 Rechtliche Würdigung

26      Die Klägerin führt fünf Klagegründe an, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften und einen Verfahrensmissbrauch, zweitens einen Verfahrensfehler und Unzuständigkeit, drittens das Fehlen einer Begründung, viertens die Verletzung einer Rechtsvorschrift oder einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und fünftens einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geltend macht.

27      Ohne förmlich eine Unzulässigkeitseinrede zu erheben, macht die Kommission geltend, die Klage sei unzulässig. Sie ist der Ansicht, der Klägerin fehle die Klagebefugnis, weil die Voraussetzungen von Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht erfüllt seien.

 I – Zur Zulässigkeit

28      Die Klägerin, unterstützt durch die Streithelferin, macht geltend, die angefochtene Verordnung stelle einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der sie unmittelbar betreffe und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe, im Sinne der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV dar. Hilfsweise macht sie geltend, sie sei von der angefochtenen Verordnung unmittelbar und individuell im Sinne der zweiten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV betroffen.

29      Zunächst ist zu prüfen, ob die angefochtene Verordnung einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter darstellt, der die Klägerin unmittelbar betrifft und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht.

 A – Zum Vorliegen eines Rechtsakts mit Verordnungscharakter

30      Was zunächst die Frage angeht, ob die angefochtene Verordnung einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter im Sinne der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV darstellt, ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff des Rechtsakts mit Verordnungscharakter im Sinne dieser Bestimmung dahin zu verstehen ist, dass er mit Ausnahme der Gesetzgebungsakte jede Handlung mit allgemeiner Geltung erfasst (Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, Slg, EU:C:2013:625, Rn. 61, Beschluss vom 6. September 2011, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, T‑18/10, Slg, EU:T:2011:419, Rn. 56, sowie Urteil vom 25. Oktober 2011, Microban International und Microban [Europe]/Kommission, T‑262/10, Slg, EU:T:2011:623, Rn. 21).

31      Wie die Klägerin zu Recht hervorhebt, hat eine Handlung allgemeine Geltung, wenn sie für objektiv festgelegte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen entfaltet (Beschluss vom 8. April 2008, Saint-Gobain Glass Deutschland/Kommission, C‑503/07 P, Slg, EU:C:2008:207, Rn. 71, sowie Microban International und Microban [Europe]/Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, EU:T:2011:623, Rn. 23). Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die angefochtene Verordnung allgemeine Geltung hat, weil sie zum Ziel hat, die Ausfuhrerstattungen festzusetzen, die auf eine allgemein und abstrakt umschriebene Gruppe von Marktteilnehmern angewandt werden, nämlich alle Marktteilnehmer, die die in Rede stehenden Erzeugnisse in die unter diese Verordnung fallenden Länder ausführen.

32      Da die angefochtene Verordnung weder im gewöhnlichen Gesetzgebungsverfahren noch in einem besonderen Gesetzgebungsverfahren im Sinne von Art. 289 Abs. 1 bis 3 AEUV erlassen wurde (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 4. Juni 2012, Eurofer/Kommission, T‑381/11, Slg, EU:T:2012:273, Rn. 44), stellt sie einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter im Sinne der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV dar.

33      Die Kommission räumt im Übrigen ein, dass es sich bei der angefochtenen Verordnung um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter handelt.

 B – Zur unmittelbaren Betroffenheit der Klägerin

34      Es besteht kein Grund, den Begriff der unmittelbaren Betroffenheit, wie sie im Rahmen der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV im Hinblick auf Rechtsakte mit Verordnungscharakter gefordert wird, anders als im Rahmen der zweiten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV, d. h. im Hinblick auf Handlungen, die natürliche oder juristische Personen „unmittelbar und individuell“ betreffen, auszulegen (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Telefónica/Kommission, C‑274/12 P, Slg, EU:C:2013:204, Rn. 59).

35      Die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit verlangt erstens, dass sich die angefochtene Maßnahme auf die Rechtsstellung des Einzelnen unmittelbar auswirkt, und zweitens, dass diese Maßnahme ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt; ihre Umsetzung muss vielmehr rein automatisch erfolgen und sich allein aus der beanstandeten Regelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergeben (vgl. Urteil Microban International und Microban [Europe]/Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, EU:T:2011:623, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Im vorliegenden Fall entfaltet die angefochtene Verordnung insofern Rechtswirkungen unmittelbar gegenüber der Klägerin, als sie für ihre Ausfuhren ganzer gefrorener Hähnchen in die Länder des Nahen Ostens keine positiven Ausfuhrerstattungsbeträge mehr in Anspruch nehmen kann. Da der Ausfuhrerstattungsbetrag in der angefochtenen Verordnung auf null festgesetzt wurde, lässt diese Verordnung den mit der Bewilligung der Erstattungen betrauten nationalen Behörden diesbezüglich keinerlei Ermessensspielraum. Auch wenn von einer nationalen Behörde eine Ausfuhrerstattung gewährt würde, beliefe diese sich automatisch auf null Euro, da die angefochtene Verordnung den nationalen Behörden keinerlei Ermessensspielraum lässt, der es ihnen ermöglichen würde, einen positiven Ausfuhrerstattungsbetrag festzusetzen.

37      Die Klägerin ist mithin unmittelbar von der angefochtenen Verordnung betroffen.

38      Im Übrigen hat die Kommission in Beantwortung einer diesbezüglichen Frage in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie die unmittelbare Betroffenheit der Klägerin nicht in Abrede stelle, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

 C – Zum Vorliegen eines Rechtsakts, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht

39      Der Begriff der Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen im Sinne der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV, ist im Licht des Ziels dieser Vorschrift auszulegen, das, wie sich aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt, darin besteht, zu verhindern, dass ein Einzelner gezwungen ist, gegen das Recht zu verstoßen, um Zugang zu den Gerichten zu erlangen. Wenn sich daher ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder juristischen Person unmittelbar auswirkt, ohne dass Durchführungsmaßnahmen erforderlich sind, bestünde die Gefahr, dass diese Person, wenn sie keinen unmittelbaren Rechtsbehelf vor dem Unionsrichter einlegen könnte, um die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts mit Verordnungscharakter anfechten zu können, keinen wirksamen Rechtsschutz hätte. In Ermangelung von Durchführungsmaßnahmen könnte nämlich eine natürliche oder juristische Person, obwohl sie von dem fraglichen Rechtsakt unmittelbar betroffen ist, eine gerichtliche Überprüfung desselben erst, nachdem sie gegen die Bestimmungen dieses Rechtsakts verstoßen hat, erwirken, indem sie im Rahmen der gegen sie vor den nationalen Gerichten eingeleiteten Verfahren die Rechtswidrigkeit dieser Bestimmungen geltend macht (Urteil vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission, C‑274/12 P, Slg, EU:C:2013:852, Rn. 27).

