Language of document : ECLI:EU:T:2021:445

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte erweiterte Kammer)

14. Juli 2021(*)

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Harmonisierte Normen – Dokumente zu vier vom CEN angenommenen harmonisierten Normen – Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen eines Dritten – Urheberrechtlicher Schutz“

In der Rechtssache T‑185/19,

Public.Resource.Org, Inc. mit Sitz in Sebastopol, Kalifornien (Vereinigte Staaten),

Right to Know CLG mit Sitz in Dublin (Irland),

Prozessbevollmächtigte: F. Logue, Solicitor, sowie Rechtsanwälte A. Grünwald, J. Hackl und C. Nüßing,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch G. Gattinara, F. Thiran und S. Delaude als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Europäisches Komitee für Normung (CEN) und die übrigen Streithelfer, deren Namen im Anhang(1) aufgeführt sind, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte U. Karpenstein, K. Dingemann und M. Kottmann,

Streithelfer,

wegen einer Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2019) 639 final der Kommission vom 22. Januar 2019, mit dem der Antrag auf Zugang zu vier harmonisierten Normen des CEN abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT (Fünfte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Papasavvas, der Richter D. Spielmann und U. Öberg, der Richterin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin) und des Richters R. Norkus,

Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2020

folgendes

Urteil

I.      Sachverhalt

1        Am 25. September 2018 reichten die Klägerinnen, die Public.Resource.Org, Inc. und die Right to Know CLG, zwei gemeinnützige Organisationen, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, das Recht für alle Bürger frei zugänglich zu machen, bei der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU der Europäischen Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) und der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft (ABl. 2006, L 264, S. 13) einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten im Besitz der Kommission (im Folgenden: Antrag auf Zugang) ein.

2        Der Antrag auf Zugang betraf vier harmonisierte Normen, die das Europäische Komitee für Normung (CEN) gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/24/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2012, L 316, S. 12) angenommen hatte, nämlich die Norm EN 71‑5:2015 „Sicherheit von Spielzeug – Teil 5: Chemisches Spielzeug (Sets) ausgenommen Experimentierkästen“, die Norm EN 71‑4:2013 „Sicherheit von Spielzeug – Teil 4: Experimentierkästen für chemische und ähnliche Versuche“, die Norm EN 71‑12:2013 „Sicherheit von Spielzeug – Teil 12: N-Nitrosamine und N-nitrosierbare Stoffe“ und die Norm EN 12472:2005+A 1:2009 „Simulierte Abrieb- und Korrosionsprüfung zum Nachweis der Nickelabgabe von mit Auflagen versehenen Gegenständen“ (im Folgenden: angeforderte harmonisierte Normen).

3        Mit Schreiben vom 15. November 2018 lehnte die Kommission den Antrag auf Zugang auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 ab (im Folgenden: ursprüngliche ablehnende Entscheidung).

4        Am 30. November 2018 reichten die Klägerinnen bei der Kommission einen Zweitantrag nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 ein. Mit Beschluss vom 22. Januar 2019 bestätigte die Kommission die Verweigerung des Zugangs zu den angeforderten harmonisierten Normen (im Folgenden: bestätigender Beschluss).

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

5        Mit Klageschrift, die am 28. März 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

6        Mit Schriftsatz, der am 10. Juli 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben das CEN und vierzehn nationale Normungsgremien, nämlich die Asociación Española de Normalización (UNE), die Asociaţia de Standardizare din România (ASRO), die Association française de normalisation (AFNOR), die Austrian Standards International (ASI), die British Standards Institution (BSI), das Bureau de normalisation/Bureau voor Normalisatie (NBN), die Dansk Standard (DS), das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN), das Koninklijk Nederlands Normalisatie Instituut (NEN), die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV), die Standard Norge (SN), die Suomen Standardisoimisliitto r.y. (SFS), das Svenska institutet för standarder (SIS) und das Institut za standardizaciju Srbije (ISS), beantragt, dem vorliegenden Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission beizutreten.

7        Mit Beschluss vom 20. November 2019, Public.Resource.Org und Right to Know/Kommission (T‑185/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:828), hat der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts dem Streithilfeantrag stattgegeben. Die Streithelfer haben den Streithilfeschriftsatz und die Hauptparteien ihre Stellungnahmen zu diesem Schriftsatz fristgerecht eingereicht.

8        Auf Vorschlag der Berichterstatterin hat das Gericht (Fünfte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

9        Mit Beschluss vom 17. Juni 2020 hat das Gericht (Fünfte Kammer) gemäß Art. 91 Buchst. c, Art. 92 Abs. 1 und Art. 104 seiner Verfahrensordnung der Kommission aufgegeben, die angeforderten harmonisierten Normen vorzulegen, und entschieden, dass diese den Klägerinnen nicht zu übermitteln sind. Die Kommission ist dieser Anordnung fristgerecht nachgekommen.

10      Auf Vorschlag der Fünften Kammer hat das Gericht die Rechtssache gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung an die Fünfte erweiterte Kammer verwiesen.

11      Auf Vorschlag der Berichterstatterin hat das Gericht (Fünfte erweiterte Kammer) den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen gestellt und sie aufgefordert, diese sowohl vor als auch in der mündlichen Verhandlung zu beantworten. Die Parteien haben einige Fragen innerhalb der gesetzten Frist schriftlich beantwortet und in der Sitzung vom 10. November 2020 mündlich verhandelt und die übrigen Fragen des Gerichts beantwortet. In dieser Sitzung haben die Klägerinnen dem Gericht mitgeteilt, dass sie mit der Klage nur die Nichtigerklärung des bestätigenden Beschlusses beantragen, was im Sitzungsprotokoll vermerkt worden ist.

12      Die Klägerinnen beantragen nach den oben in Rn. 11 genannten Klarstellungen,

–        den bestätigenden Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

13      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen,

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

14      Die Streithelfer beantragen,

–        die Klage abzuweisen,

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Zur Zulässigkeit

15      Die Streithelfer halten die Klage für unzulässig, weil die Klägerinnen kein Rechtsschutzinteresse hätten. Ihnen fehle ein Interesse an der Einleitung des vorliegenden Verfahrens, weil sie die harmonisierten Normen erstens für nichtgewerbliche Zwecke kostenlos in Bibliotheken einsehen könnten, zweitens gegen Zahlung einer „angemessenen“ Vergütung Zugang zu diesen Normen erhalten und sie für beliebige Zwecke verwenden könnten und drittens seit 2015 (also lange vor ihrem 2019 gestellten Antrag auf Zugang zu den Dokumenten) tatsächlich über eine Kopie von mindestens drei der vier angeforderten harmonisierten Normen verfügt hätten.

16      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss für jede von einer natürlichen oder juristischen Person erhobene Nichtigkeitsklage ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 24. September 1987, Vlachou/Rechnungshof, 134/87, EU:C:1987:388, Rn. 8), und bei dieser wesentlichen Voraussetzung, die die natürliche oder juristische Person nachzuweisen hat, handelt es sich um eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung, die von den Unionsgerichten jederzeit von Amts wegen geprüft werden kann (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse vom 7. Oktober 1987, G. d. M./Rat und WSA, 108/86, EU:C:1987:426, Rn. 10, und vom 21. Juli 2020, Abaco Energy u. a./Kommission, C‑436/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:606, Rn. 80).

17      Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur zulässig, wenn diese ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse besteht nur, wenn die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann. Es muss sich dabei um ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse handeln, wofür auf den Tag der Klageerhebung abzustellen ist. Es muss jedoch bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung weiter vorliegen, andernfalls ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, XG/Kommission, T‑504/18, EU:T:2019:883, Rn. 30 und 31 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

18      Im spezifischen Kontext von Rechtsstreitigkeiten über den Zugang zu Dokumenten auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 hat eine Person, der der Zugang zu einem Dokument oder zu einem Teil eines Dokuments verweigert wird, schon allein aufgrund dieser Tatsache ein Interesse an der Nichtigerklärung dieser Entscheidung (vgl. Urteil vom 5. Dezember 2018, Falcon Technologies International/Kommission, T‑875/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:877, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Kommission den Klägerinnen keinen Zugang zu den angeforderten harmonisierten Normen gewährt hat.

