Language of document : ECLI:EU:T:2011:383

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

14. Juli 2011(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke ZUFAL – Ältere Gemeinschaftswortmarke ZURCAL – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Ähnlichkeit der Zeichen – Gleichartigkeit der Waren – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Einschränkung des Warenverzeichnisses der Anmeldung – Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑222/10

ratiopharm GmbH mit Sitz in Ulm (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Völker,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch B. Schmidt als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Verfahrensbeteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Nycomed GmbH mit Sitz in Konstanz (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin A. Ferchland,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 12. März 2010 (Sache R 874/2008‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Nycomed GmbH und der ratiopharm GmbH

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Dittrich, der Richterin I. Wiszniewska-Białecka und des Richters M. Prek (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 12. Mai 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 26. August 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 10. August 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des Umstands, dass keiner der Verfahrensbeteiligten binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Die Klägerin, die ratiopharm GmbH, meldete am 12. April 2006 beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen ZUFAL.

3        Die Marke wurde für „pharmazeutische Präparate“ in Klasse 5 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 43/2006 vom 23. Oktober 2006 veröffentlicht.

5        Am 28. November 2006 erhob die Streithelferin, die Nycomed GmbH, gegen die Anmeldung der Marke für die oben in Randnr. 3 genannten Waren gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) einen Widerspruch.

6        Der Widerspruch war insbesondere auf die ältere eingetragene Gemeinschaftswortmarke ZURCAL für „Magen-Darm-Präparate“ in Klasse 5 gestützt.

7        Für den Widerspruch wurde der Widerspruchsgrund des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) geltend gemacht.

8        Am 23. April 2008 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch statt.

9        Am 9. Juni 2008 legte die Klägerin gemäß den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) beim HABM Beschwerde ein. Sie beantragte insbesondere, das Warenverzeichnis der Anmeldemarke gemäß Art. 44 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009) auf „pharmazeutische Präparate, die den Wirkstoff Tamsulosin enthalten“ in Klasse 5 zu beschränken.

10      Mit Entscheidung vom 12. März 2010 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde mit folgender Begründung zurück:

–        Nach der Art der betreffenden Waren bestehe das maßgebliche Publikum sowohl aus dem Fachverkehr im Bereich der Medizin und Pharmazie als auch aus der Allgemeinheit der Verbraucher, wobei es im vorliegenden Fall ausreichend sei, auf die Verkehrskreise in Deutschland abzustellen;

–        die beantragte Einschränkung des Warenverzeichnisses genüge nicht dem Bestimmtheitserfordernis und sei daher unzulässig;

–        da die mit der älteren Marke gekennzeichneten „Magen-Darm-Präparate“ zu der umfassenderen Kategorie „pharmazeutische Präparate“ gehörten, auf die sich die angemeldete Marke beziehe, bestehe eine Warenidentität;

–        trotz der Unterschiede in der Mitte der einander gegenüberstehenden Marken bestehe eine durchschnittliche schriftbildliche und klangliche Ähnlichkeit der Marken, während ein begrifflicher Vergleich nicht möglich sei;

–        es bestehe folglich Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

11      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

12      Das HABM und die Streithelferin beantragen,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

13      Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

14      Die Klägerin trägt vor, dass die Beschwerdekammer zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken Verwechslungsgefahr bestehe. Sie rügt ferner, dass beim Vergleich der Waren die von ihr vorgenommene Einschränkung durch die Beschwerdekammer nicht berücksichtigt worden sei. Beim Vergleich der Zeichen seien deren Unterschiede nicht hinreichend berücksichtigt worden.