40      Der Gerichtshof hat zudem klargestellt, dass, wenn ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, die gerichtliche Kontrolle der Beachtung des Unionsrechts unabhängig davon gewährleistet ist, ob diese Maßnahmen von der Union oder den Mitgliedstaaten getroffen wurden. Natürliche oder juristische Personen, die aufgrund der in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen einen Rechtsakt der Union mit Verordnungscharakter nicht unmittelbar vor dem Unionsrichter anfechten können, sind durch die Möglichkeit, die Durchführungsmaßnahmen anzufechten, die dieser Rechtsakt nach sich zieht, davor geschützt, dass ein derartiger Rechtsakt ihnen gegenüber angewendet wird (Urteil Telefónica/Kommission, oben in Rn. 39 angeführt, EU:C:2013:852, Rn. 28).

41      Für die Beurteilung, ob ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, ist auf die Stellung der Person abzustellen, die sich auf ihre Klageberechtigung nach der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV beruft. Ob der fragliche Rechtsakt Durchführungsmaßnahmen im Hinblick auf andere Personen nach sich zieht, spielt deshalb keine Rolle. Außerdem muss sich die Prüfung, ob der angegriffene Rechtsakt Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, ausschließlich am Klagegegenstand orientieren (Urteil Telefónica/Kommission, oben in Rn. 39 angeführt, EU:C:2013:852, Rn. 30 und 31).

42      Zwar ergibt sich aus der oben in Rn. 39 angeführten Rechtsprechung, dass der Begriff der Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, im Licht des Ziels dieser Vorschrift auszulegen ist, das darin besteht, einen wirksamen Rechtsschutz zu gewährleisten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dieser Begriff ausschließlich im Licht dieses Ziels zu prüfen ist. Es ist nämlich nicht möglich, über ein objektives Zulässigkeitskriterium, und zwar die Voraussetzung des Vorliegens eines Rechtsakts mit Verordnungscharakter, der Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, zu befinden, indem allein auf die Frage geantwortet wird, ob der Kläger über einen wirksamen Rechtsschutz verfügt.

43      In Anbetracht des Wortlauts der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist außerdem zu prüfen, ob der in Rede stehende Rechtsakt mit Verordnungscharakter Maßnahmen für seine Durchführung „nach sich zieht“. Dies bedeutet, dass nur solche Maßnahmen Durchführungsmaßnahmen im Sinne dieser Bestimmung darstellen, die von den Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union oder den nationalen Behörden im normalen Geschäftsverlauf erlassen werden. Erlassen die Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union und die nationalen Behörden im normalen Geschäftsverlauf keinerlei Maßnahmen, um den Rechtsakt mit Verordnungscharakter durchzuführen oder dessen Folgen für jeden betroffenen Marktteilnehmer zu konkretisieren, so „zieht“ dieser Rechtsakt mit Verordnungscharakter keine Durchführungsmaßnahmen „nach sich“.

44      Es ist darauf hinzuweisen, dass es nach dem Wortlaut der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht genügt, dass der Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen „nach sich ziehen kann“, sondern dass erforderlich ist, dass er Durchführungsmaßnahmen „nach sich zieht“.

45      Die Wortlaute der dritten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV in den anderen Sprachfassungen des AEU-Vertrags als der französischen Fassung, wie die englische (does not entail implementing measures) oder die deutsche Fassung (keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen), bestätigen, dass es sich um Maßnahmen handeln muss, die naturgemäß auf den Rechtsakt mit Verordnungscharakter folgen. Es reicht nicht aus, dass ein Marktteilnehmer die Möglichkeit hat, die Verwaltung auf künstliche Art und Weise zu verpflichten, eine Maßnahme zu erlassen, gegen die ein Rechtsmittel eingelegt werden kann, da eine solche Maßnahme keine Maßnahme darstellt, die der Rechtsakt mit Verordnungscharakter „nach sich zieht“.

46      Somit ist zu prüfen, ob im normalen Geschäftsverlauf von den Behörden Maßnahmen zur Durchführung der angefochtenen Verordnung erlassen werden.

47      Gemäß Art. 167 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1234/2007 wird eine Ausfuhrerstattung nur nach Beantragung und Vorlage einer Ausfuhrlizenz gewährt. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 612/2009 der Kommission vom 7. Juli 2009 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 186, S. 1) sieht vor, dass der Erstattungsanspruch, außer bei Warenausfuhren, von der Vorlage einer Ausfuhrlizenz mit Vorausfestsetzung der Erstattung abhängig ist. Wie die Kommission hervorhebt, ist der Antrag bei den nationalen Behörden einzureichen, und die Ausfuhrlizenz mit Vorausfestsetzung der Erstattung wird ebenfalls von den nationalen Behörden ausgestellt.

48      Nach Art. 46 Abs. 1 der Verordnung Nr. 612/2009 wird die Erstattung nur auf spezifischen Antrag des Ausführers von dem Mitgliedstaat gezahlt, in dessen Hoheitsgebiet die Ausfuhranmeldung angenommen wurde.

49      Im Übrigen ist festzustellen, dass nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. b Ziff. ii der Verordnung (EG) Nr. 376/2008 der Kommission vom 23. April 2008 mit gemeinsamen Durchführungsvorschriften für Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen sowie Vorausfestsetzungsbescheinigungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 114, S. 3) im Fall der Ausfuhr für „in Artikel 162 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 genannte Erzeugnisse, für die eine Ausfuhrerstattung, auch in Höhe von null, oder eine Ausfuhrabgabe festgesetzt wurde“, eine Lizenz oder Bescheinigung vorzulegen ist.