20      Unter diesen Umständen haben die Klägerinnen in Anbetracht der oben in Rn. 18 angeführten Rechtsprechung ein Interesse an der Bekanntgabe der nach der Verordnung Nr. 1049/2001 angeforderten harmonisierten Normen und damit an der Nichtigerklärung des bestätigenden Beschlusses. Im vorliegenden Fall können sich die Klägerinnen trotz der Möglichkeit, Kopien der angeforderten harmonisierten Normen vor Ort in öffentlichen Bibliotheken einzusehen, auf ein Rechtsschutzinteresse berufen, soweit sie durch eine solche Einsichtnahme die von ihnen mit ihrem Antrag auf Zugang verfolgten Ziele nicht vollständig erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission, C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 47), und haben daher weiterhin ein tatsächliches Interesse daran, auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang zu diesen harmonisierten Normen zu erhalten.

21      Dies gilt umso mehr, als die angeforderten harmonisierten Normen, wie die Klägerinnen vortragen, ohne dass die Kommission oder die Streithelfer dem widersprochen hätten, nur in sehr wenigen Bibliotheken, manchmal auch nur in einer einzigen Bibliothek eines Mitgliedstaats oder in nicht öffentlich zugänglichen Bibliotheken, verfügbar und in der Praxis äußerst schwer zugänglich sind.

22      Im Hinblick auf den entgeltlichen Zugang zu den angeforderten harmonisierten Normen über die von den nationalen Normungsgremien betriebenen Verkaufsstellen ist festzustellen, dass dieser in keiner Weise dem von den Klägerinnen verfolgten Ziel entspricht, freien und unentgeltlichen Zugang zu diesen Normen zu erhalten, und kein fehlendes oder gar entfallenes Rechtsschutzinteresse aufzuzeigen vermag (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 4. September 2018, ClientEarth/Kommission, C‑57/16 P, EU:C:2018:660, Rn. 47).

23      Nach alledem ist das Vorbringen der Streithelfer zum fehlenden Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen zurückzuweisen, ohne dass seine Zulässigkeit geprüft zu werden braucht.

B.      Zur Begründetheit

24      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf zwei Klagegründe, mit denen sie erstens Rechts- und Beurteilungsfehler bei der Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen und zweitens Rechtsfehler in Bezug auf das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz dieser Verordnung sowie eine Verletzung der Begründungspflicht rügen.

1.      Erster Klagegrund: Rechts- und Beurteilungsfehler bei der Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen

25      Die Klägerinnen beanstanden im Wesentlichen die Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme auf den vorliegenden Fall, und zwar mit der Begründung, dass zum einen für die angeforderten harmonisierten Normen kein urheberrechtlicher Schutz gelten könne und zum anderen keine Beeinträchtigung der geschäftlichen Interessen des CEN und seiner nationalen Mitglieder nachgewiesen worden sei.

26      Die Klägerinnen gliedern den ersten Klagegrund in drei Teile. Mit dem ersten und dem zweiten Teil rügen sie Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme. Mit dem dritten Teil rügen sie einen Fehler bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der geschäftlichen Interessen.

a)      Erster Teil: Rechtsfehler aufgrund zu Unrecht erfolgter Anwendung der Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001

27      Die Klägerinnen machen geltend, da die angeforderten harmonisierten Normen Teil des „Unionsrechts“ seien, müsse der Zugang zu ihnen frei und unentgeltlich sein, so dass für sie keine Ausnahme vom Recht auf Zugang gelten könne. In Bezug auf einen „Gesetzestext“, der jedermann frei zugänglich sein müsse, könnten keine privaten Rechte eingeräumt werden, so dass diese Normen nicht urheberrechtlich geschützt werden könnten. Zur Stützung ihres Vorbringens berufen sie sich auf das Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821).

28      Die Kommission, unterstützt durch die Streithelfer, tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

29      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die auf der Grundlage von Art. 255 Abs. 2 EG [jetzt Art. 15 Abs. 3 AEUV] erlassene Verordnung Nr. 1049/2001, wie sich aus ihrem vierten Erwägungsgrund und ihrem Art. 1 ergibt, der Öffentlichkeit ein Recht auf größtmöglichen Zugang zu den Dokumenten der Unionsorgane gewähren soll. Nach Art. 2 Abs. 3 dieser Verordnung erstreckt sich dieses Recht sowohl auf die Dokumente, die von diesen Organen erstellt wurden, als auch auf solche, die die Organe von Dritten erhalten haben, zu denen, wie Art. 3 Buchst. b dieser Verordnung ausdrücklich klarstellt, auch alle juristischen Personen gehören.

30      Das Recht auf Zugang zu Dokumenten, die sich im Besitz der Unionsorgane befinden, unterliegt jedoch aufgrund öffentlicher oder privater Interessen gewissen Einschränkungen. Insbesondere sieht Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 im Einklang mit deren elftem Erwägungsgrund eine Ausnahmeregelung vor, nach der die Organe den Zugang zu einem Dokument verweigern dürfen, wenn dessen Verbreitung eines der durch diesen Artikel geschützten Interessen beeinträchtigen würde.

31      Zu den Ausnahmen vom Recht auf Zugang gehört die in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 genannte, wonach „[d]ie Organe [der Union] den Zugang zu einem Dokument [verweigern], durch dessen Verbreitung … der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums, [beeinträchtigt würde,] es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung“.

32      Soweit es sich um Dokumente handelt, die von Dritten stammen, bestimmt Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001, dass das Unionsorgan den Dritten konsultiert, um zu beurteilen, ob die Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 oder 2 dieser Verordnung anwendbar sind, es sei denn, es ist klar, dass das Dokument verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werden darf. Hält das betreffende Organ es für klar, dass der Zugang zu einem von einem Dritten stammenden Dokument aufgrund der in Art. 4 Abs. 1 oder 2 vorgesehenen Ausnahmen nicht gewährt werden darf, verweigert es dem Antragsteller den Zugang, ohne den Dritten, von dem das Dokument stammt, konsultieren zu müssen, unabhängig davon, ob dieser Dritte zuvor einem auf der Grundlage dieser Verordnung gestellten Antrag auf Zugang zu diesen Dokumenten widersprochen hat.

33      Schließlich ist zum Ermessensspielraum der Unionsorgane bei der Behandlung von Anträgen auf Zugang zu Dokumenten Dritter darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001, die vorbehaltlich der in ihr vorgesehenen Ausnahmen ein Recht auf Zugang zu allen im Besitz eines Organs befindlichen Dokumenten vorsehen, von dem Organ, an das der Antrag auf Zugang gerichtet ist, tatsächlich umgesetzt werden müssen.

34      So obliegt die endgültige Verantwortung für die ordnungsgemäße Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 nach deren Art. 8 dem Unionsorgan, das auch die Gültigkeit der den Zugang zu Dokumenten eines Dritten verweigernden Entscheidung vor den Unionsgerichten oder dem Europäischen Bürgerbeauftragten zu verteidigen hat. Müsste das Organ im Fall von Dokumenten Dritter automatisch der vom betroffenen Dritten angeführten Begründung folgen, wäre es gezwungen, gegenüber der Person, die den Antrag auf Zugang gestellt hat, und gegebenenfalls vor den Kontrollinstanzen Positionen zu vertreten, die es selbst nicht für vertretbar hält (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 14. Februar 2012, Deutschland/Kommission, T‑59/09, EU:T:2012:75, Rn. 47).

35      Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorbringen der Parteien hervor, dass sie erstens darüber streiten, in welchem Umfang und mit welcher Intensität das betreffende Unionsorgan, im vorliegenden Fall die Kommission, im Rahmen des Verfahrens nach Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 das Bestehen und die Folgen eines behaupteten urheberrechtlichen Schutzes der angeforderten Dokumente eines Dritten prüfen muss, um die in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich dieser Verordnung vorgesehene Ausnahme anzuwenden.

36      Die Kommission, unterstützt durch die Streithelfer, hält sich für nicht berechtigt, im Rahmen der Prüfung eines nach der Verordnung Nr. 1049/2001 gestellten Antrags auf Zugang zu Dokumenten das Bestehen eines einem Dritten durch die „anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften“ gewährten urheberrechtlichen Schutzes der angeforderten Dokumente in Frage zu stellen.

37      Die Klägerinnen werfen der Kommission ihrerseits vor, nicht geprüft zu haben, ob die Voraussetzungen für ein dem CEN zustehendes Urheberrecht an den angeforderten harmonisierten Normen erfüllt sind. Damit erkennen sie stillschweigend, aber notwendigerweise die Befugnis der Kommission an, das Bestehen und die Folgen eines behaupteten urheberrechtlichen Schutzes der von einem Dritten stammenden angeforderten Dokumente umfassend zu prüfen.

38      Zweitens streiten die Parteien darüber, ob die angeforderten harmonisierten Normen als Teil des Unionsrechts urheberrechtlichen Schutz genießen und damit unter die in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme fallen können.