15      Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt, dass auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

16      Nach ständiger Rechtsprechung liegt Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr umfassend, gemäß der Wahrnehmung der Zeichen und der betroffenen Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg. 2003, II‑2821, Randnrn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Wenn sich der Schutz der älteren Marke auf die gesamte Union erstreckt, ist die Wahrnehmung der einander gegenüberstehenden Marken durch den Verbraucher der fraglichen Waren in diesem Gebiet zu berücksichtigen. Eine Gemeinschaftsmarke ist jedoch bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ein relatives Eintragungshindernis im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nur in einem Teil der Union vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, Slg. 2006, II‑5409, Randnr. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Nach der Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren abzustellen. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der fraglichen Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, Slg. 2007, II‑449, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Wenn es sich bei den fraglichen Waren um pharmazeutische Erzeugnisse handelt, werden die maßgeblichen Verkehrskreise zum einen durch das medizinische Fachpublikum und zum anderen durch die Patienten als Endverbraucher dieser Produkte gebildet (Urteile des Gerichts vom 13. Februar 2008, Sanofi-Aventis/HABM – GD Searle [ATURION], T‑146/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 25, und vom 21. Oktober 2008, Aventis Pharma/HABM – Nycomed [PRAZOL], T‑95/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 27). Das entspricht dem, was die Beschwerdekammer in Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, ohne dass ihr die Klägerin in diesem Punkt widersprochen hätte. Im Übrigen hat die Beschwerdekammer ihre Prüfung gemäß der vorstehend in Randnr. 17 angeführten Rechtsprechung im Wesentlichen auf die relevanten deutschsprachigen Verkehrskreise beschränkt.

20      Was den Aufmerksamkeitsgrad des angesprochenen Publikums angeht, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass medizinische Fachleute bei der Verschreibung von Arzneimitteln einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit an den Tag legen (Urteil des Gerichts vom 15. Dezember 2010, Novartis/HABM – Sanochemia Pharmazeutika [TOLPOSAN], T‑331/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 26). Hinsichtlich der Endverbraucher ist davon auszugehen, dass im Fall des rezeptfreien Verkaufs pharmazeutischer Erzeugnisse die Verbraucher, die als angemessen unterrichtet, aufmerksam und verständig anzusehen sind, an diesen Produkten, da sie ihren gesundheitlichen Zustand beeinflussen, interessiert sind und verschiedene Produktvarianten weniger leicht verwechseln werden. Auch im Fall rezeptpflichtiger Produkte werden die Verbraucher, da es sich um pharmazeutische Erzeugnisse handelt, bei deren Verschreibung einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit aufbringen. Damit kann bei pharmazeutischen Präparaten, ob sie auf ein Rezept hin abgegeben werden oder nicht, angenommen werden, dass ihnen die normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit widmen (Urteil TOLPOSAN, Randnr. 26).

 Zum Vergleich der Waren

21      Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis kennzeichnen, in dem diese Waren und Dienstleistungen zueinander stehen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Bestimmung und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Es können auch andere Faktoren wie beispielsweise die Vertriebswege der betreffenden Waren berücksichtigt werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, Slg. 2007, II‑2579, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Nach Ansicht der Klägerin hat die Beschwerdekammer dadurch gegen Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen, dass sie die Einschränkung des Warenverzeichnisses der angemeldeten Marke für unzulässig erachtet habe. Die Klägerin ist deshalb der Auffassung, dass als die einander gegenüberstehenden Waren zum einen die mit der älteren Marke gekennzeichneten Waren „Magen-Darm-Präparate“ und zum anderen nur die von der angemeldeten Marke erfassten „pharmazeutischen Präparate, die den Wirkstoff Tamsulosin enthalten“, anzusehen seien, zwischen denen jedoch allenfalls eine geringe Ähnlichkeit bestehe.