50      Im Übrigen heißt es in Art. 1 Abs. 4 der Verordnung Nr. 376/2008: „Für die in Absatz 1 genannte Regelung der Ausfuhrlizenzen und Vorausfestsetzungsbescheinigungen gilt Folgendes: Ist für ein nicht in Anhang II Teil II aufgeführtes Erzeugnis eine Erstattung festgesetzt worden und beantragt ein Marktteilnehmer die Erstattung nicht, so muss er für die Ausfuhr der betreffenden Erzeugnisse keine Lizenz vorlegen.“

51      Im vorliegenden Fall ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass keine Pflicht zur Einholung einer Ausfuhrlizenz für die in Rede stehenden Erzeugnisse besteht, um sie ohne Gewährung von Ausfuhrerstattungen ausführen zu können.

52      Die Kommission geht davon aus, dass selbst im Fall der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen auf null „nichts“ einen Marktteilnehmer „daran hindere“, einen Antrag auf Erteilung einer Ausfuhrlizenz zu stellen, da mit der Erteilung einer Ausfuhrlizenz nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 376/2008 das Recht auf Ausfuhr festgestellt werde, womit der Wirtschaftsteilnehmer vor jedem Risiko für den Fall, dass sich die Union entscheiden sollte, eine zusätzliche Abgabe, ein Ausfuhrverbot oder ähnliche Maßnahmen aufzuerlegen, geschützt werde.

53      Für die Feststellung, ob die angefochtene Verordnung Durchführungsmaßnahmen „nach sich zieht“, kommt es jedoch nicht darauf an, ob nichts die betroffenen Marktteilnehmer daran hindert, einen Antrag auf Erteilung einer Ausfuhrlizenz mit Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung zu stellen, sondern darauf, ob die Marktteilnehmer im normalen Geschäftsverlauf solche Anträge stellen werden.

54      Insoweit ist festzustellen, dass die betroffenen Marktteilnehmer in Anbetracht dessen, dass die Erlangung einer Ausfuhrlizenz nicht obligatorisch ist und dass die Höhe der Ausfuhrerstattungen, die festgesetzt werden können, auf jeden Fall null Euro betragen wird, im normalen Geschäftsverlauf keine Ausfuhrlizenzen mit Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung bei den nationalen Behörden beantragen werden.

55      Die Klägerin weist in ihrer Erwiderung zu Recht darauf hin, dass die Gefahr der Einführung einer Ausfuhrabgabe oder gar eines Ausfuhrverbots zwischen dem Zeitpunkt der Beantragung einer Ausfuhrlizenz und der eigentlichen Ausfuhr im Jahr 2013 im fraglichen Sektor theoretisch war. Da für die in Rede stehenden Erzeugnisse bis zum Erlass der angefochtenen Verordnung positive Ausfuhrerstattungsbeträge gewährt wurden, war es nämlich unvorstellbar, dass die Kommission in naher Zukunft eine Ausfuhrabgabe oder sogar ein Ausfuhrverbot einführen würde. Die Kommission behauptet im Übrigen nicht, dass eine solche Gefahr bestanden hätte.

56      Darüber hinaus räumt die Kommission ein, dass im Geflügelsektor keine Ausfuhrlizenzen beantragt wurden, nachdem die Erstattungen mit der angefochtenen Verordnung auf null festgesetzt worden waren.

57      Insofern, als die Kommission darauf hinweist, dass in den Sektoren Getreide und Zucker trotz der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen auf null Ausfuhrlizenzen beantragt worden seien, ist festzustellen, dass sie keinerlei nähere Angaben übermittelt, anhand derer beurteilt werden kann, warum Marktteilnehmer in anderen Sektoren solche Anträge gestellt haben und ob die Lage im Geflügelsektor vergleichbar war. Die Kommission hat im Übrigen in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass keine neueren Beispiele für eine solche Praxis vorliegen.

58      Aufgrund der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen auf null durch die angefochtene Verordnung und mangels einer Verpflichtung zur Vorlage einer Ausfuhrlizenz, um die in Rede stehenden Erzeugnisse ausführen zu können, werden im normalen Geschäftsverlauf keine Ausfuhrlizenzen bei den nationalen Behörden beantragt werden. In Ermangelung von Anträgen auf Ausfuhrlizenzen mit Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung werden die nationalen Behörden keinerlei Maßnahme zur Durchführung der angefochtenen Verordnung erlassen. Mithin werden diese im normalen Geschäftsverlauf keine solchen Maßnahmen erlassen. Somit wird keinerlei Maßnahme vorliegen, durch die die Folgen der angefochtenen Verordnung für die verschiedenen betroffenen Marktteilnehmer konkretisiert werden.

59      Es wäre gekünstelt, allein deshalb, weil die Marktteilnehmer Ausfuhrlizenzen mit Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung beantragen und somit die nationalen Behörden verpflichten können, Maßnahmen zur Durchführung der angefochtenen Verordnung, nämlich die Gewährung von Ausfuhrerstattungen in Höhe von 0 Euro, zu erlassen, davon auszugehen, dass die angefochtene Verordnung Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe. Die Marktteilnehmer haben nämlich keinerlei Grund, so vorzugehen, und werden dies somit im normalen Geschäftsverlauf auch nicht tun.

60      Die Kommission räumt ein, dass es übermäßig erscheinen könne, von einem Marktteilnehmer zu verlangen, eine Ausfuhrlizenz allein zu dem Zweck zu beantragen, Zugang zu einem Richter zu erlangen. Weiter räumt sie in Beantwortung einer diesbezüglichen schriftlichen Frage des Gerichts ein, dass die Festsetzung der Ausfuhrerstattungen auf null in einer Verordnung „in gewissem Maße“ einen Rechtsakt darstelle, der im normalen Geschäftsverlauf zu keinerlei Erlass eines Rechtsakts durch eine Behörde führen werde, da ein Marktteilnehmer a priori keinerlei Rechtsakt benötige, um ohne Erstattungen ausführen zu können.

61      Dennoch ist die Kommission der Auffassung, dass im vorliegenden Fall der normalerweise nicht beantragte Durchführungsrechtsakt durchaus – gerade um Zugang zur Justiz zu erhalten – hätte beantragt werden können. Die Klägerin hätte eine Ausfuhrlizenz beantragen können, die einen Anspruch auf eine Ausfuhrerstattung in Höhe von 0 Euro begründet hätte, und nach Erbringung des Nachweises über die Ausfuhr der in der Lizenz aufgeführten Erzeugnisse vor dem nationalen Richter unter Berufung auf die angebliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verordnung die Gewährung einer Ausfuhrerstattung in Höhe von 0 Euro anfechten können.