39      Das Vorbringen der Klägerinnen ist daher insoweit zu prüfen, als sie zum einen geltend machen, dass die Kommission bei der Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme einen Rechtsfehler begangen habe, weil sie davon ausgegangen sei, dass die geschäftlichen Interessen, die sich aus dem urheberrechtlichen Schutz der angeforderten harmonisierten Normen ergäben, beeinträchtigt seien (siehe oben, Rn. 35), und zum anderen einen Rechtsfehler in Bezug auf die urheberrechtliche Schutzfähigkeit dieser harmonisierten Normen rügen, weil diese Teil des Unionsrechts seien (siehe oben, Rn. 38).

40      Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass das Urheberrecht ein Recht des geistigen Eigentums ist, das dem Schöpfer eines Originalwerks einen rechtlichen Schutz gewährt und trotz einer immer weiter gehenden Harmonisierung nach wie vor größtenteils dem nationalen Recht unterliegt. Da die Voraussetzungen für das Bestehen dieses Schutzes, dessen Umfang und insbesondere die Ausnahmen von diesem Schutz nämlich weder Gegenstand der Harmonisierungsvorschriften der Union noch der internationalen Bestimmungen sind, an die die Union oder ihre Mitgliedstaaten gebunden sind, werden sie weiterhin durch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten festgelegt (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Donner, C‑5/11, EU:C:2012:195, Nrn. 24 und 27).

41      Außerdem sind der Genuss und die Ausübung des Urheberrechts nach Art. 5 Abs. 2 der am 9. September 1886 in Bern unterzeichneten Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft) nicht an die Erfüllung irgendwelcher Förmlichkeiten gebunden (Grundsatz des „automatischen Schutzes“).

42      Überdies kann der Umfang des urheberrechtlichen Schutzes für ein und dasselbe Werk je nach dem Ort, an dem dieser Schutz beansprucht wird, unterschiedlich sein. So richtet sich der Schutz im Ursprungsland gemäß Art. 5 Abs. 3 der Berner Übereinkunft nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften. Gehört der Urheber eines aufgrund dieser Übereinkunft geschützten Werkes nicht dem Ursprungsland des Werkes an, hat er in diesem Land jedoch die gleichen Rechte wie die inländischen Urheber. Dagegen richten sich der Umfang des Schutzes sowie die dem Urheber zur Wahrung seiner Rechte zustehenden Rechtsbehelfe nach Abs. 2 dieses Artikels ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird (Grundsatz der „Unabhängigkeit“ des Schutzes).

43      Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass es der mit einem Antrag auf Zugang zu Dokumenten Dritter befassten Behörde obliegt, sofern für diese Dokumente ein urheberrechtlicher Schutz geltend gemacht wird, insbesondere objektive und übereinstimmende Indizien zu ermitteln, die geeignet sind, das Bestehen des vom betroffenen Dritten behaupteten Urheberrechts zu bestätigen. Eine solche Überprüfung entspricht nämlich den Erfordernissen, die mit der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten im Bereich des Urheberrechts einhergehen.

44      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Kommission den Umfang der ihr bei der Anwendung der Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 obliegenden Prüfung beachtet hat (siehe oben, Rn. 35).

45      Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der ursprünglichen ablehnenden Entscheidung zur Rechtfertigung der Anwendbarkeit der in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme auf das Urheberrecht an den angeforderten harmonisierten Normen verweist, das dem CEN als europäischer privatrechtlicher Organisation zustehe, die ein Eigentumsrecht an allen ihren Veröffentlichungen einschließlich der europäischen Normen besitze. So stellte sie fest, dass die Verbreitung dieser harmonisierten Normen „den Schutz der geschäftlichen Interessen einer juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums, [hätte] beeinträchtigen [können], weil das CEN Inhaber des Urheberrechts an allen von seinen jeweiligen technischen Ausschüssen hergestellten Liefergegenständen [sei]“, und dass „[d]as Urheberrecht und die Verwertungsrechte (Verbreitung und Verkauf) an jeder Veröffentlichung des CEN (einschließlich der Entwürfe europäischer Normen) ausschließlich dem CEN und seinen nationalen Mitgliedern zust[ünden], bei denen die (Entwürfe von) Normen bezogen werden könn[t]en“.

46      Im bestätigenden Beschluss weist die Kommission den Einwand der Klägerinnen, dass für die angeforderten harmonisierten Normen kein urheberrechtlicher Schutz bestehe, mit der Begründung zurück, dass diese harmonisierten Normen „entgegen [dem Vorbringen der Klägerinnen] urheberrechtlich geschützt [seien, obwohl] sie in der Tat Daten enth[ie]lten, die als Tatsachen angesehen werden könn[t]en oder Verfahren betr[ä]fen“. Außerdem antwortete sie auf die Kritik der Klägerinnen an der unterbliebenen Konsultation des Herausgebers dieser harmonisierten Normen, indem sie auf das Gemeinsame Positionspapier des CEN und des Cenelec vom 17. Mai 2017 zu den Auswirkungen des Urteils vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821) verwies, in dem diese „auf der Grundlage dieses Urteils und in ihrer Eigenschaft als Inhaber der Urheberrechte an den europäischen Normen ausdrücklich [die Auffassung vertreten hätten], dass es keine Grundlage dafür [gebe], ihr Urheberrecht oder ihre Politik der Verbreitung harmonisierter Normen in Frage zu stellen“. Die Kommission hielt es „daher nicht für erforderlich, die in Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Konsultation durchzuführen, weil der Herausgeber der in Rede stehenden Dokumente, der Inhaber der betreffenden Urheberrechte [sei], seinen Standpunkt bereits durch das oben genannte Dokument öffentlich bekannt gemacht [habe]“.

47      Daraus folgt, dass die Kommission ihre Schlussfolgerung, dass die angeforderten harmonisierten Normen urheberrechtlich geschützt seien, auf objektive und übereinstimmende Indizien gestützt hat, die geeignet sind, das Bestehen des vom CEN behaupteten Urheberrechts an diesen Normen zu untermauern.

48      Zweitens hebt die Kommission im bestätigenden Beschluss hervor, dass „die Formulierung der [angeforderten harmonisierten] Normen zwar den spezifischen Erwägungen der Regelung, deren Umsetzung sie unterstützen, Rechnung [trage], diese Normen aber von ihren Urhebern hinreichend kreativ verfasst worden [seien], um urheberrechtlichen Schutz genießen zu können“, dass „[d]ie Länge der Texte bedeute, dass die Verfasser eine Reihe von Entscheidungen (einschließlich der Strukturierung des Dokuments) [hätten] treffen müssen, was einen urheberrechtlichen Schutz zur Folge ha[be]“, und dass „[d]araus folg[e], dass [diese harmonisierten Normen] in ihrer Gesamtheit als originäres urheberrechtliches Werk zu betrachten [seien], das nach den Vorschriften des Urheberrechts geschützt [sei]“. Mit dieser Analyse hat sie die urheberrechtliche Schutzfähigkeit dieser harmonisierten Normen unter dem Blickwinkel der Originalitätsschwelle beurteilt, die ein Erzeugnis erreichen muss, um ein „Werk“ im Sinne der Rechtsprechung zu sein. Auch wenn die Voraussetzung der Originalität, die erfüllt sein muss, damit ein Erzeugnis für diesen Schutz in Betracht kommt, nach wie vor durch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten geregelt wird, ergibt sich nämlich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung des autonomen Begriffs „Werk“, dass ein Gegenstand erst, aber auch bereits dann als Original angesehen werden kann, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt (vgl. Urteil vom 11. Juni 2020, Brompton Bicycle, C‑833/18, EU:C:2020:461, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Licht dieser Rechtsprechung konnte die Kommission, ohne einen Fehler zu begehen, davon ausgehen, dass die in Rede stehenden harmonisierten Normen im vorliegenden Fall die erforderliche Originalitätsschwelle erreicht haben.

49      Nach alledem kann der Kommission kein Rechtsfehler im Hinblick auf den Umfang der Prüfung vorgeworfen werden, zu der sie bei der Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme verpflichtet war, um eine Beeinträchtigung der sich aus dem urheberrechtlichen Schutz der angeforderten harmonisierten Normen ergebenden geschäftlichen Interessen festzustellen.

50      Als Zweites berufen sich die Klägerinnen zur Stützung ihres Vorbringens zu einem Rechtsfehler im Hinblick auf die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der angeforderten harmonisierten Normen darauf, dass diese Normen „Gesetzestexte“ darstellten, weil sie Teil des Unionsrechts seien, sowie auf das Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821).