23      Erstens ist, soweit die Beschwerdekammer die Einschränkung der mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren zurückgewiesen hat, zu beachten, dass bei der Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 die Beurteilung der Verwechslungsgefahr sämtliche Waren einbeziehen muss, die in der Markenanmeldung bezeichnet sind. Eine Einschränkung des in einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung enthaltenen Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen kann nur berücksichtigt werden, wenn sie nach besonderen Modalitäten vorgenommen wird; dazu bedarf es eines Antrags auf Änderung der Anmeldung nach Art. 43 der Verordnung Nr. 207/2009 und Regel 13 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) (Urteil des Gerichts vom 5. März 2003, Unilever/HABM [Ovoide Tablette], T‑194/01, Slg. 2003, II‑383, Randnr. 13, und vom 25. November 2003, Oriental Kitchen/HABM – Mou Dybfrost [KIAP MOU], T‑286/02, Slg. 2003, II‑4953, Randnr. 30). Außerdem muss die Beschränkung des Warenverzeichnisses einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung ausdrücklich und unbedingt erfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 27. Februar 2002, Ellos/HABM [ELLOS], T‑219/00, Slg. 2002, II‑753, Randnrn. 61 und 62, und vom 10. November 2004 Storck/HABM [Form eines Bonbons], T‑396/02, Slg. 2004, II‑3821, Randnr. 20).

24      Ferner kann, wie das HABM zutreffend ausgeführt hat, nicht eine Einschränkung des Warenverzeichnisses zugelassen werden, die zu Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Umfangs des Markenschutzes führen könnte (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 12. Februar 2004, Koninklijke KPN Nederland, C‑363/99, Slg. 2004, I‑1619, Randnrn. 114 und 115).

25      Insoweit ist auf den besonderen Charakter von pharmazeutischen Präparaten hinzuweisen, der in der zur Anwendung von Art. 42 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 ergangenen Rechtsprechung betont worden ist, nach der für die Definition einer Untergruppe dieser Produkte das Kriterium des Zwecks oder der Bestimmung maßgebend ist. Der Zweck und die Bestimmung eines Heilmittels kommen in seiner therapeutischen Indikation zum Ausdruck (Urteil RESPICUR, oben in Randnr. 18 angeführt, Randnrn. 29 und 30).

26      Daraus folgt notwendig, dass das wesentliche Kriterium, um erkennen zu können, welche pharmazeutischen Präparate von der Anmeldung erfasst werden und welchen Schutzumfang die Marke damit hat, die therapeutische Indikation dieser Präparate ist.

27      Während es dem Anmelder einer Marke freisteht, den Wirkstoff von pharmazeutischen Präparaten hervorzuheben, die nach der Einschränkung von der Marke erfasst bleiben, ist vor allem von Bedeutung, dass er die therapeutische Indikation dieser Präparate klar angibt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin lässt die bloße Bezugnahme auf den Wirkstoff jedoch nicht verstehen, welche therapeutische Indikation die pharmazeutischen Präparate haben. In diesem Zusammenhang ist bereits darauf hingewiesen worden, dass eine bestimmte Erkrankung oft durch mehrere Heilmittel mit unterschiedlichen Wirkstoffen behandelt werden kann, von denen manche rezeptfrei erhältlich sind, während andere eine ärztliche Verschreibung erfordern (vgl. Urteil RESPICUR, oben in Randnr. 18 angeführt, Randnr. 31).

28      Daher konnte die Beschwerdekammer in Randnr. 25 der angefochtenen Entscheidung die von der Klägerin vorgenommene Einschränkung zu Recht mit der Begründung zurückweisen, dass der Zusatz „die den Wirkstoff Tamsulosin enthalten“ nicht die konkreten pharmazeutischen Präparate erkennen lasse, auf die sich die angemeldete Marke beziehe.

29      Dieser Schlussfolgerung steht nicht das Vorbringen der Klägerin entgegen, wonach bestimmte Marken unter Umständen eingetragen worden seien, die ihrer Ansicht nach der von ihr vorgenommenen Einschränkung entsprechen.

30      Die Dienststellen des HABM müssen zwar nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung im Rahmen der Prüfung der Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke Entscheidungen berücksichtigen, die zu ähnlichen Anmeldungen ergangen sind, und besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht (Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 73 und 74; vgl. ferner entsprechend Beschluss des Gerichtshofs vom 12. Februar 2009, Bild digital und ZVS, C‑39/08 und C‑43/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 17).