62      Gerade der Umstand, dass ein Antrag bei einer nationalen Behörde allein zu dem Zweck gestellt wird, Zugang zur Justiz zu erlangen, impliziert jedoch, dass dieser Antrag nicht im normalen Geschäftsverlauf gestellt werden wird. Da die nationalen Behörden keine andere Wahl haben, als die Ausfuhrerstattungen auf null festzusetzen, kann ein Ausführer unter diesen Umständen keinerlei Interesse daran haben, eine Festsetzung der Erstattungen durch die nationale Behörde zu erhalten, außer um „auf künstliche Art und Weise“ den Erlass eines Rechtsakts zu erreichen, gegen den ein Rechtsmittel eingelegt werden kann.

63      Aus dem Vorstehenden folgt, dass die angefochtene Verordnung keine Durchführungsmaßnahmen „nach sich zieht“.

64      Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Kommission in Frage gestellt, es sei paradox, die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von der Höhe der Erstattungen abhängig zu machen und davon auszugehen, dass die Verordnung bei Festsetzung der Erstattungen auf null keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe, während bei Festsetzung der Erstattungen auf einen Betrag über null der angreifbare Rechtsakt der Durchführungsrechtsakt auf nationaler Ebene sei.

65      Ob ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, ist nämlich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Es ist darauf hinzuweisen, dass für die Beurteilung, ob ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, auf die Stellung der Person abzustellen ist, die sich auf ihre Klageberechtigung beruft (siehe oben, Rn. 41). Es ist daher möglich, dass eine Verordnung von bestimmten Marktteilnehmern vor dem Gericht angefochten werden kann, weil sie diese unmittelbar betrifft und ihnen gegenüber keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, während sie anderen Marktteilnehmern gegenüber Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht. Erst recht ist nicht ausgeschlossen, dass eine Verordnung, mit welcher der Erstattungsbetrag auf null festgesetzt wird, keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, während eine „ähnliche“ Verordnung, mit der positive Erstattungsbeträge festgesetzt werden, solche Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht.

66      Daher braucht nicht geprüft zu werden, ob das Vorbringen der Klägerin, sie hätte auch dann, wenn sie eine Ausfuhrlizenz mit Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung beantragt hätte, den auf nationaler Ebene erlassenen Rechtsakt, mit dem Ausfuhrerstattungen in Höhe von 0 Euro gewährt worden wären, ohnehin nicht vor dem nationalen Richter anfechten können, begründet ist.

67      Auch braucht das Vorbringen der Klägerin, sie sei individuell von der angefochtenen Verordnung betroffen, nicht geprüft zu werden.

68      Aus alledem folgt, dass die Klage zulässig ist, da die angefochtene Verordnung einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter darstellt, der die Klägerin unmittelbar betrifft und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht.

 II – Zur Begründetheit

 A – Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften und Verfahrensmissbrauch

69      Der erste Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil wird die Nichtanwendung des in der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55, S. 13) vorgesehenen Verfahrens geltend gemacht und mit dem zweiten ein Widerspruch zwischen dem gewählten Verfahren und den Bezugsvermerken in dem in Rede stehenden Text.

 1. Zum ersten Teil: Nichtanwendung des in der Verordnung Nr. 182/2011 vorgesehenen Verfahrens

70      Die Klägerin, unterstützt durch die Streithelferin, macht geltend, die Kommission habe, indem sie den Entwurf der angefochtenen Verordnung erst in der Sitzung des Verwaltungsausschusses vorgelegt habe, nicht die in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 vorgesehenen Regeln beachtet. Die Kommission habe den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses nicht alle Angaben zur Verfügung gestellt, die diesen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 „frühzeitig und effektiv die Möglichkeit [gegeben hätten], den Entwurf des Durchführungsrechtsakts zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen“.

71      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin und der Streithelferin entgegen.

72      Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin ursprünglich angegeben hat, der erste Klagegrund sei vollständig aus einem Verfahrensmissbrauch hergeleitet.

73      Mit dem ersten Teil des ersten Klagegrundes macht die Klägerin jedoch im Wesentlichen einen Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften geltend, da die Kommission bei der Konsultation des Verwaltungsausschusses nicht das in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 vorgesehene Verfahren eingehalten habe. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin bestätigt, dass der erste Teil des ersten Klagegrundes in Wirklichkeit aus einem Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften hergeleitet sei, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

 a) Zur geltend gemachten Verletzung von Verfahrensvorschriften

74      Nach Art. 195 der Verordnung Nr. 1234/2007 wird die Kommission von dem Verwaltungsausschuss unterstützt. Nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 182/2011 besteht der Ausschuss aus Vertretern der Mitgliedstaaten, und ein Vertreter der Kommission führt den Vorsitz.

75      Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 bestimmt:

„Der Vorsitz unterbreitet dem Ausschuss den Entwurf des von der Kommission zu erlassenden Durchführungsrechtsakts.

Außer in hinreichend begründeten Fällen setzt der Vorsitz eine Sitzung frühestens 14 Tage, nachdem der Entwurf des Durchführungsrechtsakts und der Entwurf der Tagesordnung dem Ausschuss vorgelegt wurden, an. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu dem Entwurf des Durchführungsrechtsakts innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitz entsprechend der Dringlichkeit der betreffenden Sache festsetzen kann. Die Frist muss angemessen sein und den Ausschussmitgliedern frühzeitig und effektiv die Möglichkeit geben, den Entwurf des Durchführungsrechtsakts zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen.“

76      Wie die Kommission erläutert hat, lief das Verfahren der Konsultation des Verwaltungsausschusses wie folgt ab. Am 16. Juli, d. h. zwei Tage vor der Sitzung des Verwaltungsausschusses, übersandte die Kommission dessen Mitgliedern per E‑Mail ein Dokument mit dem Titel „EU Market situation for poultry“ (Lage des EU-Geflügelmarkts, im Folgenden: dem Verwaltungsausschuss vorgelegtes Dokument).

77      Im Laufe des Vormittags, an dem die Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 18. Juli 2013 stattfand, stellte die Kommission die Lage des Geflügelmarkts dar. Am Nachmittag, an dem diese Sitzung nach 13 Uhr fortgesetzt wurde, legte die Kommission dem Verwaltungsausschuss den Entwurf der angefochtenen Verordnung vor. Es handelte sich um eine Standardverordnung, in der nur die Zahlen aktualisiert worden waren. Genauer handelte es sich um eine Fotokopie der vorangegangenen Verordnung zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen, in der die Angaben zu den Erstattungsbeträgen mit Bleistift durchgestrichen worden waren.