51      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die harmonisierte Norm in Art. 2 Nr. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1025/2012 als eine technische Spezifikation definiert wird, die von einer europäischen Normungsorganisation auf der Grundlage eines Auftrags der Kommission zur Durchführung von Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union angenommen wurde, deren Einhaltung jedoch nicht zwingend vorgeschrieben ist.

52      Im Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), hat der Gerichtshof u. a. festgestellt, dass eine harmonisierte Norm wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die auf der Grundlage des abgeleiteten Rechts angenommen wurde und deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden, Teil des Unionsrechts ist (Rn. 40).

53      Mit der Kommission ist jedoch festzustellen, dass aus dem Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), nicht hervorgeht, dass der Gerichtshof die in Art. 10 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1025/2012 festgelegte Regelung über die Veröffentlichung harmonisierter Normen, nach der nur die Fundstellen dieser Normen veröffentlicht werden, für ungültig erklärt hat. Vielmehr ist die Entscheidung des Unionsgesetzgebers, die mit einer harmonisierten Norm verbundenen Rechtswirkungen von der vorherigen Veröffentlichung ihrer Fundstellen im Amtsblatt, Reihe C, abhängig zu machen, vom Gerichtshof beachtet worden (Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction, C‑613/14, EU:C:2016:821, Rn. 37, 40 und 43).

54      Unter diesen Umständen machen die Klägerinnen zu Unrecht geltend, wegen der vom Gerichtshof im Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), getroffenen Feststellung, dass die angeforderten harmonisierten Normen Teil des „Unionsrechts“ seien, müsse der Zugang zu ihnen frei und unentgeltlich sein, so dass auf sie keine Ausnahme vom Recht auf Zugang anwendbar sein könne.

55      Nach alledem ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

b)      Zweiter Teil: Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Anwendung der Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001

56      Nach Auffassung der Klägerinnen lässt sich ein urheberrechtlicher Schutz der angeforderten harmonisierten Normen, selbst wenn er theoretisch möglich wäre, auf diese harmonisierten Normen nicht anwenden, weil sie keine „persönliche geistige Schöpfung“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs darstellten, die erforderlich sei, um einen solchen Schutz genießen zu können.

57      Da die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Urheberrechts und der Schutzumfang dieses Rechts, insbesondere die Ausnahmen von diesem Schutz, wie oben in Rn. 40 ausgeführt, den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten unterworfen bleiben, denen es freisteht, den Schutz amtlicher Texte legislativer, administrativer oder gerichtlicher Art zu bestimmen, und da diese Voraussetzungen, wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, nur vor den Gerichten der Mitgliedstaaten angefochten werden können (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Gutachten 1/09 vom 8. März 2011, EU:C:2011:123, Rn. 80, und Beschluss vom 5. September 2007, Document Security Systems/EZB, T‑295/05, EU:T:2007:243, Rn. 56), war die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht befugt, die nach der anwendbaren nationalen Regelung erforderlichen Voraussetzungen zu prüfen, um sich zu vergewissern, dass die angeforderten harmonisierten Normen tatsächlich urheberrechtlich geschützt sind, weil eine solche Prüfung den Rahmen der Kontrolle überschreitet, die ihr im Rahmen eines Verfahrens auf Zugang zu Dokumenten zusteht.

58      Zudem haben die Klägerinnen ihr Vorbringen, dass das CEN bei der Ausarbeitung der angeforderten harmonisierten Normen keine freien und kreativen Entscheidungen treffe, in keiner Weise untermauert.

59      Die Klägerinnen machen nämlich zum einen geltend, dass die angeforderten harmonisierten Normen „aus bloßen Auflistungen von technischen Merkmalen und/oder Prüfverfahren best[ünd]en und die mit ihrer Ausarbeitung betraute Person daher keine wirklich freien und kreativen Entscheidungen [treffe], die als Ausdruck ihrer Persönlichkeit oder ihrer eigenen geistigen Schöpfung angesehen werden [könnten]“, und zum anderen, dass „[d]ie Konzeption [dieser harmonisierten Normen] auch keinen Raum für freie oder schöpferische Entscheidungen lasse, etwa in Bezug auf Layout, Struktur, Ausdrucksweise oder andere wichtige Merkmale, [weil diese] Aspekte der Normung durch eigene Normenwerke geregelt w[ü]rden, die jeden möglichen Kreativitätsspielraum der Normungsgremien stark einschränk[t]en“. Die Klägerinnen stellen aber nur schlichte Behauptungen auf, ohne sie durch eine Analyse zu untermauern oder die im bestätigenden Beschluss dargelegten Argumente der Kommission (siehe oben, Rn. 48) in Bezug auf den Grad der Originalität dieser harmonisierten Normen zu widerlegen, der sich aus der Länge der fraglichen Texte ergebe, was Entscheidungen ihrer Verfasser, auch in Bezug auf die Struktur dieser Normen, impliziere. Darüber hinaus legen sie nicht dar, inwiefern die Beschränkungen des kreativen Gestaltungsspielraums, die durch die für die Normung geltenden Regeln und Vorschriften vorgegeben seien, so beschaffen sein sollen, dass diese harmonisierten Normen die auf Unionsebene erforderliche Originalitätsschwelle nicht erreichen könnten.

60      Folglich ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

c)      Dritter Teil: fehlerhafte Beurteilung der Beeinträchtigung der geschäftlichen Interessen

61      Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe nicht dargetan, inwiefern die Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen die geschäftlichen Interessen des CEN und seiner nationalen Mitglieder beeinträchtigen würde. Sie machen geltend, selbst wenn ein urheberrechtlicher Schutz dieser harmonisierten Normen theoretisch möglich wäre und diese als persönliche geistige Schöpfung angesehen würden, müsse der bestätigende Beschluss gleichwohl für nichtig erklärt werden, weil die Kommission die behauptete Beeinträchtigung der geschäftlichen Interessen des CEN als Urhebers dieser Normen nicht nachgewiesen habe.

62      Die Kommission, unterstützt durch die Streithelfer, tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

63      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es zur Rechtfertigung der Verweigerung des Zugangs zu einem Dokument grundsätzlich nicht genügt, dass dieses Dokument in Zusammenhang mit einer Tätigkeit oder einem Interesse steht, wie sie in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 erwähnt sind, da das betroffene Organ auch dartun muss, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch eine in diesem Artikel vorgesehene Ausnahme geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte, und dass die Gefahr einer Beeinträchtigung dieses Interesses absehbar und nicht rein hypothetisch ist. Dies gilt ebenso für einen Dritten, der im Rahmen des Konsultationsverfahrens nach Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 konsultiert wird, da dieser Artikel dem Organ gestatten soll, zu beurteilen, ob eine der Ausnahmeregelungen nach Abs. 1 oder 2 dieses Artikels anwendbar ist (Urteil vom 5. Februar 2018, Pari Pharma/EMA, T‑235/15, EU:T:2018:65, Rn. 69).

64      Im vorliegenden Fall geht aus dem bestätigenden Beschluss klar hervor, dass die Kommission ihre Weigerung, die angeforderten harmonisierten Normen offenzulegen, auf zwei miteinander verbundene, aber unterschiedliche Beeinträchtigungen der geschäftlichen Interessen des CEN und seiner nationalen Mitglieder gestützt hat, nämlich zum einen auf den urheberrechtlichen Schutz dieser harmonisierten Normen und zum anderen auf die Gefahr, dass sich die Entgelte, die das CEN und seine nationalen Mitglieder als Gegenleistung für den Zugang zu diesen harmonisierten Normen erhalten, ganz erheblich verringern würden, wenn der Zugang zu diesen Normen kostenlos bei der Kommission erlangt werden könnte.

65      Insoweit ist mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass der Verkauf von Normen ein wesentlicher Bestandteil des Wirtschaftsmodells aller Normungsgremien ist. Ein freier und unentgeltlicher Zugang der Öffentlichkeit zu diesen Normen würde dieses Modell in Frage stellen und diese Gremien zwingen, ihre Organisationsform in vollem Umfang zu überdenken, wodurch die Erstellung neuer Normen und die Möglichkeit, über eine Methode zu verfügen, mit der sich die Übereinstimmung eines Produkts mit den in den Rechtsvorschriften der Union festgelegten Anforderungen anhand einer einheitlichen Methode nachweisen lässt, einem erheblichen Risiko ausgesetzt würden.

66      Da die Kommission, wie im Rahmen des ersten und des zweiten Teils des ersten Klagegrundes ausgeführt (siehe oben, Rn. 47), zu Recht festgestellt hat, dass die angeforderten harmonisierten Normen urheberrechtlich geschützt sind, weswegen sie interessierten Kreisen nur gegen Zahlung bestimmter Entgelte zugänglich waren (siehe oben, Rn. 19), folgt daraus, dass eine kostenlose Verbreitung dieser Normen auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 die geschäftlichen Interessen des CEN und seiner nationalen Mitglieder im Sinne der oben in Rn. 63 angeführten Rechtsprechung konkret und tatsächlich beeinträchtigen kann.