31      Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch die Entscheidungen der Beschwerdekammern des HABM über die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke gemäß der Verordnung Nr. 207/2009 gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen ist daher allein auf der Grundlage dieser Verordnung und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen (Urteil des Gerichtshofs vom 26. April 2007, Alcon/HABM, C‑412/05 P, Slg. 2007, I‑3569, Randnr. 65, und Urteil des Gerichts vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T‑346/04, Slg. 2005, II‑4891, Randnr. 71).

32      Dabei wäre das Vorbringen der Klägerin auch dann zurückzuweisen, wenn es dahin auszulegen wäre, dass sie damit einen Verstoß der Beschwerdekammer gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung geltend machen will, denn dieser Grundsatz muss mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. Daraus folgt, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen (Beschluss Bild digital und ZVS, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 18, und Urteil Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, oben in Randnr. 30 angeführt, Randnr. 76).

33      Hieraus ergibt sich zweitens, dass die Beschwerdekammer in Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung ebenfalls zu Recht festgestellt hat, dass die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren als identisch anzusehen seien, weil die unter die ältere Marke fallenden „Magen-Darm-Präparate“ von dem weiter gefassten Warenverzeichnis der angemeldeten Marke, d. h. von den „pharmazeutischen Präparaten“, umfasst seien.

34      Nach ständiger Rechtsprechung können Waren als identisch angesehen werden, wenn die von der älteren Marke erfassten Waren in einer allgemeineren Kategorie, auf die sich die Markenanmeldung bezieht, enthalten sind (Urteile des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Institut für Lernsysteme/HABM − Educational Services [ELS], T‑388/00, Slg. 2002, II‑4301, Randnr. 53, und vom 7. September 2006, Meric/HABM – Arbora & Ausonia [PAM-PIM’S BABY-PROP], T‑133/05, Slg. 2006, II‑2737, Randnr. 29). Es ist nämlich Sache des Anmelders und nicht des HABM, die Markenanmeldung gegebenenfalls auf bestimmte Waren zu beschränken, die von der älteren Marke nicht erfasst werden. Das HABM muss nicht jede der zu jeder einzelnen Kategorie gehörenden Waren oder Dienstleistungen prüfen, sondern hat eine Prüfung der fraglichen Kategorie als solcher vorzunehmen (Beschluss des Gerichts vom 15. November 2006, Anheuser-Busch/HABM – Budějovický Budvar [BUDWEISER], T‑366/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35, und Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2008, Reber/HABM – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli [Mozart], T‑304/06, Slg. 2008, II‑1927, Randnr. 23).

 Zum Vergleich der Zeichen

35      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese Zeichen hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, Slg. 2007, I‑4529, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Im vorliegenden Fall stehen einander die ältere Wortmarke ZURCAL und die angemeldete Wortmarke ZUFAL gegenüber. Der erste und der letzte Teil der einander gegenüberstehenden Marken, d. h. die Buchstaben „Z“ und „U“ sowie die Buchstaben „A“ und „L“, sind somit identisch. Die Wortmarken unterscheiden sich durch ihren mittleren Teil, der bei der älteren Marke aus den Buchstaben „R“ und „C“ und bei der angemeldeten Marke aus dem Buchstaben „F“ besteht.

37      Die Beschwerdekammer hat in den Randnrn. 27 und 28 der angefochtenen Entscheidung eine durchschnittliche visuelle und klangliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken festgestellt und ist in Randnr. 29 der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen, dass ein begrifflicher Vergleich nicht möglich sei, weil es sich bei den einander gegenüberstehenden Marken um Phantasiebegriffe handele.