78      Sodann wurde der Entwurf der angefochtenen Verordnung zur Abstimmung gestellt. Der Generaldirektor der GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung nahm am selben Tag, um 15.46 Uhr, die Selbstbescheinigungsformalitäten vor, um im Hinblick auf ein unverzügliches Inkrafttreten und eine unverzügliche Anwendung der angefochtenen Verordnung deren Veröffentlichung am nächsten Tag im Amtsblatt zu ermöglichen.

79      Weiter hat die Kommission erläutert, dass sie diese Praxis zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen seit 1962 verfolge.

80      Zudem seien das Verfahren und die Fristen im vorliegenden Fall keineswegs von den Mitgliedstaaten beanstandet worden.

81      Dieser Praxis liege die Erwägung zugrunde, dass ein ungewolltes Bekanntwerden, Marktstörungen und Spekulationen, die die finanziellen Interessen der Union gefährden würden, verhindert werden sollten. Die Verteilung des Maßnahmenentwurfs nach 13 Uhr rechtfertige sich dadurch, dass auf der Grundlage von Art. 16 der Verordnung Nr. 376/2008 nach 13 Uhr kein für denselben Tag geltender Lizenzantrag gestellt werden könne. Diese Modalitäten seien unbedingt erforderlich, und die im Voraus erlangte Kenntnis von einer etwaigen Senkung würde es den Marktteilnehmern durch die Vorausfestsetzung der Erstattungen ermöglichen, als Ergebnis reiner Spekulation enorme Beträge zu verdienen. Dies würde zulasten des Haushalts der Union erfolgen und zudem zu starken Marktstörungen führen. Ferner würden die Marktteilnehmer über die Maßnahmen vor ihrer Veröffentlichung von den verschiedenen Berufsvereinigungen, die Kontakt zu ihren nationalen Behörden aufnähmen, informiert.

82      Die Klägerin ist der Auffassung, das Vorbringen der Kommission rechtfertige nicht die Vorlage des Entwurfs der angefochtenen Verordnung erst im Laufe der Sitzung, und es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Gefahr eines ungewollten Bekanntwerdens bestanden habe.

83      Somit ist zu prüfen, ob die Art und Weise, wie die Kommission bei Erlass der angefochtenen Verordnung vorgegangen ist, mit den in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 vorgesehenen Regeln vereinbar ist.

84      Zunächst ist zu prüfen, ob die Verordnung Nr. 182/2011 grundsätzlich zulässt, dass ein Verordnungsentwurf dem Verwaltungsausschuss während der Sitzung vorgelegt werden kann.

85      Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 182/2011 sieht vor, dass „[a]ußer in hinreichend begründeten Fällen“ eine Frist von mindestens 14 Tagen zwischen dem Zeitpunkt der Vorlage des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts und dem Zeitpunkt der Sitzung des Verwaltungsausschusses einzuhalten ist.

86      Somit kann von der Regel der Vorlage der Verordnungsentwürfe 14 Tage vor dem Zeitpunkt der Sitzung des Verwaltungsausschusses abgewichen werden, ohne dass in der Verordnung Nr. 182/2011 eine einzuhaltende Mindestfrist vorgegeben wird. Aufgrund der Formel „[a]ußer in hinreichend begründeten Fällen“ zu Beginn des ersten Satzes von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 182/2011 steht dieser erste Satz einer Vorlage des Verordnungsentwurfs während der Sitzung nicht entgegen.

87      Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 182/2011 sieht vor, dass der Verwaltungsausschuss seine Stellungnahme zu dem Entwurf des Durchführungsrechtsakts „innerhalb einer Frist [abgibt], die der Vorsitz entsprechend der Dringlichkeit der betreffenden Sache festsetzen kann“. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen geltend gemacht, aus dieser Formulierung ergebe sich, dass immer eine Frist gegeben sein müsse und dass diese Frist nicht gleich null sein könne, so dass eine Vorlage des Verordnungsentwurfs während der Sitzung ausgeschlossen sei.

88      Hierzu hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung zutreffend unterstrichen, dass den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses selbst bei Vorlage des anzunehmenden Entwurfs während der Sitzung stets „ein Moment“ für die Prüfung des Texts zur Verfügung steht. Selbst bei Vorlage des Verordnungsentwurfs während der Sitzung findet die Abstimmung nämlich nicht gleichzeitig mit der Vorlage des Entwurfs, sondern stets nach einer gewissen Zeitspanne von mindestens einigen Minuten oder einigen Viertelstunden, statt. Die Vorlage während der Sitzung bedeutet mithin nicht, dass die Frist für die Stellungnahme des Verwaltungsausschusses gleich null ist.

89      Auch Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 3 der Verordnung Nr. 182/2011, wonach die „Frist … angemessen sein und den Ausschussmitgliedern frühzeitig und effektiv die Möglichkeit geben [muss], den Entwurf des Durchführungsrechtsakts zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen“, steht einer Vorlage des Verordnungsentwurfs während der Sitzung nicht entgegen. Ist nämlich eine Frist von einigen Minuten bzw. einigen Viertelstunden zwischen der Unterbreitung des Verordnungsentwurfs an den Verwaltungsausschuss und der Beschlussfassung ausreichend, um den Ausschussmitgliedern effektiv die Möglichkeit zu geben, den Entwurf des Durchführungsrechtsakts zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen, so kann eine solche Frist „angemessen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 3 der Verordnung Nr. 182/2011 sein.

90      Die Formulierung, dass die Mitglieder des Verwaltungsausschusses die Möglichkeit haben müssen, den Entwurf „frühzeitig“ zu prüfen, muss unter Berücksichtigung des Umstands gelesen werden, dass die Frist gemäß derselben Bestimmung „angemessen“ sein muss. Die Formulierung „frühzeitig“ bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Verordnungsentwurf dem Verwaltungsausschuss vor dem Sitzungstermin unterbreitet werden muss. Ist eine Frist von einigen Minuten bzw. einigen Viertelstunden in Anbetracht der Umstände „angemessen“, so muss diese Vorlage als eine „frühzeitig“ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 3 der Verordnung Nr. 182/2011 erfolgte Vorlage angesehen werden.