67      Jedenfalls würde der freie Zugang der Öffentlichkeit zu den Normen, wie die Kommission, unterstützt durch die Streithelfer, im Zusammenhang mit Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 zu Recht geltend macht, unbestreitbar den Schutz des geistigen Eigentums des CEN beeinträchtigen, soweit diese Normen den Lizenzbedingungen unterliegen, die den Käufern auferlegt werden. Das Fehlen jeglicher Kontrolle bei der Verbreitung der Normen würde sich offenkundig auf die geschäftlichen Interessen des CEN auswirken.

68      Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt, dass das CEN bei der Ausarbeitung der angeforderten harmonisierten Normen hoheitliche Aufgaben wahrnehme, die keinem wirtschaftlichen Interesse unterlägen.

69      Nach Art. 10 der Verordnung Nr. 1025/2012 werden die harmonisierten Normen von einer der drei europäischen Normungsorganisationen auf Initiative sowie unter der Leitung und Aufsicht der Kommission erarbeitet oder gegebenenfalls überarbeitet. Zu diesem Zweck erkennt die Verordnung drei europäische Normungsorganisationen an, nämlich das CEN, das Europäische Komitee für Elektrotechnische Normung (Cenelec) und das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI). Bei diesen Organisationen handelt es sich um gemeinnützige Vereine belgischen Privatrechts (CEN und Cenelec) bzw. französischen Rechts (ETSI).

70      Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ergibt sich jedoch aus den Bestimmungen über das europäische Normungssystem keineswegs, dass das CEN im Verfahren der Ausarbeitung harmonisierter Normen als öffentliche Stelle tätig wird, indem es öffentliche Aufgaben wahrnimmt, die keinem wirtschaftlichen Interesse unterliegen.

71      Der Umstand, dass die europäischen Normungsorganisationen, darunter das CEN, zur Erfüllung im öffentlichen Interesse liegender Aufgaben beitragen, indem sie Zertifizierungsdienstleistungen in Bezug auf die Einhaltung der anwendbaren Rechtsvorschriften erbringen, ändert nichts an ihrem Status als private Einrichtungen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 5. Dezember 2018, Falcon Technologies International/Kommission, T‑875/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:877, Rn. 47).

72      Hierzu ist mit der Kommission festzustellen, dass ein Unternehmen mit staatlichem Kapital geschäftliche Interessen haben kann und dies erst recht für eine private Einrichtung gelten muss, auch wenn diese zur Erfüllung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben beiträgt (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 5. Dezember 2018, Falcon Technologies International/Kommission, T‑875/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:877, Rn. 49).

73      Nach alledem hat die Kommission im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 nachgewiesen, dass die Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen im Sinne der oben in Rn. 63 angeführten Rechtsprechung geeignet war, die geschäftlichen Interessen des CEN oder seiner nationalen Mitglieder konkret und tatsächlich zu beeinträchtigen, und dass die Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Interessen absehbar und nicht rein hypothetisch war.

74      Folglich ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes und damit dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

2.      Zweiter Klagegrund: Rechtsfehler in Bezug auf das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001 und Verstoß gegen die Begründungspflicht

75      Die Klägerinnen rügen, dass die Kommission Rechtsfehler begangen habe, indem sie davon ausgegangen sei, dass kein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001 bestehe, das die Offenlegung der beantragten harmonisierten Normen rechtfertige, und dass sie ihre Weigerung, das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses anzuerkennen, nicht ausreichend begründet habe.

76      Dieser Klagegrund gliedert sich in drei Teile. Mit dem ersten Teil wird ein Rechtsfehler in Bezug auf das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht, das den freien Zugang zum Gesetz erfordere. Der zweite Teil betrifft einen Rechtsfehler in Bezug auf das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses aufgrund der Verpflichtung zur Transparenz in Umweltangelegenheiten. Mit dem dritten Teil wird eine unzureichende Begründung der Weigerung der Kommission, ein überwiegendes öffentliches Interesse anzuerkennen, beanstandet.

77      Zunächst ist der dritte Teil des zweiten Klagegrundes zu prüfen.

a)      Dritter Teil: unzureichende Begründung der Weigerung der Kommission, ein überwiegendes öffentliches Interesse anzuerkennen

78      Die Klägerinnen machen zum einen geltend, dass die Kommission im bestätigenden Beschluss nicht hinreichend begründet habe, warum sie die im Zweitantrag vorgetragenen Argumente zum Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses, das den Zugang zu den angeforderten harmonisierten Normen rechtfertige, zurückgewiesen habe.

79      Hierzu machen die Klägerinnen geltend, zu den wichtigsten Argumenten, die sie in ihrem Zweitantrag zu den Auswirkungen der Einstufung der angeforderten harmonisierten Normen als „Unionsrecht“ im Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), vorgebracht hätten, habe die Kommission geschwiegen. Insbesondere erläutere die Kommission nicht, weshalb der in einem Rechtsstaat erforderliche Zugang zum Recht, auf den sie sich berufen hätten, nicht als überwiegendes öffentliches Interesse anzusehen sei.

80      Zum anderen tragen sie vor, die Kommission habe ihre Auffassung zur Abwägung der im vorliegenden Fall einander gegenüberstehenden Interessen im Sinne der aus dem Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374), hervorgegangenen Rechtsprechung nicht begründet, so dass Anlass zu der Annahme bestehe, dass eine solche Abwägung nicht stattgefunden habe.

81      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen und macht geltend, sie habe ihre Weigerung, ein überwiegendes öffentliches Interesse anzuerkennen, rechtlich hinreichend begründet.

82      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Begründungspflicht ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der in Art. 296 Abs. 2 AEUV und in Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist, wonach jeder von den Organen der Union erlassene Rechtsakt zu begründen ist (vgl. Urteil vom 6. Februar 2020, Compañía de Tranvías de la Coruña/Kommission, T‑485/18, EU:T:2020:35, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Pflicht der Organe der Europäischen Union, ihre Handlungen zu begründen, beruht nicht lediglich auf formalen Erwägungen, sondern soll bewirken, dass der Unionsrichter die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle wahrnehmen kann und es dem Betroffenen möglich ist, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit er seine Rechte verteidigen und prüfen kann, ob die Entscheidung in der Sache begründet ist oder nicht. So können die Betroffenen von ihrem gerichtlichen Rechtsbehelf nur dann wirklich Gebrauch machen, wenn sie genaue Kenntnis vom Inhalt und von der Begründung der betreffenden Handlung haben (vgl. Urteil vom 28. November 2019, Mélin/Parlament, T‑726/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:816, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

83      Im Zusammenhang mit der Anwendung der Vorschriften der Verordnung Nr. 1049/2001 ist entschieden worden, dass die Verpflichtung des Organs, seine Entscheidung, mit der es den Zugang zu einem Dokument verweigert, zu begründen, zum einen bezweckt, den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der sie anfechtbar macht, und zum anderen, dem Unionsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu ermöglichen. Der Umfang dieser Begründungspflicht hängt von der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (vgl. Urteil vom 6. Februar 2020, Compañía de Tranvías de la Coruña/Kommission, T‑485/18, EU:T:2020:35, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

84      Nach der Rechtsprechung verlangt die Begründungspflicht von dem betroffenen Organ allerdings nicht, auf jedes der im Verfahren vor dem Erlass der angefochtenen endgültigen Entscheidung vorgebrachten Argumente zu antworten (vgl. Urteil vom 25. September 2018, Psara u. a./Parlament, T‑639/15 bis T‑666/15 und T‑94/16, EU:T:2018:602, Rn. 134 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85      Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Punkt 4 („Fehlen eines überwiegenden öffentlichen Interesses, das die Offenlegung rechtfertigt“) des bestätigenden Beschlusses auf das Vorbringen der Klägerinnen im Zweitantrag geantwortet hat, mit dem diese geltend machten, es bestünden überwiegende öffentliche Interessen, die sich zum einen aus der Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), und zum anderen aus den angeblichen Transparenzpflichten in Umweltangelegenheiten ergäben.

86      Insoweit hat die Kommission erstens darauf hingewiesen, dass die Auswirkungen des Urteils vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), im Hinblick auf den Kontext zu beurteilen seien, in dem dieses Urteil ergangen sei, wie sie in Punkt 2.1 des bestätigenden Beschlusses erläutert habe, der sich mit der Prüfung der Voraussetzung des Schutzes der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person befasse. So begründe dieses Urteil „keine Verpflichtung zur proaktiven Veröffentlichung der harmonisierten Normen im Amtsblatt und beleg[e] auch nicht automatisch ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrer Verbreitung“.