38      Nach Ansicht der Klägerin hat die Beschwerdekammer zu Unrecht festgestellt, dass zwischen den Zeichen eine durchschnittliche visuelle und klangliche Ähnlichkeit bestehe, denn sie habe die Unterschiede im mittleren Teil der Zeichen nicht hinreichend berücksichtigt. Die angemeldete Marke wirke optisch weit „gedrungener“ als die ältere Marke. In klanglicher Hinsicht führe die abweichende Aussprache des Buchstabens „F“ und der Buchstabenverbindung „R“ und „C“ überdies dazu, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen allenfalls als entfernt ähnlich angesehen werden könnten. Die Annahme der Beschwerdekammer schließlich, dass der Verbraucher dem Wortanfang eines Zeichens größere Aufmerksamkeit schenke als dem Wortende, sei bei kurzen Zeichen unzutreffend.

39      Dazu ist erstens festzustellen, dass die Klägerin der Auffassung der Beschwerdekammer, wonach ein begrifflicher Vergleich der Marken nicht möglich sei, nicht entgegentritt.

40      Was zweitens den visuellen und klanglichen Zeichenvergleich angeht, so stellt zwar der Unterschied, der sich aus dem Vorhandensein der Buchstaben „R“ und „C“ in der älteren Marke und der Präsenz nur des Buchstabens „F“ in der angemeldeten Marke ergibt, einen Faktor dar, der die Marken voneinander abhebt, jedoch wird sein Einfluss auf den Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Marken dadurch ausgeglichen, dass diese im Übrigen ausschließlich aus den gleichen Buchstaben in der gleichen Reihenfolge, nämlich „Z“, „U“, „A“ und „L“, gebildet sind. Unter diesen Umständen hat die Beschwerdekammer in den Randnrn. 27 und 28 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass in visueller Hinsicht und zumindest für das deutschsprachige Publikum auch in klanglicher Hinsicht eine durchschnittliche Ähnlichkeit gegeben sei.

41      Diesem Ergebnis steht nicht das Vorbringen der Klägerin entgegen, dass die Beschwerdekammer angesichts der Kürze der einander gegenüberstehenden Zeichen im vorliegenden Fall zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass der Verbraucher dem Wortanfang eines Zeichens größere Aufmerksamkeit schenke als dem Wortende.

42      Die Berücksichtigung dieses Kriteriums, das im Übrigen in der Rechtsprechung anerkannt ist (Urteil PAM-PIM’S BABY-PROP, oben in Randnr. 34 angeführt, Randnr. 51), kann zwar bei Wortmarken, die aus einem einzigen, relativ kurzen Wort bestehen, weniger angezeigt erscheinen als bei Marken, die sich ein Verbraucher schwerer merken kann. Unter den vorliegenden Umständen aber hat diese von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung jedenfalls keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, weil sich die Feststellung der visuellen und der klanglichen Ähnlichkeit nicht lediglich auf den Anfang der einander gegenüberstehenden Marken beschränkt.

 Zur Verwechslungsgefahr

43      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 17, und Urteil VENADO mit Rahmen u. a., oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 74).

44      Da im vorliegenden Fall zum einen die von den Marken erfassten Waren identisch sind und zum anderen die einander gegenüberstehenden Zeichen einen durchschnittlichen Grad an visueller Ähnlichkeit und zumindest für das deutschsprachige Publikum auch an klanglicher Ähnlichkeit aufweisen, hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass beim Publikum Verwechslungsgefahr bestehe.

45      Gemäß der oben in Randnr. 17 angeführten Rechtsprechung ist eine Gemeinschaftsmarke bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ein relatives Eintragungshindernis im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 in einem Teil der Union vorliegt. Die Beschwerdekammer hat daher zu Recht festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Artikels im vorliegenden Fall erfüllt seien.

46      Nach alledem ist festzustellen, dass der einzige Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 nicht begründet ist. Die Klage ist daher abzuweisen.

 Kosten

47      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

48      Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die ratiopharm GmbH trägt die Kosten.

Dittrich

Wiszniewska-Białecka

Prek

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Juli 2011.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.