91      Aus dem Vorstehenden folgt, dass Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 einer Vorlage eines Verordnungsentwurfs während der Sitzung nicht entgegensteht.

92      Somit ist zu prüfen, ob es für den Erlass der angefochtenen Verordnung eine hinreichende Rechtfertigung dafür gab, die „[a]ußer in hinreichend begründeten Fällen“ einzuhaltende Frist von 14 Tagen nicht zu beachten, und ob eine Vorlage während der Sitzung des Verwaltungsausschusses dessen Mitgliedern im vorliegenden Fall effektiv die Möglichkeit gab, den Entwurf des Durchführungsrechtsakts zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen.

93      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses zwei Tage vor dem Sitzungstermin per E‑Mail das dem Verwaltungsausschuss vorgelegte Dokument, d. h. eine Darstellung zur Lage des Geflügelmarkts, übersandt hat. Aufgrund dieses Dokuments, das die Klägerin als Anlage zur Klageschrift vorgelegt hat, konnten sich die Mitgliedstaaten über die Marktlage informieren und sich ihre eigene Meinung dazu bilden. In Anbetracht des Inhalts dieses Dokuments war die Zeitspanne zwischen dessen Versand und dem Sitzungstermin ausreichend, um es den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses zu ermöglichen, die darin enthaltenen Angaben in angemessener Weise zur Kenntnis zu nehmen, sich eine Meinung zur Marktlage zu bilden und etwaige, in der Sitzung des Verwaltungsausschusses an die Kommission zu richtende Fragen hierzu vorzubereiten. Es ist festzustellen, dass Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 keine besondere Frist für den Versand solcher Unterlagen vorsieht. Die in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 182/2011 vorgesehene Frist von 14 Tagen betrifft nämlich nur die Vorlage des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts und des Entwurfs der Tagesordnung.

94      Ferner ist Anlage 9 zur Klageschrift zu entnehmen, dass die Einladung und die Tageordnung für die Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 18. Juli 2013 auf den 3. Juli 2013 datiert sind. Die Klägerin behauptet nicht, dass die in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 182/2011 vorgesehene Frist von 14 Tagen zwischen dem Zeitpunkt der Vorlage des Entwurfs der Tagesordnung und dem Zeitpunkt der Sitzung des Verwaltungsausschusses im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden sei.

95      Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses wussten ab Empfang der Tagesordnung des Verwaltungsausschusses, dass im Laufe des Vormittags der Sitzung die Lage auf dem Geflügelfleisch- und Eiermarkt dargestellt werden würde und dass der Verwaltungsausschuss ab 13 Uhr um seine Stellungnahme zu einem Entwurf für eine Verordnung zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Geflügelfleisch ersucht werden würde. Dieser Umstand ließ den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses ausreichend Zeit, um, sofern sie dies wünschten, Kontakt zu den betroffenen Marktteilnehmern aufzunehmen und diese zu ihrer Ansicht zur Marktlage und zu den von ihnen als angemessen erachteten Ausfuhrerstattungen zu befragen oder sich anhand öffentlich zugänglicher Quellen über die Marktlage zu informieren.

96      Ferner gab die Darstellung der Kommission zur Marktlage am Vormittag der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 18. Juli 2013 den Mitgliedstaaten Gelegenheit, einen Meinungsaustausch vorzunehmen und von der Kommission alle gewünschten Klarstellungen zur Marktlage zu verlangen.

97      Schließlich hat die Kommission den Entwurf der angefochtenen Verordnung am Nachmittag dieser Sitzung vorgelegt. Was diesen Entwurf anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Standardverordnung handelte, in der nur die Zahlen aktualisiert worden waren (siehe oben, Rn. 77). Anlage 10 zur Klageschrift ist zu entnehmen, dass der dem Verwaltungsausschuss unterbreitete Verordnungsentwurf eine Fotokopie der vorangegangenen Verordnung war, in der die vorgeschlagenen neuen Erstattungsbeträge handschriftlich ergänzt worden waren. Darüber hinaus geht aus diesem Dokument hervor, dass abgesehen von der Aktualisierung des Erstattungsbetrags nur rein formelle Änderungen, wie die Aktualisierung des Datums und der Nummer der Verordnung, vorgenommen wurden.

98      Die einzige Information, die zusätzlich zu den den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses bekannten Informationen ergänzt wurde, war somit der von der Kommission vorgeschlagene genaue Erstattungsbetrag. Demnach musste die vom Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses festgesetzte Frist nicht ausreichend sein, um den Text der Verordnung zu prüfen, sondern nur, um davon Kenntnis zu nehmen, dass die Kommission einen Betrag von 0 Euro vorgeschlagen hatte, und sich eine Meinung zu diesem Vorschlag zu bilden.

99      In Anbetracht dessen, dass den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses vor dem Sitzungstermin ausreichend Zeit zur Verfügung stand, um sich eine Meinung über die Marktlage zu bilden, und dass die Marktlage im Übrigen am Vormittag der Sitzung dargelegt worden war, waren sie in der Lage, unverzüglich ihre Stellungnahme zum Vorschlag der Kommission, den Erstattungsbetrag auf 0 Euro festzusetzen, abzugeben.

100    Darüber hinaus hinderte nichts die Mitgliedstaaten daran, zusätzliche Erläuterungen von der Kommission zu verlangen und sie aufzufordern, ihren Vorschlag, die Ausfuhrerstattungen auf 0 Euro festzusetzen, ausführlicher zu rechtfertigen. Die Mitgliedstaaten hatten zudem die Möglichkeit, das Wort zu ergreifen, um den anderen Mitgliedern des Verwaltungsausschusses zu erläutern, dass sie davon ausgingen, dass diese Festsetzung auf 0 Euro in Anbetracht der Marktlage nicht gerechtfertigt sei. Die Klägerin hat nicht behauptet, dass ein Mitglied des Verwaltungsausschusses eine Teilnahme an der Debatte gewünscht habe und mit der Begründung, es stehe nicht genug Zeit zur Verfügung, daran gehindert worden sei. Die Kommission weist darauf hin, dass sie die Redezeit der Mitgliedstaaten nicht kontingentiert und, wie üblich, alle gestellten Fragen beantwortet habe.