87      Zweitens ist die Kommission dem Vorbringen der Klägerinnen zu den Transparenzpflichten in Umweltangelegenheiten, wonach davon auszugehen sei, dass an der Einhaltung dieser Pflichten ein öffentliches Interesse bestehe, das das Interesse am Schutz der geschäftlichen Interessen einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person überwiege, im Wesentlichen mit der Begründung entgegengetreten, dass diese Pflichten im vorliegenden Fall nicht bestünden.

88      Drittens hat die Kommission hinzugefügt, sie habe auch im Übrigen kein überwiegendes öffentliches Interesse erkennen können, das eine solche Verbreitung rechtfertigen würde.

89      Daraus folgt, dass im bestätigenden Beschluss zwar knapp, aber klar dargelegt wird, dass die Klägerinnen nichts vorgetragen hätten, was das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen hätte dartun können. Die Kommission hat ferner hinzugefügt, dass sie kein überwiegendes öffentliches Interesse habe feststellen können, das eine solche Verbreitung rechtfertigen würde.

90      Soweit die Klägerinnen mit einigen ihrer Argumente in Wirklichkeit die Stichhaltigkeit der im bestätigenden Beschluss enthaltenen Begründung, dass kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen bestehe, in Frage stellen, geht dieses Vorbringen im Rahmen des vorliegenden Teils ins Leere.

91      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zwar die Gründe darzulegen hat, die im Einzelfall die Anwendung einer der Ausnahmen vom Recht auf Zugang nach der Verordnung Nr. 1049/2001 rechtfertigen, aber nicht verpflichtet ist, Auskünfte zu erteilen, die über das hinausgehen, was für den Antragsteller zum Verständnis der Gründe ihrer Beschlüsse und für das Gericht zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Beschlusses erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Bonnafous/Kommission, T‑646/18, EU:T:2020:120, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

92      Unter diesen Umständen ist der dritte Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

b)      Erster Teil: Rechtsfehler in Bezug auf das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses, das den freien Zugang zum Gesetz erfordere

93      Die Klägerinnen machen geltend, selbst wenn die angeforderten harmonisierten Normen unter die Ausnahme wegen Beeinträchtigung geschäftlicher Interessen fallen könnten, bestehe an einer Verbreitung dieser Normen ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001, das darauf gerichtet sei, freien Zugang zum Gesetz zu gewährleisten. Genauer gesagt begründe die Zugehörigkeit dieser harmonisierten Normen zum Unionsrecht „das verfassungsrechtliche Gebot, freien Zugang zu ihnen zu gewähren“.

94      Da die angeforderten harmonisierten Normen Teil des Unionsrechts seien, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), entschieden habe, bestehe ein „automatisches überwiegendes öffentliches Interesse“, das die Verbreitung dieser harmonisierten Normen rechtfertige. Insbesondere berufen sich die Klägerinnen auf den Grundsatz der Rechtssicherheit, der nur durch eine ordnungsgemäße Veröffentlichung des Rechts in der Amtssprache des Adressaten gewährleistet werden könne. Sie verweisen auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Zugänglichkeit des Rechts. Ferner heben sie den Zusammenhang zwischen der Zugänglichkeit der Normen und dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes hervor. Schließlich vertreten sie die Auffassung, dass der in Art. 41 der Charta der Grundrechte verankerte Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr, der in den Art. 34 und 56 AEUV garantiert sei, einen freien Zugang zu Normen erforderten.

95      Jedenfalls verstoße der bestätigende Beschluss gegen Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001, weil die Kommission es unterlassen habe, das Bestehen eines öffentlichen Interesses an einer Verbreitung zu prüfen und ganz allgemein eine Abwägung der Interessen an der Verbreitung mit den einer solchen Verbreitung entgegenstehenden Interessen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang treten sie dem Vorbringen entgegen, wonach sie nur allgemeine Erwägungen vorgebracht hätten, die nicht zum Nachweis dafür geeignet seien, dass der Grundsatz der Transparenz im vorliegenden Fall dringend Geltung beanspruche. Der Hinweis auf die besondere Natur der angeforderten harmonisierten Normen sei nämlich ausreichend gewesen, um im vorliegenden Fall das Bestehen eines besonderen öffentlichen Interesses an einer Verbreitung im Sinne dieser Bestimmung zu rechtfertigen.

96      Die Kommission, unterstützt durch die Streithelfer, tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

97      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass auch dann, wenn sich die Kommission – wie vorliegend – auf eine allgemeine Vermutung stützt, um den Zugang zu den angeforderten Dokumenten nach Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 zu verweigern, die Möglichkeit des Nachweises, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Freigabe dieser Dokumente im Sinne des letzten Halbsatzes der genannten Vorschrift besteht, nicht ausgeschlossen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. September 2014, Spirlea/Kommission, T‑306/12, EU:T:2014:816, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

98      Allerdings muss derjenige, der das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses geltend macht, konkret Umstände anführen, die eine Verbreitung der betroffenen Dokumente rechtfertigen, und rein allgemeine Erwägungen reichen nicht aus, um darzutun, dass ein öffentliches Interesse schwerer wiegt als die Gründe für die Verweigerung der Freigabe der fraglichen Dokumente (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 2017, Schweden/Kommission, C‑562/14 P, EU:C:2017:356, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Im vorliegenden Fall versuchen die Klägerinnen in Wirklichkeit, die Kategorie der harmonisierten Normen von der Anwendbarkeit des mit der Verordnung Nr. 1049/2001 eingeführten Systems materieller Ausnahmen vollständig auszuschließen, und zwar mit der allgemeinen Begründung, dass diese Normen Teil des „Unionsrechts“ seien, das für die Öffentlichkeit frei zugänglich sein müsse.

100    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Darlegung solcher allgemeiner Erwägungen in Anbetracht der oben in Rn. 98 angeführten Rechtsprechung nicht ausreicht, um darzutun, dass das überwiegende öffentliche Interesse an freiem und unentgeltlichem Zugang zum Unionsrecht einschließlich der harmonisierten Normen Vorrang vor den Gründen habe, die die Verweigerung der Offenlegung dieser Normen rechtfertigen.

101    Erstens haben die Klägerinnen – abgesehen von allgemeinen Ausführungen zur Notwendigkeit, die „Unionsgesetzgebung“ zugänglich zu machen – nicht die konkreten Gründe untermauert, die im vorliegenden Fall die Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen rechtfertigen sollen. Insbesondere erläutern sie nicht, inwiefern die Verbreitung dieser harmonisierten Normen Vorrang vor dem Schutz der geschäftlichen Interessen des CEN oder seiner nationalen Mitglieder haben müsse. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass bei der Anwendung der Ausnahme des Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, wie sich aus der oben in Rn. 98 angeführten Rechtsprechung ergibt, die Beweislast zwar dem Unionsorgan obliegt, das sich auf diese Ausnahme beruft, wohingegen bei Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz dieser Verordnung die Beweislast bei denjenigen liegt, die das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne des letzten Halbsatzes dieser Bestimmung geltend machen.

102    Zweitens wäre die Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen selbst dann, wenn den allgemeinen Behauptungen zum Bestehen eines allgemeinen Interesses an der Gewährleistung des freien und unentgeltlichen Zugangs zu den harmonisierten Normen zu folgen wäre, im vorliegenden Fall nicht geeignet, einem solchen Interesse zu genügen. Unabhängig von der Natur des Rechts, das den Urhebern dieser Normen durch deren Erstellung erwachsen kann, bleibt der Zugang zu harmonisierten Normen nämlich Beschränkungen unterworfen, wie z. B. der Zahlung der von den nationalen Normungsgremien auf der Grundlage des europäischen Normungssystems festgelegten Entgelte oder der nur in bestimmten Bibliotheken möglichen unentgeltlichen Konsultation. Daher ist der Beurteilung der Kommission zuzustimmen, wonach das öffentliche Interesse an der Gewährleistung eines funktionierenden europäischen Normungssystems, dessen Ziel es ist, den freien Warenverkehr zu fördern und zugleich ein gleichwertiges Sicherheitsniveau in allen europäischen Ländern zu gewährleisten, Vorrang vor der Gewährleistung des freien und unentgeltlichen Zugangs zu den harmonisierten Normen hat.

103    Als Zweites kann der von den Klägerinnen gewählte Weg, über den mit der Verordnung Nr. 1049/2001 eingeführten Mechanismus die Festschreibung eines freien und unentgeltlichen Zugangs zu den harmonisierten Normen im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu begehren, ohne jedoch das europäische Normungssystem in Frage zu stellen, nicht als angemessen angesehen werden. Die Verordnung Nr. 1025/2012 sieht nämlich zum einen, wie oben in Rn. 53 ausgeführt, ausdrücklich ein System der Veröffentlichung vor, das auf die Fundstellen der harmonisierten Normen beschränkt ist, und erlaubt zum anderen, wie oben in Rn. 19 dargelegt, den Personen, die in den Genuss der mit diesen Normen verbundenen Konformitätsvermutung kommen möchten, den kostenpflichtigen Zugang zu diesen Normen.

104    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im bestätigenden Beschluss die Auffassung vertreten hat, dass an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen kein überwiegendes öffentliches Interesse nach Art. 4 Abs. 2 letzter Halbsatz der Verordnung Nr. 1049/2001 bestehe. Nach Auffassung der Kommission begründet das Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), auf das sich die Klägerinnen zur Stützung ihres Vorbringens zum Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Gewährleistung des Zugangs zum Recht berufen, keine Verpflichtung zur proaktiven Veröffentlichung der harmonisierten Normen im Amtsblatt und belegt auch nicht automatisch ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrer Verbreitung.

105    Diese Beurteilung der Kommission ist fehlerfrei.

106    Die Auffassung der Klägerinnen beruht nämlich auf den Folgerungen, die sie daraus ziehen, dass der Gerichtshof die harmonisierten Normen in seinem Urteil vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821), als „Unionsrecht“ eingestuft hat. So machen sie im Wesentlichen geltend, dass die Zugehörigkeit der harmonisierten Normen zum Unionsrecht „das verfassungsrechtliche Gebot [begründe], freien Zugang zu ihnen zu gewähren“.

107    Abgesehen davon, dass die Klägerinnen nicht genau angeben, woraus sich ein „Verfassungsgrundsatz“ ergeben soll, der einen freien und unentgeltlichen Zugang zu den harmonisierten Normen erfordere, begründen sie in keiner Weise, weshalb diese Normen dem Gebot der Publizität und Zugänglichkeit eines „Gesetzes“ unterworfen werden sollten, obwohl diese Normen nicht verbindlich sind, die mit ihnen verbundenen Rechtswirkungen nur gegenüber den betroffenen Personen entfalten und in bestimmten Bibliotheken der Mitgliedstaaten kostenlos eingesehen werden können.

108    Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

c)      Zweiter Teil: Rechtsfehler in Bezug auf das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses infolge der Verpflichtung zur Transparenz in Umweltangelegenheiten

109    Die Klägerinnen machen erstens geltend, dass die angeforderten harmonisierten Normen Umweltinformationen enthielten, die ein überwiegendes öffentliches Interesse begründeten, das ihre Verbreitung nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. b des mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. 2005, L 124, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Århus) in der Umsetzung durch Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1367/2006 rechtfertige. Zweitens beträfen diese Normen Emissionen in die Umwelt, so dass an ihrer Verbreitung ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung bestehe.

110    Die Kommission, unterstützt durch die Streithelfer, tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

111    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1367/2006, ebenso wie die Verordnung Nr. 1049/2001, nach ihrem Art. 1 darauf abzielt, eine möglichst umfassende und systematische Verfügbarkeit und Verbreitung der Umweltinformationen sicherzustellen, die sich im Besitz der Organe und Einrichtungen der Union befinden.

112    Um das Vorbringen der Klägerinnen zum Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses infolge der Transparenzpflicht in Umweltangelegenheiten zu prüfen, ist – sofern die angeforderten harmonisierten Normen Umweltinformationen enthalten sollten – zu untersuchen, ob dies ausgereicht hätte, um auf ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrer Verbreitung zu schließen. Im Anschluss daran wird gegebenenfalls zu prüfen sein, ob diese harmonisierten Normen Emissionen in die Umwelt betreffen, so dass nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 von einem überwiegenden öffentlichen Interesse an ihrer Verbreitung auszugehen ist.

1)      Zum Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses im Fall von Anträgen auf Umweltinformationen

113    Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. b des Übereinkommens von Århus in seiner Umsetzung durch Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1367/2006 verpflichtet gewesen sei, die angeforderten harmonisierten Normen aktiv zu verbreiten.

114    Hierzu ist festzustellen, dass sowohl Art. 5 Abs. 3 Buchst. b des Übereinkommens von Århus als auch Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1367/2006 die Verpflichtung zur aktiven Verbreitung der Informationen über die Umwelt regeln, ohne insoweit ein „überwiegendes öffentliches Interesse“ festzuschreiben.

115    Mit der Kommission ist nämlich darauf hinzuweisen, dass Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 die einzige Bestimmung dieser Verordnung ist, die eine klare und spezifische Bezugnahme auf ein „überwiegendes öffentliches Interesse“ enthält, und dass sie nur Fälle betrifft, in denen die angeforderten Informationen Emissionen in die Umwelt betreffen.

116    Außerdem bezieht sich Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1367/2006 nur auf ein „öffentliches Interesse“ an der Verbreitung und nicht auf ein „überwiegendes“ öffentliches Interesse im Sinne von Art. 4 Abs. 2 a. E. der Verordnung Nr. 1049/2001. Aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1367/2006 ergibt sich daher nicht, dass an der Verbreitung von Umweltinformationen immer ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 23. September 2015, ClientEarth und International Chemical Secretariat/ECHA, T‑245/11, EU:T:2015:675, Rn. 189).

117    Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass sich ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung der angeforderten harmonisierten Normen nicht schon aus dem bloßen – als erwiesen unterstellten – Umstand ergibt, dass diese Normen Umweltinformationen enthalten.

118    Jedenfalls beschränkt sich die Verpflichtung zur aktiven Verbreitung von Umweltinformationen, wie aus Art. 5 Abs. 3 Buchst. b des Übereinkommens von Århus in der Umsetzung durch Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1367/2006 hervorgeht, auf den Wortlaut von Rechtsvorschriften der Union über die Umwelt oder mit Bezug zur Umwelt und von Politiken, Plänen und Programmen mit Bezug zur Umwelt. Auch wenn die angeforderten harmonisierten Normen Teil des Unionsrechts sind, fallen sie jedoch nicht unter die Gesetzgebung der Union, die durch die Verträge genau vorgegeben ist und in die ausschließliche Zuständigkeit allein der Unionsorgane fällt, denen die entsprechenden Befugnisse übertragen wurden. Daraus folgt, dass das Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission sei verpflichtet gewesen, die angeforderten harmonisierten Normen aktiv zu verbreiten, auf der unzutreffenden Prämisse beruht, dass diese harmonisierten Normen in die Kategorie der „Rechtsvorschriften [der Union] über die Umwelt oder mit Bezug zur Umwelt“ fielen.

119    Außerdem sehen sowohl das Übereinkommen von Århus als auch die Verordnung Nr. 1367/2006 einen Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen entweder auf Antrag oder im Rahmen einer aktiven Verbreitung durch die betreffenden Behörden und Organe vor. Soweit jedoch die Behörden oder Organe einen Antrag auf Zugang zu Informationen ablehnen dürfen, wenn dieser unter gewisse Ausnahmen fällt, ist davon auszugehen, dass sie nicht zur aktiven Verbreitung dieser Information verpflichtet sind. Andernfalls würde den Ausnahmen nämlich jede praktische Wirksamkeit genommen, was offensichtlich unvereinbar mit Geist und Buchstaben des Übereinkommens von Århus und der Verordnung Nr. 1367/2006 wäre (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 13. September 2013, ClientEarth/Kommission, T‑111/11, EU:T:2013:482, Rn. 128).

2)      Zum Vorliegen von Informationen, die Emissionen in die Umwelt im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 betreffen

120    Aus Art. 1 Abs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1367/2006 geht im Wesentlichen hervor, dass das Ziel dieser Verordnung darin besteht, das Recht auf Zugang zu Informationen über Faktoren wie z. B. Emissionen zu gewährleisten, die sich auf die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. d Ziff. i dieser Verordnung genannten Umweltbestandteile, insbesondere auf die Luft, das Wasser und den Boden, auswirken oder wahrscheinlich auswirken.