101    Wie die Kommission erläutert hat, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, ist im Übrigen festzustellen, dass keines der Ausschussmitglieder Einwände hinsichtlich der Vorlage des Entwurfs der angefochtenen Verordnung erst in der Sitzung des Verwaltungsausschusses oder hinsichtlich der Frist zwischen der Vorlage des Entwurfs der angefochtenen Verordnung und der Abstimmung über diesen Entwurf erhoben hat.

102    Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die Mitgliedstatten hätten, als sie zwei Tage vor der Sitzung des Verwaltungsausschusses die Angaben zur Marktlage erhalten hätten, in Anbetracht der Marktentwicklung davon ausgehen können, dass die Kommission vorschlagen werde, die Ausfuhrerstattungen auf demselben Niveau wie in der vorangegangenen Verordnung beizubehalten. Der Zusatz der Ziffer Null in der Sitzung des Verwaltungsausschusses habe alles verändert.

103    Hierzu ist festzustellen, dass ein Mitglied des Verwaltungsausschusses, wenn es in Anbetracht der zwei Tage vor dem Sitzungstermin übermittelten Darstellung der Marktlage der Ansicht ist, dass die Marktentwicklung nicht zu einer Änderung des Betrags der Ausfuhrerstattungen führt, und es am Nachmittag der Sitzung des Verwaltungsausschusses erfährt, dass die Kommission vorschlägt, den Erstattungsbetrag auf 0 Euro festzusetzen, nach Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 182/2011 die Möglichkeit hat, Änderungen, und insbesondere die unveränderte Beibehaltung des in der vorangegangenen Verordnung festgesetzten Erstattungsbetrags, vorzuschlagen.

104    Zwar behauptet die Klägerin, die Mitgliedstaaten hätten keine Zeit gehabt, sich untereinander abzustimmen. Sie behauptet jedoch nicht, dass sich ein Mitgliedstaat gegen eine Vorlage des Entwurfs der angefochtenen Verordnung zur Abstimmung gewandt hätte. Es ist festzustellen, dass es Sache der Mitgliedstaaten und nicht der Klägerin ist, zu entscheiden, ob sie mehr Zeit benötigen, um sich untereinander abstimmen zu können. Im Übrigen hatte jeder Mitgliedstaat die Möglichkeit, das Wort zu ergreifen und den anderen Mitgliedstaaten zu erläutern, warum er davon ausgehe, dass die Festsetzung der Ausfuhrerstattungen auf 0 Euro nicht gerechtfertigt sei, und die anderen Mitgliedstaaten damit aufzufordern, gegen den Entwurf der angefochtenen Verordnung zu stimmen.

105    Nach Ansicht der Klägerin zeigt der Umstand, dass der Generaldirektor der GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung bereits um 15.46 Uhr desselben Tages die Selbstbescheinigung habe vornehmen können, dass keine ernsthafte Erörterung zu den Ausfuhrerstattungen stattgefunden habe.

106    Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerin nicht verlangen kann, dass die Mitglieder des Verwaltungsausschusses der Erörterung eine bestimmte Zeit widmen.

107    Es ist Sache der Kommission, die Marktlage darzulegen und den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses Gelegenheit zu geben, Fragen zu stellen und ihre Meinung zur vorgeschlagenen Durchführungsverordnung zum Ausdruck zu bringen. Wenn nur wenige Mitgliedstaaten eine Frage stellen oder das Wort ergreifen möchten, um ihre Bemerkungen vorzubringen, kann die Erörterung sehr schnell abgeschlossen werden. Dies bedeutet nicht, dass den Mitgliedern nicht im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 effektiv die Möglichkeit gegeben wurde, Stellung zu nehmen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Marktlage am Vormittag der Sitzung des Verwaltungsausschusses dargelegt und diskutiert wurde und am Nachmittag nur der von der Kommission vorgeschlagene genaue Erstattungsbetrag erörtert wurde.

108    Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Frist zwischen der Vorlage des Entwurfs der angefochtenen Verordnung und der Abstimmung ausreichend war, um den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses effektiv die Möglichkeit zu geben, diesen Entwurf zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen.

109    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 182/2011 die Frist für die Stellungnahme des Verwaltungsausschusses von dessen Vorsitzenden entsprechend der Dringlichkeit der betreffenden Sache festgesetzt wird.

110    In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, im Gegensatz zu der Situation, die zum Urteil vom 14. Januar 1987, Deutschland/Kommission (278/84, Slg, EU:C:1987:2), geführt habe, auf das sich die Kommission gestützt habe, habe im vorliegenden Fall keine bedeutende Marktstörung vorgelegen, die eine Vorlage des Entwurfs der angefochtenen Verordnung erst im Laufe der Sitzung hätte rechtfertigen können.

111    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission effektiv kein Bestehen einer Dringlichkeit in dem Sinne dargetan hat, dass die Marktsituation eine dringende Änderung der Erstattungsbeträge erfordert hätte. Eine solche Situation hätte es der Kommission im Übrigen ermöglicht, die Erstattungsbeträge nach Art. 164 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1234/2007 zwischen zwei periodischen Festsetzungen ohne die Unterstützung des Ausschusses zu ändern.

112    Die Kommission hat mit der angefochtenen Verordnung eine periodische Festsetzung der Ausfuhrerstattungen vorgenommen, und der Umstand, dass sie diesen Punkt am 3. Juli 2013 auf die Tagesordnung der Sitzung vom 18. Juli 2013 gesetzt hat, belegt, dass sie nicht davon ausgegangen ist, dass eine besondere Dringlichkeit bestand, die Erstattungsbeträge zu ändern.

113    Wie die Kommission hervorhebt, besteht jedoch kein Widerspruch zwischen dem periodischen Charakter der Festsetzung der Ausfuhrerstattungen und dem Umstand, dass am Tag dieser Festsetzung die Notwendigkeit besteht, mit äußerster Dringlichkeit rasch Maßnahmen zu ergreifen.

114    Aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung Nr. 182/2011 geht hervor, dass die Beurteilung der Dringlichkeit Sache des Präsidenten des Verwaltungsausschusses, mithin eines Vertreters der Kommission, ist. Die Prüfung des Gerichts ist auf die Prüfung beschränkt, ob ein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil Deutschland/Kommission, oben in Rn. 110 angeführt, EU:C:1987:2, Rn. 13).