121    Insoweit stellt Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 eine gesetzliche Vermutung auf, wonach an der Verbreitung von „Informationen[, die] Emissionen in die Umwelt betreffen“, mit Ausnahme solcher, die Untersuchungen betreffen, ein öffentliches Interesse besteht, das gegenüber dem Interesse am Schutz der geschäftlichen Interessen einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person überwiegt, so dass der Schutz dieser geschäftlichen Interessen der Verbreitung dieser Informationen nicht entgegengehalten werden kann. Durch die Aufstellung einer solchen Vermutung ermöglicht dieser Artikel lediglich eine konkrete Umsetzung des Grundsatzes eines möglichst umfassenden Zugangs zu den Informationen, die sich im Besitz der Organe und Einrichtungen der Union befinden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2016, Kommission/Stichting Greenpeace Nederland und PAN Europe, C‑673/13 P, EU:C:2016:889, Rn. 54).

122    Aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 geht jedoch hervor, dass sich diese Bestimmung auf Informationen bezieht, die „Emissionen in die Umwelt betreffen“, d. h. auf Informationen, die solche Emissionen betreffen oder sich auf solche Emissionen beziehen, nicht aber auf Informationen, die lediglich in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Emissionen in die Umwelt stehen. Diese Auslegung wird durch Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. d des Übereinkommens von Århus bestätigt, der auf „Informationen über Emissionen“ abstellt (Urteil vom 23. November 2016, Kommission/Stichting Greenpeace Nederland und PAN Europe, C‑673/13 P, EU:C:2016:889, Rn. 78).

123    Im Hinblick auf das von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 verfolgte Ziel, grundsätzlichen Zugang zu „Informationen[, die] Emissionen in die Umwelt betreffen“, zu gewähren, ist diese Wendung dahin aufzufassen, dass sie insbesondere die Daten einschließt, die es der Öffentlichkeit ermöglichen, Kenntnis darüber zu erlangen, was tatsächlich in die Umwelt freigesetzt wird oder voraussichtlich freigesetzt werden wird, wenn das fragliche Produkt oder der fragliche Stoff unter normalen oder realistischen Bedingungen angewandt wird, die denen entsprechen, für die die Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Produkts oder Stoffes erteilt wird, und in dem Gebiet vorherrschen, in dem dieses Produkt oder dieser Stoff angewandt werden soll. Somit ist diese Wendung dahin auszulegen, dass sie u. a. die Angaben zu Art, Zusammensetzung, Menge, Zeitpunkt und Ort der tatsächlichen oder unter solchen Umständen vorhersehbaren Emissionen dieses Produkts oder Stoffes erfasst (Urteil vom 23. November 2016, Kommission/Stichting Greenpeace Nederland und PAN Europe, C‑673/13 P, EU:C:2016:889, Rn. 79).

124    Ferner sind in die Wendung „Informationen[, die] Emissionen in die Umwelt betreffen“ die Informationen, die es der Öffentlichkeit ermöglichen, nachzuprüfen, ob die Bewertung der tatsächlichen oder vorhersehbaren Emissionen, auf deren Grundlage die zuständige Behörde das fragliche Produkt oder den fraglichen Stoff zugelassen hat, zutreffend ist, ebenso einzubeziehen wie die Daten bezüglich der Auswirkungen dieser Emissionen auf die Umwelt. Aus dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1367/2006 ergibt sich nämlich im Wesentlichen, dass der von dieser Verordnung garantierte Zugang zu Umweltinformationen insbesondere eine wirksamere Beteiligung der Öffentlichkeit am Entscheidungsprozess fördern soll, so dass die Verpflichtung der zuständigen Stellen verstärkt wird, beim Erlass von Entscheidungen Rechenschaft abzulegen, um die öffentliche Meinung zu sensibilisieren und deren Zustimmung zu den erlassenen Entscheidungen zu erhalten. Um sich aber vergewissern zu können, dass die Entscheidungen der in Umweltfragen zuständigen Behörden begründet sind, und um wirksam am Entscheidungsprozess im Umweltbereich teilnehmen zu können, muss die Öffentlichkeit Zugang zu den Informationen haben, die es ihr ermöglichen, nachzuprüfen, ob die Emissionen zutreffend bewertet wurden, und in die Lage versetzt werden, zu verstehen, in welcher Art und Weise die Umwelt von diesen Emissionen beeinträchtigt zu werden droht (Urteil vom 23. November 2016, Kommission/Stichting Greenpeace Nederland und PAN Europe, C‑673/13 P, EU:C:2016:889, Rn. 80).

125    Auch wenn die Wendung „Informationen[, die] Emissionen in die Umwelt betreffen“ nicht eng auszulegen ist, kann sie jedoch nicht jede Information erfassen, die irgendeinen – selbst unmittelbaren – Bezug zu Emissionen in die Umwelt aufweist. Würde diese Wendung dahin ausgelegt, dass sie solche Informationen erfasste, schöpfte sie nämlich weitgehend den Begriff „Umweltinformationen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 1367/2006 aus. Eine solche Auslegung nähme somit der in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Möglichkeit der Organe, die Verbreitung von Umweltinformationen u. a. aus dem Grund zu verweigern, dass durch diese Verbreitung der Schutz der geschäftlichen Interessen einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person beeinträchtigt würde, jede praktische Wirksamkeit und gefährdete das Gleichgewicht, das der Unionsgesetzgeber zwischen dem Ziel der Transparenz und dem Schutz dieser Interessen sicherstellen wollte. Sie würde ferner zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des von Art. 339 AEUV garantierten Schutzes des Berufsgeheimnisses führen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2016, Kommission/Stichting Greenpeace Nederland und PAN Europe, C‑673/13 P, EU:C:2016:889, Rn. 81).

126    Außerdem kann die Wendung „Informationen[, die] Emissionen in die Umwelt betreffen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 zwar nicht auf Informationen beschränkt werden, die tatsächlich in die Umwelt freigesetzte Emissionen betreffen, schließt aber Informationen über hypothetische Emissionen nicht ein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2016, Kommission/Stichting Greenpeace Nederland und PAN Europe, C‑673/13 P, EU:C:2016:889, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung sowie Rn. 73).

127    Im vorliegenden Fall beschreiben die angeforderten harmonisierten Normen nach Ansicht der Kommission, der die Klägerinnen in diesem Punkt nicht widersprochen haben, nur Versuche und Methoden, die dazu bestimmt sind, vor dem Inverkehrbringen bestimmter Produkte den Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden. Sie enthalten jedoch keine Informationen, die sich auf die in Art. 2 Abs. 1 Buchst. d Ziff. i der Verordnung Nr. 1367/2006 genannten Umweltbestandteile auswirken oder wahrscheinlich auswirken würden, sondern Informationen über die besten Möglichkeiten, Spielzeug sicherer zu machen und bestimmte Auswirkungen von Nickel bei längerem Hautkontakt zu verhindern.

128    Wie die Kommission zu Recht geltend macht, stellt der bloße Umstand, dass sich die angeforderten harmonisierten Normen teilweise auf Stoffe beziehen und bestimmte Informationen über die Höchstwerte von chemischen Gemischen und Stoffen enthalten, sicherlich keinen hinreichenden Zusammenhang mit tatsächlichen oder vorhersehbaren Emissionen im Sinne der oben in den Rn. 123 und 124 angeführten Rechtsprechung her.

129    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die beantragten harmonisierten Normen nicht dem Bereich der „Informationen[, die] Emissionen in die Umwelt betreffen“ zugerechnet werden können, um sie in den Genuss der Vermutung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1367/2006 kommen zu lassen.

130    Der zweite Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen, so dass dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen und die Klage abzuweisen ist.

IV.    Kosten

131    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

132    Da die Klägerinnen im vorliegenden Fall unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

133    Schließlich kann das Gericht gemäß Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels genannten seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall tragen das CEN, die UNE, die ASRO, die AFNOR, die ASI, die BSI, das NBN, die DS, das DIN, das NEN, die SNV, die SN, die SFS, das SIS und das ISS ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Public.Resource.Org, Inc. und die Right to Know CLG tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten, die der Europäischen Kommission entstanden sind.

3.      Das Europäische Komitee für Normung (CEN), die Asociación Española de Normalización (UNE), die Asociaţia de Standardizare din România (ASRO), die Association française de normalisation (AFNOR), die Austrian Standards International (ASI), die British Standards Institution (BSI), das Bureau de normalisation/Bureau voor Normalisatie (NBN), die Dansk Standard (DS), das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN), das Koninklijk Nederlands Normalisatie Instituut (NEN), die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV), die Standard Norge (SN), die Suomen Standardisoimisliitto r.y. (SFS), das Svenska institutet för standarder (SIS) und das Institut za standardizaciju Srbije (ISS) tragen ihre eigenen Kosten.

Papasavvas

Spielmann

Öberg

Spineanu-Matei

 

      Norkus

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Juli 2021.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Englisch.


1      Die Liste der anderen Streithelfer ist nur der den Parteien notifizierten Fassung beigefügt.