115    Es ist festzustellen, dass durch das von der Kommission angewandte Verfahren jede Gefahr eines etwaigen ungewollten Bekanntwerdens vermieden wird. Durch die Übermittlung des das Zahlenmaterial enthaltenden Verordnungsentwurfs erst um 13 Uhr des Tages der Abstimmung des Verwaltungsausschusses und des Erlasses der angefochtenen Verordnung kann nämlich jede Gefahr vermieden werden, dass ein Marktteilnehmer, nachdem er erfahren hat, dass die Kommission eine Senkung der Ausfuhrerstattungen vorschlagen wird, womöglich Ausfuhrlizenzen mit Vorausfestsetzung der Ausfuhrerstattung beantragt, für die die vorherigen Erstattungsbeträge anwendbar wären. Wie die Kommission erläutert hat, hat sie ein berechtigtes Interesse daran, solche Spekulationen, die den finanziellen Interessen der Union schaden könnten, zu vermeiden. Das von der Kommission angewandte Verfahren gewährleistet, dass die Verordnung, mit der die neuen Erstattungsbeträge festgesetzt werden, am Tag nach der Sitzung des Verwaltungsausschusses in Kraft treten kann und dass der genaue vorgeschlagene Betrag erst zu einem Zeitpunkt bekannt gegeben wird, zu dem kein für denselben Tag geltender Erstattungsantrag mehr gestellt werden kann.

116    Im Übrigen hat die Kommission in Beantwortung einer schriftlichen Frage zur von ihr verfolgten üblichen Praxis ausgeführt, dass ihre Dienststellen ihren Vorschlag zum Betrag der Ausfuhrerstattungen ihren vorgesetzten Stellen im Allgemeinen erst zwei Tage vor der Sitzung des Verwaltungsausschusses unterbreiteten und dass deren Entscheidung im Allgemeinen am Vortag der Sitzung des Verwaltungsausschusses getroffen werde. Daraus folgt, dass die Kommission den Entwurf der angefochtenen Verordnung mit den vorgeschlagenen Zahlen nicht gleichzeitig mit dem Entwurf der angefochtenen Verordnung übersenden konnte, da sie selbst noch keine Entscheidung über die von ihr vorzuschlagenden Beträge getroffen hatte. Die Kommission hat ein berechtigtes Interesse daran, dafür zu sorgen, dass auch bei einer periodischen Festsetzung bis zum Zeitpunkt der Sitzung des Verwaltungsausschusses die neuesten verfügbaren Daten berücksichtigt werden. Dem Dokument, das dem Verwaltungsausschuss vorgelegt wurde, ist zu entnehmen, dass die Kommission sehr aktuelle Daten berücksichtigt hat. So enthält dieses Dokument eine Tabelle betreffend die Ausfuhrlizenzen für die Woche vom 8. bis zum 14. Juli 2013, was belegt, dass die Kommission die Daten einige Tage vor der Sitzung des Verwaltungsausschusses aktualisiert hat.

117    Die Entscheidung der Kommission, ihren Vorschlag betreffend den Ausfuhrerstattungsbetrag erst am Vortag der Sitzung des Verwaltungsausschusses festzulegen, ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat im Übrigen nicht geltend gemacht, die Kommission hätte ihre eigene Entscheidung hinsichtlich ihres Vorschlags früher treffen müssen.

118    Ferner ist festzustellen, dass eine Übersendung des Entwurfs der angefochtenen Verordnung ohne die vorgeschlagenen Beträge keinen Sinn gemacht hätte. Da die angefochtene Verordnung nämlich einer Standardverordnung entsprach, in der nur die Zahlen aktualisiert worden waren, war den Mitgliedstaaten der Text der angefochtenen Verordnung – mit Ausnahme der Erstattungsbeträge – im Voraus bekannt.

119    Die Frist für die Stellungnahme des Verwaltungsausschusses war somit angemessen, und die Beurteilung der Dringlichkeit durch die Kommission ist weder mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler noch mit einem Ermessensmissbrauch behaftet.

120    Aus alledem folgt, dass die Kommission nicht gegen Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 182/2011 verstoßen hat.

[nicht wiedergegeben]

 B – Zum zweiten Klagegrund: Verfahrensfehler und Unzuständigkeit

[nicht wiedergegeben]

201    Was das Vorbringen anbelangt, die Geschäftsordnung der Kommission sehe nicht ausdrücklich vor, dass eine im Jahr 2004 erteilte Subdelegation im Jahr 2013 noch wirksam sei, wenn die Anweisungsempfänger und die Anweisenden nicht mehr dieselben Personen seien, ist Folgendes festzustellen.

202    Eine Ermächtigung oder Subdelegation wird nicht einer natürlichen Person, sondern einer Person erteilt, die ein Amt ausübt, nämlich einem für einen bestimmten Bereich zuständigen Kommissionsmitglied oder dem Generaldirektor einer bestimmten Generaldirektion. Bei einem Wechsel der ein Amt ausübenden Personen bleibt sie somit wirksam.

203    Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht erforderlich, dass in der Geschäftsordnung der Kommission ausdrücklich vorgesehen wird, dass eine erteilte Subdelegation nach einem Wechsel der Personen, die als Anweisungsempfänger oder Anweisender tätig geworden sind, wirksam bleibt. Die Möglichkeit, Ermächtigungen oder Subdelegationen zu erteilen, hat nämlich zum Ziel, das Kollegium der Kommissionsmitglieder oder das betreffende Kommissionsmitglied von Entscheidungen zu entlasten, für die kein Tätigwerden des Kollegiums oder des betreffenden Kommissionsmitglieds erforderlich ist. Durch die Entscheidung, Ermächtigungen oder Subdelegationen zu erteilen, sollen die Zuständigkeiten innerhalb der Kommission aufgeteilt werden, und es handelt sich nicht um einen Vertrauensbeweis für eine bestimmte natürliche Person. Sofern nicht ein besonderer gegenteiliger Beschluss gefasst wird, wird eine Zuständigkeit nicht ad personam zugewiesen. Im vorliegenden Fall betrafen die Ermächtigungs- und die Subdelegationsentscheidungen das für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zuständige Mitglied der Kommission sowie den Generaldirektor der GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und nicht bestimmte benannte Personen.

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Tilly-Sabco trägt ihre eigenen Kosten einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten.

3.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten.

4.      Die Doux SA trägt ihre eigenen Kosten.

5.      Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten, die ihr als Streithelferin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind.

Dittrich

Schwarcz

Tomljenović

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Januar 2016.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.


1 – Es werden nur die Randnummern des vorliegenden Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.